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I 1 Biom. Z. Bd. 15. 19i3. 1%. 1 . S. 79-84 Sektion Matheniatik der Bergakademie Freiberg Zur Beobaehtung stochastischer Einsehwingprozesse mi t station5rem Fehlerant eil' H. BANDEMER und LE ANH SON 1. Problemstellung und Model1 Bei vielen praktischen Problemen hat man Prozesse zu beobachten, die einem stationaren Wert zustreben, z. B. bei Wachstumsprozessen, bei der Entwicklung von Ertragen oder bei der Wirkung von Medikamenten. Die Beobachtungen sind mit zufalligen Fehlern behaftet und man hat in der noch nicht stationaren Anfangsphase des Prozesses bereits eine Schatzung fur den zu erwartenden stationaren Wert zu geben, dem der ProzeB zustrebt. Im folgenden sollen fur diesen Sachverhalt ein stochastisches Modell angegeben, ein Optimalitatskriterium vorgeschlagen und ein Losungsweg gezeigt werden. Fur den ProzeB wird die Struktur angenommen, dabei sei g (t) eine unbekannte deterministische reelle Funktion init der Eigenschaft (1) Z(t) = s(t) + x (t) Ol_t<m lim g (t) = 0. t--= (2) Der FehlerprozeB X(t) sei ein im weiteren Sinne stationarer ProzeB, d. h. mit (3) E X(t) = m wobei die Kovarjanzfunktion B, (ta - tl) vorgegeben sei. erhalt man durch die Transformation (4) Bx(tz - 4) = cov (X(t,), WJ), Nimmt man als weitere Voraussetzung die Stetigkeit von g(t) in [0, 00) an, so u = e-t (5) die Funktion (6) die wegen (2) in [O, 13 stetig erganzt werden kann. Da nach einem Satz von WEIERSTRASS jede stetige Funktion in einem abgeschlosssenen Interval1 gleich- maI3ig durch Polynome approximierbar ist, ergibt sich fur h (u) die Darstellung h(u) = g(- In u), E (7) 1 Frau Prof. Dr. habil. Dr. h. c. ERNA WEBER zum 75. Geburtstag gewidmet.

Zur Beobachtung stochastischer Einschwingprozesse mit stationärem Fehleranteil

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I 1 Biom. Z. Bd. 15. 19 i3 . 1%. 1 . S. 79-84

Sektion Matheniatik der Bergakademie Freiberg

Zur Beobaehtung stochastischer Einsehwingprozesse mi t station 5rem Fehlerant eil'

H. BANDEMER und LE ANH SON

1. Problemstellung und Model1

Bei vielen praktischen Problemen hat man Prozesse zu beobachten, die einem stationaren Wert zustreben, z. B. bei Wachstumsprozessen, bei der Entwicklung von Ertragen oder bei der Wirkung von Medikamenten. Die Beobachtungen sind mit zufalligen Fehlern behaftet und man hat in der noch nicht stationaren Anfangsphase des Prozesses bereits eine Schatzung fur den zu erwartenden stationaren Wert zu geben, dem der ProzeB zustrebt.

Im folgenden sollen fur diesen Sachverhalt ein stochastisches Modell angegeben, ein Optimalitatskriterium vorgeschlagen und ein Losungsweg gezeigt werden. Fur den ProzeB wird die Struktur

angenommen, dabei sei g ( t ) eine unbekannte deterministische reelle Funktion init der Eigenschaft

(1) Z(t ) = s( t ) + x ( t ) O l _ t < m

lim g ( t ) = 0. t--=

(2)

Der FehlerprozeB X ( t ) sei ein im weiteren Sinne stationarer ProzeB, d. h. mit (3) E X ( t ) = m

wobei die Kovarjanzfunktion B, (ta - t l ) vorgegeben sei.

erhalt man durch die Transformation

(4) Bx(tz - 4 ) = cov (X( t , ) , WJ),

Nimmt man als weitere Voraussetzung die Stetigkeit von g ( t ) in [0 , 00) an, so

u = e-t (5) die Funktion

(6) die wegen (2) in [ O , 1 3 stetig erganzt werden kann. Da nach einem Satz von WEIERSTRASS jede stetige Funktion in einem abgeschlosssenen Interval1 gleich- maI3ig durch Polynome approximierbar ist, ergibt sich fur h (u) die Darstellung

h(u) = g ( - In u ) ,

E

( 7 )

1 Frau Prof. Dr. habil. Dr. h. c. ERNA WEBER zum 75. Geburtstag gewidmet.

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wobei sk (a) betragsbeschrankt ist. Durch Rucktransforination wird man auf k

mit rk( t ) = sk(u) gefuhrt. Nach diesen uberlegungen scheint es siiinvoll vorauszusetzen, dafi die un-

bekannte Punktion g ( t ) aus einer Menge G von Funktionen stammt, fur die mit, einem vorgegebenen geeigneten k eine Darstellung (8) moglich ist, wobei das Restglied rk( t ) beschrankt ist, d. h.

(9)

Dabei sei RJk, t ) bekannt. Wegen (2) wurde das Absolutglied a. vernachldssigt.

2. Schiitzverfahren

Der ProzeB 2 (t) werde an aquidistanten Punkten t , , t 2 , . . . iin jeweiligen Abstaiid d beobachtet, d. 11. man erhalt Realisierungeii der Zufallsgrofien (der Beob- achtungsgrofien)

(10) 2(ti) = Z ( i d ) i = 1, 2, . . . Der Abstand A wird vorlaufig als fest aiigeiiommen und ergibt sich hkufig bereits aus der Natur des praktischen Problems. Als Regressionsansatz fur EZ( t ) wird wegen (I), (3) und (9)

k ( ( t ) = n a + 2 ai e-i '

i = t (11)

gewahlt. Zur Schatzung des Vektors

(12)

(13)

u = (m, u j , . . . , Uk)

2, = ( Z ( S A ) , . . .;Z((S + ?%)A) )

aus einer Realisierung des Zufallsvektors

aus (n + l).aufeinanderfolgenden Beobachtungsgrofien (10) mit n > k wird die bekannte AITKEN-Schatzung verwendet. Danach erhalt man als Schatzung

(14) Q = (T'BilT)-lT'B-l x 8 8 )

wobei B, die aus (4) berechnete Kovarianzmatrix von 8, (15) und (16)

ist. Fur die Kovarianzmatrix BA des Schatzvektors 6 gilt bekanntlich

B, = ((B,(li - A 4 ) ) i , j = i ,..., , t + i

T = ( (e - (s+ i - l ) ( j - l td )> i= i , . . .,n + t , j = 1, . . .,&+ 1

(17) B, = (T'B;' T)- i .

Einschwingprozesse mit stationiirem Fehleranteii 81

Zur Schatzung des Erwartungswertes m des stationapen Prozesses X ( t ) , dem der Erwartungswert EZ ( t ) des beobachteten Prozesses Z ( t ) wegen (2) zustrebt, kann man die erste Komponente & von 8 verwenden, d. h.

mit dem Einheitsvektor e; = (I, 0, . . . , O ) k + , . Die zu M gehorige Varianz ist aus (1 7) ablesbar

Wie man zeigen kann (LE ANH SON 1972), hangt die Varianz DZJ? nicht von der Zahl s des Beobachtungsanfangs ab.

.--. - M = e; = e; (T'B;' T)-1 T' Bi i 3,

A

(1 8)

(19) ~2 i? = e; (T' B X ~ T) - I el.

3. Optimierung des Beobachtungszeitraums

Bei der Schatzung von m mochte man zwei einander widerstrebende Forderungen moglichst gut erfullen. Einerseits sollen bald nach Prozekibeginn, um eventuell eingreifen zu konnen, und mit wenig Beobachtungsaufwand Aussagen iiber m ge- macht werden, andererseits sollen die Aussagen hinreichend genau sein, was eventuell einen langen Beo bachtungszeitraum erfordern kann. Fur eine dadurch iiahegelegte Optimierung wird ein KompromiS vorgeschlagen, bei dem der Beob- achtungsaufwand, einschliel3lich der Nachteile, die sich durch eine Verzogerung der Schatzung ergeben, dem Risiko gegenubergestellt wird, das durch die Un- genauigkeit der Schatzung bedingt ist.

Dieser Beobachtungsaufwand einschlieBlich der genannten Nachteile, der durchdie Beobachtung des ProzessesZ(t) an den Stellen sd, (s + i )d , . . . (a + s ) d und wegen der Schatzung nach dem Zeitpunkt (a + s ) d entsteht, werde durch die Funktion K ( n , s, A ) in einer geeigneten Mafieinheit (z. B. Zeit, Geld) an- gegeben. Mit E(& - m)2 werde der Erwartungswert des Quadrates der zu- falligen Abweichungen der Schatzung M vom gesuchten Wert m bezeichnet, die Funktion r t ( t ) gibt den Abbruchfehler beim Ubergang von (9) zu (11) an und stellt daher die systematische Fehlschatzung wegen des Naherungsansatzes dar.

C ( n , s , A ) = K ( n , s , d ) + c , E(k-m)2e-" td t+~2 ri(t)e-Ktdt (20)

formulieren. Dabei sind cl und c2 positive Dimensionskonstanten, die die ent- sprechenden Summanden in der fur K(n , s, d) gewahlten Mafieinheit vergleichbar machen. 1 Durch den Diskontierungsfaktor e-"l mit gegebenem a > 0 wird be-

1 Falls die Bestimmung der Konstanten cI und c2 groI3e Schwierigkeiten bereitet, kann man als Zielfunktion z. B. auch K (n, s, A ) wiihlen und als Nebenbedingung fur die Minimierung dieser Aufwendungen fordern, daB die Summe der beiden Integralglieder durch eine vorgegebene Kon- stante beschriinkt ist

Mit diesen GroBen la& sjch die zu minimierende Zielfunktion rn m

( n + b ) A (n+8)A

m

J (n, s, A ) = E (2 - m)2e-"t dt + J r : ( t ) e-al dt 5 J,,. (?l +8)A (n+s)A

Moglich ist auch, als Zielfunktion J (n, s, A ) zu wiihlen und als Nebenbedingung K(n , s, A ) 2 KO mit gegebener Konstanten KO einzufiihren. 6 Biometr. Z. 15, 1

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riicksichtigt, dal3 die Abweichungen der Schatzung vom wahren Wert in der Zu- kunft praktisch immer mehr an Bedeutung verlieren.

min G ( n , s, A ) = G(n*, s*, A * ) (21 1 Bei der 13inimierungsaufgabe

%,s, A

kanri sich die Minimierung fiber A erubrigen, wenn der Beobachtungsabstand durch das praktische Problem vorgegeben worden ist. Andererseits bietet der Aus- druck (20) noch die Mogliclikeit einer optimalen Wahl der Anzahl k der im Re- gressionsansatz (1 1) verwendeten Reihenglieder, wenn entsprechende Ab- schatzungen fur die Restglieder verfiigbar sind.

Eine einfache Umformung von (30) liefert

c1 - G ( n , s , A ) = K ( n , ~ , d ) + -D2He-"(2"+")d U

( 2 2 )

+ c2 i r:(t)e-atdt, + - c1 (E &' - - Tn)2e-"(n+'s)" a ( n + s ) A

in der die Varianz D2M und das Quadrat des systematischen Fehlers E k - n a

der Schatzung i6? auftreten. Mit dem Vektor

(23)

erhalt man aus (18) fur den systematischen Fehler der Schatzuiig AM^ (34)

rk(n, s, A)' = ( T k ( S 4 * - * 9 r k ( ( s + % ) A ) )

EG - ?n = e; (T'Bii T)-IT'Biirk (n, S, A ) .

Der Summand

berucksichtigt also den durch den EinfluB von rk( t ) wahrend des Beobachtungs- zeitraums bedingten systematischen Fehler, wahrend der Summand

(36)

den durch den EinfluB von rk( t ) im zukiinftigen Zeitraum, in dem die Schatzung benutzt werden soll, bedingten systematischen Fehler bewertet.

Da das Restglied rk( t ) nicht bekannt ist, la& sich die Aufgabe (21) praktisch nicht losen. Es soll daher die Ersatzfunktion

c2 i Ti(t)e-"l d t (n+s)A

G(li)(n, s, a) = K ( n , s,d) + "1 D2&e-"('"'S)J x

( 2 7 )

betrachtet werden. Die Abschatzung 1 r g ( t ) 1 5 R,(k, t ) in (9) bietet dann die Mog- lichkeit, die Minima von ( 2 2 ) und (37) miteinander zu vergleichen. Offenbar gilt stets

(28) Cr'@)(n, s, A ) 5 G(n, s, A ) .

Einschwingproxesse mit stationiirem Fehleranteil 83

Sei c = (cI, . . . , c,)' ein beliebiger Vektor, dann bezeichne abs (c) den Vektor aus den Absolutbetragen von c, d. h. abs (c ) = ( 1 c , 1, . . . , I c, I)', weiter sei e' = (1, . . ., 1).

(29)

ei'halt man

Als Abschatzung fur die Differenz

G(n, s, A ) - G@)(n, s, A ) 5 &(n, s, A )

x niax R, (k, (s + i) A)]' + c2 p Ri(k, t ) e-Kt d t . i - 0 . . . . ,11 (1% + 8 ) A

Sei G@)(n, s, d) fur n*, s*, A* minimal, dann liefert &(ti,*, s*, A*) eine obere Schranke fur die Differenz zwischen dein Minimum von G(n, s, A ) und deni Minimum a(@(%*, s*, A *) der Ersatzfunktion. Die Ersatzaufgabe ist naturlich iiur sinnvoll, wenn &(n*, s*, A*) klein gegen G@)(n*, s*, A * ) ist. Weitere Schranken, fur die zusiitzliche Voraussetzungen uber rk( t ) gemacht werden, findet man in LE ANH SON 1972.

4. Beispiel

Fur ein numerisches Beispiel zur Losung des Minimierungsproblenis auf einer EDV-Anlage wurde ein fur eine praktische Anwendung interessanter Spezialfall gewahlt :

g ( t ) = a e-t + r ( t ) ; 1 r ( t ) I 5 R e-@, B x 2 (t - ti) = e-(I 1'2-'J, K(n, s) = ,u (s + n) .

Fur die Vorgabewerte d = 0,1, R = 0,1, /3 = 4, 0 = 4, ,u = 0,1, a = 0,4, c1 = c2 = 0,5 ergaben sich n:k = 16, s* = 1 mit G(I) (16,l) = 2,315 und der Ab- schatzung fur die Differenz Q(16,I) = 0,009.

Zusamnienfassung

Aus den Beobachtungen der Anfangsphase eines Einschwingprozesses ist auf seinen zu er- martenden stationaren Wert zu schliefien, wenn die Beobachtungen von zufalligen Fehlern uber- lagert sind. Fur dieses Problem wird ein stochastisches Modell angegeben, ein Optimalit&ts- kriterium fur die optimale Wahl des Beobachtungszeitraums wird vorgeschlagen und ein Losungs- weg gezeigt.

Summary

From observations in the starting phase of a transient process we have to infer the expected stationary value of the process if the observations are superposed by random errors. For this problem a stochastic model is given, an optimality criterion for an optimal choice of the ob- servation interval is proposed and a possibility of solution is mentioned. G*

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PeaxoMe

Literatur

BANDEMER, H., 1970 a : Zur Optimierung des Stichprobenumfangs Operationsforschung und mathematische Statistik 11. Schriftenreihe der Institute fur Mathematik Reihe B: Heft 9. Akademieverlag, Berlin, 39-51.

BANDEMER, H., 1970b: Optimale Wahl der Abszissenwerte fur die lineare Regression bei ge- gebener Kostenfunktion. Math. O F Stat. 4, 297-308.

LE ANH SON, 1972 : Zur Schiitzung des Grenzerwartungswertes bei stochastischen Einschwing- prozessen mit stationiirem Fehleranteil. Diplomarbeit an der Sektion Mathematik der Berg- akademie Freiberg.

PLACRETT, R. L., 1960: Principles of regression analysis. Oxford. RASCH, D., und A. STAMMBERGER, 1967: Verschiedene Schiitzverfahren fur die Parameter der

= tc + ,!l eyz. Biometr. Z. 9, 34-49. SWESCHNIKOW, A. A., 1965: Untersuchungsmethoden der Theorie der Zufallsfunktionen mit

Eingang des Manuskripts: 18.4.1972

Funktion

praktischen Anwendungen. Leipzig.

Anschrift der Verfassef: Prof. Dr. H.-W. BANDEMER LE ANH SON Sektion Mathematik der Bergakademie Freiberg 92 Freiberg Bernh.-v.-Cotta-Str. 2