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8. Zur Besthmvrng det. insi eren Reibuny fester K &per ; *om A d o 7 j’ He 1~ d w e i 1 1 e r. Seit den grundlegenden Untersuchungen von G. Hagen, Graham, Poiseuille, G. Wiedemann und 0. E. Meyer ist die innere Reibung von Fliissigkeiten und Gasen Gegen- stand ausserst zahlreicher und eingehender Untersuchungen gewesen; die Abhlngigkeit von Temperatur und Druck, von chemischer Constitution uncl physikalischer Mischung sind in ausgedehntem Maasse bestimmt worden. Dagegen ist die Untersuchung der festen Korper in dieser Hinsicht noch er- heblich zuriick. Zwar giebt es ausser einigen Mittheilungen iiber Plasticittit zahlreiche Arbeiten iiber die niit der inneren Reibung eng zusammenhangenden elastischen Hysteresiserscheinurigen, au denen u. a. Hr. G. Wiedemann ebenfalls betheiligt ist, aber nur zweimal ist, soweit mir bekannt, der Versuch ge- macht, die innere Reibuiig fester Korper in absolutem Maasse derart zu bestimmen , dass sie mit der Fliissigkeitsreibung vergleichbar wird. Die ersten Messungen von Hrn. Barus l) beziehen sich zum Theil auf nicht definirte Gemische, wie Marineleim und Paraffin - ersteres ist zudem halbfliissig und fur letzteres wird nur eine untere Grenze des Reibungscoefficienten ange- geben - zum Theil auf harten uncl weichen Stahl, und hier erscheint es mir zweifelhaft, ob der von Hrn. Barus bestimmte, von der Dauer der deformirenden Einwirkung abhangige Coeffi- cient iiberhaupt mit der Fliissigkeitsreibung vergleichbar ist. Die zweite Arbeit von Hrn. W. Voigt2) giebt die Coefficienten der inneren Reibung bei tangentialer Verschiebung der Theile fur Nickel und Kupfer, Korper, welche im fliissigen Aggregat- zustande der Messung nur schwer zuganglich sind. 1) Barus, Phil. Mag. (5) 29. F. 337. 1890. 2) W. Voigt, Wied. Ann. 47. p. 671. 1892.

Zur Bestimmung der inneren Reibung fester Körper

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Page 1: Zur Bestimmung der inneren Reibung fester Körper

8. Zur B e s t h m v r n g det. i n s i eren Reibuny fes ter K &per ; *om A d o 7 j’ H e 1~ d w e i 1 1 e r.

Seit den grundlegenden Untersuchungen von G. H a g e n , G r a h a m , Po i seu i l l e , G. W i e d e m a n n und 0. E. Meyer ist die innere Reibung von Fliissigkeiten und Gasen Gegen- stand ausserst zahlreicher und eingehender Untersuchungen gewesen; die Abhlngigkeit von Temperatur und Druck, von chemischer Constitution uncl physikalischer Mischung sind in ausgedehntem Maasse bestimmt worden. Dagegen ist die Untersuchung der festen Korper in dieser Hinsicht noch er- heblich zuriick.

Zwar giebt es ausser einigen Mittheilungen iiber Plasticittit zahlreiche Arbeiten iiber die niit der inneren Reibung eng zusammenhangenden elastischen Hysteresiserscheinurigen, au denen u. a. Hr. G. Wiedemann ebenfalls betheiligt ist, aber nur zweimal ist, soweit mir bekannt, der Versuch ge- macht, die innere Reibuiig fester Korper in absolutem Maasse derart zu bestimmen , dass sie mit der Fliissigkeitsreibung vergleichbar wird.

Die ersten Messungen von Hrn. B a r u s l) beziehen sich zum Theil auf nicht definirte Gemische, wie Marineleim und Paraffin - ersteres ist zudem halbfliissig und fur letzteres wird nur eine untere Grenze des Reibungscoefficienten ange- geben - zum Theil auf harten uncl weichen Stahl, und hier erscheint es mir zweifelhaft, ob der von Hrn. B a r u s bestimmte, von der Dauer der deformirenden Einwirkung abhangige Coeffi- cient iiberhaupt mit der Fliissigkeitsreibung vergleichbar ist. Die zweite Arbeit von Hrn. W. Voig t2) giebt die Coefficienten der inneren Reibung bei tangentialer Verschiebung der Theile fur Nickel und Kupfer, Korper, welche im fliissigen Aggregat- zustande der Messung nur schwer zuganglich sind.

1) Barus, Phil. Mag. ( 5 ) 29. F. 337. 1890. 2) W. V o i g t , Wied. Ann. 47. p. 671. 1892.

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Innere Reibung fester G r p e r . 57

Ein Versuch fur denselben Korper die innere Heibung im festen und fliissigen Zustande zu bestimmen, ist mir nicht bekannt.

Gelegentliche Erfahrungen uber die verhaltnissmassig grosse Plasticitat gewisser fester, organischer Verbindungen in der Nahe ihres Schmelzpunktes fiihrten mich auf die Slog- lichkeit, die innere Reibung derselben direct nach der sog. Transpirationsmethode zu bestinimen , unter Erwiigung des Umstandes , dass die Durchstromungszeit durch eine Rohre dem Quadrate ihres Querschnittes umgekehrt proportional ist.

Der daraufhin unternomxnene Versuch ist sehr einfach. An ein etwa 60 cm langes und 0,3 cm weites Glasrohr

wurde ein weiteres von etwn 1,5 crn Durchmesser rechtwinklig angesetzt, das engere Rohr und ein Theil des weiteren mit Quecksilber gefullt, uber dasselbe in dem letzteren eine 1 bis 2 cm dicke Schicht der zu untersuchenden Substanz eingefuhrt, und der iibrigbleibende Raum evacuirt und zugeschmolzen. Durch vorsichtiges Schmelzen und allniahliches Wiedererstarren der organischen Substanz unter langsam gesteigertem einsei- tigen Druck wurde die Masse derselben moglichst homogen gemacht. Antsnglich waren die W h d e des weiteren Rohres glatt; indessen gelang es so nicht eine vollige Homogenitat der immer etwas milchig bleibenden Masse zu erzielen; auch schien gleitende Reibung einzutreten. Es wurde daher eine Verengerung von etwa 1,5 cm L&nge und 1,3 cni mittlerer Weite mit welliger Oberflache in dem Rohr angebracht, durch welche die feste Masse hiridurch gepresst wurcle. Die Genauig- keit der :tbsoluten Bestimmung wurde dadurch allerdings be- eintrachtigt, aber die Masse wurde jetzt nach langerem Stehen bei 100 bis 110 cm Hg-Druck unter mehrstiindigem Erwarmen bis in die Nahe des Schmelzpunktes vollkommen homogen und durchscheinend.

Auch haben diese Messungen mehr den Charakter einer vorlhfigen Orientiruiig, a19 den einer endgultigen genauen Be- stimmung; die uhsoluten Werthe konnen leicht um 20-30 Proc. oder auch mehr fehlerhaft sein; trotzdem geben sie schon ein gutes und im ganzen wohl zutreffendes Bild der enormen Aenderung , welche die innere Reibung beim Erstarren er- fahrt , und des fast beispiellos grossen Temperatureinflusscs auf diese Eigenschaft der festen Korper.

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58 Ad. Heydweiller.

Als Versuchssubstanz wurde Menthol gewahlt, das einen bequem gelegenen Erstarrungspunkt (41,4 O) besitzt, und dessen specifisches Volumen in der Nahe des Schmelzpunktes ich kurzlich bestimmt habe. ’)

Die Ausfiihrung der Versuche gescliah so, dass das Sinken des Quecksilberniveaus in dem vertical gestellten engeren, oben offenen Rohr bei verscliiedenen Temperaturen zeitlich verfolgt wurde.

Bezeiclinen A’ den mittleren Halbmesser und 1 die Lange der durch die Verengerung gepressten Substanzsaule, h den mittleren Gesnmmtdruck (Atmosphare und Quecksilbersaule) im Centimeter Hg, s das specifisclie Gewicht des letzteren, g die Beschleunigung der Schwerkraft, r den Halbmesser des eiigen Steigrohrs und dh/d t die Geschwindigkeit der Nivenu- aiiderung in letzterem, so ist der Reibungicoefficient

g . 1 L . s R4 1 -.-.- 81 r? d h -~

d t

Aus 1 = 1,5 cm, R = 0.658. T = 0.158 folgt

h

df

11 = 8280 a C. G. S. -

Die folgende TalJelle 1 giebt i n der ersten Spalte die Nummer der Versuchsfolge, clann die Teinperatur t, die Druck- hiihe und die Werthe von dhldt, log 11 und l o l o . in (3. G. S.- Einheiten und endlich das specifische Volumen v.

I)a bei den tieferen Temperaturen die Versuche sich uber Tage erstreckten, so sind die Mittelwerthe der etwas schwan- konden Temperaturen nicht ganz sicher. Die Werthe von dh/dt sind, soweit die Genauigkeit der Versuche es erkennen lasst, zeitlich constant; die Abhangigkeit vom Druck ist nur in sehr engen Grenzen untersucht worden.

Bei ca. 39O begann die nicht ganz reine Substanz stellen- wise zu schmelzen.

1) H e y d w c i l l e r , Wicd. Ann. 61. p. 527. 1897.

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1

5 4 6 3 2

c

10'0. '7

0,290 2,41 6,15 14,9 31,2 124 209

d k cm 1 /icm ~ ~ 1 log 7 d t sec

38,7O 103 2,94. 9,4626 3 7 3 97 3,33. 10,3829 34,O 98 1,32. 10,7889 29,O 100 5,55. 11,1738 26,l 98 2 , 6 0 . 11,4945 18,l 100 6,7 12,0920 14,9 101 4,O . lo-' 12,9203

t

59

2:

1,0708 1,0651 1,0617 1,0606

Tabelle 2 auf folgender Seite enthak ferner die Ergebnisse einiger Messungen der inneren Reibung fur das flussige Menthol; unter 34O konnten dieselben nicht fortgesetzt werden da Erstarren eintrat.

Die nebenstehende Figur giebt die graphische Darstel- lung dieser Ergebnisse und zwar sind die Temperaturen als Abscissen die Logarith- men des Reibungscoefficienten als Ordinaten aufgetragen. Die Curve besteht aus zwei getrennten Stiicken fur den fliissigen und den festen Aggregatzustand. Die Dis- continuitat verschwindet auch nicht , wie man wohl ver- muthen konnte, wenn statt der Temperaturen die specifi- sclien Volumen oder ihre 3. Wurzeln als Abscissen be- nutzt werden. Eine einfache, die beiden Aggregatzustinde umfassende Abhangigkeit der innerenReibungvonderTem- I 1 I I I I I 1 1 I 1 peratur oder dem Molecularvolumen oder -abstand besteht also nicht.

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56,9' - 23385 43,4 1,1419 37,8 1,3087 34,9 1,3088

- -

0,0689 1,1488 0,1368 1,1357 0,2036 1,1305 0,3505 1,1277

Sieht man von der Beobachtung bei 38,7O ab, die der Erweichungstemperatur schon sehr nahe liegt, so ergiebt sich fur den festen Aggregatzustancl, ebenso wie fur den fliissigen, eine nahe lineare Abhkngigkeit zwischen log q und cler Tem- peratur, sogar mit noch grosserer Annaherung, als bei letzterem, aber mit erheblich starkerein Gefille. Die relative Aenderung von 7 auf l o Temperaturerhohung betragt fiir das feste Menthol etwa 20 Proc.; mir ist keine zweite physikalische Eigenschaft fester Korper bekannt , die einen gleich grossen Temperatureinfuss aufweist, nur bei Dampfdruck und Reactions- geschwindigkeit (z. B. fiir Zuckerinversion) erreicht er eine Bhnliche Grossenordnung. Beim Erstarren nirrimt die innere Reibung des Ment.hols etwa im Verhaltniss von 1 : l O I I zu.

B r e s l a u , Juni 1897.