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138 9. Zzcr Deutzclzg des Zedtgesetxes der B4ldtmg ctes Bromwasserstoffes aus sehen EZementerc; vom Anton Skrabal Vor l&ngerer Zeit haben M. Bodenstein und S. C. Lind') auf experimentellem Wege fur .die Dunkelreaktion R, + Br, -F 2 HBr folgendes Zeitgesetz gefunden: Erst sehr vie1 spater wurde durch K. F. Herzfelda) ver- sucht , auf dem Boden der klassischen chemischen Kinetik dieses empirische Zeitgesetz theoretisch zu deuten. Dieser Ver- such hiilt - wie ich im folgenden zeigen will - eiuer Kritik nicht stand. Weil die Herzfeldsche Theorie seither vielfach benutzt worden ist3) und vor ganz kurzem auch in die Lehr- buohliteratur Eingang gefunden hat4), so halte ich einen neuer- lichen Versuch einer einwandfreien Herleitung obiger Differential- gleichung nicht fur uberfliissig. Nach K. F. Herzfeld, dessen Bezeichnungsweise wir uns im folgenden bedienen, oerlaufen im Dunkelvorgang folgende Teilreakticien : t1) H, + Br -& HBr + H, (2) H + Br, -% HBr + Br, (3) (4) 2H 4, Ha, (5) H + HBr &+ H, + Br, H + Br At HBr, 1) M. Bodenatein und S. C. Lind, Ztschr. f. physik. Chem. 67. 2) K. F. Herzfeld, Ann. der Phjsik [4] 59. S. 635. 1919. 3) Vgl. M. Bodenatein und Mitarbeiter, Ztschr. f. physik. Chem. 114. S.208. 1925; 120. s. 129. 1926; 121. 5. 127. 1926; 123. s. 1. 1926. 4) J. Eggert, Lehrbuch d-er physik. Chem., Leipzig 1926, S. 469. S. 168. 1905.

Zur Deutung des Zeitgesetzes der Bildung des Bromwasserstoffes aus seinen Elementen

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Page 1: Zur Deutung des Zeitgesetzes der Bildung des Bromwasserstoffes aus seinen Elementen

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9. Zzcr Deutzclzg des Zedtgesetxes der B4ldtmg ctes Bromwasserstoffes aus sehen EZementerc;

vom A n t o n Skrabal

Vor l&ngerer Zeit haben M. Bodens te in und S. C. Lind ' ) auf experimentellem Wege fur .die Dunkelreaktion R, + Br, -F 2 HBr folgendes Zeitgesetz gefunden:

Erst sehr vie1 spater wurde durch K. F. Herzfe lda) ver- sucht , auf dem Boden der klassischen chemischen Kinetik dieses empirische Zeitgesetz theoretisch zu deuten. Dieser Ver- such hiilt - wie ich im folgenden zeigen will - eiuer Kritik nicht stand. Weil die Herzfeldsche Theorie seither vielfach benutzt worden ist3) und vor ganz kurzem auch in die Lehr- buohliteratur Eingang gefunden hat4), so halte ich einen neuer- lichen Versuch einer einwandfreien Herleitung obiger Differential- gleichung nicht fur uberfliissig.

Nach K. F. Herzfe ld , dessen Bezeichnungsweise wir uns im folgenden bedienen, oerlaufen im Dunkelvorgang folgende Teilreakticien : t1) H, + Br -& HBr + H , (2) H + Br, -% HBr + Br,

(3) (4) 2 H 4, Ha,

(5)

H + HBr &+ H, + Br ,

H + Br At HBr,

1) M. Bodenate in und S. C. L i n d , Ztschr. f. physik. Chem. 67.

2) K. F. Herzfe ld , Ann. der Phjsik [4] 59. S. 635. 1919. 3) Vgl. M. Bodenate in und Mitarbeiter, Ztschr. f. physik. Chem.

114. S.208. 1925; 120. s. 129. 1926; 121. 5. 127. 1926; 123. s. 1. 1926. 4) J. Eggert, Lehrbuch d-er physik. Chem., Leipzig 1926, S. 469.

S. 168. 1905.

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Deutung d. Zeitgesetzes d. Bildung d. Bromwasscrstoffes usw. 139

(6) Br, At 2Br, (7) 2Br &+ Br, .

zentrationen von : =, Br, HBr H Br

Es sollen ferner bezeichnet werden die variablen Kon-

mit: Cl CZ c3 t Y. Eine Abschiitzung der einzelnen Glieder der Geschwindig-

keitsgleichungen gegeneinander fuhrt H erz fe ld zur Vernach- liissigung der Reaktionen (4) und (5) und somit zu dem System:

d x

dt d y - - 2k6 C, + kB C, x + k, C, x - k, Cl y - h, yz,

(8) dt - - k, Cl y - R, C, x - h, C, X ,

(9) (10) dt d c* = h, GI,?,/ + R , Ca x - k3 C 3 t .

Hat sich ein ,,stationare,. Zustand" eingestellt, so kijnne gesetzt werden:

d z (1 1) d t

- = 0 ,

-- d y -0.

z = - &I 4

(12) a t Aus (8) und (11) folgt:

k* G + ks c, (1 3)

und aus der Addition von (8) und (9) unter Berucksichtigung von (11) und (12):

d x d y = 2 k 6 C 2 - k 7 y Z = 0 dt+Z und demnach:

Werden jetzt I aus (13) und y aus (14) in Gleichung (10) eingesetzt, so resultiert :

also die von Bodens te in und b i n d empirisch gefundene Diflerentialgleichung.

So weit Herzfeld.

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140 A. Skrabal

Gegen diese Ableitung der Gleichung (15) erheben sich Bedenken. In dem Ausdruck (14) fur y ist bis auf C, alles konstant. Die Konzentration C, des Bromdampfes Br, ist gleichbedeutend mit der Umsatzvariablen der Bruttoreahtion H, + Br, --f 2HBr,*sie ist also mit der Zeit t notwendig ver- anderlich, und die Zeitableitung von y kann daher nicht Null sein. Die Gleichung (12) ist also unrichtig, wenn (14) richtig ist. Aus der Veranderlichkeit von y rnit der Zeit und aus der Summe von (11) und (12):

- + = = o d m d y d t

folgt auch die Teranderlichkeit von x rnit der Zeit. Es ist daher auch Gleichung (11) zanrichtig, wenn (14) richtig ist. Die Rechnung von Herz fe ld basiert auf den Gleichungen (11) und (12), auf der Annahme eines stationaren Zustandes der. Porm:

d x d y -- a - - = O a t d t und da diese Annahme zur Gleichung (14) fuhrt, die mit ihr unvereinbar ist, so geht hieraus die Unzulassigkeit der Grund- annahrne hervor.

Eine einwandfreie Herleilung der Gleichung (15) 1aBt sich auf folgende Weise durchfuhren. Wir gehen mit H e r z f e 1 d von denselben Teilreaktionen aus:

ke

87

kS

Br, 2 B r ,

H , + B r & H B r + H ,

(20) H + Br, A+ HBr + Br. Die Geschwindiglteitkoeffizienten k6 und A, der beiden in-

versen Reaktionen (18) treten in dem Rechenergebnis (15) von Herzfe ld nur als Quotient auf. Damit ist gesagt, daB wahrend der ganzen Dauer der Reaktion zwischen den zweiatomigen und einatomigen Brommolekeln chemisches Gleichgewicht herrscht. Wir konnen daher einfach setzen:

(18)

(19)

(21) Y=m, wo K die Gleichgewichtskonstante der Reaktion (1 8) bedeutet.

Wahrend bei Herz fe ld die Gleichung (21) Rechenergebnis ist, ist sie bei uns Postulat.

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Deutuny d. Zeitgesetzes d. Bildung d. Bromwasserstoffes usw. 141

Mit der Annahme von (21) verschwinden die beiden in- veraen Reaktionen des Gleichgewichts (18) aus der Reihe der geschwindigkeitsbestimmenden Vorgange und die simultanen Differentialgleichungen lauten einfach:

5 = k, C, y + k , C, z - h, C , x , d t d z

= k, Cly - k,C,x -

* = - A, C,y + k , C,z + k, C,z. (24) d t Die Addition von (23) und (24) ergibt:

d s d y (25) d2

-_ d t + -- = 0 .

Es liegt also auch hier ein stationarer Zustand vor, der aber nicht durch (17), sondern durch (25) bzw. (16) definiert ist. Er ist dadurch gekennzeichnet, daB die Wasserstofatome mit der Zeit in dem MaBe zunehrnen, als die Bromntome ab- nehmest. Letztere Abnahme folgt aus (2 1) durch Differentiation:

und, weil nach der Bruttogleichung :

so ergibt sich aue (21) und (26):

Setzt man das z aus (23) in (22), unter Berucksichtigung von (21) und (26), so erhiilt man:

Fur den Wurzelausdruck im Nenner folgt aue (21):

denn die M6glichkeit der Beschreibung des Bruttovorganges durch die Reaktionsgleichung H, + Br, ---+ 2HBr beinhaltet die Kleinheit von [Br] gegeniiber [Br,]. Wir konnen daher

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142 A. Xkrabal. Deutung des Zeitgesetxes der Bildung usw.

im Nenner von (27) die Wurzelausdriicke gegeniiber 1 ver- nachlassigen und erhalten durch Division von Ziihler und Nenner durch h, C, :

also die von Bodens te in und L i n d gefundene Gleichung, identisch mit (15).

Ein der Gleichung (28) ganz analoges Zeitgesetz hat vor einiger Zeit K a r l Wagner] ) fur die Reaktionen zwischen Jodion einerseits, Ferriion bzw. Ferricyanion andererseits ge- funden. Wagner , der auf die Uberlegungen nnd Rechnungen von Herz fe ld verweist, nimmt zur Deutung des Zeitgesetzes einen hypothetischen Zwischenstoff an, ,,dessen Konzentration im Vergleich zu allen anderen Konzentrationen sehr klein ist, so daB die zeitliche Anderung gleich 0 gesetzt werden kann". Er iibersieht somit, daI3 mit der Kleinheit einer GrijBe durch- aus noch nicht die ' Kleinheit ihrer Ableitung gegeben ist. Tatsachlich laBt die von W a g n e r gegebene Gleichung am ersten Blick erkennen, daI3 die zeitliche h d e r u n g der Zwischenstoffkonzentration eine sehr erhebliche ist , womit seine Rechnungen hinfallig werden.

G r az , Chemisches Institut der Universitat.

1) Karl W a g n e r , Ztachr. f. physik. Chem. 118. S. 261. 1924.

(Eingegangen 27. Oktober 1926)