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Zeitschrift ftir vergleichende Physiologie, Bd. 41, S. 435--448 (1959) Aus der IL Medizinischen Universit/~tsklinik Hamburg-Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. A. Jo~s) ZUR ENDOKRINEN STEUERUNG DEt~ MELANOPHOREN-REAKTION BEI OCTOPUS VULGARIS* Von H. KA~ Mit 5 Textabbildungen (Eingegangen am 23. August 1958) I. Problemstellung Mit der Entdeckung des Serotonins (S.) durch ERSt'AMEt~ sb'f wurde eine Substanz gefunden, deren Bedeutung als Gewebshormon (H]sDI~G]SI~ U. LANGEMANH LI) fiir Vertebraten und Wirbellose grol3 ist. Es wird in bcstimmten driisigen Elementen gebildet, die typische morphologische wie histochemische Bcsonderheiten aufweisen und zu- meist dem Magen-Darmtrakt angehSren. Von FEYRT~ 9a (Lit.) werden diese Formationen als ,,Helles Zellenorgart" bezeichnet, die dem yon E~SPAM~ sa beschriebenen ,,Enterochromaffinen System" entsprechen. In den genannten Zellelementen wird das Hormon ~us Tryptophan aufgebaut und an das Kreislaufsystem abgegeben, w/~hrend der anf fermentativem Wege erfolgende Abbau in den parenchymatSsen Organen sowie im Gehirn erfolgt, wo S. auch in nicht unerheblichen Mengen gespeichert wird (PLETSCHE~ U. Mitarb. 20). Es scheint bier eine wichtige Rolle als 1)bertr/~gersubstanz an den Synapsen zu spielen (HoLz u. Mitarb. 14 a ). Auffallend erscheint ferner der Zusammenhang des ,,Hellen Zellcn- organes" mit dem vegetativen Ncrvensystem 9a, der nicht nut morpho- logisch, sondern auch /un/ctionell ist, wie dies am Nerv-Muskelpr~- parat bei tIirudo medieinalis nachgewiesen werden konnte (K/~Ha 16 c), eine Beobachtung, die auch durch die Untersuchungsergebnisse anderer Autoren best~tigt wird (L~wc u. Mitarb.19). Das Bestehen eines solehen Zusammenhanges war richtunggebend ftir weitere diesbezfigliche Untersuchungen an Octopus vulgaris. Be- kanntlich werden in den Speicheldriisen dieser Tiere sc, e sehr erhebliehe * Mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Stazione Zoologica in Neapel ausgefiihrt. Herrn Prof. Dr. KosswIo, Direktor des Zoologischen Staatsinstitutes der Uni- versit/~t Hamburg, und Frau Prof. OBOUSSIER, Zoologisches Staatsinstitut Ham- burg, danken wir fiir Literaturhinweise und ffir die ErmSglichung anatomischer Studien. Z. vergl. Physiol. Bd. 41 29

Zur endokrinen Steuerung der Melanophoren-Reaktion bei Octopus vulgaris

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Page 1: Zur endokrinen Steuerung der Melanophoren-Reaktion bei Octopus vulgaris

Zeitschrift ftir vergleichende Physiologie, Bd. 41, S. 435--448 (1959)

Aus der IL Medizinischen Universit/~tsklinik Hamburg-Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. A. Jo~s)

ZUR ENDOKRINEN STEUERUNG DEt~ MELANOPHOREN-REAKTION BEI OCTOPUS VULGARIS*

Von H. K A ~

Mit 5 Textabbildungen

(Eingegangen am 23. August 1958)

I. Problemstellung Mit der Entdeckung des Serotonins (S.) durch ERSt'AMEt~ sb'f wurde

eine Substanz gefunden, deren Bedeutung als Gewebshormon (H]sDI~G]SI~ U. LANGEMANH LI) fiir Vertebraten und Wirbellose grol3 ist.

Es wird in bcstimmten driisigen Elementen gebildet, die typische morphologische wie histochemische Bcsonderheiten aufweisen und zu- meist dem Magen-Darmtrakt angehSren. Von FEYRT~ 9a (Lit.) werden diese Formationen als ,,Helles Zellenorgart" bezeichnet, die dem yon E~SPAM~ sa beschriebenen ,,Enterochromaffinen System" entsprechen. In den genannten Zellelementen wird das Hormon ~us Tryptophan aufgebaut und an das Kreislaufsystem abgegeben, w/~hrend der anf fermentativem Wege erfolgende Abbau in den parenchymatSsen Organen sowie im Gehirn erfolgt, wo S. auch in nicht unerheblichen Mengen gespeichert wird (PLETSCHE~ U. Mitarb. 20). Es scheint bier eine wichtige Rolle als 1)bertr/~gersubstanz an den Synapsen zu spielen (HoLz u. Mitarb. 14 a ).

Auffallend erscheint ferner der Zusammenhang des ,,Hellen Zellcn- organes" mit dem vegetativen Ncrvensystem 9a, der nicht nut morpho- logisch, sondern auch /un/ctionell ist, wie dies am Nerv-Muskelpr~- parat bei tIirudo medieinalis nachgewiesen werden konnte (K/~Ha 16 c), eine Beobachtung, die auch durch die Untersuchungsergebnisse anderer Autoren best~tigt wird (L~wc u. Mitarb.19).

Das Bestehen eines solehen Zusammenhanges war richtunggebend ftir weitere diesbezfigliche Untersuchungen an Octopus vulgaris. Be- kanntlich werden in den Speicheldriisen dieser Tiere sc, e sehr erhebliehe

* Mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Stazione Zoologica in Neapel ausgefiihrt.

Herrn Prof. Dr. KosswIo, Direktor des Zoologischen Staatsinstitutes der Uni- versit/~t Hamburg, und Frau Prof. OBOUSSIER, Zoologisches Staatsinstitut Ham- burg, danken wir fiir Literaturhinweise und ffir die ErmSglichung anatomischer Studien.

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Mengen dieses Hormones gebildet (426--512y/g Frischgewebe), das auch in der }I~molymphe (0,04 y/m]) naehgewiesen werden kann. Mit dam die Driise umgebenden Blutsinus erinnern die vorliegenden topo- graphischen Verhs an Merkma]e, wie sie bei endokrinen 0rganen angetroffen werden. (Vgl. Abb. 1 bei B~cQ u. Gm~ETTIla.) I-Iisto- chemisch lassen sich jene Eigenschaften nachweisen, die serotonin- produzierenden Ze]len eigen sind sd. Erw~hnt sei ~erner das Bestehen einer exkretorischen Funktion der Speicheldrfiscn mit Sekretion des Octopamins, das gleichfalls hier neben anderen Aminen gebfldet wircl und ein Crustaceengiit nb darstellt; eine Tatsache, die ffir vorliegende Untersuchungen nicht von Bedeutung ist (vgl. l~,b, sb, na).

Eine endokrine Wirksamkeit tines in diesem Zellsystem gebildeten Stoffes wurde schon lange vor Entdeckung yon S. yon FEu angenommenga, c, e). Diese Hypothese beruhte auf den genannten morphologisehe n Gegebenheiten des ,,Hellen Zellenorganes". Die Richtigkeit dieser Annahme wurde durch R~ZE~- I-IOFER U. LEMBECK 21 best~ttigt, denen der Nachweis yon vermehrt gebildetem S. in den sogenannten Carcinoiden gelang. Diese bedingt gutartigen Gesehwiilste des menschliehen Magen-Darmtraktes bauen sich aus den genannten Zellelementen auf und ihre typische Symptomatologie entspricht den experimente]l nach Zufuhr yon S. bekannten Erseheinungen, die sieh insbesondere in einer Wirkung ~uf das Gef~l~system und die Darmmotilit~t ~u~ern. Dieses Krankheitsbild, bei dem klinisch wie pathologiseh-anatomisch eine benigne wie maligne Form untersehieden werden kann, hat Ms sogenanntes Careinoidsyndrom eingehende Beschreibung im neuen Schrifttum erfahren (vgl. CmA~I G, FEYI~TEI~ 9, HEILMt]Y~ER TM, l:~&TZEN- ]~OFER21~ ~AHR16~ BOHN 11. FEYRTER 2.

Im Hinblick auf die genannten Zusammenhs morphologischer und lunktioneller Art, die auf die Bedeutung yon S. [iir den Ablau] vegetativ gesteuerter Funlctionen unter physiologisehen 14b und bestimmten pathologischen Verh~ltnissen bestehen, war es naheliegend, bei Octopus vulgaris eine endolcrine Wirksamkeit dieser Substanz fiir den Ablauf vegetativ gesteuerter Mechanismen anzunehmen. Eine solche Reaktion aber stellt der Farbwechsel dieser Tiere dar. DaB dieser einer nervalen Steuerung unterliegt, erldart sich schon aus der Schnelligkeit des l%aktionsablaufes. Erws sei, dal~ die Bedeutung yon nervSsen Einflfissen beim Farbwechselph~nomen der 0ctopoden bereits von ARISTOTELES erkannt wurde (zit. nach FuoHsl~

Bekanntlich werden braune, gelbe und sehwarze Melanophoren unterschieden, die hinsichtlich ihres Baues gleieh sin& Sie haben s~ckchenfSrmige Gestalt (BozLE~a-d), ihre Ausbreitung erfolgt durch Kontraktion yon radi~r um die Zellen angeordneten Muskelfasern. Die Zellen selbst sind nicht !nnerviert l~ ws die genannten kontraktilen Elemente yon Nervenfasern begleitet werden, die sich mit ebensolehen Fasern, die die benachbarten Radi~rmuskeln ver- sorgen, zum sog. Endplexus verflechten. Die Durchschneidung eines 1Kantel- nerven bedingt im Bereiche seiner Ramifikation Au/hellung der ttaut, entsprechend dem Ausfall nervaler Impulse TM. Faradische Reizung yon Mantelnerven oder des Endplexus bewirkt Expansion der Zellen und damit Verdunkelung der Haut. Abgesehen yon dem fiber d~s Auge gesteuerten Farbwechse] besteht aueh eine

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Endokrine Steuerung der Melanophoren-l~eaktion bei Octopus vulgaris 437

direkte Re~ktion der Melanophoren auf Licht, die nach STEINACH 11. HERTEL (ziG. nach FvcJ~s 1~ in Zellexpansion zum Ausdruek kommt.

Ferner bewirkt, wie der gleiche Autor mitteilt, die mechanische Reizung be- stimmter in den Suugnapfen lokalisierter Rezeptoren gleichfalls Farbanderung. Mikroskopisch sehr deutliche Oszillationen k6nnen iiberdies an den Zeilen beob- achtet werden 4a-d, 10, worunter der Wechsel zwischen minimen, sehr schnell ab- laufenden Kontraktionen und ebensolchen Zellexpansionen verstanden wird. Nach SCHWINK ~a, b haben die Oszillationen ihre Ursache in redoxchemischen Vor- giingen, die in den Zellen selbst ablaufen. Die Phenoxazone, die zu einer solchen chemischen Leistung fahig sind, bilden ein Iledoxpotential. Diese Verbindung, die den Omnochromen zugehSrig ist, baut sich ebenso wie S. aus Tryptophan auf und bildet die Farbstoffkomponente in den ZeHen (BUTENANDT U. Mitarb.Sa-e). Melanin kann in den Zellen selbst nicht nachgewiesen werden. Von K/2~5; TM liegen eingehende Un~ersuchungen iiber das Verhalten der Tiere hinsichtlich ihrer Melano- phorenreaktion auf Umgebungsreize und bei ~nderung des sic umgebenden Farb- mediums vor.

W/ihrend die Bedeutung nervMer Impulse ffir die Zellexpansion aus morphologischen und funktionellen Untersuchungen aa-d't~ is her- vorgeht, /eh[en jedoch Schrif t tumsangaben fiber die zur Kontraktion der Zellen ifihrenden physiologischen Vorg/~nge. Die im/~lteren Schrift- turn vertretene Meinung 1~ die Zellkontraktion beruhe lediglich auf einer Kontraktilit/~t der Zellmembran, scheint im Hinblick auf die nun bekannten ehemischen Vorg/inge in den nicht innervierten Zellen sehr unwahrseheinlieh.

Der Nachweis yon S. in den Speicheldrfisen dieser Tiere und die Bedeutung der Substanz ffir den Ablauf vegetat iver Funkt ionen lieB vermuten, dab S. m6glieherweise ftir die Kontraktion der Zellen yon physiologiseher Bedeutung sei.

Unter dieser Annahme wurden die im Folgenden geschilderten Versuehe bei Octopus vulgaris, in vivo, an der isolierten Haut , am luxierten sowie am enukleierten Auge durchgeffihrt. Es wurde nieht nur die Melanophorenreaktion unter dem EinfluB yon S. * beobaehtet , sondern aueh die Wirkung yon Aeetylcholin, Adrenalin und His tamin sowie yon Melanophorenhormon bzw. A C T H hinsiehtlich derselben Eigensehaften untersueht . Ferner wurden Versuehe mit Bromdi/ithyl- lysergs/iure, dem st/~rksten in vitro Antagonis ten yon S. ausgeffihrt, um die Melanophorenreaktion naeh AusschMttmg des k6rpereigenen S. zu studieren.

II . Methodik Als Verdiinnungsfliissigkeit fiir die genannten Substanzen diente Lockesche

L6sung. Bei in-vivo-Versuehen wurde jeweils 0,5 em 3 subkutan injiziert, bei Vet- suchen an der isolierten Haut betrug die Gesamtmenge der aufgetropften Fliissig- kei~ 0,3 cm 3.

* Fiir die Uberlassung yon Serotonin und yon Bromdiathyllysergsaure sind wir der Sandoz-AG, Basel, zu gr6Btem Dank verpflichtet.

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Eine nicht unerhebliche Sehwierigkeit bestand vorerst in der objektiven Be- urteilung der Versuchsergebnisse, da bekanntlieh bereits geringe taktile Reize genfigen, urn mannigfache, rasch weehselnde Farb/~nderungen herbeizuffihrenl~ Dieser rasche Farbweehsel hMt auch in leiehter Urethannarkose an, hShere Dosen dieses Narkotikums in fiblicher Weise dem Meerwasser zugesetzt, ffihren zu einer Ausbreitung der 35elanophoren. Das gleiche gilt auch ffir andere erprobte Nar- kotika der Barbituratreihe.

Um eine beurteilbare mSgliehst konstante Gr6fie der Melanophoren vor Ver- suchsbeginn zu erreiehen und um die unerwiinschte narkotikabedingte Zellexpan- sion auszuschalten, wurde die Unterkiihlungsnarkose angewandt. Die Vertr/~glich- keit dieser Bet/~ubungsart ist bekanntlieh fiir Menseh und Saugetiere groB und konnte auch mi~ gutem Eriolg bei Octopoden angewandt werden.

1. Versuchsanorclnung zur Unterkiihlungsnarkose und Verlau] der Narkose

Im Kfihlraum, I~aumtemperatur 4--60 C, wurden 2 Glasaquarien mit den AusmaBen 50 • 30 • 30 cm aufgestellt. Eine wasserdicht zwischen zwei Glas- platten eingeschlossene Grauwertslcala nach OSTWALD wurde auf den Boden der Aquarien gelegt, eine zweite gleichartige Skala, die vor den Aquarien lag, erm6g- lichte dem Untersucher auch dann die Registrierung yon Farbver/~nderungen, wenn die Skala selbst von den Tieren verdeckt war. Die Aquarien wurden mit Meerwasser normaler Temperatur (18--23 o C) geffillt. Die BehMter wurden augen locker mit wei[3em Papier umhfillt, der Boden mit ebensolchem Papier unterlegt. Senkreeht fiber den Aquarien wurde eine Kleinbildkamera (Edixa-Reflex) in zwei Ebenen drehbar so angebracht, dab jederzeit Aufnahmen aus dem einen oder dem anderen Aquarium gemaeht werden konnten. Diese Anordnung ermSg- liehte es, immer zwei Parallelversuche ablaufen zu ]assen und deren Ergebnisse aueh im Bild festzuhalten. Mit der Verwendung eines Elektronenblitzger/~tes (Braun-Hobby) als Lichtquelle w/~hrend der photographischen Festhaltung der Versuchsergebnisse, waren immer gleiche Aufnahmebedingungen vorhanden. Die mit den Versuehsobjckten gleiehzeitig photographierte Ostwaldsche Grauwert- skala ermSglichte eine objektive Beurteilung der erzielten, in Grauwerte trans- ponierten Farbuntersehiede bei Verwendung panehromatisehen Filmmaterials.

Um optimale Adaptationsbedingungen fiir die Tiere an das sie umgebende Farbmedium in kurzer Zeit zu erreiehen, wurde ein 200-W-Scheinwerfer seitlich aufgestellt. Auf der im vollen Lichtkegel gelegenen L~ngsseite des Aquariums wurden ebenso wie in eine Ecke mehrere kleine Steine gelegt, der Beobachtung K i i ~ s 16 entsprechend, dab sieh die Tiere gerne auf steinigem Untcrgrunde auf- halten, womit es gelang, die Tiere in vollem Lichtkegel zu halten. Oetopoden mit einer Spannweite bis zu 40 cm zwischen den 1/~ngsten Armen wurden einzeln in die Aquarien eingesetzt. Langsame Senkung der Wassertemperatur erfolgte durch Einblasen yon kalter Raumluft mittels einer elektrischen Membranpumpe, sowie durch vorsichtiges Einleiten yon vorgekiihltem Meerwasser, wobei darauf geachtet wurde, dal] die Tiere sclbst nicht in direkte Beriihrung mit dem kalten Wasser kamen. Der Wasserst~nd in den Beh~ltern wurde dutch entsprechendes Absaugen mit einer Wasserstrahlpumpe auf gleichem Niveau gehalten. Dureh die genannten Mal3nahmen gelang es, die Narkosetiefe und Narkosedauer beliebig zu steuern. Die Lu~tzufuhr erfolgte in sehr reichlichem Mal~e, um eine Zellkontraktion, wie sie durch Anoxamie bedingt wird ~0, mSglichst auszuschalten. ZU Versuehs- beginn mul]ten die Aquarien mit entsprechend schweren Glasplatten abgedeckt werden, um die Tiere an der ]~lucht zu hindern, eine ~agnahme, die mit Absinken der Wassertemperatur nicht mehr nStig war. Bei Temperaturen urn 15 ~ C war

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eine deutliehe Abnahme der Motorik bei gleiehzeitigem Absinken der Atemfrequenz von 24 auf 16--14/rain feststellbar. Im genannten Temperaturbereich war das sonst h~ufig zu beobachtende Schillern der Haul (,,Wellenlaufen") 1~ nicht mehr nachweisbar und die Hautfarbe schien heller. Bei Temperaturen zwischen 9 und 12 ~ C, die nach 3--4 Std Versuehsdauer erreicht worden waren, konnte jener Grad der maximalen Aufhellung erreicht werden, der noeh gut mit dem Leben der Tiere unter den genannten Versuchsbedingungen vereinbar war. Der Zeitpunkt des Eiutritts dieser maximalen Au/hellung konnte leicht auf folgende Weise fest- gestellt werden: Wurdc die seit Versuchsbeginn das Aquarium umgebende weifie Umhiillung dutch eine schwarze Hiille ersetzt und der Beh~lter mit ebensolchem Papier unterlegt, so blieb die Hautfarbe der Tiere trotz ge6ffneter Augen hell. Es war also gleichzeitig Un/dhigkeit der Adaptation an das umgebende Medium eingetreten. Trat abet Dunkelf~rbung uuf, war es ein Zeichen dafiir, dab die Wassertemperatur noch welter gesenkt werden muBte, was besonders an Herbst- tagen mit relativ niederer Wassertemperatur nStig war. In angegebener Weise wurde dann die Untcrktihlung bis zum Stadium der Adaptations- unf~ihigkeit fortgefiihrt. Die Priifung der Adaptationsffihigkeit als Kriterium fiir die erreichte Narkosetiefe verhinderte vorzeitigen Versuchsbeginn. ~berdies wurde dadurch ein etwa gleiehes Ausgangsstadium hinsiehtlich der Zellgr6fle er- reicht, in welchem die Injektionsversuche durchgefiihrt wurden bzw. die Entnahme yon Hautstiicken erfolgte.

Bei entsprechend langsam durchgefiihrter Narkose war es jederzeit m6glich, diese wieder aufzuheben. Dies gelang einfaeh dureh Uberfiihrung der Aquarien in einen Raum mit Zimmertemperatur und Einblasen yon normal temperierter Luft, sowie durch Einleiten yon vorgew~rmtem Meerwasser. Farbenspiel der Haut, Wiederkehr der Motorik und eine erhebliche Steigerung der Atemfrequenz zeigten das Ende der Narkose an. Die regelm~iSig zu beobaehtende Hyperventi- lation hielt oft his fiber eine Stunde nach Beendigung der Narkose an, eine Er- scheinung, die auch bei der Unterkiihlung yon Warmbliitlern beobachtet wird.

2. Versuche an der isolierten Haut

Bei in beschriebener Weise narkotisierten Tieren wurden Hautstiicke aus den pigmenti~rmeren seitlichen K6rperpartien exzidiert und die Tiere dann dureh Zugabe yon Evipan-Trockensubstanz in das vorher in seinem Volumen verminderte Aquarienwasser get6tet. Die etwa 11/2 • 11/2 cm messenden Objekte wurden unt, er m~Bigem Zuge mittels Stecknadeln auf Paraffinplatten gespannt.

Bei Versuchen am isolierten Au!le dienten kleine Glasseh~lchen als Unterlage. Reaktionen an den 5~elanophoren lassen sich hier besonders gut beobachten, da die bier sehr diinne I-Iaut, die bis zur Cornea reicht, der Sclera glatt aufliegt.

Zur Reizung der Hautnerven bzw. des Nervus opticus wurde ein kleines Induktorium einfacher ]3auart mit 10 cm langer Sekund~trspule verwendet, das yon einem 2-V-Akkumulator gespeist wurde. Die photographische Registrierung der Versuchsergebnisse an isolierten Organen erfolgte mit dem gieichen Klein- bildger/it mit Balgenauszug, das am Edilar-Reproger~t senkrecht und sehwenkbar iiber den Objektcn angebracht war. Als Liehtquelle for photographisehe Au~- nahmen diente wiederum das Braunsche Elektronenblitzger~t, so dab eine prim~tre Reaktion der 1V[elanophoren auf Licht pruktiseh ausgeschlossen werden konnte, da alle Versuche bei sehr stark gedSmp/tem Raumlicht ausgefiihrt wurden. Das gleiche gall fiir die angefertigten Mikro/otogramme. Es wurden Tubus und Ob- jektiv des Kiichmeistersehen 17 Kapillarmikroskopes verwendet. Die Kleinbild- kamera mit dem Edixa-Mikroansatz war am zweiten Tubus des Ger~tes ange-

z. vergl. Physiol. Bd. 41 29a

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bracht und war daher stets aufnahmebereit. Die Einstellung erfolgte bei mSglichst ged~mpftem Licht. Als Liehtquelle ffir die photographischen Aufnahmen wurden in fiblichen Laborstativen 2 Leuchtst~be des Elektronenblitzger~tes seitlich in einem Abstand yon 20 em fiber dem Objekt so angebraeht, dab der Einfallswinkel etwa 45 o betrug, wodureh auf die 5bliche Auflichtbeleuchtung verzichtet werden konnte, um auch bier eine prim~re Reaktion der Melanophoren auszuseh~lten.

Da wie bereits erw~hnt, Narkotika zur Zellexp~nsion ffihren und Zellgffte, wie Formol oder Alkohol, dieselbe Eigenschaft in welt hSherem Ausma/3 besitzen, gelingt es nicht, bei fiblicher Fixierung der Hautstficke in 10% Formol Versuchs- ergebnisse an den Zellen ~ls Dauerpr~parat festzuhalten.

Der Uberlegung entsprechend, dab Zellen, die im Augenblick der Einbringung in Formol an ihrer Expansion gehindert werden, aueh sparer ihre Gestalt bei- behalten werden, wurde folgende Fixierungsmethode mit Erfolg angewandt:

Naeh Versuehsbeendigung werden die ttautstficke, die auf den Paraffinplatten aufgespannt bleiben, in die Tieikfihltruhe (--150 C) gebracht und dort ffir 30 rain belassen, dann mit eisgekfihltem 10%igem Formol iibergossen, so dab sie vSllig bedeekt sind. ~Nach weiteren 10 rain werden sie der Tiefkfihltruhe entnommen und bei normaler Zimmertemperatur aufbewahrt. Die Objekte bleiben his zum n~ehsten Tag mit Nade]n auf ihrer Unterlage fixiert. Dadurch wird das Einrollen der Haut vermieden und die Zellen bewahren die GrSBe, die sie zu Ende des Versuehes hatten. Es sei betont, dab die angegebene Methode sieh lediglieh zur Erhaltung der ZellgrSBe eignet, eine Beurteilung anderer Strukturen jedoch nicht zul~ssig ist.

III. Ergebnisse

1. Nachweis der Melanophorenkontraktion dutch Serotonin

Abgesehen yon der durch KSlte bed ing ten md[3igen Zellkontra~tion (Abb. l a und 2a) is t in vivo a m nicht narko t i s ie r ten wie unterkf ih l ten Tier, an der isol ier ten H a u t und a m isol ier ten Auge (Abb. 3b) eine Ze l lkon t rak t ion nu r du tch S. erzeugbar . Der Grad der K o n t r a k t i o n i s t yon der S.-Dosis abh~ngig (vgl. KAHn 164, Abb. 1). Die l%eaktion t r i t t so/oft ein. Die Ges ta l t s s is t an allen 3 Ar ten der F a r b - zellen im gleichen Ausma[~ nachweisbar (Abb. 1 b). S . -Konzen t ra t ionen von 10 -s nag haben an der isol ier ten H a u t genannte Wirkung , die jedoch nur mehr ger inggradig u n d nur mikroskopisch e rkennbar ist . Die Oszil lat ion der Zellen wird nach Zufuhr voI~ S. gehemmt . A m nich t na rko t i s i e r t en Tier is t die In jek t ionss te l le lediglich da ran kennt l ich , dal~ in diesem Bereich das , ,Wellenlaufen" ausble ibt . H6here Rosen (10-Stag) erzeugen a m n ich t na rko t i s ie r ten Tier einen unscharf be- grenzten, hel len F leck im In jek t ionsbere ich .

2. Nachweis der Melanophorenexpansion dutch AcetylchoIin

a) A n den genann ten Versuchsobjek ten is t eine Zel lausbre i tung durch Acety lchol in zu erzielen (Abb. l c und 2b). Die Expans ion er- folgt sofort. Einzelne Melanophoren kSnnen yon der Expans ion aus-

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442 H. KAm~:

Abb . 2 ~ u . b. Enuk lc i e r t e A u g e n eines k h l t e n a r k o t i s i e r t c n Oc topus vu lga r i s m i t S p a n n - wei te Ton 1,20 rn. ~ Unbehande l t e s , b behande l t e s Auge d u r c h A u f t r o p f e n Ton 10 7 rag

Ace ty lcho l in

genommen bMben (Abb. 1 e). ItShere Dosen fiihren zu einer besonders am unterkfihlten Tier deutlieh siehtbaren Zell- expansion (Abb. 3). Die Oszillation der Zellen kann aueh an expandierten Zellen naehgewiesen werden. Am nieht narkotisierten Tier is~ die Injektionsstelle als dunkler Fleck kenntlieh, in dessen Bereieh die ,,Wellenbewegun- gen" ausbleiben.

b) Faradischer t~eiz fiihrt gleiehfalls zur Zellexpansion. Es werden ~lle 3 Arten yon

Abb. 3. Oc topus v u l g a r i s i n Un te rk i ih lungs - Farbzellen gleiehm~Big ex- narkose . Tro tz geSffneter A n g e n A d a p t a t i o n a n schwa rzes F a r b r a e d i r a n n i c h t raSglich. A m Boden p a n d i e r t . des A q u a r i u r a s Os twa ldsche G r a u w e r t s k a l a . F a r b c e) Faradiseher geiz des des Tiercs dora he l l s ten G r a u w e r t cn t sp rechend . Dcut l i che V e r d u n k e l u n g der H a u t , bei ,,X'" In- ~ e r v u s o p ~ s i c u s &in h l x i e r ~ s e r l j ek t i on Ton 10 -5 rag" Ace ty lcho l in . Deut l iche

ielanophorenexpansion ira Injektionsbereich Auge erzeugt in einem zirku- 1/~r das Auge umgebenden

Bereieh gleichfalls Zellexpansion. Die Zellexpansion bleibt auf die Seite der Nervenstimulat,ion beschr£nkt.

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Endokrine Steuerung der Mel~nophoren-Reaktion bei Octopus vulg~ris 443

3. Nachweis eines antagonistischen Prinzips zwischen a) der Wirkung von S. und Acetylcholin und b) Wechsel-

beziehungen zwischen S.-Wit/sung und /aradischer Stimulierung der Hautnerven

~) Wurde auf mehrere Hautstiicke S. in gleicher Konzentration und anschlie~end auf dieselben Hautstficke Acetylcholin in verschiedener Dosis zusgtzlich aufgebracht, war der Grad der Verdun]celung deutlich

Abb. 4. Nachwei s dor an tagon i s t i schen ~Virkung yon Serotonin Und Acetylchol in an den isol ier ten Hau t . Nr. 128 n u r m i t Serotonin behandel tes I~ants t i ick (10 -s rag). Alle andere r H a n t s t i i c k e win 'den m i t der gl'eichen Dosis Serd tonin behande'lt , zus~tzlibh aber bei Nr.

130 10 s rag, Nr. 131 10 -7 m g u n d Nr. 129 10 -6 m g Acetylchol in an fgeb rach t

abhdngig yon der zuge/i~hrten Acetylcholinmenge. ~vie Abb. 4 zeigt, ist die durch 10 -7 mg S. hervorgerufene Melanophorenkonzentration (Nr. 128, Kontrolle, ohne Acetylcholin) durch Zufuhr yon 10-Stag (Nr. 130) Acetylcholin nicht aufhebbar, wghrend 10 -~ mg (Nr. 131) und 10-Stag (Nr. 129) eine deutliche Expansion der Zellen hervorrufen.

b) Es wurde jener minimalste Induktionsstrom eruiert, der an der unbehandelten Haut gerade noch zur Zellexpansion fiihrt. Nach Be- handlung mehrerer gleich gro•er Hautstiicke desselben Tieres mit steigenden S.-Dosen war die nun zur Expansion der Zellen nStige Stromdosis abh/~ngig yon der vorher aufgebrachten S.-Konzentration, gemessen an der Abnahme des Rol]enabstandes zwischen Primer- und Sekund~trspule.

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4. Versuehe zum Zwecke der Au~schaltung des k6rpereigenen S. durch Anwendung yon Bromdii~thyllysergsdure

Kleine Dosen (10- ' - -10-nmg) bedingen mgflige durch S.-Zufuhr reversible Zellexpansion.

Bromdi~thyllysergs~ure in Konzentrationen yon 10 -6 und 10 -5 fiihren zu einer irreversiblen Zel]sehi~digung. Es treten histolisch fal~- bare Zerfallserscheinungen an den Zellen auf (Abb. 5).

Abb. 5. Melanophoren nach A u f b r i n g u n g yon 10 ~ m g Bromdi~ithyllysergs~ture. Deut l iche Zeichen der Sch~idigung der Melanophoren

5. Beeinflussung der Melanophorenreaktion dutch andere Substanzen

a) Adrenalin und Histamin haben keine Wirkung auf die Melano- phorenreaktion.

b) Dureh Melanophorenhormon bzw. dureh ACTfI kann Zellexpansion nicht erzeugt werden.

c) 1Narkotiku (Barbiturate, Urethan) wirken ebenso wie Zellgifte (Formol, Alkohol) hemmend auf die 0sziU~tion bei gleiehzeitiger Zell- ausbreitung.

IV. Besprechung der Ergebnisse S. besitzt eine eindeutig kontrahierende Wirkung auf alle 3 Arten

yon Farbzellen. Diese Reaktion ist durch die ~nderen, ffir das Tier als k6rpereigen anzunehmenden Substanzen nicht erzielbar.

Es handelt sieh dabei um einen reversiblen Vorgang, der dureh die zellexpandierende Wirkung yon Acetyleholin gegensinnig beeinfluSbar ist.

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Endokrhle Steuerung der Melanophoren-Re~ktion bei Octopus vulgaris 445

Darfiber hinaus handelt es sieh bei der Aeetyleholinwirkung um einen echten Antagonismus, wie die Zufuhr dieser Substanz in versehieden hohen D0sen an der vorher dureh S. aufgehellten I-Iaut nachweisen konnte, wodureh graduell untersehiedliehe Verdunkelung erzeugt werden konnte.

In gleiehem Sinne ist der versehieden hohe Auiwand an elektriseher Energie zu interpretieren, der n6tig ist, um dureh versehiedene S.- Konzentrationen versehieden stark kontrahierte Zellen zur Expansion zu bringen.

Aus der untersehiedliehen Wirkung der genannten Pharmaka auf die Oszillation bei gleichzeitiger Beaehtung ihrer Wirkung aM die Me- lanophoren lassen sieh interessante Sehl/isse ziehen, die die Beeinflug- barkeit der redoxehemisehen Vorggnge betreffen, die bekanntlieh dem in Rede stehenden Gesehehen zugrunde liegen. Wie bereits betont, wirkt S. hemmend auf die Oszillation lind kontrahierend auf die Melano- phoren. Beide Wirkungen sind reversibel, Narkotika und Zellgifte hemmen zwar gleich/a~ls die Oszillation, besitzen aber eine zellexpan- dierende, nicht reversible Wirkung.

Unterschiedlich zu den genannten Eigensehaften verhglt sich Acetyl- eholin in seiner Wirkung, das die Oszillation unbeein/lu[Jt 1/~Bt und dessen zellexpandierende Wirkung jedoch reversibel ist.

Aus der Wirkungsweise der genannten Pharmaka l~13t sich folgern, dab S. eine spezi/ische, anderen Substanzen nicht zttkommende Eigen- schaft besitzt, die in eiller wahrscheinlich physiologischen Fghigkeit der Beeinflussung der redoxchemischen Vorg/~nge beruht.

Darfiber hinaus maeht es die sehlagartig eintretende I-Iemmung der Oszillation bei sehon kleinsten S.-Dosen, die noeh nicht zellkontrahie- rend wir!~en wahrseheinlieh, dab sieh der Wirl~ungsbereich ffir S. an der Zellmembran lokalisiert, wof/ir aueh die Sehgdigung der Zellmembran naeh Aussehaltung des k6rpereigenen S. spreehen k6nnte. Als bemer- kenswert sei erw/ihnt, dal3 die hier genannten Wechselbeziehungen zwisehen Wirkung eines IIormons und nervaler I~eaktion an den Melano- phoren in /~hnlieher Art aueh bei den innervierten Melanophoren der Vertebraten bestehen bei allerdings anderer morphologiseher und fank- tioneller Grundiage. Aueh bei Amphibien wirken Toxine und Narko- tika expandierend und lghmend auf die Zellen, wie dureh die Unter- suehungen yon Jo~Es t5 bekannt ist. I)araus lassen sich interessante Sehl/isse fiber pri~zipielle Wirkungsmeehanismen an innervierten Melanophoren ableiten (KAHn-Joa~sl~a).

Bemerkenswert erseheint ferner das iunktionelle Verhalten naeh Anwendung yon Bromdi/ithyllysergs/iure. W/~hrend es nieht verwun- derlich ist, dag naeh Wegfall der kontrahierenden S.-Wirkung eine m/il3ige Zellexpansion eintritt, die eine Erklartmg in dem Uberwiegen

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des Ruhetonus der radi/~ren Muskelelemente finden k6nnte, ist jedoeh die Abnahme der elektrisehen Erregbarkeit unerwartet, die schon nach so kleinen S.-Dosen abnimmt, welche noeh nicht zur Seh/~digung der Zellmembran fiihren. Es w~re doch anzunehmen, daft mit Wegfall der kontrahierenden S.-Wirkung nun bereits geringere elektrische Energie Zellexpandierung bewirkt.

Dal~, wie erwartet, bei Tieren, denen eine hypophysi~re Steuerung /ehlt, durch Melanophorenhormon bzw. ACTH eine Melanophoren expansion nicht erzengt werden kann, unterstfitzt die Annahme, daft es sich bei dem aufgezeigten antagonistisehen Prinzip zwischen S. trod Acetylcholin an den Melanophoren um einen Meehanismus handelt, dem physiologische Bedeutung bei dem bislang in seiner Funktion unbekannten Farbwechselphs zukommen kSnnte. Daffir spreehen auch die spezifischen, nur dem Aeetylcholin und S. in der Wirkung auf die

Melanophorenreaktion zukommenden Eigenschaften, die mit kleinsten Mengen experimentell reproduzierbar sind.

Dal~ das gIeiche Prinzip auch ffir die Steuerung der Organfunktion anderer Wirbelloser gilt, konnte WELSH 24a,b an Herzen yon Venus mercenaria zeigen, wo die herzhemmenden Fasern dutch Acetylcholin und die accellerierenden dutch S. beienfluftbar sind.

Uberdies weisen 4r Untersuehungsergebnisse neuerlich auf die Bedeutung yon S. fiir den Ablauf peripherer vegetativer Funktionen hin. Damit werden die Ansiehten jener Autoren best/~tigt, die eine wiehtige Aufgabe dieses ttormons in seiner F/ihigkeit als i~bertrager- substanz sehen (14 a, 7 a, b, 16 o, 1~).

])as Vorkommen von S. im peripheren Nervensystem aller Mollusken in nieht unerhebliehen Mengen ~4c spricht ffir die gro[3e Bedeutung dieses Hormons bei den Wirbellosen. Vergleicht man hormonelle und nervale Komponenten, die beim Ablauf der Farbwechselreaktion bei Vertebraten wirksam sind mit den Faktoren, welehe die Melanophoren- reaktion bei Oct. vulg. beeinflussen, so wird am Beispiel des Farb- wechselph//nomens die yon I-IOLZ 14a ge/~ufterte Ansicht besti~tigt, dab dem S. eine welt h6here Bedeutung bei Wirbellosen zukommt, als dies ffir dan Ablauf der Organfunktion bei h6her entwickelten Tieren der Fall ist.

Zusammenfassung Auf Grund friiherer experimenteller Untersuchungen wurde eine

endokrine Funktion von Serotonin beim Ablauf vegetativ gesteuerter Vorg/inge angenommen. Es wurde naehgewiesen, daft auch eine solche Funktion diesem gormon bei der Melanophorenreaktion des Octopus vulgaris zukommt. Sie besteht in einer zellkontrahierenden Wirkung,

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Endokrine Steuerung der Melanophoren-Reaktion bei Octopus vulgaris 447

die sich a n t a g o n i s t i s c h zu der du rch A c e t y l c h o l i n b e w i r k t e n Zell-

e x p a n s i o n ve rh~ l t . A d r e n a l i n u n d t t i s t a m i n s ind ebenso wie Melano-

p h o r e n h o r m o n in g e n a n n t e m S inne u n w i r k s a m . Es wi rd a n g e n o m m e n ,

dug es sich bei d e m au fgeze ig t en M e e h a n i s m u s u m ein phys io log i sches

Gesehehen bei de r in de r F u n k t i o a b i sher u n b e k a n n t e n F a r b w e e h s e l -

r e a k t i o n des O c t o p u s vu lga r i s h a n d e l t .

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