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(Aus der l)eutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie, Kaiser-Wilhelm-Institut in Miinchen.) Zur Erbpathologie der Schizophrenie. Von Bruno Sehulz, 2~ssistent 4er genealogischen Abteilung. Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 10. August 1932.) A. Vorbemerkungen. I. Ist die Schizophrenie eine Krankheitseinheit ? In seiner 1916 ersehienenen Arbeit ,,Zur Vererbung und Neuent- stehung der Dementia praecox" schreibt Riidin z: ,,Die Dementia praeeox ist von allen Krankheiten, bei denen wir eine erbliche Entstehung vermuten diirfen, noch am sichersten zu kon- statieren." Und weil er jeder Verw/~sserung desjenigen Objektes, das vererbt wird, aus dem Wege gehen wollte, so sehreibt er ferner, babe er gerade die Dementia praecox als Psyehose fiir seine Erblichkeitsunter- suchung ausgew/~hlt. Halte er es doch auch, wie P/ate, fiir notwendig, da$ der Untersucher den Begriff der Krankheit zun/~chst eng fasse und nur unbedeutende Variationen zulasse. Riidin schrieb diese S/~tze 1913; die Drucklegung der Arbeit wurde durch den Krieg verzSgert. Die Durchsicht der seitherigen Literatur fiber die Schizophrenie zeigt, dal3 zum mindesten eine grol3e Zahl yon Autoren heute die Dementia praecox keineswegs mehr als einen eng gefaBten Krankheitsbegriff ansieht, wenigstens nicht in der Umgrenzung Kraepelins, die ja auch Riidin bei der Auswahl seiner F/~lle damals zu- grunde gelegt hatte. Bumke z sehreibt 1924: ,,Soviel ich sehe, gibt es keinen einzigen •orscher yon Rang, der in ,,der" Dementia praecox eine einheitliche Krankheit erblickt oder -- vorsichtiger ausgedriickt -- der gleiehe bio- logische Grundlagen fiir alle schizophrenen Prozesse fiir erwiesen hMt." Immerhin meint er, dab es nach Riidins Untersuchungen doch mindestens eine Gruppe yon Dementia praecox-FMlen geben mfisse, die sieh auf x Riidin: Monographien Neur. 12, 22. Bumke: Lehrbuch der Geisteskrankheiten, S. 935. Miinchen 1924.

Zur Erbpathologie der Schizophrenie

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Page 1: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

(Aus der l)eutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie, Kaiser-Wilhelm-Institut in Miinchen.)

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. Von

Bruno Sehulz, 2~ssistent 4er genealogischen Abteilung.

Mit 3 Textabbildungen.

(Eingegangen am 10. August 1932.)

A. Vorbemerkungen. I. Ist die Schizophrenie eine Krankheitseinheit ?

I n seiner 1916 ersehienenen Arbeit ,,Zur Vererbung und Neuent- stehung der Dement ia praecox" schreibt Riidin z:

,,Die Dement ia praeeox ist von allen Krankhei ten, bei denen wir eine erbliche Ents tehung vermuten diirfen, noch am sichersten zu kon- s ta t ieren." Und weil er jeder Verw/~sserung desjenigen Objektes, das vererbt wird, aus dem Wege gehen wollte, so sehreibt er ferner, babe er gerade die Dement ia praecox als Psyehose fiir seine Erblichkeitsunter- suchung ausgew/~hlt. Hal te er es doch auch, wie P/ate, fiir notwendig, da$ der Untersucher den Begriff der Krankhe i t zun/~chst eng fasse und nur unbedeutende Variationen zulasse.

Riidin schrieb diese S/~tze 1913; die Drucklegung der Arbeit wurde durch den Krieg verzSgert. Die Durchsicht der seitherigen Li tera tur fiber die Schizophrenie zeigt, dal3 zum mindesten eine grol3e Zahl yon Autoren heute die Dement ia praecox keineswegs mehr als einen eng gefaBten Krankhei tsbegri f f ansieht, wenigstens nicht in der Umgrenzung Kraepelins, die ja auch Riidin bei der Auswahl seiner F/~lle damals zu- grunde gelegt hat te .

Bumke z sehreibt 1924: ,,Soviel ich sehe, gibt es keinen einzigen •orscher yon Rang, der in ,,der" Dementia praecox eine einheitliche Krankhe i t erblickt oder - - vorsichtiger ausgedriickt - - der gleiehe bio- logische Grundlagen fiir alle schizophrenen Prozesse fiir erwiesen hMt." Immerh in meint er, dab es nach Riidins Untersuchungen doch mindestens eine Gruppe yon Dement ia praecox-FMlen geben mfisse, die sieh auf

x Riidin: Monographien Neur. 12, 22. Bumke: Lehrbuch der Geisteskrankheiten, S. 935. Miinchen 1924.

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176 Bruno Schulz:

irgendeine Weise vererbe. 1929 i~uBert er sich in ~hnlieher Weise 1: ,,Ob alle bier als schizophrene Krankheitsprozesse besprochenen Krank- heitsfMle ~tiologisch und pathogenetisch gleichartig sind, s teht keines- wegs lest ." Aueh hier wieder ffigt er hinzu: , ,Nun gibt es aber zum mindesten eine Gruppe yon Sehizophrenien, die nicht nur naeh Sym- ptomatologie, Verlauf und Ausgang, sondern aueh deshalb als wirkliehe Krankheitseinheit aufgefaBt werden muB, weil sie sieh sicher vererbt ."

Ebenso ist K a h n ~ der Ansieht, dab ohne Anwesenheit sehizoider und sehizophrener Anlagen im Idiotypus schizophren ausgehende Krank- heitszust~nde zur Ausbildung kommen, die sieh - - wenigstens vor- l~ufig - - kliniseh und psychopathologisch yon den konstitutionell unter- l eg t en FAllen nicht unterseheiden lassen.

Nun unterliegt keinem Zweifel, dab wir nicht fiber den Erbgang der Sehizophrenie in der Kraepelinschen Umgrenzung Untersuchungen an- stellen kSnnen, wenn unter diesem Schizophreniebegriff biologisch durch- aus Verschiedenes zusammengefaBt wird. Wir werden ja aueh beispiels- weise nieht daran denken kSnnen, den Erbgang des Suieids aufzudeeken. Der Selbstmord kann biologisch die versehiedensten Ursachen haben. Er kann die Folge einer Schizophrenie sein (yon der wir hier - - wenn auch nur in diesem Zusammenhange - - einmal annehmen wollen, dab sie eine sieh recessiv vererbende biologische Einhei t sei), er kann die Folge eines zirkul~ren Irreseins sein (das sicherlieh eine welt st~rkere Erbintensi t~t besitzt als die Sehizophrenie), er kann die Folge einer Paralyse sein oder die Folge eines erregbaren, haltlosen, hysterischen, ehrliebenden oder gewissenlosen Charakters, deren jeder sich wieder nach anderen uns unbekannten Regeln vererben kann, und gleichzeitig wird er stets die Folge der versehiedensten Aul3enumst~nde sein.

Wie wir oben sahen, griff Riidin ja gerade deshalb die Dementia praeeox ffir seine erste Erbliehkeitsuntersuehung heraus, weil der Kliniker 1913 die Schizophrenie als etwas Einheitliehes glaubte ansehen zu kSnnen. DaB Davenport erbbiologiseh offenbar Verschiedenes zusammengeworfen habe, war der Vorwurf, den Ri~din a 1922 gegen dessen Untersuchungen fiber die Epilepsiefrage erhob.

Haben wir nun aber in der Ta t AnlaB, die Schizophrenie als eine Reakt ionsform anzusehen, die in biologiseh (erbbiologisch) versehiedenen Eigenschaften ihren Grand ha t ? Was k6nnte wohl gegen die Auffassung der Schizophrenie als einer Krankheitseinheit angefiihrt werden ? Einmal wissen wir, dab die Bilder der Schizophrenie sich auch bei exogenen Psychosen linden. Ieh erinnere hier an die F~lle yon Krisch 4. Allerdings

1 Bumke: Lehrbuch der Geisteskrankheiten, S. 680. Miinchen 1929. Kahn: Zit. nach JBerze. Monographien Neut. 55, 9 (1929). (Gemeint ist

vielleicht die ~uBerung I~ahns: Z. •eur. 66, 281 (1921). a Ri~din: Z. Neur. 81, 469.

Krisch: Die organischen einschlieBlich der exogenen Reaktionstypen. Beih. Mschr. Psychiatr. 1980, tI. 60.

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sagt auch _Krisch, er sei fiberzeugt, dab der Kern der Erkrankungen, die wir heute als Schizophrenie diagnostizieren, und der ihnen zugrunde liegende organische ProzeB endogen, d. h. idiotypiseh sell. Doch m6ehte er Fglle abtrennen, die eine sehizophrene Symptomatologie bieten, aber ~tiologiseh nicht ,,genuine" Schizophrenien, sondern Ausdruck einer andersartigen Hirnsch/~digung seien. Er schl/~gt vor, sic exogene Sehizo- phrenien zu nennen, und weist darauf hin, dab Herz aus der Kleis t sehen Klinik und Kleis t selbst dieselbe Tendenz verfolgen. Es ist vielleicht zweckmggig, bier die Einteilung wiederzugeben, die Herz in seiner Arbeit fiber heredodegenerative und symptomatische Schizophrenien vornimmt.

Herz ~ refit die organischen Psyehosen ein 1. in grob organisehe (Para- lyse, ttirntumor, Arteriosklerose), 2. in symptomatische (Intoxikation, Urgmie, Diabetes, Schwangersehaft, Basedow usw.), wobei es sich meist um rfiekbildungsf/~hige Gehirnprozesse handle, 3. in organisehe Psyehosen unklarer tterkunft, deren Symptomatologie wohl die gleiche sei wie bei den symptomatiscben Psychosen, bei denen jedoeh keine k5rperliche Ursache nachweisbar sei. Es folgen dann 4. die symptomatischen Sehizo- phrenien, das sind in VerblSdung ausgehende schizophrene Defekt- psychosen mit organischem Gepr/~ge. Diesen nahe stehen die heredo- degenerativen Schizophrenien, das sind destruktive konstitutionelle Er- krankungen ohne Symptome der organisehen Psychosen, Psychosen also, die im Gegensatz zu allen bisher yon Herz genanuten Gruppen keine exogene Genese vermuten lassen.

Bei den symptomatiscben Schizophrenien soll wohl eine Anlage zur Schizophrenic bestehen, diese selbst aber erst durch ein exogenes Moment ausgel6st werden a, bei den heredodegenerativen Schizophrenien handele es sich um schicksalsm/~Big sich entwickeinde Erkrankungen, zu deren Entstehung allein konstitutionelle Faktoren notwendig seien 4. Aller- dings hMt Herz es f fir zur Zeit noch nicht begriindet, beide Gruppen voneinander zu trennen, da das Gemeinsame, besonders der Verlauf und der Ausgang, eine derartige scharfe Trennung noeh nieht zulasse 4. Immerhin sollen die symptomatisehen Schizophrenien nach Herz kliniseh anf/inglich als organisehe Gehirnkrankheiten imponieren, und auBerdem kSnne das Fehlen einer heredit/iren Belastung oder das Auftreten yon kSrperliehen oder neurologisehen Erscheinungen auf sie hinweisen a.

Es sei diesen Herzsehen Ausfiihrungen gleieh hinzugefiigt, dab yon den Schizophrenien insgesamt Kleis t eine Grnppe yon gutartigen und heilbaren Randpsyehosen abgetrennt wissen will; fiir die Schizophrenic nimmt er ja eine ungiinstige Prognose an, da die Histopathologie gezeigt habe, dab der Sehizophrenie ein zerstSrender Hirnprozefl zugrunde liege: Kleis t spricht yore ,,Wechselbalg der heilbaren Schizophrenien e,,.

i 1. c. 106/107. 2 Herz: Mschr. Psychiatr. 68, 286 (1928). a 1. c. 309. 4 1. c. 308. 1. c. 312. ~ Kleist: Schweiz. Arch. Neur. 28, Sonderdr. 35 (1928).

Z. f . d. g . N c u r . u . P s y c h . 143. 12

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178 Bruno Schulz:

Auch Hof fmann 1 h/~lt eine Untersuchung dariiber fiir n6tig, ob die Formen der Sehizophrenie, die vol lkommen ausheilen, erbbiologisch den verbl6denden Schizophrenien gleichzusetzen seien.

Ebenfalls zum Teil auf Grund des Ausgangs teilt Berze 2 seine ,,Sehizosen" ein: Er unterscheidet zwischen Schizoid (einsehlieBlich akuten und chronisehen Schizoidophrenien), Schizophrenie (ehronisehe l~ormen, akute Syndrome, sehizophrene Reaktionsformen) und Dementia praecox. Nur der Dement ia praecox sehreibt er eine echte Demenz zu. Dabei bemerkt er, dab die Gruppe der Schizophrenien im engeren Sinne nicht vorweg als genotypisch einheitlieh genommen werden k6nne, da die Hypofunkt ion des subcortiealen Organes, die er als der Schizophrenie zugrunde liegend ansieht, nicht immer auf einem Anlagedefekt dieses Organes beruhen miisse, sondern auch durch Einwirkung einer chemi- schen Noxe zustande kommen k6nne 8. Aber aueh fiir die Dementia praecox in seinem Sinne glaubt er nicht eine einheithehe genotypische Anlage ohne weiteres annehmen zu diirfen. Es seheine F/ille zu geben, die rein konstitutionell begriindet seien, und solche, bei denen nu t eine Disposition zugrunde liege 4. Fiir die yon ihm herausgehobene Schizoid- form m6chte er ablehnen, dab sie genotypiseh sich yon der Sehizophrenie in seinem Sinne unterscheide 5. ]~ehrere Schizophreniegenotypen als solehe dagegen sind ihm wieder wahrseheinlieh 6, und zwar unter anderem deshalb, weft Erscheinungsweise und Gesamtver lauf der Psychose bei Personen aus einer und derselben Familie oft eine weitgehende l~ber- e inst immung aufwiesen und sieh durch irgendwelehe mehr oder weniger typisehe Einzelziige auszeichneten. Einen genotypischen Untersehied zwischen seiner Sehizophrenie und seiner Dement ia praecox n immt er deswegen an, weft beide Krankhei ts formen eine ganz verschiedene erb- liche Belastung aufwiesen. Neben Schizoiden f/~nden sich in der Regel vorwiegend oder ausschlieBlich Sehizophrene in dem yon ihm gemeinten Sinne, wogegen die F/~lle, welche in schizoidarmen bzw. schizoidfreien Familien auftr/~ten, fast ausnahmslos als Dement ia praeeox im engeren Sinne eharakterisiert seien 7. ~br igens sei bei der Dement ia praecox der zu organiseher Demenz fiihrende ProzeB in der Rinde yon wesent- lieher Bedeutung, die Schizophrenie greife mehr im subcorticalen Organ an 6. (Siehe hierzu S. 180, Absatz 1 vorliegender Arbeit.)

Es sei erlaubt, gleich hier auf Grunct des bisher Angefiihrten zu- sammenzufassen, welche Bedenken sich gegen die Einheitl ichkeit der Schizophrenie erheben lassen k6nnten.

1. Die ,,Sehizophrenie" erscheint zum Teil dureh /iuBere Umst/inde ausgelSst, zum Tell ents teht sie ohne solche.

2. Die ,,Sehizophrenien" verbl6den zum Teil, zum Teil heilen sie (anseheinend) ohne jeden Defekt.

1 Hoffmann: Z. Neut. 114, 630 (1928). 2 Berze: Z. Neur. 96, 640 (19 25). 31. c. 641. 4 1. c. 642. 5 1. c. 643. e 1. c. 644. 7 1. c. 644. s 1. c. 641/642.

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3. Es gibt , ,Sehizophrenien" mit nachgewiesener erblicher Belastung und Schizophrenien ohne solehe.

4. Die , ,Schizophrenien" bieten zum Tell das Bild organiseher Psycho- sen (siehe S. 177 dieser Arbeit), zum Tefl nicht. (Umgekehrt l inden sich ,,sehizophrene Reaktionsweisen" auch bei den verschiedenartigsten or- ganischen Hirnerkrankungen.)

(Nebenbei bemerkt wendet sich Krisch gegen den Ausdruck schizophrene Reaktionsweise, wenn er kein Elementarsymptom bedeute, da man ja aueh nicht yon einer epileptisehen Reaktionsweise sprechen k6nne, wenn man damit die Ge- samtheit der bei Epilepsien vorkommenden Symptomenbilder meinen wolle 1.)

Beweisen nun die angegebenen Grfinde die Uneinheithehkeit der Sehizophrenie im Sinne Kraepelins ? Zu 1 ware zu sagen: Krisch (I. e.) berichtet z. B. yon Psyehosen, die, obwohl sie durch ein k6rperliches Leiden bedingt sind, schizophrene Syndrome darbieten. Nun sind derartige Psychosen nati irheh ohne Frage keine Sehizophrenien im Sinne Kraepelins, und Krisch will dies j a wohl aueh gar nieht behaupten. Die Sehizophrenien im Sinne Kraepelins zeigen eben nieht die k6rperliehen oder neurologischen Befunde wie die FMle yon Krisch (Chorea, Hirntumor, Mastitis, Hypo- physenerkrankung, Herzdekompensation, Paralyse usw.). Die F/~lle yon Krisch zeigen zum groflen Tell auch einen anderen Verlauf als die Mehr- zahl der Schizophrenien. Aber es hegt an sich der Sehlul3 nahe: Wenn wir bei vorhandenen kSrperhehen oder neurologischen Symptomen psychische Bilder auf t re ten sehen, die der Schizophrenie ~hneln oder gleichen, warum sollen dann die entspreehenden Bilder, die wit ohne solehe kSrperhchen oder neurologisehen Erkrankungen auf t re ten sehen, alle untereinander die gleiche (uns unbekannte) Ursaehe haben ? Und es ist in der Tat nicht bewiesen, daft die gleiche Ursache allen solchen Krank- heitsbildern zugrunde liegen muff. Es ist jedoch auch keineswegs bewiesen, daft sie ihnen nicht dennoch zugrunde liegen k6nnte.

Zu 2: DaB der Ausgang der Schizophrenien verschieden ist, da$ sich bald ein sehwerer, bald ein leichter, bald gar kein Defekt f indet, beweist ebenfalls nicht die Uneinheithehkeit der Sehizophrenie. Kleist (1. e.) schlol3 eine t te i lbarkei t der Sehizophrenie deshalb aus, weft ihr ein zerst5render I-Iirnprozefl zugrunde liege. Von vornherein scheint mir damit die UnmSgliehkeit einer wenigstens praktisehen Heilung einer Krankhei t nicht dargetan. Wit kSnnen in der Psyehiatrie die Heilung einer Krankhei t ja im allgemeinen nur an der Wiederherstellung der psyehisehen Funkt ion messen. In diesem Sinne aber gibt es beispielsweise praktiseh geheilte Apoplexien. Wir kSnnen daher - - ganz allgemein - - yon einer geheilten Sehizophrenie, bevor wit nieht genauere Kenntnisse fiber diese ganze Frage besitzen, um so eher sprechen, als wir im Einzel- falle nicht angeben kSnnen, wie sehwer denn die organisehe ZerstSrung war, die mit dem Erscheinungsbilde einer Schizophrenie verbunden war.

l l . c . 39.

]2*

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180 Bruno Sehulz:

~ruhle sagt, dab noeh niemand einen schizophrenen Hirnbefund sah 1. Das (oder meint er nut: einen gesetzm@igen Hirnbefund?) seheint mir zwar nach den Angaben der maBgebenden Histopathologen ein wenig zuviel behauptet. Josephy ~ sagt, dab in einem Fall, in dem der Kliniker nicht wisse, oh er ihn der Dementia praecox zurechnen solle, der anatomische Befund vielleicht yon ausschlaggebender Bedeutung sein kSnne. Doch will er immerhin die Frage, oh der Histopathologe (allgemein) bei der Dementia praecox eine Diagnose stellen k~nne, hSehstens mit einem sehr bedingten und verklausulierten Ja beantworten. Und wenn er schreibt, dab die Histopathologie eher noeh Anhal~spunkte dafiir gebe, dab sich die Gruppe der Schizophrenien unterteflen lasse, so seheinen mir dennoch die oben (S. 178) wiedergegebenen Behauptungen Berzes noch nieht geniigend histopathologiseh gesiehert. Ebenso wie mix die yon Kleist berichteten histologischen Befunde a wohl doeh nach der Ansicht anderer noch nicht die Sieherheit zu geben seheinen, nun aus der Art des Minischen Bfldes auf den jeweiligen Sitz der schizophrenen StSrung zu sehlieBen. Sl~ielmeyer sagt, dall die Befunde bei Schizophrenie wohl geniigen, die organische Natur der Krankheit zu sichern, dall sie abet nicht geniigen, den ProzeB abzugrenzen und ihn als eine Krankheitseinheit zu siehern, so dab wit his jetzt noch keine pathologisehe Anatomie tier Dementia praecox batten 4.

J edenfa l l s meine ieh, dab m a n aus d e m Ver lau f e iner K r a n k h e i t wohl e inen Wahrsche in l ichke i t s sch luB auf ih re ~i t iologie im Einzel fa l le z iehen k a n n , d a b m a n abe t die , ,Heilbarkei t" d e r Sch izophren ie n i eh t als e twas in j e d e m Einzelfa l le y o n vo rnhe re in Unm6g l i ches ansehen darf . Wis sen wi r doch , d a b es sogar P a r a l y s e n g i b t (und schon vor der Nlalaria- b e h a n d l u n g gab) m i t sehr l a n g d a u e r n d e n u n d we i tgehenden Remiss ionen . Es i s t Kraepelins Verdiens t , d ie B e d e u t u n g des Ver laufs fiir d ie S te l lung e iner Diagnose in der P s y c h i a t r i e h e r v o r g e h o b e n zu haben . Se in Ver- d i e n s t w i rd n ich t geschmaler t , weft de r Ver lauf n i e h t in a l len F a l l e n der g le ichen K r a n k h e i t der gleiche is t . Es i s t j a d a m i t auf d e m Gebie te de r P s y c h i a t r i e n ich t anders als auf d e m de r k6 rpe r l i chen ~ e d i z i n .

Zu 3, also dem U m s t a n d e , d a g es Sch izophren i en m i t nachgewiesener e rb l i ehe r Be la s tung und Sch izophren ien ohne solehe gibt , sei z u n a c h s t gesag t , dab be i recessiven M e r k m a l e n das l%hlen erb l icher BelasCung in e ine r Anzah l yon F a l l e n den E r b f o r s c h e r n i e h t ve ran l a s sen wi rd , in d i e sen F a l l e n die E r b l i e h k e i t e ines Le idens auszuschl iegen . (Und w e n n d ie Schizophrenie sieh v e r e r b t , so i s t naeh den b isher igen Un te r - s u e h u n g e n wohl anzunehmen , d a g sie s ich reeess iv vererb t . ) W i t wissen, d a b e in recessives erbl iches M e r k m a l n u r da rm of fenbar we rden k a n n , w e n n k r a n k e An lagen yon Va te r s u n d iV[utters Se i te z u s a m m e n t r e f f e n ; das a b e t b r a u c h t bisweilen w a h r e n d v ie le r G e n e r a t i o n e n n i c h t de r F a l l zu sein. Der Wahr sche in l i chke i t nach muB es also auch echte e rb l iehe Seh izophren ien ohne zu tage ge t r e t ene e rb l iehe Be l a s tung geben - - wie a n d e r e r s e i t s auch in der V e r w a n d t s c h a f t n i eh t sch izophrene r P e r s o n e n Seh izophren ien v o r k o m m e n u n d na t i i r l i eh auch in der V e r w a n d ~ c h a f t n i eh t seh i zophrene r Geis teskranker .

1 GruM~: Monographien Neur. 55, 75 (1929). 2 Joselohy: Bumkes Handbuch der Geisteskrankheiten, Bd. 11. S. 775/776. a N/~heres Schweiz. Arch. 26, 99 f. (1930), dort auch Literatur. 4 j . nerv. Dis. 72 (1930).

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l~brigens ha t auch B u m k e einmal ausgesprochen, dab man auch bei FfiJlen mi t guBerer Ursaehe dann, wenn sie schizophrene Krankhei t s - bilder b6ten, eine besondere Neigung zur schizophrenen Reaktionsweise voraussetzen mfisse und dab man daher in der Verwandtschaft solcher Fglle ebenfalls gehguft Schizophrenien linden k6nne 1. Und in ghnhchem Sinne is t wohl zu werten, dab B e c k aus der K l e i s t s c h e n K l i n i k bei seinen Untersuchungen fiber symptomat i sehe Psychosen gefunden zu haben glaubt, dab die symptomat i schen Psyehosen oft ein ghnliehes klinisches Bild bieten wie die in ibrer Verwandtsehaf t vorkommenden endogenen Psychosen 8.

Dennoch k6nnte es natiirlich sein, dab eine best immte Gruppe yon Schizophrenien sich ganz anders belastet erweist als die fibrigen Grul0pen und daft sie da rum yon diesen abzutrennen wgre. Exakte Untersuchungen hieriiber sind mir bisher nur insofern bekannt , als M . B l e u l e r eine kleine Gruppe bald verblSdender Fglle ohne Belastung glaubte aufstellen zu k6nnen. Die Untersuchung stfi tzt sich bis je tzt noch auf ein zu kleines Material a.

Zu 4 ffihrten wit an, dab die Schizophrenien psychisch zum Teil das Bild organischer Psychosen bieten, zum Tell nicht. Das wgre nur dann ein Beweis gegen die Einheitl ichkeit der Schizophrenie, wenn sich psychi- sche Symptome einer organischen Psychose nie bei einer funktionellen Psychose linden dfirften und wenn eine organisehe Psychose stets spezi- fisch organische Symptome aufweisen mfi~te und umgekehrt . Es gibt aber sicher Paralysen, die anfangs nur solche psychischen S y m p t o m e aufweisen, wie sie eine funktionelle Psychose zeigt. Wir werden also auch nicht bei allen Schizophrenien, wenn es sich bei diesen u m organische Psychosen handeln sollte, nun stets die Symptome einer organischen Psychose zu erwarten haben. Die Frage, ob diejenigen bisweilen bei der Schizophrerde auf t re tenden Symptome, die man als organische Symptome anzusehen pflegt, in der Ta t fiir eine organische Psychose spezifisch sind, scheint mir noch nicht vSllig geklgrt:

K r i s c h a n immt an, dab bei Schizophrenien eine Demenz im Sinne einer strengen Demenzdefinition vorliegen kSnne, also eine Demenz, die der Ausdruck eines organischen Defektes sei. Auch B e r z e 5 b e h a u p t e t

1 1. c. S. 681 (1929). Mschr. Psychiatr. 77, 38--70 (1930). Vergleiche hierzu jedoch die Bemerkung

Seelerts, dab Beck in der Auffassung der Psychosen als symptomatischer Psychosen sehr welt gehe. Bei den Psychosen, die er als symptomatische ansehe, sei keineswegs immer einer der bekannten exogenen Symptomenkomplexe zu erkennen oder durch den Untersuchungsbefund anschaulich gemacht. Es .miisse hier auf heute bekannte und zah]reiche Effahrungen hingewiesen werden, nach denen ein gutartiger Verlaui der einzelnen Krankheitsanfglle und das Rezidivieren der Psychose nicht ausreiche, einen schizophrenen Krankheitsprozei] auszuschlieBen (Fortschr. Neur. g, 441 (1931).

a Z. Neur. 127, 365 (1930). 4 Krisch: 1. c. 134. s Berze: Z. I~eur. 96, 635/636.

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] 82 Bruno Schulz:

ja yon seiner Dementia praecox, dab sie - - im Gegensatz zu den nicht verblSdenden Schizophrenien - - zur eehten organischen Demenz ffihre. I m Gegensatz dazu meint G r u h l e , dab der Sehizophrene bis an sein Ende das Werkzeug der f o m a l e n Intelligenz besitze, und sich nut dieses Werk- zeugs oft 1/~ngere Zeit nieht bedienen kSnne oder kein Interesse habe, sich seiner zu bedienen 1

Von der BewuBtseinstriibung und Desorientiertheit gibt K r i s c h ~ a n ,

dab sie im allgemeinen gegen Schizophrenie spreche, immerhin schlieSt sie ibm eine solche doeh nicht aus, denn er schreibt: Je weniger intensiv die BewuBtseinstrfibung bzw. -~nderung ist, um so schizophreniei~hnlicher wird sie (die Amentia) , und je stiirmischer eine Schizophrenie verl/~uft, um so exogener wirkt sie. Auch nach B e r z e 3 legen F/~lle yon t raumhaf te r Verworrenheit den Gedanken an toxische Genese nahe, w/~hrend R e i s s 4

umgekehrt bei seinen Forschungen fiber die Schizophrenie es fiir gut h/~lt, an die akuten Formen t r aumhaf te r Verworrenheit anzuknfipfen. Auch B l e u l e r sprieht yon den Benommenheitszusti inden, in denen sich die Kranken Mfihe geben, ihre Gedanken oder ihre Bewegungen zu irgendeinem Zweeke zu sammeln, und doch nichts zustande bringen 5. Andererseits linden wit die Erscheinung t raumhaf te r Verworrenheit aber unter anderem ja aueh bei hysterischen D/~mmerzust/inden, also bei rein funktionellen Psychosen. Und weim sich auch der psychogene D~mmerzustand yore organiseh bedingten prinzipiell unterscheiden 1/~Bt 6, so diirfte doch die Unterseheidung im Einzelfall oft auf Schwierigkeiten stol3en, l~brigens h~lt B l e u l e r die deliriSsen Zust/~nde bei Schizophrenie ja fiir physiogen, wie or sich denn aueh den ProzeB, der der Psychose zugrunde liegt, als physisch vorstel l t ; nur die nicht selten riehtige Orion- t ierung neben der krankhaf ten in diesen deliriSsen Zust/~nden und eine bemerkenswert ausgiebige naehtr/~gliche Erinnerung scheint ihm diese Zust/~nde bei der Schizophrenie yon entspreehenden Zust/~nden bei anderen Krankhei ten zu unterscheiden 7.

DaB, je klarer und besonnener ein Kranker mi t sehizophrenen Sym- p tomen erscheint, er um so eher als sehizophren anzuspreehen ist, m6chte ieh allerdings aueh glauben. Dennoch halte ich es ffir zu weir gegangen, wenn M a u z schreibt: Ein einziger sehizophrener Gedankengang mi t ten in einem verniinftigen und besonnenen Gespr~eh verr/~t mehr ProzeB- haft igkei t als die schSnste schizophrene Ekstase, oder eine einzelne ka t a tone Manier bei sonst gutem Niveau mehr als der schwerste ka ta tone Bewegungssturm s

~ b e r F/~lle, die anf/i.nglich die Erseheinungen einer symptomat isehen Psyehose (ira Sinne yon K l e i s t ) , dann abet auf die Dauer mehr und mehr

1 1. e. 99. 2 K r i s c h : 1. c. 64/65. a Berze: Monographien Neur. 55, 17. a Re i s s : Zit. naeh Berze 1. c. 5 Zit. nach Berze 1. c. 21. s Bleuler: Z. Neur. 124, 615 (1930). 7 1. c. 609/610. s M a u z : ,,Die Prognostik der endogenen Psyehosen", S. 57. Leipzig 1930.

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das Bild der Schizophrenie bieten, berichtet Herz 1. Ob er Erkrankungen dieser Art als eine besondere Gruppe auffaBt, braueht uns in diesem Zusa.mmenhang nieht zu beriihren; wir entnehmen daraus nut, dab Er- scheinungen der symptomatisehen Psychosen und der Schizophrenie ineinander iibergehen kSnnen.

~brigens ist ja auch yon Kleist selbst ausgesproehen, dab die hetero- nomen Zustandsbilder, wie er sie genannt hat, erheblieh h~ufiger als andere Erseheinungen dureh exogene Hirnseh~digungen hervorgerufen werden, sie sind also demnaeh aueh nach Kleists i~Ieinung nicht aus- sehlieBlich diesen exogenen Hirnseh~digungen zuzuordnen 3.

Von den ka ta tonen Symptomen, die er lieber psychomotorisehe genannt haben m6chte, meint Krisch a, dab ein jedes yon ihnen auch einmal bei einer rein symptomatischen Psychose vorkommen kSnnte; ebenso kommen diese Symptome abet aueh bei endogenen Psychosen vor.

Kraepelin sagt 4, es erseheine ihm nicht bereehtigt, aus dem Auftreten oder Fehlen exogener Reaktionstypen bei Krankhei ten unbekannten Ursprungs Vermutungen fiber deren Ents tehung aus ~uBeren oder inneren Ursaehen abzuleiten; er habe keinen Zweifel dariiber, dab dieser Versueh zu triigerischen Ergebnissen ffihren wiirde. - - Vielleieht ha t Kraepelin sieh etwas schroff ausgedriickt. Meines Erachtens lassen sich mit der nStigen Vorsicht aus dem Auftreten endogener oder exogener Reaktionsformen, oder - - wie Bumkr nach Kleiat vorsehl~gt - - autonomer oder heteronomer StSrungen wohl doeh Fingerzeige fiir die Atiologie und damit die Diagnose entnehmen. Die Warnung Kraepelins vor der ~berspannung des Gedankens yon der grunds~tzliehen Versehiedenheit exogener und endogener Formen seheint mir abet doeh durehaus be- rechtigt. Es ist nicht so, daft das Bild der exogenen oder der endoge~en Paychosengruppe sich nu t bei der einen oder nut bei der anderen der beiden Gruppen fgnde, und es ist auch nicht so, daft das A uftreten des entsprechenden Bildes fi~r die betreffende Gruppe ein~ Notwendigkeit darstellte.

Im AnsehluB hieran noeh eine Bemerkung: A n sich sagt es i~ber die etwaige erbliche Bedingtheit einer KranIcheit nichts aus, ob sie als funktionell oder organisch anzusehen ist. Erblich bedingt kSnnen Zwangsneurosen, hysterische Erscheinungen u. i~. genau so gut sein wie Hirnarterio- sklerose, senile Demenz, Huntingtonsche Chorea u. ~. Auch ob eine Psyehose durch hirnverwandte oder hirnfremde Toxine bedingt ist (endogen oder exogen im Sinne mancher Autoren), sagt nichts fiber ihre etwaige erbliehe Bedingtheit. Dennoch wiirde es natiirlich gegen die Einheitl iehkeit der Schizophrenie sprechen, wenn ein Teil der Schizo- phrenief~lle als rein funktionelle, ein anderer Teil als rein organisehe Psychosen erschiene, oder ein Teil als rein endogene, ein anderer Teil als rein exogene Psychosen.

1 Herz: 1. c. 300/302. 2 A1]g. Z. Psychiatr. 82, 3 (1925). ~ Kriach: 1. c. 64. 4 KraeTelin: Zbl. l~eur. 4{), 380/382 (1925).

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184 Bruno Schulz:

�9 Ii t dem bisher Ausgeffihrten sollte dargetan werden, daI3 zwar die Einheitlichkeit der Schizophrenie im Kraepelinschen Sinne noch keines- wegs bewiesen ist, dal3 aber andererseits ihre Uneinheitlichkeit ebenfalls noch nicht bewiesen ist.

H. L4iflt sich der Erbgang einer Krankheitseinheit feststellen? In der vorliegenden Arbeit wollen wit versuchen, auf erbbiologischem

Wege zur Kl~rung der Frage beizutragen, ob die Schizophrenie in der yon Kraepelin angegebenen Umgrenzung eine Krankheitseinheit dar- stellt, und wenn nicht, in welche Gruppen sie sich etwa auf Grund erb- biologischer Befunde aufteilen lief~e. ])as soll in der Hauptsache in der Weise versucht werden, dab wir aus einem Teil der seinerzeit yon Riidin untersuchten F~lle eine Anzahl verschiedener Gruppen bilden und die erbbiologische Belastung dieser einzelnen Gruppen miteinander vergleichen.

Wir werden beispielsweise Schizophrenien, die eine Entstehung der Krankhei t durch ~uBere Umst~nde deshalb vermuten lassen, weil ein Geschehnis beobachtet wurde, das mSglicherweise als auslSsendes oder verursachendes Trauma in Frage kommen kSnnte, abtrennen yon den F/~llen, bei denen ein solches Geschehnis nicht beobachtet wurde.

Wit werden ferner unsere Schizophrenien in verblSdende und aus- geheilte Fiille einteilen und wir werden das lVIaterial in Fi~lle mit be- kannter Belastung und in solche ohne bekannte Belastung aufteilen. DaB ich nicht wagen werde, diejenigen yon meinen ~/~llen, die auf Grund des klinischen Brides als organische Psychosen erscheinen kSnnten, yon solchen abzutrennen, die klinisch als endogene t)sychosen erscheinen, diirfte nach dem auf den Seiten 181--183 Ausgefiihrten einleuchten. (Groborganische Symptome - - etwa neurologischer Art - - boten ja ohnehin die bier zur Untersuchung. stehenden yon Kraepelin und Riidin als Schizophrenien diagnostizierten F/~lle nicht.) Wit werden versuchen, andere klinische Gruppen aufzustellen.

Ha t es nun aber iiberhaupt einen Sinn, Erblichkeitsuntersuchungen unter Zugrundelegung des Krankheitsbildes der Schizophrenie anzu- stellen ? Krisch schreibt: ,,Die Erblichkeitsanalyse kann sich nut auf Elementarsymptome, nicht abet auf ganzo Krankheitseinheiten er- strecken. So ist es mSglich, etwa die erbliche Determinat ion der affektiven oder psychomotorischen Symptome zu untersuchen, nicht aber die ,,manisch-depressiver" oder ,,schizophrener" Zustandsbflder im Sinne klinischer Krankheitseinheiten schlechthin" 1. Und an einer anderen Stelle fiihrt er aus, dab Krankheitseinheiten, da sie ja doch nur prakti- schen Gesichtspunkten ihre Existenz verdankten, fiktiver Natur seien. In diesem Zusammenhang polemisiert er gegen die Auffassung einer

1 1. c . 1 4 1 .

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Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 185

Krankheitseinheit als einer realen Gegebenheit (Birnbaum). Man k5nne ja sonst auch yon der Diagnose ,,Si~ugetier" als einer realen Gegebenheit spreehen 1. Streng genommen ist die Diagnose S~ugetier allerdings keine reale Gegebenheit. Aber das Ss oder die S~ugetiere bilden eine biologisch zusammengehSrige Gruppe mit vielen Gemeinsamkeiten (/~hn- fiche Gedankeng~nge fiihrt iibrigens Krisch selbst in bezug auf die Krank- heitseinheit aus). Wet abet sagt uns, da$ in der yon Kraepelin aufge- stellten Krankheitseinheit der Schizophrenie nicht biologiseh (erbbio- logisch) ZusammengehSriges zusammengefaBt wurde ? Zur Aufstellung yon Krankheitseinheiten kommt man, solange die Xtiologie einer Krank- heir noch nicht aufgefunden ist, dadureh, da$ man das immer wieder vorkommende gemeinsame Auftreten bestimmter Symptome beobaehtet . Man kann auf diese Weise zu echten (atiologiseh bzw. biologiseh ein- heitliehen) und zu falschen Krankheitseinheiten kommen. Eine eehte Krankheitseinheit ist beispielsweise der Basedow, bei dem wir Exoph- thalmus, Herzbeschwerden und Kropf immer wieder gemeinsam beob- aehtet haben. Und nicht etwa der Exophthalmus oder eines der anderen Symptome ist dann gegebenenfalls eine biologische Einheit in dem bier gemeinten Sinne, sondern der Basedow bzw. die diesem Krankheitsbilde zugrunde" liegende St6rung. Es erseheint mir also yon vornherein auch nicht unmSglich, die Erblichkeit der Schizophrenie, als einer vielleieht auch biologischen Einheit , zu untersuehen.

l~an ha t zwar geltend gemaeht, dal~ sich ja auch nieht irgendein bestimmter Charakter im ganzen vererben kSnne, sondern immer nu t gewisse einzelne einfaehste Charakterziige, die dutch ihr jeweiliges ver- schiedenartiges Zusammentreten bei dem einzelnen Menschen dessen Charakter ausmachten. Ob diese Ansieht, soweit sie sieh nu t auf die Vererbung yon Charakteren erstreekt, zutrifft, wollen wit bier nieht welter erSrtern. Jedenfalls gilt mir eines nieht als gesichert, da$ namlich die Aufspaltung eines Charakters in seine uns bis je tz t elementar an- mutenden psychologisehen Einzelziige uns gleichzeitig aueh die bio- logisehen einfachsten, unteilbaren Bestandteile miiSte linden lassen, die diesen psychologischen Einheiten zugrunde liegen. Dagegen erscheint es mir umgekehrt durchaus mSglieh, dall eine einfache nieht aufspaltbare biologische Abweiehung eines l~enschen yon einem anderen ihn yon diesem in den versehiedensten und uns - - zuns wenigstens - - als nicht weiter psyehologiseh aufteflbar oder zuriiekfiihrbar anmutenden Charakterziigen sieh unterscheiden lal~t ~

1 1. c . 1 7 / 1 8 . Das gilt nieht nut yon psychologischen Merkmalen. Man vergleiche hierzu

Baur: Einfiihrung in die Vererbungslehre, S. 99. Berlin 1930: 1. Ein scheinbar einfacher Unterschied zwischen zwei Sippen kann auf mehreren mendelnden Erb- faktoren beruhen. 2. Eine ganze Anzahl scheinbar selbst/~ndiger Unterschiede zwischen zwei Sippen kann auf einem einzigen Erbfaktor beruhen (z. B. Bliitenfarbe und GrSl3e).

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186 Bruno Schulz:

Hier nun abet, in dieser Arbeit, besch~ftigen wir uns ja nicht mit Charaktereigenschaften, sondern mit einem Krankheitsvorgang, und so brauche ich beispielsweise nur auf die Krankheitseinheit der 1)aralyse zu verweisen, bei der ein einfaeher biologischer Vorgang ein komplexes Bild - - eine komplexe Anderung des psychischen Bildes - - hervorrufen kann, das dem der Schizophrenie an Kompliziertheit der psychischen Vorg~nge in manchen l~llen nicht nachsteht. (Statt der Paralyse kann man natiirlich aueh die - - erbliche - - I-Iirnarteriosklerose als Beispiel w~hlen oder die Huntingtonsche Chorea, welch letztere ja dem einfaeh dominanten Erbgang folgt.) Ob daher die Durchforschung der l~amilien Schizophrener nach dem Vorhandensein bestimmter Elementarsymptome psychologischer Art, etwa der Neigung zu halluzinatorischen, paranoiden, psychomotorischen Syndromen und Symptomen, uns weiter bringen muB, erscheint mir fraglich, wie es mir umgekehrt allerdings auch als ein noch zu kl~rendes Problem erseheint, ob wir Erfolg haben werden mit unserem Streben, den Vererbungsmodus der ,,Vera~lagung zur Schizophrenie" im ganzen zu erforsehen. Denkbar aber ist es durchaus, dab der Sehizo- phrenie eine ganz einfaehe biologische StSrung zugrunde liegt, etwa die Veranlagung zu irgendeiner StSrung der inneren Sekretion, die ihrerseits, je nach der sonstigen Beschaffenheit des Mensehen, das vielgestaltige Bild der Sehizophrenie bedingt.

Ieh glaube also, dab es nicht sinnlos ist, den Erbgang eincr Krank- heitseinheit feststellen zu wollen, und wir wollen in der vorliegenden Untersuchung nicht den Erbgang (oder auch nur die prozentuale famili~re H~ufigkeit) einzelner Symptome feststellen, sondern die famili~re H~ufig- keit der Krankheitseinheit Schizophrenie. Ein praktischer Wert diirfte der Feststellung der prozentualen famili~ren H~ufigkeit dieses Krank- heitsbildes ja ohne Frage zukommen.

Dennoch halte auch ich eine Untersuchung yon Familien auf das Vorkommen einzelner bestimmter Syndrome oder Symptome keineswegs ffir wertlos. ]~esonders bei Beachtung auch wenig ausgepragter F~lle derartiger Symptome, deren Vor- kommen nicht nur bei irgendwie erkrankten Familienangeh0rigen, sondern auch bei gesunden zu priifen ware, erscheint mir dies vielverspreehend. Wenn auch eine solche Untersuchung nicht unmittelbar zur Kl~rung des Erbgangs einer bestimmten Krankheit beitragen wiirde, und auch nieht Material zur Kenntnis der I-Iaufigkeit bestimmter Psychosen in der Verwandtschaft bestimmter Psychotiker oder, ganz allgemein gesagt, in der Verwandtschaft der Tr~ger bestimmter Merkmale bei- bringen wtirde, diirfte sie doch zur Kl~rung der Pathoplastik der Psychosen und so zur besseren Erkenntnis yon Krankheitseinheiten und damit mittelbar doch auch ihrer Erbg~nge beitragen. Das Material der vorliegenden Arbeit ist in diesem Sinne nicht intensiv genug durchforscht, als dab es uns eine derartige Untersuchung oder auch nur eine solche ahnlicher Art gestattete. Zur Zeit ist jedoeh an unserer Abteflung eine Arbeit im Gange fiber die hereditaren Beziehungen der Alkohol- hanuzinanten. Hier ist vielleicht die Neigung zum AlkoholmiBbrauch erblicher Natur, aber das eigentliche pathogenetische Moment, der Alkohol selbst, ist natfirlich etwas rein Exogenes. Untersucht kann also hier durch l~amilienforschung nur werden, warum der Alkoholmil~brauch gerade zur Alkoholhalluzinose ffihrte.

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Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 187

Was wit jedoch in jedem Falle suchen mis sind biologische letzte Einheiten, nicht psychologische. Es ist m6glich, daft der Weg zur Erkenntnis dieser biologischen Einheiten i~ber psychologische fiihrt, oder wenigstens in einigen E~illen fiihren kann; daft es immer so sein miiflte, ist sicher nieht richtig.

I I I . JL~i#t sich mit Hilfe der Pathopsychologie die Schizophrenie richtiger diagnostizieren, al8 es nach ,fiuflerlich" klinischen Gesichtspunkten m6glich ist? JL~i#t sich mit ihrer Hilfe die ,,endogene (erbliche) Kerngruppe der

Schizophrenie" besser erkennen ? Aber lassen sich t tberhaupt solche psychologischen l~adikale linden,

naeh denen wit in unserem Falle zu suehen h~tten ? Krisch sagt sehr riehtig 1, dab kein einzelnes S ym pt om uns eindeutig den Sehlul~ auf eine bes t immte ~tiologie erlaubt. Uns wiirden allerdings die Symptome gerade der ~tiologie wegen interessieren. Aber welche psychologisehen Grundsymptome ki~men deml i iberhaupt in Frage, die wit fiir die Sehizo- phrenie als eharakterist isch ansehen k5nnten ?

Als psychologisch fal~bare GrundstSrung der Sehizophrenie sieht Stranslcy ~ die fundamentale innerseelisehe TaxiestSrung an, Berze die sehizophrene t Iypoton ie des Bewul~tseins 3 oder die Insuffizienz der psyehischen Akt ivi ts 4, Bleuler die Assoziationslockerung 5. Aber Gruhle ist der Ansicht, dab entspreehende Befunde sieh aueh bei anderen Krankhe i ten finden e. ,,Bei weleher GeistesstSrung", so sehreibt er, ,,f~nde sieh nicht eine Abschw~chung des BewuBtseins, eine herabgesetzte Energie, ein abaissement du niveau mental , eine Einengung, Ataxie usw." (l~brigens: Berze weist ausdriieklieh darauf hin, dal3 es ganz falseh sei, die Versuche, die Grundst6rung zu ermittetn, als ein Suehen naeh einem Kardinalsymptom hinzustellen ~.)

Mauz hi~lt das Erlebnis der Krankhe i t als ,,gespiirtes Bedrohtsein" des Iehs und seiner Einheitliehkeit ffir spezifiseh prozeBsehizophren u n d e r h~lt weiter ftir spezifisch, dab dort hinter jedem Ausdruck gewissermaBen sehon das Negat iv steeke (1. e. S. 55 und S. 20). Allerdings sei die Sympto- ma t ik des Iehzerfalls nur einem geringen Teil der larozel3sehizophrenien du2chg&ngig eigen. Das gleiche meint er, wenn ich ihn recht verstehe, wohl aueh yon dem sieher oft nu t sehwer festzustellenden l~Ierkmal, dab der ProzeBsehizophrene verri ickt und besonnen, verst~ndtich ein- fiihlbar und nneinfiihlbar organiseh beides ineinander sei. Und obwohl mir scheint, dab hier yon Mauz auf eine Erseheinung hingewiesen ist, die sich bei der Sehizophrenie in ganz besonderer St~rke und Klarhei t bemerken li~13t, scheint es mir andererseits doch fraglich, ob sie sieh wirkIieh nur bei der Sehizophrenie finder, ~hnlieh wie ja aueh Gruhle die

1 1. c. 15. ~ Stranslcy: Jb. 1)sychiatr. 48, 54 (1931). Monographien l~eur. ~ , 69. a Mschr. 1)sychiatr. 73, 165 (Kron/eld) (1929). Bleuler: Z. Neur. 124, 617. ~ 1. c. 141. ~ I. c. 4.

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188 Bruno Schulz :

Spezifit/it der Hypoton ie des BewuBtseins for die Schizophrenie bestrei tet . ])as gleiche scheint mir fo r das yon Kiippers betonte l~erkmal des Nich t - vorhandenseins oder Nichtwirksamseins des I ch zu gel ten 1.

K u r z sei noch auf folgendes hingewiesen: Gruhle t r au t e sieh k a u m zu, die Hal luzinat ionen und I l lusionen der Fieberdel i ranten oder sonst Vergif teten yon denen mancher sehizophrenen Prim/irerlebnisse zu unter- scheiden. Daft die Stellung des K r a n k e n zu seinen T/iusehungen fOr die Schizophrenie kennzeichnend ist, t r i ff t nach ihm aueh nur fOr viele, n ich t fOr alle F/ille zu 2. DaB die yon Gruhle hervorgehobene schizophrene Grunds t immung ~, jene S t immung , die die K r a n k e n hinder t , sieh ihrer U m g e b u n g innerlieh ve rbunden zu fiihlen, die ihnen die Umwel t und nun sie der Umwel t frostig und f remd erscheinen l/iflt, sieh bei allen Sehizophrenen nachweisen 1/iflt, erscheint mir fraglich. U n d das gleiche gilt mi r yon der naeh Gruhle aus dieser G r u n d s t i m m u n g hervorgehenden oder neben ihr bes tehenden Iehs tSrung a, also dem Fehlen des BewuSt- seins der eigenen Souver/~nit/it, der ~J-berzeugung der eigenen persSn- l ichen Freiheit 5. ~br igens ist aueh Gruhle i iberzeugt, dab es Schizo- phren ien ohne Iehs tSrung gibt ~. U n d als Beispiel dafOr, dal3 sich die S to rung auch bei anderen Psyehosen findet, nenne ieh den yon Krisch beschriebenen Paralysefall , der das Ph/ inomen der aufgezwungenen Gedanken darbietet 7

Von den Impulss tSrungen erscheint Gruhle ,,die Sperrung for die SchizSphrenie pa thognos t i sch" s; aber aueh nach diesem S y m p t o m wird m a n bes t immt bei vielen fraglos schizophrenen F/illen vergebens suehen, und auch bier erseheint mir wieder fraglich, ob sich eine Sperrung in der Ta t nur bei einer Schizophrenie finder.

Ich weise auf die symptomatische Psychose yon Krisch hin, bei der sich, nach- dem die Kranke ein Stadium der ~mgstlichkeit durehgemaeht hatte, der Eintrag finder: Stimmungswechsel, starke motorische Hemmung. Lacht zeitweise viel vor sich bin, beantwortet Fragen nach ihrem Befinden mit ,,gut". Und als n~ehster Eintrag 6 Tage sparer: ,,Hyperthymisch oder gehemmt. Lacht oft laut auf, es spreche fortwahrend im Saal. Aul3erordentlich langsame schwerf~llige, heisere Sprechweisen" 9. Selbs~ wenn man annimmt, dal3 es sich hier in der Tat um eine Hemmung und nicht um eine Sperrung handelt, diirfte es schwer sein, eine derartige Hemmung yon einer Sperrung zu unterscheiden.

Von der schizophrenen Denks tSrung gibt Gruhle wieder zu, dal3 sie eines pathognost ischen Merkmals entbehre x0, wenn sich auch Unter- schiede aufzeigen liel3en. ~ b e r die sehizophrene Demenz gehen die i~r nungen noch reeht auseinander. Wir erw/ihnten das ja bereits auf S. 181 bis 182 der vorliegenden Arbeit .

Wieder als fo r die Sehizophrenie pa thognos t i seh sieht Gruhle den schizophrenen W a h n an : , ,Ist das prim/ire Symbolbewul3tsein des Wahns

z Schweiz. Arch. Neur. 26, 104 (1930). z 1. c. 86. a 1. c. 87. 4 1. c. 94. 5 1. c. 92. e 1. c. 97. ~ Krisch: 1. c. 130. s 1. c. 96. 9 Krisch: 1. c. 52. 10 1. c. 108.

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Zur Erbpathologie der Sehizophrenie. 189

im einzelnen Falle einmal einwandfrei festgestellt, dann ist die Diagnose der Sehizophrenie gesiehert" 1. Immerh in gibt Gruhle zu, dal~ er einen prinzipiellen Unterschied der schizophrenen yon den epfleptisehen Wahn- bildungen nicht aufzeigen k6nne 8. Vor allem abet gilt auch hier wieder das, was wir bei Bespreehung des Symptomes der Sperrung sagten: Es wird sich ein in diesem Sinne prim/~rer Wahn sieher nut bei verhMtnis- m~l~ig wenigen SehizophreniefMlen naehweisen lassen. Man wird nach meinen bisherigen Ausfiihrungen aber wohl aueh ohne weiteres annehmen, dab ieh Bedenken habe, allein auf Grund eines Wahnes mi t p r im~rem SymbolbewuBtsein das Vorliegen einer Schizophrenie als gesichert an- zusehen.

Fiir die Schwierigkeit, ein psyehologisches Symptom als diagnostisehes Merkmal zu verwenden, sei mir an dieser Stelle ein Beispiel anzufiihren gestattet. Kolle a stiitzt seine Ansicht, dab die Paranoia der Schizophrenie zuzurechnen sei, zum Teil auf genealogisehe Befunde (die mix iibrigens eine nahe Verwandtschaft beider Krankheiten bisher noch als ebenso m6glich erscheinen lassen wie ihre erbbiologi- sehe Gleichheit). Im iibrigen stiitzt er seine Ansieht in der Hauptsaehe darauf, dab sich bei der Paranoia aueh das primate Symbolbewul3tsein des Wahns f~nde. Carl Schneider aber fiihrt demgegeniiber aus: ,,Die psychopathologische Kritik wird gegeniiber diesen Folgerungen an der Gleichsetzung der Wahnbildungen (der Paranoiker) mit schizophrenen Wahnformen anzusetzen haben. Referent hMt bier den Beweisgang nicht ganz fiir schliissig. M6glicherweise wird die zukiinftige ph~knomenologische Erfassung und Besehreibung doeh noch zu dem Ergebnis fiitLren, dab innerhalb des yon Kolle als einheitlich aufgefaBten unverstehbaren primaren Beziehungswahns mehrere ,fnnbtional', d. h. im Aktaufbau verschiedene :Formen mit unterschiedlicher nosologiseher Wertigkeit und Stellung vorhanden sind 4.,,

Zusammenfassend mSehte ieh zun~chst sagen, dal3 meines Eraehtens die psychologische Bet raehtung der Schizophrenic uns spezifisch sehizo- phrene E lementa rsymptome, auf Grund deren wit auf eindeutig be- s t immte biologische E lementa r symptome schliel~en k6nnten, nicht ha t erkennen lassen; wenigstens in dem Sinne nieht, dab solche psychisehen Symptome in allen F/~llen, die als Schizophrenie be t rach te t werden miissen, vorhanden w~ren, oder aueh nur in dem Sinne, dab ein bes t imm- tes Symptom die Diagnose Sehizophrenie gesichert erseheinen l~l~t.

Gruhle behauptet , dab seine Aufstellungen sieh ganz in rein wissen- schaftlicher Bet raehtung verl6ren, auf irgendwelche praktische Anwend- barkei t u. dgl. seien sie gar nicht eingestellt 5. Ieh glaube doeh, dal~ sie neben ihrem rein wissenschaftlichen aueh grol~en prakt ischen Wer t besitzen, dal3 sie dazu beitragen k6nnen, uns auch die Biologie der Schizo- phrenie genauer erkennen zu lassen, und dab wir dutch sie bereits in die Lage versetz t sind, die Diagnose der Schizophrenie riehtiger als bisher zu stellen. Allerdings meine ieh, dab - - wie aueh sonst in der Medizin - -

1 1. e . 1 3 1 . ~ 1. e . 1 3 7 .

8 Kolle: Die primate Verriiektheit. S. 25. Leipzig 1931. Mschr. Kriminalpsychol. 22, 383 (1931). 5 1. e. 140.

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190 Bruno Schulz:

hierzu doch die Betrachtung des ganzen Menschen, des ganzen Krank- heitsbildes geh6rt (und das wird auch Gruhles Ansicht sein, so sehr er fiir seine Untersuchung recht hat te , , ,Zusammengeh6riges auseinander- zureiBen", um mich ebenfalls dieses yon Gruhle gebrauchten Ausdruckes zu bedienen).

Und wenn Gruhle vielleicht - - wenigstens in gewissem Sinne - - nicht so sehr darin zu widersprechen ist, dab Kraepelin niemals zu einer klaren Sehilderung des Wesentlichen an der Schizophrenie gelangt sei 1, so sei mir doch erlaubt hinzuzuffigen, dab Kraepelin immerhin das Krankhei ts- bfld der Schizophrenie so zu schildern vermochte, dab im groBen und ganzen jedem Leser seiner Schilderungen klar war, was er darunter ver- s tanden wissen wollte; auch Gruhle ist ja auf Grund seiner Kenntnis der Kraepelinschen Schilderungen dahingekommen, sieh schizophrene Krankheitsfglle for seine psychologisehen Untersuchungen heraus- suchen zu k6nnen. Gruhle hat dies wohl als selbstverstgndlich voraus- gesetzt; mir seheint es im Zusammenhang der Betrachtungen der vor- liegenden Arbeit zweckmgBig, ausdrficklich darauf hinzuweisen.

Ich glaube also z. B., dab ein Wahn mi t pr imgren SymbolbewuBtsein ein wichtiges Symptom der Schizophrenie darstellt , dab seine Feststel lung uns die Diagnose der Sehizophrenie wahrscheinlicher mach t als die Fest- stellung eines Wahnes schleehthin. Ich glaube aber, und mi t mir wohl doch auch Gruhle t rotz seiner umstehend wiedergegebenen XuBerung fiber die Bedeutung des primiiren Wahns, dab die l%ststellung eines solchen Wahns nut mi t der Gesamtheit der fibrigen psychologischen und sonstigen Befunde uns die Diagnose Schizophrenie wahrscheinlich machen kann. (Ein derar t wichtiger kliniseher ]3efund ist z. B. das Fehlen der somatischen, neurologischen und serologischen fOx Paralyse sprechenden Befunde ~.)

Wir haben bisher nur die Bedeutung der psychologischen Forschung fOr die Sieherung der Diagnose Schizophrenie im ganzen besprochen und sind zu der Ansicht gekommen, dab sie uns nur unter Beriieksichtigung der Gesamtheit der psychologischen und klinischen Symptome f6rdern k6nne. Noch weniger glaube ich, dab die psychologische Bet rachtung uns bereits helfen kann, die einzelnen l%rmen der Sehizophrenie, wie sie Berze, Kleist, Herz usw. annehmen, voneinander zu trennen. Vielleicht wird sie sp~ter einmal dazu in der Lage sein.

In bezug auf eine Zuordnung einzelner Symptome zu den Unterformen der Hebephrenie, Katatonie und Dementia paranoides finden sich bei Gruhle folgende Bemerkungen: ,,Es ist nicht zu iibersehen, dab diese schizophrene Form des D6ja v6cu-Erlebnisses sich kaum bei hebephrenen oder katatonen Formen der Schizo- phrenie findet, sondern fast immer bei der paranoiden. Gerade die Riickdatierung yon Wahninhalten ist ja eine allbekannte Erscheinung a.,, Mit Hinblick auf die

~l.c. 140. Womit nattirlich nicht gesagt ist, dab das Vorhandensein der gen~nnten

fiir Paralyse spreehende Befunde eine Schizophrenie ausschlb'ss3, a 1. c. 136.

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Zur Erbpathologie der Sehizophrenie. 191

schizophrene SprachstSrung erw~hnt Gruh/e 1, dab Kleist-Schneider darauf auf- merksam machen, dab sich die katatone und die paranoide Form der Schizophrenie auch hinsichtlich der schizophrenen Sprache unterseheide: Bei der ersteren bemerke man besonders lautapraktische StSrungen; die motorischapha~ischen Ersehei- nungen seien meist einer allgemeinen Sehwerf~Uigkeit des sprachlichen Ausdrucks und einer Monotonie in Rhythmus und TonhShe gepaart; Wortverarmung, Agram- matismen, verlangsamtes Tempo, monotone Sprachmelodie, gemacht unsinnige Akzentuierung, Stereotypien. Bei der paranoiden Form dagegen seien zu beob- achten: Paraphasische StSrungen der Lautfolge (Wortneubfldungen), adverbiale Verwendung yon Substantiven, seltsame Komparationen, kein Mangel, sondern neue Zusammensetzungen (sensorisch-aphasisch), Paragrammatismen, iiberstiirztes Tempo, sehr diirftige Akzentuiertmg".

Aber solehe Unterschiede allein werden uns nicht gestat ten, diese klinischen Unterformen der Dement ia praecox stets voneinander zu trennen. Und erst recht mSchte ich Berze ~ beipflichten, dal3 seine Forde- rung noch keineswegs erffillt sei, die daliin lautet : Sache der kfinftigen Forschung wird es sein, an Stelle der generellen Symptomatologie aus- zubauen 1. Die Symptomatologie der akt iven ProzeBschizophrenien, 2. die Symptomatologie der inakt iven ProzeBschizophrenien, 3. die Symptomatologie der reakt iven Schizophrenien, endllch 4. die der kom- plizierten Schizophrenien. I n bezug auf unseren Fall interessiert uns daran, dab nach Berze die reakt ive Schizophrenie sich noch nicht sym- ptomatologisch yon den endogenen Formen trennen 1M~t.

Ich glaube nach ahem etwa folgendes fiber die Bedeutung der psychologischen Betraehtungen fiir die Diagnostik der Sehizophrenie sagen zu kSnnen: So wertvoll eine ins einzelne gehende psychologische Betrachtung al8 diagnostisches Hilfsmittel sein Icann, so vermSgen wir wenigstens im allgemeine~ eine Schizophrenie mit dem notwendigen Grade yon Wahrscheinlichkeit doch auch ohne dieses Hilfsmittel zu diagnostizieren. Ffir uns ist das deshalb wichtig, weil die uns fiir diese Arbeit zur Verffigung stehenden Krankenbl~t te r eine genauere psychologische Bet raehtung vielfach nicht zulassen.

1V. Ist es m6glich, daft zwischen den verhgltnism~iflig leicht diagnostizierbare~, klinischen Unterformen der Schi~ophrenie (Hebephrenie, Katatonie, Dementia

paranoides) genotypische Unterschiede bestehen ?

Wage ieh nun auch nieht, aus den auf den letzten Seiten wohl hin- reichend angegebenen Grfinden, die Probanden yon vornherein auf Grund des psyehologisehen bzw. klinischen Brides etwa in die Gruppe der exogenen und endogenen F~lle -- oder auch in F~lle mi t verschiedener Hirnlokalisation - - zu scheiden, so habe ich mich doch entschlossen, eine Aufteilung in die a l tbekannten klinisehen Unterformen, ich nenne hier zun~ehst die der Hebephrenie, Kata tonie und Dement ia para- noides, vorzunehmen.

1 Gruh~: 1. e. 119. ~ Berz~: 1. e. S. 35.

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192 Bruno Schulz:

Zwar wird je tz t ziemhch allgemein die Einteflung in diese klinischen Untergruppen als eine mehr oder weniger ~uBerliche angesehen. So sehreibt Bleuler, daB die Untergruppen keine nosologisehen Einheiten seien; sie gingen yon Pat ient zu Pat ient und auch beim ni~mlichenKranken ineinander fiber, indem ein Schizophrener z. B. mit Hebephrenie in die Anstal t eintreten, mit Kata tonie jahrelang dableiben und sehlieBlich mit Paranoid entlassen werden kSnne 1. Bumke meint, dab die Unter- seheidungen nur den Zweck der rasehen gegenseitigen Verstiindigung verfolgten, und dab die versehiedenen Krankheiten, in die die Sehizo- phrenien wohl eines Tages zerfallen wfirden, in diesen Unterformen wohl kaum sehon vorgebfldet w~ren 2. Aueh Berze nimmt an, dab ffir die Aufstellung dieser Unterformen ein rein ~uBerlicher kliniseher Gesiehts- punk t maBgebend gewesen sei a.

Allerdings ist es mSglich, dab er das ,,rein ~uBerlich klinisch" hier mehr als Gegensatz zu einem ,,innerlich psyehologiseh" als zu einem ,,innerlieh biologisch" meint, da sich die Bemerkung in der Arbeit Berzes fiber die Psyehologie der Schizophrenie findet. ~ so ganz ~uBerlieh seheint n~mlieh Berze den Unterschied zwischen den einzelnen l~linisehen Formen vielleicht doeh nicht anzusehen. Sehreibt er doch an einer anderen Stelle a, dab viele FMle, namentlich hebephrener, chroniseh katatonischer und einfaeh dementer Ar t sehon friihzeitig als verblSdende Formen zu erkennen seien, w~hrend FKlle yon Dementia paranoides, hypoehondrische, pseudoneurasthenische und pseudohysterische F~lle lange Jahre keinerlei Zeiehen einer wahren VerblSdung aufwiesen. Der Gedanke eines biologischen Untersehiedes ist damit zwar nicht ausge- sproehen, abet doeh insofern nahegelegt, als Berze ja die verblSdende Dementia praeeox yon der nicht verblSdenden Sehizophrenie seharf getrennt wissen will.

Auch einige andere Umst~nde spreehen fiir eine nieht nur ~uBere Verschiedenheit der Unterformen. So sei in diesem Zusammenhange auf die verschiedene Beteiligung der Geschleehter an den einzelnen Unter- formen der Schizophrenie hingewiesen. Bumke land unter den F~llen seiner Klinik 39 M~nner und 60 l~rauen mit Dementia paranoides, w~hrend er bei der Hebephrenie umgekehrt 16 M~nner und nut 7 Frauen land 5

Stransky mSchte annehmen, dab die hebephrenisehen nnd katato- nischen Radikale einigermaBen enger mit dem dysplastisehen KSrper- bau typ korrespondieren, tildes wieder das ,,Sehmalprofil" engere Rela- tionen mi t paraphrenisehen, paranoiden oder schizoiden und sehizothymen Dauerzust~nden haben kSnnte 6.

l~aeh Mauz finden sieh das paranoide und paraphrene Syndrom vor allem bei schubweisen sehizophrenen Erkrankungen, und bei ihnen findet

1 JBleuler: Lehrbuch. S. 310. Berlin 1930. ~ 1. c. 1924, 901. a 1. c. 35. 4 Z. Neur. 96, 639. 5 1. c. 1929, 740/741. ~ Jb. Psychiatr. 46, 229 (1928).

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Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 198

er pyknisehe und pykn i sch gemischte KSrper formen betrgcht l ich hgu- tiger (21,4%) als bei der F o r m der sehizophrenen Katas t rophen , wo sie naeh ihm v611ig fehlen (1. c. S. 34 und 25).

N u n spr icht allerdings der Ums tand , dab wir eine so groge Zahl y o n Schizophrenien f inden, bei denen sich die S y m p t o m e der einzelnen Unter- fo rmen gemeinsam zeigen, mehr dafiir, dab wir es bier n icht mi t mehreren Krankhe i t en zu t u n haben , y o n denen die eine eine besondere Verwandt- schaf t zu e inem b e s t i m m t e n Kons t i tu t ions typ , die andere eine besondere Verwand t scha f t zn e inem anderen Kons t i t u t i ons typ hat , Wi r kSnnten vie lmehr eher annehmen , dab es sich tun ein und dieselbe Krankhe i t handel t , die je nach der Kons t i t u t i on des Mensehen, bei dem sic zum Ausbruch k o m m t , versehiedene Fo rmen ann immt . ~hnl ieh ist wohl auch die ~uBerung /~ahns 1 zu verstehen, dab das Spiel paranoider , hebe- phrener , k a t a t o n e r Syndrome und S y m p t o m e zum Tell sicher auch wieder genotypisch gegeben sei. Aber wenn auch die Vermutung , dab es sich u m versehiedene , ,Krankhe i ten" handle, wenig Wahrscheinl ichkeit fiir sich hat , so l&gt sic sich doch aueh nicht auf Grund des ~bersehneidens der S y n d r o m e der einzelnen Unte r formen vSllig yon der H a n d weisen. ~br igens ver l ier t die ~rage, ob verschiedene Krankhe i t en vorliegen oder eine K r a n k h e i t m i t versehiedener ~uBerungsform bei versehiedenen K o n s t i t u t i o n s t y p e n vorliegt , dann etwas yon ihrer prakt i schen Bedeu- tung, wenn wi t die K r a n k h e i t Schizophrenie als erblich, und somit eben auch der E r b k o n s t i t u t i o n des Ind iv iduums zugehSrig, ansehen 3. DaB nach Gr~zhle a d i e einfach versandenden Schizophrenieformen keineswegs

1 K a h n : Z. Neur. 66, 277 (1921). Ein Unterschied best&nde natiirlich dennoch. In dem einen Falle wgre der

erbliche Faktor, der die Schizophrenie hervorruft, jedesmal der gleiche -- er riefe nut, je nach der sonstigen Erbkonstitution oder nach den sonstigen jeweiligen Be- dingungen (Alter, Umwelt, usw.) entweder eine Hebephrenie oder eine Katatonie oder irgendeine andere Form hervor. In dem anderen Falle wgren die erbliehen Faktoren fiir die einzelnen Untefformen versehiedener Art.

(Daneben abet besteht natiirlieh auch noch die M6glichkeit, dab auch die Schizophrenien mit gleichem klinisehen Bfld erbbiologisch verschieden bedingt sind, so wie, wie bereits erw&hnt, der Selbstmord erbbiologisch verschieden bedingt ist, oder auch die Kriminalitgt; aueh yon manchen bisher wohl oder iibel wegen &uBerer ~hnlichkeiten zusammengefagten Charaktertypen, normalen wie psycho- pathisehen, werden wit annehmen, dal~ sie m6glieherweise erbbiologisch nieht zusammengeh6ren. Auch hier gilt iibrigens Entsprechendes wieder hinsichtlieh rein kSrperlicher Merkmale. Wir sprechen z. B. yon Langscl~deligkeit oder Kurz- sehgdeligkeit, ohne dabei die Erbfaktoren im einzeinen zu beriieksichtigen, ja zum Teil auch nur zu kennen, die einzelne Besonderheiten etwa an Sch~ktelbasis, Hinter- haupt, Stirnbreite usw. bedingen. Und wir teilen umgekehrt K6pfe, die in ihrem gesamten auffglligen Bauplan und Stil deutlich iibereinstimmen, so dab man yon wahren Familienk6pfen reden m6ehte, den verschiedenen Kategorien der Kurz-, Mittel-, oder Langsehgdeligkeit zu [Fischer: Versuch einer Genanalyse des Menschen. Z. Indukt. 54, 167/168 (1930)]. Trotz dieser und vieler anderer Sehwierigkeiten abet, aueh auf k6rperlichem Gebiete, wird man sieh nieht abhalten lassen, auch an der Genanalyse des Menschen weiterzuarbeiten.) a Gruhle: 1. c. 146.

z. f. d. g. Ncur. u. Psych. 143. 13

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:[9'~ Bruno Schulz:

vor ihrer Erkrankung schon energieschwach waren und Wahnkranke vor- her nicht miStrauisch, l~Bt es sogar bis zu einem gewissen Grade als wahr- scheinlich ansehen, dab nicht nur allgemein die Konsti tut ion als solche, sondern die besondere Art der Schizophrenieerkrankung die verschiedenen klinischen Untefformen entstehen li~Bt.

Im Gegensatz zu Bleulers eben wiedergegebener J(uBerung yon dem Ineinanderiibergehen der einzelnen Untergruppen beim n~mlichen Pa- t ienten spricht iibrigens Mauz davon, dab wenigstens bei den schizo- phrenen Katastrophen ein wahlloses l~ach- un4 Nebeneinander der verschiedenen Syndrome fehle, es lieBen sich vielmehr einige bestimmte Zerfallsformen gut voneinander t rennen und in ihrer Eigenart eigentlich als selbst~ndige Krankheiten , ,Katatonie", , ,Hebephrenie", und ,,Schizo- karie" ansehen. Jede dieser Zeffallsformen fiihre ihre Symptomreihen klar und konsequent durch das ganze ProzeBgeschehen hindurch und verliere meist erst im Endzustand ihr spezifisches Kolorit. (l. c. 25.)

~hnlich sieht Kleist 1 die Schizophrenie als eine Krankheitsgruppe an und meint, dab man auf klinischem Wege zur Abgrenzung verschiedener Krankhe i t s fomen kommen k5nne. E r nennt als solche Krankheits- formen die psychomotorische VerblSdung (Katatonie), die affektive Ver- blSdung (Hebephrenie im engeren Sinne) und die inkoh~rente VerblSdung (Schizophrenie im engeren Sinne).

Fiir erbliche Einheitlichkeit der drei klinischen Unterformen scheint nach Luxenburger 2 die Zwillingsforschung zu sprechen. Von zwei erb- gleichen Zwillingen zeigt bisweilen der eine diese, der andere jene Unter- form. ])as spricht dafiir, dab AuBenehffliisse die Unterformen bedingen kSnnen. Man hat allerdings bisher noch keine Zwillinge gefunden, yon denen der eine rein katatone, der andere rei~ hebephrene Ziige darbot (Lange). Das l~Bt bis zu einem gewissen Grade zwar dennoch wieder an erbliche Verschiedenheit der beiden klinischen Unterformen denken, aber nur bis zu einem gewissen Grade. Bei erbgleichen Zwillingen liegen ja auch in der iibrigen Erbkonsti tut ion bei beiden Zwillingen die gleichen Anlagen verankert und lassen bei ihnen den Faktor , der die Schizophrenie bedingt, sich eher in der gleichen Weise auswirken (also je nach der Beschaffenheit dieser Erbkonsti tut ion entweder bei beiden als t tebe- phrenie oder bei beiden als Katatonie usw.) als bei Nur-Geschwistern, die in ihrer fibrigen gesamten Erbkonsti tut ion recht verschieden beschaffen sein werden, so dal3 bei ihnen viel hiiufiger die gleiche Anlage zur Schizo- phrenie bald als Hebephrenie, bald als Kata tonie usw. sich auswirken kSnnte. Immerhin meint Lange, dab auf der anderen Seite das material abet doch nicht ausreiche, um den SchluB auf die genotypische Ein- heitlichkeit zu gestatten.

Theoretisch besteht auBerdem noch die MSglichkeit, dab zwei oder mehr - - mSglicherweise genotypisch verschiedenartige und verschiedenem

1 Kleist: Klin. Wschr. 2, Nr 21 (1923). 2 Luxenburger: Zbl. Neut. 56, 174/175.

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Erbgang folgende - - Anlagen zur Schizophrenie existieren, die sich beide, je nach den Aul~enumst~nden, bald als Hebephrenie, bald als Katatonie bemerkbar machen kSnnen, yon denen jedoch die eine eine sts Neigung hat, als I-Iebephrenie, die andere eine st~rkere Neigung hat, Ms Katatonie aufzutreten. Abgesehen yon dem verschiedenen Erbgang kSnnten die beiden Gruppen auch eine verschiedene Manifestations- wahrscheinlichkeit besitzen.

Zum mindesten ist es nicht ausgeschlossen, dab die I-Iebephrenie, Katatonie und die sonstigen Unterformen auch innerlich (s voneinander verschieden sind - - mag die verschiedene ~tiologie nun in irgendwelchen Umwelteinfliissen oder in verschiedenen genotypischen Anlagen bestehen. Im letzten Falle kSnnten wir eine nach Art und St~rke verschiedene Belastung erwarten. LieBe sich abet eine ver- schiedene Belastung der einzelnen Unterformen feststellen, so w~re das flit die praktische Eugenik yon grol~er Bedeutung. ~an wird vielleicht darauf hinweisen, dab grSBere Aussicht best~nde, eine verschiedene BelasSung zu linden, wenn man nicht nach den ,,s klinischen Unterformen, sondern nach anderen Gesichtspunkten einzuteflen sich miihte. Aber ich fiihrte ja schon aus, dab auf Grund des klinischen oder auch psychologischen Brides eine Einteilung in Unterformen yon reaktiven organisch bedingSen oder rein idiotypisch bedingten Schizophrenien (falls es solche Unterformen innerhalb der yon Kraepelin aufgesteUten Gruppe geben sollte) mir nicht mSglich erscheint; eine Heraushebung gewisser reiner Unterformen im Sinne der ttebephrenie, Katatonie usw. dagegen erscheint mir als mSglich.

B. Eigene Untersuehungen. V. Gesichtspunbte der Aufteilung unseres Probandenmaterials in klinische

Untergruppen. Nach diesen einleitenden Bemerkungen wollen wir uns dem eigent-

lichen Thema dieser Arbeit zuwenden, der Gruppierung unserer Probanden nach bestimmten Gesichtspunkten und der Vergleichung der erblichen Belastung der verschiedeneia Gruppen.

Es sind ftir die vorliegende Arbeit diejenigen der Probanden Ri~dins herausgesuchr die Ri~din als in die Psychiatrische Universit~tsklinik ~r aufgenommene FMle erfal~t hatte. Bei diesen KlinikfMlen schien mir die Einheitlichkeit der Schilderung in den Krankenbl~ttern am ehesten gew~hrleistet, und auBerdem hielt ich bei ihnen aber auch jede Gefahr fiir ausgeschlossen, da9 besonders belastete F~lle leichter als unbelastete in das herausgesuchte Material gekommen sein kSnnten. Leider fehlen einige der Riidi~schen Klinikprobanden in meiner Arbeit. Zum Teil sind die A_kten verloren gegangen, zum Tefl war es mir nicht mSglich, nochmals Nachforschungen vorzunehmen, und die vorhandenen Unterlagen reichten fiir meine Zweckc nicht aus. Bis auf ganz geringe

13"

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196 Bruno Schulz:

Ausnahmen, in denen mir eine noehmalige Nachforschung unnStig schien, sind ngmlich fiber abe fiir die Arbeit verwerteten F~lle nochmals Er- kundigungen yon mir eingeholt, sowohl fiber das Sehicksal der Probanden selbst, soweit diese nicht bei Abscblul~ der /r Arbeit bereits verstorben waren, wie fiber das Schicksal ihrer Geschwister, Eltern und sonstiger in dieser Arbeit beriicksichtigter Verwandten. In einigen Fgllen kormte ieh reich auch auf inzwischen yon Hoffmann, Lange und I. Weinberg eingeholte Daten beziehen.

Bei allen F/i31en haben sowohl Kraepelin wie Riidin vor etwa 20 Jahren die Diagnose Sehizophrenie gestellt. Dennoch erschien mir bei einem kleinen Bruchteil des ~ t e r i a l s , n/~mlieh bei 42 F/illen, die Diagnose so unsicher, dab ieh es fiir zweckmgl3ig hielt, diese Fglle yon vornherein yon dem Gros abzusondern. Sie sind nieht abgesondert auf Grund ihrer etwa vorhandenen (andersartigen) oder fehlenden Belastung, sondern allein auf Grund ihres klinischen Brides. AUerdings ist zu diesem klird- sehen Bfld auch der Ausgang gereehnet, und so befinden sieh denn unter den ausgesonderten Fgllen besonders viel geheilte. Jedoeh war nieht der Ausgang inHeilung an und ffir sieh sehon maBgebend flit die Aussonderung der F/~lle. Ich ffihre ja auch tatsgchlieh unter meinen 660 ,,sieheren" Fgllen 67 geheilte an. ~ber die 42 ausgesonderten Fglle ist auf S. 259f. dieser Arbeit im Zusammenhang berichtet.

Am llebsten hgtte ich nun Gruppen yon Probanden zusammengeordnet und in bezug auf ihre heredit~ren Verhgltnisse m~teinander verglichen, deren Krankheit hinsiehtlich des A~lasses bzw. der Ursaehe, hinsiehtlieh ihrer Krankheitsform, also des klinischen und psyehologisehen Brides ws ihres Verlaufs, hinsiehtlich des a,llm~hliehen oder plStzlichen Beginns, und in bezug auf ihren endgiiltigen Ausgang m6glichst gleich- artige Verh/~Itnisse aufgewiesen h/~tten. Aueh h~tte ieh gem gesehen, wenn die Probanden der einzelnen Gruppen auBerdem gleiehen Geschlechts gewesen w~en und ein und dasselbe Erkrankungsalter aufgewiesen h/~tten. Bei einem solchen Vorgehen abet wgren die einzelnen Gruppen viol zu klein geworden. Ieh mugte reich daher entsehlieBen, Probanden zusammenzuordnen, die nur in bezug auf einen der eben angefiihrten :Faktoren einander gliehen.

Es sei zun/~ehst dargelegt, wie ich versucht habe, die Fglle naeh Art ihrer klinisehen Krankheitsform zu gruppieren. Am gebrguchlichsten ist wohl die Einteriung der Schizophrenie in die drei klinischen Formen der Hebephrenie, Katatonie und Dementia paranoides, wie sie sich unter anderem in dem yon Binswanger und Siemerling 1911 herausgegebenen Lehrbuch finder. Neben diesen 3 Formen wird noch vielfaeh eine Demen- tia simplex abgegrenzt. Kraepelin nennt in tier 8. Auflage seines Lehr- buehs auSerdem noch eine depressive VerblSdung, eine depressive Ver- bl6dung mit Wahnbildungen, eine zirkul~re Form, eine agitierte und eine periodisehe Form und eine schizophasische Form.

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Schon der eben erw~khnte Umstand, dal3 die Einteilung in die drei bzw. vier zuerst genannten Formen (Hebephrenie, Katatonie, Dementia paranoides und unter Umst~nden noeh Dementia simplex) so sehr ge- br~uehlich ist, whre fiir reich ein Grund gewesen, unter sonst gleich erseheinenden VerhMtnissen dieser Einteilung den Vorzug zu geben. Es kommt hinzu, dab wir aus statistischen Griinden bestrebt sein miissen, mSgliehst wenige (weil grol~e) Gruppen zu bilden. So h~tte ieh am liebsten mein gesamtes Probandenmaterial in die 3 Gruppen I-Iebe- phrenie, Katatonie und Dementia paranoides aufgeteilt. Das erwies sich als nnm6glieh, besonders bei einem Material, iiber das iiber Jahre hindurch sieh erstreekende Beriehte vorlagen und das nicht selbst beob- aehtet wurde. Ich erw~i~hnte sehon Bleulers Ansieht, dab im Laufe der Jahre der gleiehe Kranke Erseheinungsbilder der verschiedenen klinisehen Unterformen darbieten kann. Ieh selbst maehte die gleiche Beobachtung.

Es kommt hinzu, dal~ sich wohl aueh aus den Krankenblattauf- zeichnungen allein nicht immer hinreichend deutlieh das Vorwiegen des katatonen, hebephrenen oder paranoiden Bildes erkennen l/~Bt, wenn Ziige aller 3 Krankheitsformen gemeinsam auftreten. Die unmittelbare Beobaehtung des Kranken selbst wird viel eher den einen Kranken trotz starrer Gesiehtsziige, gelegentlichen negativistisehen Verhaltens, trotz deutlieher Befehlsautomatie und zeitweisen Stupors als hebephren ansprechen kSnnen, einen anderen dagegen trotz seines 1/~ppischen Ver- haltens und trotz abstruser Wahnideen als eine ausgesproehene Katatonie. Aus dem Krankenblatt allein ist dagegen oft nicht hinreiehend klar zu erkennen, wie die einzelnen dort aufgezeiehneten, an sich durchaus richtigen Beobachtungen im Verh/~ltnis zu dem Gesamtverhalten des Kranken zu werten sind.

Angesiehts dieser Sehwierigkeiten habe ieh mein l~Iaterial naeh mehr- facher Durehsicht und naeh verschiedenem probeweisen Zusammen- ordnen der ]~/~lle in folgender Weise in klinisehe Gruppen aufgeteiltl: Ieh habe zuns drei ,,reine" Gruppen zusammengestellt, die ich hier als simple Hebephrenie, als Katatonie und als Dementia paranoides bezeiehnen mSehte. Es erseheint erforderlieh darzutun, nach welehen Gesiehtspunkten diese drei reinen Gruppen zusammengestellt wurden.

Als simple Hebephrenien (Gruppe H) bezeiehnete ich l~/~lle, die weder katatone Erseheinungen wie Stupor, Echopraxie, Flexibilitas cerea, Katalepsie usw. boten, noch Wahnideen (auBer gewissen immerhin nieht ohne weiteres als sinnlos erseheinenden, etwa hypoehondrisehen Ideen, dem Gefiihl des Beobachtetwerdens usw.) noch lebhafte Sinnest/~u- schungen. Die F/~lle waren als Sehizophrenien bezeiehnet in der Haupt- saehe wegen ihrer Zerfahrenheit, wegen ihres l~ppisehen, stumpfen Ver- haltens und wegen ihrer anscheinend inad~quaten Affekt~uBerungen. Sie diirften nach der vielfach iiblichen Nomenklatur tells als Dementia

1 Natiirlich ohne jede Berticksiehtigung der famili~ren Verh~ltnisse.

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198 Bruno Schulz:

simplex, tells als Hebephrenie angesprochen werden. Ich nenne sic hier, in Zusammerrfassung beider Bezeichnungen, simple Hebephrenien. Jedoeh habe ieh diese Gruppe hier nicht nut deshalb als simple Hebe- phrenien bezeiehnet, weil Falle yon Dementia simplex einbegriffen sind, sondern aueh, um zum Ausdruck zu bringen, dab der Begriff der Hebe- phrenie hier enger gefaBt ist als z. B. yon Bleuler, der yon Hebephrenie spricht, wo akzessorisehe Symptome verschiedener Art und wechselnder Stgrke auftreten 1. Von B u m k e ~ babe ieh dagegen den Eindruck, als ob er den Begriff der Hebephrenie mehr in dem yon mir gebrauchten Sinne faflt, d. h. dab er F/~lle mit einigermaSen ausgepr/~gten Wahn- bfldtmgen (abgesehen yon solehen hypoehondriseher Art) und Sinnes- t/~usehungen doeh mehr der paranoiden Form zureehnet, auch wenn die genannten Symptome nieht gerade im Vordergrunde stehen. Auch yon Gruhle mSehte ich denken, daft er die Hebephrenie mehr in meinem Sinne faBt: or erw/~hn~ an einer Stelle, daft der Hebephrene im wesent- Hchen nur an der sehizophrenen Grundstimmung und der sehizophrenen Inaktivit/~t leide 3

Unsere katatone Gruppe (Gruppe K) umfaBt FgUe, bei denen die ebengenannten katatonen Erseheinungen im Vordergrunde des Krank- heitsbfldes stehen, das fiir die Hebephrenie charakteristisehe I/~ppiseh- euphorisehe Verhalten dagegen ebenso fehlt wie aueh nut andeutungs- weise systematisierte Wahnideen.

Als Gruppe der Dementia paranoides (Gruppe P) sind Fglle zusammen- gefaflt, bei denen die Wahnideen das Krankheitsbild beherrschen, dagegen die erwahnten hebephrenen und katatonen Erseheinungen fehlen.

Aul3er diesen drei reinen Gruppen habe ich nun vier Mischgrappen aufgestellt, in die das gesamte iibrige Probandenmaterial aufgeteflt wurde. Es sind dies

4. eine paranoid-hebephrene Gruppe (Gruppe HI'), 5. eine hebephren-katatone Gruppe (Gruppe HK), 6. eine paranoid-katatone Gruppe (Gruppe PK) und 7. eine Restgruppe oder Mischgruppe (Gruppe M). Die Fglle der Gruppe 4 sind in der Hauptsache nach dem Kriterium

zusammengestellt, dal3 die spezifisch katatonen Erseheinungen fehlen; ein Tefl yon ihnen zeigt deutlich nebeneinander oder nacheinander sowohl hebephrene wie paranoide Erseheinungen. Bei einem anderen Teil wagte ieh, obwohl sich mit Sieherheit weder spezifiseh hebephrene noch spezifiseh paranoide Erseheinungen fanden, doch deren Vorhandensein nicht auszuschlieBen.

Genau in entsprechender Weise wurden die FMIe der Gruppe 5 und die der Gruppe 6 zusammengestellt.

Die F/~lle der Gruppe 7 bestehen zum Tefl aus F/~llen, bei denen ieh die Erscheinungen keiner der drei , ,reinen" Gruppen auszuschliefen wagte;

x B/eu/er: Lehrbuch 317. 2 Bumke: 1. c. 1924, 903. ~ 1. c. 146.

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z u m Tei l ze igen sie d ie E r sche inungen aUer dre i re inen G r u p p e n deu t l i ch neben- oder n a c h e i n a n d e r ; be i e inem ande ren Tei l t r a t e n die E r sche inungen k e i n e r der d re i U n t e r g r u p p e n besonders hervor .

Die v ie r u n r e i n e n G r u p p e n s ind besonders deshalb als w i l l kommene V e r m e h r u n g unseres Mate r i a l s anzusprechen , weft dann, wenn wir d o r t u n t e r der V e r w a n d t s c h a f t de r P r o b a n d e n keineswegs nu r viele MJsch- f~lle, sonde rn auch viele re ine Hebephren ien , re ine K a t a t o n i e n oder re ine F&lle y o n D e m e n t i a pa r ano ide s l i n d e n wiirden, dies na t i i r l i ch e in B e f u n d y o n e twa g le icher B e d e u t u n g w~re, wie wenn wi t u n t e r d e n Geschwis t e rn d e r d re i re inen G r u p p e n viele Mischformen l i n d e n wi i rden . ] ) a n e b e n i s t na t i i r l i ch auch re in ziffernm~Big y o n Bedeu tung , ob u n t e r d e n Geschwis t e rn de r P r o b a n d e n der dre i re inen G r u p p e n die gle iche P r o z e n t z a h l y o n Seh izophren ie sich f inde t wie un te r den Geschwis te rn d e r P r o b a n d e n de r Mischgruppen .

Die Z u o r d n u n g de r F~l le zu den e inzelnen G r u p p e n erfolgte f a s t a l le in nach k l in i schen Ges i ch t spunk ten . Sie mui~te schon desha lb nach so lchen G e s i c h t s p u n k t e n erfolgen, weft - - wie bere i ts erwi~hnt - - d ie K r a n k e n b l s v ie l fach n i c h t geni igend Un te r l a ge n fi ir p sycho log i sche G e s i c h t s p u n k t e bo t en . Dennoch sche in t unsere Gruppe der H e b e p h r e n e n im wesen t l i chen der y o n Gruhle ffir diese Gruppe a n g e n o m m e n e n U m - grenzung, so wie er sie nach lasychologischen Besonderhe i t en v o r n i m m t , zu en t sp rechen .

Dal3 wit bisher zu wenig charakteristische psychologisehe Einzelsymptome kennen, als dal~ wit auf Grund ihrer die Zuordnung zu den einzelnen l~llnischen Unterformen vornehmen kSrmten, wurde auf S. 191 dieser Arbeit bereits gesagt. Insbesondere stellt keines der dort genannten Symptome eine eonditio sine qua non fiir die Diagnose der entsprechenden Unterform dar. Aber vielleieht daft doch nebenbei erw~hnt werden, daI~ ein Unterschied in der psychischen Grundhal- tung der drei klinischen Unterformen besteht, der sich etwa Iolgt formulieren l~fit:

Die Hebephrenen und Paranoiden haben gegeniiber den Katatonen in der Hauptsache folgendes gemeinsam: Obwohl sie tells erregt oder zerfahren slnd, inadequate Affekte ~ul]ern, tells Sinnest~uschungen und Wahnideen haben, so sind sie doch im allgemeinen -- w~hrend sie dies alles erleben -- gleiehzeitig vSllig oder doch verh~ltnism~Big besonnen. Sie wissen oft gewandt und in einer Weise yon ihren Sinnest~uschungen und Erlebnissen zu sprechen, dab ihre Berichte, wenn sie nicht inhaltlieh allzu unwahrscheinlich sind, keineswegs ohne weiteres gIeieh als wahnhaft erkannt zu werden brauchen. Sie suehen fiir ihre Wahnerlebnisse oft Erkl~rtmgen, die eines gewissen Scharfsinnes nicht entbehren. Ihre Erregungs- zust~nde unterseheiden sich yon denen eines Nomalen oder Psychopathen oft nieht grunds~tzlich, sondern nur dem Grade nach und vielleicht noch dutch ihre geringe Tiefe und dutch ihre geringe )qachhaltigkeit.

Die Katatonen dagegen sind zu einem groBen Teil, wiihrend sie ihre Sinnest&u- sehungen und Wahnideen erleben, gleichzeitig verwirrt. (Der Untersehied gegeniiber der Amentia ist nicht immer leieht festzustellen.) Sie empfinden ihre Sinnest~u- t~usehungen als etwas ~bernatiirliches oder zum vn~ndesten als etwas ausgesprochen Krankhaftes, fiir das sie nach keiner natiirlichen Erk1~irtmg suchen und wohl aueh in ihrem Zustande nicht suchen kSnnen. Sie berichten yon ihren Erlebnissen ent- weder gar nicht oder durch kurze Mitteilungen, die sie auf Dr~ngen bin scheu und oft Init leiser Stimme yon sich geben, oder durch laut hervorgestol]ene Schreie,

Page 26: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

P,00 Bruno Sehulz:

kurze Satze oder einzelne Worte, die oft wiederholb werden und vielfaeh den un- heimliehen Charakter ihres Erlebnisses aueh durch die l~orm der _~uBerung erkennen lassen. AUerdings gilt aueh dies nieht durehg~ngig. Zust~tnde vSlliger Stumpfheit kommen hier ebenso vor wie bei den Hebephrenen und Paranoiden; ob diese Stumpf- heit im allgemeinen bei jeder der drei Gruppen in einer anderen Bewul3tseinssehieht besteht, darauf sei hier nieht eingegangen; jedenfalls kommen beim Katatonen neben der Erscheinung des Affektstupors aueh andere Erseheinungsweisen der Affektstumpfheit vor 1. Bleuler schreibt in seinem Lehrbueh auf S. 309 fiber die Katatonien: ,,Der psychisehe Zustand ist in schweren K~tatonien gewShnlich ein ganz nnkl,rer. Manche geben sieh keine Rechenschaft oder leben gar in einer vollst~ndigen Traumwelt. Die Affektivit~t ist meist sehwer zu durchsehauen. Oft sind Andeutungen versehiedener widerspreehender Geffihle da; keines seheint durehzudringen. Auch subjektiv besteht keine beschreibbare Stimmung aul]er einer h~ufigen Indifferenz".

Empfindet der Katatone jedenfalls die Krankheit als etwas fiber ihn bedingungs- los hereinbrechendes Fremdes, gegen das er h6chstens, ieh mSchte sagen, reflex- maBige Abwehrmal3nahmen ergreifen kann, so empfindet der Paranoide die Bel/isti- gungen und Sinnests a]s etwas, fiber das man sich beschweren, gegen das man vielleicht auch lr~mpfen kann, als etwas, das yon b6sen Menschen -- oder bSsen Geistern, die abet mit menschlichen Eigensehaften gedacht werden -- ge- maeht wird; sieh selbst hiilt er dabei meistens ffir gesund, oder nur dutch die Machen- schaften seiner Gegner gesch~iigt. Der Hebephrene empfindet als krankhaft hie und da ein Naehlassen seiner F~higkeiten, was bei ihm ebenso mit Selbstfiber- hebliehkeit gepaart sein kann wie bei einem Trinker, der, auch wenn er merkt, dal3 er kaum noch auf den Beinen zu stehen vermag, dennoeh gerade in solehen Zeiten yon seiner Vortreffliehkeit und -- sogar augenblieklichen -- Leistungsf~higkeit ganz besonders fiberzeugt sein kann.

Diese psyehologisehen Gesiehtspunkte waren ffir die Zuordnung zu den ein- zelnen klinl.qchen Untefformen wie gesagt nieht maBgebend, vielleieht sind sie aber im groBen und ganzen dennoeh ffir die einzelnen yon uns aufgestellten klinischen Unterformen eharakteristisch.

N u n glaube ich, dab die bisherige al]gemeine Schi lderung unserer k l in ischen Gruppen dennoeh n i ch t h in re ichend K l a r h e i t dar i iber geben diirfte, aus was fiir F~dlen die e inzelnen G r u p p e n bestehen. Hier aus- fiihrliche Krankengesch ich ten aller F~lle zu b r i nge n war aus Ra um- gr i inden n icht mSglich. Ich schwankte zwisehen der M6glichkeitl kurz gedr~ngte Beschre ibungen mSg]ichst vieler Fii l le zu geben, u n d der, einige wenige FMIe als Beispiele ausfiihr]ich zu beschreiben. Die erst- g e n a n n t e MSglichkeit erschien mi r zweckms Jede r Fa l l b ie te t ja schlieBlich wieder ein besonderes Bild, u n d wer die als Beispiel ange- f i ihr ten Fs gel ten liel3e, wiirde dennoch Zweifel h a b e n kSnnen , ob die nichtaugef-fihrten den Beispielen vSllig g le ichzusetzen w~,ren. Bei dem yon mir gew~hlten Weg k a n n jeder die F~lle, die i hm genauerer 1Vach- forschung bedfirftig erscheinen, a n H a n d des in der Ab te f lung nieder- gelegten Nfaterials einer solchen l~achpr i i fung ohne Miihe unterz iehen . Allerdfllgs ist das n u t d a n n yon Vorteil, w e n n n i c h t e twa yon al len oder

1 Affektstumpfheit besonderer Art besteht natfirlieh bei allen Sehizophrenie- formen aueh naeh Ablauf des aktiven Stadiums, das ja -- worauf vor allem Berze hingewiesen hat -- ganz andere psyehologisehe Symptome aufweist als das inaktive Stadium.

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Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 201

sehr vielen der angefiihrten F~lle behauptet wird, dab aus den kurzen Beschreibungen iiberhaupt niehts in bezug auf ihre ZugehSrigkeit zu den entspreehenden klinisehen Untergruppen zu entnehmen sei 1. Aber obwohl die Besehreibungen so kurz gehalten sind, dal3 wohl kaum die oben erw~hnte psychische Grundstimmung der einzelnen klinischen Unterformen - - nieht einmal zwisehen den Z e i l e n - zu erkennen sein diirfte, mSehte ieh das doch nicht hoffen.

VI. Gesichtspun~e der Aufteilung des Probandenmaterials nach dem Ausgang.

Nun wird man auf Grund der verhMtnism~Big kurzen Krankenbla t t - ausziige, die wir yon unseren Probanden gebraeht haben, nicht nur die Ansicht ver t re ten kSnnen, dab nieht alle F~lle in die klinisehe Unter- gruppe, der wit sie zugeordnet haben, gehSren; man wird vielmehr bei einem Teil yon ihnen sogar die Vermutung aussprechen kSrmen, dal~ es sieh bei ihnen i iberhaupt nieht um Sehizophrenien handle. Man wird das vielleieht besonders bei den F~llen anzunehmen geneigt sein, die nicht in den fiir die Schizophrenien oder doeh fiir die Mehrzahl der Sehizo- phrenien charakteristisehen Endzustand ausgehen. Wir werden also aueh sehen miissen, ob erbbiologische Unterschiede der !~Mle je naeh Art des Kra~l~heitsausgangs bestehen. Ieh bildete folgende 9 Gruppen naeh dem Ausgang :

1. F~lle, die seit mehr als 10 Jahren anseheinend vSllig gesund aullerhalb der Anstalt leben (Gruppe G).

2. F~lle, die seit mehr als 10 Jahren auBerhalb der Anstal t leben, aber einen leiehten Defekt entweder zeigen oder vermuten lassen (Gruppe LD). (Einen leichten Defekt nahm ich auch bei solehen F~llen an, die angeblieh vSllig gesund sein sollen, bei denen jedoeh ein deutlieher beruflicher Abstieg vorlag, z. B. yon stud. theol, zum K~ser.)

3. F~lle, die mehr als 10 Jahre auBerhalb der Anstal t als ganz offenbar Geisteskranke, zum grSi~ten Tefl bei Verwandten leben; einige wenige yon ihnen fiillen sogar trotz ihrer Geisteskrankheit ihren Beruf ro l l aus (Gruppe S]) - - schwerer Defekt).

4. l~/~lle, die seit mehr als 10 Jahren nach ihrer ersten Anstalts- aufnahme bald innerhalb, bald auBerhalb der Anstalt leben. Ein Tell yon ihnen zeigte, w/~hrend er aul~erhalb der Anstalt lebte, anseheinend vSllige Remission (Gruppe R).

5. F/~lle, die mehr als 10 Jahre als offenbar geisteskrank innerhalb der Anstalt leben, aber doeh mehr oder weniger Zeiehen geistiger Regsam- keit erkennen lassen (Gruppe DA - - defekt in Anstalt).

6. F/~lle, die mehr als 10 Jahre anscheinend vSllig verblSdet leben (Gruppe B1).

1 Aus Raumgriinden sind leider 4och nut im ganzen 63 Prob~nden im kasu- istischen Nachweis (S. 280 f.) angefiihrt.

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202 Bruno Schulz:

7. F~Ue, die in der Anstalt weniger als i0 Jahre nsch der ersten Aufnshme verstarben (Gruppe A gest.).

8. F~lle, die naeh weniger als 10 Jahren naeh der ers~en Aufnahme auflerhalb der Anstalt dutch Krankheit oder Ungliieksfsll starben oder im Kriege fielen (Gruppe gest.).

9. l?~lle, die naeh weniger als 10 Jshren nach der ersten Aufnahme aul3erhalb der Anstalt Selbstmord veriibten (Gruppe S).

Zu den Fiillen der Gruppe G sei bemerkt, dal3 jetzt, nachtriiglich, naehdem der Verlauf und schlieB]iehe Ausgang der l?~lle beknnnt ist, mancher bereit sein diirfte, an der Diagnose Sehizophrenie zu zweifeln, vielleicht such bei den l~llen der Gruppe R. Aber wenn wir nicht a]s gesichert snnehmen, dab die Heilbarkeit eines Fslles die Diagnose Sehizophrenie sussehlieBt, so diirfen wit aueh nieht im Ehazelfslle F~lle, die wit sonst als Schizophrenic diagnostiziert h~tten, nun n u t deswegen, weft sie geheilt sind, als Fehldiagnosen snsehen. Dabei will ieh gem zugeben, dab ein Ausgsng in einen sehizophrenen Endzus~snd die Dia- gnose gesichert h~tte. Ob sie durch den Ausgang in Heilung widerlegt ist, zur Beantwortung dieser Frage sell ja hier auf genealogischem Wege 1VIaterial beigebracht werden.

Obrigens habe ich such hier, bei der Einteilung nach dem Ausgang (wie bei allen unseren Einteilungen), die 42 unsieheren Fs unter denen sich ja, wie gessgt, besonders viel geheilte befinden, fortgelassen.

1Voch auf folgendes sei in bezug auf die Fiille der Gruppe G hinge- wiesen: Inwieweit besteht bei diesen ,,geheilten" F~llen nun etws in der Tat kein Defekt ? DaB jemsnd seines Beruf in ausgezeichneter Weise ausfibt, und zwar auch einen verantwortungsvollen Beruf, ist ja gewil3 kein Gegenbeweis gegen das Bestehen eines Defektes. So fiihrt die Probandin 621 trotz absurdester und ihr Innenleben beherrsehender Wahnideen cinch groBen ~o]kereibetrieb, Probsnd 502 verwsltete jnhre- lang einen versntwortungsvollen Posten als Bshnbenmter ohne Tadel trotz st~ndiger Sinnest~uschungen. Zum mindesten der letzte wul3te sein Leiden durehsus vet seiner Umgebung zu verbergen. Auch auf Probandin 791 (ira Iqachweis Seite 284) sei verwiesen. Auch als Sonderlinge fallen die geheilten Probanden durehaus nieht alle auf; Fremden am wenigsten, aber oft such den Verwandten nieht. Wer sber weiB, wie es im Innern dieser Menschen sussieht ? Einige Probanden kamen mir zwar, als ieh sie jetzt, 17--25 Jahre nach der Entlsssung, kennenlernte, so durehaus nufgesehlossen, so frei und heiter vor, sie sprachen so often fiber ihre damalige Krsnkheit, die sie als ihnen jetzt durehaus wesensfremd ansnhen, dab sieh mir sofort der Gedsnke aufdr~ngte: Hier muB eine leehldiagnose vorgelegen haben. (Ein Gedanke, dessen Richtigkeit ieh darum noeh keineswegs ffir bewiesen halte, sondern yon dem ieh glaube, dal3 er erst auf seine Richtigkeit bin geprfift werden muff.) Aber selbst in diesen

Page 29: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 208

F&llen, es handelt sieh z .B . um die Probanden 322 1, 484 2, 780, 818, kann ich einer T/~uschung zum Opfer gefallen sein. Ich daft hier 2 F&lle erw&hnen, in denen ~[rzten unserer Abteilung, die die ~reundlichkeit hat ten, diese Probanden, die auBerhalb Miinehens wohnten, ffir mieh aufzusuchen, die Probanden als durehaus unauff&llig ersehienen. In dem einen Falle tei l ten die Gesehwister des Probanden dem Kollegen dann aber mit, dab der gute Eindruck, den die Probandin (Prob. 842) nach auBen machte, trfigerisch sei; entgegen ihrer eigenen glaubwfirdig vor- gebrachten Behauptung sei keinesfalls alles mit ihr in Ordnung ; inwiefern, vermoehten die einfachen Leute allerdings nieht reeht zum Ausdruck zu bringen. In dem anderen Falle {Prob. 482) sehrieb der Proband bald naeh der Befragung dureh den Kollegen einen derart versehrobenen Brief an die Abteilung, dab der Kollege kaum glauben konnte, dab er yon dem Kranken stamme, der ihm soleh durehaus verst/~ndigen und iiber seiner damaligen Krankhei t stehenden Eindruck gemaeht hatte. Andererseits: Wenn wit nun bei anderen Personen eine starke Zurfick- haltung, ein sonderbar anmutendes Verhalten antreffen, diirfen wir ein solehes Verhalten dann immer als Folge der iiberstandenen Krankhei t auffassen ? Finden wir nicht miBtrauisehes Verhalten, Zurfiekgezogenheit, ja aueh albernes und versehrobenes Wesen bei vielen Personen, die bestimmt nie eine erkennbare Geisteskrankheit durehgemacht haben ? Jedenfalls : Wit sind uns bewuBt, dab wit hier als geheilte Sehizophrenien F~lle zusammengestellt haben, yon denen theoretisch zun/~ehst einmal nicht ausgesehlossen werden karm, dab ein Teil, m6glieherweise sogar alle, vielleieht keine Sehizophrenien sind (soll heifien, biologisch etwas anderes als die Schizophrenien, die zur Verbl6dung ffihren), yon denen aber auch ein Tefl, mSglieherweise sogar alle, vielleicht nieht eigentlich geheilte F/~lle sind. Doeh fiihren uns solche Bedenken allein nicht weiter. Es seheint mir der l~Ifihe wert, zu prfifen, ob genealogisehe Unter- suchungen hier weiterffihren kSnnen. Wir wollen sehen, ob die ,,geheilten" F/~lle eine andere Belastung aufweisen als die iibrigen F~lle, besonders als die mehr als 10 Jahre hindureh nacb dem Beginn der Krankhei t einen ausgesprochenen Defekt darbietenden, also als die ,,Ausgangs"- gruppen SD, DA und B1.

Eine Bemerkung noch fiber die Gruppe der remitt ierenden F/~lle (Gruppe R). Diese Gruppe ist nur naeh dem &uBeren Gesiehtspunkte zusammengestellt, dab die F/~lle, die insgesamt mehr als 10 Jahre beob- aehtet wurden, weder die letzten 10 (oder mehr) Jahre in einer Anstalt, noch die letzten 10 (oder mehr) Jahre auBerhalb einer Anstalt lebten. Es ist dies vielleieht ein allzu /~uBerlieher MaBstab. Doeh seheint mir ein l~IaBstab, je &uBerlieher er ist, desto mehr gegen den Vorwurf der Subjektivit/~t gesichert zu sein. Wo mir daher ein/~uBerlieher Maflstab aueh nut einigermaBen anwendbar erschien, habe ieh reich seiner bedient.

1 Nachweis S. 292. ~ Nachweis S. 291.

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204 Bruno Schulz:

Doeh zeigt sehon die kurze kasuistische Sehilderung der mi t Remissionen Verlaufenden F~lle, dad eine Anzahl yon ihnen vom Krankhei tsbeginn an tats~chlich etwa den gleichen Gesundheitszustand dargeboten ha t und dad es nut auf ~uflere Umsti~nde zurfiekzuffihren ist, dad sie bisweilen die Anstal t wieder aufsuchten bzw. in sic wieder eingeliefert wurden, bisweilen aul3erhalb der Ansta l t lebten.

Ieh habe daher immerhin einige F~lle der Gruppe SD zugerechnet, aueh wenn sic wi~hrend der letzten 10 Jah re - - ich mSehte sagen aus ~ui3eren Grfinden - - einmal kurze Zeit in der Ansta l t lebten, sofern sie mir mi t Sieherheit so geartet ersehienen, dab sie stets auDerhalb der Anstal t h~tten leben kSnnen 1. Und umgekehr t habe ich einige )'s der Gruppe DA zugerechnet, wenn sie innerhalb der letzten 10 J ah re nut bisweflen einmal auf einige Zeit auflerhalb der Anstal t weilten, in der t t auptsache aber so geartet waren, dad sie in der Anstal t h~t ten leben miissen.

VII. ~Jberblick i~ber die einzelnen nach klinischer Unterform und Ausgang gebildeten Probandengruppen in bezug auf Geschlecht, Erkrankungsal~er,

etwaige ~iuflere Ursachen, Berufe, Todesursachen usw. Vor der eigentlichen genealogischen Bet raeh tung sei noch ein kurzer

~berbl ick fiber die ~bere ins t immungen und Versehiedenheiten zwischen den yon uns nach klinischer Unterform und Ausgang gebildeten Unter- gruppen in bezug auf einige ganz best~mmte Punk te gegeben wie Ge- schleehtsverh~ltnis, Erkrankungsalter , Angabe ~uDerer Ursache usw.

Aueh hier war eine Zuordnung der Fs zu den Gruppen mi t be- s t immtem Erkrankungsalter , zu den Gruppen mi t und ohne Angabe ~uflerer Ursaehe usw. nicht immer ohne eine gewisse Gewaltsamkeit mSglieh. Es wird jedoeh nieht n6tig sein - - wie bei der Einteilung nach der klinischen Unterform und naeh dem Ausgang - - , einen besonderen Abschni t t der Dar]egung der Gesiehtspunkte der Zuordnung zu diesen Gruppen zu widmen, sondern es wird sieh bei der Betraehtung jedes einzelnen Punktes hier in einigen wenigen S~tzen fiber die Richtlinien der Einteflung Klaxheit schaffen lassen.

Die Tatsache des Vorliegens oder Fehlens der Punkte , deren Ver- teilungsverhMtnisse auf die einzelnen klinisehen Unterformen und auf die verschiedenen Formen des Ausgangs wir nun zuns betrachten wollen, habe ich bei der Zuordnung der F~lle sowohl zu den klinischen Untergruppen wie zu den naeh dem Ausgang aufgeteflten Gruppen in keiner Weise beriicksichtigen wollen; und tats~chlich hoffe ieh, sie, wenigstens unmittelbar, auch nieht berficksiehtigt zu haben. Dal3 ieh sie nieht mit te lbar dennoch berfieksiehtigt hs wage ieh allerdings nicht zu behaupten. So wird man sieherlieh z . B . bei einem jungen

1 So Prob. 663 (Nachweis S. 281).

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Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 205

8chizophrenen eher geneigt sein, eine Hebephrenie anzunehmen, als bei einem alten.

Tabelle 1 zeigt die Verteilung der Geschlechter auf die einzelnen klinischen Gruppen. I~ der Gruppe H und PH iiberwiegen in hohem Grade die Manner, in der Gruppe P und P K iiberwiegen, wenn auch nicht ganz so stark, die Frauen. Ieh erw~hnte auf S. 192 dieser Arbeit bereits die Zahlen der Frauen und ~I~nner, die Bumke unter seinen F/~llen yon Hebephrenie einerseits und Dement ia paranoides H andererseits gefunden hat te . Die Unter- K P schiede bei mir gehen in gleieher Rich- PH tung, sind abet noch betr/~ch0ieh HK

PK gr61~er. ]:)as lieB reich einen Augen- NI bliek argw6hnen, dab ieh vielleicht bei Sa. Mannern eher geneigt sei, hebephrene

Tabelle 1. Klinische Untergruppen und Geschlecht.

Klin i sche B e z u g s - U n t e r - $ ~ z i f f e r

g r u p p e n

87,1 52,0 36,1 80,4 72,9 34,3 54,4 55,6

12,9 48,0 63,9 19,6 27,1 65,7 45,6 44,4

31 127 72 46

129 108 147 660

Zfige zu sehen, als bei Frauen, da$ jedoch in der T a t die Gruppen H und P im iibrigen identisch seien.

Wieweit diese Befiirchtung zutrifft , vermag ich nieht zu sagen, aber bes t immt ist es nicht nu t das Gesehlecht, dutch alas sieh die beiden Gruppen unterscheiden.

Tabelle 2. Erkrankungsalter und klinische Unter/ormen. r

~ ~ E r k r a n k u n g s a l t e r ' ~

I I I I I H K P

PH HK PK

M

8a.

3,2 1,5

2,3

0,6 1,1

41,9 22,8

17,3

32,2 36,2

5,5 21,7

12,9 18,8 22,2 28,2

9,6 11,8 31,9 21,7 4,6

!16,6 4,3

! 3,1

2,3 22,2

6,5 0,7

31 22,2 127 25,3

],3 72 34,7 - - 46 27,7

129 23,1 0,9 - - -108 31,3

. . . . . 147 26,1 0,1 0,1 1660] 27,1

34 ,8 i 4,5 17,6

19,1

34,1 17,6 29,2 26,6

20,1 28,7 18,5 ~ 18,5

~29,2 17,6 I 4,7 123,8 15,6 8,0

11,1 0,6 5,4

Tabelle 2 zeigt n/~mlleh, daft die klinischen Untergruppen untereinander auch ein ganz verschiedenes durchschnittliches Erkrankungsalter besitzen. Es war natiirlich nicht mSglich, in jedem Falle das genaue Erkrankungs- alter festzustellen. I ch habe reich daher im allgemeinen mi t dem Alter bei der ersten Kl in ikaufnahme begniigt; und nut dort , wo bereits ganz offenbar die Krankhe i t schon in einem friiheren Jahre ausgebrochen war, habe ich dieses als Erkrankungsjahr angenommen. Wurde nur fiber Sonderbarkei ten in den letzten Jahren vor der Kl in ikaufnahme

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206 Bruno Schulz:

berichtet, so nahm ich auch hier meistens das Aufnahmejahr als Er- krankungsjahr an. Da ieh in allen Gruppen gleiehm/~$ig vorging, diirfte

diese Ungenauigkeit im ein- %

37,5

22,5

'~'~ i I ~,e I I #o,o --~

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0 -15 15-20 ~1-25 26-30 31-35 3E,--~0 W-~5 ~-50 Erkmzkun~tsg#er Jehm

A b b . 1. K l in i sche U n t e r f o r m e n u n d E r k r a n k u n g s a l t e r .

% 3o,r 27,5 25,o ~ 5

z~o /7,s 15,o

lo, o ~5 5,o 2~5

0 -15 M-7.O 21-25 26-30 ][-M J6-~O ~ - ~ r Erkr~kun~soller Juhre

~.bb . 2. Kl in i sche U n t e r f o r m e n u n 4 E r k r a n k u n g s a l t e r .

zelnen die Genauigkeit im gan- zen nicht beeintr~ichtigt haben.

In Abb. 1 ist die Verschie- denheit der einzelnen Unter- gruppen in bezug auf ihr Er- krankungsalter graphiseh dar- gestellt. Die Unterschiede der drei ,,reinen" Gruppen H, K, P sind deutlieh, die der Grup- pen H und P sogar so stark, dab die Kurven fiir diese beiden Gruppen in gleicher Weise (in Form einer starken durchbrochenenLinie) zur Dar- stellung gebracht werden konn- ten. Zwischen den Kurven fiir H und K liegt die Kurve ftir HK, zwischen den Kurven ftir H bzw. K und P liegen die Kurven ffir P H und PK. DaB jede Untergruppe eine fiir sie charakteristisehe Kurve des Erkrankungsalters aufweist, maeht es bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich, dab die Zuordnung der einze]nen F&lle zu den klinischen Untergruppen wenigstens ann~hernd stets nach den gleiehen Gesiehts- punkten erfolgte, und daJ3 diese Gesichtspunkte nicht nur dutch das Gesehlecht des betreffen- den Kranken gegeben waren.

In Abb. 2 sind (neben einer dri t ten Kurve, auf die wir erst

im drittn~ichsten Absatz zu sprechen kommen) entsprechend den Kurven der Abb. 1 dargestellt die Kurve fiir die Gruppe M und die Kurve ftir die Gesamtheit des Materials. Die beiden Kurven lau:fen einander fast gleich. JDas spricht bis zu einem gewissen Grade dafiir, daft i~ der Tat die Gruppe M eine Mischung aus den drei reinen Gruppen darstellt. Ob jeder Fall der Gruppe M in sich eine solche Misehung darstellt oder ob

Page 33: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpat2nologie der Schizophrenie. 207

die Gruppe im ganzen aus H- , K- u n d P-F~l len gemischt ist, dar i iber sagt sie al lerdings n ich ts aus.

Auch der U m s t a n d , dab das GeschlechtsverhMtnis bei der Gruppe ]VI e twa das gleiche is t wie bei der Gesamthei t der P robanden , spr ich t bis zu e inem gewissen Grade dafi ir , dab die Gruppe ~I eine solche MAschung dars te l l t (s. Tabel le 1).

(Meint man , dab die ~ b e r e i n s t i m m u n g der Gruppe M mi t dem Gesamtmate r i a l n u t deshulb so s tark sein kSnnte, weil IV[ e inen zahlen- m ~ i g grol~en Ante i l des Gesamtmater ia l s bildet, so k a n n m a n M mi t dem u m M v e r m i n d e r t e n Gesamtmate r i a l vergleichen. Die ~ b e r e i n s t i m - m u n g zwischen diesen be iden Gruppen ist jedoch k a u m geringer als zwi- schen M u n d dem Gesamtmate r ia l . Die betreffenden, b ier n i ch t wieder- gegebenen Ziffern lassen sich aus Tabelle 1 bzw. 2 le icht errechnen. En tsprechendes gilt auch hinsicht l ich des Krankhe i t sausganges der kl inischen U n t e r f o r m e n [s. un ten] . )

Theoretisch ist so dutch Vergleich der Kurven fiir die Erkrankungsalter und durch Vergleich des GesehlechtsverhaRnisses auch die M(iglichkeit gegeben, bis zu einem gewissen Grade Anhaltspunl~r162 dafiir zu gewinnen, wie groll in der Gruppe M (sei es nun in den einzelnen Fallen oder in der Gruppe im ganzen) der hebephrene, katatone oder paranoide Antefl anzunehmen ist. In der Abb. 2 ist gestrichelt eine Kurve eingezeichnet, die sich als Mittel aus den drei Kurven fiir unsere H-, K- und P-Gruppe ergibt, wenn jede dieser drei Gruppen zu einem I)rittel dabei ins Gewicht f~llt. In dieser Kurve spielt t t eine grSl3ere l~olle und K eine geringere als in der Kurve unserer Gruppe M. Wir kSnnen also sagen, dal3 in unserer Gruppe M der tt-Anteil weniger als ein Drittel betr~gt, soweit wit das Erkrankungsalter als Mal3stab der ZugehSrigkeit zu einer der klinischen Untergruppen ansehen diirfen.

Das Geschlechtsverh/~ltnis betragt bei einer Gruppe, die aus unseren drei reinen Gruppen zu gleichen Teilen gebildet ware, 58,4 Manner und 41,6 Frauen. Die Manner waren in dieser Gruppe also starker vertreten als in unserer Gruppe M, und auch das wtirde dafiir sprechen, dab der tt-Anteil in unserer Gruppe M weniger als ein Drittel betr/~gt. In unserem Falle sind die einzelnen klinisehen Untergruppen zu klein, als dal3 derartige Gegeniiberstellungen uns praktisch weiterbringen k6nnten. Selbstverstandlich ist, dab alle diese statistischen ~berlegungen und Gegentiber- stellungen uns nichts aussagen kSnnen dariiber, ob nun ein bestimmter einzeiner Fall zu einer Gruppe geh0rt; nut ob die Gesamtheit des Materials diesen oder jenen Charakter tragt, daftir kSnnen sie uns Anhaltspunkte geben.

Auch in bezug auf den Ausgang entspr icht die Gruppe ]V[ e twa der Gesamthe i t der P r o b a n d e n . ])as zeigt Tabelle 3 u n d noch deut l icher Abb . 3.

Fiir die Darstellung in Kurven wurden die beiden sehr kleinen Gruppen der nach kurzer Zeit auBerhalb der Anstalt Gestorbenen bzw. Gefallenen und die der Selbst- m6rder zusammengeworfen, so dab wir es hier nut mit 8 nach dem Ausgang zu- sammengeozdneten Gruppen zu tun haben. Im iibrigen sind die Kurven unserer Abb. 3 in der Weise aus der Tabelle 3 gewonnen, dab yon einer jeden der dortigen Prozentziffern festgestellt wurde, wieweit sie ober- oder unterhalb yon 12,5 liegt. (12,5%, d.h. 100% : 8, wiirde jede Prozentziffer grol~ sein, wenn alle 8 nach dem Ausgang gebildeten Gruppen gleieh grog waren.) Wir wiirden genau die gleichen (nur um 90 ~ gedrehten) Kurven erhalten, wenn wir die Prozentziffern der Tabelle 3 unverandert in Kurven brachten. Dadurch, dab anstatt dessert die

Page 34: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

208 Bruno Schulz:

Tabelle 3. Ausgang u n d kl inische Unter/ormen.

Klinische Unter -

formela

H K P

PH HK PK M Sa.

Ausgang

9,7 14,2 4,2

15,2 7,7 8,3

11,5 I0,I

LD

12,9 1,6 4,2

10,8 7,0 2,8

q S D

16,1 9,4

22,1 8,7

1O,1 13,0

I R

6,4 14,2

I D2L I B1

22,6 16,1 6,3 17,3

1.~ gest.I gest. I

9,7 3,2 29,9 4,7 16,7 - - 4,3 - -

4,0 4,8

13,2 12,5

8,3 4,3 6,2 9,3 6,1 8,3

25,0 19,4 26,1 28,3 11,6 29,5 26,8 18,5

I 2 3 , 1 : 19,7 ] 18,6 ] 21,4

25,6 o ,81 20,4 0,9 / 18,4, 0,7 j 20,8 I 1,~ I

Bezugs. ziffer S

3,2 31 2,4 127

72 2,2 46 1,5 129 - - 108 3,2 147

660

Abweiehungen jeder Prozentziffer yon einem mittleren Werte dargestellt wurden, sollte nut zum Ausdruek gebraeht werden, dab die naeh dem Ausgang gebildeten

Gruppen sich nicht in einer g [ ~ .~; gariationskurve zusam-

,..~,,~ menordnen lassen. I n Abb. 3 ist der

L.D. ""- , -~ ~ : ~ ~ :~ '~ R a u m zwischen der "% , Kurve der Gruppe M

#.B. " ~ ~ und der Kurve des Ge- samtmater ia ls schraf-

R. } ~ / ~ . % fiert. Die beiden Kur- ~D.A. ,f .. ~ yen wirken gegeniiber

�9 - ' - denKurven der 3 reinen ......... . . . _ ~M Gruppen fast wie eine

8l. - ~ r " : ~ . - - . G e s . einzige etwas dickere Linie.

Ages/. ~ _ ":>~ Man muB'sich hfiten, .............. aus Tabelle 3 und Abb. 3

mehr herauszulesen als ges/'§ la 5 - g + 5 lg 15 2a eben das, daft die Gruppe

M in bezug auf den Ausgang 2Lbb. 3. K.linische Unte r fo rmen l ind 2Lusgang. gruppierte l~glle in einem

ghn)iehen VerhMtnls ent- hglt wie die Gesamtheit meines Materials und dab die reinen Gruppen meines Materials derart gruppierte F&lle in einem ganz anderen Verh~ltnis enthalten. Wir dfirfen also z.B. selbs~verst~ndiich nieht daraus, dab wir etwa unter unseren Hebephrenen (22,6 + 16,1 =) 38,7% Kranke linden, die mehr als 10 Jahre in der Anstalt waren, dagegen unter den Katatonen nur (6,3 + 17,3 ~ ) 23,6% der- artige Kranke, schliei3en, dab sich unter unserem Material, absolut genommen, mehr langj~hrige Hebephrene finden miiflten als Katatone. Die absolute Zahl der langjghrigen Katatonen kann vielmehr selbstverst~ndlich viel h6her sein als die der Hebephrenen und ist es, wie die gleiehzeitige Betrachtung der Bezugs- ziffern in Tabelle 3 erkennen l~13t, in unserem Falle auch tats~chlich.

Abet auch fin iibrigen gelten die bier gefundenen Prozentziffern nu t fiir das vorliegende Material und haben nur bedingte allgemeinere Giiltig- keit . Ich ha l t e es z .B . fiir unwahrscheinlich, dab heute eine so groBe

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Zur ErbpaChologie der Schizophrenie. 209

Zahl yon Ka ta ton ien nach kurzer Zeit in der Anstalt stirbt, wie das etwa vor 20 J ah ren der Fall war, also in der Zeit, als ein groBer Teil meiner F&lle in die Anstal t aufgenom- men wurde.

Da ich oben darauf hingewiesen habe, dab bei den klinischen Unter- gruppen die Geschlechter in ganz ver- schiedener St~rke ver t re ten waren, sei nunmehr auf Tabelle 4 aufmerksam gemacht, aus der hervorgeht , daft m~nnliche und weibliche Probanden in den nach dem Ausgang gebildeten Unter- gruppen ann~hernd gleichm~iflig vertreten sind. Unter den bald in, bald auBer- halb der Ansta l t befindlichen Fallen (Gruppe R) finden sich die Frauen verhMtnismi~Big etwas h~ufiger als Probanden. Dor t sind ja die ~ n n e r

Tabelle 4. Geschlecht und Ausgang.

Bezugs- A u s g a n g ~ ~ z i f fer

G LD SD R

DA B1

A gest. gest.

S

53,7 71,9 51,8 49,1 59,3 53,9 53,4 50,0 91,7

46,3 28,1 48,2 50,9 40,7 46,1 46,6 50,0

8,3

67 32 83 55

123 141 137 10 12

Sa. 55,6 44,4 660

unter der Gesamthei t unserer betr&chtlich haufiger ver t re ten ;

wit werden auf diesen Um s t and spi~ter noch zurfickkommen. I m Gegen- satz zu der verhgltnismgflig hohen Zahl de~" Frauen bei den Fgllen der Gruppe R steht die besonders hohe Zahl der M~inner bei den mit leichtem Defekt Geheilten (Gruppe LD).

Tabelle 5. Klinische Unter/ormen und angebliche Ursachen.

~:linische U n t c r f o r m e n

H K P

PII HK PK M Sa.

i n g a b e n fiber U r s a c h e n

feh]en

64,5 44,1 54,2 50,0 58,1 46,3 53,1 51,7

Unwahr sche in l i ch

psychisch somat i sch

2 3

12,9 19,3 13,4 15,7 20,8 18,0 26,] 19,6 13,9 14,7 27,8 13,9 17,0 23,1 18,3 17,6

Wahrsche in l icher

psychisch soma t i s ch

4 5

- - 3,2 1,6 25,2 2,8 4,2 2,2 2,2 0,8 12,4 3,7 8,3 1,4 5,4 1,8 10,6

Bczugs- zif fer

31 127 72 46

129 108 147 660

Tabelle 5 zeigt, wieviel F~lle der einzelnen klinischen Untergruppen angeblich infolge psychischen Traumas oder infolge eines kSrperlichen Leidens oder Traumas erkrankt sind. Unter den Fallen der Spalte 1 (keine Ursache angegeben) kSnnen natiirlich dennoch F&lle sein, bei denen die Psychose auf eine der in den anderen Spalten genannten Ursachen mi t der gleichen Wahrscheinlichkeit wie bei den in diesen anderen Spal ten angefiihrten Fallen zuriickgefiihrt werden kSnnte. Von

Z. f. d. g. N eu t . u. Psych . 143. 14

Page 36: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

210 Bruno Schulz:

den Ursachen, die bei den FMlen der Spalte 2 (psychisch bedingt) und 3 (kSrperlich bedingt) angegeben waren, nahm ich an, dab sie mi t geringerer Wahrscheinlichkeit tatss als Ursache anzusprechen seien als die der in den Spalten 4 und 5 angefiihrten FMle, bei denen mir der Zu- sammenhang mi t der Schizophrenieerkrankung allerdings ebenfalls keineswegs als gesichert galt.

Unter Spalte 2 sind FMle mit ungliicklicher Liebe, strenger Behandlung im Dienst, Aufenthal t in fremdsprachigem Auslande usw. angeftihrt. Unter Spalte 3 sind FMle mit Sturz auf den Kopf in der Kindhei t ohne zuni~chst bemerkte weitere Folgen, F~lle mi t Infekt ionskrankhei ten wie Gelenkrheumatismus, Scharlach usw., ebenfalls gr56tenteils mehrere Jahre zurtickliegend, angefiihrt. Unter Spa]te 4 sind angeffihrt FMle yon unglficklicher Liebe, bei denen mir diese angebliche Ursache schwerer zu wiegen schien, also etwa F~lle, bei denen der Liebhaber das M~dchen als Schwangere verlassen ha t te ; auch FMle, die in der H a f t e rkrankt waren, sind hier vertreten. Unter Spalte 5 sind F~lle mi t Kopfver- letzungen verh~ltnism~flig kurz vor der Schizophrenieerkrankung ange- fiihrt, F~lle, die w~hrend der Schwangerschaft oder bald nach der Entbindung erkrankten, die unmit te lbar nach einer .Kopfrose erkrankten usw. Nochmals sei darauf hingewiesen, daft sich auch die Einteilung dieser Tabelle 5 nach dem Bekanntsein ~ul3erer Ursachen nicht immer ohne Gewaltsamkeiten hat vornehmen lassen. Wir kommen auf die Einteilung sparer (S. 233--238 und 248) noch zuriick.

Vor allem ffillt in Tabelle 5 die Ziffer von 25,2% in Spalte 5 bei der Gruppe K auf. Der Verdacht wird rege, dab sich unter dieser Gruppe besonders viele FMle befinden kSnnten, die nicht endogen, sondern exogen bedingt sind. Der Gruppe K kommen in bezug auf die hohe Ziffer in Spalte 5 am ni~chsten die Gruppen H K und PK, also auch wieder die Gruppen, die neben sonstigen Bestandtei len ka ta tone Ziige aufweisen.

TabeUe 6. Klinische Unter/ormen und Ausgang.

Klinische Un~erformen Bezugs- Ausgang ziffer

H I P H H K

G LD SD R

DA B1

A gest. gest.

S

4,5 11,1 6,3 3,6 5,7 3,5 2,2

10,0 8,3

Sa. 4,7

K I P

26,9 4,5 5,6 13,9

15,2 17,7 32,1 10,7 6,1 14,6

15,6 9,9 27,9 8,8 60,0 25,0 19,2

10,4 14,9 16,7 25,0 3,8 16,4 3,6 16,1 9,8 12,2 9,2 26,2 1,5 23,5 - - 1 0 , 0 8,3 16,7

q

10,9 I 7,0

25,4 19,4 22,8 16,1 27,7 20,6 19,8 10,0 41,7

3 I 22,3

I PK I I

13,4 8,3

17,7 17,6 23,6 14,2 16,3 10,0

67 32 83 55

123 141 137 10 12

660

Wie verhalten sich die F~lle der Spalte 5 in bezug auf den Ausgang ? Von al]en Probanden finden sich 10,6 % in Spalte 5 der Tabelle 5. Unter

Page 37: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 211

den geheilten F/~llen, unter denen sich iibrigens besonders viele Kata- tonien befinden (s. Tabelle 6), wiirde man also auch besonders viele FMle mit ~uBerer Ursache zu erwarten haben, wenn die F/~lle mit/~uBerer Ursache zu einem giinstigeren Verlauf neigten. Tats~chlich linden sieh aber nur 5,9% F~lle mit wahrscheinlicherer kSrperlicher Ursaehe unter den Geheilten (s. Tabelle 7). Das wird uns nieht abhalten, dermoeh die F/~lle der Spalte 5 erbbiologisch auch einmal fiir sieh zu betrachten.

Tabelle 7. Angebliche Ursache und Ausgang.

2Lusgang

G LD SD R

DA B1

A gest. gest.

S Sa.

2Lngaben fiber Ursachen

Unwahr sche in l i ch Wahrsche in l i che r fehlen

44,8 61,1 53,2 50,0 52,8 50,3 52,2 60,0 50,0 51,7

p s y e h i s c h ] somat i sch

37,3 5,9 22,2 11,1 16,4 19,0 14,3 21,4 15,4 19,5 14,9 21,3 17,6 16,3 10,0 10,0 16,7 ! 33,3 18,3 17,6

psych i seh s o m a t i s e h

5,9 5,9 - - 5,6 1,3 10,1

- - 14,3 2,4 9,8

- - 13,4 2,9 11,0 - - 20,0

1,8 10,6

Bezugs- z i f fer

67 32 83 55

123 141 137 10 12

660

Bevor wir jedoch etwas fiber das Ergebnis dieser erbbiologischen Untersuchung der F/~lle der Spalte 5 wissen, bestehen auch noch folgende /VfSglichkeiten zur Erkl~rung der hohen Prozentzahl fiir die F/~lle mit angeblicher kSrperlieher /~uBerer Ursache unter den Katatonien.

Bei Katatonie setzt die Erkrankung meist plStzlieh ein. Fiir eine solche plStzhehe Erkrankung sueht man besonders nach einer ~uBeren Ursache. Und was man sucht, findet man leiehter als das, was man nicht sucht. Ferner aber besteht auch die MSglichkeit, dab in der Tat eine Schizophrenie, die dutch eine /iul3ere Ursaehe ausgelSst wird, besonders leieht unter dem Bilde einer Katatonie verl/~uft, die ja yon allen Schizophrenieformen am meisten dem exogenen Reakt ionstyp sich n/ihert.

Jedenfalls finden sich nach Tabelle 3 unter allen 660 Probanden 10,1% Geheilte, unter den 70 wahrseheinlieher somatisch-exogenen Fallen linden sich, wie sich aus Tabelle 7 erreehnen 1/~13t, nur 4----5,7 % Geheilte. K6rperlich-exogene Ursachen yon der Art, wie sie bei unseren F~illen angegeben wurden, scheinen demnach also keinen Schlufl auf den giinstigen Ausgang einer Schizophrenie zuzulassen, oder, wenn man sich vorsiehtiger ausdriieken will, auf den giinstigen Ausgang einer unter dem Bilde einer Sehizophrenie verlaufenden Psyehose zuzulassen.

Rein ziffernm/~13ig f/~llt in der Tabelle 5 noeh die HShe der Zahlen in Spalte 2 bei den Gruppen P, PK, PH auf. Es handelt sich hier meist

14"

Page 38: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

212 Bruno Schulz:

um unglfickliche Liebe, und es wird schwer zu entscheiden sein, wieweit das Sichverlieben hier bereits ein Krankhe i t s symptom darstellt.

K l i n i s c h e Unter - forinen

H 9,7 K 19,7 P 16,7

PH 10,9 HK 10,1 PK 13,0 M 17,0 Sa. 14,7

I

32,2 i 58,0 46,5 33,9 48,6 34,7 56,5 32,6 34,9 55,0 58,3 28,7 43,5 39,5 45,7 I 39,5

Tabelle 8. Klinische Unter/ormen und Prdpsychose.

Prapsychose ] Bezugs- I Prg, psychose tmauffallig I fraglich I auffallig ziffer l u n a u f ~ ~ l l i g

J

31 14,3 ! 85,7 127 36,7 63,2 72 32,4 67,6 46 25,0 75,0

129 15,4 84,5 108 31,1 68,9 147 30,1 69,9 660 27,1 72,9

Bozugs- ziffer

21 68 37 20 84 45 83

358

Tabelle 8 gibt einen ~-berbliek dartiber, wieviel F~lle bei den einzelnen klinischen Untergruppen als pr~psychot isch unauff~llig, wie viele als auff~llig bezeichnet wurden und bei wie vielen derartige ,~ngaben fehlen oder nur uncharakteristische Angaben vorliegen. Bei den FfiJlen mi t sp~terem Erkrankungsal ter fehlen die charakterist ischen Angaben fiber das pr~psychotische Verhalten der Probanden - - wenigstens im grol3en und ganzen - - verh~ltnismal3ig h~ufiger. VieUeicht ist das deshalb der Fall, weft hier die anamnestischen Angaben ziemlich oft nicht yon den El tern s tammen. Ich habe daher auch noch unter Fort lassen der F~lle mi t uncharakteristischen oder fehlenden Angaben Prozentziffern errechnet. ]3ei beiden Berechnungsarten sind die F~lle der K-Gruppe besonders oft als pr~psychotisch unauff~llig angegeben. Allerdings k o m m t der K-Gruppe in dieser tI insicht die P -Gruppe recht nahe. Dies ]etztere liel3e sich auch wieder bls zu einem gewissen Grade auf das sp~tere Erkrankungsal ter der P-FMIe zurfickffihren, l~ber die 1VIehrzahl der H-, K- und HK-F~lle haben die El tern Anamnesen ers ta t te t , fiber die der P-F~lle oft nur Bekannte, Geschwister oder Ehegat ten, und wenigstens unter den Bekannten und Geschwistern werden sich recht viele Personen befinden, die mi t den Kranken seit l~ngerer Zeit nicht mehr oder erst seit kurzem in enger Gemeinschaft leben. Ich will dami t nicht aus- sehliei3en, daft die Ziffern den tats~i~hlichen Verhi~ltnissen nicht dennoeh einigermal3en entspreehen kSnnen. Auf jeden Fall sehien es mir zweck- maBig, die Zusammenstellung zu bringen.

Den Verhi~ltnissen bei der Gesamthei t des Materials sind die unserer MJschgruppe auch wieder einigermal3en angepaBt, wenngleich bei einigen EinzeIgruppen eine noch grSl3ere Ann~herung an die Gesamthei t des Materials besteht als bei der Mischgruppe. ~Ahnliche Verh~ltnisse bestehen fibrigens auch bei der Tabelle 5.

Tabelle 9 gibt einen ~berbl iek fiber die Schulleistungen der Pro- banden. Auch hier wurden die Prozentziffern wieder zweimal berechnet,

Page 39: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 213

Tabelle 9. Klinische Unter/ormen und Schulleistungen.

Klinische Unter- formen

H K P

PH HK PK M

Sa.

gut

29,0 45,7 33,3 39,1 41,8 33,3 38,1 38,6

Schulleistungen

fraglichristischUncha.rakteoder _ mangel-haft sehlecht

41,9 25,8 3,2 43,3 7,9 3,1 50,0 6,9 9,7 39,1 19,6 2,2 31,8 13,2 13,2 55,6 4,6 6,5 40,8 8,8 12,3 42,9 10,2 8,3

Bezugs- ziffer

31 127 72 46

129 108 147 660

Schulleistungen

gut

50,0 80,5 66,6 64,3 60,2

I 75,0 64,3

mangel- haft

44,4 13,9 13,9 32,2 20,5 10,4 15,0

schlecht

5,6 5,6

19,5 3,5

19,3 14,6 20,7

67,3 18,0 14,6

Bezugs- ziffer

18 72 36 28 88 48 87

377

das ers temal mit , das zweitemal ohne die FMle, bei denen keine oder nut uncharakter is t ische Angaben fiber die Schulleistungen vorliegen. Bei beiden Berechnungsar ten sind die F/file mi t guten Schulleistungen unter der K-Gr uppe am st~rksten vertreten. Auch gegeniiber der Bedeutung dieser Angaben fiber die Schulleistungen bestehen abe t Bedenken mannigfacher Art. Bei einem Dienstm/~dchen oder Knecht , die die Dorfschule besucht haben, werden die Angaben auch dann noch lauten kSnnen, ,,in der Schule gut", wenn bei einem Gymnasiasten, auch wenn seine Intelligenz und tatsachlichen Leistungen welt fiber den Leistungen eines Dorfschfilers liegen, die Angaben bereits lauten, ,,bleibt im Unter r icht offenbar zurfick".

Tabelle 10. Ausgang und Prdpsychose.

Klinisehe Unter- formen

O LD SD R

DA B1

A gest. gest.

S Sa.

Pr~psychose

unauff~llig]

13,4 9,4

10,9 16,4 10,6 17,0 19,7 20,0 8,3

14,7

fraglich

47,8 37,5 50,6 50,8 52,8 41,1 42,3 60,0 8,3

45,8

I auff~llig

38,8 53,1 38,5 32,8 36,6 41,9 38,0 20,0 83,4 39,5

Bezugs- ziffer

67 32 83 55

123 141 137 10 12

I 66o!

Prfipsychose

]unauff~llig I auff~llig

25,7 74,2 15,0 85,0 21,9 78,0 33,3 66,6 22,4 77,5 28,9 71,0 34,1 65,8 50,0 50,0 9,9 90,9

27,0 72,9

Bezugs - ziffer

35 20 41 27 58 83 79 4

11 358

Die Tabellen 10 (Ausgang und Pr/~psychose), 11 (Ausgang und Schulleistung) und 12 (Ausgang und Erkrankungsalter) bedfirfen wohl keiner besonderen Besprechung.

Zum Tell als Erg/~nzung zu der Tabelle 9 wurde Tabelle 13 (~berbl ick fiber die Berufe der einzelnen klinischen Unterformen) angelegt. Die

Page 40: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

214 Bruno Schulz:

Tabelle 11. Ausgang und Schulleistung. S c h u l l e i s t u n g e n

A u s g a n g

G LD SD R

DA B1

A gest gest

S Sa.

g u t

16,2 i2,8 35,4 35,7 3],7 40,4 37,5 40,0 41,7

f r ag l i ch oder

l m c h a - m a n g e l - r a k t e - h a f t

r i s t i s c h

44,8 7,5 19,4 25,0 45,6 6,3 37,5 14,3 50,4 8,9 43,3 10,7 41,2 10,3 60,0- - - 33,3 8,3 42,9 10,3

s c h l e c h t

1,5 2,8

12,7 12,5 8,9 5,7

11,0

16,7

Bezugs - z i f fe r

g u t

S c h u l l e i s t u n g e n

67 83,7 32 68,0 83 63,8 55 58,8

123 63,9 141 71,2 137 64,1

10 100,0 12 62,5

67,6

B e z u g s m a n g e l - s c h l e c h t z i f f e r

h a f t

13,5 2,7 37 28,0 4,0 25 14,9 21,1 47 20,5 20,5 34 18,0 18,0 61 ] 8,7 10,0 80 17,2 18,5 81

- - - - 4

12,5 25,0 8 17,8 I 14,5 377

Tabelle 12. Ausgang und Erkrankungsalter.

g a n g

G LD SD R

DA B1

A gest. gest.

S Sa.

u n ~ r l 6

i,4

),7 1,4

8,3 1,0

16--20

29,8 21,8 16,8 30,9

8,9 20,5 17,5 10,0 25,0 19,0

21- -25 26- -30 "31--35 36- -40

22,3 31,2 22,8 27,2 21,1 31,9 27,0 60,0 16,6 26,7

14,9 17,9 10.4 21,8 12,5 [ 6:2 20,4 18 ,0 14,4 18,1 10,9 3,6 30,0 21,9 9,7 26,2 12,7 3,5 24,0 13,8 i 9,4 30,0 - - [ - - 25,0 I 16,6 [ - - 23,8 15,6 8,0

41- -45 46- -50

4,5 - - 6,2 - - 7,2 - - 3,6 - - 7,3 0,8 4,2 - - 5,1 - -

8,3 - -

5 , 5 0,2

5 1 - - 5 5

0,7

0,2

B e z u g s z i f fe r

67 32 83 55

123 141 137

10 12

660

E in t e i l ung der Berufe is t die gleiche, wie sie in den b isher igen A r b e i t e n de r Ab te i l ung , in denen eine Berufs t ibers ich t gegeben wurde , Ve rwendung l a n d . I ch habe jedoch , da es hier haup t s~ch l i ch d a r a u f a n k a m , den B i l d u n g s g r a d der P r o b a n d e n zum A u s d r u c k zu br ingen , n i ch t nur die E h e f r a u e n u n t e r d e m Beruf des E h e m a n n e s angef i ih r t , sonde rn auch berufs lose TSch te r u n t e r d e m Beruf ihres Va te r s , ebenso berufslose L a n d w i r t s - u n d H a n d w e r k e r s S h n e u n t e r d e m Beruf ihres Va te r s . Gym- nas i a s t en dagegen w u r d e n bere i t s als A k a d e m i k e r gef i ihr t . Realschi i le r g r u p p i e r t e ich als m i t t l e r e B e a m t e ein. W i r e r k e n n e n nun hier in der Tabe l le deut l ich , daft die Akademiker und h6heren Beamten unter den Hebephrenen auffaUend stark vertreten sind, dagegen betrdchtlich geringer unter den Grutrpen K und P. Unter den Katatonen dagegen sind die Landwirte stark vertreten. I ch habe , u m diese VerhMtn i s se noch deu t l i che r zum A u s d r u c k zu br ingen , d ie Tabe l le 14 ange leg t . I n d ieser Tabe l le wurde die Gruppe M for tge lassen u n d im i ib r igen im obe ren Teil d ie G r u p p e n e inander gegeni iberges te l l t , d ie den F a k t o r K n i c h t e n t h a l t e n , u n d diejenigen, die i hm en tha l t en . I n d e r G r u p p e m i t d e m F a k t o r K

Page 41: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 2 1 5

sind bei den M~nnern die Landwirte verh~ltnism~]~ig viermal so h~ufig vertreten. Auch sind hier die angestellten Handwerker fiinfmal so hs ver t re ten wie die angestellten Kaufleute, bei den Gruppen ohne Fak to r K dagegen sind die angestellten Handwerker nicht einmal doppel t so h~ufig ver t re ten wie die angestellten Kaufleute.

" ~

H K P

PH KH PK

M

S a .

Tabelle 13. Beru/e der Probanden der einze

Handwerke~ Kaufleute un4 Beamte un4 Gcwerbe -

Fabrikanten treibende

6,4 1,6 4,1

0,8 0,9 2,0

9,7 7,1

13,9 6,5

10,9 7,4 2,7 7,7

- - - - 19,4 0,8 0,8 5,5 5,7 1,4 1,4 4,1 19,4 2,2 2,2 ]5,2 4,3 1,6 - - 10,1 2,3 4,6 0,9 1,8 13,0 2,0 2,0 8,2 3,4 2,0 1,1 7,6 7,4

In~n klinisch~n Unter/ormen.

~ Landwirte ~ ~

. ~ ~ ~ ~.~ ~ 1 i~ ~ ~

i

6,4 3,2 I __ 20,5 15,0 6,2

19,4 32,2 3,2 31 25,2 4,7 3,9 127 15,3 33,3 1,4 1,4 1,4 2,8 72 21,8 17,4 2,2 2,2 17,4 8,7 46 18,6! 18,6 10,1 I 4,6 20,9 1;6 129 21,3] 31,5 6,5 1,8 4,6 5,6 108 27,227,2 10,2] 3,4 6,8 4,8 147 22,I I 660

I m unteren Teil der Tabelle sind einander gegeniibergestellt die Gruppen, die den Fak to r H enthalten, und die, die diesen Fak to r nicht enthalten. Bei den M~nnern iiberwiegen s tark die Akademiker in den Gruppen mi t dem Fak to r H, und ebenso iiberwiegen v e r h ~ l t n i s m ~ i g die angestell ten Kaufleute . Man kSnnte hier den Einwand erheben, d a ] die Gruppen mi t den] F ak t o r H einer sp~teren Epoche angehSren als die ohne diesen Faktor , und dab in dieser sp~teren Epoche an und fiir sich die akademischen Berufe und die angestellten Kaufleute gegentiber den angestell ten Handwerkern zugenommen haben. Ob dies jedoch zur Erkl~rung der s tarken I)ifferenz ausreicht, erscheint mir fraglich. Zum mindesten das l~berwiegen des K-Fak tors unter den Landwir ten diirfte dami t nicht erkl~rt sein. U m so mehr, als auch eine Bet rachtung der Berufe der Probandenel tern zu gleichen Ergebnissen fiihrt (Tabelle 15). Die reine K-Gruppe zeigt auch hier eine viel hShere Prozentziffer fiir die Landwir te als bei allen iibrigen Gruppen.

Allein auf Grund der Berufsverteilung der Probanden h~tte m a n daran denken kSnnen, dai~ vielleicht gerade die Hebephrcnen vor den ersten Anzeichen ihrer Erkrankung besonders intelligent erscheinen und dab man sie da rum besonders oft fiir das Studium bes t immt . Das scheint durch die Betrachtung der Berufe der Probandenel tern aber bereits in einem MaBe widerlegt, da~ wir hier yon einer Bet rach tung der Berufe der Probandengeschwister, die uns fiber diese Frage eben- falls h~tte eine gewisse Aufkl~rung geben kSnnen, glauben absehen zu kSnnen. Insgesamt verteilen sich die Berufe der Geschwister unserer

Page 42: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

216 Bruno Schulz:

Tabelle 14. Bestimmte

Iannliche Probanden der Gruppen: H+ P +PH K + PK + HK

reibliche Probanden der Gruppen: K + P + P H K + PK + HK

M~tnnliche Probanden der Gruppen: H + PH + HK P + K + P K

Weibliehe Probanden der Gruppen: H + P H + H K P + K + P K

h6here

3,3 0,5

Kaufleute und Beamte Fabrikanten

mittlere

6,7 8,6

untere

2,2 1,0

3,4 16,9 1,8 8,4 3~

0,6 10,1 I 1,9

2,3 5,4 I 0,8

4,3 8,5 1,7 . 11,2 3,4

selb- ange- st~ndige steHte

1,1 14,4 - - 6,1

1,7 5,6 1,2 6,0

13,2 0~ 3,1

2,1 10,7 1,1 4,4

660 P robanden wie folgt : Be a m t e : 61 hShere, 159 mitt lere, 85 untere. Kauf l eu te und Fa b r i ka n t e n : 107 selbst~ndige, 115 angestellte. Hand- werker und Gewerbetreibende : 245 selbst~ndige, 399 angestellte. Arbei ter und I) ienst leute: 298. Landwi r t e : 286 selbsti~ndige, 81 angestellte. Akademiker : 116. Sonstige: 145.

Tabelle 15. Beru/e der Eltern der

Kaufleute ~o= Beamte

H 12,9 2,4

P 1,4 PH - - HK 3,1 PK 2,8 2,8 M 6,8 2,8 Sa. 3,8 I 5,3 BI. 7,8 t2,8

und Fabri- kanten

19,01 3,3 12,9 5,5 6,3 3,I 0,8 7,0 1,4 5,6 - - 6,5 - - 17,4 - - 5,5 4,7 7,0 1,6

1,9 1,9 09 5,4 4,1 0,7 4,0 5,8 [ 0,8

2,8 8,4 0,7

Probanden der einzelnen klinischen Unter/ormen 1.

Handwerker und

Gewerbe - treiben4e

16,1 9,4 19,6 7,1 28,2 18,3 34,8 10,9 25,0 10,9 30,4 20,8 29,3 12,2 26,4 t 12,9 29,7 ] 8,4

3,3 6,4 4,7 46,5 8,4 24,0 6,5 15,2 8,6 25,0 6,5 23,4 6,1 25,8 6,7 27,3

5,6 I 24,1

Landwirte

mm~ I

- - 6,4 9,4 0,8 2,4 4,2 1,4 6,5 2,2

- - 4,7 3,9 0,9 4,6 2,8 0,7 2,8 3,4 0,3 3,7 3,2

31 127 71 46

128 106 147 656

141

~br igens wird m a n auch daran denken miissen, ob n ich t Hebephrene auf dem Lande viel eher in der Famil ie geha l ten werden kSnnen als K a t a t o n e , w~hrend in der S t ad t auch ein Hebephrene r bald der Ansta l ts - behand lung bediirftig wird. I ch habe, um diese F rage wenigstens teilweise

t Die Berufe yon 4 Eltern sind unbekannt.

Page 43: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 2 1 7

Zusammengrupyierungen aus Tabelle 13.

Handwerker und Gewerbetreibende

selb- standige

8,9 3,0

13,6 13,3

0,6 10,1

8,5 14,6

I Arbeiter Landwirte ] und_ I Aka - . Bezugs- Sonstlge Dienst - ~ | demiker leute, selb- ange- I ziffer

ange- - - st~ndige I stellte ] stellte

3,3 11o,o 2,2 2,2 , 2 0 , 0 ] 5 , 6 30 ,8111 ,6 9,6 8,1 i 17,2 I 3,5 10,2 I 42,4 1,7 / - - I 1,7 I 3,4 59 1 0 , 8 1 3 6 , 7 12,0 i -- I 2 ' 4 1 3 ' 6 167

13,4 I I 10,7 - - I 2,1 I 2,1 48 11,8 I I 8,8 I - I 2,2 I 4,0 178

zu k l~ren , a l le u n s e r e F g l l e de r G r u p p e B1 a u f die B e r u f s z u s a m m e n - s e t z u n g i h r e r E l t e r n b e t r a c h t e t . D o c h a u c h bei d ieser G r u p p e , y o n de r m a n a n n e h m e n sol l te , d a b d ie L a n d b e w o h n e r u n t e r i h r v e r h g l t n i s m ~ B i g ebenso z a h l r e i c h v e r t r e t e n se in d i i r f t en wie die S t a d t b e w o h n e r , b l e i b t d ie Z a h l d e r L a n d w i r t e w e i t h i n t e r de r de r L a n d w i r t e d e r r e i n e n K - G r u p p e zu r i i ck (Tabe l l e 15).

Es l~flt sich annehmen, dab auf dem Lande mehr Gelegenheit zu kbrperlichen Verletzungen besteht, und da6 darum dort mehr katatone Erkrankungen sich vor- finden, weil eine durch ein plbtzliches und stark einsetzendes Ereignis ausgelSste Schizophrenie besonders leicht die Form einer Katatonie annimmt.

Doch kann auch konstitutionell (biologisch oder psychologisch) im Landvolk die l~eigung bestehen, besonders leicht gerade kataton auf die Schizophrenie- erkrankung zu reagieren, und in diesem FaUe kbnnte man umgekehrt vermuten, dab das Landvolk mehr als die intellektuelle Schicht eine greifbare Ursache fiir das Entstehen einer Krankhei t verantwortlich zu machen geneigt ist, und dab deshalb bei den Kata tonien so oft kSrperliche Ursachen gefunden wurden (vgl. Tabelle 5).

Wollen wit aber die Frage beantworten, aus welchen Grtinden denn nun gerade beim Landvolk die lNeigung besonders haufig sein soll, kataton zu reagieren, so liefle sich deshalb an kSrperliche bzw. psychologisehe konstitutionelle Momente denken, well die Einwanderung in die Stadt und das Erreichen eines intellektuellen Bendes ja vermutl ich Menschen einer gewissen Konst i tut ion h~ufiger betreffen wird als die einer anderen. Doch kbnnte auch allein der versehiedene Bildungsgrad als solcher die verschiedenen Reaktionen, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, bedingen. ]Die Kata tonie steUt vieUeicht, ~hnlich der Hysterie, eine Primitivreaktion dar, die Hebephrenie mehr die Reaktion des Intellektuellen. Besonders daB der Primitive oft als rein ka ta ton reagierend erscheint, der IntellektueUe neben der katatonen Reakt ion auch noch hebephrene .und paranoide Ziige erkennen l~Bt, dfirfte einleuchten. ]DaB abet auch die etwaige P15tzlichkeit und St~rke des Ein- setzens der Erkrankung die Form der Reaktion bestimmen kann, sei doch noch einmal hervorgehoben, und diese Art des Einsetzens kann sehr wahrscheinlich

Page 44: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

218 Bruno Schulz :

Tabelle 16. Beru]e der Probanden der einzelnen klinisehen

H K P

PH HK PK M

hShere

1

1 2

1 1 1

1

1 3

Beamte

mittlere untere

Kaufleute un4 Fabrikanten

angestellte

3

5 4 1 9 2 1

11 3 1 7 1 3

24 27

- - 1 1

1

2

- - 5 2 1

6 7

selbstRndige

- - 1 1

- - 1

- - 1

- - 3

1 6

5 2 1 7 9 1 7

1 5 2

4 1 5

Sa. 4 8 32 18

Tabelle 17. Altersau]bau der Probanden der

G r u p p e H G r u p p e K G r u p p e P

lebend tot lebend tot

16--20 21- -30 31--40 41- -50 51---60 61- -70 71--80

Sa.

lebend tot

- - 1

- - 3 6 3 8 1 1 3 1 2

17 2 10

1

1

_ _ ] _ _

11 i 10 12 12 5 4

1

I 1 i - -

11 [ 10 16 15

9 8 1 1

. . . . ] . . . . .

2 28 27 38 34

- - 1 3 5

l0 14 1 4

14 24

p

1 1 2 3 2 5 5 5 2 6

- - 2

12 22

auch wieder v o n d e r Kons t i tu t ion abh~ngen, wenm sie auch bisweilen entweder ganz oder bis zu einem gewissen Grade yon den Aul~enumst~nden abhangen wird.

DaB es zum Teil nu r eine Funk t ion des Milieus ist, ob der organische kata toni - sche ProzeB in ka ta tonen Symptomen in Ersche inung t r i t t , dieser Ansicht is t auch Bleuler 1. Er weist auch auf die verschiedene H~ufigkei t der Ka ta ton ien mater den Schizophrenen verschiedener Gegenden h in 3. Allerdings g ib t er an (vielleich* auf Grund der Mittei lungen Kraepelins a oder auch auf Grund anderer Beob- ach tungen ?), dab un te r den Weil3en im al lgemeinen mehr Ka ta ton ien seien al~ un t e r den Negem mad Malaien. Das wiirde unserer eben ge~uBerten Annahme, dab die Ka t a t en i e die Reaktionsweise der P r imi t i ven sei, widersprechen. Auch auf die Befunde von Cunha Lopes 4 sei in diesem Zusammenhange hingewiesen. E r fand, allerdings an einem kleinen Material , verhMtnism~13ig annahernd gleich viel K a t a t o n i e n bei Weil3en, Negern und Mestizen 5.

1 Bleuler: Z. /%ur . 124, 623 (1930). ~ 1. c. 639. Kraepelin: Allg. Z. Psychiatr . 61, 882 (1904). [Gans jedoch fand un te r geistes-

k ranken J a v a n e r n typische kata tonische Symptome immerh in ebenso h~ufig wie in euro l~ischen Anstal ten. Miinch. med. Wschr . 69, 1503 (1922).]

Lopes, Cunha: Anais da assistencia a psicopatas, 1931. Rio de Janei ro 1932. a Vgl. zu der ~rage der verschiedenen )~uBerungsformen der Psychosen bei den

verschiedenen Entwicklungsstufen auch Lange: , ,Fragestel lungen der vergleichenden Psychiatr ie . Entwicklungspsychiatr ie" . Z. Neur. 127, 667 (1930).

Page 45: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie.

Untergruppen, au/geteilt nach Geschlechtern.

219

Handwerker und Gewerbetreibende

~_rbeiter un4

Dienst- leute

Landwirtc 2 ~ . k a -

demiker Sonstige selbst~ndige angesteUte

2 9 7 7 1 1

3 lO 3

16 [ 33

- - 2 7 19 5 19 4 4 8 15 7 27

12 28

43 114

selbst~ndige angestellte

1 - - 7 12 8 - - l - - 1

- 1 1 - - 9 4 6 - - 3 4 2 - - 2 3 5 - -

33 24 23 - - 111

10 - - 5 1

1 8 - -

26 2 3 2 7 3

59 9

6 26 6 5 6

10 21 3 14 9 29 11

35

einzelnen ]clinischen Untergruppen.

I - -

3 2 1 1 3 1 2 2 4 3 4

15 12

Grupoe PH

lebend

e l *

- I

1

29

tot

3 3 1 3 4 - - 2

I - - 1 - -

8 8 1

GrUPlae HK

leben4 tot

2 2

20 t 3 17 14 21 4 24 8 4 1

5 1 1 1 1

46 23 48 12

Gruppe P K

leben4 ] tot

I

1 ! 3 1 5 6 ~ 8

10 16 4 13 9 l0 2 5 3 8 1 3

23 39 14 32

Gruppe M

leben4 I - - tot

I

8 5 12 15 16 i 15 19 16 8 i 5 10 8 1 1 5 2 1

46 41 34 26

Viel leicht k 6 n n t e m a n zur K l s dieser F r a g e n etwas bei t ragen, wenn m a n u n t e r den als N a c h k o m m e n yon Baue rn geborenen Schizo- p h r e n e n d i e j en igen a u f die I-I~ufigkeit von H e b e p h r e n i e bzw. K a t a t o n i e un te rsuch te , die j u n g in die S tad t e inwander ten , u n d sie in dieser Beziehung m i t d e n e n vergliche, die auf dem Lande gebl ieben sind. Es miiI~ten d a n n a l lerdings in beidcn Gruppen n u t solche FMle g e n o m m e n werden, bei d e n e n jedes e rkennbare auslSsende exogene Momen t fehlte, u n d beide G r u p p e n mi iBten etwa das gleiche E r k r a n k u n g s a l t e r haben .

N ich t in bezug auf die Ver te i lung der P r oba nde nbe r u f e auf die e inzelnen k l in i schen U n t e r g r u p p e n , sondern in bezug auf die H~uf igkei t der e inze lnen Be ru f sg ruppen in dem gesamten P r o b a n d e n m a t e r i a l sei auf 2 P u n k t e hingewiesen. P u n k t 1: Wir f inden in Tabel le 13 nu r 7 selbst~ndige Kauf l eu t e , ja, r ichtiger gesagt, sogar nur e inen se lbs ts K a u f m a n n , da die 6 ande ren in der Tabel le angef i ih r ten F~lle, wie eine Nachprf i fung ira e inze lnen ergab, nu r TSchter selbst~ndiger Kauf l eu t e sind. Man k a n n d a r a n denken , da~ die sp~ter Schizophrenen in der Zei t vor ihrer E r k r a n k u n g berei ts so gear te t sind, dab sie sich sel ten de m K a u f m a n n s b e r u f e zuwenden u n d vor ahem nu r sel ten Se lbs t~ndigkei t

Page 46: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

~20 Bruno Schulz:

in ihm erstreben. Man wird aber vor allem auch das friihe Erkrankungs- alter berficksichtigen miissen, das es den Probanden oft unmSglich macht, im Kaufmannsberuf zur Selbstandigkeit zu gelangen. Unter den Eltern unserer Probanden sind jedenfalls mehr selbstandige Kaufleute als Luxenburger und ich in der yon uns untersuchten Durchschnitts- bevSlkerung fanden. Punkt 2: Aus Tabelle 16, die die Berufe der Pro- banden in ihrer Verteilung auf die Geschlechter zeigt, geht hervor, dab bei den Frauen die Zahl der Arbeiter und Dienstleute und die Zahl der angestellten Handwerker verglichen mit den entsprechenden Ziffern bei den Mannern etwa im reziproken Verhaltnis zueinander stehen. Das ist vor allem auf die grol3e Zahl der Dienstmadchen unter der Gruplae der Arbeiter und Dienstleute zurfickzufiihren; sie diirften zum groBen Teil denselben Kreisen zugehSren wie die angestellten Handwerker.

Tabelle 17 gibt einen ~berbliek fiber den Altersaufbau der Probanden der einzelnen klinischen Untergruppen, Tabelle 18 einen solchen fiber die Todesursaehen dieser Untergruppen. Die Zahl der dureh Suicid Gestorbenen ist hier etwas hSher als in den bisherigen Tabellen ver- merkt ist. Das kommt daher, dal3 bisher in dieser Arbeit als durch Suicid Gestorbene nur die geffihrt wurden, die weniger als 10 Jahre nach Beginn der Krankheit Selbstmord veriibt haben. Hier dagegen kommen noeh einige FMle hinzu, die sieh mehr als 10 Jahre nach Erkrankungsbeginn suicidiert haben. So erhalten wir im ganzen 13 Manner und 1 Frau. Wenn auch in der DurehschnittsbevSlkerung die Manner mehr Selbstmord verfiben als die Frauen, so ist doch hier die Zahl der Manner gegenfiber der der Frauen ganz besonders hoch. Das mag daher kommen, dal3 in der DurehschnittsbevSlkerung der Grund des Selbst- mordes bei Frauen haufiger als bei Mannern in unglficklicher Liebe zu suchen ist, dal3 dieser Grund jedoch bei Sehizophrenen aus den ver- schiedensten Ursachen nicht so haufig ist.

Tabelle 18. Tode~ursachen der Probanden der einzelnen klinischen Untergruppen.

L ~ T u b e r - ~ ~ k u l o s e

21 22 P 5 11

PH 1 1 I-IK 30 7 PK 11 23 M 19 17 Sa. 92 82

G e w a l t - s a m e r T o d z

J 2 2

6 2 1 4

1 - -

1 - - 4 5 _

u T 18 2

H e r z - l e i d e n

3 3 1 1 2

1

2 15 9

H i r n - s c h ] a g

Carcinora D iabe te s Sonst iges Un- b e k a n n t

1

2 7

i

1 3

i l I

2 3

3 1

- - 1

3 1 7 8 1 - - 2 3 1 - - 4 9 4

. . . . . I - - 33 24 2 1 - -

1 Hierunter 14 Suicide. 2 Hierunter 1 Gefallener. 3 ~tierunter 2 Gefallene. 4 Verungliickter. 5 Hierunter 1 Gefallener und "1 Verungliickter.

Page 47: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 221

Besonderes Interesse besitzt ffir uns die tI~ufigkeit der Todesf~lle an Tuberkulose. Ohne Rfieksieht auf den Altersaufbau gibt TabeUe 19 einen kurzen ~[berbliek fiber die Tuberkulosesterblichkeit. Nur auf die Verstorbenen bezogen linden wir die hSehste Tuberkulosesterblichkeit in der Gruppe P K , H K und K, insgesamt also bei den Gruppen mit einem K.Anteil eine h6here als in den Gruppen ohne K-Anteil. ])as n immt uns nicht wunder. Eher kSnnte uns wundern, da]~ nieht gerade in der reinen K-Gruppe die hSehste Prozentzahl anzutreffen ist. Aber yon den reinen K-F~llen sterben eine besonders groBe Zahl an interkurrenten Krankhei ten, so nicht wenige an Schluck- pneumonie infolge Ffi t terung usw.

l~brigens ist aueh dann, wenn wit die Zahl der an Tuberkulose Gestorbenen auf alle Probanden (lebende und tote) bezie- hen, die Tuberkulosesterbliehkeit bei den Knnische

U n t e r - F~llen mit einem K-Antei l besonders hoeh. ~ormen tI ier ist sie sogar bei der reinen K-Gruppe am h5chsten.Wir werden sp~ter bei Betrach- t t tung der Geschwisterschaften und Eltern- K schaften (S. 226 f. und 257) fiberprfifen, P ob die hohe Sterblichkeit an Tuberkulose PH HK dureh das ungesundere Verhalten der Ka ta - PK tonen w~hrend ihrer Psychose bedingt ist, M oder ob etwas daffir sprieht, dal~ die gleiehe Sa. Ursache, die die Psychose in Gestalt einer

Tabelle 19. Tuberkulosesterblich- ]celt der Probanden der einzelnen

klinischen Untergruppen.

To4esfO, l le a n T u b e r - k u l o s e , b e z o g e n a u f

a l le I a l le g e s t . P r o b a n d e n P r o b a n 4 e n

% %

20 50 33 60 224 47

22 29 63 31 74 25 61 26,5 59,9

Kata tonie verlaufen ls sie auch unmit te lbar besonders anfgllig gegen- ~ber der Tuberkulose maeht . Wgre dies der l~all, so mfiBten wir dami t rechnen, unter den Gesehwistern gerade der Ka ta ton ien eine be- sonders hohe Tuberkulosesterblichkeit zu finden.

VII I . (Jberbliclc iiber die Probandengeschwister.

1. Schizophrenieh4"ufigkeit und klinische Unterformen der Schizophrenie unter den Geschwistern der einzelnen nach klinischen Unterformen gebildeten Probandengruppen und Tuberkulosesterblich]ceit in den Geschwisterschaften dieser Probandencjruppen. Wir betrachten nun die Probandengeschwister. In der Mehrzahl der bisherigen Arbeiten der Abteilung haben wit iiber die Verwandten der Probanden Tabellen gebracht, in denen in absoluten Ziffern ein l~berblick fiber s/~mtliche Personen des in ~rage stehenden Verwandtschaftsgrades, aufgeteilt nach Alter, Gesehlecht, psyehischen Anomalien, Lebenden und Versterbenen, gegeben wurde. Solehe Tabellen sind ffir diese Arbeit ebenfalls angelegt, es wurde jedoeh aus Raumgrf inden wegen ihrer grol3en Anzahl yon ihrer Wiedergabe abge- sehen. Wir geben s ta t t ihrer Tabellen, die nur die kerrigierten Prozent- ziffern der Schizophrenien, die sich unter den Geschwistern der einzelnen

Page 48: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

0.22 Bruno Schulz :

P robandengruppen linden, enthal ten, und geben die entsprechenden Be- zugsziffern fiir die Berechnung der jeweiligen korr igier ten Prozentziffern.

Die Bezugsziffern wurden - - nach dem abgeki i rz ten Verfahren Weinbergs ~ in der Weise gebildet, dal3 die Probandengeschwis ter , die beim Ausscheiden aus der Beobach tung zwischen 16 und 40 Jahre al t waren, halb gez&hlt wurden, die nach dem 40. J ah re aus der Beob- ach tung Geschiedenen rol l gez/~hlt warden. Die un te r dem 16. J ah re ausgeschiedenen Probandengeschwis ter wurden gar n ich t beriicksichtigt 1

Tabelle 20 zeigt bei den nach klinischen Un te r fo rmen gebildeten Probandengruppen die Prozentzahl der un te r den Geschwistern gefundenen ,,sicheren" Schizophrenien, auch diese wieder nach ihren ldinischen Unter - formen aufgeteil t 3, sie zeigt ferner die Zahl der auf Schizophrenie ver- d/ichtigen Probandengeschwis ter a; in der le tz ten Spalte sind die fiir jede Probandengruppe aus der jeweiligen Geschwisterzahl errechneten Bezugsziffern angefiihrt .

Tabelle 20. Sekunddr/dlle unter den Geschwistern der einzelnen klinischen Untergruppen a.

Pro -

b a n d e n - g r u p p e

H K P

PH HK PK M

Sa.

H

3,0 (02) (0,4)

1 K

(1,5) ! 1,6 1(0,4)

2,1 (0,7) 0,5 1,1 - - 2,2 0,9 2,9 0,7 I 1,7

S e k u n 4 a r f a l l e

PH HK

(1,5) 0,4 1,3

(0,7) 1,6

(0,3) (0,2)

I 0 ,8 r

PK

Summe der

- - 3,0 0,4 0,8 - -

(0,7) (0,7) (0,2) (0,2) 0,9 (0,3) 0,9 0,2)

I 0 ,7 I 0,3

s i che ren s iche- u n 4 u n -

M r e n s i c h e r e n F ~ l l e F ~ l l e

4,5 4,5 1,1 1,4 1,3 0,8

1,1 5 0,9 1,9 0,9 0,9 1,1 I 1,4

18,0 5,1 5,4 4,9 6,6 8,7 6,9 6,7

19,5 7,4 7,0 5,6 7,5 8,7 9,4

i 8,2 H~ufigkeit der einzelnen klinischen Untergruppen der

Schizophrenie in der DurchschnittsbevSlkerung

o,08i 0,22r 0,081 0,04[ 0,091 0,14/ 0,181 o,85

Bezugs . z i f f e r

66,5 419,5 226,5 140,5 364,5 309,0 433,0

1959,5

Die Prozentzahl fi~r Schizophrenie i~berhaupt ist unter den Geschwistern aller Gruppen, mit Ausnahme der Gruppe H, ann~ihernd die gleiche. Aus

z N&heres hieriiber siehe in Ri~dins Dementia praecox-Arbeit und S. 244f. vorliegender Arbeit.

2 Die Aufteilung der schizophrenen Probandengeschwister in die einzelnen Gruppen erfolgte ohne Kenntnis ihrer FamilienzugehSrigkeit.

a N&heres fiber diese Schizophrenieverd~chtigen siehe S. 253 vorliegender Arbeit. - - Nicht in den Tabe]len 20 und 21 ausgeftihrt (und auch in den folgenden Tabellen nieht als Sehizophrenien aufgeffihrt) sind ein Fall yon Paranoia, Geschwister eines Probanden (708) der Gruppe P, und ein Fall yon Querulantenwahn, Ge- schwister eines Probanden (884) der Gruppe M.

4 Die eingeklammerten Prozentziffern beziehen sich auf nur je einen posi- riven Fall.

Page 49: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 29,8

der Kasuistik ist zu entnehmen, dab yon den Sekund~rfAllen der H- Probanden einmal 3 FMle und einmal 2 FAlle je der gleichen Gesehwister- sehaft angeh6ren. Aber selbst wenn wit auf Grund dessen s ta t t der 12 SekundArfAlle nur 9 F~lle in Reehnung setzen wiixden, blieben s t a t t der 18% immer noeh 13,5%, also eine mehr als doppelt so hohe Ziffer wie bei den anderen Gruppen. Dabei kommen bei den anderen Gruppen ja auch F~lle mit mehr als einem Sekund~rfall vor.

Ieh habe hier zun~ehst davon abgesehen, die Probanden nach dem Betroffensein oder ~reisein der Eltern yon Sehizophrenie zu gruppieren. Abet die hohe Zahl yon 18% ist nieht etwa darauf zurfiekzufiihren, dM3 bei vielen Probanden der H-Gruppe nun ein Elternteil sehizophren ware. Es ist ein Proband darunter, bei dem dies mit Sieherheit der Fall ist, aber gerade dieser Proband besitzt unter seinen Gesehwistern keinen Sekund~rfall. Vielleicht ist auch die Mutter des P robanden schizophren, der die eben erw~hnten 3 schizophrenen Geschwister ha t (Prob. 134). Doeh ist das fraglich, und selbst in diesem Falle ware ja aueh dadurch die hohe Ziffer nicht erkls (vgl. hierzu aueh sp~ter S. 251f. dieser Arbeit).

Ich daehte nun daran, dab etwa diejenigen Gesehwister der Hebe- phrenen, die zur Schizophrenie neigten, weniger zu Selbstmord neigen als die entsprechenden Gesehwister der anderen klinisehen Untergruppen. Ich habe daher die Zahl der Selbstmorde unter den verstorbenen Probandengesehwistern der einzelnen Gruppen ausgezAhlt. Wir erhal ten leider, und zwar schon wegen der Kleinheit der Ziffern, kein brauehbares Ergebnis.

Es starben im Alter von 11--60 Jahren in den Probandengruppen

I Von allen Probandengeschwistern Davon starben an Selbstmord.. ]

H K

__18 11~ P

71 H P H K P K

128 7

])er Abstand zwischen der Belastung der H-Gruppe und den anderen Gruppen ist hSher als der einfache mittlere Fehler, h~lt aber den drei- fachen nicht aus. Der Unterschied kann also nicht als gesichert gelten, fordert aber zu einer Nachpriifung an einem grSl3eren Material auf.

Etwas auffAllig m a t ferner sein, dal3 gerade die Gruppe PH, die der Gruppe H in bezug auf das klinisehe Bild recht nahe steht, eine besonders geringe Belastung aufweist; auch die Gruppe P zeigt sich gering belastet.

Besteht nun eine Korrelation zwisehen den einzelnen klinischen Untergruppen etwa in der Weise, dab z. B. unter den Gesehwistern der Probanden der K-Gruppe Sekund~rf~lle, die die Form der simplen Hebephrenie haben, h~ufiger vorkommen als in der Durehsehnit ts- bevSlkerung und umgekehrt ? Es ware ein Vergleich mit der HAufigkeit

Page 50: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

224 Bruno Schulz:

dieser klinischen Unterformen in der DurchschnittsbevSlkerung nStig, um diese Frage zu beantworten.

Wir wissen aus anderen Untersuchungen, daft die Schizophrenie in der DurchschnittsbevSlkerung etwa zu 0,85 % vorkommt 1. (Auch wieder im Sinne der in dieser Arbeit nach dem abgekiirzten Verfahren errech- neten Schizophrenieh~ufigkeit.) Die Schizophrenief~lle, an Hand deren diese Ziffer errechnet wurde, sind jedoch zu wenig zahlreich, als dab wir die klinischen Unterformen, denen diese l~l le zugehSrten, als Mal3stab der H~ufigkeit dieser Unterformen in der I)urchschnittsbevSlkerung ansehen kSnnten. Wir miissen daher wohl oder iibel die Verteilung der Sekund~rf~lle im Material vorliegender Arbeit auf die klinischen Unter- gruppen als MaBstab fiir die Verteilung klinischer Untergruppen der Schizophrenie in einer DurchschnittsbevSlkerung benutzen. Das ist theoretisch zwar nicht korrekt, diirfte abet praktisch ann~hernd der Verteilung der Schizophrenief~lle einer I)urchschnittsbevSlkerung auf die k]inischen Untergruppen entsprechen. Aus Tabelle 22 geht hervor, da~ yon unseren Sekund~rf&llen die H-F~ le etwa den 10., die K-F&lle den 3,8. Teil ausmachen. In der DurchschnittsbevSlkerung h~tten wit also demnach (0,85 : 10 = ) 0,085% H-F~ le und (0,85 : 3,8 = ) 0,22% K-F&lle zu erwarten. Auf die gleiche Weise errechnen wir die I-I~ufig- keitsziffern fiir die iibrigen klinlschen Unterformen in der Durchschnitts- bevSlkerung. Sie sind wiedergegeben in der untersten Reihe der Tabelle 20.

Bei einem Vergleich nut dieser Prozentziffern sehen wit nun jede Probandengruppe betr~chtlich mehr mit Sekundfixfs jeder klinischen Unterform belastet als die DurchschnittsbevSlkerung, wenigstens soweit eine Unterform yon Sekund~rf~llen iiberhaupt bei der betreffenden Probandengruppe auftri t t . Aber wo immer auch nur ein Fall auftri t t , wird er bei der kleinen Bezugsziffer der Gruppen vorliegender Arbeit eine hShere Prozentziffer ergeben miissen, als sich ~ die Durchschnitts- bevSlkerung findet. Wit haben daher in der Tabelle 20 alle Prozent- ziffern, die sich auf nur einen Fall stiitzen, eingeklammert. So verliert das Auftreten yon 1,5% K-Sekund~rf&llen in der H-Gruppe (gegeniiber 0,22% K-F&llen in der DurchschnittsbevSlkerung) etwas yon seiner Bedeutung; und ebenso das Auftreten yon 0,2% H-F~llen in der K-Gruppe (gegeniiber 0,08% in der I)urchschnittsbevSlkerung).

Immerhin t reten in der H-Gruppe auBer den 1,5% K-F&llen auch 4,5% PK-Fs auf, also ebenfalls F&lle, die den Fak tor H nicht ent- halten. In der K-Gruppe dagegen finden sich auBer dem einen H-Fall --~ 0,2% zwar 0,4% P-F&lle aber kein PH-Fal l - - um auch hier wieder die F&lle heranzuziehen, die den Faktor der Probandengruppe nicht enthalten. Auch in der PK-Gruppe finder sich kein H-Sekundiixfall. Dennoch darf man wohl, soweit die kleinen Ziffern einen Schlufl zulassen,

1 Z. Neur. 112, 483 (1928).

Page 51: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 225

behaupten, daft die einzelnen Gruppen untereinander gegeniiber der Durch- schnittsbevSlkerung in einer Tositiven Korrelation stehen.

Tabelle 21. Prozentuale Verteilung der 8ekundgr/dlle au] die ldinisvhen Untergru,trpen bei den nach klinischen Unter/ormen gebildete~ ProbandengruTTen.

p r o - Sekund~rf~l le Bezugs* b a n d e n - z i f fe r g r u p P e n H K p P H H K P K 1~

H K P PH HK PK M Sa.

4,4 8,3

42,9 8,0

12,9 9,9

8,3

8,3 14,3 16,0 33,3 41,9 25,9

14,3 4,0

14,3 12,9 9,9

16,6

14,3 4,0 4,7 3,2 4,5

8,3 8,8

24,9 14,3 24,0 4,7 3,2

11,4

24,9 21,7 24,9

16,0 14,2 12,9 16,7

24,9 26,1 16,3

28,0 28,5 12,9

21,3

12 23 12 7

25 21 31

131

Tabelle 21 gibt die prozentuale Verteitung der klinischen Unterformen der Se]cunddrfdlle bei den einzelnen Probandengruppen wieder. Wenn wir in dieser Tabelle nut die 3 reinen Gruppen betrachten (s tark eingerahmt in der linken oberen Ecke), so finden wit aUerding8 eine deutliche Korre- lation. Aber diese Korre la t ion finden wit nicht mehr bei Einbeziehung auch der gemischten Probandengruppen und gemischten SekundfixfMle. Zwar wiirde mich weniger stSren, dab die Form P H eine so sehr starke Korrelat ion zur H - F o r m zeigt. Einmal kSnnte man schon auf Grund der klinischen Bilder daran denken, dab beide Gruppen vielleicl~t fiber- haupt zusammengeh6ren; dann aber sind bier in unserem Falle die hohen Ziffern zum betrAchtlichen Teil gerade durch die eine, bereits mehrfach genannte Famil ie 134 bedingt, in der 4 schizophrene Geschwister ~rorkommen 1, d~runter 2 Probanden. Gar nicht zu erkliixen weiB ich jedoch die hohe Ziffer fiir die HK-Sekund~rfiille in der Probandengruppe P (die Ziffer 24,9 ist mi t der Ziffer 11,4 in der gleichen senkrechten Spalte zu verg]eichen !); die M-Sekund~rf~lle zeigen ebenfalls keine Korrelat ion zur Probandengruppe M, auch verteilen sic sich verh~ltnisms ungleich- m~13ig auf die fibrigen Gruppen.

In Tabelle 22 ist die prozentuale Verteilung auf die einzelnen klinischen Unter formen sowohl fiir unsere Probanden wio fiir unsere Sekundi~rf~lle dargestellt . Wie ersehen aus dieser Tabelle gleichzeitig, daft die einzelnen Formen bei Probanden und Sekund~rf(iUen ann~ihernd im gleichen VerMiltnis vertreten sind. Ffir die Erkl~rung der st~rksten Differenz liel~e sich sagen, da~ ich bei den Sekundiixf~llen leichter bereit war, F~l]e yore Charakter H K den reinen Gruppen K oder H zuzu- ordnen, als bei den Probanden.

1 Drei dieser Geschwister sind angefiihrt im Nachweis S. 282 und 292. Z. f. 4. g, N e u t . u . P s y c h . 143. 15

Page 52: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

226 Bruno Schulz:

Tabelle 22. Verteilung der Probanden- und Selcunds auf die klinischen Unter/o'rmen.

K l i n i s c h e U n t e r g r u p p e n

H K P

PI-I BK PK M

Sa.

Absolu te Zahlen

Sekund~r- P r o b a n d e n fhUc

31 13 127 34

72 13 46 6

129 15 108 22 147 28 660 131

P r o z e n t z a h l e n

P r o b a n d e n Sekund~tr- fhlle

4,7 9,9 19,2 25,9 10,9 9,9 6,9 4,5

19,5 11,4 16,3 16,7 22,3 21,3 99,8 99,6

Divisionen, anges te l l t zur B e r e c h n u n g dcr H h u f i g k e i t tier klini- schen U n t e r f o r m e n dcr Schizophrenie in tier

Durchschn i t t s - bev~ lke rung

131 : 13 = 10,0 1 3 1 : 3 4 = 3,8 131 : 13 = 10,0 131 : 6=21 ,8 131 : 15= 8,7 131:22 = 5,9 131 : 28 = 4,6

I s t nun auf diese Weise nur eine geringe positive Korrelation zwischen den einzelnen klinischen Untergruppen gefunden worden, ist ferner auch im ganzen die Belastung der einzelnen klinisehen Untergruppen (bis auf die sti~rkere der kleinen H-Gruppe) als ann~hernd gleieh gefunden worden, so wollen wit nunmehr priifen, wie die Tuberkulosesterbliehkeit in den einzelnen klinisehen Untergruppen sieh verhs Wir wissen, dal~ Kolle unter den Verwandten seiner Paranoiker trotz starker Sehizo- phreniebelastung nut eine goringe Tuberkulosesterblichkeit land. Wie steht es in dieser Beziehung z .B . mit unserer P-Gruppe (Dementia paranoides) im Gegensatz zu unserer K-Gruppe ?

Die Berechnung wurde im Anschlul~ an Luxenburger 1 in Tabelle 23 in der Weise durchgefiib_rt, dal~ yon allen zwischen 11 und 60 Jahren {bzw. in einer zweiten Berechnung zwisehen l l und 40 Jahren) gestorbenen Probandengeschwistern die Geisteskranken und gewaltsamen Todes Gestorbenen abgezogen wurden; diese wurden dann natiirlich aueh unter den an Tuberkulose Verstorbenen nieht angefiiahrt. Die einzelnen klinisehen Untergruppen weisen gewisse Differenzen auf. Am geringsten ist die Tuberkulosesterbliehkeit der Gruppo H; am h6chsten jedoeh nieht, wie man vielleicht erwartet h~tte, die der Gruppe K - - wenigstens nieht bei der zweiten Bereehnungsart - - , sondern die der Gruppe P. Allgemeingiiltigkeit werden die Differenzen bei den k]einen Bezugs- ziffern nicht besitzen.

Attffs war mir, dab die Tuberkulosesterbliehkeit unseres Materials im ganzen {34,8% bzw. 44,4%) hinter der entsprechenden des Luxen- burgerschen Materials (46,7 % bzw. 54,6%) zuriickblieb. Ich hielt es fiir mSglieh, dab das darauf zuriiekzufiihren sei, dab sieh unter meinen Geschwistersehaften mehr Geisteskranke befinden als unter denen Luxenburgers. Nach der obigen Bereehnung wurden ja solche Geschwister

1 Luxenburger: Z. Neur. 109, 313 (1927).

Page 53: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 227

Tabelle 23. Tuberkulosesterblichkeit unter den Geschwistern nach Abzug der Geisteskranken oder gewaltsamen Todes Gestorbenen. Au/teilung nach

klinischen Unter]ormen.

. ~ "~o~

o ~ ~ i:.~

~66z

O~oo

H K P PH HK PK M

Sa.

18 119 77 34 86 97

129

560

8 52 25 10 47 36 52

230

10 67 52

1 24 1 39

61 77

330

1 27 21

7 7

22 30

115

10,0 40,3 40,3 29,1 17,9 36,0 38,9

34,8

14 87 45 21 63 67 95

392

6 44 15 9

38 30 43

185

8 43 30 12 25 37 52

207

1 12,5 20 46,5 18 60,0 6 50,0 6 24,0

17 45,9 24 46,1

92 I 44,4

d a n n n ich t ber i icksicht igt . Ich habe da rum in Tabel le 24 die Geistes- k r a n k e n n i c h t y o n der Gesamtzah l der Ges torbenen abgezogen u n d demen t sp rechend auch u n t e r den an Tuberkulose Ges to rbenen die an Tuberkulose ges to rbenen Geis teskranken n ich t abgezogen. Wi r e rha l ten auf diese Weise fiir das gesamte Material 37,7 % bzw. 46,4%. Auf die gleiche A r t e r rechne t sich aus dem Material Luxenburgers 45,1% bzw. 52,8 %. E ine geringe Ann&herung ist also erfolgt. I m i ib r igen ist zwischen den e inzelnen U n t e r g r u p p e n meines 1V[aterials bei E inbez i ehung der ge is teskranken Ges to rbenen die Differenz ebenfalls ger inger geworden, so daft man angesichts der k le inen Bezugszif fern wohl von annS, hernd 9leicher Tuberkulosesterblichkeit i n den einzel~en klinischen Untergruppen spreche~ kann. - - Auch die Verschiedenhei t gegeniiber den Ziffern Luxenburgers ist wohl so gering, dal~ nach besonderen Erkl/~rungen fiir sie n i ch t gesucht zu werden b rauch t .

TabeUe 24. Tuberkulosesterblichkeit unter den Geschwistern nach Abzug der gewaltsamen Todes Gestorbenen. Au/teilung nach klinischen Unter]ormen.

H K P

PH HK PK M

Sa.

O I a~o

18 119 77 34 86 97

128

560

i . 7 ~ ~ o -~

.%= ~e

~o

1 37 13 6

33 23 31

144

17 82 64 28 53 74 98

416

6 35 26

7 14 28 41

157

35,3 42,6 40,6 25,0 26,4 37,8 41,8

37,7

14 87 45 21 63 67 95

392

1 35

8 6

30 19 28

127

13 52 37 15 33 48 ] 67

265

5 26 21

6 10 22 33

123

15"

0~

38,4 50,0 56,7 40,0 30,3 45,8 49,2

46,4

Page 54: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

228 Bruno Schulz:

2. SchizophrenieMiufigkeit und nach dem Ausgang gebildete Gruppen der Schizophrenie unter den Geschwistern der einzelnen nach dem Ausgang gebildeten Probandengruppen. Tabelle 25 g ib t en tsprechend der Tabelle 20 die Prozentzahlen der Sekunds un te r den Geschwistern der Pro- banden wieder, wenn beide, Sekund~rfi~lle wie P robanden , nach dem Ausgang ans ta t t nach klinischen U n t e r g r u p p e n aufgetei l t werden.

TabeUe 25. Sekunddr]dlle unter den Geschwistern der einzelnen nach dem Ausgang gebildeten Gruppen 1.

P r o - b a n d e n - g r u p p e n

G 1,2 LD SD 0,7 R

DA B1 0,7

A gest. (0,2) gest. u.S. - -

Sa. I 0,4

L D S D

0,6) 0,6) - - (0,9) - - (0,4) 1,8 (0,6) 0,6 1,1 1,0 0,7 0,7 2,1

(1,5) - - 0,7 [1,0

S e k u n d a r f a l l e S u m m e 4 e r

R D A

- - ( 0 , 6 )

i(o,9) 1,8 ~ - - 1 , 1

~ (0,6) - - 0,8 0,8 1,0 0,7

I - - 1,1 i 3 , 0 - -

' ,0,5 0,8

B1

3,6 (0,4) 1,2 1,1 1,9 1,4

11,3

g e s t . g e s ~ : u .

(0,6) (0,6) 1,8 (0,9) 1,5 - - 1,8 - - 0,8 - - 1,4 (0,2) 1,8 0,7 4,6 - - 1,5 [ 0,3

s i che re~ s i c h e - u n d u n .

r e n F a l l e s i e h e r e n

F ~ l l e

4,2 5,4 9,9 10,8 4,11 7,7 6,01 7,8 5,2 7,1 7,6 7,6 8,0 9,6 9,1 12,1 6,5 1 8,1

H~ufigkeit der nach dem Aus :ang verschiedenen Gruppen der Schizophrenie in der DurchschnittsbevSlkerung

B e z u g s z i f f e r

162 110 274,5 163 355,~ 405 425

64,5 1959,5

0,04 I 0,09 J 0,1l J 0,07 [ 0,11 1 0,161 0,19 I 0,04 1 0,85

Die Gruppe G zeigt sieh im ganzen weniger belas te t als die Gruppe LD. Man wiirde daraufhin ve rmuten kSnnen, dab un te r den P r o b a n d e n der Gruppe G besonders viele Nichtschizophrene sind, u m so mehr als bei den Geheilten die Diagnose Schizophrenie ohnehin immer besonders leicht Zweifeln begegnen wird. Aber auch die Gruppe SD zeigt nur 4,1% Schizophrenie unter den Geschwistern, und bei dieser Gruppe wird m a n an sich k a u m Zweifel an der Diagnose haben. Das liel~e auch die nu r 4,2 % Belastung der Gruppe G verh&ltnism~i3ig bedeutungslos erscheinen 2

Tabelle 26 entspr icht der Tabelle 21. Die deutl iche Korre la t ion zwischen geheilten P robanden u n d geheil ten Sekund~rf~llen war mir Anlal~, die geheilten Sekundi~rf~lle noch e inmal genau daraufh in zu be t rach ten , ob es sich bei ihnen auch ta ts~chl ich u m Schizophrenien handle. Auf Grund dieser Be t r ach tung mSchte ich aber meine Diagnose, soweit m a n f iberhaupt geheilte Schizophrenien anzunehmen bereit ist, aufrechterhal ten . (Siehe die Geschwister zu Prob. 78 und Prob. 60 im I~achweis S. 292.)

1 Die eingeklammerten Prozentziffern beziehen sich auf nur je einen posi- riven Fall.

2 Vgl. hierzu jedoch S. 267.

Page 55: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 229

Tabelle 26. Prozentuale Verteilung der Sekunddr/dUe au/ die nach dem Ausgang gebildeten Untergruppen bei den nach dem Ausgang gebildeten Probandenyruppen.

P r o - banden- gruppen

G LD SD R

DA B1

A gest. ~est. u. S.

Sa.

G

28,6

18,2

9,4 2,9

6,1

Sekund~rfalle Bezugs- I LD I sD I B1 I A gest. lgest, u.S. ziffer

14,3

30,0 10,5 12,5 8,6

16,7 10,7

14,3 9,1 9,1

10,0 i21,1

9,4 25,7

15,3

R I D A

- - 14,3 9,1 18,2 - - 27,2

10,0 15,7 15,7 12,~ 9,4

14,3 33,3 8,4 12,9

36,3 9,1

20,0 21,1 25,0 17,1

]9,1

14,3 14,3 18,2 9,1 35,4 30,0 15,7 18,7 3,1 22,8 8,6 50,0 22,9 4,5

7 .

11 11 10 19 32 35

6 131

I m fibrigen sehen wit , daft der Ausgang der Krankheit bei schizophrenen Geschwistern keineswegs auch nur in der Regel der g~eiche ist. Die G r u p p e L D ze ig t besonders viel v e r b l 6 d e t e Geschwister , die Gruppe B1 ze ig t ver - h~l tnism~Big m e h r gehe i l te Geschwis te r als das G e s a m t m a t e r i a l .

Tabe l le 27 e n t s p r i c h t de r Tabe l le 22. Sie zeigt die p r o z e n t u a l e Ver- t e i lung de r e inzelnen nach dem A u s g a n g geb i lde ten G r u p p e n be i F r 0 - b a n d e n wie Sekund~rfs Auch hier ist, wie in TabeUe 22, die Ver- teilung bei den Probanden etwa die gleiche wie bei den Sekundeirfdllen. W e n n die G r u p p e L D bei den S e k u n d ~ i i l l e n st~xker bese t z t i s t als bei den P r o b a n d e n , u n d wenn be i de r Gruppe G das U m g e k e h r t e de r F a l l ist , so g l aube ich das d a r a u f zur i ickff ihren zu kSnnen, da~ ich die S e k u n d ~ l l e h~uf iger als die P r o b a n d e n n ich t selbst gesehen h a b e u n d dal3 ich sie d a t u m l ieber de r G r u p p e L D zugete i l t habe, u m als , ,Gehe i l t e " wirk l ich n u r s icher gehe i l t e F~l le zu b e k o m m e n - - soll heiBen F~l le , bei denen sich ke in Defek t , wenigs tens n ich t ohne ganz besonde r s in ten- s ive U n t e r s u c h u n g , nachwe i sen liel3.

Tabelle 27. Verteilung der Probanden und Sekunddr/dlle au] die navh dem Ausgang gebildeten Gruppen.

Nach 4 e m Aus - g a n g geb i lde t e

Grup laen

G LD SD R

DA B1

A gest. sest. u. S.

Sa .

Absolute Zahlen

Pro - Sekund~r - banden f~lle

67 8 32 14 83 20 55 11

123 17 ] 41 25 137 30

22 6 660 131

Prozentzahlen

pro - Sekund~r - banden f~tlle

10,2 6,1 4,8 10,7

12,5 ] 5,3 8,3 8,4

18,6 12,9 21,4 19,1 20,8 22,9

3,3 4,6 99,9 100,0

Divisionen, angestellt zur Berechnung 4er H~ufigkeit der nach dem Ausgang versehie- denen Gruppen der Sch izophren ie in der

Durehsehnitts- bevSlkerung

131: 8 = 1 6 , 3 1 3 1 : 1 4 ~ 9,3 1 3 1 : 2 0 ~ 6 , 5 131 : 11 == 11,9 131: 1 7 = 7,7 131 : 25~-~ 5,2 1 3 1 : 3 0 ~ 4,3 131: 6 ~ 2 1 , 8

Page 56: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

280 Bruno Schulz :

3. SchizophrenieMiufigkeit und Geschlecht. Tabelle 28 gibt einen ~berbliek fiber die Aufteflung nach dem Geschlecht, und zwar zeigt sie sowohl die Zahl der schizophrenen Geschwister der m/innliehen Probanden einerseits, der weiblichen andererseits, als auch die Zahl der m/inn]ichen Sekund/irf/ille und die der weiblichen. Die Bezugsziffer, errechnet aus der Zahl der Geschwister der m/innlichen Probanden, lautet 1079,5, die aus der der weiblichen Probanden 880. Daraus ergibt sich, dab sich unter den Geschwistern jener 6,3%, unter den Gesehwistern dieser 6,4% Schizophrene befinden. Eine etwaige Vermutung, daft unter den weib- lichen Probanden sich weniger echte Schizophrenien befinden als unter den mdinnlichen, daft unter den weiblichen vielmehr eine Anzahl Hysterien oder Menstruations- oder Schwangerschaftspsychosen sick befinden, erhdilt also durch diese Auszit'hlung durchaus keine Stiitze.

Tabelle 28. Au/teilung der mdinnlichen wie der weiblichen Sekunddr/~ille au] die miinnlichen wie weiblivhen Probanden.

Klin ische Sekundarf~l le der m a n n l i c h e n Sekund~rfa l le 4er weib l ichen U n t e r - P r o b a n d e n P r o b a n d e n ~uppen

tier Sichere FAI]e Uns i che re F~llo Sichere F~llo Uns i che re F~lle Sekund~r-

H K P PH HK PK M

Sa. 37 32

2 1

3

1 1 1

1 3

2 1 2 6 13 1

- - 7 3 I

2 I l - - 6 5 - - 8 11 2

24 38 8

3 7

11

Die Bezugsziffer, errechnet aus der Zahl der m/imnlichen Gesehwister aller Probanden, lautet 970,5, die aus der der weiblichen Geschwister aller Probanden lautet 989. Wit finden demnach nach Tabelle 28 unter den m/s Probandengeschwistern 6,3 % und unter den weiblichen Probandengeschwistern 7,0% Schizophrene. Weml wit daher auf Grund dessen, dab im ganzen die Zahl der m/innlichen 1)robanden unseres ]V~aterials die der weiblichen fibertrifft, vermutet h/itten, daft irgendeine Form des geschlechtsgebundenen Erbganges bei der Schizophrenie vorliegt, so findet auch diese Vermutung durch die Betrachtung des Geschlechts- verh~iltnisses bei den Sekund~irfdiUen keine Stiitze.

Da das Geschlechtsverh/iltnis unter den Sekund&rf/illen ein anderes ist als unter den Probanden, h/~tten wit eigentlich auch eine andere Verteilung der Sekund~krf/ille auf die klinischen LTntergruppen erwarten sollen als bei den Probanden. Die schSne ~bereinst immung in dieser Verteilung, die wir in Tabelle 22 fanden und die uns an und fiir sieh eine Stfitze dafiir gewesen w/ire, dab Probanden und Sekund/ixf/ille nach

Page 57: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 281

gleichen Gesichtspunkten in klinische Untergruppen eingeteilt wurden, erweckt in uns dadurch nun eigentlich nicht mehr solch ein Gefiihl der Befriedigung. Im m erh i n bleibt sie bei den kleinen Ziffern wohl doch noch erfreulich genug. Und innerhalb der einzelnen klinisehen Untergruppen erscheint auch bei den Sekundi~rfKllen dasGeschlechts- verh~ltnis als das gleiehe oder doch im wesentlichen das gleiche wie bei den Probanden (Tabelle 29).

4. Schizophreniehdu/igkeit unter Klinische U n t e r -

den Geschwistern der Probandengrup- gruppen pen mit angeblicher somatisch-exo- gener Ursache, sowie Darstellung H K auch der ent/ernteren Belastung der p nach Ursachenangabe gebildeten Pro- PH

HK bandengruppen. Tabelle 30 gibt die PK H~ufigkeit der Schizophrenie unter M den Gesehwistern der Probanden an, Sa. wenn diese eingeteilt werden je nach

Tabelle 29. Prozentuale Verteilung der Geschlechter bei Probanden und Selcunddr- /gllen au] die einzelnen klinischen Unter-

gruppen.

P r o b a n d e n

9

87,1 12,9 52,0 48,0 36,1 63,9 80,4 19,6 72,9 27,1 34,3 65,7 54,4 45,6 55,6 44,4

S e k ~ n d ~ r f f i , l l e

61,5 38,5 44,1 55,9

7,7 92,3 50,0 50,0 66,6 33,3 54,5 45,5 42,8 57,2 46,6 53,4

den Angaben iiber die vermute te Ents tehung der Krankhei t . Ieh habe oben meine Skepsis gegeniiber derart igen Angaben zum Ausdruck gebracht . Und so war es ein unerwar te ter Befund ffir mich, hier bei den Fi~llen ohne An- gaben fiber eine Erkrankungursaehe eine doppelt so starke Sehizophrenie- hgufigkeit unter den Geschwistern zu linden wie unter den Gesehwistern der Probanden, bei denen eine kSrperliche Ursaehe selbst unwahrscheinlieher Ar t angesehuldigt wurde. Die FMle mit unwahrsehei~ieher psyehischer Ursaehe sind ann~hernd ebenso s tark belastet wie die Fglle ohne Angabe einer Ursaehe. Die Probanden mi t wahrscheinlicherer psyehiseher Ursache sind zwar besonders gering belastet, doch ist hier die Bezugs- ziffer sehr klein. Aber der Unterschied in der Belastung zwischen den F~illen ohne Ursachenangabe und denen mit Angabe einer kSrperlichen Ursache ist bei der GrSfle der Bezugsziffer, in dem eiuen Falle 995, in dem anderen FaUe (372 + 233,5-~) 605,5, besonders beachtlich. Er erweckt den Verdacht, dab unter den Probanden mit angeschuldigter kSrperlicher Ursaehe sich Fs befinden, die eigentlich keine Sehizophrenien sind oder dab es sich bei dieser Gruppe n m F~lle handelt, bei denen die Sehizophrenie (wenn man sie weiter so nennen soU) bzw. die sehizophren anmutende Erkrankung nur zum Ausbrueh kommt , wenn in Gestalt einer Infektions- krankheit , einer Schwangersehaft oder eines Sturzes auf den Kopf usw. eine ausl5sende Ursaehe gegeben ist, so daB, da eine solche natiirlich nieht bei allen zur schizophrenen Reakt ion pri~disponierten Gesehwis~ern eintreten wird, die Schizophreniehgufigkeit bzw. die Hs einer sehizophrenen Reakt ion bei ihren Gesehwistern geringer sein wird als unter den Gesehwistern der Probanden ohne auslSsende Ursache.

Page 58: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

232 Bruno Schulz :

Tabelle 30. Sekunddr/~ille unter den Geschwistern der navh den

K l i n i s e h e U n t e r f o r m e n der Sekund~trf~lle

A n g a b e n f iber U r s a e h e n tier

U n w a ~ - F e h l e n

p s y c h i s c h

Sichere U n s i e h e r e Siehere U n s i c h e r e Sekund~r - Sekund~tr- S e k u n d a r - S e k u n d a r -

f~lle f~lle f~lle f~l!e

H K P

PH HK PK M Sa.

B e z u g s z i f f e r Prozentziffer

Genauere Bezugsziffer Genauere Prozentziffer

2 10 1 1 7 8

10

39 I

13 8 3 2 7

11 44

995

2 2 2

3 1 2

8,3 1059,2

7,8

- - 3 3 1 1 3 3 - -

- - 2 1

3 - - - - 1 2 1 - - 6 1 2 - -

8 12 I 11 2

327 7,0

342,5 6,7

9 I 6

Ich halte es fiir angezeigt, die Fs mit angeblicher kSrperlicher Ursache einer mehr ins einzelne gehenden Betrachtung zu unterziehen. Da die F~ile mit wahrscheinlicherer und unwahrscheinlicher kSrperlicher Ursache sich als etwa gleichbelastet mit schizophrenen Geschwistern erwiesen haben, seien beide Gruppen zuns fiir diese Betrachtung zusamm engeworfen.

Wir erhalten so (zu errechnen aus Tabelle 5) 186 Probanden ,,mit somatisch exogener Ursache". Bei 14 yon diesen kommt Alkohol- millbrauch, zum Tell schon w~hrend der Kindheit, als mSgliche Ursache in Betracht. Unter den Geschwistern dieser 14 FMle finder sich eine Schizophrenieh~ufigkeit yon 8,2 % (3 FMle ; Bezugsziffer 36,5). Auflerdem finden sich noch 2 FMle yon fraglicher Schizophrenie und der auf S. 222 erw&hnte ~all yon Paranoia, der nicht als Schizophrenie gefiihrt wird.

Bei dieser hohen Schizophrenieh~ufigkeit glaube ich annehmen zu kSnnen, daft unsere ld angebllch alkoholbedingten Schizophrenien unseren Probanden ohne Ursachenangabe gleichzusetzen sind.

Bei 21 Probanden war Schwangerschaft, Entbindung usw. als Ursache der Kra~l~heit angegeben. Es erschien mlr yon vornherein recht wahr- scheinlich, dab unter diesen F~llen sich mehrere F~J]e yon Amentia bef~nden und dab gerade unter den Geschwistern dieser Probanden- gruppe daher eine besonders geringe Schizophrenieh~ufigkeit angetroffen wiirde. Es land sich jedoch eine solche yon 6,1%, also immerhin nicht viel weniger als in der Gruppe ohne Ursachenangabe (4 F~lle bei einer Bezugsziffer yon 65,5). Allerdings fanden sich hier unter den

Page 59: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 238

Angaben i~ber etwaige Ursac~n au/geteilten Probandengru1~pen.

E r k r a n k u n g 4 e r P r o b a n d e n

s e h e i n l i c h W a h r s c h e i n l i c h e r

s o m a t i s c h p s y c h i s c h s o m a t i s c h

S i c h e r e U n s i c h e r e S i c h e r e S e k u n d ~ t r - S e k u n 4 ~ r - S e k u n d a r -

f~ t l l e f ~ l l e f~klle

1 2 1 2

1 2

1 1 2 1 2

6 1 0 3

372 4,3

397,1 4

1 - -

1 2 . ~ - _ _ .

a I 1

1 - - - - - -

S i c h e r e Unsichere S e k u n d a r - S e k u n d ~ r -

fg~lle f a i l l e

1 - - 1 - -

1 1

3 .I-I

1 - - 1 - -

2 - -

1 - -

U n s i c h e r e S e k u n 4 ~ r -

ffi, l l e

32 3,1

33,5 2,9

233,5 3,4

248,6 3,2

Geschwistern keine unsicheren Schizophreniefs und auBerdem gehSren 2 yon den Sekund~rf~llen tier gleichen Geschwisterschaft an.

DaB bei dazu geneigten Personen Schwangersch~ft, Entb indung usw. ehm Schizophrenie auszulSsen vermag, soll nicht bestr i t ten werden. Systematische Untersuchungen an eineiigen Zwillingen kSnnten die ~rage k l~en . Es w~re zu priifen, ob diejenigen Partner h~ufiger schizophren geworden sind, die eine Gravidit&t durchgemacht hatten, als die anderen, die nicht gravide geworden sind.

Wenn wir i iberhaupt ein auslSsendes Moment fiir Schizophrenie als mSglich annehmen, scheint ja eine so hohe Anforderung in bezug auf neue Leistungen, wie sie eine Gravidit~t an den KSrper stellt, ganz besonders geeignet, eine vorhandene Neigung zu einer solchen Erkrankung auszu]Ssen. Aber doch ist andererseits eine Schwangerschaft ein natiir- licher Vorgang, sie wird also bei an sich gesunden Personen dennoch zu keiner Psychose fiihren. Die kleine Gruppe yon 21 F&llen scheint mir zu einer ins einzelne gehenden Betrach$ung nich$ geeignet. Die SchizophrenieMiufigkeit yon 6,1% liiflt den qedanken an eine Unreinheit des Materials oder an die Graviditgt als ausl6sende Ursache zwar nach wle vor weiterbestehen; doch l~iflt sich andererseits der geringe Abfall gegenis den 8,3% der Gruppe ohne Ursachenangabe auch recht gut als zuf~illig ansehen.

Ziehen wit die 21 Probanden mit Gravidit~t und die 14 Probanden mit AlkoholmiBbrauch yon allen 186 zun~chst als somatisch exogen angesprochenen l~Mlen ab, so bleiben uns 151 somatisch exogene

Page 60: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

9-84 Bruno Schulz :

Probanden. Unter ihren Geschwistern linden wir nun sogar nut eine Sehizophreniehaufigkeit yon 3,3% (Bezugsziffer 503,5; 17 Sekund/~r- fMle). Vornehlnlich unter diesen 151 Fallen miiBten also die ,,exogen bedingten Schizophrenien" zu l inden sein. Wir versuchen diese 151 F~lle weiter aufzuteilen.

Konnte die Giftwirkung des Alkohols, konnte der eingreifende, abe t doeh natiirliche Vorgang einer Sehwangerschaft nieht zu einer Schizo- phrenie oder zu einer rait einer Sehizophrenie zu verwechselnden Er- krarLkung fiihren (so seheint es uns ja wenigstens auf Grund der Schizoghreniehaufigkeit in den Geschwisterschaften dieser beiden Gruppen), so sei nun untersucht , welehe Bedeutung der Einwirkung einer /ghBeren Gewalt fiir die En t s t ehung einer solehen Erk rankung zukommt . Bei 62 der hier in Frage s tehenden 151 Probanden ist ein Sturz, ein Schlag oder ein ghnlieher Vorgang als Ursache der Erk rankung angegeben. Bei 5 yon diesen 62 Fallen liegen Angaben vor, dab die Einwirkung der aul3eren Gewalt nicht den Kopf betroffen habe (Huf- schlag auf die Brust, Hufsehlag ins Kreuz usw.). I n 2 weiteren Fallen ist mi t WahrscheinHchkei~ anzunehmen, dab die Krankhe i t bereits vor dem Trauma bestanden hat. Un te r den Gesehwistern dieser 7 F&lle zeigt sich eine Sehizophrenieh/~ufigkeit yon 7,5 % (2 Falle; Bezugsziffer 26,5). Ieh glaube diese 7 Fglle daraufhin gleich den 14 ,,alkohol- bedingten" Fallen und den Gravidit/~tsfaUen aus der Gruppe der exo- genen Falle heransnehmen zu kSnnen.

Die g5 dann bleibenden ,,nach Kopflrauma erkrankten" Ffille zeigen unter ihren Geschwistern eine Schizophreniehgufigkeit vou 2,9%. Und zwar zeigen die 33 F/ille, bei denen ich anfangs eine exogene Bedingt- heir oder AuslSsung als noeh verhaltnism/gBig wahrscheinlieh annahm, 1,9 % Schizophreniehaufigkeit unter ihren Geschwistern (2 Fglle; Bezugs- ziffer 102). Die 22 Falle, bei denen ieh ein exogenes Moment mi t weniger Wahrscheinlichkeit als krankhei tsverursachend oder -auslSsend annahm, zeigen unter ihren Gesehwistern eine Sehizophrenieh//ufigkeit yon 4,1% (3 Falle; Bezugsziffer 72). Die absoluten Ziffern sind hier natiirlich zu klein, als dab man aus dem Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen endgiiltige Sehliisse ziehen kSnnte, aber doch sprieht der Umstand , dal3 die wahrscheinlieher exogene Gruppe weniger mi t schizo- phrenen Geschwistern belastet ist als die unwahrscheinlieher exogene, wohl mi t dafiir, dal3 das exogene Moment hier tatsgchHch eine Rolle spielt.

Es handelt sich bei der wahrscheinlicher exogenen Gruppe 15mal um Sturz bzw. l?all auf den Kopf (vom 1)ferd, aus der StraBenbahn, mit dem l%ad usw.), 13real um Schlag bzw. Hufschlag auf den Kopf und um einige andere Kopfver- letzungen (durch herabfallende Kohle im Bergwerk usw.). In 22 dieser F/~lle soll die psychische Ver/~nderung sofort oder nach einigen Wochen eingetreten sein, in 6 F/allen nach einem Zeitraum yon 1--5 Jahren und in 5 F/~llen nach mehr als 5 Jahren. Bei 7 dieser 33 F/~lle folgte der Verletzung eine BewuBtlosigkeit meist yon etwa 10 Min. Dauer.

Page 61: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 235

Bei den unwahrscheinlicher exogenen Fallen handelt es sich auch meis~ um Sturz, Fall oder Schlag auf den Kopf, sogar 3mal um Fall aus dem I. oder 2. Stockwerk. Hier soll in 4 F~llen die Ver~nderung sofort oder nach einigen Wochen eingetreten sein, in 5 F~llen nach 1--5 Jahren und in 13 Fallen nach mehr als 5 Jahren. Bei 4 dieser 22 Falle folgte der Verletzung eine BewuBtlosigkeit. Einzelheiten sind zum Teil aus dem kasuistischen /~achweis S. 289 f. ersichtlich.

Die Ziffer 2,9 % fiir die Schizophreniehaufigkeit unter den Geschwistern aller 55 , ,Kopf t raumat iker" ha t einen einfaeben mitt leren Fehler yon 1,3%. Die Ziffer 8,3% fiir die Sehizophreniehaufigkeit unter den Ge- schwistern der 340 Probanden ohne Ursachenangabe ha t einen einfaehen mitt leren ~ehler yon 0,9 %, d. h. der Unterschied zwischen beiden Gruppen hal t den dreifachen mit t leren Fehler aus. Dennoch mSchte ieh den Unterschied noch nicht als vSllig gesichert ansehen, und zwar zunachs t schon aus folgendem Grunde:

Durch die Probandenmethode kann eine Ungenauigkeit bedingt sein, fiir die der auf die genannte Weise errechnete mittlere l~ehler kein MaB darstellt. Es handelt sich dabei urn den Umstand, dab Geschwister- reihen, in denen 2 Probanden auftreten, doppelt gez/~hlt werden miissen, Gesehwisterreihen, in denen 3 Probanden auftreten, dreifach usw. ; oder sinngems ausgedriickt, dab ein Proband aueh dann in jeder Weise als Proband behandelt werden mu$, wenn er gleiehzeiCig Gesehwister eines Probanden ist. Nun sind begreiflicherweise unter den Geschwistern unserer 55 Kopf t raumat iker keine Personen, die gleichzeitig Probanden dieser Gruppe sind, bzw. unter den 55 Kopf t raumat ikern befindet sich keiner, der gleichzeitig Geschwister eines dieser 55 Falle ist. (Es ware zwar das nicht umn6glich, abet doch yon vornherein recht unwahrscheinheh gewesen.)

Von den 340 Probanden ohne Ursachenangabe dagegen sind 8 gleich- zeitig Gesehwister der P robanden dieser Gruppe. Hierdurch wird eine Doppelzs der entsprechenden Geschwisterschaften bedingt. Es kSnnten sich also auf diese Weise fiir die Schizophrenieh/~ufigkeit unter den Geschwistern der Gruppe ohne Ursachenangabe im Verhs zu der bei den ,,Kopftraumatikern" hShere Ziffern ergeben, als ohne die dutch diese Methode bedingte Ungenauigkeit zu erwarten ware. I m vorliegenden Falle sinkt, wenn wit jede Geschwisterschaft nur einmal z/~hlen, fiir die Gruppe ohne Ursachenangabe die Ziffer der Schizophrenie- h/~ufigkeit unter den Probandengesehwistern auf 7,5%. (73 F/i, lle; Bezugsziffer 970.) Aueh so abet hal t der Unterschied zwisehen den in Betraeht kommenden Ziffern der Gruppe ohne Ursachenangabe und der Gruppe der ,,Kopftraumatiker" den dreifaehen mitt leren Fehler aus.

I ch mSehte jedoeh dem Ergebnis t rotz alledem noeh keine Allgemein- giiltigkeit zusprechen, da der Unterschied dutch 1Vfomente wie diagnostische Fehler in tier Gruppenbfldung bedingt sein kann, deren Bedeutung auch dutch den mit t leren Fehler nicht erfal~t wird. Der mitt lere Fehler besagt ja nut, dab eine dem Zufall enthobene Differenz da ist. Er sagt nichts aus fiber die Ursache dieser Differenz.

Page 62: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

236 Bruno Schulz:

So sei nochmals darauf hingewiesen, dab ieh yon allen 62 Fs mi t Traumen 7 Fs abgesondert habe, weft es sich nicht um Kopf t raumen handelte usw. Bei denjenigen 2 Fallen dieser Gruppe, bei denen sich ein schizophrenes Geschwister land, handelte es sich um einen Sturz mit Verletzung der Brust dutch eine Tonne (Prob. 890) und um einen Sprung yon der Veranda infolge Erregung ws der Regel (Prob. 623). Die Aussonderung dieser F~lle ist zw~r ohne Rficksicht auf die Belastung erfolgt; dennoch mag es fraglieh sein, ob sie berechtigt war.

Auch auf die l~Sglichkeit sei hingewiesen, dab Angeh6rige dann weniger bemiiht sein werden, ~uBere Umst~nde ffir die Ents tehung der Krankhei t verantwortlich zu machen, wenn bereits ein Geschwister yon der gleichen Krankhei t ergriffen war. Andererseits: Warum zeigt sich bei den FMlen mi~ angeblich psychischer Ursache keine so geringe Schizophrenie- h~ufigkeit unter den Geschwistern wie bei den , ,Kopftraumatikern", oder - - wenn man es umgekehrt ausdriicken will - - warum wird bei Sehizophreniebelastung yore Kranken selbst oder dem AngehSrigen zwar eine psychische Ursache angesehuldigt bzw. yore Arzt naeh ihr gefragt und yon ibm notiert, jedoch nicht ein Kopf t rauma ? Jedenfalls, was fiir Erkli4rungsm6glichkeiten wit auch heranziehen mSgen, unbedingt forder t die geringe Belastung der , ,Kopf t raumat iker" zu weiterer Untersuchung auf.

Naehtr~glich habe ieh diese 55 , ,Kopft raumat iker" iibrigens noch in der Weise aufgeteflr dab ich die F~lle, bei denen die Krankhei t weniger als 1 Jahr nach dem Trauma ausbraeh, zusammenfaBte; ferner faBte ieh solehe F~lle zusammen, bei denen 1--5 Jahre zwisehen Trauma und Krankheitsausbruch lag, und drit tens solche Fs bei denen die Fr is t mehr als 5 Jahre betrug. Die erste Gruppe zeigte unter den Geschwistern eine Schizophreniehi~ufigkeit yon 1,2% (1 Fall; Bezugsziffer 85,5), die zweite 2,9% (1 Fall; Bezugsziffer 34,5), die drit te 5,6% (3 F~lle; Bezugs- ziffer 54,0).

Als eine weitere Gruppe babe ich Probanden mit i~berstandenen inneren KranIcheiten, vornehmlich Infektionskrankheiten, zusammengefaflt; auch 1 Fall yon SchlangenbiB, 2 F~lle yon Hitzschlag und 1 Fall mit Menstruationskr~mpfen wurde hier eingereiht. Es sind im ganzen 64 F~lle.

Die SahizoThrenieh~iufig]ceit unter den Geschwistern dieser Gruppe betrdgt 4,4% (9 FMle; Bezugsziffer 201,5). I)iejenigen yon diesen 64 F~llen, bei denen mit grSBerer Wahrsehein]ichkeit eine exogene Ursaehe angenommen war, betragen 16. Die Sehizophreniehs unter ihren Gesehwistern betr~gt 3,5% (2 F~lle und 1 unsicherer Fall; Bezugsziffer 57). Die F~lle, bei denen mit geringerer Wahrseheinliehkeit eine exogene Ursaehe angenommen war, betragen 47. Die Sehizophrenie- h~ufigkeit unter den Geschwistern betr~gt 4,8 % (7 F~lle und 3 unsichere F~lle ; Bezugsziffer 144,5). Wir linden also auch hier - - in gleicher Weise wie bei den , ,Kopftraumatikern" - - die F~lle mit unwahrseheinlicherer

Page 63: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 237

exogener Ursache etwas starker belastet als die mit wahrscheinlieherer exogener Ursache.

Hier kSnnen wir fibrigens auch noeh die Schizophrenieh~ufigkeit bei den Eltern mit heranziehen. Mit einem schizophrenen Elter belastet sind yon den 16 wahrscheinlicher exogenen F~llen 1 Proband, also 6,2 % ; yon den 47 unwahrscheinlicher exogenen F~Uen 4 Probanden, also 8,5 %. Beweisend ist natiirlich auch dies nicht. So sei insbesondere darauf hingewiesen, da~ yon allen 186 exogenen F~llen iiberhaupt nur 6 mit einem schizophrenen Elter belastet sind. Von ihnen findet sich nur einer bei einer noch zu besprechenden Gruppe yon Probanden, n~mlich den Probanden, die an staxken Kinderkr~mpfen gelitten hat ten; alle iibrigen 5 linden sich in der Gruppe mit iiberstandener ,,innerer Krankhei t" . Es liegt nahe, diese H~ufung der Belastung mit einem Elter gerade in der Gruppe nach inneren Krankheiten usw. als einen Zufall anzusehen, und so mag es vielleieht auch mit diesem Zufall erkl~rt sein, dab unter unseren 340 FMlen ohne Angabe einer exogenen Ursache 18 Fs also nur 5,3 %, d. h. weniger als bei der Gruppe nach inneren Krankheiten usw., mit einem schizophrenen Elter belastet sind. Unter allen F~llen der ,,exogenen" Gruppe sind, je nachdem, ob wir 186 derartige F~lle annehmen oder (nach Ausseheiden der alkoholbedingten F~lle, der Gravidit~ts- gruppe und der 7 traumatischen Fs bei denen es sich nicht um ein Sch~deltrauma handelt) 144 l~lle, 3,2% oder 4,1% mit einem schizo- phrenen Elter belastet.

Welcher Art die ,,inneren Krankheiten usw." sind, ist bis zu einem gewissen Grade aus der folgenden Zusammenstellung zu ersehen. Selbstverst~ndlieh ging es auch bei dieser Zusammenstellung wieder nicht ohne Gewaltsamkeiten ab. So litten manche F~lle an Otitis und Pleuritis entweder zu gleicher Zeit oder nacheinander; andere F~lle batten Typhus und Entbindungen durchgemacht usw.; aber h~tte ieh hier noch weiter aufteilen wollen, so w~ren unsere Gruppen, die an sieh schon sehr klein sind, fiir eine statistische Verwendung iiberhaupt nicht mehr in Betracht gekommen. Es wurden hier als ,,innere Krankheiten usw." zusammengefa~t: Gelenkrheumatismus llmal, Otitis 7mal, Lues 5mal, Typhus 4mal, Grippe 4mal, Kopfweh mit Ausschlag usw. 4mal, ,,Kopftyphus" 3mal, Kopfrose 3mal, Veits- tanz 2real, Hitzschlag 2mal, und je lmal: Meningitis, Uramie, spinale Kinderl~h- mung,Genickstarre, Scharlach, Diphtherie, Basedow, Struma, Blinddarmentziindung, SchlangenbiB, Malaria mit Dysenterie, traumatisehe 0steomalacie, Asthma, Kr~mpfe bei Menstruation, Peritonitis, Gelenktuberkulose, Rheumatismus, chorea- tisehe Bewegungen, ,,Kopfentziindung".

Ebenso wie ich hier einen Fall etwa yon Typhus und Entbindung dem Typhus zugerechnet habe, wie ich F~lle yon Hitzschlag mit zu den inneren Krankheiten reehnete, habe ich auch davon abgesehen, hier noeh im einzelnen etwa zu betrachten, wie die Sehizophrenieh~ufig- keit unter den Gesehwistern etwa derjenigen Probanden war, die einen Gelenkrheumatismns iiberstanden hatten, im Gegensatz zu denen, die einen Typhus iiberstanden hatten. Denn bei der Kleinheit der dann entstehenden Gruppen vermSchte tin einziger Fall die Ergebnisse

Page 64: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

238 Bruno Schulz :

entscheidend zu beeinflussen. So weisen z. B. unsere 11 F~lle nach voraus- gegangenem Gelenkrheumatismus mi t einer Ausnahme kein schizophrenes Geschwister auf. Die Ausnahme abet wird yon der Geschwisterreihe des Probanden 134 gebildet, die bereits mehrfach erwAhnt wurde, weft sie aus 4 schizophrenen Geschwistern besteht. Es ist bei der s ta rken Be- lastung, die sich auch sonst in dieser Fami l ie finder, wohl als besonders sicher anzunehmen, dab hier der P roband (Prob. 134 a) auch schizophren geworden ware, wenn er keinen Gelenkrheumatismus durchgemacht hs Statistisch muB er natiirlich dennoch zu den nach vorherigem Gelenk- rheumatismus erkrankten Probanden gerechnet werden. (•. B. : Ein wei- terer Proband mi t vorausgegangenem Gelenkrheumatismus ha t fibrigens ein schizophrenes Elter und ein drif ter ein fraglich schizophrenes Elter.)

Von allen unseren 186 FAllen, die ich urspriinglich zu der Gruppe mi t kSrperlich exogener Ursache gerechnet hat te , haben nun noch 25 Fis keine Erw~hnung gefunden. Unter ihnen habe ich 10 Fiille als FiiUe nach vorausgegangener Operation bzw. blutiger Verletzung abge- sondert; einer yon diesen F~llen soll allerdings bereits vor der Operation S t immen gehSrt haben. Die SchizophreniehdufigIceit unter den Geschwistern dieser Gruppe betrdgt 2,3% bzw. 2,7% (1 Fall [und 1 fraglicher Fall] ; Bezugsziffer 44 bzw. 36).

Es handelt sich um Operationen und Verletzungen folgender Art: Uterus- exstirpation 2 real, Fingerverletzung 2 real, Kropfoperation, Zahnoperation in Nar- kose, Blinddarmoperation and Zahnextraktion, Blinddarm- und Hernienoperation, gyn~kologische Operation, Hernien- und Kropfoperation.

Es bleiben nun nut noch 15 F&lle. Bei ihnen handelt es sich in 4 FAllen um Probanden, die starke Krgmpfe in der Kindheit durchgemacht haben, in 3 Fi~llen um Probanden, die im Rausch gezeugt sein sollen, und um 8 F~lIe, die zum TeiI ScMidelmiflbildungen, wie Wasserkopf, MJkro- cephalie zeigten z, zum Tell yon klein an, meist angeblich infolge schwerer Geburt, wenig Leben gezeigt haben sollen. Alle diese 15 l~'glle besitzen ]cein schizophrenes Geschwister. I)ie Bezugsziffer betr~gt 51. Bei der grSl3ten dieser 3 Gruppen, den 8 F ~ l e n mi t Schs und Geburtssch~digungen, betr~,gt die Bezugsziffer 34.

Die Aufteilung unserer ,,kSrperlich exogenen" Gruppe wird nicht restlos befriedigen. Immerh in zeigte sich, dab die , ,Kopf t raumat iker" , die Fiille nach vorausgegangener Operat ion usw., die Sehs dungen und GeburtsschAdigungen in unserem 1V~aterial besonders wenig bel~stet sind. Ein wenig hSher ist die Belastung der Probanden mi t vorausgegangenen ,,inneren Krankhe i t en" und der Gravidit/~tsgruppe. VSllig gleich der Gruppe ohne Angabe einer exogenen Ursache sind mi t schizophrenen Geschwistern belastet die 14 zun~chst als alkoholbedingt angesprochenen F~lle und die 7 F~lle mi t nur den iibrigen K6rper, da- gegen nicht den Kopf betreffenden unblut igen Traumen.

z Vgl. Patzig: t?ber Sch~delformen usw. J. Psychol. u. Neur. 44, 97 (1932).

Page 65: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 239

Auf statistisehem Wege wird man an einem grSSeren Material naeh- priifen mfissen, ob den yon uns erhobenen Befunden eine allgemeine Gfiltigkeit z~kommt und ob, besonders in bezug auf die ,,inneren Krank- hei ten", noch weitere Aufteilungen, etwa naeh Krankheitsart , mSglieh sind. Auch eine genauere Betraehtung yon Einzelf/~llen wird vielleieht weiterhelfen, indem sie bei selbstbeobachteten F~llen Untersehiede im klinischen Bride und in der Art der exogenen Ursachen aufzudecken sucht. ~ die vorliegende Arbeit wollen wir uns mit den dargelegten Befunden begniigen.

~ u r das sei ~ielleicht noeh untersucht, ob die zusammensetzung S J ~ der nach der ,,Ur aehenarr gebildeten Gruppen in bezug auf klinische

Unterformen wie aueh in bezug auf den Ausgang auffallend voneinander abweicht. MSglicherweise kSnnte dann die Art dieser Abweichung uns gewisse Anhaltspunkte ffir das Aufdecken innerer Verschiedenheiten der einzelnen Gruppen geben.

In Tabelle 31 haben wit einen ~berblick fiber unser Material in bezug auf diese Gesichtspunkte gegeben. Die K-Gruppe ist, wie dies ja sehon aus Tabelle 5 zu entnehmen war, bei den Fiillen mit angeblicher kSrper. licher Ursache am stiirksten vertreten, und zwar sehen wit nun bier, daft es besonders die Gravidit~itsgruppe ist, die viele Katatonien aufweist. Unter der allerdings nur kleinen Gruppe der Potatoren f/~llt die hohe Zahl der P-F~lle auf. Unter den , ,Kopftraumatikern" sind die Gruppen H, P, PH, ja selbst PK, also vor allem wohl die P enthaltenden Gruppen besonders gering vertreten. Unter der allerdings nur sehr kleinen Gruppe der Probanden mit Schs usw. fMlt die hohe Zahl der I-I- und PH-F~lle auf. Bei den Gruppen mit psychischen Ursachen f/~llt die hohe Zahl der PK-Gruppe auf.

Bedeutsamer erscheint mir die Betrachtung der einzelnen nach Ursachen gebildeten Gruppen in bezug auf den Ausgang. Die Gravidit~its- gruppe zeigt keine geheilten Fdlle ; das spricht dafiir, daft sich keine Fdille yon Amentia darunter befinden. Allerdings ist die Gruppe der nach kurzer Zeit Gestorbenen bei der Gravidit/~tsgruppe etwas reiehlieher ver t re ten als in der Gruppe ohne Ursachenangabe; aber das kann bei dem kleinen Material Zufall sein, jedenfalls braucht daraus nicht geschlossen zu werden, da$ bier in einigen l~l len zu Unreeht eine Sehizophrenie dia- gnostiziert sein mfil~te.

Da die , ,exogenen" F/~lle besonders ~iel K-F/~lle aufweisen, lag es nahe zu vermuten, da$ unter den ,,exogenen" FAllen gerade die K-F/~lle sieh als besonders gering belastet und damit als besonders sicher exogen erweisen wiirden. Eine Prfifung in dieser Hinsieht ffihrte (wenn vielleieh~ auch nur infolge der Kleinheit des Materials) zu keinem Ergebnis. Ieh habe da- her yon der Wiedergabe dieser Prfifung und ihres Ergebnisses abgesehen.

Wesentlich scheint mir auch der Umstand, daft doch eine relativ grofle Anzahl von Fdllen der k6rperlich exogenen Gruppe (und zwar auch in der

Page 66: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

240 Bruno Schulz :

Tabelle31. Au]teilung des Materials nach Ursachenangabe einerseits, klinischen Untergruppen, Ausgang und Belastung andererseits.

H K P

PH HK P K

M

G LD SD R

DA B1

A gest. sgest. uicid

Belastung mi~: Schizophrenie

(stark) Schizophrenic

(schwach) Schizoid oder

unspezifisch Belastung f e h l t

Bezugsziffer

Belastung mit: Schizophrenie

(stark) Schizophrenic

(schwach) Schizoid oder

unspezifisch Belastung fehlt

Probanden mit

Angabe k~rperlicher Ursachen ~ ~.~

1,8 25,5

3,6 3,6

27,3 9,1

29,1

7,3 5,5

18,2 10,9 20,0 20,0 18,2

12,5 12,5 12,5 25,0 12,5 12,5 12,5

12,5

50,0 25,0

12,5

- - 2 1 , 8

- - 16,4

50,0 I 36,4

50,0i 25,5

55

5,7

9,0

8,2

12,8

10,0

1 ,o 10,0 20,0

10,0

2 ,o 10,0 30,0 20,0 10,0

- i i

50,0i

10,0

10,0

30,0

10

2,4

1,0

0,4

2,7

6,2 26,6

9,4 6,2

18,7 . - - . 14,1 18,7

3,1 3,1 7,8

10,9 15,6

29,7 25,0

1,6 3,1

26,5

25,0

31,3

17,2

64

8,1

16,0

8,2

10,1

52,4 9,5

23,8 14,3

9,5 14,3 19,1 23,8 23,8

9,5

33,3

9,5

33,3

23,8

21

3,3

2,0

2,8

4,6

21,4 14,3. - - , 21,4 13,4 28,6

7,1 7,1

14,3 35,7 28,6

7,1. - - �9

35,7

14,3

28,6

21,4

14

2,4

2,0

1,6

2,7

7,2 28,5

7,2

21,4 7,2

28,5

7,2 7,2

14,3 14,3 7,2

35,6 14,3

~

21,4

28,5

21,4

14

1,9

3,0

1,6

2,7

5,8 16,5 11,5 6,7

21,8 14,7 22,9

8,8 5,3

13,5 7,9

19,l 20,8 20,8

1,7 1,7

33,5

14,4

37,6

14,4

340

54,8

49,0

52,7

45,0

3,2 13,9 12,3 9,8

15,5 24,5 20,5

20,4 6,5

10,6 6,5

15,5 18,0 20,4 0,8 1,6

33,6

13,9

40,9

11,4

122

19,7

] 7,0

20,5

12,8

- - 4,7 16,6 19,2 16,6 10,9 8,3 7,0 8,3 19,5

33,3 16,3 16,6 22,3

i

33,3 10,1 - - 4,8 8,3 12,5

8,3 25,0 18,6

21,4 33,3 20,8

- - 1,5 - - 1,8

25,0 31,5

8,3 15,1

41,6 36,8

25,0 16,5

12 660 Bezug~- zlffer

1,4 208

1,0 100 i

2,0 243

2,7 109

so gering belasteten Gruppe der ,,Kopftraumatiker") i~ber 10 Jahre geistes- ]crank geblieben sind. Von der k l e inen G r u p p e , ,Sch~delmil~bi ldungen usw." s ind f ibrigens al le ge i s t e sk rank gebl ieben.

1 Die Rcstgruppe besteht aus 7 Probandcn mit Traumen, die nut den iibrigen KSrper, nicht den Kopf betroffen haben bzw. erst nach Ausbruch der Erkrankung eintraten, aus 4 Probanden mit Kinderkr~mpfen und aus 3 im Rausch gezeugten Probanden.

Page 67: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 241

Am meisten Beachtung abet scheint mir der Umstand zu verdienen, daft in der Grulrpe mit psychischen Ursachen sich auffallend viele $'~lle befinden, die in Heilung ii~ergegangen sind. Das wird uns veranlassen, gerade die geheilten Probanden mit angeblieher psychischer Ursache auf ihre Belastung besonders zu untersuchen (S. 246f.). Nur sei zuvor noch auf den unteren Tell der Tabelle 31 hingewiesen.

Def t ist dargestellt : 1. Wieviel Probanden unter ihren Eltern, Ge- schwistern, Kindern, l~effen und Nichten, Onkel und Tanten, Vettern und Basen und Halbgeschwistern sichere F~lle yon Schizophrenie auf- weisen (Schizophrenie stark). 2. Wie viele unter den genannten Ver- wandtschaftsgraden unsichere F/file yon Schizophrenie aufweisen oder sichere oder unsichere F/~lle yon Schizophrenie unter den entfernteren Verwandtschaftsgraden (Schizophrenie schwach). 3. Wie viele nur mi t irgendeiner anderen psychischen Anomalie auBer Schizophrenie belastet sind, also mit Psychopathie, Schizoidie, Schwachsinn und niehtschizo- phrenen Psychosen (Schizoid oder unspezifisch)1. 4. Wie viele yon den Probanden gar keine Belastung aufweisen (Belastung fehlt).

Wit sehen bei dieser I)arstellung yon den F~llen mi t k6rperliehen Ursachen am st/~rksten belastet die Gruppe der , ,alkoholbedingten" Schizophrenien, wenigstens wenn wit yon der kleinen Gruppe der ,,ope- ratlonsbedingten absehen. Am geringsten belastet ist die Gruppe der , ,Kopftraumatiker" und die kleine Gruppe der Sch/~dclmiBbildungen und Geburtstraumen. Selbstverst~ndlich handelt es sich bier nur um eine ganz grebe Berechnung.

Eine regelrechte Berechnung der prozentualen H/iufigkeit der Sehizo- phrenien unter den einzelnen entfernteren Verwandtschaftsgraden der verschiedenen Gruppen anzustellen, war mir lficht mSglich, da diese Verwandtschaftsgrade nicht fiberall vollst~ndig erfaBt wurden. Nut die Probanden aber zu nehmen, bei denen die Verwandtschaftsgrade voll- st/indig erfaBt waren, erschien mir aueh nicht richtig, da die Gefahr besteht, dab gerade diejenigen vollst/~ndig erfaBt waren, in denen Angaben fiber Psychosen vorlagen. Ein wenigstens etwas genaueres Bild als die Ziffern im unteren Teil der Tabelle 31 gibt folgende Darstellung fiber die entferntere Belastung der einzelnen Probandengruppen:

Es fanden sich unter den Onkeln und Tanten der 340 Probanden ohne Ursachenangabe 18 schizophrene Onkel und Tanten; auf 100 der- artige Probanden also 5,3 schizophrene Onkel und Tanten. I)ie ent- sprechende Ziffer lautet ~ die 122 Fs mit unwahrscheinlicher psy- chischer Ursache 6,5 ~8 F/~lle) ; ffir die 55 Kopftraumatiker 1,8 (1 Fall);

1 Die prozentuale tt&ufigkeit der unter 3 angefiihrten psychischen Anomalien unter Geschwistern und Eltern der Probanden ist in dieser Arbeit nich~ angegeben. Die Befunde an diesen Anomalien haben in ihr nur insofern Verwendung gefunden, als sie zum Aufteilen der Probanden in Gruppen mit verschiedener Belastung dienten (vgl. Tabelle 31, 38, 41 und 42).

Z. f. d. g. N eu t . u. P s y c h . 143. 16

Page 68: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

P,4~2 Bruno Schulz:

ffir die 64 Schizophrenien nach inneren Krankhei ten 10,9 (7 F~lle); f~r die 10 Operationsschizophrenien 30,0 (3 F~lle); bei den 21 Gravidit~ts- schizophrenien linden sich keine schizophrenen Onkel und Tanten.

Es fanden sich unter den Vettern und Basen auf 100 Probanden ohne Ursachenangabe 6,7 Schizophrenien (23 F~lle). Ffir die F~lle mit un- wahrscheinlicher psychischer Ursache lautet die Ziffer 11,4 (14 Fs ffir die , ,Kopftraumatiker" 10,9 (6 FMIe); ffir die Schizophrenien nach inneren Kranl~heiten 4,5 (3 Fs fiir die , ,Operationsschizophrenien" 20,0 (2 F~]Ie); f~r die , ,Gr~vidit~tsschizophrenien" 9,5 (2 F~IIe).

Wir finden also, soweit Onkel und Tan ten in Betracht kommen, entgegen unserer Erwartung die Gravidit~tsschizophrenien nicht be- lasher, die Schizophrenien nach inneren Krankhei ten, 0perat ionen usw. dagegen stark belaste~. Nur die , ,Kopft raum~tiker" zeigen sich auch hier der Erwartung entsprechend auffallend schwach belastet.

Wenn wit die Vettern und Basen betrachten, so zeigen sich der Er- wartung entsprechend nun die Psychosen nach inneren Krankheiten schwach belastet; alle iibrigen angef-fihrten exogenen Gruppen dagegen sind entgegen der Erwartung starker belastet als die Gruppe ohne Ursachenangabe.

])iese Befunde werden uns zwar zum Teil mi t veranlassen, die yon uns bei den Geschwistern erhobenen Befunde einer je nach Vorliegen oder Fehlen einer Ursachenangabe verschiedenen Schizophreniebelastung noch nicht als al]gemeingiiltig anzusehen. Wir wollten sie daher hier auch nicht verschweigen. Andererseits mSchten wir ihnen aber doch einen welt geringeren Wert zumessen als den bei den Geschwistern er- hobenen Befunden. Denn gegen die eben angewandte Berechnungsart sprechen zwax nicht die Bedenken, die ich gegen die Diem-Kollersche ]~ethode in meiner Arbeit ~tber die heredit~ren Beziehungen der Hirn- arteriosklerose erhoben habe 1, wohl aber mutat is mutandis die, die ich in meiner Arbeit zur Genealogie der Chorea minor angeffihrt habe 2.

Von der ~ u n g der entsprechenden Befunde ffir alle in dieser Weise erforschten Verwandtschaftsgrade und yon der Anfiihrung dieser Befunde bei einigen kleineren ,,exogenen Gruppen" habe ich daher ab- gesehen, um das Bfld nicht unnStig un~bersichtlich zu gestalten. Nu t das sei noch hinzugefiigt: Von den sechs schizophrenen Kindern unserer 660 Probanden gehSren 4 zu den Probanden ohne Ursachenangabe und 2 zu den Probanden mit unwahrscheinlicherer psychischer Ursache. Von den 10 schizophrenen Neffen und Nichten gehSren 7 zu den Pro- banden ohne Ursachenangabe, 2 zu den Probanden mit unwahrschein-

1 DaB n~mlich in stark belasteten Familien manche Merkmale gar nicht zur Auszahlung kommen, da nach der Diem-Kollerschen Methode bei jedem Probanden stets nut ein Merkmal a]s belastend gez~hlt wird, und zwar unter Beobachtung stets der gleichen Rangordnung [Z. Neur. 120, 36, 37 (1929)].

DaB n~mlich groBe und in weitem Umf~ng erforschte Familien belasteter erscheinen al~ andere [Z. Neur. 117, 289 (1928)].

Page 69: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 243

licher psychischer Ursache und nut 1 Fall zu denen mit kSrperlicher Ursache. Von 20 schizophrenen Onkeln und Tanten 2. Grades gehSren 14 zu den Probanden ohne Ursachenangabe, 1 Fall zu den Probanden mit wahrscheinlicher psyehischer Ursache und 5 zu den Probanden mit kSrperlicher Ursache. Diese Befunde wfirden also wieder durehaus im Sinne unserer bei den Geschwisterschaften erhobenen Befunde sprechen. Aber auch ihnen werden wir natiirlich keinen grol~en Wert beilegen.

Eine MSglichkeit schien mir noch gegeben, dureh die ~ vielleicht, wenn ich es auch yon vornherein ffir unwahrscheinlich hielt - - die Ver- schiedenheit der Befunde bei den nach Ursachen gebfldeten Gruppen h~tte bedingt sein kSnnen: das m5glicherweise verschiedene Alter dieser Gruppen. Tabelle 32 gibt fiber das Erkrankungsalter AufschluB. Wir finden hier so geringe Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen, daI~ wir eigentlich daraufhin schon den Gedanken an die Bedeutung der verschiedenen Alterszusammensetzung ffir die bei den einzelnen Gruppen gefundenen Belastungsunterschiede h~tten fallen lassen kSnnen. (Be- sonders wenn wir an die verschiedenen Erkrankungsalter der einzelnen klinischen Untefformen denken - - siehe Tabelle 2 und Abb. 1 ~ , tr i t t die l~bereinstimmung der ]~rkrankungsalter der nach Ursachenangabe gebildeten Gruppen deu~lich zutage.) Auch das durchschnittliche Er- krankungsalter, das wit der Einfachheit halber grob dadurch errechneten, da]~ wir die F~lle der einzelnen Erkrankungsaltergruppen (abgesehen yon denen der ersten Gruppe, die wit als 14ji~hrig ansetzten) als 18j~hrig, 23j~hrig, 28j~hrig, 33j~hrig usw. in Rechnung setzten, spricht in diesem Sinne.

Tabelle 32. Nach Angaben 4ber die Ursachen au/geteilte Probandengruppen und Erkrankungsalter.

Angaben fiber

Ursaehen

Feh]en 1,7 Unwahrschein-

lich psychisch - - Unwahrschein-

lich somatisch 0,8 Wahrscheinlich

p s y c h i s c h . . . - - Wahrscheinlich

soma~ch . . . . . . . Sa. 1,1

I

21,7

Erkrankungsalter

t ~ f I

14,7

17,2

20,0 19,1

25,5 23,5

21,3 27,0

31,0 22,4 I

41,6 16,6

31,4 22,9 26,6 ] 23,8

13,8

19,6

13,7 i 33,3

17,1 15 ,6

6,7

12,2

7,6

8,3

7,1 8 ,0

6,4 0,3

4,9 - -

6,0 - -

1,4 - - 5,4 0,I

0,8

0,I

340 26,7

122 28,4

116 27,2

12 28,4

70 _ 26,2 660 I 27,1

5. Genauere Berechnung der trfozentualen SchizoThreniehdu/igkeit unter den Probanden~eschwistern. Es schien mir aber dennoch gut, auch noch folgendes

16"

Page 70: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

~44 Bruno Schulz:

hinsichtlich des Alters zu berticksichtigen: Wir haben bisher unsere Berechnungen der Schizophreniehaufigkeit in den Geschwisterschaften nach dem abgekiirzten Vcrfahren Weinbergs angestellt. Ngheres siehe S. 222 vorliegender Arbeit. Wenn wit dabei die F~lle, die zwischen 16 und 40 Jahren ausseheiden, halb in Rechnung setzen, so machten wir dabei die Annahme, dab w~hrend dieser Jahre ein an- n~hernd gleichm~Biges Ausscheiden der Gesehwister erfolgte; soll heiBen, dab z. B. yon 25 solchen Geschwistern, die im Lebensalter zwischen 16 und 40 Jahren starben (tot aus der Beobachtung schieden), in jedem Jahre etwa eines stirbt, oder doch, dab die Sterbef~lle sich derart fiber die gesamte Zeitsparme verteilen, dab alle 25 Personen zusammen 25mal die Hglf te des ganzen Zeitraums zwischen 16 und 40 Jahren durchlebt haben, also durchsehnitt l ich jede Person die H~lfte dieser Zeitspanne durehlebt hat.

])as ist nun bei einem sehr jungen Material, in dem das ~lteste Geschwister vielleicht vor nicht mehr als 30 Jahren vor Abschlu~ der Beobachtungszeit geboren wurde, best immt nicht der Fall ; es gilt vielmehr nur fiir ein Material yon einem ganz bestimmten Altersaufbau, wie das Weinberg ja auch bei Darlegung seiner Methode betont hat.

Aueh fiir die lebend zwischen 16 und 40 Jahren aus der Beobaehtung Aus- geschiedenen gelten entspreehende Erwggungen. Und bei ihnen ist fiberdies fiir ein altes Material zu berficksichtigen, dab dort beispielsweise kein lebendes Geschwister mehr vorhanden sein kaun, das jfinger ist als 30 Jahre, wenn das Geburtsjahr des jfingsten Geschwisters mindestens um diese Spanne yon dem Abschlul] der Beob- achtung zurfiekliegt.

Da das Material nunmehr etwa 18 Jahre weiter zuriiekliegt als zur Zeit der Bearbeitung durch RiZdin und Weinberg, Melt ieh es fiir angezeigt, auBer dem ein- fachen abgekiirzten Verfahren, weil dieses Unterschiede im Altersaufbau verschie- dener Gruppen nur unter bestimmten Umst~nden und sonst nut annahernd aus- gleicht, auch noch ein etwas genaueres Verfahren anzuwenden, wenigstens dort, wo bei Anwendung des einfaehen Verfahrens bestehende Untersehiede mSglicher- weise nicht erkannt werden kSunen.

Bei diesem komplizierteren Verfahren habe ich jeden zwischen dem 16. und 40. Lebensjahre Ausgeschiedenen entsprechend dem Alter in Reehnung gesetzt, das er beim Ausscheiden aus der Beobachtung erreieht hatte. Also ein Gesehwister, das etwa mi t 16 Jahren gestorben war, wurde mi t 1/26 in Rechnung gesetzt, ein Ge- schwister, das bei AbsehluB unserer Beobachtung 40 Jahre alt war, mit ~5/2 e. (Die Zeitspanne vom 16.--40. Lebensjahre umfaBt 25 Jahre ; erst ein 41j~hriges Ge- schwlster wurde voll -- ~/28 der Gefahrdungszeit -- beobachtet.) Mit diesem Ver- fahren habe ieh die Schizophreniehgufigkeit bei den naeh Ursachenangabe gebilde- ten Gruppen nochmals errechnet. Es sei erlaubt, auch einige Teflergebnisse dieser Rechnung wiederzugeben. Bei den tot aus der Beobachtung geschiedenen Ge, schwistern erhiilt man dutch diese genauere Art der Berechnung last v6Uig die gleichen Bezugs- zi//ern wie bei dem ein/achen abgek~rzten Ver/ahren, Von der Gruppe ohne Ursaehen- angabe scMeden zwischen dem 16. und 40. Lebensjahre 209 Probandengesehwister tot aus der Beobachtung. Nach dem einfaehen abgekfirzten Verfahren ergibt das eine Bezugsziffer yon 104,5. Mit dem genaueren Verfahren erhalten wir 109,8. Bei der Gruppe mit unwahrscheinlieher psychischer Ursache erhalten wir mi t dem einfachen Verfahren die Bezugsziffer 35,0, mi t dem genaueren 32,8. Die entsprechen- den Ziffern lauten bei der Gruppe mit unwahrscheinlieher k6rperlicher Ursache 29,5 und 29,8, bei der Gruppe mit wahrscheinlicher psychischer Ursache 3,0 und 3,0, bei der Gruppe mit wahrscheinlieher k6rperlicher Ursache 12,0 mad 13,0.

Ganz anders steht es mit den lebend zwischen dem 16. und 40. Jahre Ausgesvhie- denen, t t i e r lauten die Bezugsziffern in der gleichen Reihenfolge fiir die Gruppe ohne Ursachenangabe 133,5 und 192,4, fiir die Gruppe mi t unwahrseheinlieher

Page 71: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 245

psychischer Ursache 38,0 und 55,7, mit unwahrseheinlicher kSrperlicher Ursache 48,5 und 73,3, mit wahrscheintieher psychischer Ursache 2,0 und 3,5 und fiir die mit wahrscheinlicher kSrperlicher Ursache 29,5 und 43,6.

Wir sehen abet, daft sich in allen diesen Gruppen die Unterschiede bei den beiden verschiedenen Berechnungsarten in 91eicher Richtung bewegen. Die in Tabelle 30 wiedergegebenen genauer bereehneten korrigierten Haufigkeitsziffern lassen also

- - wenigstens annahernd -- die gleiehen Unterschiede zwischen den nach Ursachen- angabe aufgeteilten Gruppen erkennen wie die weniger genauen. Auch die Ziffern fiir die Gruppe der ,,Kopftraumatiker" zeigen fibrigens bei Anwendung des genaueren Veffahrens ein entsprechendes Verhalten.

Ieh halte es nicht fiir nStig, auch die iibrigen H~ufigkeitsziffem noch durch Anwendung des genaueren Veffahrens zu verbessern. Wit entsinnen uns, dab yon den l~linischen Untefformen die H-Gruppe dutch besonders hohe Sehizophrenie- h~ufigkeit unter den Geschwistern aufgefallen war. I)urch die genauere Bereehnung wiirde diese H~ufigkeitsziffer aber besonders fiir die alteren Gruppen sinken. Da die H-Gruppe zu den jiingsten Gruppen geh5rt, wiirde die genauere Bereehnung die Unterschiede zwischen der H-Gruppe und den fibrigen ~ruppen nur verst~rken. (Eigentlieh wissen wir ja nut, dab die H-Gruppe das jtingste Erkrankungsalter hat. Doch da unser gesamtes Material ann~hernd in der gleichen Zeitspanne in die Klinil~ aufgenommen wurde -- 1906--1912 --, entsprieht dem jiingsten Erkrankungsalter im allgemeinen aueh das am wenigsten weir yon der Gegenwart zuriickliegende Geburtsjahr.)

6. Schizophreniehgu/igkeit und Tuberkulosesterblichkeit unter den Ge- schwistern der Probanden mit schlechten Schulleistungen, sowie Tuberkulose- sterblichkeit unter den Geschwis ern einzelner au/ Grund der Angabe bestimm. ter k6rperlicher Ursachen gebildeter Probandengruppen. Auf Grund des Befundes bei einer der Gruppen mit kSrperlichen Ursachen sei hier noch eine besondere Untersuchung eingefiigt. Wit hatten gefunden, dab die Probanden mit Schfi~le]mi{~bildungen, vermutlichen Geb~rtstraumen usw. keine Schizophreniebelastung aufwiesen. Von den 8 Probanden dieser Gruppe wiesen 2 schlechte, 2 mangelhafte Schulleistungen auf und auch 3 andere mit nnbekannten Schulleistungen machen einen wenig begabten Eindruck. I)as bestimmte reich, eine Untersuchung unserer Probanden mit schlechten Schulleistungen auf Schizophreniehs unter den Ge- schwistern vorzunehmen. Zwar land ja bereits Brugger unter den Ge- schwistern Pfropfschizophrener die gleiche Schizophrenieh~ufigkeit wie unter den Geschwistern Schizophrener 1; abet es schien mir doch gut, auch unser 1VL~terial in dieser Hinsicht zu untersuchen. Es fanden sich nun unter allen 55 Probanden mit schlechten Schulleistunge~, 7,6% schizophrene Ge- sehwister (12 ~ l l e ; Bezugsziffer 157,5). A]lerdings gerade jene Probanden mit anscheinend besonders ausgesprochenem Schwachsinn, die sich am ehesten als Pfropfschizophrenie bezeichnen lieBen (23 F~lle), zeigen nur 5,4% (4 F~lle; Bezugsziffer 74). Die 32 in leichterem Grade schwach- sinnigen Probanden zeigen 9,5 % (8 F~lle; Bezugsziffer 83,5). Unter den 23 schwerer schwachsinnigen Probanden finden sich auch die 2 Probanden aus der Gruppe der Sch~lelanomalien und Geburtstraumen.

1Brugger: Z. Neur 113, 348 (1928).

Page 72: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

246 Bruno Schulz:

Tabelle 33. Tuberbulosesterbli~keit unter den Geschwistern nach Abzug der Geistes- kranken oder gewaltsamen Todes Gestorbenen. Au/teilung nach Angabe k6rperlicher

Ursachen bzw. nach Schwachsinn.

~+.~

. ~

I Potus . . . . . . . . ] 8 Sch~delmfl3bildung usw. [ 7 Innere Krankheiten usw. [ 51 Entbindungen . . . . . | 13 Kopftraumen . . . . . | 30 Operationen usw . . . . ] 10

Sa.

Schlecht in Schule: Schwerere F~lle . . . Leiehtere F~lle . . .

Alle in Schule Schlechten

119

24

4 3

14 3

49

26

u ~ -~ . ~

~.~--

4 4

16 7

7O

16 ]2 28

2 50,0

28,5 7 43,7

28,5

25 35,7

12,6 2 16,6 4 14,2

. ~

7 4

20 6

76

15 22 37

m

~ h 0 ~

41

21

3 2 1

17 2 8 15 4

35 17

16 4

66,6

47,1 50,0 62,5 25,0

48,5

25,0 25,0 25,0

I ch ha t te bei der Be t r ach tung der Geschwis terschaf ten der k l in ischen U n t e f f o r m e n auch die Tuberlculosesterblichlceit in diesen Geschwister- scha f t en mi t herangezogen, u m die ve r sch iedenen Gruppen auf etwaige kons t i tu t ione l l e Verschiedenhei ten zu u n t e r s u c h e n . Ich habe das gleiche auch bei den auf Grund der Ursachenangabe gebildeten Gruppen getan . Tabel le 33 u n d 34 geben e inen ~ b e r b l i c k i iber die Ergebnisse. Unter- schiede, die t rotz des k le inen ~r zu denken geben wi~rden, bestehen wohl nicht. Die Ziffern schwanken a u ~ e r d e m je nach den verschiedenen Berechnungsar ten . W e n n m a n auf e inen Un te r sch ied hinweisen will, so kSnn te es am ehesten der sein, dal3 die P o t a t o r e n a n erster Stelle s tehen, da sie es bei al len B e r e c h n u n g s a r t e n t un . Das wiirde ja auch unse re r E r w a r t u n g am meis ten en tsprechen . Zu beach ten ist auch, da]3 bei der Tuberkuloses terbl ichkei t die soziale Lage eine Rolle spielt, die sich auch in unserem Fal le auswi rken k a n n . - - Die Ziffern bei den Schwachs innigen liegen wider E r w a r t e n besonders tief.

7. Schizophreniehdufiglceit und TuberIculosesterblichkeit unter den Ge- schwistern der geheilten Proba~nden mit angeblicher psychischer Ursache. N u n aber zur genealogischen U n t e r s u c h u n g der gehei l ten P r o b a n d e n m i t psychischer Ursache (s. S. 241). Es s ind im ganzen 29 F~]le; 25, bei d e n e n mir die A n n a h m e einer psychischen Ursache besonders unwahr - scheinl ich erschien 1, u n d 4 FMle, bei d e n e n sie mir wahrscheinl icher

z Von diesen F~Uen linden sich Fall 654, 675 und 812 im Nachweis (S. 281, 284 und 287).

Page 73: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 247

Tabelle 34. Tuberkuloeesterblivhkeit unter den Geschwistern nach Abzug der gewalt- samen Todes Gestorbenen. Au/teilung nach Angabe k6rperlicher Ursachen bzw. nach

Schwachsinn.

Potus . . . . . . . . Sch~delmiBbfldung usw. Innere Krankheiten usw. En$bindung . . . . . . Kopftraumen . . . . . Operationen usw . . . .

Sa.

Schlecht in Schule: Schwerere F~llo . . . Leichtere FMle . . .

Alle in Schule Schlechten

e~

. ~ r

8 7

51 13 30 10

119

24

~v

3 5 3 4

12 18 3 7

3

I ~ <D

I ~ , ~

3 3

lO

10 2

D O

lO

39 80

1 15 21 33

31

9

60,0 7

25,0 44,4 20 28,5 6 38,7 76

22,2 15 33,3 22 27,2 37

33

17

10 10 20

3

23

8

o

75,0

57,1 33,3 60,0 25,0 53,5

40,0 40,0 40,0

erschien. Die Schizophrenieh4"ufigkeit unter den Gesehwistern betrggt 4,0% (2 F~lle; Bezugsziffer 50). [Nut fiir die Probanden mit unwahrschein- licherer psychischer Ursache 4,4 % {2 F~lle; Bezugsziffer 45,5).] Die geringe Ziffer bes~rkt uns in unserem Verdacht, daft unter den]enigen Geheilten, bei denen die Kran]cheit On Anschlufl an ein psychische8 Trauma aus- brach, sich besonders viel Probanden befinden, bei de~en es sich um keine wirklichen Schizophrenien handelt. Es besteht abet natfirlich auch die lV[Sglichkeit, dab psychisch ausgel6ste Schizophrenien besonders leicht zur Heilung kommen. Schizophrene Eltern besitzen die Probanden dieser Gruppe nicht.

Wit erinnern uns jedoch nun, dab auch die Geheflten im gesamten ~ateri~l nut ~erh~ltnisr~Big geringe Schizophreniehs unter ihren Geschwistern aufwiesen, und wit betrachten daher auch die Geheilten der Gruppe 6hne Ursachenangabe. Hier betr&gt die Schizo- phreniehkufigkeit unter den Geschwistern 5,7 % (5 ~ l l e ; Bezugsziffer 88). Der Unterschied zwischen Geheilten ohne Ursachenangabe und Ge- heilten mit psychischen Ursachen ist nut unbedeutend gr6Ber als der zwischen allen Probanden ohne Ursachenangabe und alien Probanden mit angeblicher psychischer Ursache (vgl. TabeUe 30). Andererseits fanden wir ja, dai3 auch die Probanden, die mit einem schweren Defekt auBer. halb der Anstalt lebten, keine st~rkere Belastung als die Geheilten des Gesamtmaterials aufwiesen. Als gek~r t kann demnach die Frage der SchizophreniezugehSrigkeit der geheilten ~&lle mit angeblicher

Page 74: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

248 Bruno Schulz:

psychischer Ursache, also die F rage wieviel P rozen t dieser Gruppe als wirk- liche Schizophrenien anzusehen sind, noch nich~ gelten. A u c h hier aber fordern die Befunde zu weiterer Nachprf i fung dr ingend auf. I n Tabel le 35 is t e in ~be rb l i ck fiber die A r t e n d e r psychischen Ursachen gegeben. U n t e r den FAllen yon innerer Bedrf ickthe i t s ind n u r solche F/~lle z u sa mme n- gefaBt, bei denen diese Bedr i tck the i t n ich t auf Liebeskummer , Ehe- zerwiirfnis oder Haft , kurz auf i rgendeine der sons t in der Tabel le ange- f f ihr ten Ursachen zuriickzufiiahren war. A u f e n t h a l t im anderssprachigem Aus lande ist in einigen FAllen ebenfaUs als Ursache angefiiahrt, da dieser das Gefiihl der F r emdhe i t u n d Ver lassenhei t im besonderen Grade auf- k o m m e n lassen k a n n 1. U n t e r a l ien 134 F/~llen f inden sieh auch die 12 FAIle, bei denen mir schien, dab die psychische Ursache aus i rgendwelchem G r u n d e am ehesten in Be t rach t gezogen werden k6nnte . Es s ind dies bei den Gehellten 2 l~/~lle m i t unglf ie ldichem Liebeserlebnis, 1 Fa l l m i t Tod eines nahen Verwand ten u n d 1 Fa l l won innerer Bedrf ickthei t ; bei den Niehtgehefl ten ebenfalls 1 Fa l l m i t unglf ieldichem Liebeserlebnis u n d 7 F/file yon Haft .

Tabelle 35. Ubersicht i~er die Art der psychischeu Ursachen.

Art der angebliehen psychischen Ursachen

Unglfickliche Liebe . . . . . . . Ungliickliche Ehe . . . . . . . . Tod eines Verwandten . . . . . . Andere driickende Erlebnisse . . . Schreck . . . . . . . . . . . . Vergewaltigxmg . . . . . . . . . . - - Exerzitien, Besch/~ftigung mit Spiri-

tismus usw . . . . . . . . . . 1 t?berarbeitung �9 �9 1 Aufenthalt im A'usiand" ~ i . ~ . 1 Haft . . . . . . . . . . . . . . . - -

Sa. 14

Zahl tier Probanden

Geheilt Nicht geheilt

2kbsolute Prozent- Zahlen zahlen

3 ' 6 2 31,0 1 - - 3,5 1 ~ 1 6,9 5 ~ 2 24,1 1 2 10,3

1 3,5

1 6,9 1 6,9 1 6,9

15 100,0

Absolute prozent Zahlen zahlen

i ~ ~ und 9

4 15 ~ 18,1 - - 5 4 , 8 4 5 8,6

19 25 41,9 1 1 1,9

- - 1 1,0

1 6 6,7

1 4 4,8 12 3 1 12,4

42 63 100,2

Hingewiesen sei auf folgendes: H a f t f inder sieh nu r bei den Nicht - gehefl ten, bei diesen fiberwiegen verhAltnismAl3ig auch die FAlle der Gruppe mi t innerer Bedrfiektheit . Liebe u n d Sehreek dagegen fiberwiegen bei der Gruppe der Geheil ten.

1 Vgl. z. B. Allers: l~ber psychogene St6rungen in sprachfremder Umgebung. Z. Neur. 60, 281 (1920).

2 Darunter je 1 ; a dartmter 7 Probanden, bei denen das Vorliegen einer psy- chischen Ursache als besonders wahrscheinlich angesehen wurde.

Page 75: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 249

Die Tuberkulosesterblichkeit unter den Geschwistern der Geheil ten mi t psyehischer Ursaehe is t aus Tabelle 36 und 37 zu ersehen. Dor t f indet sich aueh die Tuberkulosesterbl ichkei t der Geheilten ohne Ur- sachenangabe und die aller F~lle mit angegebener psyehiseher Ursache. Die geheilten Fglle ohne Ursachenangabe zeigen sich ger~nger belastet als die Gesamtheit der F#ille mit psychischer Ursache. Vet allem abet sind die geheilten F~ille mit ,psychischer Ursache gering belaetet.

Tabelle 36. Tuber]culosesterblichkeit unter den Geschwistern nach Abzug der Geistes- kran]cen oder gewaltsamen Todes Gestorbenen. Au/teilung navh Angabe psychisc&er

Ursachen bzw. nach A usgang der H eilung.

Geheilt, psychische Ur- sache . . . . . . .

Geheflt, ohne Ursachen- angabe . . . . . . .

Alle FMle mit wahrschein- licher psyehischer Ur- sache . . . . . . .

Alle F~lle mit unwahr- scheinlicher psychischer Ursache . . . . . . .

AUe F~l]e mit psychischer Ursache . . . . . .

17

26

11

105

116

7

11

3

37

40

: . ~

~ ~~

10 2

15 5

8 4

68 28

56 32

20,0

33,3

50,0

41,2

57,1

Z~

s~r~

13

21

9

76

85

. ~

N ~ O

~ e

7

11

3

31

34

~ �9

6! 2

101 5

i 6 1 4

i 45 23

51 27

33,3

50,0

66,6

53,3

52,9

In welchem Grade die l~&lle mi t psychischer Ursache i iberhaupt (also nicht nur in bezug auf ihre Geschwister) als be las te t gefunden wurden, war ja b e r e i t s in Tabelle 31 dargestellt . Die Geheil ten der Ge- samtgruppe mi t psychischer Ursache zeigen sich wie folgt be las te t : Sichere Schizophrene in n~chster Verwandtschaft bei 27,6% der 29 Pro- banden, unsichere Schizophrene in nKchster Verwandtschaf t oder siehere oder unsichere in wei terer Verwandtschaft bei 10,3%, Belastung mi t Schizoidie oder unspezifische Belastung bei 41,4%, keine Belastung bei 20,7 %.

Zusammev/fassend mSchte ich iiber das Ergebnis der Untersuehung der F~lle mi t psychischen Ursachen sagen: Verdacht darauf , daft die psychischen Ursachen eine Rolle spielen, besteht bei unserem Material nu t bei den geheilten F~illen und bei den Haftpsychosen 1. Aueh hier wird man in

1 Vgl. hierzu z. B. Knigge: ~ber psychische StSrungen bei Strafgefangenen. Arch. f. Psychi~tr. 96 (1932). Bemerkenswert ist dor~ die Angabe, dal~ friiher etwa 50%, in neuerer Zeit nut etwa 13% aller derartigen StSrungen als Schizophrenien aufgefaBt wurden (136/137).

Page 76: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

250 Bruno Schulz:

Tabelle 37. Tuberkulosesterblichkeit unter den Geschwistern nach Abzug der gewalt- samen Todes Gestorbenen. Au/teilung nach Angabe psychischer Ursachen bzw. nach

Ausgang in Heilung.

Geheflt, psychische Ur- sache . . . . . . .

Geneilt, ohne Ursachen- angabe . ~ . . . . .

A]le Falle mit wahrschein- licher psychischer Ur- sache . . . . . . .

Alle F/~Ue mit unwabr- scheinlicher psychischer Ursache . . . . . . .

Alle F/~lle mit psychischer Ursache . . . . . .

z~

~3e

17

26

1]

105

116

5 12

17 9

3 8

24 81

27 89

35

39

25,0 13

35,3 21

50,0 9

43,2i 76

43,8 85

~o

5

9

3

23

26

O ~

8 3

12 6

6 4

53 28

59 32

37,5

50,0

66,6

52,8

54,2

~hnlicher Weise, wie dies fiir die l~ l l e mi t kSrperl/chen Ursachen auf S. 239 dieser Arbeit angedeutet ist, versuchen zu grSBerer Klarhei t zu gelangen.

8. SchizophrenieMiufigkeit unter den Geschwistern der angeblich pr~i- psychotisch v611ig unaufffilligen Probanden. Als letzte Gruppe, die auf Grund der Beschaffenheit der P robanden selbst und seiner Kranken- gesehichte gebildet wurde (nicht unter BeIiicksiehtigung der Befunde in seiner Verwandtschaft) , bet rachten wir nun die Gruppe der Probanden, bei denen sich ausdriicklich angegeben land, dab sie vor der Erkrankung v611ig unauff&lhg gewesen seien.

Die Schizophrenietdiufiglceit unter ihren Geschwistern betrd6rt 6,8% (23 l~glle ; Bezugsziffer 368,5), s t immt also fast vSllig mi t der des Gesamt- mater ia ls iiberein (Tabelle 20). Auch die famili/ire Belastung fiberhaupt, die ich mit einigen anderen Befunden dieser Gruppe zusammen i11 Tabelle 38 zur ])arstellung gebracht habe, wurde yon der des Gesamt- materials kaum abweichend gefunden (vgl. Tabelle 31). Auch in bezug auf das ]~rkrankungsalter zeigen sich keine deut]ichen Unterschiede (vgl. Tabelle 2). Bei der Aufteilung nach dem Geschlecht finden sich bier ein wenig mehr Frauen als im Gesamtmater ia] . Bei der Aufteilung nach dem Ausgang f~llt auf, dab mehr VerblSdete oder in kurzer Zeit Ver- s torbene als beim Gesamtmaterial gefunden wurden (vgl. Tabelle 3). Bei ]3etrachtung der Aufteilung nach den angegebenen Ursachen ]ieBe sich vieUeicht sagen, dab bei den priipsychotisch Unauff/~lligen h/~ufiger kSrper- liche Leiden angeschuldigt wurden als psychische (vgl. hierzu Tabe|le 5).

Page 77: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenic. 251

Tabelle 38. Au/teilung der 97 prap~ychotisch unau//glligen Probanden im Vergleich mit der entsTrechenden Au/teilung aller 660 Probanden. Prozentzif]ern.

2kufteilung nach

�9 ~ 3 HK

G LD SD

~ D A B1

A gest . | gest. ]

lOr~ . psycho -

tisch un- auffhllige

probanden

3,1 25,8 12,4 5,2

13,4 14,4 25,8

9,3 3,1 9,3 9,3

13,4 24,7 27,8

2,1 1,0

_&lie Pro-

banden

4,7 19,2 10,9 7,0

19,5 16,3 22,3 10,1 4,8

12,5 8,3

18,6 21,4 20,8

1,5 1,8

a~

2~ufteilung nach

unter 16 16--20 21--25

i 26--30 31 --35 36--40

i 41 -45 , 46 --50 ' 51--55

Schizophr. (stark) Schizophr. (schwach)

Schizoid oder unspezifisch

Belastung fehlt

~ Fehlt Unwahr- I psych.

scheinlich | kfrp. ~ Wahr- J psych.

scheinlic h / kSrp.

Pr~ - psycho-

tisch un- [ auff~llige i Probanden

2,1 20,6 23,7 24,7 19,6 8,2 1,0

35,1 9,3

36,1 19,6

Alle Pro-

ban4en

1,1 19,1 26,6 23,8 15,6 8,0 5,4 0,1 0,1

31,5 15,1

36,8 16,5

51,7 18,3 17,6

1,8 10,6

Die gefundenen Unterseh iede sind aber meines Erach tens aber doeh zu klein, u m mi t Dringl iehkei t zu weiteren Un te r suchungen in dieser R ich tung aufzufordern. Wil l m a n weitere Un te r suchungen in dieser R ich tung maehen, wird es nStig sein, sic auf zuverl~ssigere Angaben fiber die pr~psychot ische Beschaffenhei t zu griinden, als dies mir meines Eraehtens bei dieser Arbe i t m5glich war.

I X . ~]berblick iiber die Probandendtern und die Schizophrenieh(iufigkeit unter den Geschwistern der nach verschgedenen Elternkombgnationen gebildeten

Probandengruppen.

Wir haben nun bei unseren bisherigen Unte rsuchungen der Schizo- phrenieh~ufigkeit un te r den Geschwistern der einzelnen P r o b a n d e n - g ruppen n ich t beri icksichtigt , wie groB die Schizophrenieh~ufigkeit under den E l t e rn dieser P robandeng ruppen war. Theore t i sch sowohl wie naeh den bisherigen Unte r suchungen (yon Rihtin, Hoffmann, Kahn u. a.) ist anzunehmen , dal~ wit dor~, wo mehr sehizophrene E l t e rn sind, auch mehr Schizophrenien un te r den Kindern dieser E l te rn , also un te r den Probandengeschwis tern , l inden. Hs wit in dieser Arbe i t es daxauf angelegt gehabt , Mendel-Ziffern zu errechnen, so h s wit yon vorraherein P r o b a n d e n m i t schizophrenen El tern y o n P r o b a n d e n mi t schizophreniefreien E l t e rn t rennen miissen. Wir wollten ja abe t nu t die

Page 78: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

252 Bruno Schulz:

Tabelle 39. Todesursachen der Probandeneltern

21--30 .31--40 ~1--50 51 --60 ~1--70 71--80 ~1--90

Sa.

A l l e l e b e n d e n

l O r o b a n d e n - e l t e r n

3 - - 2 3 7 14

45 79 44 82 9 9

110 187

AIle to t en

Probanden* el tern

3 12 18 43 63 46

111 100 174 130 141 117 37 25

547 473

T u b e r - H i r n - S c h l a g A r t e r i o - H e r z - k u l o s e s e h l a g s k l e r o s e l e i d e n

- - 2

8 17 18 17 18 15 12 3 2 1

58 55

1 - -

10 2 14 8 13 8

38119

1 4 3 4 6

18115

8 4

16 11

2 1 3 1

12 16 24 25 12 23 - - 4

53 70

versehiedene Sehizophrenieh/iufigkeit in den einzelnen yon uns gebildeten Probandengruppen feststellen. Und wenn nun aueh die Sehizophrenie- hAufigkeit unter den Geschwistern einer Gruppe gerade deshalb besonders groB gefunden w/ixe, weil unter den Eltern dieser Gruppe besonders viel Schizophrenien gewesen ws so ist doch eben auch die Sebizophrenie- h&ufigkeit unter den Eltern einer solchen Gruppe als ein Charakteristikum dieser Gruppe zu betrachten. Zwar h/~tte man theoretisch korrekter- weise bei jeder einzelnen yon uns gebildeten Probandengruppe zwisehen F/~llen yon schizophreniefreien Eltern und sehizophrenen Eltern trennen sollen; das aber hi~tte bei dem kleinen Material ~ die so gebildeten Unter- gruppen zu keinem verwertbaren Ergebnis geffihrt, sondern den l~ber- blick nur allzusehr erscbwert.

Auch ist zu bedenken, dab unter den Eltern, bei denen wir nichts fiber das Vorliegen einer Schizophre~fie wissen, dennoch scbizophrene Eltern oder solche, die vielleicht schizophren geworden w~ren, sich befunden haben k6nnen. Unter allen Eltern sind (Tabelle 39) 79 (auBer 3 unbekannten V~tern), die vor dem 40. Jahre ans der Beobachtung schieden; davon~ geh6ren nur 6 (darunter ein unbekannter V~ter) zu den Elternpaaren, yon denen ein Elternteil als sicher oder ffag]ich schizophren yon uns gez~hlt werden konnte (Tabelle 40). Es bleiben also 76 Eltern, die, bevor sie aus der Beobachtung schieden, die Ge- f~hrdungszeit ffir Schizophrenie noeh nicht fiberschritten hatten. Aber much unter den Eltern, die bis ins hohe Alter beobachtet wurden, mSgen sich solche befinden, die tats~chllch schizophren w~ren, wenngleieh wit keine begrfindete Ursache haben, sie als sicher oder auch nut a]s frag]ich schizophren zu ffihren. So sei auf die Eltern der Probanden 134 und 134a hingewiesen. }Iier lauten die Angaben fiber die ~r yon mehreren Seiten so, dab man sie als manirierte Debile auffassen k6nnte. Und fiber den Vater schrieb mir der Anstal tsarzt , der ihn kennengelernt hat te, als er seine kranken Kinder besuehte, dab er ein hSehst eigen- artiger I-Ierr sei, ungemein devot, rfihrselig, in gewisser Beziehung

Page 79: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 258

und Fi~lle vo~ seniler Demenz.

V e t ~

C a r c i n o m Z u c k e r u n g l i i c k t und Suicid gefallen

6 14 27

9

56

[ 5 10 18 8

I 41

1 3 2 - - 4 1 1 - -

4

2 1

1 1 6 2 5 - -

15 4

- - 1 2 - - 3 1 6 - - 3 - - 1 - -

15

Sonstige Todes-

ursachen

1 8 6 24

27 15 37 48 70 65 86 65 34 20

261 1245

V n o

bekannte To4es-

ursachen

2 1 1 3 3 3 3

9 1 7

Senile Demenz

l ebend tot

214 1 3 3 2

- - - - - - 2

1 3 1 5 8

geradezu l/s zweifellos ein sonderbarer Kauz , gelindo gesagt ein Psychopath . Dennoch werde m a n bei ihm an Schizophrenie n i ch t denken kbrmen. Die Mut t e r sei ibm, soweit er sich an sie cr innere , i i be rhaup t n ich t besonders aufgefallen. DaB es sich hier bci Vater oder Mut t e r u m Schizophrenie h a n d e l n k a n n , is t demnach wohl n ich t m i t Sicherhei t auszuschlieBen, andererse i t s re ichen die Angab e n nicht aus, u m den einen odor anderen als sch izophren oder auch n u t fraglich schizophren zu fi ihren. Es f a n d e n sich noch einige Falle ahnhcher Art . Ich fiihre das alles hier an, u m zu zeigen, auf wclche Schwierigkciten bei der Schizo- phrenie die E r r e c h n u n g y o n Mendel-Zahlen stSBt. Auch B l e u l e r ha t ja bald nach Ersche inen der R i i d i n s c h e n Arbei t auf diese Schwierigkeit hingewiesen, i n d e m er gerade den eben g e n a n n t e n U m s t a n d hervorhob, dab es n~mlich so schwer sei - - ja er n e n n t es prinzipiel l unmSgl ich - - eine (latente) Schizophrenie auszuschlieBen 1

Wi t wollen n u n abe t doch, nachdem wir die e inzelnen P r o b a n d e n - g ruppen ohne Ri icks ich t auf elterliche Belas tung be t r ach te t haben , eine Gruppe aus a l len den jen igen P r o b a n d e n bilden, deren e iner El te rn te f l sicher oder m i t mehr oder weniger Wahrscheinl ichkei t schizophren war. Das erscheint uns u n t e r ande rem schon mi t Riicksicht auf die frfihere R//dinsche U n t e r s u c h u n g angezeigt . R i i d i n l a n d un te r den Geschwistern der jen igen seiner P r o b a n d e n , die yon den E l t e rn ohne nachgewiesene

1 Bleuler: Schweiz. Arch. l~eur, l, 19f. (1917). ~brigens scheint mir gerade auch aus dieser Arbeit Bleulers hervorzugehen, dab es seiner Auffassung entspr'ache, wenn alle die yon mir als fragliche Schizophrenien gefiihrten Probandeneltern und Probandengeschwister ohne weiteres als Sehizophrenien gez~hlt wiirden. Wie die Betrachtung der yon mir angefiibrten Beispiele (S. 293) zeig~, sind dies ja Fiflle, die man bei weitherziger Fassung des Sehizophreniebegriffes dieser Krank- heir zurechnen kann. PersSnlichkeiten, die auf reich nur als ,,sehizoide Psycho- pathen" oder ,,Sonderlinge" wirkten, finden sich nieht unter ihnen. Ieh konnte reich nieht dazu entschlieBen, derartige Typen hier mit einzurechnen, um so weniger als ieh Sonderlinge z. B. in groBer Zahl in der Verwandtschaft paranoid Seniler fand, ohne dab dort die Sehizophreniehaufigkeit entspreehend erh6ht gewesen w~re.

Page 80: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

254 Bruno Schulz:

Tabelle 40. Altersau/bau der Eltern derjenigen Probanden, deren einer Elternteil als schizophren oder ]raglich schizophren angesTrochen wurde.

Elternpaare, deren einer Partner

sicher oder fraglich sicher schizophren fraglich schizophren schizophren

leben4 tot

20 --30 31--40 41--50 51--60 61 - -70 7 1 4 0 81 --90

Sa.

leben4 tot

e I *

51 8

m

2 4 2

I

2 ] 5 4 lo

11 4 8 1 5 2 1 1

28 26

1 1

tot

1 2 3 2 4 4

1 3 1 1 - - 3

' - - �9 1

2 12 12

lebend

9 ~ I 9

i - - 2 2 5 5

_ _ i _ " 7 1 10

2 5 8

14 8 3

40

3 7

14 5 8 1

38

Sch izophren ie s t a m m t e n , nach d e m a b g e k i i r z t e n Ver fahren 5,3 % Schizo- ph ren ieh~uf igke i t (Riidin: 1. c. S. 51) . Be i den P r o b a n d e n , die yon e i n e m sch izophrenen E l t e r a b s t a m m t e n , l a n d er 6,2% Schizophren ie - h s (S. 63). I ch se lbs t l a n d n u n be i e n t s p r e c h e n d e r Be re c hnung j a schon 6,7 % Schizophreniehi~ufigkei t be i d e m G e s a m t m a t e r i a l (Tabe]le 20). Die Ziffer wi i rde sich bei genaue re r A n w 6 n d u n g des abgek i i r z t en Ver- f ah r ens (siehe die Ausff ihrungen auf S. 2 4 3 - - 2 4 5 dieser Arbe i t ) auf e twa 6,2 % ern iedr igen 2. Abe r auch d a n n ] iegt sie noch in de r g le ichen H 6 h e wie die en t sp rechende y o n Riidin ge fundene Ziffer fi ir d ie Ge- schwis t e r de r yon e inem sch izophrenen E l t e rn t e i ] a b s t a m m e n d e n P ro - b a n d e n . Aus den A n g a b e n auf S. 51 u n d 63 de r Riidinschen A r b e i t e r rechne ich fiir Riidins G e s a m t m a t e r i a l e ine Sch izophren iehs u n t e r d e n Geschwis te rn yon 5 ,37%.

Es s ind also im Laufe der 18 J a h r e se i t de r E r fo r schung d u r e h Ri~din ein wen ig mehr Schizophrenien h i n z u g e k o m m e n als t heo re t i s eh anzu- n e h m e n war. (Theoret isch h~ t t e d i e Ziffer 5 ,4% j a die gle iehe b l e iben sollen.) D a unsere Ziffer fiir d ie Gesehwis t e r de r P r o b a n d e n des G e s a m t - m a t e r i a l s abe r in j e d e m Fa l l e d ie t t 5 h e d e r R~d inse he n Ziffer f i ir d ie Geschwis te r der m i t seh izophrenen E l t e r n b e l a s t e t e n P r o b a n d e n e r re ich t , l ieg t es sehon aus d iesem Grunde nahe , n u n zu sehen, wie hoch d e n n bei unse re r je tz igen Un te r suchung die Sch izophren ieh~uf igke i t u n t e r d e n Geschwis te rn der m i t e inem sch i zoph renen E l t e r n t e i l be l a s t e t en P ro - b a n d e n ist .

Es sind im ganzen 33 Probanden, bei denen ich mit Sicherheit einen Elternteil als schizophren angesprochen babe. Die SchizophrenieMiufigIceit

i Dazu 1 ~ unbekannt. 2 Beziehen wir in unser Material aber noch die 42 Probanden ein, die wir wegen

unsicherer Diagnose gleich anfangs aus den im ganzen 702 Probanden ausgesondert hatten (s. S. 196 dieser Arbeit), so erhalten wit ftir unser jetziges Material sogar nut 6,0%.

Page 81: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 9,55

unter de~, Geschwistern dieser Probanden betrggt 7,2% (4 F~lle; Bezugs= ziffer 55,5). Sic ist also nur unbedeutend hSher als in unserem Gesamt- material (vgl. Tabelle 20), ja sic bleibt sogar hinter der Ziffer bei den Geschwistern al]er Probanden ohne Ursachenangabe (8,3%) zurfick (vgl. TabeUe 30). Ich mSchte das als einen Zufall ansehen, bedingt durch das kleine Material. Immerh in ist racine Ziffer yon 7,2% hSher als die entspreehende Ziffer R/id~ns (6,2 %) und pa~ t daher besser zu der Ziffer, die Hoffmann ffir die Sehizophreniehs unter den Kindern eines schizophrenen Elters land (etwa 9 %)1.

Eigentlich sollten Riidins and racine Ziffcm ja hSher als die Ho/]ma~ns sein. R4dins and meinc Ziffern geben das Ergebnis einer Kreuzung RR • DR wicder. (Der Partner des kranken Elters muB theoretisch -- den rezessiven Erbgang der Schizophrenie einmal vorausgesetzt -- ein DR-Individuum sein, da unter den Kindern dieser Kreuzang sich stets ein Kranker, der Proband, befindet; HoHmanns Ziffer gibt zum Teil ebenfalls das Ergebnis der Kreuzung RR • 1)I~ wieder, zum grSl~eren Teil aber wohl das der Kreuzung RR • DD~.)

Setze ich nan allerdings die fraglichen Schizophrenief~lle unter den Geschwistern meiner Probanden mi t einem schizophrenen Elterntei l ebenfalls mi t in Rechnung, so linden wir eine Schizophrenieh~ufigkeit yon 12,6 %, also eine Ziffer, die deutlich fiber der entsprechenden Ziffer meines Gesamtmater ia ls liegt (8,2%; Tabelle 20), deutlich auch fiber der entsprechenden Ziffer bei meiner Probandengruppe ohne Ursachen- angabe (dort errechnet sich aus Tabelle 30 bei Einbeziehung auch der fraglichen Sekund~rf~l]e [10 0 0 0 : 9 9 5 - - ~ ] 10,0%); und, was nach dem oben Angeffihrten ebenfalls der Erwar tung entsprechen wiirde, deutlich fiber der Ziffer Hoffmanns yon etwa 9%.

Die Fdlle, bei denen ich einen Elternteil als fraglich schizophren ange- 8ehen habe, betraqen 14. Die Schizophrenieh~iufigIceit unter den Geschwistern der Probanden bet~igt bier 8,2%. Bei Einbeziehung auch der fraglichen Sekundi~rf~lle erhSht sie sich allerdings nur auf 10,2 %.

Aul~er Schizophrenien kommen unter den Eltern unserer P robanden erwartungsgem~B, und wie auch aus der Ris Arbei t sehon ersichtlich, die verschiedensten anderen Psychosen vor. I)er Charakter der vorliegenden Untersuchung erfordert es meines Erachtens nicht, eine ErSrterung fiber ihre Zahl und Ar t anzustellen oder auch nur sie alle anzuffihren; auch bei den Gesehwistern der Probanden haben wit ja davon abgesehen a. Nur in bezug auf die unter den Probandenel tern vorkommenden F~lle yon seniler Demenz sei eine kurze Bemerkung ges ta t te t :

Bereits in meiner Arbeit fiber die heredit~ren Beziehungen parano id gef~rbter Alterspsychosen 4 bin ich auf die Beziehungen zwischen seniler

1 Inzwischen best~tigte die Arbeit Opplers [Z. Ncur. 141, 549 (1932)] die H6he der Hof/mannschcn Ziffer.

2 Wcgen der ~bersichtlichkeit wurdcn eln]ach recessive Erbformeln gew~hlt. * Vgl. S. 241, l~al3note. 4 Schulz: Z. Neut. 129 (1930).

Page 82: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

256 Bruno Schulz:

Demenz und Sehizophrenie eingegangen. Ich land dort in ~berein- stimmung mit Meggendorfer unter den Kindern Seni]dementer mehr Schizophrenien als in der DurchschnittsbevSlkerung (wenn aueh be- tr~chtlich weniger als unter den Kindern Schizophrener). Und ich wies darauf hin (S. 170), dab entspreehend unter den 1402 Eltern der Schizo- phrenieprobanden R//dins sich eine hShere Zahl Seni]dementer gefunden habe als unter den Eltern einer DurchschnittsbevSlkerung (wenn auch welt weniger als unter den Eltern Senildementer).

Da ich pun aber damals den Altersaufbau der Elternschaften der Probanden R//dins nicht kannte, so konnte ich fiber die Hi~ufigkeit der senilen Demenz unter ihnen nut rohe Prozentziffern bringen. Ich ver- sprach die nachtr~gliche Errechnung yon korrigierten Prozentziffern unter Berficksichtigung des Altersaufbaues. Dies Versprechen sei nun- mehr eingelSst. Es linden sieh unter den fiber 60 Jahre alt gewordenen Eltern der Probanden vorliegender Arbeit 1,9% senile Demenzen. (17 F~lle; Bezugsziffer 892; Tabelle 39.)

Die Ziffer ist betr~chtlich hSher als die entsprechend errechnete for die Eltern einer Durchschnittsbev51kerung. Dort 0,25% bzw. 0,67% (n~heres fiber die Herkunft dieser Ziffern siehe bei Berlit 1

Wenngleieh, wie aueh in dieser Arbeit soeben bereits angedeutet, alle bisherigen exakten Untersuehungen fiber diese Fr~ge (Meggendorfer, Weinberger, Schulz) gegen eine Identit~t der senilen Demenz und der Sehizophrenie spreehen, l~Bt die H~ufigkeit der senilen Demenz unter den Eltern unserer Probanden vielleicht doch in dem einen oder anderen den Verdacht aufkommen, ob nicht wenigstens in der vorliegenden Arbeit einige der yon mir als senile Demenzen angesehenen Probanden- eltern im Grunde spiit ausgebrochene Sehizophrenien seien. Ieh habe d~rum die Schizophreniehs unter den Gesehwistern meiner 17 Probanden ausgerechnet, die yon einem senil-dementen Elter stammen. Sie betr~gt 2,4% (1 Fall [dazu 2 unsiehere F~lle]; Bezugsziffer 41,5). Wenn wir das starke Zurfiekbleiben dieser Ziffer hinter der entspreehenden fOr unser Gesamtmaterial gefundenen aueh als zuf~llig ansehen werden, so di~rfte dieser Befund doch einen etwa aufgelcommenen Verdacht, daft unter den senil-dementen Eltern Schizophrenien verborgen seien, als unbe- griindet erscheinen lassen. Gleichzeitig sprieht er natfirlich auch wieder gegen die Identits der senilen Demenz und Schizophrenie.

Es sind nun zwar in Tabelle 39 die verschiedenen Todesursachen der Probandeneltern angeffihrt, doeh in der ttauptsaehe als Unterlage ffir etwaige sp~tere Arbeiten. Hier sei nur auf die HgufigTceit der Tuberkulose als Todesursache der Probandeneltern eingegangen. Sie betr~gt im ganzen, wenn wir bei dieser Berechnung die gewaltsamen Todes Verstorbenen fortlassen, 11,5%. Die Ziffer bei Luxenburger ~ lautet, in g]eicher

1 Berlit: Z. Neur. 134, 410 (1931). "~ Luxenburger: Z. Neur. 122, 76 (1929).

Page 83: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 257

Weise berechnet, 16,6%. Ffir die einzelnen klinischen Unterformen lauten die Ziffern in der in dieser Arbeit iiblichen Reihenfolge: 10,3%, 9,2%, 10,3%, 8,8%, 13,2%, 12,6%, 12,9%. Also auch bier bei den Eltern sind nicht etwa die Eltern der K-Gruppe 8tdrker befallen. (Vgl. S. 221f. vorliegender Arbeit.)

X. Zusammenstellung der Probanden nach i~rer Bel~tuny iiberhaupt.

AuBer den Geschwistern derjenigen Probanden, deren einer Elternteil schizophren oder fraglich schizophren war, seien nun auch noch die Geschwisterreihen getrennt betrachtet, bei denen unter den Onkeln und Tanten oder den ttalbgeschwistern, den Kindern, /qeffen und Nichten oder Vettern und Basen sich sichere Schizophrenien fanden. Es handelt sich um 86 derartige Probanden. Die SchizophrenieMiufigkeit unter ihren Geschwistern betrd, gt 8,2% (22 F~lle; Bezugsziffer 267). Sie ist also gonau so hoch wie unter den Geschwistern s~mtlicher Probanden, soweit bei ihnen keine Erkrankungsursache angegeben war.

Ein deutlicher Unterschied in bezug auf die H~ufigkeit der klinischen Unterformen bei diesen 86 Probanden gegeniiber denen des Gesamt- materials besteht nicht (Tabelle 41). In bezug auf den Ausgang f~llt die st~rkere Tendenz zur Heilung unter den 86 Probanden gegeniiber dem Gesamtmaterial wie gegeniiber den nicht mit Schizophrenie belasteten Probanden auf. l~Ian daft nicht aus dem u der Prozentziffern der Spalte 1 und 7 den SchluB ziehen, daB die Belastung mit nahen schizophrenen Verwandten mehr zur Heilung disponiert als keino Be- lastung, denn die Prozentziffern der Spalte 2 und 3 der gleichen Tabelle zeigen, dab gerade die mit besondors nahen Verwandten, n~mlich mit Eltern. und Geschwistern belasteten Probanden, besonders wenig zur Heilung neigen. Auff&llig aber bleibt, dab die mit Onkeln und Tanten usw. Belasteten ~mmerhin etwas mehr zur Heilung neigen als die nicht derart mit Schizophrenie belastet gefundenen Probanden.

man kSnnte daran denken, dab die mit Verwandten wie Onkeln und Tanten usw. in bezug auf Schizophrenie belaste~en Personen eben doch oft nicht an Schizophrenie erkranken, sondern - - bei entsprechendem AnlaB - - an einer schizophren anmutenden Psychose. ~brigens sind ja Angaben fiber solche Anl&sse gerade bei unseren derart belasteten (und unbelasteten) Probanden besonders h&ufig. Siehe Tabelle 41. Und wenn in] vorletzten Absatz bemerkt wurde, dab die derart belasteten 86 Probanden unter ihren Geschwistern 8,2% Schizophrenieh&ufigkeit aufwiesen, so ist doch die Schizophrenieh~ufigkeit verschieden bei den einzelnen nach Ursachenangabe gebildeten Gruppen dieser 86 F~lle.. Sie ist bei den 21 Probanden mit psychischer Ursache 4,9% (3 F~lle; Bezugsziffer 61,5), bei denen mit kSrperlicher Ursache 7,9% (7 F~lle; Bezugsziffer 88), bei denen ohne Ursachenangabe 10,2% (12 F~lle;

Z. f. 4. g . N e u r . u . P s y c h . 143. 17

Page 84: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

258 Bruno Schulz:

Tabelle 41. Zusammenstellung der Probanden nach ihrer Belastung 1.

-H K P

PH HK PK M

G LD SD R

DA ]31

A gest g~t

~hneUrsachenangabe lnwahrscheinlich psychische Ursache

Tnwahrscheinlich kSrperlicheUrsache rahrscheinlicher psychische Ursache

Vahrscheinlicher kSrperliche Ursachc

Bezugszfffer

P r o b a n d e n , a u s - g e w ~ h l t o h n e B e -

r i i c k s i c h t i g u n g 4ex G e s c h w i s t e r -

s c h a f t e n , a b e r e i n n ~ h e r e r V e r w a n d t e r s c h i z o p h r e n

j e d o c h 4 a r u n t e r k e i n o 4 e r n u r

E l t e r e in E l t e r ' s ch i zo - s c h i z o - p h r e n p h r e n

1 2

4,6 3,0 22,0 27,2 11,6 9,0 9,3

13,9 12,1 16,2 21,2 22,0 27,2 17,4 4,6

11,6 12,1 9,3 9,0

12,8 24,2 24,4 2] ,2 17,4 24,2 1,1 3,0 1,1 6,0

43,0 63,6

22,0 12,1

18,6 18,1

2,3 3,0

13,9 3,0

86 33

3

S ~ e 4 e r

S p a l t e n 1, 2, 3

7,9 5,8 19,1 21,6 11,2 11,1 4,5 5,8

21,4 16,8 16,8 17,3 19,1 21,6 3,4 8,7 7,9 5,3 7,9 10,1 8,9 9,2

13,5 14,9 25,8 24,5 26,9 22,6

2,2 1,9 3,4 2,8

61,8 54,3

20,2 19,7

13,5 16,3

m 1,4

4,5 8,2

89 [ 208

P r o - b a n d e n , b e l a s t e t

m i t S c h i z o i d

o d e r l~nspe- z i f i s c h

3,7 19,3 9,8 8,6

22,2 13,1 23,0 11,9 4,5

11,9 6,6

20,5 21,8 18,5 2,0 2,0

52,7

20,5

15,2

1,6

9,8

P r o - b a n d e n

o h n e Be . l a s t u n g

3,7 19,2 I1,0 8,2

16,5 15,6 25,6 12,8 2,7

16,5 8,2

19,2 18,3 21,1

0,9 44,9

I2,8

23,8

2,7

15,6 109

G e s a m t . m a t e r i a :

4,7 19,2 ]0,9 7,0

19,5 16,3 22,3 ] O,1 4,8

12,5 8,3

18,6 21,4 20,8

1,5 1,8

51,7

18,3

17,6

1,8

10,6 66O

Bezugsziffer 117). Ich mSchte darin, wenn den Ziffern Allgemein- giiltigkeit zukommt, wieder eine prakt i sche Best~tigung der an sich selbstverst~ndlichen Ansicht erblicken, dab ein schizophrener Verwandter keine Sicherheit dafiir bietet, dab eine schizophren erscheinende Psychose des Probanden eine erbliche Schizophrenie und nicht nut eine exogen bedingte schizophren erscheinende Psychose ist. - - Ebenso wie ich u m g e k e h r t auf S. 238 vorliegender Arbe i t darauf hingewiesen hat te , dab ein Ereignis, das an sich vielleicht imstande ws eine schizophren aninutende Psychose hervorzurufen, auch einen Menschen treffen kann,

1 Die 100 Probanden mit schwacher schizophrener Belastung (s. Tabelle 31) sind in dieser Tabelle nicht besonders angefiihrt, nur in den F~llen der Spalte 7 enthalten.

Page 85: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 259

der auch ohne dieses Ereignis schizophren geworden w~re; mit anderen Worten: Eine homozygote Anlage zur Schizophrenie schfitzt nieht vor Hirntrauma, Typhus usw.

XI . Betrachtung der vor Beginn der Untersuchung wegen unsicherer Diagnose aus den im ganzen 702 Probanden ausgesonderten 42 Probanden.

Zum SehluB unserer Untersuchung seien die 42 Probanden, die ich als fragliehe Diagnosen aus dem Material ausgesondert hatte (s. S. 196), einer kurzen Betraehtung unterzogen. Die F~lle warden aus den 702 Probanden des ursprfinglich yon mir aus Riidins Arbeit zusammen- gestellten Materials nur desha]b ausgesondert, weft auf Grund des klinisehen Bfldes die Diagnose Sehizophrenie als unsieher oder auch als bestimmt nieht zutreffend angesehen wurde. Bei dieser Priifung der Probanden in bezug auf die Sicherheit der Diagnose war ieh mir der etwaigen Belastung der :F~lle nicht bewui~t. Die Krankheitssehilderungen trugen keine Namen, sondern nut ~ummern, und waren yon mir jahre- lang vor der genealogisehen Verarbeitung aus den Krankenbl~ttern ausgezogen. Die genealogische Erforsehung des Materials hat sieh ja fiber die Zeit yon 1926 bis Anfang 1932 erstreckt. Aui~erdem kannten die Kollegen, die reich bei dieser diagnostisehen S~uberung des Materials berieten und denen ich auch an dieser Stelle dafiir danken mSchte, die genealogische Belastnng der t~s fiberhaupt nicht.

Die 42 Probanden sind in keiner der bisherigen Zusammenstellungen und Berechnungen vorliegender Arbeit enthalten. Im kasuistischen /qachweis fiir diese Gruppe ist hinter jeder Beschreibung des I)robanden eine Diagnose, die mSglicherweise als Differentialdiagnose gegenfiber der Schizophrenie in Frage k~me, angefiihrt. Es soil damit keineswegs immer eine andere Diagnose a]s weniger wahrscheinlich bezeichnet sein und aueh die Schizophrenie soll keineswegs immer als ausgeschlossen gelten. Nur mul~te ich reich, um einigermaBen einen ~berblick fiber die 42 Probanden in dieser Hinsicht geben zu kSnnen, zu einer Diagnose entschliel3en. Es wurden bezeichnet als Schwachsinn 6 F~lle, maniseh.depressives Irre- sein 6, reaktive Depression 3, reaktiv-psyehogene Psychose 3, Hysterie 3, Amentia 3, Epilepsie 3, Alkoholpsyehose 2, Paralyse 2, allgemein als Psyehopathie 2, und als Depression, pr~senile Psychose, arterioskle- rotische Psychose, krimineller Psychopath, sexuell Perverser, I~eur- astheniker, Morphinist, Kokainist und psychogen-traumatisehe Psyehose je 1 l~all.

Tabelle 42 gibt einen ~berbliek fiber alle 42 Probanden, die in gleicher Weise wie die 660 ,,sicheren" Probanden in versehiedener Hinsicht gruppiert wurden. Bei der Gruppierung in klinisehe Unterformen f&ilt die hohe Zahl der reinen ttebephrenien auf. Als Differentialdiagnose kommen hier grSl~tenteils die verschiedenen Formen der Psyehopathie in Frage. Bei der Einteilung nach dem Ausgang f~llt die gro~e Zahl

17"

Page 86: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

260 Bruno Schulz:

der Geheilten auf, wovon ebenfalls schon auf S. 196 dieser Arbeit die Rede war. Dort ist aueh bereits ausgefiihrt, dab der Ausgang in I-Ieilung wohl doch verschiedentlieh AnlaB war, einen Fall aus den ,,sicheren" F~llen auszuscheiden. Aueh dab hier h/~ufiger als bei den sicheren F~llen sieh eine exogene Erkrankungsursache angegeben findet, n immt uns nicht wunder. Da6 das Erkrankungsal ter h/~ufiger als bei den 660 ,,sicheren" Probanden unter 16 Jahren liegt, wiirde mit dem Ergebnis der Untersuehungen Seeligs 1 zur Frage der Schizophrenie im Kindesalter i ibereinstimmen; seine Fi~lle haben sich zum groBen Teil als Fehldiagnosen erwiesen. Allerdings handelt es sich ja bei u n s u m zu kleine absolute Ziffern.

Tabelle 42. Au/teilung der 42 (22~, 20 ~.) wegen Unsicherheit der Diagnose von An/ang an aus dem Material yon 702 Probanden ausgesonderten F~ille, im Vergleich mit der

ents~rechenden Au/teilun der 660 ,,sicheren" Probanden. Prozentzahleu.

A u f t e i l u n g n a c h

H ~ K

P ~ PH

HK ~ PK

M

G LD SD

~ DA ~ B1

A gest. gest.

S

~ unauffgllig , ~ unklar ~ auff/illig

D i e 42 a u s g e s o n -

d e r t e n P r o b a n d e n

26,1 33,3

7,1

9,5 11,9 11,9 30,9 11,9 7,1 9,5 2,3 4,7

14,2 16,6

2,3

D i e 660 , , s i c h . "

P r o - b a n d e n

2 ~ u f t e i l u n g n a c h

4,7 unter 16 19,2 ~ 16--20 10,9 ~ 21 --25 7,0 ~o 26--30

19,5 ~ 31 --35 16,3 ~ 36--40 22,3 ~ 41--45 10,1 ~ 46--50

51--55 4,8 56-450

12,5 8,3 Schizophr. (stark)

18,6 ~ Schizophr.(schwach) -~ Schizoid oder

21,4 ~ "~ unspezffiseh 20 ,8 " 1,5 ~ Belastung fehlt 1,8

D i e 42 a u s g e s o n -

d e r t e n P r o b a n d e n

4,7 14,2 23,8 23,8

D i e 660 , , s i c h . "

P r o - b a n d e n

1,1 19,1 26,6 23,8

Fehlt Unwahr- | psych. scheinlich [ k6rp.

Wahr- I psych. scheinlich | k6rp.

14,2 15,6 9,5 8,0 2,3 5,4 4,7 0,1

0,1 2,3

19,0 31,5 11,9 15,1

50 ,0 36,8 19,9 16,5

51,7 18,3 17,6 1,8

10,6

Bem erkenswerter ist schon die geringe Belastung unserer 42 Pro- banden mi t n~heren sehizophrenen Verwandten. Sic bleibt betr~ehtlich, wie aus dem betreffenden Teil der Tabelle 42 zu ersehen, hinter der der 660 sicheren F~lle zuriick und sogar ein wenig hinter der der 55 ,,Kopf- t r aumat ike r" (Tabel]e 31). Noeh bemerkenswerter , wenn auch nicht unerwartet , ist die geringe SchizophrenieMiufigkeit unter den Geschwistern der unsicheren Probanden. Sic betrdgt 0 , 7 % ( ! ) (1 Fall [und 2 unsichere

1 Seelig: Zbl. Neur. 57, 845 (1930).

Page 87: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 261

F&lle]; Bezugsziffer 131). A uch die Tuber]culosesterblich]ceit ist iibrigens betr~ichtlich geringer als bei den sicheren Fallen. Sie betrs hier, ent- sprechend den bei dem Gesamtmaterial (Tabelle 23 und 24) erhobenen Ziffern 34,8%, 44,4%, 37,7%, 46,4%, nur 19,2%, 26,3%, 21,4% und 28,5%. Alle diese Befunde machen es wahrscheinlich, daft die 42 Probanden grSfltenteils mit Recht aus dem Schizophreniematerial ausgesondert sind. Nimmt man dies an, so wird man auch bei Sekund~rf~llen eine ent- sprechende Vorsieht beim Diagnos~izieren einer Schizophrenie beob- achten. Man wird es daher vielleicht ffir um so gerechtfertigter ansehen, dal3 ich meine Sekund~rf~lle in sichere u n d unsichere Schizophrenien getrennt habe (vgl. Fui3note S. 253 dieser Arbeit).

X I I . Betrachtung der 340 Probanden ohne Ursachenangabe, sowie ihrer Geschwist er scha ften.

Auf Grund der in dieser Arbeit erhobenen Befunde gehSren nun aber nicht nur wahrscheinlich die meisten der 42 gleich anfangs aus dem Material ausgesonderten Probanden nieht zu den eigentliehen Sehizo- phrenien, sondern vielleieht auch ein Teil der FMIe mit angeblieher k6rpexlicher Ursache nieht, bzw. man wird vielleieht doeh damit rechnen, dab in diesen Geschwistersehaften die Schizophrenien im allgemeinen nur dann zum Ausbruch kommen, wenn ein ausl6sendes exogenes Moment hinzutrit t . Besonders die , ,Kopftraumatiker" sind hier in Betracht zu ziehen, da unter ihren Geschwistern die Sehizophrenieh~ufigkeit besonders gering ist. Aueh ein Teil der geheilten F~lle mi t Angabe psyehiseher Ursaehen, sowie ein Teil der Haftpsychosen wird mSg]icherweise nicht zu den eigentlichen Sehizophrenien zu rechnen sein. Der ~berblick, den wir fiber unsere zun~chst als siehere Scbizophrenien angesprochenen 660 Probanden in Abschnit t VI I und VIII , 1--3 dieser Arbeit gegeben haben (S. 204--231), stellt also nicht die Verh~ltnisse bei ,,sicheren" Schizophrenien dar, und ieh mSehte zum SehluB daher noch einige der dort gebrachten Zusammenstellungen hier fiir diejenige Gruppe unserer Probanden wiederholen, die vermutlich am meis ten ,,echte Schizophrenien" enth~lt, die Gruppe der 340 F~lle ohne Ursachen- angabe. DaB aueh unter diesen 340 F~llen sich exogen bedingte oder ausgelSste F~lle befinden werden, ist anzunehmen, ebenso wie ja auch umgekehrt bei den Fs mit Ursachenangabe viele ,,echte" Schizo- phrenien sieh befinden werden (besonders wohl unter den nichtgeheilten F~llen mit unwahrseheinlieher psychischer Ursache). Aber im ganzen kSnnten die 340 F~lle ohne Ursachenangabe vielleicht doch ein einheit- lieheres Material darstellen als die 320 Fi~lle mit Ursaehenangabe.

Wir finden nun bereits in Tabelle 31 die Ziffern fiber die Verteilung dieser 340 , ,endogenen" ~ l l e auf die k]inischen Unterformen und auf die naeh dem Ausgang gebildeten Gruppen. Sie entsprechen im ganzen

Page 88: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

262 Bruno Schulz:

den ebendort fiir die Fglle mit guBeren Ursachen angefiihrten Ziffern. Es wurde ja zu dieser Tabelle bereits auf S. 239 f. Stellung genommen.

In Tabelle 43 ist die Verteilung der Geschlechter auf die klinlschen Unterformen und auf die nach dem Ausgang gebildeten Gruppen dargestellt. Auch bier entsprechen die Prozentziffern anndhernd denen des Gesamt- materials (vgl. Tabelle 1 und 4). Auch die Verteilung der Erkrankungs- alter auf die einzelnen klinischen Unte rgruppen ist bei den 340 ,,endo- genen" Probanden etwa die gleiche wie bei allen 660 F~llen. Die durchschnittl iehen Erkrankungsal ter der einzelnen klinischen Unter- gruppen der 340 Fs betragen 22,5, 22,6, 22,4, 28,6, 31,0, 34,5, 25,9 und 26,7 Jahre in der Gruppenreihenfolge: H, H K , K, HP, KP , P, M und Sa. ; sie stehen also im gleichen Verh~ltnis zueinander wie bei allen 660 F~llen (vgl. Tabelle 2). In Tabelle 44, die der Tabelle 20 entspricht, sehen wit, da~ vornehmlich die Probanden der K-Gruppe und did der

H K - G r u p p e es sind, die (wenn wit Tabelle 43. Verteilung der Geschlechter au/ die klinizchen Unter/ormen und die nach dem Ausgang gebildeten Gruppen bei den 340 ,,endogenen" Probanden.

(Vgl. hierzu auch Tabdle I und 4.)

H K P PH HK PK M

Sa. i G

LD SD R

DA B1

A ges~G. gest.

S Sa.

Bezugs- r 9 ziffer

90,0 55,4 38,5 82,6 66,2 38,0 52,5 56,5 53,3 83,3 45,6 55,6 55,4 54,9 56,3 66,7

100,0 56,5

10,O 44,6 61,5 17,4 33,8 62,0 47,5 43,5 46,7 ] 6,7 54,4 44,4 44,6 45,1 43,7 33,3

43,5

20 56 39 23 74 50 78

340 3O 18 46 27 65 71 71

6 6

340

mi t den Ziffern der Tabelle 20 ver- gleiehen) eine s t ~ k e r e Belastung aufweisen. Un te r den Probanden dieser beiden Gruppen werden wir also vor allem die tatsgchlich exo- genen Fglle zu suchen haben. Ver- gleiehe hierzu die Bemerkung auf S. 239. Auff~illig ist iibrigens auch hier wieder, wie in Tabelle 20, d/e hohe Belastung der Hebephrenen im Gegensatz zu der geringenBelastung der Probanden der PH- Gruppe. ])a- bei scheint mir die PH-Gruppe in bezug auf das klinische Bild der P robanden den Probanden der H-Gruppe ja sogar besonders nahe zu stehen. Ich habe iibrigens in einer besonderen Berechnung aus den 23 Probanden der Gruppe P H 8 Fglle ausgesondert, die mir auf Grund des klinischen Bildes mi t der H - G r u p p e besonders verwandt

schienen. Es fand sich bei ihnen unter den Geschwistern keine sichere und nur eine fragliche Schizophrenie (Bezugsziffer 21). Zs man diese 8 Probanden zu der H-Gruppe hinzu, so erhglt man fiir die Sehizophreniehgufigkeit unter den Geschwistern der so auf 26 Probanden vergrSBerten H-Gruppe 12,6%, fiir die der auf 15 Fglle verkleinerten PH-Gruppe 5,8%. Die Ziffern nghern sich also etwas einander an. Die l~orderung, eine grSl]ere Gruppe reiner H-Fgl le genealogiseh zu unter- suchen, bleibt abet natiirlich dennoch gerechtfert igt .

Page 89: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 268

Tabelle 44. Eekundgr/dlle unter den Geschwist~rn der einzelnen klinischen Untergru,trpen bei den 340 ,,endogenen" Probanden 1

S e k u n d a r f ~ l e S u m m e d e r

Pro - slch~ r e n B e z u g s b a n d e n - s i c h e - u n d un- z i f f e r g r u p p e n H K P P I t H K P E ~I r e n st~h~ t e n

F ~ l l e " l e

H K P

PH B-K PK M

Sa.

(0,5)

(0,4) 0,2

(2,4) 2,9

(0,8) (1,4) 1,0 2,6 3,5 2,3

(0,6). - - ( 0 , S ) , - - (1,4) (0,5) 1,3 1,1 0,9

{2,4)

(1,4) (0,5)

(0,4) 0,4

(2,4 P (0,6~ (0,8

3,1

0,9

4,7 2,4 1,7

2,0 (0,6) 0,7 1,5

7,0 2,4

2,5 4,0 1,1 2,1

18,8 8,9 4,4 4,1

10,2 8,6 7,4 8,3

21,1 12,4 7,1 5,5

10,2 9,3 9,4

10,0

42,5 167,5 113,0

72,5 195,5 149,5 254,5

995,0

Tabelle 45. Prozentuale Vert~ilung der Sekunddr/~lle au/ die einzelnen klinlschen UntergrupTen bei den navh klinischen Unter/ormen gebildeten Probandengruppen

der 340 ,,endogenen'" Probanden.

P r o - b a n 4 e n - g r u p p e n

H K P

PH HK PK M

Sa.

S e k u n 4 ~ r f ~ l l e

H

5,0

5,3 2,4

12,5 ] - - i 12,5 12,5 25,0 37,5 33,3 6,7 - - 6,7 26,7 26,7 20,0 i 20,0 - - 20,0 40,0 - - 33,3 I 33,3 33,3 10,0 5,0 5,0 30,0 20,0 25,0 30,8 15,4 - - - - 7,7 46,2

. 47,3 15,8 5,3 - - 10,5 15,8 27,7 10,8 4,8 10,8 18,1 25,3

B e z u g s - z i f f e r

8

5 3

2O 13 19

83

In Tabelle 46 sehen wir, wie sich die 83 Sekund~rfs der 340 endo- genen Probanden auf die klinischen Unterformen verteflen. Vor allem die Mischf~lle finden sich verh~ltnism~Big h~ufiger unter den Sekund~r- f~llen der endogenen Probandengruppe als unter denen des Gesamt- materials. AuBerdem sind die katatonen Formen unter den Sekund~r- fMlen des ,,endogenen" Probandenmaterials etwas angestiegen. Letzteres entspricht der Erwartung, wenn wit eine l~eigung der Geschwister annehmen, an gleichen klinisehen Unterformen der Schizophrenie zu erkranken 2. Unter dieser Voraussetzung entspricht es auch der Er- wartung, dab unter den Sekund'arfMlen sich bei der endogenen Probanden- gruppe verhMtnism~gig weniger Hebephrene finden, da die Sehizophrenie- h~ufigkeit unter den Gesehwistern der Probanden der H-Gruppe nieht zugenommen hat. Sie ha t aber nicht zugenommen, da unter den

1 Die eingeklammerten Prozentziffern beziehen sich auf nut je einen posi- riven Fall.

Die als ,,exogen" ausgeschiedenen zahlreichen Probanden der K-Gruppe batten eine geringere Schizophrenieh~ufigkeit unter ihren Geschwistern.

Page 90: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

264 Bruno Schulz:

hebephrenen Probanden dos Gesamtmaterials sich verhMtnismiiflig wenig tats~chlich exogene FAlle befunden haben werden (vgl. Tabelle 31).

Zu endgiiltigen Sehliissen ist das l~Iaterial zu klein; es geht aber aus den Tabe]len 44 und 45 hervor, wie ja auch schon aus den Tabellen 20

und 21 (man vergleiche Tabelle 46. Verteilung der Sekunddr/dlle der 340 ,,endogenen" Probanden au/ die ]clinischen Unter- gruppen {m Vergleich zu der entsprechenden Verteilung

der Se]cund~r/glle aUer Probanden.

Absolu te Zah len tier P r o z e n t z a h l e n de r K l in i s cho Sekund~rf~l le Sekund~r f~ l l e

U n t e r - der 340 l g r u p p e n end I a ler 660 de r 340 I ogenen endogenen a l l e r 660

P r o b a n 4 e n l P r o b a n d e n P r o b a n d e n P robande~

H K P PH HK PK M

Sa.

2 13 23 34 9 13 4 6 9 15

15 ! 22 21 i 28 83 131

2,4 27,7 10,9 4,8

10,9 18,0 25,3

100,0

9,9 25,9

9,9 4,5

11,4 16,7 21,3 99,6

unsere dortigenAusffih- rungen), dal3 in dem Material zwar eine Nei- gung der Geschwister zu erkennen ist, an gleichen klinischen Unterformen zu erkranken, doch zei- gen z. B. die Probanden der Gruppe der simplen Hebephrenien im gan- zen 7,1% Sehizophrene der K- und PK-Gruppe unter ihren Gesehwi- stern, also unter den Ge- schwistern yon Proban- den einer Idinischen Un-

terform linden sich auch die Schizophrenien einer anderen klinischen Unterform vermehrt.

Bei dieser Korrelation, die zwischen den verschiedenen klinischen Unterformen besteht, einerseits, und bei der besonders starken Be]astung der Hebephrenen andererseits kSnnte man daran denken, dab die ver- schiedene ~anifestationswahrscheinlichkeit der Schizophrenieanlage in verschiedenen Geschwisterschaften es ist, die die verschieden starke familiiixe Belastung der einzeinen klinischen Untergruppen bedingt. Daft die Hebephrenen, die ja friih erkranken, am sts belastet sind, die Paranoiden, die ja sp~t erkranken, dagegen besonders gering belastet sind, scheint diesen Gedanken zu stiitzen. Und dab die verschiedene M~nifestationswahrscheinlichkeit die verschiedene Belastung der ver- schiedenen klinischen Unterformen bedingt, mSchte ich in der Ta t fiir mSglich halten. Jedoeh ist es nicht so, daft nun etwa die Falle mit fris Erkrankungsalter aUgemein eine durchschnittlich starke Belastung, die mit spdtem ErIcrankungsalter allgemein eine durchschuittlich schwache Belastung aufwiesen. ]:)as zeigt Tabelle 47, die die Schizophrenieh~ufigkeit unter den Geschwistern yon Probandengruppen angibt, die auf Grund des Erkrankungsalters gebildet wurden. ((~brigens sehen wir auch hier in Tabelle 47 wieder starke Untersehiede in der Belastung der einzelnen Probandengruppen. Da nun hier fiir diese Untersehiede jede Erkl~rungs- mSglichkeit fehlt, mSchte ich sie fiir zuf&llig ansehen. Doch wird uns dies gleiehzeitig wieder eine Warnung sein, auch andere Unterschiede,

Page 91: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 265

f i i r d ie uns e ine E r k l / i x u n g n g h e r l i e g t , n i c h t g le ich fiir s i c h e r b i o l o g i s c h b e d i n g t a n z u s e h e n . A l l e r d i n g s h a l t e n d ie U n t e r s c h i e d e , d i e s ich i n d e r T a b e l l e 47 l i n d e n , d e n d r e i f a c h e n m i t t l e r e n F e h l e r n i c h t aus . )

Tabelle 47. Erk'rankungsalter der Probanden und Schizophrenieh~u/igkelt unter den Geschwistern bei den 340 ,,endogenen" Probanden.

I E r k r a n k u n g s a l t e r

u n t e r 161 16--20 21--25 26--30 131--35 36--40 i i be r 4:0 i

Bezugsziifer . . . [ 14,5 203,5 238,0 248,5 142,5 67,0 81,0 Prozentziffer I 7,1 9,3 11,4 4,8 9,8 7,4 6,2

Der ~)berblick iiber Probanden und Sekunddrfdlle bei Aufteilung nach dem Ausgang ( T a b e l l e n 48, 49, 50) zeigt ebenfalls die gleichen VerMiltnisse wie das Gesamtmaterial (do r t T a b e l l e n 25, 26, 27). Hervorgehoben sei zundchst, daft die Probandengruppen A gest., und gest. und S sich so stark belastet zeigen, daft hiermit ihre Zugeh6rigkeit zur ,,Schizophrenie" trotz kurzer Beobachtungszeit wohl dargetan ist.

Tabelle 48. Sekunddr/dlle unter den Geschwistern der einzelnen nach dem Ausgan9 ~bildeten Gruppen bei den 340 ,,endogenen" Probanden a.

PPo o banden g ruppe

G LD SD R

DA B1

A gest. gest. u. S.

Sa.

Sekund~rf~ / le

LD

(1,1) (1,1) -- --

-- (1,2) -- (1,2)

-- -- -- 2,1

(1,5) . . . . .

1,1 (0,6) 1,7 1,7 (0,5) 0,9 0,9 - - 0,9 2,4 - - 1,9

(3 ,2 ) - - 6,4 - -

0 ,71 1,1

SD R D.A. B1 A gest . geSst" u.

- - ( 1 , 1 ) - - 3,8 2,5 (1,2) - - ( 0 , 6 ) - -

3 , 0 (1,5) - - 2,2 (0,6) - - 2,4 2,4 (0,5) 1,9 2,8 0,9

S u m m e ~or

- - 9 , 6 - -

1 , 8 I 2 , 0 [ 0 , 4

2,3

0,9 (0,5)

o,5 i o,8 I 1,o

siche- sicheren un4 un-

ren sicheren F~lle F~lle

5,7 10,2

2,7 6,1 7,9 8,8

11,4 19,3

6,8 11,5 8,3 7,5 9,6 8,8

12,3 22,5

8,3110,0

Be- zugs - z i f fe r

8 8 , 0 78,0

143,0 6 6 , 0

177,0 203,0 209,0

31,0 995,0

Tabelle 49. Prozentuale Verteilung der SebundZir/glle au] die nach dem Ausgang gebildeten UntergruTTen bei den nach dem Ausgang gebildeten ProbandengrupTen

der 340 ,,endogenen " Probanden.

O LD SD R

DA B1

A gest. gest. u. S

SD

40,0 20,0

- - - . 25,0 , - - , - - - 14,3

I1,1 5,6 4,2 8,3

- - - 1 6 , 7

R

20,0 12,5

7,2 11,1 20,8

DA

21,4 11,I

33,3

B1 A ges~.

12,5 75,0

21,4

16,7

G LD g o s t . u . S

- - 20,0 - - 37,5 25,0 12,5 - - 25,0 - -

50,0 25,0 - - 28,5 7,2 - - 27,8 27,8 5,6 16,7 25,0 8,3

, - - , 50,0 - - -

Bozugs- z i f fe r

5 8 4 4

14 18 24

6

Sa. 6,0 I 9,5 12,0 [ 8,4 I 13,3 I 21,7 I 24,1 I 4,8 83 x Die eingeklammerten Prozentziffern beziehen sich auf nut je einen positiven Fall .

Page 92: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

266 Bruno Schulz:

Die Korrelation ,,geheilte Probanden - - geheilte Sekund~rfdlle" tritt bier noch st&'rker zutage als in Tabelle 26; im iibrigen aber spricht die Tabelle 50 in keiner Weise dafi~r, daft etwa die nach dem Ausgang aufge-

teilten Gruppen jeweils Tabelle 50. Verteilung der Sekunddr/dlle der 340 ,,endogenen"Probanden au/ die nach dem Ausgang gebildeten Gruppen im Vergleich zu der entaTrechenden

Verteilung der Sekunddr]dlle aller Probanden.

N a o h 4 e m A u s g a n g g e b i l 4 e t e G r u p p e n

G LD SD R

DA ]31

A gest. gest. u: S.

Sa.

A b s o l u t e Z a h l e n de r S e k u n d ~ r f ~ l l e

der 360 a l lo t 660 e n d o g e n e n P r o b a n d e n P r o b a n d e n

5 8 8 14

l0 20 7 11

11 17 18 25 20 30

4 6

P r o z e n t z a h l e n d e r S e k u n 4 ~ r f ~ l l e

de r 340 ] a l l e r 660 e n u o g e n e n ~r~l . P r o b a n 4 e n l x v ~ a n ~ e n

6,0 6,1 9,6 10,7

12,1 15,3 8,4 8,4

13,2 12,9 21,7 19,1 24,1 22,9 4,8 4,6

99,9 I 100,0

voneinander verschie- dene biologische Einhei- ten darstellten. U n t e r den Geschwis te rn de r v e r b l 6 d e t e n P r o b a n d e n l i n d e n wir z . B . 0,9% Gehei l te u n d 0,5% m i t l e i eh tem D e f e k t Geheil- to. U n t e r den Geschwi- s t e rn de r Gehei ] ten und m i t l e i ch tem Defek t Gehe i l t en l i n d e n wir 3,8 % ve rb l6de t e Sehizo- phrenien . (Vgl. m i t der u n t e r s t e n Re ihe der Tabe] le 25.)

Die Gehei l ten s ind zwar auch hier , wie in Tabe l le 25, weniger als die Gesamthe i t de r 340 P r o b a n d e n be las te t , a b e t doch wenigs tens m i t s icheren l~allen e twa d o p p e l t so s t a r k b e l a s t e t wie d ie G r u p p e SD (fiber 10 J a h r e offenbar ge i s t e sk rank auBerha lb de r A n s t a l t ) . Bei H i n z u n a h m e auch d e r uns ieheren FMle zeigen sich die P r o b a n d e n de r G r u p p e G zwar a m ger ings ten be las te t , a b e r doeh n i c h t au f fa l l end ger inger als al le 340 , ,endogenen" P r o b a n d e n .

~brigens lohnt es vielleieht doch, der Frage naehzugehen, warum die Gruppe SD als so goring belastet erscheint. Einmal besteht die M6gliehkeit, dal] die Gesehwister tats~chlich etwa in gleicher Hgufigkeit erkranken wie die Geschwister der anderen Probandengruppen, dab sie jedoch seltener anstaltsbediirftig werden (auch die Probanden dieser Gruppe SD leben ja wghrend ihrer Krankheit mehr auBerhalb der Anstalt als in ihr). Auf diese Weise liel~en sieh auch die vielen unsicheren Fglle unter den Geschwistern der Gruppe SD erklgren. Es k6nnte aber auch so sein, dab die Sehizophrenieanlage in den Geschwisterschafteu der Probanden der Gruppe SD eine geringe Manifestationswahrscheinlichkeit besitzt. Es befinden sich ja unter den Probanden dieser Gruppe viele P-Fglle, also l~glle, die ebenfa]ls eine geringe Schizophreniehgufigkeit unter den Geschwistern besitzen.

(Es lieBe sich natiirlich aueh eine entspreehende I)eutung fiir die hohe Belastung der nach weniger als 10 Jahren in der Anstalt Verstorbenen [Gruppe A gest.] finden. Man k6nnte denken, dall diese F/~lle mit deletgrem Verlauf auch Fglle mit hoher Manifestationswahrscheinlichkeit der Sehizophrenieanlage sind und dal3 diese Fglle auch unter ihren Geschwisterschaften viele Anlagetrgger mit hoher Manifestationswahrscheinlichkeit haben. DaB das gerade bei den 340 Fgllen ohne Ursaehenangabe mehr zutage t r i t t als bei dem Gesamtmaterial, bei dem exogene Faktoren eine RoUe zu spielen scheinen, wiirde ebenfalls einleuchten. Aber wichtiger als nach solchen Erklgrungen zu suchen, ist es zungchst, eine I~aehpriifung an weiterem Material vorzunehmen, ob in der Tat siehere Untersehiede vorliegen.)

Page 93: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Sehizophrenie. 267

Der Unterschied zwischen der Schizophrenieh/~ufigkeit unter den Geschwistern der Gruppe SD (2,7%) und z. B. der der Gruppe A gest. (11,4%) ist so groB, dab er den dreifachen mittleren Fehler aush~lt; und da wit hier mit Sehlullfolgerungen sehr zurfickhaltend sein werden, so werden wit -- das sei hier noch einmal betont -- die gleiche Zuriiekhaltung auch iiben miissen hinsichtlieh der geringen Belastung der Geschwister der ,,Kopftraumatiker".

Allerdings lieBe sich im Falle der Gruppe SD aueh an eine Erkl/~rung denken, die nieht erbbiologischer Natur ist. Die Gruppe SD umfallt Probanden, die mehr als 10 Jahre hindurch als Geisteskranke aullerhalb der Anstalt leben. Sie leben meist bei Verwandten. Es ist wohl mSglich, dab man mehrere geisteskranke Geschwister oder eines yon mehreren geisteskranken verh~ltnism~Big seltener zu Hause h~lt, als wenn man nur ein geisteskrankes Geschwister hat.

Eine Bet rach tung der 340 ,,endogenen" Probanden auf ihre Ge- schlechtsverteilung bzw. die Belastung der verschiedenen Geschlechter unter ihren Geschwistern mi t Schizophrenie ergibt folgendes: Unter den mtinnlichen Probandengeschwistern finden sich 7,5 % Schizophrene (39 F~ille ; Bezugsziffer 515,5)�9 Unter den weiblichen Probandengeschwistern finden sich 9,1% Schizophrene (44 F~lle; Bczugsziffer 479,5).

Unter den Geschwistern der 192 m~innlichen Probanden finden sich 8,6% Schizophrene (46 l~itl]e; Bezugsziffer 529,5; au~erdem noch sechs unsichere Schizophrene). Unter den Geschuristern der ld8 weiblichen Probanden finden sich 7,9% Schizophrene (37 F~lle; Bezugsziffer 465,5; auBerdem noch 11 unsichere Schizophrene). Wit erhal ten also auch hier im ganzen e twa das gleiche Ergebnis wie bei der entsprechenden Betrachtung aller 660 Probanden.

Vorgenommen haben wit diese Betrachtung der Verh~ltnisse zwischen Schizophrenieh~ufigkeit und Geschlecht bei den 340 , ,endogenen" Probanden vor allem deshalb, well durch das verschieden starl~e Ver- tretensein der Geschlechter bei den exogenen Probanden die fiir das Gesamtmater ia l gefundenen Verh~ltnisse bei der endogenen Gruppe nicht h~t ten vorzuliegen brauchen. Wir fanden z . B . unter unseren 55 , ,Kopf t r aumat ike rn" 49 M~nner und nur 6 Frauen.

Tabe]le 51 und 52 geben fiir die 340 ,,endogenen" l~ l l e eine Berufs- iibersicht. Ich hielt diese ~bers ich t deswegen flit zweckm~Big, weil

�9 r " unter den , ,Kopf t raumat ike n sich besonders viel Landwir te befinden, gleichzeitig aber auch besonders viel reine Katatonien. Ich wollte sehen, ob das s tarke ~rertretensein der Landwirte unter den reinen Ka~atonien etwa gerade dureh die hohe Zahl der , ,Kopf t raumat iker" erkl~rt werden kSnnte. Es finder sich aber auch bei den 340 ,,endogenen" Fdillen wieder das starke Vertretensein der Landwirte unter den reinen Katatonen und das starke Vertretensein der intellektuellen Berufe unter den Hebephrenen.

~brigens k a m mir bei Gelegenheit der Betrachtung der Berufe noch eine MSglichkeit in den Sinn, dutch die die geringe Schizophrenie- h/iufigkeit unter den Geschwistern meiner , ,Kopf t raumat iker" vielleicht h/~tte erk]/~rt werden k(innen. Unter den 55 Kopf t raumat ike rn fanden sich n~mlich 15---- 27,3% Landwirte, also beinahe dreimal so viel wie

Page 94: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

268 Bruno Schulz :

TabeUe 51. Beru/e und klinische Untergruppen bei den 340 ,,endogenen" Probanden.

t t K P

PH H K PK M

Sa.

B e a m t e

10,0

7,7

2,6 2,1

H a n 4 w e r k e r K a u f l e u t e u n d

u n d G e w e r b e - F a b r i k a n t e n t r e i b e n d e

15,0 - - 25,0

~ L a n d w i r t e

5 ,0 - - 45,0 �9 ~ �9 10,7 5,1 2,6

4,3 10,9 10,0 2,0 �9 ~

3 ,8 2,6

I 7,1 1,5

3,6 7,7 - - 4,3 8,7

10,9 4,0

2,6 3,8

1,8 5,9

5,3 23,2, 12,9 23,1 8,7 26,1 4,1 17,5 8,0 22,0 5,1 26,9

6,2 I 22,9

21,4 16,1 5,3 30,8 2,6 2,6

8,7 4,3 - - 21,6 10,9 2,7 32,0 6,0 2,0 29,4 6,4 2,6

23,8 8,2 2,6

8,9 5,3 2,6 2,6

26,1 8,7 21,6 - - - - 6,0 8,0 8,9 5,1

13,s 14,1

20 56 39 23 74 50 78

340

Tabelle 52. Beru/e und klinische Untergruppen bei den Eltern der 340 ,,endogenen" Probanden.

o ~

H K P

PH - ~ , HK

PK

M

Sa.

B1

~ a n d w e r k e ~ Ka l , f l eu t e u n d

B e a m t e u n d F a b r i - Gewerbe - k a n t e n t r e i b e n d e

, , I ~ , Q

10,0 5,4 2,6. - -

2,7

2,1

7,7

4,4

8,5

20,0 7,1

4,r 1,4 2,7

2,1 2,!

3,8" I 5,1 4,2 3,8

5,0 10,0 - - 7,1 3 , 6 i 2,6 10,3 - - - - 17,4 - -

5,5 1,4

3 ,8 1,3

I 5,6 0,6i

15,0 14,3 25,6 34,8 27,4

33,3

30,7

26,4

10,0 7,1

15,4 17,4 ] 6,4

22,9

12,8

14,8

!

~ L a n d w i r t e

~ m

i 10_,0 - - 5 , 0 - - 7,1 48,2 - - - -

110,3 28,2 5,1. - - �9 13,1 13,1 6,8 26,0 4,1

6,2 18,7 2,1 8,3

2,6 26,9 - - 1,3

6,2127,0 0,31 3,6

1,41 1,4 9,8 1,41 26,7 8,5

o~

15,0

5,5

2,1

3,8

1,4129,5

20 56 39 23 73

-b 1 unb. 48

-~2 unb. 78

3,3 337 -{-3 unb.

- I 5,61 5, 1 71

in de r ,,endogenen" Gruppe , u n d ich h i e l t es - - re in theo re t i s ch - - ffir m5gl ieh , dab ieh fiber die L a n d b e v 6 1 k e r u n g n i c h t so genau A u s k u n f t e r h a l t e n h~t te wie fiber die S t ad tbev61ke ru ng . I ch habe d a r u m die Sehizophre l f ieh~uf igkei t u n t e r den Gesehwis t e rn de r 37 L a n d w i r t e de r , , endogenen" Gruppe (vgl. Tabe l le 51) ausgez~hl t . Sie b e t r ~ g t 8 ,2% (9 F~ l l e ; Bezugsziffer 109,5). D e m n a c h i s t a lso ta t s~ch] ieh ke in A n h a l t s - p u n k t daff i r gegeben, d a b ich f iber d ie L a n d b e w o h n e r wen ige r genaue A u s k u n f t e rha l ten habe als f iber d ie S t a d t b e v 6 l k e r u n g . Die ger inge Sch izophren ieh~uf igke i t u n t e r den Gesehwis t e rn de r , , K o p f t r a u m a t i k e r " muB ihre Ursaehe in e twas a n d e r e m h a b e n .

Page 95: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 269

Schluilbetrachtung. Hiermit sei die Arbeit zuns abgeschlossen.

das wichtigste Ergebnis halte ich den Hinweis auf die etwaige Bedeutung kSrperlicher Ursachen fiir die Entstehung schizophrenieartiger Psychosen und auf die Bedeutung psychischer Ursachen fiir die Ent - stehung wenigstens solcher schizophrenieartiger Psychosen, die sp~ter in Heilung iibergehen. Wir haben diese beiden Gruppen schizophrenie- artiger Psychosen auf statistisch-klinischem und statistisch-genealo- gischem Wege aus dem Gesamtmaterial ausgesondert.

M6glich, dab schon auf Grund der in unserem kasuistischen ~ach- weis wiedergegebenen Schilderungen eine Anzahl F~lle dieser Arbeit sich als klinisch yon den ,,eigentlichen" Schizophrenien unterscheidbar erweisen l~Bt. Ich selbst fiihle reich nachtr~glich, nachdem ieh mir der Belastung der einze]nen F~lle doch mehr oder weniger deutlich bewuBt bin, nicht mehr unbefangen genug, aus ihnen Fs zusammenzuordnen, die ariein auf Grund des klinischen Bildes als mutmaBlich endogen schizo- phren einerseits oder als mutmaBlich exogen (organisch oder psychogen) ,,schizophren" andererseits anzusehen ws

Ich will es dabei zun~chst offenlassen, ob exogen hier nun zu be- deuten hat, dab es sich um rein exogen bedingte Psychosen handelt , oder ob dem exogenen Moment nut die Rolle einer auslSsenden Ursache zukommt, allerdings vielleicht einer auslSsenden Ursache, die in den betreffenden Geschwisterschaften oft die conditio sine qua non zur l~Ianifestation der Schizophrenie zu bilden haben wiirde.

Leichter als an der Hand yon Krankenbl~ttern werden sich solche ~ l l e iibrigens wohl auf Grund persSnlicher Beobachtungen des klinischen Brides gruppieren lassen. Denn eine Beurteilung yon Psychosen nur auf Grund yon Krankenbl~t tern wird sicher auch dadurch erschwert, dab unwillkiirlich die .Schilderung in den Krankenbl~ttern durch die nach einiger Beobachtungszeit yore behandelnden Arzt gemutmaBte Diagnose beeinfluBt wurde 1.

Gel~nge es, derartige kSrperlieh oder psyehisch bedingte Sehizo- phrenien bzw. schizoiden Reaktionen yon den endogenen Sehizophrenien zu trennen, so w/s das aueh eugenisch yon Bedeutung. ~r wird diesen Kranken dann unter Umst~nden nach der Heilung nieht die ~'ort- pflanzung zu untersagen brauchen; man wird ihre Verwandten in euge- niseher Hinsicht nieht als die Verwandten Schizophrener zu betrachten haben. Bis je tz t sind wit noch nicht soweit.

~Snd man wird ja aueh dann, naehdem man solehe F/~lle klinisch mi t hinreiehender Sicherheit yon den echten Schizophrenien abzusondern gelernt hat, sieh nun an die Durehforschung der Verwandtsehaft soleher

1 Andererseits hat ein weir zuriiekliegendes Material den Vorteil, dab es eine maBgebendere Katamnese ermSglicht und dab die Geschwister ihre Gef~hrdungs- periode zu einem h6heren Prozentsatz hinter sieh haben.

Page 96: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

270 Bruno Schulz:

somatisch oder psychogen bedingter F/~lle machen mfissen. Unser Material, bei dem ja die , ,exogenen" Gruppen sieherlich noch eine ganze Anzahl endogener F/~lle aufweisen, erscheint mir dazu noch nich$ geeignet.

~]brigens sei bier in dieser Schluflbetrachtung doch noch einmal aus- driicklich hervorgehoben, daft es mir fernliegt, die Bedeutung des Hinweises auf exogene Ursachen, den die Befunde dieser Arbeit geben, zu iiberschditzen und daft ich diesen Hinweis keineswegs als Beweis gewertet wissen mSchte.

Keine Schwierigkeit mach t es mir allerdings, wenigstens im grol3en und ganzen, die angeblich psyehogen bedingten geheilten schizophrenie- ar t igen Psychosen als tats/~chlich psychogen bedingt anzusehen. Man wird Fehldiagnosen vermuten. VieUeicht handel t es sich hier um - - geno- typisch yon den Sehizophrenien verschiedene - - Schizoidpsychosen. Sollten sich diese F/~lle klinisch (psychologisch oder sonstwie) yon den anderen Schizophrenien t rennen lassen, so w/~re das gerade deshalb eugeniseh wiehtig, weft wit ja im iibrigen gefunden haben, dab , ,echte" Schizophrenien, auch wenn sie in Heilung tibergehen, k a u m geringer m i t Schizophrenien, und zwar auch verb]Sdenden, be]aster sind als ver- blSdende echte Schizophrenien.

Ob Kron/eld recht hat mit der Annahme, dab diese F/~lle yon Schizoidpsychosen sich von den echten Schizophrenien dadurch unterscheiden, dab sich bei ihnen keine analytischen Primarsymptome zeigen wie das Sentiment d'automatisme oder eine irreduzible StSrung intentionaler Qua]it&ten, sei dahingestell$. An Hand der .Krankenblatter konnte ich die geheilten F/~lle meines Materials jedenfalls nicht in dieser Hinsicht untersuchen und ich habe auch Bedenken, ob dies in allen Fallen, in denen der Kranke selbst zur Verfiigung steht, mSglich sein wird. (~brigens sei bemerkt, dab Kron/eld yon diesen reaktiven Psychosen armimmt, dal3 sie das heredit&re Fundament mit den entwicklungsm~fligen Psychosen gemeinsam h/~tten, wenn sie auch nicht allein aus diesem ]~tundament herleitbar seien z.)

Weit mehr Schwierigkeiten mach t es zweifellos, fiber die Rolle der kSrperlichen Ursachen ins Klare zu kommen, vor allem tiber die Rolle der Kopf t raumata . (~ber die K o p f t r a u m a t a deshalb vor ahem, weft die Sehizophrenieh~ufigkeit unter den Geschwistern dieser Gruppe besonders gering ist.) Ich halte es selbstverst/~ndlich durchaus nicht fiir gestat tet , nun etwa auf Grund der Befunde dieser Arbei t jeden Fall yon Schizo- phrenie oder schizophren anmutender Psychose, bei dem ein Kopf t r auma dem Ausbruch der Krankhe i t mehr oder weniger lange vorherging, auch mi t dem Trauma in Beziehung zu bringen. Man braucht ja nur an die zahllosen ~/i]]e fiberstandener Gehirnerschfitterungen schwererer oder leichterer Art zu denken, die niemals schizophren oder auch nur psycho- tisch werden 2. J a wir haben F/~]le yon Hirnverletzungen in grol3er Zahl, bei denen nie eine Schizophrenie oder f iberhaupt eine Psychose ausbricht,

z Kron/eld: Mschr. Psychiatr. 73, t65, 166 (1929). 2 0 b hier mit der Verschiedenheit der Lokalisation alles erkliirt ist, ist auch noch

nieht gewifl. Andererseits aber ist damit zu rechnen, dab es traumatisch bedingte Psychosen mit chronischem Verlauf geben kann, die keine mit den jetzigen Mitteln erkennbaren histopathologischen Veri~nderungen zeigen.

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Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 9,71

undin unserem Fal lehandel t es sieh ja hie um eine Hirnverletzung, sondern immer nut um FAlle yon Sturz oder Schlag auf den Kopf, teils mit , teils ohne BewuBt]osigkeit. 2kber zur ernsten Priifung solcher FAlle, bei denen ein K o p f t r a u m a der Erk rankung vorherging, fordern meine Befunde ohne Zweifel auf. ]~ei einer solchen Nachpriifung ist natfirlich erste Bedingung, dab die l~Alle ganz ohne Riicksicht auf e twa vorliegende oder fehlende Belastung ausgelesen werden.

Ich daft das vielleieht doch an einem Beispiel der vorliegenden Arbeit erl/~utern. Es ist fiir mich subjektiv kein Zweifel, dab in der bereits mehrfach erw/~hnten Gesehwisterreihe 134, in der ja alle 4 Geschwister schizophren sind, das exogene Moment tatsAchlieh entweder gar keine oder nur eine ganz unbedeutende Rolle gespielt hat. Ich schlieBe das fiir diesen Einzelfall eben aus dem Umstand, dab alle 4 Geschwister schizophren geworden sind. Da aber gerade bei den beiden Ge- schwistern dieser Reihe 134, die als Probanden auftreten, Ursachen fiir die Er- krankung angegeben wurden, wie sie in anderen F~llen yon mir als m6glieherweise krankheitsbedingend gerechnet wurden, so war ich gezwungen, die Familie 134 aus meiner endogenen Gruppe auszuscheiden. Dalt durch dieses statistisch exakte Vorgehen tats/~chlich vorhandene Unterschiede verwischt werden, ist zweifellos. Abet nur durch ein solches Vorgehen kann man auf objektive Weise das Vorliegen yon Untersehieden iiberhaupt statistisch dartun.

So wird fiir die Auswahl der F/~lle fiir eine weitere Priifung der Be- deutung der K o p f t r a u m a t a fiir die Entstehung einer , ,Schizophrenie" das Kri ter ium allein das Vorliegen eines Kopf t raumas bei einem ,,Schizo- phrenen" sein diirfen und, je nach dem einmal gefaBten Plan, vielleicht noeh die Art (StArke usw. ) des Traumas, die Zeit zwischen T r a u m a und Aus- bruch und etwa die klinische Unterform der Erkrankung. Vielleicht kann auch die Histopathologie bei der Aufstellung der Gruppe der t raumat isehen Sehizophrenien bzw. der t raumat isehen schizophrenieartigen Psychosen mithelfen, vielleicht auch eine genauere neurologische Untersnchung.

So wird es vielleicht gelingen darzutun, dab FAlle, die man bisher zur Schizophrenie gerechnet hat , in Wahrheit nur t raumat ische Psychosen sind, die unter einem mehr oder weniger schizophrenen Bild verlaufen. Vielleicht wird sich allerdings auch zeigen - - ich halte es fiir m6glich, daB das mehr fiir die ,,Schizophrenien nach innerer K r a n k h e i t " als fiir die ,,Schizophrenien nach Kopf t r auma" g i l t - - , dab nicht alle unsere exogenen Gruppen in zwei Ar ten von Psychosen zerfallen, nAmlich in echte Schizophrenien und symptomatische Psychosen schizophrener FArbung, sondern vielleicht wird sich in bezug auf manche FAlle heraus. stellen, dab in gewissen Familien die schizophrene 2knlage einer be- sonderen exogenen ausl6senden Ursaehe bedarf. Hierfiir spricht ja bis zu einem gewissen Grade die Zwillingsforschung, die ~ahrseheinlich machte , dab fiir die Schizophrenie keine 100%ige Manifestationswahr- scheinlichkeit besteht . (Man fand in bezug auf Schizophrenie diskordante eineiige Zwillinge mi t schizophrenen Geschwistern.)

An dieser Stelle sei bemerkt, dab ich nach AbschluB meiner Arbeit Herrn Dr. Mdkeldi die Originalkrankenbl/~tter meiner 55 ,,Kopftraumatiker" mit der

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272 Bruno Sehulz:

Bitte um Durchsicht vorgelegt habe, nachdem ich ihm yon der geringen Sehizo- phrenieh/~ufigkeit unter den Geschwistern dieser F~lle Kenntnis gegeben hatte. Herr Dr. M~ikeld arbeitet zur Zeit an unserer Abteflung iiber Psychosen nach Hirn- verletzungen and diirfte deshalb mit traumatisch bedingten psychotischen Bildern besonders vertraut sein. Auch seine Besch/~ftigung mit psychisehen St5rungen bei und naeh epidemischer Encephalitis 1 dtirfte ihn exogene Bilder besonders gut beurteilen lassen.

Nur in bezug auf 2 der 55 Probanden war nun Mdkeld der Ansicht, dad es sieh um keine Sehizophrenien handle. Die F/~lle sind im kasuistischen Nachweis S. 290 angefiihrt (Prob. 160 and 407). Zuf~lligerweise ist (was Mdkelg nieht bekannt war) gerade der eine dieser beiden Probanden (407) einer der wenigen meiner ,,Kopf- traumatiker", die ein schizophrenes Geschwister besitzen. Auch dieses Gesehwister ist im Nachweis S. 293 angeffihrt.

Es so]] nicht verschwiegen werden, dal] bei 3 weiteren meiner 55 ,,Kopftrau- matiker" Mdkel~ das Trauma schon deshalb nicht als Krankheitsursache ansehen kounte, weft die Kranken sehon vor dem Trauma psyehische Ver/~nderungen ge- zeigt batten. Ieh selbst hatte die 3 F/~Ile - - wie ich zugeben ~auB, wahrscheinlich zu Unreeht -- der G~lppe der mSglicherweise exogen bedingten Psychosen zuge- rechnet, weil die Krankheit erst nach dem Trauma oHenbar geworden war. Durch Abzug dieser F/~lle wiirde sieh bei den wahmeheinlicher exogen bedingten Probanden (mit unmittelbar an das Trauma anschlieBendem Ausbruch der Psychose) die Be- zugsziffer fiir die Gesehwister um 11 vermindern.

Sol l te fibrigens eine Anzah l y o n K l i n i k e r n meinen, dal3 sie Fi i l le wie d ie b ier als , , K o p f t r a u m a t i k e r " usw. gef f ih r ten hie als Sch izophren ien d i a g n o s t i z i e r t h/~tten, und sol l te e ine we i t e re Nachpr i f fung ergeben, d a b sie r e c h t hs so gehande l t zu haben , so h/~tte d ie vor l iegende A r b e i t d e n n o c h ihren Wer t . Sie h / i t te in d i e sem F a l l e doch i m m e r h i n nachge- wiesen, dal~ das Mater ia l , an d e m Riidin die erb l iche Bed ing the i t de r Sch izophren ie nachweisen woll te , une inhe i t l i ch z u s a m m e n g e s e t z t war u n d d a b fiir die , ,echte" Sch izophren ie eine hShere E r b i n t e n s i t s anzu- n e h m e n i s t als bis j e t z t auf G r u n d d e r R ~ d i n s c h e n A r b e i t a n g e n o m m e n w u r d e . (Schiz~phrenieh/s u n t e r d e n Geschwis te rn Sch izophrene r nach Tabel le 30 dieser Arbe i t m i n d e s t e n s 7,8% a n s t a t t de r auf S. 254 d ieser A r b e i t angegebenen Ziffer y o n 5 ,37%.)

A u s dem A b s c h n i t t fiber die aus lSsenden U r s a c h e n der Schizophrenie y o n Mayer-Gross in Bumkes H a n d b u c h d e r Ge i s t e sk rankhe i t en geh t he rvo r , wie schwer es ist, f iber d ie Ro l l e d ieser /~uBeren Sch/~digungen be i t ie r Schizophrenie K l a r h e i t zu e rha l t en . Feuchtwangers d a n k e n s w e r t e r re in s t a t i s t i s che r Versuch i s t d o r t erw/~hnt; auch er h a t noch zu ke inem e i n d e u t i g e n Ergebn i s geff ihrt ; d ie au f Feuchtwangers Weise e r rechne ten Zi f fe rn werden auch s te t s m i t Vors i ch t zu w e r t e n sein, und das wird e r s t r e c h t gel ten, wenn wir n ich t nu r H i r n v e r l e t z t e , d ie noch verh~]tnism~Big l e ich t l i ickenlos erfaBbar sind, he ranz iehen , sonde rn K o p f t r a u m e n im a l lgemeinen . (Feuchtwanger h a t d ie Schizophrenieh/~uf igkei t u n t e r den H i r n v e r l e t z t e n des Heckscherschen I n s t i t u t e s be rechne t und sie m i t de r Schizophrenieh / iuf igke i t in de r D u r c h s c h n i t t s b e v S l k e r u n g vergl ichen. )

1 Mdkel~: Acta Soe. Medic. fenn. Duodecim 4 (1923).

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Ich hoffe, dab die genealogisch-statistische Betrachtung, wie sie in vor- liegender Arbei t angestellt wurde, in ihrem weiteren Verlauf eine will- kommene ]~rgs zu Feuchtwangers Versuch bilden wird.

Die Frage, ob unsere nach Aussonderung exogener schizophrenie- artiger Psychosen iibrigbleibenden Probanden eine Schizophreniegruppe bilden, die a]s Krankhei tseinhei t zu betrachten w~re, und zwar als solehe erbbiologiseher Art, wage ich nicht zu entscheJden. Dafiir, da~ das ~ a - terial in erbbiologisch wesensverschiedene Gruppen zerf~llt, die den yon uns gebfldeten bekannten klinischen Untefformen entspricht, sprichr bisher nur die besonders hohe Schizophrenieh~ufigkeit unter den Ge- schwistern der hebephrenen Probanden. Da diese Gruppe sehr klein ist, ist weitere l~aehpriifung n5tig. Abgesehen yon dieser erhShten Sehizol~hrenieh~ufigkeit bei den hebephrenen Probanden zeigen die ver- schiedenen Gruppen der Probanden ohne Ursachenangabe keine er- heblichen Belastungsunterschiede, weder naeh Art noch naeh Grad, die auf ihre erbbiologische Verschiedenheit hinweisen. I m Gegenteil spricht vieles fiir die Wesensgleichheit oder doch fiir eine inhere (erb- biologische) Verwandtschaf t der versehiedenen klinischen Untergruppen. Ers t recht haben wit nichts gefunden, was fiir eine inhere Verschiedenheit der nach dem Ausgang gebildeten Gruppen spricht, sondern auch hier spricht vieles ftir ihre Gleichheit oder Verwandtschaft .

Nun entsprechen die Befunde, die wir in bezug auf 8chizophrenie- h~ufigkeit unter den Gesehwistern der Probanden ohne Ursaehenangabe gefunden haben, fas t genau denen, die wit im ganzen hiaterial fanden. Und da manches in unserer Arbeit darer spricht (wenn es auch noeh keineswegs bewiesen ist !), dab das Gesamtmater ia l nieht homogen ist, wird man sagen k6nnen, daI~ auf Grund der Befunde in Tabelle 43f. auch die M6glichkeit gegeben sein mul~, dal~ die 340 Probanden ohne Ul~achenangabe nicht einheitlich sind.

m a n wird aber nicht sagen k6nnen, dal~ aueh nur die Wahrscheinlich- lceit bestehen miisse, dal~ die Fs ohne Ursaehenangabe (im grol~en und ganzen wenigstens) nicht einheitlich sind; wenn sie aueh mi t den Be- funden des Gesamtmater ia ls 1 anns iibereinstimmen und wir dessen Uneinheitl iehkeit einmal als bewiesen ansehen wollen. Denn yon dem Gesamtmater ia l machen naeh den in dieser Arbeit dargelegten Unter- suchungen die tats~chlich exogenen Fs nur einen verhs kleinen Bruchteil aus.

Wir wollen, um ganz grob zu zghlen, zu den in diesem Sinne exogenen F~llen einmal rechnen: 45 ,,Kopftraumatiker", 8 l~lle mit Sch~delmil3bildungen usw. 2,

x Auch in dieser SchluBbetrachtung sind unter Gesamtmaterial immer nur die 660 ,,sicheren" Schizophrenieprobanden verstanden. Die 42 vor der genealogischen Untersuchung ausgesonderten Probanden halte ich ja, wie bereits ausgefiihrt, gerade auf Grund der genealogischen Befunde in ihrer Mehrza.hl fOx Fehldiagnosen.

2 Damit sell keineswegs gesagt sein, dab die 45 ,,Kopftrauma~iker" usw. tat- s~chlich alle ,,exogen" sind.

Z, f . d . g . N e u t . u . P s y c h . 143. ] 8

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274 Bruno Schulz :

im ganzen vielleicht 37 l~g]]e nach inneren Krankheiten, Operationen usw. (unter den yon uns in diesen Gruppen zusammengefal3ten 63 + 10 Fgllen finden sich ja vermutlich recht viele tatsgchlich dennoch endogene Schizophrenien) und etwa 20 psychisch bedingte geheilte Schizophrenien. So erhalten wir im ganzen nur etwa 110 Probanden, die mehr oder weniger bestimmt aus dem Gesamtmaterial yon 660 Fgllen auszusondem wgren. Diese 110 Fglle diirften das 6mal so grofle Gesamt- material nicht dcrart haben beeinflussen k6nnen, dal3, werm die 550 bleibenden Fglle eine einheitliche Gruppe darstellten, durch ihre Aussonderung ein wesent- lich anderes Ergebnis hgtte erwartet werden miissen. Es braucht also das Er- gebnis der Untersuchung der F~lle ohne Ursachenangabe an sich durchaus nicht gegen eine Homogenit~t dieses Materials sprechen, nur weil es mit dem eines Materials iibeinstimmt, yon dem 1/6 mit seinen iibrigen 5/6 nicht homogen ist.

DaB natiirlich durchaus dan]it zu rechnen ist, dab einzelne Probandcn der 340 l~glle ohne Ursachenangabe nicht endogen sind, sondern exogen im Sinne dervon uns gebildeten exogenen Gruppen und viel]eicht auch anderer Gruppen, oder ganz allgemein nicht schizophren im Sinne der yon uns als Schizophrenie bezeichneten Gruppen, wurde ja mehrfach ausgesprochen.

Wir kSnnen jedoch auch, wie gesagt, die erbbiologische Einheitlichkeit der Hauptmenge der 340 Fglle nicht behaupten. Woh] aber ist dafiir Material beigebracht, daft bei diesen F~llen Verschiedenheit nach dem Ausgang keine Verschiedenheit der Belastung bedingt. Und ebenso ist ~ater ia l dafiir beigebracht, dab (abgesehen yon der nachzupriffenden Belastung der Hebephrencn) keine Belastungsverschiedenheiten zwischen den klinischen Untergruppen bestehen. Wenn iiberhaupt irgendwelche Unterschiede bestehen innerhalb der endogenen Gruppe, so wissen wir jedenfalls iiber sie nicht - - oder doch noch nicht - - insoweit Bescheid, dab unser eugenisches Handeln dadurch beeinflu~t werden kSnnte.

Sollte uns eine weitere Trennung auch der ,,endogenen" Gruppe auf einem ghnlichen Wege wie dem hier eingesch]agenen oder einem ander.en in Zukunft gelingen, so wiixe das natiirlich nur zu beg~Ben. Dcnn je enger wir bestimmte Gruppen umgrenzen k6nnen, deren Erblichkeit sich yon der Erblichkeit anderer Gruppen unterscheidet, desto wertvo]]er ist es fiir unsere eugenische Beratert~tigkeit. Bis auf weiteres miissen wir uns jedoch nach dem erhaltenen Ergebnis richten. Ich sprach ein- gangs davon, dab sich ein Erbgang s~ets nur fiir eine biologische Einheit fes~te]len lieBe. Das bleibt bestehen. Aber kennen wir und linden wit noch keine bio]ogische Einheit, so werden wir versuchen miissen, einer solchen Einheit durch immer weitere Aufspaltungen des zungchst ~uBerlich homogen erscheinenden ]V[aterials immer n~her zu kommen. Und wenn wir bei diesem Vorgehen erbbiologisch ungleiche Gruppen yon Psychosen dennoch zusammenlassen sollten, so ist doch immerhin das schon yon Wert, wenn wit yon dieser so gebildeten Gesamtheit sagen k6nnen, dab wir bei ihr mit einer bestimmten Hgufigkeit der entsprechenden Psychose in der Verwandtschaft zu rechnen haben.

1~ach ahem bisher Ausgeffihrten braucht wohl kaum noch ausdrfick- lich betont zu werden, dab es nicht gelungen ist, in dieser Arbeit die Frage

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zu 16sen, ob bzw. inwieweit das Gros der Schizophrenief/~lle eine Krank- heitseinheit darstellt. Vielleicht ist aber doeh Material auch zur K1/~rung dieser Frage beigebracht und Anregung zu weiteren Untersuchungen tiber diese Frage gegeben.

Zusammenfassung. A. Zusammen]assung der Vorbemerkungen.

I. Die Einheitlichkeit der Sehizophrenie im Kraepelinschen Sinne ist zwar keineswegs bewiesen, aber andererseits ist ihre Uneinheitlichkeit ebenfalls nicht bewiesen. (Begriindung S. 175--184.)

II. Entgegen gewissen Behauptungen, dal3 die Erblichkeitsanalyse sich nieht auf ganze Krankheitseinheiten erstreeken k6nne, sondern nur etwa auf affektive oder psychomotorische Elementarsymptome, sei festgestellt, dab z.B. der Erbgang der Huntingtonschen Chorea und anderer Krank- heitseinheiten bereits festgestellt wurde. Wir miissen nicht psychologische Einheiten suchen, sondern biologische bzw. erbbiologische. (S. 184--187.)

III . So wertvoll eine subtilere pathopsychologische Betrachtung a]s diagnostisches Hilfsmittel sein kann, so verm6gen wit, wenigstens im allgemeinen, eine Schizophrenie mit dem notwendigen Grade yon Wahr- scheinliehkeit doeh aueh ohne dieses Hilfsmittel zu diagnostizieren. In jedem Falle ist bei der Diagnosestellung die Gesamtheit a]ler klinischen Symptome (wozu z. B. auch der k6rper]iehe, der neurologisehe Befund bzw. ihr Fehlen geh6rt) zu berticksichtigen. (S. 187--191.)

IV. Ob es sich nun bei den bekannten klinischen Unterformen der Sehizophrenie (Hebephrenie, Katatonie usw.) um wesensverschiedene, durch versehiedene Gene bedingte Krankheitseinheiten handelt, oder ob es sich um die gleiche Krankheit bei verschiedenen (genotypisch bedingten) Konstitutionsformen handelt, oder ob es sieh um J(uBerungs- f o m e n der gleichen Konstitutionstypen auf das gleiche die Krankheit bedingende Gen bei verschiedenen Umwelteinflfissen handelt, in jedem Falle erscheint die Vornahme einer getrennten genealogischen Unter- suehung dieser Unterformen berechtigt, trotz mancher gegen ihre innere Verschiedenheit sprechenden Befunde wie z .B. denen der Zwillings- forschung. (S. 191--195.)

B. Zusammen/assung der eigenen Untersuchungen.

V. Wit untersuchten in dieser Arbeit 702 Probanden der R//dinschen Arbeit fiber Vererbung und Neuentstehung der Dementia praecox. (Wir nahmen siimtliche Klinikprobanden des Riidinschen Materials, soweit wir ihrer habhaft werden konnten.) u diesen 702 Probanden wurden 42 vor Beginn der genealogischen Untersuchung wegen unsicherer Diagnose aus dem Material ausgesondert. Aus den verbleibenden 660 Probanden bildeten wir 7 klinische Untergruppen, Gruppe H (simple Hebephrenien

18"

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mit schizophrener Grundstimmung, Zerfahrenheit, meist l~ppischem Verhalten, abet keinen oder nur geringen Wahnideen trod Sinnes- t~usehungen), Gruppe K (reine Katatonien mit ausgesprochen psycho- motorischen Erscheinungen, haupts~chlich der des Stupors), Gruppe P (Dementia paranoides mit ausgesprochenen, zum Teil abstrusen und systematisierten Wahnideen), Gruppe PH (Misehform zwischen Gruppe H nnd P, die zum Teil auch nach dem Fehlen des katatonen Elementes zusammengestellt warde), Gruppe HK (M_isehform zwischen Gruppe H und K, die zum Tell auch naeh dean Fehlen des paranoiden Elementes zusammengestellt wurde), Gruppe PK (MJscbform zwischen Gruppe P und K, die zum Teil auch nach dem Fehlen des hebephrenen Elementes zusammengestellt wurde) und Gruppe 1~, die Misch- oder Restgruppe, in der ]~/ille zusammengefaBt wurden, die ich keiner der iibrigen Gruppen zuzuordnen wagte, entweder weil sie ro i r keines der yon mir ~ die bisher genannten Gruppen als spezifisch angesehenen Symptome in geniigender Dentlichkeit zu bieten schien, oder weil sie mir Symptome aller drei reinen Gruppen (H, K oder P) zu umfassen sehien. (S. 195--201.)

VI. Nach dem Ausgang teflten wir unsere Probanden in folgende Gruppen: F~lle, die mehr als 10 Jahre seit ihrer Erkrankung auBerhalb der Anstalt 1. anseheinend vSUig geheilt leben (Gruppe G), 2. einen leichten Defekt zeigen oder vermuten lassen (Gruppe LD), 3. als offenbar Geistes- kranke draul]en, zum grSfltenteil bei Verwandten leben (Gruppe SD - - sehwerer Defekt), 4. bald innerhalb, bald aul]erhalb der Anstalt leben (Gruppe R - - Remissionen), 5. als offenbar geisteskrank innerhalb der Anstalt leben, aber doeh mehr oder weniger Zeichen geistiger Regsamkeit erkennen lassen (Gruppe DA - - defekt Anstalt), 6. anscheinend vSllig verblSdet sind (Gruppe B1). Ferner F/~lle, die weniger als 10 Jahre nach der ersten Aufnahme 7. in der Anstalt ~erstarben (Gruppe A gest.), 8. auBerhalb der Anstalt dureh Krankheit oder Ungliicksfall starben, oder im Kriege fielen (Gruppe gest.), 9. auBerhalb der Anstalt Selbst- mord veriibten (Gruppe S). (S. 201--204.)

VII. Die Gruppierung der Probanden naeh den verschiedensten Ge- sichtspunkten der klinisehen Unterformen, des Ausgangs, des Gesehlechts, der Angaben m5glicherweise in Betracht kommender ~uBerer Ursachen usw. ergab folgendes :

1. Bei der Verteilung der Geschleehter auf die klinischen Untergruppen zeigte sich ein noeh st~rkeres ~berwiegen der M/~nner bei den Hebe- phrenen, der Frauen bei den F/~llen won Dementia paranoides, als dies bereits durch andere Untersuchungen festgestellt war; bei der i~_isch- gruppe (1~) waren die Geschlechter ungef~hr fin gleichen Verh/~ltnis wie iIn Gesamtmaterial vertreten (Tabelle 1).

2. ])as Erkrankungsalter der drei reinen klinisehen Unterformen H, K und P wich stark voneinander ab. Die Kurve fiir das Erkrankungs- alter der Gruppe t tK liegt genau zwischen der flit t t und der fiir K, die

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fiir das Erkrankungsalter ffir PH liegt genau zwischen der ffir P und H, die ffir das der Gruppe PK liegt genau zwischen der f fir P und K. Die Kurve f fir das Erkrankungsalter der Mischgruppe M entspricht fast genau tier des Gesamtmaterials. Abb. 1 und 2 (Tabelle 2).

3. Die Verteflung nach dem Krankheitsausgang ist bei den einzelnen klinischen Unterformen durehaus versehieden, sic ist jedoeh bei der MJsch- gruppe 1~I wieder ungef/~hr die gleiche wie beim Gesamtmaterial (Abb. 3). Die Prozentzahl der Geheilten betr/~gt im Gesamtmaterial 10,1%. Ffir lY[i~nner und Frauen ist die Verteilung nach dem Ausgang etwa die gleiche (Tabelle 4).

4. l~lle, deren Erkrankung auf /~u]]ero Ursachen zurfickgeffihrt wurde, oder bei denen sieh ein entspreehendes Ereignis in der Vor- gesehichte fand, das in anderen F/~llen als Krankheitsursache angegeben war, waren besonders h/~ufig in der K-Gruppe vertreten (Tabelle 5).

5. Die in dem genannten Sinne ,,somatischen exogenen" F/~lle gingen keineswegs besonders oft in Heilung fiber (Tabelle 7).

6. Die intellektue]len Berufe sind besonders oft unter den Probanden der Gruppe H vertreten, die landwirtsehaftliehen Berufe besonders oft unter denen der Gruppe K. ])as grit auch, wenn wir statt der Berufe der Probanden die der Probandenviiter ins Auge fassen (Tabellen 13--16),

7. Die Zahl der an Tuberkulose gestorbenen Probanden ist am h6ehsten bei den klinischen Unterformen mit einem K-Anteil (Tabelle 19).

VIII. l~berblick fiber die Gesehwisterschaften der verschiedenen Pro- bandengruppen.

1. Die Schizophrenieh/~ufigkeit unter den Gesehwistern des Gesamt- materials betr/~gt, berechnet nach dem abgekfirzten Verfahren Weinbergs, 6,7 %. Sic ist bei den einzelnen klinischen Unterformen ann/~hernd die gleiehe (Tabelle 20). Nur f fir die Gruppe H ist die Ziffer deutlich erh6ht ; wegen der kleinen Bezugsziffer bei dieser Gruppe bedarf der Befund jedoch der Nachprfifung. Die P-Gruppe ist ein wenig geringer belastet als die K-Gruppe. Untersuchen wir, ob eine Beziehung zwisehen den klinisehen Unterformen der Sekund'~rfglle und denen der entsprechenden Probandengruppe besteht, so finder sieh hier eine positive Korrelation bei den drei reinen Gruppen H , K und P (Tabelle 21). Bei den gemischten Gruppen tr i t t diese positive Korrelation nicht einheitlich zutage. Ferner aber seheint es, daB, soweit bei den kleinen Ziffern sieh etwa sagen ls unter den Gesehwist~rn eines Sehizophrenen jeder beliebigen klinischen Unterform sich wiederum mehr Sehizophrene jeder beliebiger klinisehen Unterform finden als unter den Gesehwistern eines Normalen, also beispielsweise unter den Geschwistern eines Hebephrenen mehr Katatone als unter denen eines Normalen und umgekehrt.

2. Die Tuberkulosesterbliehkeit unter den Geschwistern der einzelnen klinisehen Untergruppen ist ann/~hernd die gleiehe (Tabellen 23 und 24). Auch die Geschwister der P Gruppe (Dementia paranoides) zeigen zum

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mindesten keine geringere Tuberkulosesterblichkeit als die anderen Gruppen. (Beachtenswert, weil Kolle bei den Verwandten seiner Para- noiker bzw. Paraphrenen geringe Tuberkulosesterblichkeit fand.) Die Geschwister der Probanden der K-Gruppe haben keine besonders hohe Tuberkulosesterblichkeit, es ist also anzunehmen, da$ die hohe Tuber- kulosesterblichkeit der Katatonen selbst durch das ~uBere Verhalten der Katatonen bedingt ist. (Selbstverst~ndlich ist die Tuberkulosesterb- lichkeit unter den Geschwistern aller Probandengruppen hSher als in der DurchschnittsbevSlkerung.)

3. Bei Aufteilung der Probanden wie der Sekund~rf~lle nach dem Ausgang zeigen sich die so gebildeten Probandengruppen auch wieder armfihernd gleich belastet. Nut die Schizophrenieh~ufigkeit unter den Ge- schwistern der geheilten Probanden (kleine Bezugsziffer) und der Pro- banden der Gruppe SD ist ein wenig geringer. Eine Korrelation zwischen Probanden und Sekund~rf~llen in bezug auf den Ausgang zeigte sich nut bei den geheilten F~llen. (Tabellen 25 und 26.)

4. Die m~nnlichen Probanden haben unter ihren Geschwistern eine Schizophrenieh~ufigkeit yon 6,3%, die weiblichen eine solche yon 6,4%. Unter den m~nnlichen Probandengeschwistern finden sich 6,3 % Schizo- phrene, unter den weiblichen 7,0%. (S. 230--231.)

5. Bei einer Aufteilung der Probanden in die nach Ursachenangabe gebildeten Gruppen zeigen die F~lle ohne Ursachenangabe unter den Geschwistern eine Schizophrenieh~ufigkeit yon 8,3 %, die mit unwahr- scheinlicher psychischer Ursache 7,0%, mit unwahrscheinlicher k6rper- licher Ursache 4,3%, mit wahrscheinlicherer psychischer Ursache 3,1%, mit wahrscheinlicherer k6rperlicher Ursache 3,4 %. Die Gruppe der l~Mle mit wahrscheinlicher psychischer Ursache mag wegen ihrer K]einheit nur aus Zufallsgriinden eine so geringe Schizophrenieh~ufigkeit aufweisen. Bei den I~llen mit k6rperlicher Ursache dagegen ist die Bezugsziffer so hoch, dab die hier gefundenen Unterschiede gegeniiber der Gruppe ohne Ursachenangaben keine zufMlige sein diirften. (Tabelle 30.)

6. Eine Aufteflung der Probanden mit angeblich somatischen Ursachen zeigt die l~lle mit AlkoholmiBbrauch stark mit schizophrenen Ge- schwistern be]aster (8,3% schizophrene Geschwister), verh~itnism~13ig stark sind auch die Gravidit~ts- und Entbindungsschizophrenien be- lastet, sehr gering belastet sind die F~tle nach Kopftraumen und eine kleiI/e Gruppe mit Sch~delmiBbildungen usw. Die Schizophrenieh~ufig- keit unter den Geschwistern der 55 ,,Kopftraumatiker" betrs nur 2,9 % (5 l~lle; Bezugsziffer 172). Wenig Klarheit lieB sich bis jetzt fiber die Gruppe der Schizophrenie ,,nach innerer Krankheit" gewinnen; doch bleibt auch bei ihnen die Schizophrenieh~ufigkeit unter den Geschwistern deutlich hinter der bei den l~'obanden ohne Ursachenangabe zuriick. (S. 231--239.)

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Zur ErbpathoIogie der Schizophrenie. 279

7. Eine I)arstellung der schizophrenen Belastung iiberhaupt bei den einzelnen Probandengruppen (nicht nut die der Schizophrenieh~ufigkeit unter ihren Geschwistern) zeigt ebenfalls die Kopftraumatiker gering belastet; ebenso die kleine Gruppe der Probanden mit Sch~delmiB- bildnngen usw. (Tabelle 31.)

8. Eine Berechnung der Schizophrenieh~ufigkeit nach einem etwas genaueren Verfahren (als dem im allgemeinen yon uns benutzten, bei dem die im Gef~hrdungsalter ausgeschiedenen Personen halb gereehnet werden) ergibt in allen Gruppen eine anns gleieh grol~e geringe Herabsetzung der Schizophreniehs um 0,5%--0,2%. (S. 243 bis 245.)

9. Die Schizophrenieh~ufigkeit unter den Gesehwistern der Probanden mit ausgesprochen schlechten Schulleistungen entspricht etwa der des Gesamtmaterials.

10. Unter den Probanden mit angeblicher psychiseher Ursache finden sich besonders viel geheilte l~lle. Diese geheilten Fs haben unter ihren Geschwistern eine besonders geringe Schizophreniehs (4,0 % ). Unter den Geschwistern der geheilten Probanden ohne Ursachenangabe betrs die Schizophrenieh~ufigkeit 5,7 %. Die Tuberkulosesterbliehkeit unter den Geschwistern der geheilten ~ l l e mit angeblichen psychischen Ursachen ist ebenfalls besonders gering (s. Tabellen 36 und 37). Iqach allem ist damit zn rechnen, dal~ unter den geheflten F~llen mit psychischer Ursache sich viele FMle befinden, die keine eigentlichen Schizophrenien sind. Auch bei den Haftschizophrenien besteht iibrigens dieser Ver- dacht.

IX. 1VIit Riicksicht auf die Beschaffenheit der Eltern land sich (S. 251f.) : 1. Unter den Geschwistern der 33 Probanden, die yon einem schizo-

phrenen Elter abstammten, betr~gs die Schizophrenieh~ufigkeit 7,2%, ist also nur unbedeutend hSher als beim Gesamtmaterial (6,7%). Bei Einbeziehung aueh der fraglichen Schizophrenen unter den Probanden- geschwistern ergeben sich 12,6%. Das w~re eine etwas deutlichere ErhShung gegeniiber dem Gesamtmatcrial; die entsprechende Ziffer lautet dort 8,2% (s. Tabelle 20). Bei den 14 Probanden, bei denen ein Elternteil als frag]ich sehizophren angesehen wurde, betrs die Schizophrenie- h~ufigkeit unter den Geschwistern 8,2%; bei Einbeziehung der frag- lichen Sekund'arf~lle 10,2 %.

2. Die H~ufigkeit der senilen Demenz unter den fiber 60 Jahre alten Eltern unserer Probanden betriigt 1,9 % (bei einer DurehschnittsbevSlke- rung 0,25 bzw. 0,67%). Unter den Geschwistern unserer yon diesen senti dementen Eltern abstammenden Probanden betr~gt die Sehizo- phrenieh~ufigkeit jedoch nur 2,4%. Es handelt sich also vermutlieh bei diesen senti dementen Eltern nicht etwa um Sp~tschizophrenien.

X. Eine ohne Rficksicht auf die Schizophreniebetroffenheit der Gesehwisterschaften ausgews Gruppe yon Probanden (es sind deren

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86), die einen oder mehrere schizophrene Onkel bzw. Tanten, Vettern, Basen, Neffen, Nichten, Kinder oder Halbgeschwister besitzen, jedoch keine schizophrenen Eltern, zeigt unter den Geschwisterschaften eine Schizophrenieh~ufigkeit yon 8,2%. Innerhalb dieser Gruppe jedoch zeigen die F~lle mit psychischer Ursache eine Schizophrenieh/iufigkeit yon 4,9 %, die mit k6rperlicher Ursache 7,9%, die ohne Ursachenangabe 10,2% (S. 257 und 259).

XI. Die 42 wegen Unsicherheit der Diagnose yon vornherein aus der urspriinglichen Zahl yon 702 Probanden ausgesonderten F~lle zeigen sowohl unter ihren sonstigen Verwandten wie auch unter den Geschwi- stern eine so geringe Schizophreniehs (unter den Geschwistern 0,7 %), und auch die Tuberkulosesterb]ichkeit nnter ihren Geschwistern ist so gering, dab anzunehmen ist, dal3 sie in ihrer Mehrzahl mit Recht aus dem Material ausgeschieden wurden (S. 259 und 261).

XI I . Eine Betrachtung der 340 Probanden ohne Ursachenangabe ergibt bei ihnen etwa die gleichen Verh~ltnisse, wie wir sie fiir alle 660 Pro- banden unter VII und VIII , 1 4 dieser Zusammenfassung dargelegt haben, d. h. wir erhalten Befunde, die gegen eine verschieden starke Belastung der naeh dem Ausgang gebildeten Gruppen sprechen, die gegen eine verschieden starke Belastung der klinisehen Unterformen sprechen (ab- gesehen yon der noeh nachzupriifenden st~rkeren Belastung der t tebe- phrenen). Sie sprechen ferner dafiir, dab ~ n n e r und ~rauen anns gleich h~,ufig yon Schizophrenie betroffen werden, sprechen fiir ein verschieden starkes Vertretensein der beiden Geschlechter in den einzelnen klinischen LTntergruppen, fiir ein etwa gleich starkes ~rer- tretensein der beiden Geschlechter in den nach dem Ausgang gebildeten Gruppen (nur scheinen die ~ n n e r mehr mit leichtem Defekt zu heften). Und auBerdem sind auch hier wieder unter den kata tonen Fi~Uen die primitiveren Volksschiehten, unter den hebephrenen FMlen die intellek- tuellen Schichten besonders stark ver t re ten (S 261---268).

Zum SchluB ist es mir ein Bediirfnis, alien Kliniken und Anstalten, die die vorliegende Arbeit (lurch Oberlassung yon Krankenbl~ittern erm6glieht haben, aufrichtig zu danken, vor allem der Psychiatrischen Universit~tsklinik /Y[iinchen und den oberbayerischen Heft- und Pflege- anstal ten Eglfing-Ha~r und Gabersee. Auch der klinischen Abteilung der Forschungsanstalt bin ich ffir l~berlassung zahlreicher Z~hlkarten zu Dank verpflichtet.

Kasuistischer Naehweis. Vorbemerkunflen. Aus Raummangel ist es leider nicht m6glich, Beschreibungen

si~mtlicher Probanden zu bringen. Es sind daher im folgenden yon jeder der klini- schen Untergruppen (Gruppe H 31 F&lle, Gruppe K 127 F~lle, Gruppe P 72 FiiHe, Gruppe PH 46 Falle, Gruppe HK 129 Falle, Gruppe PK 108 F~lle, Gruppe M 147 F~Ile) ztm~chst nut je 7 F~lle angefiihrt. Insgesamt also yon 660 Probanden zuni~chst nur 49.

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Zur Erbpathologie der Sehizophrenie. 281

I)iese 49 F~lle wurden u m 7 weitere vermehrt , bei denen die E r k r a n k u n g nach einem Kopf t r auma zum Ausbruch gekommen war. Die , ,Kopf t raumat iker" unseres Materials (es f inden sich u n t e r den 660 Probanden im ganzen 55) di i rf ten ja wegen ihrer auffallend ger ingen Belas tung ein besonderes Interesse besitzen.

SchlieBlich wurden aueh noch von den42 Probanden, die ich wegen Unsieherhe i t der Diagnose yon Anfang an aus den im ganzen 702 Fal len des ursprfinglichen Materials ausgesonder t ha t t e , 7 Falle angefiihrt, um auch fiber diese Gruppe wenig- stens ein einigermaBen anschaul iches Bild zu geben.

Von den 131 , ,sieher" schizophrenen Geschwistern sind ebenfalls nu r 7 Fal le angeffihrt. Ih re Auswahl geschah zum Teil in der Absieht, einerseits die Gleich- ar t igkei t yon Geschwisterpsychosen zu veransehauliehen (zu Prob. 134), anderer- seits ihre Versehiedenhei t (zu Prob. 786 und 680), zum Teil is t der Ums tand , der zur Auswahl gerade dieser Sekund~rf~lle fiihrte, aus dem Tex t ersichtl ich; auf die betreffende Seite des Textes ist dann bei jedem Falle verwiesen.

Was un te r den Abki i rzungen Gruppe H, Gruppe K usw. zu vers tehen ist, is t auf den Seiten 197 f. dieser Arbe i t ausgefiihrt, was un te r den Abkfirzungen Gruppe G, Gruppe LD usw. zu ve rs tehen ist, ist auf den Seiten 201 f. ausgeffihrt. ~ b e r die Bedeutung der bei den wegen unsieherer Diagnose ausgesonderten P robanden am Ende einer jeden Beschre ibung in Klammern angefi ihrten Diagnose s. S. 259.

Ob jeder einzelne Fa l l m i t Rech t der betreffenden klinischen Unte rg ruppe zugeordnet wurde, darf iber wird m an strei ten kSnnen, auch wenn m a n das yon mir auf den Seiten 197 f. dargelegte Eintei lungsprinzip gelten l~13t. Da bier yon jeder Gruppe nur 7 F~lle auf e inanderfolgend wiedergegeben wurden, t r i t t auch das Gemeinsame, das die F~lle jeder Gruppe verb indet und yon denen der anderen Gruppen seheidet, h ier in der VerSffentliehung leider n icht so deut l ich hervor wie in dem Manuskr ip t , in dem s~mtliche F~lle einer jeden Gruppe aufe inander folgend angeffihrt wurden.

A. Probanden.

1. Gruppe H. Gruppe G, Prob. 654. Realschiiler. Gu t gelernt, abe t s tets scheu. F~ll t mi t 16 J a h r e n ins Wasser, dari iber sehr erschrocken, 3 Wochen sp~ter sagt er ganz grundlos, er werde als Postass is tent angestellt , ver langt yon der Mut t e r ein Madchen zum Verkehr , bedroh t Verwandte. I n die Klinik. Meint, der Va te r lasse ihm zur Strafe Ges ta l ten durch das Zimmer gehen, er schame sieh. Wi rd naeh 14 Tagen gebessert entlassen. Mit 34 J a h r e n geht es ihm gut . H a t den Krieg mitgemacht . Verhe i ra te te r Kanzleisekret~r z.

Gruppe LD, Prob. 786. Lehramtskandida t . Stets j~hzornig u n d exzentrisch. l~it 21 J a h r e n Tripper. D a n a e h nerv6s. Seit dem 23. Jah re versehlossen. Bes tand die Prfifung sehr gut . Mit 27 J a h r e n in die Klinik, weil er tagelang im Ber t blieb. ~e in t e , er rieehe schlecht, die Leute h~t ten deswegen gehustet . Meint, in der Klinik, er sei nu r kSrperl ieh krank. Nach 10 Tagen entlassen. Sei ther geordnet . Ober- realschulprofessor. Sehr empfindl ich und j~hzornig. Glaubt sich im Gasthof oft beobachtet . I s t kinderlos verhei ra te t . J e t z t 43 Jahre a l t 3.

Gruppe SD, Prob . 663. Stud. reed. Fiir sich, las viel. Gutes Abi tur . Mit 20 J a h r e n will er n i ch t mehr den mi t E l te rn essen. Zieht fiir sich. N e n n t die E l t e r n Trottel . Bedroh t sie m i t dem Revolver. Verlangt Festse tzung des Studiengeldes (will weniger als b isher !). I n die Klinik. Redet dor t viel yon Tolstei , l~ietzsche und WeLuinger. S tud ie r t fleiBig Medizin. Wird naeh 2 Monaten entlassen. Kiirz- lich mi t 35 J a h r e n wieder aufgenommen. Sehr aufgeblasen, manir ier t . BeeintrAch- tigungsideen. H a t t e oriental ische Sprachen studiert , ohne es zu einer Stel lung zu bringen. H a t t e j e tz t die M u t t e r geschlagen, weft er selbst~ndig werden mSchte. I roniseh fiberlegen. N a c h 1/2 J a h r e entlassen a.

z Siehe S. 246. 2 Geschwister siehe S. 292. a Siehe S. 204.

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289, Bruno Schulz :

Gruppe R, Prob. 682. Gymnasiast. Payor nocturnus. Ungehorsam. In der Untersekunda, mit 18 Jahren, wird er auffgllig, macht Gedichte. Sagt, er habe satanische Kraft, werde nach dem Tode ins Weltgeschehen eingreifen. ]~berheblich. Kommt in Anstalt wegen ,,Suicidversuchs aus Weltanschauung". Bald entlassen, seitdem stumpf und gereizt zu Hause. Mit 24, 25, 26 Jahren wegen Streites mit Angeh6rigen und anderen oft in Anstalt, zwischendurch Schriftsteller und Grapho- loge; in mehreren Zeitungen gedruckt. Heiratet mit 34 Jahren. Trinkt viel, des- wegen mit 35 Jahren wieder in Anstalt, bald entlassen. Jetzt 40 Jahre. Beschaftigt sich weiter mit Astrologie. Gilt in der Umgebung nicht als geisteskrank, aber als Sonderling. Hofft auf seine Zukunft als Lyriker. Grimassiert ziemlich auff~llig.

Gruppe DA, Prob. 680. Kunsthistoriker. Als Kind oft Ohnmachten, Schule sehr gut, starkes Pflichtgeftihl. Stets fiir sich. Habilitation miBlingt. Glaubt sich mit 29 Jahren auf Reise in Italien verspottet, h6rt Stimmen. H6rt, seine Mutter habe sich ertrgnkt. Man h6rt seine Gedanken. Ftir 1 Monat in die Klinik, arbeitet dann wieder. Mit 32 Jahren sehr nerv6s, beschimpft Leute, fiir einige Wochen in die Anstalt. Dann wieder eingeliefert mit 37 Jahren, da die Mutter erkrankt under allein hilflos ist. Seitdem verschroben in Anstalt, sucht seine Un- tgtigkeit zu besch6nigen, hyper~sthetisch, hilflos und einsichtslos. Jetzt 55 Jahre air 1.

Gruppe B1, Prob. 198. Gymnasiast. Bis zum 13. Jahr gut gelernt, dann gereizt, willensschwach. Mit 17 Jahren in die Klinik. ])ort stumpf, gute Kenntnisse. Bis- weilen erregt, zerzupft seine Kleider. Wird rtipelhaft, unsauber, v611ig stumpf. Maeht ein wenig Gartenarbeit. Stirbt mit 53 Jahren an Tuberkulose.

Gruppe A gest., Prob. 134. Kaufmann. Stets schwer angeschlossen. Wurde allmghlich immer zerfahrener, verschwendungssiichtiger, hielt sich an keine Zeiteinteilung. Von der Realschule nach kurzer Zeit als unf~hig entlassen. Mit etwa 24 Jahren Gelenkrheumatismus. Meint bald danach, Verwandte wollten ihn aus dem Geschitft verdrangen. Hatten ihn vergiften wollen. In die Klinik. Faselig, geziert. Geschraubte Sprache. Sei nicht ganz normal. L~ppisch zugi~nglich. Spielt Geige, schreibt zerfahrene Briefe. Wortsalat. Bisweilen erregt, ,,wolle nicht auf seines Vaters Kosten fressen". Beruhigt sich bald wieder. Liest Zeitungen. Macht leichte Schreibarbeiten. Will sein lji~hriges Jubilgum in der Anstalt feiern. Macht nichtssagende Gedichte. Sorglos stumpf, spielt Klavier und zeichnet. Nennt sein Reden selbst Wortsalat. Stirbt mit 30 Jahren an Lungenentztindung 2:

2. Gruppe K. Gruppe G, Prob. 158. Dienstmagd. Schule gut. Mit 19 Jahren ver~ndert. Arbeitet nicht mehr. Nach 1/2 Jahr in die Klinik. Stumpf, zittert, Stupor, blaurote Hgnde, gehemmt. Nach 1/2 Jahr entlassen. Seitdem gesund. Jetzt 37 Jahre alt, Hausmi~dchen in einer Klinik.

Gruppe LD, Prob. 83. Backergehilfe. Gut gelernt, ordentlich, fleiBig, ffir sich. Mit 19 Jahren ganz plStzlich erregt, glaubt sich verfolgt. In die Klinik. Stereotype Bewegungen, Negativismus, Befehlsautomatie. Nach 3 Wochen gebessert, wenn auch ziemlich stumpf entlassen. Seitdem wieder berufstgtig, lebt aber sehr zuriick- gezogen. Jetzt 36 Jahre alt.

Gruppe SD, Prob. 728. Knecht. Etwa mit 20 Jahren vom Militar wegen ,,Kopfleidens" entlassen. Sonst angeblich unauff/~llig. Mit 37 Jahren pl6tzlich erregt. Ruft: ,,Brennen ruts". In die Klinik. Erregt. Gehoben, heiter. Nicht fixierbar. Desorientiert. Dann Stupor, unter der Decke. Geistiger Rtickgang. Wird sehr dick. I~ach 11/2 Jahren etwas gebessert entlassen. Lebt mit 55 Jahren beim Bruder. Arbeitet etwas, aber sehr launenhaft. Nicht allein arbeitsfahig.

Gruppe R, Prob. 169. Dienstmagd. Als Kind o . B . Schule m~Big. Mit 20 Jahren in die Klinik. Betet, hSre Stimmen, H~nde cyanotisch, steif, Stupor, nach 9 Monaten gebessert entlassen. Wird Irrenpflegerin. Mit 24 Jahren wieder wegen ghnlichen Zustandes 6 Monate in Anstalt. ]:)ann wieder gut imDienst. Mit 25 Jahren

1 Geschwister siehe S. 293. 2 Siehe S. 225, Geschwister siehe S. 292.

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Zur Erbpathologie der Sehizophrenie. 288

nach Liebeskummer wieder erregt. Ffir 6 .Monate in die Klinik. StuporSs, hSrt Stimmen, wieder in SteUung, o . B . l~Iit 28 Jahren plStzlich ,,wegen Sfindenlast" Sprung aus dem •enster. In die Klinik. Bret tharter Stupor. Mit 29 Jahren ent- lassen. Wieder im Dienst a]s Pflegerin. !~Iit 37 Jahren wieder 1 l~Ionat krank, l~l~t Ko t unter sich, ideenflfichtig, macht Faxen. Seitdem gesund in Stellung. J e t z t 43 Jahre alt.

Gruppe DA, Prob. 269. Sehreiner. Auf der Schule und als Schreinerlehrling gut. Mit 25 Jahren plStzlich nach Blinddarm- und Leistenbruchoperation erregt, ruft : ,,Weiehe yon mir, Satan" . Will alle hypnotisieren, l~iir 2 Jahre in Anstalt . Arbeitet dann wieder. Mit 35 Jahren seltsam. Es komme der Weltuntergang. Verschrobene Antworten: ,,Sie sind doch ein Veilchen." Steht starr wie eine Statue. S tumm im Bett , l~chelt, hSrt Stimmen, arbeitet etwas. Stirbt mi t 45 Jahren an Tuberkulose.

Gruppe B1, Prob. 716. Metzger. Schule mittel, schwer sprechen gelernt, ffir sich, oft verst immt, l~it 20 Jahren naeh 1 Jahr ~Iilit~rdienst als geisteskrank entlassen. Danach gesund als Metzgergeselle. Mit 23 Jahren plStzlieh verwirrt . TobsuchtsanfaU, verzfickt, Stupor, Echopraxie. ttSre yon der Elektrizit~t, dab er predigen mfisse. / )ann mi t kurzen Unterbrechungen in Anstalt, blSde oder stuporSs. Stirbt mi t 35 Jahren an Tuberkulose.

Gruppe gest., Prob. 442. Franziskanernovize. Schule m~Big, schw~chlieh. Seit dem 22. Jahre bei dem Orden. l~Iit 30 Jahren erregt, beiehtet viel, betet laut, Kruzifixstellung. In die Klinik. Stupor. Befehlsautomatie, erregt, hSrt Stimmen. E a c h 2 Monaten nach Hause entlassen. Tri t t wieder in den Orden ein. 1915 eingezogen. F~llt im gleiehen Jahre im Alter yon 35 Jahren.

3. Gruppe P. Gruppe G, Prob. 311. Verwaltungsbeamter. Schule gut. l~leiBig, stets geizig. Mit 35 Jahren Heirat . Meint mit 38 Jahren, alle sprechen fiber ihn, man sei ibm neidiseh, da er ein Streber sei, wird mit l~eldstechern beobaehtet, hSrt Musik. Nach 14 Tagen in die Klinik ffir 4 Woehen. Seitdem wieder im A m t als Buchhalter einer Versieherungsgesellschaft mit hohem Jahresumsatz. J e t z t 54 Jahre alt. Bei Explorat ion verst~ndig, aber pedantisch.

Gruppe LD, Prob. 21. Bauernsohn. In der Sehule gut. Unauff~llig. Seit dem 31. J ah r t rank er viel, wurde reizbar, sprach davon, er werde etwas Besseres. Mit 37 Jahren will er in die Residenz und die Prinzessin Hildegard heiraten. I-Iabe naehts eine Stimme geh0rt, die ibm das gesagt habe. Fiir 1 Woche in die Klinil~. Ba lm wieder nach Hause. Lebt dort stumpf dahin, wird mit 42 Jahren wieder aufgenommen, well er zwei minderj~hrigen l~I~dchen unter die RScke gegriffen hatte. BeschSnigt, gibt aber zu. Ziemlich gute Kenntnisse, versehlossen. Erheb t weiterhin Anspruch auf die Prinzessin, stumpf und tr~ge bei der Gartenarbeit . Will sieh an ein Kiichenm~dehen machen. Wird mit 51 Jahren entlassen. Verlangt sp~ter wieder Bemfindigung, da er seine Wahnideen aufgegeben habe und keine St immen mehr h6re. I s t viele Jahre als Knecht ~ t ig . Je tz t 65 Jahre alt. Lebt seit 5 Jahren bei seinem Bruder.

Gruppe SD, Prob. 791. Buchhalterin. Als Kind sehw~ehlich, immer etwas versehlossen und empfindlieh. Sehule gut, Bettn~ssen bis zum 17. Jahr . Vom 30. J ah r an Buchhalterin in anstrengender Stellung. Seit dem 40. Jahre miBtrauisch, meint, sie solle aus ihrer Stelle verdr~ngt werden. Wird immer reizbarer. Mit 44 Jahren sehl~ft sie schlecht, springt plStzlich in die Isar. I n die Klinik. Sagt, man stichele fiber sie, h6re St immen mud antworte darauf, meint, jemand stehe beim Arbeiten neben ihr und sage, was sie denke. Habe gehSrt, die Welt warte darauf, yon ihr erlSst zu werden. Sie sei krank ,,dutch den Zwang zum Ablesen". Nach 3 l~onaten etwas gebessert entlassen. Wieder in Stellung als Buchhalterin bis zum 54. Jahre. Seitdem vielfach ohne Stellung, erhalt aber noeh hier und da Aushilfsstellung und ist erst seit ihrem 59. J ah r ganz arbeitslos. Erh~l t Unter- stfitzung yon der Reichsversicherungsanstalt. Je tz t 62 Jahre alt. Lebt ruhig

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284 Bruno Schulz:

und still ffir sich allein, berichtet aber, als sie darauf angesprochen wird, dab sie immer noeh, wie bereits seit ihrem 34. Jahre, durch die Stimmenwirtschaft, durch Disziplinariiberwachung usw. bel/~stigt wird. Meint, dab wohl alle Mensehen das h6rten. Sie hSre es in jedem Augenblick, aueh wenn sie mit jemanden spreche, natiirlich lenke sie ein Gespr~ch etwas ab von den Stimmen 1.

Gruppe R, Prob. 704. N/~herin. Schule gut, aber schwer gelernt. Seit dem 37. Jahre streitsiichtig. Seit dem 43. Jahre meint sie, sie werde , ,verhandelt" (vor Gerieht) und beobaehtet. HOrt, es sei Geld verloren, das auf der Polizei fiir sie abgegeben sei. H f r t sich besehimpfen, well sie zu faul sei, zur Polizei zu gehen. Mit 47 Jahren fiir 10 Jahre in die Anstalt . Dann 7 Jahre, angeblich unauff/~llig, in Stellung als Dienstm~dehen. H6r t darauf wieder St immen ~hnliehen Inhalts, kommt wieder in die ]~linil~. Tut dort Hausarbeit . Mit 64 Jahren noch unver- ~ndert. Verhutzelte, trippelnde Alte. Meint, ein Herr wolle sie heiraten, will t/~glich ihr , ,Geldpaket" abholen.

Gruppe DA, Prob. 537. Tagel6hner. Stets fleiBig und m/~Big, seit dem 43. Jahre t r inkt er viel Schnaps. Besehuldigt Leute, dab sie ihn verfolgen, er habe gesehen, dab sie Leichen vergraben h/~tten (findet zuerst Glauben beim Staatsanwalt). Dann in die Klinik. Bestreitet dort sparer die alten Ideen, ri ihmt sich nun aber des Ehebruchs mit einer Prinzessin, nennt sich Ri t t e r yon Hohenthal und Christus. Pfiffig ironiseh. Arbeitet etwas. St i rbt an Schlaganfall mi t 55 Jahren.

Gruppe B1, Prob. 475. Inhaberin einer Weinstube, die ihr yon einem Liebhaber eingerichtet wurde. Zuni~chst im Beruf tiichtig. Seit dem 28. Jahre glaubt sie sich, im Ansehlul~ an Geldverlust und ungliickliche Liebe, veffolgt. Sie erh~lt Gift, meint, der GroBherzog sei ihr Br~utigam. Mit 31 Jahren in Klinil~. Meint, sie sei des l~achts yon einem Kind entbunden, verlangt den ,,Bril]antschliissel". Phan- tastische Wahnideen, sei Weltkaiserin, nachts habe sie I~aehtschieht, sei dann an einem anderen Ort. Mit 53 Jahren stumpf im Bett , unorientiert, nennt die Pflegerin , ,Herr Wilhelm" usw.

Gruppe A gest., Prob. 133. Tagel6hnersfrau. Stets gesund, wenig intelligent. Seit dem 28. Jahre leieht aufgeregt, meinte, ihre Schwiegereltern wollten ihren Mann mi t einer anderen Frau in seiner t t e imat verheiraten. Mit 31 Jahren Beziehungs- ideen, sah in der Stral3enbahn einen , ,Akademiker", der besuehe sie ~etzt nachts. I n die Klinik. Gereizt, halluziniert stark, meint, sie habe nachts entbunden, macht dem Arzt dariiber Vorwiirfe, affektierte Sprache. St i rbt mi t 35 Jahren, wohl an Schwindsucht.

4. Gru,p19e PH. Gruppe G, Prob. 675. Dienstm~dchen. Schule sehr gut. Im Dienst tiichtig, aber eigensinnig. Meint mi t 22 Jahren plStzlich, sie mfisse am n~chsten Freitag sterben. Schon seit einiger Zeit erfolglos verliebt in einen Drogisten. In die Klinik. Meint, sie sei schwanger yore Kronprinzen, erkenne den Willen Gottes; lacht beziehungsvoll. HSr t Stimmen, zerreiBt Saehen. Lappisch. Naeh 5 Monaten ungeheflt entlassen. Geht wieder in Stellung. Heiratet mi t 27 Jahren einen Metallschleifer. Stets gesund. J e t z t 38 Jahre alt 2

Gruppe LD, Prob. 316. Uhrmacher. Auf Sehule zweimal sitzengeblieben. Seit dem 20. Jahre oft Stellungsweehesl. Seit dieser Zeit auch viel zu Hause, scheu, zerfahren. Meint mit 22 Jahren, Offiziere und Chauffeure h/~tten ihn gegriiBt. Mietet fiir eine Unbekannte, die er auf der Bahn trifft, eine Wohnung. In die I~linilr HSrt und sieht Kaiser und Papst. Sieht Frauengestal ten beim Gesehlechts- verkehr. Das Fleisch in der Klinik sei Menschenfleisch. Lacht oft. Nach 3 Wochen gebessert entlassen. H a t seitdem in seinem Heimatdorf ein kleines Uhrengesch/~ft. Hypochondrisch, jammert viel, fiihlt sich sehr sehwach. Liegt oft tagelang im Bert. J e t z t 39 Jahre alt.

1 Siehe S. 284. 2 Siehe S. 246.

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Zur Erbpathologie der Sehizophrenie. 285

Gruppe SD, Prob. 129. K6chin. Stets unauffallig. Mit 24 Jahren macht sie sich Sorge wegen ihrer Verwandten, war wohl aueh verliebt in ihren Dienstherrn und in den Kaplan zu Hause. Glaubt sich beobachtet, eigenartige Handlungen. In die Klinik. HSre St immen seit 8 Wochen. Sehon vor 2 Jahren habe ein Arzt, der sie wegen Magengeschwfirs behandelte, alle ihre Gedanken gewui3t, auch jetzt wfil~ten die Leute alles, was sie d/~chte, sie habe aueh in fremden Sprachen ge- sprochen. Gute Kenntnisse. Naeh 2 Monaten entlassen, seitdem zu Hause, bis- weilen auch bei Fremden, leichte Haus- und Feldarbeit, war aber immer gem allein und bekam manehmal Nervenanfalle (Angabe der Mutter). Stirbt mit 36 Jahren an Tuberkulose.

Gruppe R, Prob. 403. Chemigraph. Schule gut, ,,stets etwas vornehm". Mit 17 Jahren Kopfweh. Nach Strei t mit Kousine in Klinik. Sprieht dort franzSsisch und spanisch, erst auf Vorhalt deutsch. Das Kleingehirn jueke ihn, die Wirbelsaule wirft ihn im Bert 50 cm hoch. Entwirf t ein Drama, ~ seinem (illegitimen) Vater, einem Freiherrn, zeigen, was er kSnne. Seit 2 Jahren hSrt er St immen spreehen in fremden Sprachen, will in Paris Malerei studieren. Nach 5 Tagen entlassen. Ist dann in Paris bei Path~ frSres tatig, kommt wahrend des Krieges in eine Anstalt und mit 23 Jahren zurtick nach Mfinchen. Dort mehrfach als Falschmiinzer ver- halter. Will sich das Leben nehmen, fiberimpft sieh aber vorher Trippereiter, weft er als Gesunder zum Selbstmord zu schade ware. Mit 25 Jahren wieder in Anstalt. Affektvoll angebrachte Phrasen, Zwangsgedanken. Nach 11/2 Jahren entlassen. Mit 31 Jahren wieder aufgenommen. War inzwischen Chemigraph, l~eisender, erhielt 100 Mark ffir einen Roman, erfindet ,,unf/~lschbare Banknoten" (nicht patentiert), hSrt oft dureheinander sprechen. Bald wieder entlassen. M~eht Gediehte, fiber die ein Literaturprofessor einer Universit~t schreibt, er halte es ftir richtig, sich ffir sie einzusetzen und sie einem Verlage zu empfehlen. Der Kranke selbst maeht mi t 33 Jahren bei persSnhcher Exploration einen verst/~ndigen Ein- druck, gibt aber an, er habe immer noch T/~uschungen, hSre Stimmen, yon denen er sich oft nur schwer fiberzeugen kSnne, dal~ es T~uschungen seien, bisweilen erkenne er sie aueh sofort als T/~uschungen. Je tz t 35 Jahre alt.

Gruppe DA, Prob. 35. Zeichner. l~ealschule gut. I-ISrt seit dem 24. Jahre Stimmen. Mit 25 Jahren wegen Erregung und Nervosit~t aus SteUung entlassen. Seitdem zu I-Iause. In die Klinik mi t 29 Jahren. Schreibt viel und sehr verworren. Klagt fiber Nervenkraftentziehung. Meint, sein Onkel habe der Anstal t 10 000 Mark vermacht, ttSflich, zerfahren. Schreibt viele Aufs/~tze fiber Verbesserung der Staaten, das Verhalten der Menschen usw. Wassermann -42~ - + ~-. J e t z t 50 Jahre alt; unver/~ndert.

Gruppe B1, Prob. 881. l~echtsanwalt. Schule sehr gut, sehr eingebildet, studiert Jura, macht Gedichte. Seine um 30 Jahre Mtere Zimmerwirtin hofft ihn zu heiraten, nach LSsung des VerhMtnisses bedr/~ngt er sie immer wieder um Geld, auch als Rechtsanwalt noch. Darum mit 28 Jahren in die ~]inil~, zweeks Entmfindigung. Protestiert, aber stumpf, sei wegen politischer Grfinde da, stehe dem Thron Gottes n~ber als andere, will Bayern yon Hohenzollern befreien, bleibt in Anstalt. Bereits mit 30 Jahren vSllig verblSdet, unsauber mit Kot , schmiert Ko t auf sein Brot usw. Wortgefasel. Mit 46 Jahren unver~ndert.

Gruppe A gest., Prob. 689. Backer. Mit 27 Jahren will er zum Biirger- meister: E r sei der heilige Geist, sei ans Krenz geschlagen. In die Klinlk. Dort bald l~ppisch, affektlos, bald pathetiseh, sei der geseheiteste Mensch, allm~ehtig. Nach 1/2 Jahr plStzlich klar, gibt an, er habe Stimmen gehSrt und Visionen gehabt. Bald wieder erregt eingeliefert, sei yon Beginn der Welt da, habe alle Kitchen und v ide Brfieken bauen l~ssen, sei iYiartin Luther, er lebte sehon vor 1000 Jahren, dann woehenlang erregt und wieder ruhig, Nach 4 Jahren kSrperlieher Rfiekgang, Decubitus, s t i rbt an l:[erzl/~hmung mit 32 Jahren.

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286 Bruno Schulz :

5. Gruppe HK. Gruppe G, Prob. 78. Finanzassistent. Seit dem 16. J ah r nerv6s und ~ngstlich. Tri t t mit 23 Jahren als Einj~hriger ein. Kommt gleich am ersten Tage als Geisteskranker ins Lazarett . Tobt dort, h6rt Stimmen yon fiberall. Der Magensaft redet. L~flt mater sich, er sei verdammt, es sei ihm ]~rkenntnis- samen eingeimpft. Nach 6 Monaten gebessert entlassen. Seitdem gesund. J e t z t 41 Jahre, verheirateter Obersteuersekret~r 1.

Gruppe LD, Prob. 206. Techniker und Schriftsteller. Stets sehr verschlossen. Gutes Examen als Bauingenieur, will dann NationalSkonomie studieren. Mit 23 Jahren bleibt er viel zu Hause, liegt im Bett , wird immer gleichgfiltiger. Mit 26 Jahren hSrt er donnern und fliistern, schliei]t sich im Zimmer ein, n~13t ein. In die Klinik. Gedankenzwang, meint, die Wel t gehe unter. Nach 10 Tagen ent- lassen. Macht nach der Entlassung anfangs sogar Bergtouren. Wird dann erregt. Mit 30 Jahren wieder in die Klinik. VSllig stupor6s, dann gebessert, aquarelliert usw. Mit 31 Jahren entlassen. Seidem drauBen. J e t z t 42 Jahre alt, als Korre- spondent tatig, nennt sich aber willensschwach und reizbar.

Gruppe SD, Prob. 212. KSchin. Schule gut. Stets fiir sich, bigott. Meint mit 27 Jahren, ihr w~re das Maul verzogen, l~ppisch. Sei yore heiligen Geist be- schattet. Stumpf, stupor6s. M_it 28 Jahren in die Klinik. Stereotype Bewegungen, laeht erotiseh, mul3 gefiittert werden, hfipft umher, verworren. Nach 1/~ Jah r unver~ndert nach Itause, macht dort leichte Arbeiten, je tz t 45 Jahre alt, unver- ~ndert, klagt fiber Kopfweh und zunehmende Schwerh6rigkeit.

Gruppe R, Prob. 432. Kutscher. E twas beschrankt. Blieb auf der Schule zweimal sitzen. War immer ein Sonderling. War stets streitsiichtig. Mit 17 Jahren wegen eines solchen Streites in die Klinik, weint. I-Iatte vor kurzem Verkehr mit einem M~lchen, das ilm auslachte, t t6 r t darm St immen aus der Luft. H a t einmal einen hysterischen Anfall. Dann stupor6s. Nach 2 Jahren gebessert entlassen. Arbeitet in der Markthalle. Mit 23 Jahren pl6tzlich des Nachts wieder erregt im AnschluB an ein Liebeserlebnis. In die Klinik. L~ppisches Querulieren; nach 2 Jahren wieder entlassen. Lebt dann als Obsth~ndler. )/[it 31 Jahren wieder in die Klinik. War seit dem 28. Jahr verheiratet . Wird aufgenommen, weil er ohne jeden Grund w~hrend des Unterriehts in eine Schulklasse gegangen war. Nach einigen Tagen wieder entlassen und etwa 1 J a h r sparer wieder wegen Erregungs- zustandes aufgenommen. L~ppisch, faselig, stumpf, redet nur in Phrasen. Je tz t 34 Jahre alt.

Gruppe DA, Prob. 119. Kaufmannslehrling. Verz~rtelt, faul. Schlecht in Schule. Mit 18 Jahren meint er, man s~he ihm.naeh, sieht M~dchen in der Ecke stehen. In die Klinik. Stupor6s und explosiv, Flexibilitas cerea, Befehlsautomatie und Nega- tivismus, taktm~Biges Armschlagen, desorientiert, t~nzelt, schmiert mi t Kot, h~nselt Mitkranke. ])ann stumpf, bl6de, grimassiert, hfipfender Gang. Arbeitet in der G~rtnerei und im Holzhof, hSrt St immen. J e t z t 42 Jahre alt.

Gruppe B1, Prob. 106. Gymnasiast. Zun~chst o . B . Mit 16 Jahren auff~llig, macht Gedichte, stellt einen Stammbaum auf, meint, er sei Buddha. Verwirrt. In die Klinik. t t6 r t befehlende Stimmen, sehr erregt. Verbl6det, starke Manieren. Unrein mit Ko t nnd Urin, macht etwas Hausarbeit . Je tz t , 32 Jabre alt, unver~ndert.

Gruppe A ges t . Prob. 423. Rechtsanwaltstochter. Jiidin. Begabt. Viel krank, zart, sehr ehrgeizig, so z. B. nach dem Tod einer Kousine verstimmt, da sie eifersfichtig wegen der Totentrauer war. Mit 28 Jahren unglfickliche Liebe. Starke Abnahme an KSrpergewicht, starrer Blick, miBtrauisch gegen die Umgebnng, angebllch Kr~mpfe ohne BewuBtlosigkeit. In die Klinik. Dort heiter, weint abet auch dazwischen, motorisch erregt. ]=[abe abnorme Ideenverbindungen, schreibt viele Briefe. Sehr hochmtitig, schneidend sp6ttiseh zu den ~rzten. I-I~lt einen konsultierten Spezialarzt nur fiir dessen Maske. Nennt alles blaurote Kom6die.

1 Geschwister siehe S. 292.

Page 113: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 0,87

Gewaltt~tig. H f r t St immen aus der Heizung. Oft verworren. Stereotype mani- rierte Bewegungen, grimassiert vor dem Spiegel, Sondenffitterung, unsauber mi t Kot und Urin. VerblSdet immer mehr. Redeschwall. Macht Bockspriinge im Garten. Desorientiert. St i rbt mi t 35 Jahren an Lungenentztindung.

6. Gruppe PK. Gruppe G, Prob. 812. Maurer. Mit 30 Jahren Heirat . Seit- dem stets eifersfiehtig. Mit 32 Jahren stiller. E r babe vor 1/2 J a h r mit einer Witwe verkehrt (wohl Tatsache) und werde nun geholt und erschossen. In die Klinlb. Man habe seine erste Frau und Kinder ermordet. Seine Frau habe einen elektrisehen Giirtel an. HSre Stimmen. Steht steif neben dem Bert. Wird nach 3 Monaten gebessert entlassen. Seitdem ganz gesund, gesellig. J e t z t 55 Jah re al t 1.

Gruppe LD, Prob. 886. 0konomensohn. Mit 15 Jahren Hufschlag aufs linke Auge. Einige Zeit bewuBtlos. Gelenkrheumatismus beim Millti~r. Seit dem 28. J ah r meint er, die Leute sagen ihm was nach. Will mit 30 Jahren Rentenerhfhung fiir sein Rheuma. K a n n schlecht denken. Erregt, ffirchtet erschossen zu werden. In die Klinik. Sagt, er wolle nicht aufs Sehafott. Bei Blutentnahme tonischer KrampfanfalL Gehemmt, verzagt, l~ach 10 Monaten gebessert entlassen. Mit 32 Jahren (1915) ins Feld bis Kriegsende. Ffihrt seitdem die Wirtschaft. Heira t mit 45 Jahren. J e t z t 46 Jahre alt. Meint, er sei nicht geisteskrank gewesen, nur /~ngstlieh wegen seiner Sehwester, die ihn des Geldes wegen h~tte umbringen lassen wollen 2.

Gruppe SD, Prob. 179. Streekengehersffau. Frfiher fleiSig und ruhig. Mit 38 Jahren viel geweint, viel gebetet. Liest viel in einem religiSsen Bueh. Ffihlt sieh yon den Schwestern verfolgt, sieht eine feurige Hand. Naeh 8 Tagen in die Klinik. Antworte t langsam, aber sinngem~B, sie leide an Geistesumnachtung, habe Christus gesehen, der sie bet~ubt habe, sie sei verschwermfitigt, weil ihre Schwester fiber sie rede. Steif, geziert, Katalepsie, Echopraxie, Echolalie, hSre ihren lVIann drauBen. Axbeitet dann fleil~ig, unauff~llig, aber keine Krankheitseinsicht. Na~h etwa 6 Woehen entlassen. Lebt seitdem getrennt yore Mann, ganz ffir sieh, schreibt auf unsere Erkundigung hin einen ganz verschrobenen Brief. J e t z t 53 Jahre.

Gruppe R, Prob. 894. Sehlosser. Gut gelernt, stets aufgeregt. Besch~ftigt sich seit je mi t , ,Effindungen" (Perpetuum mobile), lVleint mit 38 Jahren, die Leute schimpfen fiber ihn. In die Klinik. HSrt flfistern, er habe ein SehlolL Stupor, eyanotische H~nde. VSllig zeffahren. Arbeitet daun fleil3ig. Naeh 11/2 Jahren entlassen. Arbei te t dann wieder, aber mfirriseh und grantig. M_it 46 Jahren wieder erregt. Wieder in die Klinik. HSrt Stimmen, sprieht faselig. Wird naeh einiger Zeit wieder entlassen, aber mi t 54 Jahren wieder aufgenommen. HSrt wieder SLim- men, sein Kopf mfisse runter usw. Tiefe Verbeugungen vor dem Arzt, eigensinnig, maniriert. Bald wieder entlassen. Stirbt mit 61 Jahren im Spiral, naehdem er mit 56 Jahren seine Bemfindigung beantragt hat, an Herzsehw~ehe.

Gruppe DA, Prob. 163. Kneeht. ~iit 30 Jahren liegt er in einem K_rankenhaus neben einem RaubmSrder , das bewegt ihn sehr, wird immer seltsamer, plStzlich ~ngstlich erregt. Meint, er habe Kugeln im Leib. In die Klinik. Naeh 2 Monaten entlassen. Seitdem stets streitsiichtig, wenn aueh sonst ganz lustig. Mit 39 Jahren wieder plStzlich verwirrt , meint, er kSnue eine reiche Wirts toehter heiraten. In die Klinik. R u / t : , ,Ich will auf den Scheiterhaufen", , ,Brudermord"; h6re Stimmen. Er sei vor 3 Woehen bet~ubt gewesem Ratlos. Im Bad Bewegungen wie bei Delir. /qach 14 Tagen vSllig frei, erinnere sieh durchaus an den Zustand. Naeh 3 Woehen entla~sen. Mit 42 Jahren wieder aufgenommen. Ha t t e inzwischen nieht gearbeitet. Intell igenz gut erhalten, meint, er sei verwandt mit den Wittelsbachern. l~iffig, fiberlegen. Gibt sieh heldenhaft, selbstbewuBt, bisweilen auch geheimnis- voll. Axbeitet im Holzstall. E r sei ein KSnig. Wixd bisweilen beurlaubt. J e t z t 58 Jahre alt.

1 Siehe S. 246. 2 Vgl. S. 289, FuBnote.

Page 114: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

288 Bruno Schulz:

Gruppe BI, Prob. 452. Holzwarenmacher. Starke Kyphoskoliose, die Rippen- bogen der einen Seite stehen ganz im Becken. Sch~del asymmetrisch. In der Schule gut gelernt. I)anach Bauernknecht, seit mehreren Jahren Holzwarenmacher. Stets solide und fleiBig. ~r 26 Jahren ziemlich pl6tzlich gewaltt~tig, il3t nicht, spuekt. In die Klinik. Kniet auf den Boden oder w~lzt sich umher, starrer Blick, bald steif, bald l~13t er sich schlapp umsinken. ] )ann bald stumpf, bald schreit er, singt und betet, ruft iterierend: ,,Schneid se, breit se !" Verbl6det dann mehr und mehr. Zerreil]tW~sche, lacht albern, grimassiert, spuckt. H a t Kot in seinenTaschen. Salbt Kopf und K6rper mit Kot und Urin. Binder sich mi t zerrissener W~sche die Taille eng zusammen, damit die bSsen Geister nicht in seinen Leib kSnnen. Mit 42 Jahren unver~ndert. Sprachverwirrt oder mutazistisch.

Gruppe A gest., Prob. 676. Ausgeher. ~Y[it 45 Jahren in die Anstalt. Sei unkeuseh gewesen. Man habe fiber ihn gesprochen, gewaltt~tig. Stupor, Sonden- ffitterung. / )ann mit Krankheitseinsicht nach 5 Wochen entlassen. Arbeitet nach der Entlasstmg nicht mehr, lebt stumpf dahin, kommt je tz t mit 48 Jahren wieder in die Klinil~. Sei das Opfer eines Komplotts . Die Verwandten bezauberten ihn in bSse Geister. Er riecht, dab er modert. ]:)ann unver~ndert nach Hause. Wird mi t 55 Jahren wieder aufgenommen, kataleptisch, unfrei, affektierter Gang. Wird nach 1 !VIonat entlassen und stirbt 1/2 J a h r sp~ter an Gehirnschlag.

7. Gruppe M. Gruppe G, Prob. 494. Kellner. Schule gut, rege. Alkohol- intolerant. Mit 26 Jahren verlobt er sieh in England. K o m m t zuriick, glaubt nun, er werde yon einem OberkeUner verfolgt, werde erschossen. In die Klinil~. HSrt Stimmen, alles sei so komisch, er werde beein/lul3t, h6re die Stimme der Braut aus England. Spricht ruhig fiber seine ~rankhe i t , fragt, ob es Dementia praecox sei. Wird nach 41/2 Jahren gebessert entlassen. Seitdem ganz gesund. Stets be- rufst~tig. Je tz t 43 Jahre alt.

Gruppe LD, Prob. 161. Maurer. Sehr furchtsam. In der Schule einmal sitzen- geblieben, fleil3ig, solide. Beschaftigt sich seit dem 17. gahr mit Effindungen. Mit 19 Jahren in die Klinik. Alles sei anders, er habe K_riegsalmung (Mai 1911). Zeichnet Effindungen auf (die nur aus einem Strieh bestehen). Habe Reise durch die Welt gemacht. Erregt. Stereotype Bewegungen. Sitzt b16de da. Nach 3 ~r un- geheilt entlassen. Seitdem drauBen. Seit dem 29. J a h r verheiratet. Je tz t 36 Jahre alt. Schreibt auf unsere Anfrage einen vol lkommen verschrobenen Brief, in dem er mitteilt , dal3 seine Krankheit damals keine Einbfldung, sondern eine prophetische zukfinftige Vision gewesen sei. Glaubt aueh jetzt, dab die Zeit kommt, wo alles offenbar werden wird usw.

Gruppe SD, Prob. 312. Seller. In der Schule gut, aber sonst nie so, wie er sein sollte. War launisch, wurde auch veto Milit~r deswegen entlassen. Als er 16 Jahre alt war, wurde bei ihm eine gemeine Zeichnung entdeckt, u n d e r deswegen geh~nselt. Seitdem ver~ndert. Mit 27 Jahren tr~gt er aus Angst einen Revolver bei sich. Mit 40 Jahren meint er, er sei verdammt. Wird gewaltt~tig. In die Klinik. Sehe Erscheinungen, ffihre Kampf mit dem Teufel, stuporSs, ha t Zuckungen der Extremi- t~ten, betet viel. Nach 5 Monaten gebessert entlassen. Mit 45 Jahren wieder auf- genommen. Ha t in der Zwischenzeit nur wenig gearbeitet, jetzt wieder ~ngstlich. t tSr t den heiligen Geist, stupor6s, bisweilen explosiv, h~,lt den Arzt ffir Christus. Verziickte Visionen, liest Bficher, arbeitet fleil~ig, wenn er nicht im Stupor ist, ~ul3ert verschrobene Ideen, die Anstalt soll eine Kaserne werden usw. ; botanisiert dann, best immt Pflanzen. Mit 60 Jahren yore Bruder abgeholt, arbeitet dort seitdem in der Landwirtschaft. Sehr belesen, sehr gutes Ged~chtnis. Nach wie vor bisweilen erregt und verwirrt. J e t z t 67 Jahre alt.

Gruppe R, Prob. 748. Kellnerin. In der Schule gut. Als Kind Kniegelenks- tuberkulose, l~[eint mit 20 Jahren, in dem Restaurant , in dem sie bedient, sei ein Komplot t gegen sie. Zerfahren. In die Klinik. Schon auf ihrer friiheren Stelle habe eine Frau mit ihr fiber Planeten gesprochen, je tz t h6re sie Stimmen im ganzen

Page 115: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Sehizophrenie. 289

KSrper, das sei das Gewissen. Bald freundlieh, bald angstlieh motorisch erregt. Sei erst hier in der Klinik aus der Hypnose gel5st. L~chelt geheimnisvoll, sie sei noeh in Hypnose. Erotisch, heiter, zerfahren. Sonderbare Haltungen, Explosiv- handlungen, Lach- und Weinausbrtiche. Bisweilen mutazistisch. Wird nach 3 Monaten gebessert entlassen. Dann vSllig gesund, heiratet mi t 25 Jahren. Mit 29 Jahren wieder in die Klinik. Erregt und verwirrt. Nach einigen Woehen ent- lessen. Wieder aufgenommen mit 33 Jahren, sprieht wirr durcheinander, lacht, grimassiert, sie sei lebend geworden, hSre Stimmen, l~ppiseh affektleer, grimassiert stark, sehr zerf~hren, tobt, sch~gt urn sich, ideenfliiehtiges I~eden, schreit sinnlos, laeht dazwischen, erotisch, verkennt die Umgebung. Mit 37 Jahren noch der gleiche Zustand.

Gruppe DA, Prob. 17. Bezirksarzttochter. Klavierlehrerinnenexamen mit Aus- zeiehnung. Bis zum 15. J a h r unauffallig, dann miBtrauisch, anspruchsvoll. Mit 22 Jahren bezieht sie alles auf sich, glaubt sich verfolgt, meint, ein Konzert- meister wolle sie heiraten, telefoniert an ihn, sieht dann stundenlang auf einen Fleck. In die Klinik. Man habe sie sonderbar angesehen, sueht zu besehSnigen, sagt dann aber zum Arzt : , ,Ich will Ihr braves treues Weib werden." Meint, jedes- real wenn sie unwohl sei, passiere ein Ungliick (Zeppelin sei verbrannt, Hoehbahn- ungltick in Berlin usw.), daher wolle sie heiraten, sonst solle man sie t6ten. Schreibt telegraphisch Heiratsantrage. Meint lachend, es sei Gift im Essen, spielt gut Klavier, meint, ihre Hand werde faul, sie habe ein Kind im Leib, sehmiert mit Kot und Urin. Glaubt sich ve to Arzt sexuell verfolgt. StuporSs, Wortneubildungen, aus der Mauer kommen Teufel, dann meist stumpf, bisweilen erregt. J e t z t 40 Jahre alt.

Gruppe B1, Prob. 408. Diener. Friiher o .B . Stets gesund. Mit 20 Jahren beim Milit~r Hufschlag ins Kreuz, ist 5 Min. bewul]tlos und 14 Tage revierkrank, kann sieh seitdem nicht biicken. Mit 21 Jahren 9 Monate in einer Anstalt . Versueht w~hrend dieser Zeit ein 8j~hriges M~dchen zu vergewaltigen. Sucht sich heraus- zureden. Wird entlassen. Mit 23 Jahren wird e'r unruhig, il]t nieht, singt, pfefft. In die Klinik. Trotzig, grob, meint, der Kranke neben ihm sei sein Vater, lacht und grunzt, sehmiert mi t Kot , briillt, halt Mitkranke und ~_rzte fiir ausl~ndisehe Ftirsten, er sei der KSnig von Siam, lappisch heiter, wird nach 9 Monaten fiir 1 J ah r entlassen, dann wieder eingeliefert, da man ihn (1915) als vermeintlichen Spion verhaftet hatte. Schmiert mit Kot, pl6tzllch gewattt~tig, zerreil~t Sachen, ver- worren stumpf im Holzhof. J e t z t 37 Jahre alt.

Gruppe S, Prob. 900. Diener. Lernt in der Sehule schwer, war aber sonst lustig bis zum 14. Jahre. Wurde dann erregt. Infizierte sich mi t 16 Jahren mi t Lues. Meint bald darauf, die Leute wtiI~ten seine Gedanken. Mit 25 Jahren wegen Erregungszustandes in die Klinik, war schon die letzten Jahre versehlossen, habe in einem Restaurant in einem Spiegel den Herrn gesehen, meint, er sei hypnotisiert und dutch Apparate beeinfluBt. Dann Wechsel zwischen st~rkstem Stupor und Gewaltt~tigkeit, sp~ter h6flieh still, rut aber weiterhin geheimnisvoll. Bessert sich allmahlieh, gibt genauen Krankheitsbericht. Kommt mit 26 Jahren in Pflege und erschieBt sich dort nach 4 Wochen.

8. Einige der 55 nach vorherigem Kop/trauma erkrankten Probanden 1. Gruppe K, B1, Prob. 347. Kneeht . Friiher o .B . Mit 25 Jahren, einige Zeit nachdem er auf den barren Tennenboden gefallen war, glaubt er sich verfolgt, h6rt Stimmen. In die Klinik. Schreit : , ,Ich werde gekSpft" u n d dgl. Weehsel zwischen Stupor und Erregung. Nach 6 Wochen entlassen. Mit 26 Jahren wieder aufgenommen, dann mit kurzen Unterbrechungen dauernd in Anstal t , verbl6det deft. J e t z t 42 Jahre alt.

Gruppe K, A gest., Prob. 483. Schmiedgeselle. Schule gut, stets o .B . Mit 18 Jahren drtickt ihm ein Pferd den Kopf an die Wand. Danaeh verwirrt. Will

1 Hierzu geh6rt auch Prebend 886, S. 287.

z. f. 4. g. Neur. u. Psych. 143. 19

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290 Bruno Schulz :

ins Kloster, s ieht den b6sen Feind. L~uft zum Pfarrer . In die Klinik. E r ist in der H6lle, Go t t g ib t ihm Auftr/~ge, er s ieht das j i ingste Gericht. Starker S tupor mi t Schwitzen und Schnauzkrampf. S tunden langes Schreien. Bisweilen erregt, schmier t mi t Kot . S t i rb t mi t 21 J a h r e n a n Tuberkulose.

Gruppe PH, SD, Prob. 135. Malergehilfe. Schule sehleeht, viel onaniert . Mit 29 J a h r e n f/~llt ihm ein Ktibel auf den Kopf, d a n a c h /~ngstlich, in tolerant gegen Alkohol, s tarker Trinker. Mit 30 J a h r e n in Ans ta l t . Gendarmen sagten, er habe ein M/~dchen verf t ihr t (faktisch hie Verkehr gehabt) . H 6 r t S t immen aus der Wand, will Damenkleider, wickelt sein Glled ein, sehre ib t Eingaben. Nach 1 J a h r ent- lassen. Zuni~chst ordentlich, dann wieder eingeliefert, vielfach in Anstal ten, auch e inmal 8 Jah re draul3en. Mit 45 J a h r e n zule tz t aufgenommen. Recht konfuser Faselhans. Besonders nach BiergenuB stets reizbar.

Gruppe HK, SD, Prob. 619. Mii tzenmaeherlehrl ing. Als Kind Fraisen. In der Schule zweimal sitzengeblieben, fiir sich. I n der Lehre gut. Mit 17 J a h r e n naeh Fa l l auf den Hinterkopf in ein Sanator ium, da sein Gedaehtnis nachlieB. Danaeh gebessert. Mit 18 J a h r e n sehimpft er auf die El tern , arbei te t n icht mehr. Nach 1 J a h r in die Klinik. Gespannt , steif, hSr t S t immen, sah Engel, s t eh t mani r ie r t umher, Sehnauzkrampf, s tumpf, n a c h 1/2 J a h r entlassen. Mit 20 J a h r e n wieder for einige Monate in der Anstal t . Sei tdem zu Hause, arbeitsunfahig, spr ieht vo r sieh bin, v611ig stumpf. J e t z t 38 J a h r e alt.

Gruppe HK, A gest., P rob . 61. Bauernsohn. Sehule gut, immer fidel. Bekommt mi t 28 J a h r e a einen Hufschlag, sei tdem Kopfweh. Mit 30 Jahren/~ngs t l ich erregt, d roh t mi t Revolver. In die Klinik. HSr t S t immen, me in t er sei faulig, da er faule Sehweinslunge gegessen habe. Naeh 2 Mona ten etwas gebessert entlassen, muB aber m i t 32 J a h r e n im Stupor wieder au fgenommen werden. H6rt St immen, Wechsel zwischen Explos ivhandlungen und Stupor, s t i rb t mi t 38 J a h r e n an Tuber- kulose.

Gruppe PK, SD, Prob. 573. KSchin. Als K i n d elend, in der Schule mittel , im Rechnen sehlecht. Mit 24 J a h r e n zwei Ohnmachtsanf/~lle. Mit 26 J a h r e n wird sie i iberfahren, f~llt auf den Kopf, ist bewuBtlos und 8 Tage lang schlaflos und fiebernd. HSr t St immen, auch Herrgot ts t immen, meint , m a n habe sie vergiften wollen. I n die Klinik. HSrte : ,,Das Fraulein ist hys ter i sch ." Es war, als ob sie elektrisiert sei. N e n n t dann alles Schmarrn, meint d a n n aber doch wieder, sie sei nach ts yon einer schwarzen Hand am Halse gepackt . Wi rd nach 1 Monat nach Hause entlassen. Wird mi t 32 J a h r e n wieder aufgenommen, aber bald wieder entlassen. Leb t sei tdem zu Hause, in der Landwir t schaf t t~tig, yon Zeit zu Zeit aufgeregt, dann ganz verwirrt . J e t z t 50 Jahre alt.

Gruppe K, B1, Prob. 407 1. Bauernsohn. Fr i ihe r gesund. Mit 21 J a h r e n beim Miht~r ver le tz t durch Hufschlag. z/2 S tunde bewul3tlos. Nach 14 Tagen wieder im Dienst , wird aber allm~hlich auff/ilhger. H a t - - nach Angabe des Bruders -- epileptiforme Anfalle. Mit 24 J a h r e n in die Klinik. Stumpf, unbeholfen, seheu, reizbar, an twor te t kaum, fehlende Mimik. Arbe i t e t d a n n still vor sich bin, meist sehwachsinnig heifer, bisweilen explosiv, gewal t ta t ig . Grimassiert . B16de. S t i rb t m i t 37 J a h r e n an Tuberkulose.

Gruppe K, 1%, Prob. 160 1. Arbeiter. E l t e rn b lu tsverwandt . Schadel klein, S t rab ismus divergens. Schule schlecht, faul, bockbeinig. Mit 17 J a h r e n nach Huf- sehlag vor die St i rn kurze Zeit bewul3tlos. Mi t 23 J a h r e n Erregungszustand, well sein Bruder ihn , ,spinnet" nannte . I n die Klinik. Unre in mit Kot . Wechsel t zwisehen Erregung und s tumpfem Verhal ten. Nach 3 Wochen gebessert entlassen. Mit 39 J a h r e n wieder aufgenommen. Weint , schreit , will Weltreisen maehen, bald entlassen. Mit 41 J a h r e n wieder wegen /~hnlichen Zus tandes aufgenommen, kata-

1 Sehizophreniezugeh6rigkeit nachtr/~glich angezweifelt (siehe S. 272). Ge- sehwister zu Prob. 407 siehe S. 293.

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Zur Erbpathologie der Sehizophrenie. 291

leptisch, chorea/ihnliehe Bewegungen. Einm~l aueh epfleptiforme Anfalle. Wird smmpfer, stuporSs, bisweilen auch eigenartige Rumpfbewegungen. Gibt Auskunft fiber die Vorgesehichte. Stirbt mit 44 Jahren an Herzschw~ehe.

9. Einige der ohne Kenntnis etwaiger Belastung allein wegen unsicherer Diagnose ausgesonderten 42 Probanden. Gruppe H, G, Prob. 484. Malergehilfe. Spat Laufen gelernt. In der Schule der Beste und aueh sonst unauff~llig. Mit 21 Jahren unklarer Brief an die Geliebte, die wenig yon ihm wissen will. Zank mit Meister, h6rt dann naehts seinen Namen rufen, kommt auf Rat eines anderen Gehilfen in die Anst~lt. Seine Siinden drtieken ihn, meint, er masse vielleieht sterben, laeht sehr. Wenig Affekt, katalept.iseh, sieht den Ernst seiner Lage nieht ein. Steifes Wesen, hypo- ehondrisehe Klagen. Naeh 2 Tagen entlassen. Seitdem gesund, jetzt mit 39 Jahren, Finanzsekret~r, gliicklieh verheiratet mit seiner damaligen Geliebten, sehiebt die Ssmhe yon damals auf Erregung wegen Verhaltens seiner damaligen Geliebten und Streit mit dem Meister. Erscheint durchaus gesund, wenn auch reeht weieh und empfindsam. (Reaktive Erregungl.)

Gruppe H, SD, Prob. 872. Dienstm~dchen. Viel krank, mit 3 Jahren am Hinter- kopf iiberfahren. Stets sehwaehsinnig, blieb in der Sehule sitzen. Mit 21 Jahren wegen Kropf ins Krankenhaus, yon dort in Anstalt. Dort albern, ,,hier gef~llt es mir", sagt jes start ja, schimpft auf Verwandtscl~ft. Der Arzt sei ihr Gott. Naeh 1 Monat entlassen. Seitdem fleiBig zu Hause, aber auff~llig und nervSs. Stirbt dort mit 37 Jahren an Tuberkulose. (Sehwachsinn.)

Gruppe K, G, Prob. 13. Bankbeamtenfrau. Vor der Verheiratung ein Verhaltnis gelSst. Mann deswegen eifersiichtig, sie litt darunter. Mit 22 Jahren, wahrend der Schwangerschaft, oft deprimiert. Am 12. Tage naeh der Entbindung pl6tzlieh Weinkr~mpfe, h6rt yon allen Seiten Stimmen, Visionen, Personenverkennung, traumhafte, starre, stereotype Bewegungen. Ffir 7 Monate in Anstalt. Seitdem stets gesund. Mit 24 Jahren zweite Entbindung o.B. Als sie 26 gahre alt war, starb ihr Mann. Seitdem Haushalterin. Jetzt 41 Jahre alt. (Amentia.)

GruppeK, LD, Prob. 219. 0konom. Mit 18 Jahren Gehirnersehfitterung. 10 Tage krank. Mit 20 Jahren zum Militar. Dort naeh 8 Tagen an Schwindel erkrankt. Mit 21 gahren Krampfanf~lle. Verstimmungszust~nde. In die Klinik. Dort unrein, versueht zu beiBen, Weehsel zwischen Erregung und Stupor. Naeh 2 gahren gebessert, aber stumpf entlassen. Seitdem zu Hause. Gesund, abet Kopf- weh, sehlechter Schlaf. Heiratet mit 30 Jahren. Bei Geseh~ften auf Hilfe der Frau angewiesen. Jetzt 40 Jahre alt. (Epilepsie.)

Gruppe K, R, Prob. 744. Apothekersfrau. Jfidin. Geistig begabt, gesellig, beliebt. Mit 27 Jahren plStzlich tobsiiehtig. Grimassiert. Wortsalat. Sonden- ftitterung. Sehimpft gemein. Unrein mit Kot und Urin, danaeh geziert. Ab- lehnend, zerreiBt Saehen, oft gewalttatig. Naeh 1 Jahr ungeheilt entlassen. Naeh einiger Zeit v611ig gesund. Hilft dem Mann in der Apotheke. Mit 40 gahren in manischem Zustande Ehebruch. Mit 41 und 43 Jahren wieder ffir kurze Zeit in Anstalt. Diagnose derAnstalt: Manisch-depressives Irresein. 44j~hrig wieder gesund. (Maniseh-depressives Irresein.)

Gruppe P, LD, Prob. 413. 0konom. Seit je reizbar und jahzornig. In der Sehule gut. Im Alter von 20--30 Jahren zweimal wegen Raufens mit 6 bzw. 3 Monaten Gefangnis bestraft. Soll seit je starker Trinker gewesen sein, wenn auch mehr naeh Art der Quartalssaufer. Mit 37 Jahren in die Klinik, naehdem or 3 Monate vorher m6glicherweise Hirnhautentziindung gehabt hatte, war er jetzt eiferstiehtig auf die Knechte geworden, meinte, seine 8 Kinder stammten nieht yon ihm. In der Klinik gewaltt/~tig, verkennt Personen, mi~trauiseh, pfiffig, bisweilen aueh pl6tzlieh ver- worren und erregt. Allmahlich ruhiger, wird naeh etwa 3 Monaten gebessert ent- lassen. Mit 40 Jahren wieder aufgenommen, hatte wieder viel getrunken bei

1 Siehe S. 203.

19"

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292 Bruno Sehulz :

Gelegenheit einer Hochzeit und war gewaltt/~tig geworden. Personenverkennung. 1V[eint, seine Frau habe ihn zu Hause t6ten wollen, habe sehon das Messer gesch/~rft, sieht Leute am Fenster, verkennt die Personen. l~ach 8 Monaten gebessert entlassen. Halluziniert aber bei Entlassung nach wie vor. Seitdem zu Hause angeblieh gesund, doch nur ungenaue Angaben. Je tz t 56 Jahre alt. (Alkoholhalluzinose.)

Gruppe PK, G, Prob. 322. Arbeitersfrau. Stets o . B . 1V[it 30 Jahren Arbeit in Vulkanisieranstalt. Nach 14t/~giger Arbeit verwirrt , glaubt sieh veffolgt. Wird aufgegriffen, da sie ratlos immer nur , 2 3 " sagt. In die Klinik. Im Bad verwirrt, Schaukelbewegungen, h6rt Sarg nageln, sie sei Kaiser und K6nig. Nach 2 Woehen schlagartig wieder klar, wird entlassen. Lebt dann noch 3 ~ o n a t e auf dem Lande. Seitdem v611ig gesund, volle Erinnerung. Die Sache sei damals Schmarrn gewesen und wohl durch Ersch6pfung entstanden. Fi ihr t Kolonialwarenhandlung. Heiter, lustig, behagliehe Person. Je tz t 47 Jahre alt. (Hysterie 1.)

B. Schizophrene Probandengeschwister. 1. Einige der 131 ,,sicheren" Schizophrenien. (Zu Prob. 78; angefiihrt S. 286) 2.

Prob. Bruder. Knecht . Mit 17 Jahren kurze Zeit zu Hause tobsiichtig erregt; dann Besserung. i~Iit 23 Jahren Verfolgungsideen. HSrt Stimmen, meint, er werde elektrisiert. Glaubt 1V[enschenfleisch zu essen. In die Klinik. Anfangs erregt, dann einsilbig, gehemmt. Meint, er solle verbrarmt werden. Allm/ihliche Besserung. Nach 7 Monaten entlassen. Heiratet mi t 26 Jahren. Seitdem unauff~Uig als Land- wirt t/~tig. J e t z t 44 Jahre alt. (Gruppe K, G.)

(Zu Prob. 60; Gruppe HK, G; nicht angefiihrt. 2) Prob. Schwester. Haush/~lterin. Schwer gelernt, aber fleiBig. Aueh Laufen erst mi t 4 Jahren gelernt. Sonst ge- sund. Stets/ingstl ieh und sehr sittsam. 1Vfit 23 Jahren, als sie im Chor sang, glaubt sie aus dem Klang ihrer Stimme zu hSren, dab sie schwanger sei. Meint aber auch, der Teufel flfistere ihr etwas zu. In die Klinik. Verst6rt, meint, sie wisse gar nicht, wie das alles gekommen sei. Liegt still da. Riecht hSllischen Dunst und Pferde- mist. Viele Stimmen. Bessert sich allm/~hlieh. Wird nach 4 Monaten entlassen. Seit- dem vSllig gesund. J e t z t 53 Jahre alt. (Gruppe HK, G.)

(Zu Prob. 134, angeftihrt S. 282.) Prob. Schwester. Kaufmannstochter. Mit 16 Jahren stSrrisch, schweigsam, weint oft, ffihlt sich beobachtet. Mit 17 Jahren naeh kSrperlieher Anstrengung und seeliseher Aufregung schlaflos. Spricht verwirrt. In die Klinik. Auch bier angstlieh erregt. Naeh 4 Wochen gebessert entlassen. Mit 18 Jahren wieder aufgenommen, da sie unsinnige Eink/~ufe machte, viel ero- tisches Zeug redete . Erotisch zudringlich, teils aueh /~ngstlich gereizt und gewalt- t/~tig. Wird naeh 11/2 Jahren gebessert entlassen. Lebt seitdem zu Hause. L/~Bt sich noch soeben lenken, macht etwas Handarbeiten. Bei Regel bisweilen Erregungs- zustande, mu] dann Spritzen erhalten. J e t z t 29 Jahre alt. (GruppeH, SD.)

(Zu Prob. 134, angeftihrt S. 282.) Prob. Schwester. Kaufmannstochter. Friiher still, ruhig, las viel. Mit 27 Jahren Beziehungen zu einem Maler. Mit 30 Jahren sehr erregt, verl ie] das Haus. Fiihlte sich unverstanden. In die Klinik. Grimassiert, weitsehweifig, zerfahren. Erhebt dauernd Vorwtirfe gegen die Eltern, doch ist keine klare Auskunft zu erhalten. Nach 1 iV[onat gebessert entlassen. Mit 34 Jahren wieder aufgenommen. Ha t te inzwischen mi t vielen 1V[/~nnern herum- zigeunert. Je tz t vor 10 Tagen yon einem toten Knaben entbunden. Ihr letztes Verhaltnis war ein Kunstpfeifer, ftir den sie in den Wirtsehaften einsammelte. Wieder zerfahrene Reden. Unbeholfen, beinahe verworren. Wird nach 21V[onaten ent- lassen. Ftihrt seitdem wieder das gleiehe Leben. J e t z t 36 Jahre alt. (Gruppe H, S D.)

(Zu Prob. 786, angefiihrt S. 281.) Prob. Bruder. Gymnasiast. Gem allein, gut begabt, sehr fleiBig. Las sehr viel. Seit dem 15. J a h r reizbar. Mit 16 Jahren Angst- geffihl. Sieht den Teufel, singt religi5se Lieder. In die Klinik. Grimassiert, verdreht

1 Siehe S. 203. 2 Siehe S. 228.

Page 119: Zur Erbpathologie der Schizophrenie

Zur Erbpathologie der Schizophrenie. 298

die Augen. Ruft anfangs nur: ha, he, hu. Wird zwischendurch etwas zug~tnglicher, dann abet bald ganz verwirrt. Uriniert sich ins Gesicht, dann wieder besser. Treibt Stenographie, Franz~sisch. Spielt Violine. ])ann wieder verwirrt, sehmiert mit Kot, balluziniert, wi~lzt sich am Boden. Maeht Bockspriinge. Dann Wechsel zwischen katatoner Erregung und Stupor. Schli~gt Purzelbitume, laeht. Stiehlt Essen. Stirbt mit 39 Jahren an ErschSpfung. (Gruppe K, B1.)

(Zu Prob. 680, angeffihrt S. 282.) Prob. Schwester. Schauspielersfrau. Gesund, heiter, etwas ,,bullrig". Mit 26 Jahren Heirat. Der Mann war untreu und bruta l Die Ehe wurde nach 6 Jahren gesehieden. Mit 37 Jahren leiht sie dem gesehiedenen Mann Geld, vielleieht darfiber erregt und fiber ein eigenes Halsleiden. Glaubt sieh hypnotisiert, dann verwirrt. In die Klinik. Affektiert, sonst liebenswfirdig. HSre Stimmen. Ffihlt sich vom Arzt sexuell beli~stigt. Besehimpft ihn. ]:)ann wieder vergnfigt. ~berhaupt bald schmelzend, bald hochfahrend. Unrein mit Kot, rutscht auf dem Boden nmher. Habe telephonische Verbindung mit der l~atur. Stehe unter elektrisehem EinfluB. Oft aggressiv gegen bestimmte Mitkranke. L~uft nack~ umher. Dann meist heiter verworren. Nennt sich Adelheid van Beethoven. Stirbt mit 46 Jahren. (Gruppe PK, A gest.)

(Zu Prob. 407, angeffihrt S. 290 z.) Prob. Schwester. Kfichenmagd. Frfiher o. B. Mit 24 Jahren Kopfweh, Ausschlag. Bezieht auf sich. Sieht drauflen Leute, Ver- folgungsideen. In die Klinik. Stumpf, bl6de, steif. Steht dauernd auf einem Fleck. Sagt immer nur: ,,I m6cht' naus." Antwortet dann z6gernd, sie babe Stimmen geh6rt, die ihr Vorwfirfe maehen. Lacht bl6de. Wird naeh 3 Jahren un- geheilt entlassen. Lebt dann wieder angeblich gesund als Kfichenmagd. Jetzt 47 Jahre alt. (Gruppe HK, G.)

2. Einige der 32 ,,unsicheren" Schizophrenien. (Zu Prob. 771, Gruppe M, SD; nieht angeffihrt.) Prob. Bruder. ttofratssohn. Studierte Philosophie, dann im Krieg. Seitdem in einem Kloster in der G/~rtnerei beschKftigt ,,wegen seiner Nerven". Hat schwer gelernt nnd deshalb aufgehSrt zu studieren. Gilt in der FamiNe als geistes- krank. Bisher kein Erregungszustand, sondern ,,mehr im Ged~chtnis". Man ist froh, dal3 man ilm untergebracht hat. Jetzt 38 Jahre alt.

(Zu Prob. 763, Gruppe K, gest.; nieht angeffihrt.) Prob. Schwester. Zimmer- m~dehen. Sehr lebhaft und aufgeweckt. Mit 21 Jahren schlaflos, weint, meint, sie sei hypnotisiert. In die Klinik. ~ngstlich, Beziehungsideen. Meint, sie werde heilig. Weehselt dann dauernd zwischen depressivem und manischem Stadium. Meint, ihre Ahnungen tr/~fen ein. Nach 1 Monat gebessert entlassen. Seitdem nicht wieder erkrankt, aber auch nicht ganz gesund. Stumpf und gleichgfiltig, bigott,/~ngstlich, menschenscheu und wortkarg. Lebt aber als tIaush~lterin draul3en. Jetzt 46 Jahre alt.

(Zu Prob. 343, Gruppe~, DA; nieht angefiihrt.) Prob. Schwester. Gfitlers- toehter. Seit je sehwachsinnig, gebrechlichund eigensirmig. Seit dem 25. Jahre immer st~rkerer geistiger Riickgang. Hat nie in Dienst gehen kSnnen. Mit 35 Jahren in An- stalt. B15de, wirres Gefasel. Reehts Klumpful3. Vegetiert dahin. Manieren, schimpft, anscheinend fiber Sinnest~uschungen. Grimassiert. Verharrt oft viertelstundenlang in der gleichen Stellung. Strickt, leistet abet gar nichts. Jetzt 57 Jahre alt.

(Zu Prob. 329, Gruppe PK, DA; nicht angeffihrt.) Prob. Sehwester. Bildhauers- ehefrau. Hat sich mit 30 Jahren ertr~nkt. Litt lange Zeit an Verfolgungswahn. Steckte den Kopf in einen Wasserzuber; bis die Angehfrigen dazu kamen, war sie bereits tot.

(Zu Prob. 329, Gruppe PK, DA; nieht angeffihrt.) Prob. Schwester. Baders- tochter. Stets o.B. Mit 20 Jahren IAebschaften. Bald danaeh erregt, da der eine Liebhaber sic aus Eifersueht erschiel3en wollte. Furchtsam, verkennt Personen. In die ~linil~. Erotisch. Motorisch erregt. Aggressiv. Schmiert. Ideenflfichtig. Wird nach 2 Monaten ungeheflt entlassen. Heiratet etwa 1 Jahr sp/~ter einen Sattler- meister. Jetzt 64 Jahre alt. Hat 7 gesunde Kinder.

z Siehe S. 272.