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Aus dem Max-Planck-Institut fur Tierzucht und Tierernahrung MarienseelTrenthorst Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. M. Witt und dem Institut fur Milchhygiene der Bundesanstalt fur Milchforschung in Kiel Direktor: Prof. Dr. A. Tolle Zur Frage der Unabhangigkeit der Euterviertel im Mas titisgeschehen Von D. FLOCK und H. ZEIDLER Eingang des Ms. 3. 10. 1968 Einleitung Im Kahmen der Mastitisbekzmpfung ist die Frage von Bedeutung, ob sich die einzelnen Euterviertel einer Kuh im Krankheitsgeschehen weitgehend indi- viduell verhalten oder ob die gleichzeitige Erkrankung mehrerer Viertel eines Tieres gehauft auftritt. Anatomisch und physiologisch bildet jedes Euterviertel eine weitgehend unabhangige Einheit; es ist jedoch zu erwarten, dai3 genetische und umweltbedingte Einfliisse in der Verteilung der Anzahl erltrankter Viertel je Kuh ihren Ausdruck finden. Die Erfolgsaussichten einer systematischen Mastitis- bekampfung hangen wesentlich davon ab, in welchem Ma& in Abweichung von der zufalligen Verteilung gehauft gleichsinnige Befunde an mehreren Euter- vierteln eines Tieres auftreten. Zu diesem Fragenkomplex sol1 die Nullhypothese der Unabhangigkeit der Euterviertel an einer groi3eren Stichprobe von Kuhen gepruft werden. Material und Methodik Fur die Berechnungen standen Untersuchungsbefunde aus 29 388 Viertel- gemelksproben von 7 347 schwarzbunten Kuhen aus 352 Betrieben in Nord- deutschland zur Verfugung. Die Milchproben wurden im Zeitrauin 1966 bis 1968 entnoinmen und im Institut fur Milchhygiene in Kiel zytologisch-bakteriologisch untersucht. Die Bestimmung des Zellgehaltes als quantitatives Kriterium fur den Gc- sundheitszustand der Milchdruse erfolgte elektronisch nach der von TOLLE, ZEIDLER und HEESCHEN (7, 10) entwickelten Methode. Der Nachweis von Sta- phylokokken wurde uber ein flussiges. Kaliumtellurit haltiges Selektivmcdiuni gefuhrt. Nur Koagulase bildende Staphylokokken wurden als pathogen an- gesehen. Die Untersuchumg auf Streptokokken wurde in Streptosel-Broth nii t einem Zusatz von Bromkresolpurpur als Indikator und Kanamycin als Hemm- stoff gegen Sarcinen durchgefuhrt (1). Die Differenzierung der gefundenen

Zur Frage der Unabhängigkeit der Euterviertel im Mastitisgeschehen

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Aus d e m Max-Planck-Insti tut f u r Tierzucht u n d Tierernahrung MarienseelTrenthorst

Direk tor: Prof. Dr. Dr. h. c. M . Witt u n d d e m

Ins t i tu t f u r Milchhygiene der Bundesanstalt f u r Milchforschung in Kiel Direktor: Prof. Dr. A . Tolle

Zur Frage der Unabhangigkeit der Euterviertel im Mas titisgesche hen

Von D. FLOCK und H. ZEIDLER

Eingang des M s . 3. 10. 1968

Einleitung

Im Kahmen der Mastitisbekzmpfung ist die Frage von Bedeutung, ob sich die einzelnen Euterviertel einer Kuh im Krankheitsgeschehen weitgehend indi- viduell verhalten oder ob die gleichzeitige Erkrankung mehrerer Viertel eines Tieres gehauft auftritt. Anatomisch und physiologisch bildet jedes Euterviertel eine weitgehend unabhangige Einheit; es ist jedoch zu erwarten, dai3 genetische und umweltbedingte Einfliisse in der Verteilung der Anzahl erltrankter Viertel je Kuh ihren Ausdruck finden. Die Erfolgsaussichten einer systematischen Mastitis- bekampfung hangen wesentlich davon ab, in welchem Ma& in Abweichung von der zufalligen Verteilung gehauft gleichsinnige Befunde an mehreren Euter- vierteln eines Tieres auftreten. Zu diesem Fragenkomplex sol1 die Nullhypothese der Unabhangigkeit der Euterviertel an einer groi3eren Stichprobe von Kuhen gepruft werden.

Material und Methodik

Fur die Berechnungen standen Untersuchungsbefunde aus 29 388 Viertel- gemelksproben von 7 347 schwarzbunten Kuhen aus 352 Betrieben in Nord- deutschland zur Verfugung. Die Milchproben wurden im Zeitrauin 1966 bis 1968 entnoinmen und im Institut fur Milchhygiene in Kiel zytologisch-bakteriologisch untersucht.

Die Bestimmung des Zellgehaltes als quantitatives Kriterium fur den Gc- sundheitszustand der Milchdruse erfolgte elektronisch nach der von TOLLE, ZEIDLER und HEESCHEN (7, 10) entwickelten Methode. Der Nachweis von Sta- phylokokken wurde uber ein flussiges. Kaliumtellurit haltiges Selektivmcdiuni gefuhrt. N u r Koagulase bildende Staphylokokken wurden als pathogen an- gesehen. Die Untersuchumg auf Streptokokken wurde in Streptosel-Broth nii t einem Zusatz von Bromkresolpurpur als Indikator und Kanamycin als Hemm- stoff gegen Sarcinen durchgefuhrt ( 1 ) . Die Differenzierung der gefundenen

194 D. Flock und H . Zeidler

Stamme erfolgte in der Streptokokkenzentrale des Instituts fur Milchhy,' oiene. Als euterpathogene Mikroorganismen wurden hierbei Sc. agalactiae, Sc. dys- galactiae, Sc. uberis, Sc. uberis (E) und eine Reihe seltenerer Erreger wie Strepto- kokken der serologischen Gruppen L und G, Sc. viridans und Sanguis-ahnliche Streptokokken betrachtet.

Die Beurteilung der zytologisch-bakteriologischen Untersuchungsbefunde geschah in Obereinstimmung mit der im Jahre 1966 vom Internationalen Milch- mirtschaftsverband (IDF) gegebenen Definition der Mastitis (s. Darstellung).

Beurteilung zytologisch-bakteriologischer Befunde i m Rahmen der Mastitisdisgnostik

Euterpathogene Mikroorganismen Zellgehalt pro ml Milch

nicht nachgewiesen nachgewiesen ~.

< 500 000

> 500 000

norrnale Sekrction

Sekretionsstorung

~~ ..

latente Infektion

Mastitis

Diese Definition gilt fur die Untersuchung von Viertelgemelksproben, die zur ublichen Melkzeit aus dem Anfangsgernelk von Kiihen in normaler Laktation entnommen werden.

Zur Begrundung des Grenzwertes von 500 000 Zellen pro ml Anfangs- gemelk wurde von ZEIDLER, TOLLE, HEESCHEN und REICHMUTH (4, 9, 11) Stel- lung genommen.

Die statistische Auswertung der Versuchsdaten wurde im Max-Plank-Insti- tut fur Tierzucht und Tierernahrung in Gottingen durchgefuhrt. Zunachst wurden die einfachen Haufigkeiten fur das Auftreten der vier Diagnosegruppen ermittelt. Aus diesen Ergebnissen wurden dann auf der Grundlage der Multi- nominalverteilung die erwarteten Haufigkeiten berechnet und mit den beobach- teten Haufigkeiten verglichen.

Die erwartete Anzahl von Kiihen mit einer bestimmten Kombination von Befunden ergibt sich unter Annahme der Unabhangigkeit aus der Gleichung

n! ni! nz! n3! n4!

E(Ni) = ~ P:' Pl' P:" P:' pJ. '

wobei pi = Haufigkeit der Diagnose eutergesund p% = Hiiufigkeit der Diagnose latente Infektion p:i = Haufigkeit der Diagnose Sekretionsstorung p4 = Haufigkeit der Diagnose Mastitis ni = Anzahl Viertel je Kuh rnit Diagnose eutergesund n. = Anzahl Viertel je Kuh rnit Diagnose latente Infektion n:~ = Anzahl Viertel je Kuh rnit Diagnose Sekretionsstorung n4 = Anzahl Viertel je Kuh rnit Diagnose Mastitis n = Anzahl Viertel je Kuh (= 4)

N. = 2 Ni = Gesamtzahl Kiihe (= 7347) I

mit nl-tn.+-ny+n4 = n und pi+pz+ps+p4 = 1

1 Das Symbol ! wird als ,Fakultat" gelesen und bedeutet, dai3 in absteigender Reihenfolgc multipliziert wird. Z. B. ist n! = 4! = 4 . 3 * 2 . 1 = 24 (O! ist = 1) .

U n a b h a n g i g k e i t d e r Euterv ier te l irn Masti t isgeschehen 195

Bei vier verschiedenen diagnostischen Gruppen ergeben sich insgesamt 35 Kombinationsmoglichkeiten. Fur die einzelnen Kombinationen (Anzahl Viertel pro Tier mit den verschiedenen Befunden) sind unterschiedliche Anzahlen von Permutationen mijglich, die sich aus der Position der Viertel (vorn rechts, vorn links, hinten rechts, hinten links) ergeben. Zum Beispiel gibt es fur die Anord- nung 4 gesunder bzw. 4 kranker Viertel nur eine Permutation (= Anordnung), fur 1 gesundes bzw. krankes Viertel 4 Permutationen, fur das Auftreten allcr 4 Befunde am gleichen Euter 24 Permutationen usw.

Laat man die Ergebnisse der bakteriologischen Untersuchung auBer Acht und legt nur die Zellzahl mit dem Grenzwert 500 000 pro ml Anfangsgemelk zugrunde, so verringert sich die Zahl der Kombinationsmoglichkeiten auf 5, d. h. ein Tier kann als vollig gesund angesehen werden bzw. es konnen 1, 2, 3 oder alle 4 Viertel erkrankt sein. Fur diesen vereinfachten Fall lassen sich die Er- wartungswerte aus der Binominalverteilung ableiten.

Eine Signifikanzprufung auf Abweichungen von der unter der Nullhypo- these erwarteten Verteilung lagt sich mit Hilfe des z'-Testes durchfuhren. Da- - fur gilt die Testgroge

(B, - Ei)' x' = ,r

wobei Bi = beobachtete Anzahl der i-ten Kombination Ei = erwartete Anzahl in der i-ten Kombination

mit i = 1, . . ., 35 fur die Aufteilung in 4 verschiedene Befunde und i = 1, . . ., 5 f u r die Aufteilung in 2 Befunde.

Die statistische Signifikanzprufung ist wegen des grogen Umfanges des aus- gewerteten Datcnmaterials jedoch von untergeordneter Bedeutung.

Ergebnisse und Diskussion

In der Ubersicht 1 sind die Haufigkeiten der Befunde fur die 29 388 unter- suchten Euterviertel dargestellt.

Vbersich~ f

Einfache Haufigkeitsverteilung der Diagnosen, bezogen auf die untersuchten Viertel

Diagnosc Anzahl Viertcl , relative Hiufigkeit

1 = gesund 2 = latente Infektion 3 Sekretionsstorung 4 -= Mastiris

19 518 1 7 4 4 6 216 1910

pi - 0,664 PI 0,059

p4 = 0,065 p3 = 0,212

Z pi = 1,000 Gesanit 29 388

In der vorliegenden Stichprobe haben 6,5 O / o der Viertel den Befund Mastitis ergeben, d. h. neben einer Erhohung des Zellgehaltes als Ausdruck der Reaktion des Organismus auf einen Reiz konnten in diesen Fallen als Ursache pathogene Mikroorganismen nachgewiesen werden. Mit 21,2 OIo ist der Anteil der Viertel mit Sekretionsstorungen bedeutend hoher. In diesen Fallen war eine bakterio-

196 D. Flock und H . Zeidler

logische Ursache fur den Reizzustand der Milchdruse nicht erkennbar. Bei den 5,9 O/o mit latenter Infektion konnte zwar das Vorhandensein von Krankheits- erregern, aber keine entsprechende zytologische Reaktion des Organismus nach- gewiesen werden. Deshalb sind diese Falle nicht als Eutererkrankung, sondern lediglich als mogliche Erregerreservoire anzusehen. 66,4 O / o aller Proben waren zytologisch und bakteriologisch ohne krankhaften Befund.

Obersicht 2

Beobachtete und erwartete Haufigkeiten fur die Anzahl Viertel je Kuh mit den vier verschicdenen Diagnosegruppen

Haufigkeit der Diagnosegruppcn I

-0

7

4 3 3 3 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 I I 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Gesamt .-. .

4 ic.

c I

Y - 0 1 0 0 2 1 1 0 0 0 3 2 2 1 1 1 0 0 0 0 4 3 3 2 2 2 1 1 1 1 0 0 0 0 0

A-

2

-Y,

.- I

L

Lo

0 c I 0 0 1 0 2 1 0 0 1 0 2 1

b 5 2 1 0 0 1 0 2 1 0 S

1 0 4 3 2 1 0

3 -

w r L

.- .”

2 0 0 0 1 0 0 1 0 1 2 0 0 1 0 1 2 0 1 2 3 0 0 1 0 1 2 0 1 2 3 0 1 2 3 4

beobadtete crwartete Anzahl Ticre i Anzahl Tierc

I

2 636 432

1 1 5 6 254 149 184 91

62 5 182 67 50 34 34 68 47 33

368 117 70 31 19 6

27 4

14 15 12 19 11 22

285 121 77 49 38

7 347

1 429,5 5 10,9

1 821,O 559,5

68,5 488,l 150,O 869,9 534,6 82,l 4,1

43,6 13,4

155,5 95,5 14,7

184,7 170,3 52,3

5,4 0,1

6 9 4,3

16,5 15,2 4,7

1,3 0,4

0,7

0,5

1,7

14,7 18,l 8,3

0,1

7 347,O ~

x? = 28 426:’:” IP < . O l )

UnaGhangigkeit der Euterviertel irn Mastitisgeschehen 197

In Obersicht 2 sind die beobachteten und erwarteten Haufigkeiten auf der Grundlage der 4 Diagnosegruppen gegeniibergestellt.

Dabei zeigt sich, dai3 die Anzahl der Kuhe rnit 4 gesunden Vierteln um 84 */o hoher ist als bei zufalliger Verteilung der Befunde, d. h. unter der Nullhypothese der Unabhangigkeit der Euterviertel, zu erwarten ware. Kuhe mit einem oder zwei erkrankten Vierteln (Diagnose Sekretionsstorung bzw. Mastitis) treten in den meisten Kombinationen seltener auf als erwartet. Demgegenuber sind die beobachteten Haufigkeiten fur die Tiere mit drei und besonders vier erkrankten Vierteln weit hoher als sie sich bei Unabhangigkeit ergeben mui3ten.

Dieses Ergebnis kommt deutlicher zum Ausdruck, wenn man die Befunde lediglich nach der Zellzahl aufgliedert. Die Werte in der folgenden Obersicht 3 ergeben sich aus Obersicht 2, wenn die Diagnosegruppen gesund und latente Infektion bzw. Sekretionsstorung und Mastitis zusammengefafit werden.

Obersicht 3

Beobachtete und erwartete Haufigkeiten fur die Anzahl Viertel je Kuh mit weniger bzw. mehr als 500 000 Zellen pro ml Anfangsgemelk

Anzahl Viertel mir Anzahl Kiihc

< 500 000 .> 500 000 beob. erw. ~ -

4 0 3 286 2 007 3 1 1 7 8 6 3 077 2 2 1 0 5 5 1 7 6 8 1 3 650 452 0 4 570 43

Gesamt 7 347 7 347

Hliufigkeir (%)

beob. erw. -

44,7 27,) 24,3 41,9 14,4 24,l 8,8 6.1 7,8 0,6

100,o 100,o

Bei dieser Aufteilung ist die beobachtete Haufigkeit von Tieren mit 4 gesun- den Vierteln urn 64 O/o und von Tieren mit 4 kranken Vierteln 13mal hoher als erwartet. Nach den Ergebnissen in den Obersichten 2 und 3 verhalten sich die Euterviertel offensichtlich nicht unabhangig. Die sehr hohen f-Werte unter- streichen diesen Befund.

Als Erklarung hierfiir sind im wesentlichen zwei Ursachen anzusehen : 1. Es ist anzunehmen, dai3 erbliche Unterschiede in der Resistenz gegen

Mastitis bestehen. LUSH (3), LEGATES und GRINNELS (2), YOUNG und Mit- arbeiter (8), RENDEL und SUNDBERG (5) und SCHMIDT und VAN VLECK (6) fan- den bei Heritabilit~tsschatzungen h2-Werte zwischen 0,38 und OJO. Unter dcr Einschrankung, dai3 eine Infektion mit Mastitiserregern nicht zu einer Immu- nitat des Tieres fuhrt, ist es naheliegend, dai3 anfallige Tiere haufiger an meh- reren Vierteln erkranken. Weitgehend resistente Tiere durften nicht oder nur seltener Mastitisbefunde zeigen.

2. Die Einwirkung belebter oder unbelebter Umwelteinfliisse verteilt sich nicht zufallig auf alle Euterviertel, sondern betrifft gleichzeitig alle 4 Viertel einer Kuh bzw. die Tiere eines ganzen Bestandes. In diesem Rahmen spielt das niikrobiologische Stallmilieu eine wichtige Rolle. 1st z. B. in einem Bestand eine groi3ere Anzahl von Tieren infiziert, so stehen die ubrigen Euterviertel dieser

198 D. Flock und H . Zeidler

Kuhe und auch die der weiteren Tiere in Abhangigkeit von der Virulenz der Erreger unter einem erhohten Infektionsrisiko.

AIs mechanische Mastitisursache ist der Technik des Milchentzuges eine wich- tige Rolle beizumessen. Beim maschinellen Milchentzug betrifft eine fehlerhafte Vakuumapplikation fast stets alle Viertel des Tieres gleichzeitig, nur in seltenen Fallen - bei Fehlern an den Melkzeugen selbst - sind hier unterschiedliche Behandlungen der einzelnen Viertel zu erwarten. Auch beim Handmelken wer- den von einem Melker die 4 Viertel einer Kuh in ahnlicher Weise beansprucht, obwohl hier eine individuelle Behandlung eher moglich ist. Daruber hinaus wir- ken die allgemein-hygienischen Haltungsbedingungen gleichzeitig auf alle Tiere des Bestandes ein.

Es ist anzunehmen, dai3 der Gesundheitszustand der Milchdruse - aus- gedruckt durch das quantifizierbare Merkmal des Zellgehaltes - in Eutervier- teln, Kuhen und Bestanden in unterschiedlicher Weise variiert. Zur Prufung dieser Frape wurde deshalb eine mehrstufige hierarchischc Varianzanalyse auf der Grundlage des beschriebenen Materials durchgefuhrt. Dabei wurden neben der ursprunglich gemessenen elektronischen Zellzahl zwei Transformationen untersucht: Eine einfache Einteilung nach dem Grenzwert 500 000 in zwei Klas- sen und eine logarithmische Transformation. Die Ergebnisse dieser Berechnungen gehen aus der folgenden Obersicht 4 hervor.

ilbersicht 4

Varianzanteile in Prozent fur die Unterschiede zwischen Bestinden, zwischen Kuhen inner- halb Bestanden und zwischen Vierteln innerhalb Kuhen

Varianzursadic I Bestinde Kuhe Viertcl

Varianzantcil (x) EZZl EZZ? EZZn

3 4 18,4 78.6

573 25,9 65.8

10,7

51,6 37,7

EZZl = urspriinglid gemessene clektronische Zellzahl pro ml Milch im Anfangsgemelk. EZZt = nach Transformation durch Einteilung in zwci Klassen (< 500 000, > 500 000). EZZs = nach logarithmischer Transformation.

Fur die nicht transformierten Daten betragt der Varianzanteil zwischen den Bestanden nur 3,O O/o und der Varianzanteil zwischen Kuhen innerhalb der Be- stande 18,4 O/o. Der Restfehler ist mit 78,6 O/o Varianzanteil infolge der schiefen Verteilung sehr groi3. Durch die Transformationen, insbesondere die logarith- mishe, erhoht sich der Varianzanteil zwischen Bestanden und zwischen Kuhen innerhalb der Bestande betrachtlich.

Neben gezielten Bekampfungsmai3nahmen in Bestanden mit einer besonders schlehten Mastitissituation ist daher auch eine regelmai3ige Kontrolle der Ge- samtpopulation der Kuhe anzustreben. Die betrachtlichen Unterschiede zwischen Kuhen innerhalb der Bestande geben einen Hinweis auf das Vorhandensein zuchterisch nutzbarer Unterschiede in der Mastitisresistenz.

Ungeklart ist bisher, in welchem Mai3e die Sicherheit der Abschatzung von Unterschieden zwischen den Kuhen durch mehrfache Zellzahlbestimmungen in- nerhalb einer Laktation und in mehreren aufeinanderfolgenden Laktationen verbessert werden kann. Dafur sind eingehendere Untersuchungen an einem groflen Material erforderlich. Als Voraussetzung fur gezielte zuchterische Ma&

Unabhangigkeit der Euterviertel im Mastitisgeschehen 199

nahmen ist eine zuverlassige Schatzung der genetischen Parameter (Heritabilitat, genetische Korrelation zur Milchleistung) fur die elektronische Zellzahl dringend erforderlich. In diesem Zusammenhang verdienen Unterschiede zwischen der ersten und spateren Laktationen besondere Beachtung.

Das gehaufte Auftreten von Kuhen mit 3 und 4 erkrankten Vierteln (vgl. Obersichten 2 und 3) laflt iiber eine Merzung dieser Gruppen eine allmahliche Verbesserung der Eutergesundheit in der Population erwarten. Ein nachhal- tigerer Erfolg ist jedoch zu erreichen, wenn - maflig hohe Heritabilitat der elektronischen Zellzahl vorausgesetzt - bei der Selektion der Jungbullen fur den Testeinsatz in der kunstlichen Besamung solche Bullenmutter bevorzugt werden, die neben einer hohen Milchleistung eine zufriedenstellende Euter- gesundheit bewiesen haben. Da die Infektionswahrscheinlichkeit vom Alter bzw. von der Laktationsnunimer und der spezifischen Umwelt des Bestandes abhangt, sind Bullenmutter mit nachweislich gesundem Euter in mehreren aufeinander- folgenden Laktationen aus Bestanden mit schlechtem durchschnittlichem Gesund- heitsbefund besonders wertvoll fur die Zucht.

Der Erfolg der zuchterischen Mafinahmen liefle sich erheblich verbessern, wenn die im Rahmen der EWG angestrebte Verringerung der Kuhbestande vorwiegend auf der Basis der Eutergesundheit durchgefuhrt wurde.

Zusammenfassung

Zur Frage der Unabhangigkeit der Euterviertel im Mastitisgeschehen wur- den wahrscheinlichkeits-statistische Untersuchungen an 29 388 Viertelgemelks- proben von 7 347 schwarzbunten Kuhen durchgefuhrt. Die Beurteilung der Eutergesundheit erfolgte auf der Grundlage elektronisch bestimmter Zellzahlen je ml Anfangsgemelk und bakteriologischer Befunde. Fur die statistische Ana- lyse wurde die unter der Nullhypothese der Unabhangigkeit der Euterviertel erwartete Haufigkeitsverteilung der Anzahl Kiihe mit O bis 4 gesunden Vierteln der empirischen Haufigkeitsverteilung gegenubergestellt. Folgende Schluflfolge- rungen wurden gezogen: 1. Die Haufigkeit der vier Diagnosen betrug in den Einzelvierteln: 66,4 O/o ge-

sund, 5,9 O / o latente Infektion, 21,2 O/a Sekretionsstorung und 6,5 O / o Mastitis (Obersicht 1).

2. Kuhe mit 4 gesunden bzw. 4 kranken Vierteln traten erheblich haufiger auf als nach der Nullhypothese der Unabhangiglteit zu erwarten war (Ober- sicht 2, 3).

3. Die Varianz der elektronisch bestimmten Zellzahl verteilt sich nach logarith- inischer Transformation der Werte wie folgt: Zwischen Bestanden 10,7 O/O,

zwischen Kuhen innerhalb Bestanden 37,7 O / o , zwischen Vierteln innerhalb Kuhen 5 1,6 O / o (Ubersicht 4). Neben gezielten Bekampfungsmaflnahmen in Bestanden mit einer besonders schlechten Mastitissituation ist daher nach Mog- lichkeit auch eine regelmaflige Kontrolle der Gesamtpopulation der Tiere durchzufuhren.

4. Auf Grund der empirischen Haufigkeitsverteilung erscheint es sinnvoll, eine ziichterische Verbesserung der Eutergesundheit dadurch anzustreben, dafl Kuhe mit 3 bis 4 erkrankten Vierteln gemerzt und Bullenmutter vorwiegend unter den Kiihen mit nachweislich 4 gesunden Vierteln ausgewahlt werden.

5. Die Schatzung der genetischen Parameter fur die elektronisch bestimmte Zell-

200 - D. Flock und H . Zeidler

zahl, insbesondere der Heritabilitat und der genetischen Korrelation zur Milchleistung, bleibt eine der dringenden Zukunftsaufgaben im Rahmen einer wissenschaftlich fundierten Mastitisbekampfung.

Summary

To investigate the degree of independence of the udder quarters with respect to the incidence of mastitis, milk samples of 29 388 quarters of 7 347 black and white cows were analysed. Udder health was judged on the basis of electronic counts of the number of cells per ml of milk at the beginning of the milking period as well as bacteriological criteria.

To test the null hypothesis of independence, the empirical sampling distri- bution of cows with 0, 1, . . ., 4 normal quarters was compared with the "ex- pected" multinominal distribution. The following results were obtained: I . The frequencies of the 4 different diagnosis were for the individual udder

quarters : 66.4 O/o normal, 5.9 O / o latent infection, 21.2 O / o abnormal secretion, 6.5 O / o mastitis.

2. Cows with 4 normal or 4 abnormal quarters appeared with a much higher frequency than expected on the assumption of independence (tables 2 and 3).

3. The variance of electronic cell counts after log-transformation was as fol- lows : 10.7 O / o between herds, 51.6 O/o between quarters within cows (table 4). This distribution shows that, in order to fight the problem of mastitis, the selection between herds should be supported by a scheme in which all cows are checked at regular intervals.

4. On the basis of the empirical sampling distribution, it appears reasonable to try to fight the mastitis problem in two ways : to eliminate cows with 4 or 3 abnormal quarters and to select bull dams among those with 4 normal quar- ters with regard to mastitis.

5. The estimation of the genetic parameters of the electronic cell counts, especi- ally the heritability and the genetic correlation with milk yield, remains the most important problem to be solved as prerequisite for an effective and scientifically up-to-date method of fighting the mastitis problem.

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Anschrift der Verfasscr: Priv.-Lloz. Dr. D. I(. FLOCK, Max-Plandc-Institut fur Tierzucht und Ticrcrnahrung, Statistische Abtcilung, 3400 Gottingen, Bunscn- straflc 10, und Dr. H. ZEIDLER, Institut fur Milchhygicnc dcr Bundcs- anstalt fur Milchforschung, 2300 Kicl, Hcrmann-Weigmann-Stra13c 3 bis 1 1 .