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Zur Frage des cerebralen und des ,,halbseitigen" Fiebers. VuB. Oskar Fischer (Prag). Mit 1 Textabbildung. (Eingegangen am 19. Januar 1922.) Es steht bereits lest, daIt dem Gehirn die F~thigkeit zukommt, den W~rmehaushalt des Organismus zu beeinflussen, ja daft es sogar einen in das Gehirn lokalisierten zentralen W~rmeregulierungsmechanismus gibt. Dieses Zentrum, welches experimentell zuerst durch den Sachs- A ronsonschen W~rmestich getroffen worden ist, liegt in den basalen Teilen des Zwischenhirnes und besteht nach H. H. Meyer aus einem W~rme- und Kiihlzentrum, welche sich in ~hnlicher Weise funktionell gegeniiberstehen wie <las sympathische und parasympathische System und welche (lurch die Bluttemperatur, verschiedene chemische Sub- stanzen, SSfte und Hormone wechselseitig erregt und gehemmt (geliihmt) werden und auf diese Weise <lie Innentempcratur regulieren. Der Umstand, daft beim Menschen, soweit es die alltitgliche i~rztlichc Erfahrung erweist, dic erh6hte Tcmperatur stets mit Infektionsvorg:,~,ngen in Zusammenhang gefunden wurde, fiihrte zur Negation des nichtinfek- ti6sen Fiebers und trotzdem <liese Frage schon lii.ngst tierexperimentell in anderem Sinne erledigt ist, werden hierher geh6rende F/~lle aus der menschlichen Pathoh)gie noeh sehr gerne bestritten. Zur sicheren Be- weisftihrung bedarf es ganz einwandfrci heobachteter und untersuchter F~lle aus der menschlichen Pathologic, welehe uns natiirlicherweise eben nur der Zufall vorftihren kann. Die nach aseptischen Hirnoperationen beobachteten Temperatur- steigerungen werden immer noeh gerne als Folgen minimaler septischer Vorg~nge angesehen. Viel mehr beweisen die Temperaturstcigerungen bei Hirntumoren, aber auch bier wird es schwer fallen, den unbedingten Zusammenhang der cerebralen StSrung mit der TemperaturerbShung eindeutig zu erweisen. Bei Hysterie und diversen Geistesst6rungen hat man schon auch gelegentlich betrachtliche Steigerung der K6rpertemperatur beobachtet, ohne dab man irgendeine das Fieber erzeugende somatische Erkrankung hStte feststellen kSnnen. 9*

Zur Frage des cerebralen und des „halbseitigen“" Fiebers

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Page 1: Zur Frage des cerebralen und des „halbseitigen“" Fiebers

Zur Frage des cerebralen und des ,,halbseitigen" Fiebers.

VuB.

Oskar Fischer (Prag).

Mit 1 T e x t a b b i l d u n g .

(Eingegangen am 19. Januar 1922.)

Es steht bereits lest, daIt dem Gehirn die F~thigkeit zukommt, den W~rmehaushalt des Organismus zu beeinflussen, ja daft es sogar einen in das Gehirn lokalisierten zentralen W~rmeregulierungsmechanismus gibt. Dieses Zentrum, welches experimentell zuerst durch den Sachs - A ronsonschen W~rmestich getroffen worden ist, liegt in den basalen Teilen des Zwischenhirnes und besteht nach H. H. M e y e r aus einem W~rme- und Kiihlzentrum, welche sich in ~hnlicher Weise funktionell gegeniiberstehen wie <las sympathische und parasympathische System und welche (lurch die Bluttemperatur, verschiedene chemische Sub- stanzen, SSfte und Hormone wechselseitig erregt und gehemmt (geliihmt) werden und auf diese Weise <lie Innentempcratur regulieren.

Der Umstand, daft beim Menschen, soweit es die alltitgliche i~rztlichc Erfahrung erweist, dic erh6hte Tcmperatur stets mit Infektionsvorg:,~,ngen in Zusammenhang gefunden wurde, fiihrte zur Negation des nichtinfek- ti6sen Fiebers und trotzdem <liese Frage schon lii.ngst tierexperimentell in anderem Sinne erledigt ist, werden hierher geh6rende F/~lle aus der menschlichen Pathoh)gie noeh sehr gerne bestritten. Zur sicheren Be- weisftihrung bedarf es ganz einwandfrci heobachteter und untersuchter F~lle aus der menschlichen Pathologic, welehe uns natiirlicherweise eben nur der Zufall vorftihren kann.

Die nach aseptischen Hirnoperationen beobachteten Temperatur- steigerungen werden immer noeh gerne als Folgen minimaler septischer Vorg~nge angesehen.

Viel mehr beweisen die Temperaturstcigerungen bei Hirntumoren, aber auch bier wird es schwer fallen, den unbedingten Zusammenhang der cerebralen StSrung mit der TemperaturerbShung eindeutig zu erweisen.

Bei Hysterie und diversen Geistesst6rungen hat man schon auch gelegentlich betrachtliche Steigerung der K6rpertemperatur beobachtet, ohne dab man irgendeine das Fieber erzeugende somatische Erkrankung hStte feststellen kSnnen.

9 *

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132 O. Fischer:

Einen sehr bezeichnenden Fall dieser Art habe ich 1) beschrieben: Eine Frau yon 45 Jahren erkrankte an ~ngstlicher Ratlosigkeit, die sich allm~hlich zu schwerera negativistischen Stupor steigerte; ohne nach- weisbare somatisehe Ver~nderung bekam sit eine Febris continua yon 38,2--39,2, welche durch 12 Tage andauerte und yon profusem, Tag und Naeht bestehendem Schwitzen begleitet war, so dag der tropfenweise herabsickernde Schwei$ buchst~blich yore K6rper herunter- rann. Antipyretica hat ten keine nennenswerte Wirkung, erst als aus anderen Grfinden eine Hyosein-~Aorphiuminjektion gegeben worden war, und zwar 0,3 mg Hyosein und 0,S mg Morphium, t ra t naeh 10 Min. unter kollaps~hnliehem Erblassen ein Temperatursturz auf 36,6 ~ ein, wobei genau so pl6tzlich aueh die Schweigsekretion versiegte. Trotzdem die Psychose in gleicher Art welter dauerte (spKter kam es zu voU- kommener Genesung) kehrte der Fieberzustand nicht mehr zurtick.

Der Fall, welcher einem beinahe vollkommen reinen Experiment gleiehkommt, kann nieht anders erkl~rt werden, als daf3 die Temperatur- erh6hung und die abnorme Schweil~sekretion dureh eine cerebrale St6rung bedingt waren und daf3 sic durch die Alkaloide, deren Angriffs- punkte in erster Linie im Gehirne sieh befinden, kritisch und definitiv beseitigt wurde~ ; wissen wit doeh, dal~ die dutch den W~rmestich hervor- gerufene Hyperthermie durch Morphium wieder coupiert werden kann.

In der allerletzten Zeit babe ich einen Fall beobaehtet, welcher geradezu ein Gegensttick zu dem letzterw~hnten darstelIt, lm Juni d. J. habe ieh bei einem Morphinisten eine Entziehungskur vorzunehmen gehabt; tier Kranke gab an, dag er 0,15 g Morphium t~glich injiziert babe. Mit Rficksieht auf diese gcringere Dosis wurde die Entziehung so schnell durchgeftihrt, dag der Kranke am 3. Tag auf Null war; als Schlafmittel wurde Paraldehyd 10 g pro dosi gegeben; am 4. Tag t ra t ein apathiseh-sopor~iser Zustand mit leichter Erweckbarkeit auf und gleichzeitig stieg die Temperatur auf 38,S ; der Puls war dagegen zwischen 80 und 90; gleiehzeitlg sehwitzte Patient so stark, dag er mehrere Hem- den tSglieh durehsehwitzte; naeh 2 Tagen ging (lie Temperatur reeht sehnell herunter. Wie sieh sphter herausstellte, hatte sieh der Kranke als tiigliehe Dosis nieht 0,15, sondern etwa 1 g Morphium injiziert und diese hohe Dosis zeigte sieh aueh in fehlenden Aehillesreflexen, welehe erst 10 Tage naeh durehgeffihrter Entziehung wieder auftraten. Die Temperaturerh6hung ~ eine k6rperliehe Erkrankung bestand nieht, Grippe war ausgesehlossen - - fagte ieh namentlieh mit Riieksieht auf den niedrigen Puls als eine Art yon Rfieksehlagswirkung des auf die hohen Dosen Moyphium gewShnten zentralen Wi~rmezentrums auf.

B e e h t e r e w '~) beriehtet fiber Temperatursteigerung bei Geistes-

1) Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psych. I. ') Die nerv. Zentren.

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kranken, welche nicht anders als durch zentrale StSrungen erkliirt werden kSnnen. Derselbe Autor erwi~hnt auch, dab ,,zM1]reiche Bc- obachtungen bezeugen, dal] 1)el progressiver Paralyse zuzeiten vorfiber- gehendes Ansteigen der KSrpertemperatur stattfindet, welches hSchst- wahrscheinlich durch zentrale Ver5nderungen bedingtist". B e c h t e r e w meint wohl damit die Tcmperatursteigerung, welche man so hi~ufig im d i r e k t e n A n s c h l u [ l a n p a r a l y t i s c h e A n f ~ l l e , und zwar im Anschlul3 sowohl an epileptoide AnfSlle wie an Liihmungsattacken beobachtct. Das no hSufige prompte Zusammenfallen des Temperatur- anstieges mit dcm Anfalle erlcdigt wohl jeden Einwand einer latenten Pneumonie oder einer :,thnlichen Bcgleitaffektion; cine rein toxische Erkl~irung mit einem den Anfall provoziercnden massenhaften Auf- treten der Spirochhten klingt, abgcsehen davon, dal~ wir noch gar keinc genaucn Kenntnisse darfiber besitzen, warm die gehs Spiroch~ten- massen im paralytischen Gehirne entstehen, noch deshalb unwahrschein- lich, weft die Spirochhte im allgemeinen kein fiebererzeugendes Virus darstellt, cs bleibt folglich nur die Annahme, dal3 hierbei gewisse noch nicht recht ]okalisierbare Hirnl~sionen zur TemperaturerhShung fiihren.

Ich habc nun bei der Paralyse auch Fiebertemperaturen beobachtet, die, obzwar sonstige somatischc Symptome eines paralytischen AnfMles fehlten, trotzdem als eine para]ytische Attacke sui generis imponierten; ob auch B e c h t c r e w solchc FMle meint, li~Bt sich aus seiner Darstellung nicht entnehmcn; am sch6nsten zeigte diescs Verhalten folgender Fall:

Es handelte sich um einen 42 j~ihr. Paralytiker, dessen Erkrankung vor 6 Jahreu mit Reizbarkeit und allmi~hlieher Verbl6dung begann; sp~tter zeigte sich Pupillen- starre und t, ypische Sprachst6rung; cine Nuclein-Quecksilberkur fiihrte zu einer zweijikhrigen Remission; es kam zu einem gezidiv, einer steten Progression und im letzten LebensjMlre zu sehr schwcrer Verbl6dung; die Sprache war ein gedehntes Lal|en, der Kranke war 1)aralytisch-spastisch-paretisch, so da[3 er meist im Bettc gehalten werden multtc. Eines Tages trat, ohne daI~ somatisch eine Veranlassung zu einer Temperaturstcigerung gewesen wiire (keine Cystitis, kein Dccubitus, keine Lungenaffektion, keine Vcrletzung, kcine Malaria), hohes Fieber auf, das gleich am 1. Tag auf 39,8 ~ stieg und das sich durch 3 Tagc tiber 39 ~ hielt; dabei war der Kranke vollkommen stumpf; ohne Therapie sank die Temperatur unter starkem Schweiilausbruch recht pl6tzlich im Laufe einer Naeht zur Norm. Nach 18 Tagen wiederholte sich derselbe Zustand in gleicher Weise; man hatte iiberdies den Eindruck, dal3 sich der Verbl6dungszustand im AnschluB an die Fieberanfi~lle stets vertiefte.

Ich fasse diese Fieberattacken als eine eigene Art yon paralytischen AnfMlen auf, bei denen die loaralytische Hirnaffektion schubweise irgendeine zur Temperaturregu]ierung geh6rende Gchirnpartie ergriffen hatte. Retrograd weiL~ ich reich an eine Reihe von Paralytikern zu erinnern, bei denen ebenfalls r~tsclhafte Temperatursteigerungen vor- handen waren, ohne dalt eine somatische Erkl~rung h~tte gefunden werdcn kSnnen ; ich babe abcr bisher noch keinen zweiten Fall |)cot)ach-

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1:~4 O. Fischer:

ten k6mmn, bei dem die Fiebersteigerung eincn derartigen anfallsiihn- lichen Verlauf genommen h~itte.

Wiederholt habe ieh aber sehon beobaehtet, dab bei Paralyt ikern mit weit vorgeschrittener Erkrankung eine mit Korea einhergehende Hyperthermie (40 ~ und darfibcr) entsteht, und ohne dab somatisehe Ursachen naehweisbar wiiren, erfolgt dann in kurzer Zeit der Exitus.

Es ist nun den Psychiatern bekannt - - detaillierte Schilderungen feh]en m. W. in der Literatur - - , dab im Anschlu6 an paralytische Anfiille Differenzen in der K6rpertemperatur, d. h. der Achseltemperatur, vorkommen und zwar derart, da[t die affizierte Seite stets die hShere Temperatur aufweist. Diese Tatsache ist eines genaueren Studiums wert, da sic in Anbetraeht der Doppelseitigkeit des W~rmezentrums <lie Frage naeh den Ursachen dieser Differenz aufweist, in dem Sinne, nb diese letztere durch differente Hautregulation oder auch durch differente W~rmeproduktion bewirkt wird. Die Literatur hat diesem Umstand bisher recht wenig Aufmerksamkeit gewidmet, C l a u s und B i n g e l 1) haben zwar eingehende Untersuchungen fiber Messungen korrespondierender K6rperstellen angestellt, hierbei aber nur die Hautoberfl~chentemperatur berfieksichtigt; sie linden zwar manehmal recht t>etr~ehtliche Differenzen (bis 1 ~ C), aber ob Differenzen der Aehselh6h]entemperatur vorhanden waren, wird nicht erwi~hnt.

Es ist klar, da6, wenn peripher vorhandene entzfindliche Affektionen fehlen, die Temperaturdifferenz wohl nur dutch eine differente cerebrale Regulation zustande kommen kann.

Das Tierexperiment sollte diese Frage entscheiden, doeh das, was <lie Literatur bringt, ist recht bescheiden. Einzig stehen da die Resultate d er Experi mente yon E u 1 e n b u r g und L a Jl d o i s 2) aus dem Jahre 1876 ; diese Autoren fanden, dab bei Hunden die Region des Suleus cruciatus <tie Fi~higkeit besitzt, die Temperatur der kontralateralen Extremit~tten zu regulieren, und zwar bewirkte elektrische Reizung dieser Gegend deutliehe Abk~hlung der kontralateralen Extremiti i ten bis um 0,8 ~ C, wogegen sich naeh Zerst6rung dieser gindenpart ie die Temperatur der kontralateralen Extremit~ten bis um 13 ~ erh6hte; gemessen wurde die Temperatur an den Extremit~ten zwischen den Zehen oder durch Einstich mit den Nadeln eines Thermogalvanometers.

Einige Jahre sparer wiederholte B e c h t e r e w diese Versuche und konnte im allgemeinen die Befunde besti~tigen. Auch O t t hat diese Befunde bestgtigt.

Ieh habe diese Experimente in Gemeinsehaft mit Herrn Prof. R. H. K a h n an 3 Tieren wiederholt, doch konnte ieh diese Temperatur- differenzen nieht erzielen, obzwar ich sowohl zwischen den Zehen

1) Dtsch. Zcitschr. f. Ncrvenheilk. 31. ~) Virchows Arch. f. pathol. Anal u. Physiol. {;9.

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gemessen habe als aueh unter der Haut in eingeschnittenen Nisehen, wohin vollkommen gleiehe Thermometer eingesteekt worden waren.

Ieh habe deshMb den Versueh modifiziert, und zwar auf Grund Iolgender l]berlegung: Die Experimente von L a n d o i s s tammen aus der vorantiseptisehen Zeit, es ist deshalb nieht unm6glieh, dag dureh nieht ganz reines aseptisehes Arbeiten ein pyrogenes Moment in den Versueh gelangte. Ieh injizievte deshalb einem Hunde, dem die Gegend des Suleus erueiatus paquelinisiert worden war, Tetrahydrobetanaph- thylamin: das Tier bekam aueh eine wesentliehe doeh beiderseits gleiehe Temperatursteigerung.

Trotzdem meine Versuehe negativ ausgefallen sind, w/ire es fMseh, die friiheren Versuehe zu negieren, denn positive Ergebnisse bedeuten doeh mehr; jedenfMls zeigt sieh, dab noeh andere nieht erkannte Ver- suehsbedingungen notwendig sind, die erst gesueht werden miissen.

Naeh den vorhin erwithnten Experimenten wiirde aueh der Hirn- rinde eine Rolle bei der W/trmeregulation zukommen. Aueh aus der mensehliehen Pathologie sind Fi~lle bekannt - - wenn dies auch iiul3erst seltene Vorkomnmisse zu sein seheinen - - , welehe diesen Zusammenhang beweisen k6nnten.

So sehildert B e e h t e r e w 1) einen Fall yon traumatiseher Liision des linken Seheitelbeines mit Affektion der Zentralwindungen. ,,Von objektiven St6rungen merkte man in erster Zeit Contraeturen, Kriimpfe und starken Tremor der reehten Extremitii, ten." ,,Bei diesem Kranken ffihlte sieh die ganze reehte K6rperh~tlfte viele Woehen ]ang merklieh w:~irmer an, der reehte Arm ersehien im Vergleieh zum linken sogar lebhafter gef/irbt und mit Sehweig bedeekt. Bei der Messung der peripheren K6rpertemperatur ergab sieh zwisehen beiden Seiten eine l)ifferenz von 1---:~ ~ C." (Es ist hier zwar nieht erwiihnt, wie die Messungen gemaeht wurden, doeh diirfte wohl kaum etwas anderes gemeint sein als die Messung in der Aehselh6hle.) ,,Was die innere Temperatur anlangte, so war sie ein wenig herabgesetzt, doeh sehwankte sie auBer- ordentlieh und in unregelm~iBiger Weiss."

Die verh~tltnismiil3ig seltenen Fiille wm parMytisehem Halbseiten- fieber naeh AnfMlen hatten mieh veranlagt, diese Frage zu studieren; den ersten einsehliigigen Fall habe ieh vor 16 Jahren beobaehtet und seit der Zeit nur noeh 3 Fiille, welehe hier in Betraeht kommen; dies ist ein Beweis flit die Seltenheit soleher St6rungen.

Noeh vor dem Eingehen auf die Kasuistik ist es angezeigt, das Ver- h~tltnis der Haut tempera tur zur Aehselh6hlen- und K6rperinnen- (Rectal- usw.) Temperatur zu pritzisieren. Wenn wir yon der Verdun- stung absehen, so ist bei gleieher Luft temperatur die Temperatur der Hautoberfliiche abhitngig yon der Temperatur der Unterlage und der

~)1. e.

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136 O. Fischer:

Temperatur, Menge und Schnelligkeit des durch die Hautgefai~e zirku- lierenden Blutes; die l~eetaltemperatur kommt der Bluttemperatur annahernd gleich, da sie von der Aul]enluft dutch dicke KSrperschichten getrennt ist. Die Achseltemperatur ist viel eher HShlentemperatur a!s eine Hautoberfliichentemperatur, da die AchselhShle in gesehlossenem Zustande v o n d e r Luftzirkulation beinahe ausgeschlossen ist, wodurch sich die Hauttemperatur viel mehr a ls an anderen Stellen der Unter- lagentemperatur niihern mu[3. Wenn nun in einem bestimmten Falle die AchselhShlentemperaturen wesentlieh different sind, dann spricht das eher daffir, dait auch die Unterlage thermisch differiert, folglich, dal3 die in der Unterlage - - den Muskeln - - vor sieh gehende Wi~rme- produktion in den 2 KSrperhalften different ist. Was fiir eine Temperatur wird man in einem solchen Falle im After erwarten ? Der einfaehe physi- kalische Sehlu6 wi~re: wenn die Differenz der Achseltemperatur nur auf die warmeregulatorische Wirkung der Haut bezogen werden kSnnte, dann entspraehe die Analtemperatur der Temperatur der warmeren KSrperhalfte, falls aber eine differente Warmeproduktion vorli~ge, miiitte die Analtemperatur eher einem Mittelwerte entsprechen.

Von diesem Gesiehtspunkte ausgehend, wurde in den folgenden 2 Fallen die Temperatur gemessen.

Ein Paralytiker (Beobachtung aus dem Jahre 1906), welcher um 10 h vormittags yon einem Anfall rechtsseitiger klonischer Zuckungen mit Bewulttseinsverlust heimgesucht wurde, bot folgendes Verhalten der Temperatur :

AchselhShle reehts links Rectum

l l h v o r m . . . . . . . . 38,1 37,8

3 h n a c h m . . . . . . . 38 36,5 37,8 7 h abends . . . . . . 36,7 36,7 37,6

Em anderer Paralytiker (Beobachtung aus dem Jahre 1910) bekam um 2 h nachmittags einen Anfall yon klonischen Zuckungen der ganzen rechten KSrperhiilfte. Die Temperatur verh~ilt sich folgendermal~en:

AchselhShle rechts links Rectum

21/2 h n a c h m . . . . . . 38,5 37,8 38,3

5 h n a c h m . . . . . . . 38,5 38 38,5

7 h n a c h m . . . . . . . 38,1 38,2 38,4 12 h n a c h m . . . . . . . 37,5 37,6 38,2

a m n~tchsten Tag

11 h vorm . . . . . . . . 39,7 39,2 39,4

In beiden Fallen wurden die Messungen viel haufiger gemacht, die Temperaturen wurden durch Verwendung mehrerer Thermometer wiederholt kontrol]iert und stets war die ann~ihernd gleiche Seiten- differenz vorhanden, so dal~ Zufallsbefunde ausgeschlossen sind. In

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beiden Fallen liegt demnach der Symptomenkomplex des ,,einseitigen Fiebers" nach paralytischen Anfallen vor. Wenn es sich um eine fieber- hafte Temperaturerh6hung im ganzen K6rper gehandelt hatte, dann hatte die Differenz nur erfolgen k6nnen, wenn die durch die paralytische Attacke nicht betroffene KSrperseite - - in beiden Fallen die linke - - eine so gute Regulation der Warmeverhaltnisse zustande gebracht hatte, dab die ttauttemperatur trotz erh6hter Bluttemperatur annahernd in Normalh6he geblieben oder wesentlich tiefer geworden ware als auf der Gegenseite; dann hatte man aber auch erwarten mfissen, da[3 sich die l~ectaltemperatur nach der Temperatur der rechten SeRe hatte richten mfissen, d. h. sie hhtte stets h6her sein mfissen als rechts; dies war aber nicht der Fall, die ]~ectaltemperatur war h6her als die linksseitige, aber niedriger als die rechtsseitigc Achseltemperatur. Was bedeutet das ? Unsere bisherigen Kenntnisse fiber die Warmeproduktion lassen nur die Erklarung zu, dalt die Warmeproduktion auch peripher im K6rper und in den Extremitaten zustande kommt, da~ deren zentrale Regulation bilateral im Gehirn lokalisiert ist und dal3 letztere gelegentlich auch bilateral asymmetrisch fungieren kann.

Zu diesem Schlusse braucht man aber nicht einmal die Rectal- messung, es geniigt schon die Feststellung, dait die Achselh6hlentem- peratur erh6ht ist; denn man mii3t in der gut geschlossenen Achselh6hle doch nicht die Hauttemperatur, sondern die Temperatur einer K6rper- h6hle, die viel mehr von der K6rpertemperatur als der Hauttemperatur abh~ngig ist.

Beide Paralytiker hatten klonische Anfalle der rechten K6rperseitc, welche sich in den kurzen rhythmischen Zuckungen der Extremitaten manifestierten und etwa ~/2 Stunde andauerten; ich glaube nicht, da[t jemand die Temperaturerh6hung auf diese motorische Muskelaktion beziehen wollte, haben wir doch allt~gliche Beweise daffir, da[t (lie intensivste Muskelaktion doch nur eine geringe und keine wesentliche Temperaturerh6hung des K6rpers hervorruft; fibrigens fiberdauerte die Temperaturdifferenz die Muskelkr~mpfe durch mehrere Stunden.

Weiters ist zu bedenken, dal3, falls tatsachlich eine auf vasomotori- schem Wege hervorgerufene bessere Regulierung der Temperatur der gesunden Seite in Betracht kame, dies nur durch gesteigerte Warme- abgabe m6glich ware; in einem solchen Fall mfi~te man aber doch irgendeine ~nderung der ttautzirkulation und starkere Schweil3abson- derung merken, doch stets verhalt sich die Haut der Extremitaten auf beiden KSrperhalften bis auf die Temperatur vollkommen gleich.

Man kommt also immer wieder darauf zurfick, dal~ der Differenz der Temperatur eine Differenz der Warmeproduktion in beiden KSrper- h~lften zugrunde liegt; als Warmequelle wfirde da wohl nur die Musku- latur in Betracht kommen.

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] 3S O. Fischer :

Nachs tehender Fa l l is t ebenfal ls geeignet, b rauchbares Mater ia l zu der uns hier besch~ft igenden F rage zu l iefern:

46j/~hr. Mann~ erlitt apoplektiform eine sensorische Aphasie (Beobachtung aus dem Jahre 1919); dieselbe ging im Laufe ciniger Minuten vollkommen zurtiek. so flail er bis auf eine ganz leichte psychische Ver/~nderung im Sinne einer ]eichten Reizbarkcit und geringgradige Vergel~lichkeit als normal gelten konnte. 6 Monat(, nach der ersten Attacke wird er abends im Klosett bewu[3tlos aufgefunden; nach- h('r zu Bert gebracht, ist er unerweckbar sopor6s, gelcgentlieh bewegt er etwas die rechtt~n Extremit/~ten, (lie linken sind vollkommen schlaff; das linke Gcsicht schlaff; beim Atmcn geht die Luft durch den linken Mundwinkel; beide Bauch- reflexe fehlen, links Babinski. In diesem Zustand bleibt der Kranke durch 2 Tagc, schluckt nicht; am 3. Tage steigt die Temperatur pl6tzlich recht hoch; die Mes- sungen ergeben:

AchselhShle rechts link~ After

5 h nachm . . . . . . . . 38,8 39,4 39,8 8 h abends . . . . . . . 38,5 39,4 39,6 9 h abends . . . . . . . 38,6 39,5 39,7

Einige Stunden sp/~ter Exitus. Eine Obduktion wurde nicht gemacht, die Diagnose einer Apoplexie dutch

H/~morrhagie in der rechten Hirnh/~lfte bedingt, ist selbstverst/~ndlich.

Es is t in d iesem Fal le anzunehmen, daft n icht der cerebrale Prozel3 - - denn das F iebe r t r a t ers t 3 Tage nach der cerebra len A t t a c ke auf - - . sondern i rgendein t e rmina le r Entzfindungsl0rozel3 - - eine I)neumonie - - die F iebers te ige rung machte . Auch hier sehen wir die T e m p e r a t u r auf dcr aff iz ier ten KSrperse i te hSher als auf der n ichtaf f iz ie r ten ; die After- t e m p e r a t u r is t zwar h6her als die - - h6here - - T e m p e r a t u r der l inken Seitc, aber immerh in um cin geringeres, als es sonst un te r normalen Verhii l tnissen zu sein l)flegt. T ro t zdem k6nnte man sich in diesem Fa l le doch zur Annahme neigen, daft es nur die pcr iphere Regul ierung ist, welche diese Diffcrenz macht , aber dcr E inwand, daft die Achselh6hlen- t e m p e r a t u r keine H a u t t e m p e r a t u r , sondern eine K6rperh~ l f t en tempera - tu r dars te l l t , st6ftt diesc A n n a h m e um, um so mehr als man bei dieser groften Seitendifferenz der Tempera tu r (0 ,6--0,9 ~ i rgendwelche J~nde- rungen in dem Blu tgeha l t der H a u t und der Schweif tabsonderung hh t t e sehen mfissen, was jedoch n ich t zu t ra f ; man k o m m t also schon per exclus ionem zur Annahme, daft hier das pyrogene Agens zwar auf beide Hemisphi i ren w~irmeproduzierend wirktc , daft aber die ges t6r te Hemi- sphiire st~irker ansp rach als die normale.

Die g i c h t i g k e i t dieser Erk l i i rung beweis t folgender Fa l l :

25j/ihr. Frau; im Februar 1920 unter Fieber yon 39,5 ~ Auftreten einer chorea- tischen Unruhe, deliranter Desorientiertheit und Verkennung der Umgebung; Pat. war damals in einer Anstalt und bekam einen seichten Decubitus am Sacrum. Nach 14 Tagen Beruhigung, doch bald darauf Wiederanftreten einer /ingstlichen Stumpfheit bci sehr schlechtem Schlaf.

Mai 1920. (Sanatorium Weleslawin bei Prag.) Psychisch: )~ngstlich(, Hem- mung. Somatis(.h: Pat.. liegt im Bett meist mit geschlossenen Augen, miirrischem

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Zur F,'age des cerebralell und des ,:halbseitigen :' Fiebers. 139

Gcsichtsausdruck, h~lt den Kopf etwas fiber dem Polster erhoben und nach vorne geneigt; stere Unruhe des linken Beines und linker Armes, und zwar in Form streng rhythmischer Anspannung des ganzen Armes und Beines, d. h. der gesamten Gliedmuskulatur, die jedoch nur zu minimaler Bewegung im Knie, resp. im Ell- bogen fiihren; diese Bewegungen haben meist Beugecharakter, manchmal abet auch Streckcharakter. Die Muskelaktionen sind am Bein und Arm streng synchrom, wiederholcn sich etwa 16--18 real in 1 Minute und dauern etwa 1/2--:~/4 Sekunden an. Aul~er den Muskelkontraktionen der Extremithten kommt es zu Anspannung des linken Sternocleidomastoideus und Cucullaris, manchmal auch der linksseitigen Bauchmuskulatur und der linksseitigen Riickenmuskulatur, gelegentlich auch zu leiehten Bewegungen der Finger, und zwar meist in Form yon SchlieBen der Finger bei Auswartsrotation der Hand. Alle diese Muskelaktionen verlaufen stets rhyth- misch und strcng synchrom mit den anderen Muskelaktionen der Extremit~ten. Bauchreflcxe warcn (wegen Spannung?) nicht ausl6sbar. Sehnenreflexe beider- seits sehr lebhaft, links Babinski und Ful~klonus. Sonst somatisch nichts Patho- logisches, namentlich keine Sensibititi~tsst6rung, soweit es bei der recht stumpfen Kranken fiberhaupt prtifbar war.

Am Sacrum ein Decubitalgeschwiir mit reinem granulierenden Grunde. Bis zum 15. VI. 1920 blieb der Zustand im Prinzip unver~ndert; an diesem Tage kommt

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Abb. 1. Temperaturtabelle von 4 aufeinanderfolgenden Tagen. Die Temperatur wurde bei Tag jede Stun,te gemessen. I{echte Achselh6hle = gestri(.helte Linir Linke Achselh6hle = ge-

zogene Lirlie.

es zu einer Temperatursteigerung, ohne dab man am K6rper, mit Ausnahme des l)ecubitus, eine fiebererzcugende Ursache h~tte auffinden k6nnen, obzwar sich dieser auBerlich gar nieht ver~ndcrt hatte und stets einen reinen granulierenden Crund aufwies. Von diesem Tage an blieb die Tcmperatur erh6ht bis zum Tode, und zwar derartig, dab ohne Ausnahme die Temperatur dcr linken Seite deutlich h6hcr war als (tie dcr rechten. Etwa 14 Tage blieb der Zustand unver~ndert; gegen Ende Juni kam es zu ciner recht rapiden Vergr6Berung des Decubitus; Mitre .]uIi entwickeltcn sich zuerst in Form yon Blasen, spkter dutch prim~ren nekro- tischen Zerfall Decubitalgeschwiire an allen vorstehenden Knochenpartien der untercn Extrcmit~ten, die Patientin verfiel k6rperlich, die Geschwtire wurden jauchig, Anfang August stieg die Temperatur bis fiber 40 ~ und am 17. VIII . 1920 erfolgte der Exitus an Sepsis. Die erw~hnte Muskelunruhe blieb bis zum Tode bestehcn, wurde nur in den letzten 4 Wochen an Intensit~t wesentlieh geringer, aber doch noch deutlich merkbar bei ganz gleichem Rhythmus wie friiher.

W i e o b e n e r w k h n t , b l ieb die T e m p e r a t u r d i f f e r e n z der be iden K6rpe r -

se i ten his z u m T o d e ; in d ieser g a n z e n Ze i t w u r d e n f i in fmal t~tglich

ve rg l e i chende M e s s u n g c n in b e i d e n Achse lh6h len g e m a c h t u n d y o n den

R e s u l t a t e n g ib t die Tabc l l e (Abb. 1) ein Bild; ich r ep roduz i e r e bier nu r

Page 10: Zur Frage des cerebralen und des „halbseitigen“" Fiebers

1 4 0 O. F i sche r :

(tie R e s u l t a t e y o n 4 T a g c n , we i l s i c h d a s V e r h a l t e n i m P r i n z i p n i c h t

~ inde r t e .

D i e T e m p e r a t u r m e s s u n g e n w u r d e n n u n n i c h t n u r i n d e r A c h s e l h S h l e ,

s o n d e r n a u c h a n a n d e r e n K 6 r p e r s t e l l e n v o r g e n o m m e n , u n d z w a r :

i m M u n d , i n b e i d e n N a s e n g ~ t n g e n , i n b e i d e n h u l ~ e r e n G e h 6 r g ~ n g e n ,

i m A f t e r u n d a n v e r s c h i e d e n e n S t e l l e n d e r H a u t o b e r f l i i c h e . D i e M e s -

s u n g e n h a b e i c h s t e t s s e l b s t d u r c h g e f t i h r t m i t g e n a u g e e i c h t e n M a x i m a l -

t h e r m o m e t e r n , d i e s t e t s i m m e r w i e d e r g e w e c h s e l t u n d v e r g l i c h e n w u r d e n ;

d i e H a u t t e m p e r a t u r w u r d e m i t 2 P a a r e n y o n H a u t t h e r m o m e t e r n

g e m a c h t , d i e a u f b e i d e n S e i t e n s t e t s g l e i c h z e i t i g u n d u n t e r g e n a u d e n -

s e l b e n B e d i n g u n g e n e n t w e d e r m i t o d e r o h n e B e d e c k u n g d u r c h g e f t i h r t

w o r d e n s i n d . D i e R e s u l t a t c e r g e b e n s i c h a u s f o l g e n d e r T a b e l l e , d i e d e r

K i i r z e h a l b e r w i e d e r n i c h t a l l e M e s s u n g e n w i e d e r g i b t , s o n d e r n n u r (tie

M e s s u n g e n a n 5 v e r s c h i e d e n e n T a g e n :

16. VI. 5 h n a c h m . 5 h 5 ' ,, 5 h 10' ,, 5 h 15' ,, 5 ~ 20' ,, 5 h 30' ,, 5 h 40' ,,

5 h 50' ,, 5 h 60' ,, 7 h 30' ,, 7 h 40' ,, 7 h 40' ,,

7 h 50' ,, 7 h 50' ,, 8 h 00' ,,

8 ~ 10' ,, 8 h 15' ,, 8 h 20' ,, 8 h 25' ,,

20. VL 8 h 30' vorm. 8 h 40' ,, 8 h 40 ' ,, 8 h 45 ' ,, 8 h 50' ,, 9 h 00 ' , ,

9 h 10' ,, 9 h 20' ,, 9 h 20' ,,

L. R.

Achse lh6hle . . . . . . . . . . . . . . 38,8 "~8,2 G e h 6 r g a n g . . . . . . . . . . . . . . 38 38,1 Achse lh6h le . . . . . . . . . . . . . . 38,8 38,3 N a s e n g a n g . . . . . . . . . . . . . . 38,8 38,8 H a n d f l ~ c h e bei z u g e m a c h t e r F a u s t . . . 37,4 37,2 Achse lh6h le . . . . . . . . . . . . . . 38,0 37,8 Obere Backenfa l t e (der T h e r m o m e t e r wurde zwischen die obere Zahnre ihe u n d die W a n g e bei gesch lossenem M u n d ge- ha l ten) . . . . . . . . . . . . . . . . 37,2 37,2 Af te r . . . . . . . . . . . . . . . . . 38,4 W a n g e n h a u t . . . . . . . . . . . . . . 37 37 Achse lh6hle . . . . . . . . . . . . . . 38 37,8 F a u s t . . . . . . . . . . . . . . . . . 37,8 37,4 B a u c h h a u t u n d M i t t e l bauchgegcnd je 15cm yon dcr Mit te l l inie . . . . . . . . . . . 35,7 35,4 Achse lh6hle . . . . . . . . . . . . . . 37,6 37,3 A f t e r . . . . . . . . . . . . . . . . . 38,2 Z w i s c h e n r a u m zwischcn dew grof3cn u n d zwei ten Zehe . . . . . . . . . . . . . 36,2 35,7 desgl . . . . . . . . . . . . . . . . . 36,4 35.7 Achse lh6h lc . . . . . . . . . . . . . . 37,7 37,3 G e h 6 r g a n g . . . . . . . . . . . . . . 36,9 37 Dorsale Handf l i t che . . . . . . . . . . 35,3 35

Achse lh6h le . . . . . . . . . . . . . . 37,2 36,5 Achse lh6hle . . . . . . . . . . . . . . 37,1 36,3 F a u s t . . . . . . . . . . . . . . . . . 37,3 36,5 AchselhShle . . . . . . . . . . . . . . 37,2 36,4 Z e h e n z w i s c h e n r a u m . . . . . . . . . . 35,9 35,5 Geh6 rgang . . . . . . . . . . . . . . 36,8 36,7 H a u t des D o r s u m s tier H a n d . . . . . 33,6 33,2 N a s e n g a n g . . . . . . . . . . . . . . 35 35 Af te r . . . . . . . . . . . . . . . . . 37,6

Page 11: Zur Frage des cerebralen und des „halbseitigen“" Fiebers

Zur Frage

26. VI. 5 h 30' nachm. 5 h 35' ,, 5 h 40' ,, 6 h 00' ,, 6 h 00' ,, 6 h 15' ,, 6 h 15' ,, 6 h 20' ,,

2~. VI. 4" 00' ,, 4" 00' ,, 4 h 10' ,, 4 h 10' ,, 4 h 20' ,, 4 h 30' ,, 4 h 40' ,, 4 h 50' ,, 4 h 55' ,, 5 ~ 00' ,, 5 h 10' ,, 6 h 00' ,, 6 h 10' ,, 6" 20' ,,

6. VII. 8 h 30' vorm. 8 h 35' ,, 8" 40' ,, 8 h 50' ,, 9 h 10' ,, 9 h 20' ,, 9 h 20' ,,

des cerebralen tmd des ~,halbseitigen" Fiebers. 141

L. R. Achselh6hle . . . . . . . . . . . . . . 36,9 36,3 After . . . . . . . . . . . . . . . . . 37,6 Haut am Oberarm . . . . . . . . . . . 36,1 35,9 Achsel . . . . . . . . . . . . . . . . 37,6 37,4 After . . . . . . . . . . . . . . . . . 37,8 Achsel . . . . . . . . . . . . . . . . 37,6 37,0 After . . . . . . . . . . . . . . . . . 37,3 Haut des Vorderarmes . . . . . . . . . 36,1 35,9

AchselhShle . . . . . . . . . . . . . . 37,4 37,7 Haut des Oberarmes . . . . . . . . . 34,4 33 Faust . . . . . . . . . . . . . . . . . 36,7 35,8 Brusthaut . . . . . . . . . . . . . . . 36,1 35,8 I-Iaut des Oberarmes . . . . . . . . . 34,2 33,0 Achselh6hle . . . . . . . . . . . . . . 37,4 36,5 Bauchhaut . . . . . . . . . . . . . . 36,4 36,1 Achselh5hle . . . . . . . . . . . . . . 37,3 37 GehSrgang . . . . . . . . . . . . . . 37,2 36,4 Oberschenkelhaut unter der Decke . . . 35,6 35,6 GehSrgang . . . . . . . . . . . . . . 37,2 37,0 AchselhShle . . . . . . . . . . . . . . 37,6 37,0 Brusthaut . . . . . . . . . . . . . . . 36,7 36,4 Dorsum der Haut . . . . . . . . . . . 34,7 33,9

AchselhShle . . . . . . . . . . . . . . 37 36,5 After . . . . . . . . . . . . . . . . . 37,1 GehSrgang . . . . . . . . . . . . . . 35,6 35,4 Haut des Vorderarmes . . . . . . . . . 34,9 34,5 AchselhShle . . . . . . . . . . . . . . 37,5 37 After . . . . . . . . . . . . . . . . . 36,6 Faust . . . . . . . . . . . . . . . . . 37,2 36,6

N a c h d e m T o d e w u r d e e ine S e k t i o n des G eh i rn s u n d R i i c k e n m a r k s

v o r g e n o m m e n , we lche m a k r o s k o p i s c h n i c h t s B e s o n d e r e s d a r b o t e n .

M i k r o s k o p i s c h : g i i c k e n m a r k : N i c h t s w e s e n t l i c h P a t h o l o g i s c h e s . G e h i r n :

A n de r O b l o n g a t a u n d a m P o n s t y p i s c h e , d u r c h w e g s g e r i n g g r a d i g e

p e r i v a s c u l g r e I n f i l t r a t e v o n d e r A r t , wie sie be i de r e p i d e m i s c h e n E n c e -

pha l i t i s b e k a n n t s i n d ; in d e n L i n s e n k e r n e n u n d d e n T h a l a m i op t i c i

w e s e n t l i c h s t g r k e r e p e r i v a s c u l g r e I n f i l t r a t e u n d d a b e i a u s g e s p r o c h e n

f l eckenwe i se E n t a r t u n g der Gang l i enze l l en m i t d e u t l i c h e r V e r m e h r u n g

de r p l a s m a t i s c h e n Glia. D a b e i i s t die V e r g n d e r u n g in d e m r e c h t e n

T h a l a m u s u n d L i n s e n k e r n d e u t l i e h s t g r k e r ; de r Nuc leus c a u d a t u s u n d

die H i r n r i n d e i s t f re i y o n e n t z f i n d l i c h e n u n d d e g e n e r a t i v e n P r o z e s s e n .

Der Fa l l i s t e ine t y p i s c h e e p i d e m i s c h e E n c e p h a l i t i s , d e r e n neu ro -

log isches H a u p t s y m p t o m die e inse i t ige M u s k e l u n r u h e war ; d iese Muskel -

u n r u h e i s t r e c h t s c h w e r zu k lass i f iz ie ren , sie g e h 6 r t w e d e r de r ch o rea -

t i s c h e n n o c h d e r a t h e t o t i s c h e n B e w e g u n g s s t S r u n g a n u n d e r i n n e r t

a n d e u t u n g s w e i s e w e n i g s t e n s a n die y o n K e m m l e r u n d m i r 1) be-

z) Monatsschr. f. Psych. u. Neurol. 1906.

Page 12: Zur Frage des cerebralen und des „halbseitigen“" Fiebers

142 O. Fischer:

schriebenen rhythmisehen Kr~mpfe bei der progressiven Paralyse. Die die Kriimpfe bedingende St5rung ist wohl in die Basalganglien zu verlegen, erstens aus der Erfahrung, daft gerade bei der epidemischen Encephalitis unwillkfirliche Bewcgungen vorkommen, zweitens well wir auch in unserem Falle die typischen anatomischen Veranderungen in den basalen Partien des Zwischenhirns nachweisen konnten ; diese war fiberdies auf der kontralateralen Seite der Bewegungsanomalie in deutlieh sti~rkerem Mafte vorhanden. Da ich auf die eigenartigen Bewegungs- st6rungen noch in einem anderen Zusammenhang eingehen werde, so sollen diese hier nicht welter er6rtert werden, ich will nur bemerken. daft diese _~&nlichkeit der hier geschilderten Muskelzuckungen mit den erwi~hnten paralytischen Zusti~nden eine so grofte ist, daft ich der An- sicht bin, daft die paralytisehen rhythmischen Zuckungen nieht eorti- ealen, sondern eher strii~ren Ursprunges sind. Hier m5chte ich einst- weilen nur auf die eigenartigen Verhi~ltnisse tier Temperatur (lie Aui- merksamkeit lenken. Das Sonderbare des Falles liegt eben darin, daft wir eine Bewegungsst6rung vor uns haben, welche auf einer L~sion des kontralateralen Zwischenhirns basiert und daft mit dem Moment des Auftretens einer fiebererzeugenden Erkrankung - - Septischwerden des Decubitus - - die yon der Bewegungsst6rung befallene K6rperhi~lfte mit deutlich sti~rkerer, fiber die ganze Zest der Erkrankung bestehender Temperaturcrh6hung reagiertl). Aus den Temperaturmessungen geht sovM hervor, daft diese Differenz sich bezog:

1. Auf die Achselh6hlentemperatur, 2. auf die Hautoberfliichentemperatur der Extremiti~ten und de~-

Stammes, daft jedoch 3. die Temperatur der Hautoberfli~che am Kopfe und an den K6rper-

h6hlen des Kopfes (Mundh6hle, Nasengang und ~ul3erer GehSrgang) keine oder ganz minimale, wohl nichtssagende Differenzen aufwies.

Aus der Temperaturmessung der Achselh6hlen kann man schlieften. daft nicht nur die W~rmeregulation, sondern auch die Wi~rmeproduktion der einen K6rperhKlfte h6her sein mu!~te, es war jedoch nicht m6glich, aus der Aftertemperatur einheitliche Schlfisse zu ziehen. Denn es ergab sich, daft die Temperatur an einem und demselben Orte, z. B. der Achselh6hle oft in 1/2 Stunde Differenzen bis zu 1 ~ zeigte, wogegen die Aftertemperatur wesentlieh geringere Schwankungen aufwies. Ich hatte auch den Eindruck, dal~ die Kranke durch die Temperaturmessungen irritiert war und daB, je starker sie sieh irritiert Iiihlte, cs desto leichter zu Sehwankungen kam. Aber das ist festzuhalten, daft auch w:~ihrend der Sch wankungen die Differenzen zwischen beiden K6rperhiilften immer im Prinzip gleich blieben: die linke K6rperh~lfte hatte stets eine h6here Temperatur als die rechte. Der Umstand, daft die Temperatur (let'

i) Nur ausnahmsweise und vortibergehend war das Verhalten umgekehrt.

Page 13: Zur Frage des cerebralen und des „halbseitigen“" Fiebers

Zur Frage des eerebralen und des ,halbseitigen" Fiebers. 143

AchselhShlen - - bei Erregung, vielleicht auch nur bei Erregung! - - viel starker sehwankte als die Aftertemperatur, spricht aueh daftir, dab die Wi~rmeproduktion nicht im Stamme allein, sondern auch in den Extremiti~ten mit selbsti~ndiger Steuerung lokalisiert sein muB. Die Technik der Temperaturmessung war natiirlicherweise nicht ganz ideal. man hittte an den versehiedenen KSrperstellen dauernd Thermometer (und zwar keine Maximalthermometer) angelegt halten mfissen und durch langere Zeit die Schwankung der Temperatur registrieren sollen. aber dies durehzuffihren war mir technisch unmSglich.

Wenn ich nun meine Beobachtungen zusammenfasse, so ergeben sich folgende Schltisse :

D i e b e i P a r a l y t i k e r n a n f a l l s w e i s e o h n e s o m a t i s c h e N e b e n - e r k r a n k u n g a u f t r e t e n d e n F i e b e r z u s t i ~ n d e s i n d m i t g r S B t e r W a h r s c h e i n l i e h k e i t d u r c h e ine b e s o n d e r e , w a h r s c h e i n l i c h in d e n b a s a l e n G a n g l i e n l o k a l i s i e r t e E x a c e r b a t i o n des p a r a l y t i s c h e n P r o z e s s e s b e d i n g t ; die erwi~hnten Beobaehtungen von Paralytikern, bei welehen im AnschluB und wiihrend halbseitiger, wenn auch ganz minimaler Krampfzuckungen auf der betroffenen KSrperhglfte eine wesentlieh hShere Temperatur der Haut- und Aehsel- hShlen bestand als auf der anderen Seite, beweisen unter Bertieksichti- gungderAftertemperatur, daBa uf d e r k r a n k e n S e i t e e i n e e r h S h t e r e W iir m e b i 1 d u n g v or h a n d e n s e i n m u B als auf der niehtkrampfenden Seite. Da[~ die Muskelaktion als solche die ErhShung der Temperatur nieht bedingt, beweist ein Fall yon frischer, durch Hirnblutung bedingter Hemiplegie, bei welchem es infolge einer terminalen Pneumonie zu einer Temperatursteigerung kam, die auf der gelahmten Seite wesentlich hSher war als auf der anderen; hier war nichts yon einer Muskelunruhe. im Gegenteil hier lag eine schlaffe Liihmung vor und doch war die starke Wi~rmebildung vorhanden. Dasselbe zeigt noch drastischer ein Fall von epidemischer Encephalitis, bei welchem trotz der lange bestehenden halbseitigen rhythmischen Muskelunruhe keine Differenz in der KSrper- hglftentemperatur bestand, die jedoch erst dann auftrat, als der Decubi- tus septisch geworden war. Die in de r G e g e n d de r B a s a l g a n g l i e n sitzende Affektion wurde zur Ursache, daB, a l s s ich a u s a n d e r e n G r i i n d e n e in F i e b e r z u s t a n d e n t w i c k e l t h a t t e , die k o n t r a - 1 a t e r a l e KSr perh~t l f te wi~r mer w u rd e, d. h. dab das pyrogene Agens - - Toxin - - auf das e r k r a n k t e Gebiet viel i n t e n s i v e r einzuwirken imstande war als auf das nieht-, resp. sehwgcher erkrankte Gebiet der anderen Seite.

Weitergehende Sehliisse aus diesem Materiale zu ziehen, wi~re allzu billig; weitere Beobachtungen und namentlich entsprechende experi- mentelle Untersuchungen werden vorerst anzustellen sein und miissen erweisen, ob sich denn tatsSohlich alle die bier beschriebenen St6rungen

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144 O. Fischer: Zur Frage des cerebralen u.d des .halbseitige." Fiebers.

bei einem iihnlichen Materiale stets beobachten lassen, also streng gesetz- m~iftig sind - - oder ob auch noch gewisse Abweichungen feststellbar sind. A priori kann man annehmen, daft hier sehr verwickelte Ver- hiiltnisse vorliegen miissen, da der Wi~rmehaushalt des 0rganismus eine der wichtigsten vitalen Bedingungen darstellt, so daft dement- sprechend entweder ein einziges, aber recht kompliziertes, oder aber mehrere an verschiedenen Stellen lokalisierte Regulierungszentren bestehen diifften.

Jedenfalls wird es noch notwendig sein, bei solchen Fi~llen die Schweiftbereitschaft der Haut und die Blutversorgung der Hau t durch direkte Mikroskopie der Hautcapillaren aufs genaueste zu studieren.