21
Zur Harmonik des griechischen Volksliedes Author(s): Heinrich Husmann Source: Acta Musicologica, Vol. 53, Fasc. 1 (Jan. - Jun., 1981), pp. 33-52 Published by: International Musicological Society Stable URL: http://www.jstor.org/stable/932568 . Accessed: 13/06/2014 07:01 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . International Musicological Society is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Acta Musicologica. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

Embed Size (px)

Citation preview

Zur Harmonik des griechischen VolksliedesAuthor(s): Heinrich HusmannSource: Acta Musicologica, Vol. 53, Fasc. 1 (Jan. - Jun., 1981), pp. 33-52Published by: International Musicological SocietyStable URL: http://www.jstor.org/stable/932568 .

Accessed: 13/06/2014 07:01

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

International Musicological Society is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toActa Musicologica.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

33

Zur Harmonik des griechischen Volksliedes HEINRICH HUSMANN (GOTTINGEN)

Das Volkslied ist schon an sich ganz allgemein eine der interessantesten musikalischen Erscheinungen - iiberliefert und bewahrt es doch nach der herr- schenden musikwissenschaftlichen Meinung bei der iibergroigen erstaunlichen Konservativitdit jeder Volksmusik mehr oder minder groiBe Reste friiherer Musik- kulturen, von denen wir in der schriftlichen Olberlieferung vielleicht keine Zeugnisse mehr besitzen. Dem griechischen Volkslied widmet die Musikwissenschaft immer wieder erneut besondere Aufmerksamkeit, da es unter Umstdinden sogar bis in die klassische griechische Antike zuriickfiihrt, - noch vor kurzem hat S. Baud-Bovy in der Revue de Musicologie LXIV (1978), S. 153-180, eine Studie Le dorien etait-il un mode pentatonique ? veroffentlicht, in der er aus Eigenheiten des heutigen Volkslied- vortrages das Wesen der antiken Oktavgattungen Dorisch und Phrygisch als nur zweier verschiedener Formen ein und derselben Skala zu verstehen sucht und von heutigen Stimmungen der Volksmusikinstrumente ausgehend die antiken Skorda- turen interpretiert; ich hatte freilich in Olympos, die Anffinge der griechischen Enharmonik schon 1937 im Jahrbuch der Musikbibliothek Peters XLIV, S. 29ff., dasselbe Problem diskutiert und eine andere Losung vorgeschlagen (siehe unten iiber ,,Doppeltone"), auf die Baud-Bovy nicht eingegangen ist.

Was das griechische Volkslied speziell betrifft, so ist eine zweite Frage noch delikater: die nach fremden Einfliissen, insbesondere nach tiirkischem Einflu1R. Hier gibt es Erscheinungen, die ebenso in der tiirkischen Musik vorkommen und die so speziell sind, etwa die Chromatik, dait an eine voneinander unabhaingige Entste- hung an zwei verschiedenen Stellen und erst recht nicht in zwei so verschiedenen Kulturen nicht gedacht werden kann. Wenn aber eine Abhdingigkeit besteht, so ist es eher plausibel, daiB die tiirkische Musik, die auf eine eingehende Befruchtung durch die persische und arabische Musik zuriickblickt und umgekehrt der arabischen Musik fiihrende Theoretiker wie Al-Farabi und Sdinger wie Ibn-Surayj schon in so friiher Zeit zugefiihrt hat, im grogen und ganzen der gebende Teil gewesen ist.

Endlich ist es besonders fiir den griechischen Menschen eine wesentliche Frage, wie weit sein Volkslied mit der Musik der Kirche, noch heute ,,byzantinische" Musik genannt, als ob sie noch im Mittelalter verharrte, identisch ist, - gerade jetzt 1980 ist ein 1941 geschriebenes Buch von K. A. Psachos mit dem Titel To oktoachon systema tes byzantines mousikas ekklesiastikas kai dam5dous kai to tas armonikas synachseas in Neapolis, Kreta, mit einem Vorwort von G. I. Chatzitheodoros aus dem NachlaB publiziert worden, das - entsprechend seinem Titel - im SchluBkapitel Oi achoi tan D~madan asmatan en sygkrisei pros tous tas Ekklasiastikas Mousikes anhand von Musikbeispielen aus beiden Repertoires ihre ,,enge Identitit" (stena tautotes, S. 180) beweisen will und an den freilich stilistisch sehr einfachen Stiicken auch mit Gliick demonstriert. Der ganze Abschnitt richtet sich gegen Mme. M. Merlier, die in ihrer Veroffentlichung von mittelgriechischen Volksliedern Tragoudia

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

34 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

tis Roumels, Athen 1931, auf S. id' der Einleitung auseinandersetzte, daig die kirchliche Musik Echoi, die durch apachema (Intonationsformel), despozontes phtoggous (beherrschende T6ne, - wie unsere Tonika, Dominante usw.), elxeis

(Erh6hungen und Vertiefungen nach Art des gregorianischen fa super la) und katal- xeis (Schlulgformeln) gekennzeichnet sind, verwendet, waihrend die Volkslieder nur

tropoi kennen, die nach Art der europiischen Tonleitern nur reine Skalen sind (was aber nicht einmal unsere mit Dominanten, Leitt6nen usw. ausgestatteten Tonleitern sind). Die vorliegende Studie wird voll und ganz den Standpunkt von Psachos

bestiitigen. Freilich ist damit nicht seine Begriindung gerechtfertigt, da.9 die Gleichheit des Stils von geistlicher und weltlicher griechischer Musik daher riihrt, da1? (S. 179) ,,die Volkslieder als ihre Amme die antike und hauptsdichlich die

byzantinische Musik haben" (Ta dimadj asmata trophon aut5n echousi tin

archaian kai kyrias tin Byzantinin mousikin); denn einmal kann auch umgekehrt das Volkslied eine Wurzel des kirchlichen Musikstils sein, wie es in Europa in

weitem Maige der Fall ist, und andererseits kann die Gleichheit zweier Gr6i1en nach

einem bekannten mathematischen Satz daher riihren, daig sie einer dritten gleich sind, und ich glaube in der Tat, daig sich die Identitaiten von byzantinischer Kirchenmusik und griechischem Volkslied in vielen Fillen, wie schon Psachos

annimmt, aus einer gemeinsamen antiken Quelle erkliren, in vielen charakteristi- schen Punkten aber aus einem auf beide gemeinsam ausgeiibten tiirkischen Einflu1R. Das eben soll sich im Verlauf dieser Studie ergeben.

Die Kenntnis des posthum erschienenen Buches von Psachos verdanke ich M. Pirard, musikwissenschaftlichem Rezensenten von Byzantion, der mich auf die Neuerscheinung hinwies und mir sein Exemplar zur Verfiigung stellte. Ebenso besorgte er mir aus freien Stiicken die Neuausgabe der Liedsammlung Pandora, wihrend ich noch nach der Erstaus- gabe fahndete, und die Lieder von Koniakos, die beide im folgenden fortlaufend benutzt werden. Ich danke ihm daher auch hier herzlich. Ober ihn lief auch die Verbindung zu Vater Spyridon, damals Pfarrer der griechisch-orthodoxen Gemeinde Briissel-Molenbeek, jetzt wieder in Griechenland, der mir sein Exemplar der Ermeneia des Stephanos A'. Domestikos vorlegte und seine Xerokopie fiir meine Arbeiten (zuerst die Identifizierung, - siehe unten) iiberlietg.

I. Die Lieder der Handschrift Iviron 1203

Jede Untersuchung der griechischen Volkslieder hat auszugehen von den iiltesten Liedern, ffir die uns Melodien iiberliefert sind, denen der Handschrift 1203 des

Athosklosters Iviron (Katalog der Athoshandschriften von Sp. Lambros Nr. 5323). Schon Lambros hatte die Texte ediert und nach Fotografien wurden einzelne

musikalische Obertragungen gemacht. Aber erst 1960 legte B. Bouvier, Dimotika

tragoudia apo cheirographo tis monis t5n Ibjran (= Collection de l'Institut

frangais d'Athines 120, Athen 1960) eine diplomatische Ausgabe von Text und Musik vor, der auch Faksimiletafeln beigegeben sind, die eine unabhlingige Bearbeitung ermiglichen. Ein Aufsatz desselben Verfassers in den Berliner Byzanti- nischen Arbeiten 16, Berlin 1960, S. 21-26, wies die breitere Offentlichkeit auf die

Bedeutung der Lieder hin. Aufgrund von Bouviers Arbeiten und in Verbindung mit ihm brachte dann Mme. D. Mazarakis, Mousike ermaneia tcn demotikan tragou-

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 35

di5n tas mones tan Ibaran, Athen 1967, ihre musikalische Obertragung der Lieder heraus, - die Lieder sind in der Handschrift in der iiblichen mittelbyzantinischen Notation aufgezeichnet. Die rhythmische Fassung hat Frau Mazarakis nach eigenem stilistischen Gefiihl so gewihlt, daiB das Resultat der Form der heute noch lebendigen Lieder m6glichst aihnelt, - nach dihnlichen Thesen werden ja auch bei uns immer wieder Obertragungen von Troubadourliedern u. a. gemacht. Jedenfalls haitte die europdiische Forschung diesen Vorschlag auf das ernsteste diskutieren miissen, insbesondere nachdem M. Dragoumis auf dem Kopenhagener 11. Kongre1l der Internationalen Gesellschaft ffir Musikwissenschaft 1972 die Ubertragungspraxis der diltesten Umschriften in die neue Notenschrift nach 1820 klarlegte, die von der der Monumenta Musicae Byzantinae ganz entscheidend verschieden ist, wie Dragoumis an einem Musikbeispiel dazu noch drastisch vorfiihrt. Auch meine neuen Arbeiten deuten in diese Richtung, - siehe das Notenbeispiel S. 253 meines

Beitrages Echos und Makam in Archiv fair Musikwissenschaft XXXVI, 1979, S. 237-253.

Leider ist Frau Mazarakis' Werk durch einen hiiflichen Olbertragungsfehler verunstaltet: die Folge Oligon-Apostrophos, etwa g f S. 72 gleich in der 1. Melodiezeile, iibertrigt sie oft in der umgekehrten Reihenfolge, dort ef. Man kann durch Studium von Parallelstellen u. i. feststellen, daft dies tatsichlich falsch ist, auch wenn es in heutigen Musikschulen iiblich sein sollte.

Die niichste Arbeit legte D. Conomos vor: The Iviron Folk-songs - A Re- examination, bereits 1970 nach Fotografien von E. Wellesz fertiggestellt, aber erst 1979 in Studies in Eastern Chant, vol. IV, S. 23-53, erschienen. Conomos hat

tatsdichlich einige wenige Notenzeichen iiber Bouvier hinaus richtig gesehen, - und das ist gerade fiir die stilistische Behandlung der Lieder entscheidend. Aber anderes bleibt auch bei ihm unsicher. Das liegt daran, daiB einerseits einige Rdinder beschidigt sind und in Lied Nr. 2 hat Conomos falsch ergdinzt, wie auch die Handschrift Xeropotamou 262 (zwei farbige Faksimiles bei G. Stathis, Les manuscrits de musique byzantine Athos I, Athen 1975) zeigt, in der das Stiick wieder vorkommt, und andererseits hat Feuchtigkeit in derart erheblichem Marg sowohl Papier als auch Tinte aufgeweicht, dait sowohl die rechte Seite auf die linke, als ebenso auch die linke auf die rechte Seite abgeklatscht hat. Zu alledem ist auch noch das Pergament so diinn, dafl Noten der Riickseite auf der Vorderseite durchscheinen. Ich habe seit Jahren mit mehrmals erneutem Ansatz eine einwand- freie Form der Lieder herzustellen versucht, - aber die liingste Geduld erlahmt bei der Aussichtslosigkeit, in diesem Chaos nach Fotografien Ordnung zu schaffen. Insbesondere macht Lied Nr. 3 solche Schwierigkeiten, Notenzeichen, Abklatsch, Schmutzflecken und Verwischungen zu unterscheiden, dat mir hier eine sichere Lesung nicht moglich erscheint, vielleicht nicht einmal am Manuskript selbst, - Bouvier war zweimal am Athos; nach den neuen Versuchen von Conomos und mir wiire ein nochmaliger Vergleich notwendig, um dem griechischen Volk endlich eines seiner kostbarsten Kulturgiiter in einwandfreier Gestalt wiederherzustellen.

Von den 13 Liedern sind klar und auch bei Mazarakis richtig gelesen nur Nr. 5, 6, 7 und 11. In Lied Nr. I hat Frau Mazarakis falsch konjiziert (s. S. 71) und durch eine

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

36 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

zweite Konjektur in der vorletzten Silbe der 1. Zeile (Quarte statt Sekunde aufwairts) die richtige Fortsetzung erreicht (in jeder der drei Strophen, - vor allem in der 3. Strophe ist aber das Sekundzeichen absolut deutlich). Die Obertragung von Conomos ist richtig, - schon Bouvier hat an allen anderen Stellen richtig ergdinzt; die Vorzeichnung steht in der Handschrift oben rechts!

In Lied 2 schlage ich folgende Ergdinzungen vor, die sich fast alle aus der Parallelitit der Zeilen von selbst ergeben:

Notenbeispiel 1. Iviron Lied 2

T'ae- do- nia tes t'a?- do- nia tes a- na

t'ae - do- nia tes a- na- to- les

i•--

-- -

--:)

kai ta pou- lia kai ta pou- lia tes dy-

ses

Ar

stou phi- la- de

stou phi- la- del- phou to bou- ni.

Conomos hat in der Mitte nur g' erghinzt, was er iiber (stou phi-) la- (de) wieder

ausgleicht, - aber meine Ergdinzung gffPel setzt die Parallelitait zur 1. Zeile noch weiter fort.

Meine Herstellung von Lied 3 halte ich ohne Nachpriifung an der Handschrift nicht fiir endgiiltig. Ich teile sie hier aber auch mit, da sie jemand anderem bei dem

Vergleich mit der Handschrift vielleicht Hilfe gibt:

Notenbeispiel 2. Iviron Lied 3

O- loi ta si- de- ra ba- stoun kio- loi

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 37

sten phy- la- ke ei- nai ki o ta- pei- nos

o Kon- dro- sia mou o Kon- stan- tes o Kon- dro- sia mou o Kon- stan- te-s

In Lied 4 habe ich auch zuerst wie Bouvier, Mazarakis und Conomos iiber a- (phentes) nur einen Apostrophos gelesen, aber es ist ein Elaphron. Dadurch gerit alles Folgende einen Ton tiefer und es bezieht sich die Zwischensignatur des 4. Tones richtig auf das vorangehende c', die des 2. Tones auf das vorangehende e', das Conomos zwar auch erreicht, aber nur dadurch, datf er ein Elaphron dariiber liest, das aber Abklatsch von rechts ist. Das Stiick sieht dann wie folgt aus:

Notenbeispiel 3. Iviron Lied 4

LA

Ka- lec- sma ka- mnei o ba ka- mne o ba- si- lias

ka- le- sma ka- ka- le- sma ka- mnei a- phen- tes e A

ton kai pro- to ka kai pro- to- ka- le- stes o Di- ge- nes

o-g- ---nsOWN-~.. . o Di- ge- n~s A- kri- t6s.

Die Lieder 5, 6, 7 sind deutlich. In Nr. 8 scheint mir Conomos am Ende richtig zu lesen; das Ison fehlt zwar bei Bouvier, aber eher ist die Petaste die Verwischung eines Ison, - jedenfalls endet das Stiick bei Conomos richtig auf cl. Lied 9 hat Conomos durch richtige Lesung in der Mitte einwandfrei dargestellt. In Lied 10 lese ich am Ende e'c'd'f'e'e'd'd'c'c' statt Conomos' Lesung e'd'f'eleldldl'cc'. In Lied 11 hat Conomos durch Lesung einer Hyporrhoe fiber (i)das die richtige Ldsung gefunden. Lied 12 lese ich wie Conomos und in Lied 13 hat wieder Conomos durch Lesung einer Quart statt einer Sekunde den richtigen Schlut hergestellt. Ob er in Lied 13 die fehlende Vorzeichnung richtig als 4. Modus erginzt hat, bleibt fraglich; der 1. Modus gibt auch ein zufriedenstellendes Ergebnis (siehe unten).

Es ist zwar eine wohlbekannte Tatsache, dag die einzelnen byzantinischen Kirchentbne sehr unterschiedliche Bedeutung haben innerhalb des gesamten, von

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

38 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

ihnen iiberdeckten Bereiches, daf insbesondere der 3. authentische und noch mehr der 3. plagale Ton besonders sparsame Verwendung finden, aber die Tonartenvertei- lung dieser dreizehn Volkslieder iibertrifft alles aus den Gattungen des byzantini- schen Kirchengesanges Bekannte: die Lieder benutzen iiberhaupt nur 1. und 4. authentischen und 4. plagalen Kirchenton. Im 1. authentischen Ton stehen die Lieder 1, 2 und 4. Wiihrend sie alle mit d' schliegen - ich benutze die griechische Tonh6henfestlegung im folgenden durchgehends, auch fiir die tiirkischen Maka- men, die im Tiirkischen eine Quinte h6her notiert werden -, beginnt Lied 1 mit a'

(nlimlich mit der Umspielung von a1: alalc2h'a'), Lied 2 (siehe Notenbeispiel 1) springt von d' gleich auf a', Lied 4 (siehe Notenbeispiel 3) setzt mit c2 ein. Dal? alle drei Lieder mit d' enden, wihrend im Kirchengesang auch die Finalis a' sehr hiufig (vielleicht bei etwa einem Drittel der Fiille) erscheint, mag bei einer so kleinen Anzahl von Stiicken Zufall sein. Anfinge mit a' sind im Kirchlichen hiufig, ebenso der ganz typische Quintsprung d'-al, aber der Septimenanfang c2 ist ganz ungewdhnlich (um das Wort ,,unbekannt" zu vermeiden; denn m6glicherweise wird man bei geniigendem Suchen doch noch vereinzelte Fille finden).

Zum Vergleich ziehe ich die Lieder der Handschrift Leningrad, Offentliche Bibliothek, gr. 127, die ich der Musikwissenschaft in meiner Studie Echos und Makam in Archiv ffir Musikwissenschaft XXXVI, 1979, S. 237-253 (siehe oben),

niher vorgestellt habe, heran. Wihrend von den Liedern des Manuskriptes Iviron Nr. 2-13 echt volkstiimliche Lieder sind und nur Nr. 1 einen gehobeneren Stil zeigt, sind die Lieder der Leningrader Handschrift Gesellschaftslieder, zwar zum Teil sehr volkstiimlich geworden, aber hervorgegangen aus der reichen Klasse griechischer Kaufleute und Beamten des tiirkischen Hofes, der ,,Phanarioten" (nach dem

konstantinopolitanischen Viertel, in dem sie wohnten und in dem noch heute der Patriarch residiert). Sofort fillt hier wieder die anormale Tonverteilung auf: von den 100 Liedern haben 95 eine Vorzeichnung; davon entfallen auf den 1. authentischen Kirchenton 24 Lieder, auf den 4. Authentischen 17, den 4. Plagalen 13, - der 1.

Plagale mit 3 Liedern tritt ganz zuriick; der 2. Plagale mit 13 Liedern ist aber der moderne chromatische Ton, der Legetos mit 16 Liedern ist ein - zumindest dem Namen nach - erst sehr neuer Modus (15. Jahrhundert?), der in der Musiktheorie um 1800 mit dem 3. Plagalen - hier mit 9 Liedern - zusammengeht. Die in der

mittelbyzantinischen Kirchenmusik so hiufigen Modi des 2. Authentischen und 2.

Plagalen (diatonisch) fehlen hier wieder wie bei den Liedern von Iviron vollstaindig, - infall man nicht, wie einige griechische Musiktheoretiker, den Legetos als den Nachfahren des mittelalterlichen 2. Tones ansieht.

Die Lieder der Leningrader Handschrift tragen am Kopf auger der Kirchentonan-

gabe auch die Zuweisung an einen tiirkischen Makam. Dabei geht die Ordnung der Kirchent6ne von den Finales aus, - ebenso wie die der Makame; aber die tiirkische Musiktheorie hat auf jeder Finalis eine oft sogar sehr gro1e Anzahl von Makamen, die byzantinische Musiklehre dagegen nur jeweils zwei, authentisch und plagal. Im einzelnen ordnet die Leningrader Liedsammlung die Makame den Kirchentonarten in folgender Weise zu:

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 39

1. Authentischer Finalis ao: Puselikagiran Finalis d', Beginn d': U**ak, Acem, Arazbar

hohe Lage: Muhayyer, Hisar, Babatahir Finalis bo: Acemagiran

Finalis d', Beginn al: Hiiseyni 1. Plagaler Finalis dl: Diigah 2. Plagaler (chrom.) Finalis d': Hicaz, Hiimayun, Sehnaz, Sehnazpuselik Legetos Finalis e': Segah, Miistear, Hiizzam 3. Plagaler Finalis ho: Irak, Bestenigar, Rahatiilervah, Eviq 4. Authentischer Finalis gO: Yegah

Finalis ao: Niihiift Finalis d': Bayati, Isfahan Finalis d' oder g': Neva

4. Plagaler Finalis c': Rast, Sazkar, Nihavent, Biiziirk, Nikriz, Mahur ohne Vorzeichnung, Finalis d': Saba

Meine Zusammenstellung ist nach den Kirchentinen umgeordnet; die Lied-

sammlung rangiert nach den Finales genau wie die tiirkischen und arabischen Traktate, mit gO beginnend, die Makame mit hoher Lage oder nur hohem Beginn (dies also unlogisch) am Schlufg. Es sind nicht nur die Makame des 2. Plagalen chromatisch, sondern andere sind auch ganz chromatisch wie Nikriz, Hisar, Hiizzam, oder verwenden chromatische Modulationen wie Diigah, Bayati. In der von mir hier aufgestellten Liste hat man also eine stilkritische Analyse der

Kirchent6ne vor sich, in der die Mehrzahl der Kirchentine in eine Anzahl stilistisch verschiedener Subkirchent6ne zerfillt, die mit tiirkischen Makamen identisch sind. In ihnlicher Weise werden auch im Syrisch-orthodoxen in einigen Kirchentdinen mehrere verschiedene Kirchentbne zusammengefaft und auch bei der stilkritischen

Analyse der gregorianischen Kirchentdne kommt man zu ihnlichen Ergebnissen. Die Tabelle zeigt, dafg die Leningrader Handschrift ebenfalls Lieder mit Anfang a'

und Finalis d' nach Art des mittelbyzantinischen 1. Tones enthidlt, die sie ebenfalls dem 1. authentischen Kirchenton mit Quintanfang zuschreibt und die sie als im Makam Hiiseyni komponiert ansieht, - die Lieder 77, 78, 82, 83 und 84. Genauso, wie Lied Iviron Nr. 2 nicht direkt mit a', sondern mit dem Quintsprung d'-al

beginnt, setzen auch die Leningrader Hiiseyni-Lieder dem beginnenden a' einen kleinen Anlauf voraus: Nr. 77 beginnt d' g'g' a', Nr. 78 ebenso, Nr. 82 g'g' a', Nr. 83 wie Nr. 82, Nr. 84 ebenso. Die Leningrader Handschrift setzt ihrer Liedsamm- lung einen Traktat iiber die Makamen voran, von dessen ersten beiden Seiten J.-B. Thibaut in seinen Monuments de la Notation Ekphonetique et Hagiopolite de

l'glise Grecque, Sankt Petersburg 1913, S. 147, ein Faksimile ver6ffentlicht hat. In ihm lautet die Beschreibung des Hiiseyni (f. 4v., - das Neugriechische gleich ins Deutsche iibersetzt) so:

Hiiseyni beginnt mit demselben (gleichnamigen) Ton, nimmt wieder auf

Muhayyer, abwirts Ton fuir Ton bis (argah, nimmt abermals wieder auf Hiiseyni und abwirts durch Cargah, und schliegt auf Diigah. Das ist Hiiseyni.

Setzt man, um in Obereinstimmung mit dem Byzantinischen zu bleiben, Diigah gleich d', so werden Hiiseyni gleich a', Muhayyer gleich d2, Cargah gleich f' und die

Haupttine des Melodieverlaufs eines Musikstiickes in Hiiseyni sind also: Beginn

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

40 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

al, aufwirts d2, stufenweise abwirts nach fl, wieder a', dann wieder fl, Schluf auf d'.

Untersucht man nun die fiinf Hiiseyni-Lieder der Leningrader Handschrift, so

geht die 1. Zeile von Lied 77 bis c2 hinauf und schlieft auf g', die 2. Zeile beginnt mit

c2, geht bis zu d2 und wieder herunter nach a', die 3. Zeile beginnt mit f', herauf bis bl, herunter nach d', Schlu1R auf g', die 4. Zeile beginnt ebenfalls wieder mit f', herauf bis c2, Schlu1R auf d'.

Nr. 78 geht in der 1. Zeile nur bis b' herauf und schlie1~t auf f', 2. Zeile Beginn d', langsam aufwirts bis zum Schlut9 c2blal, 3. Zeile Beginn b'c2, herunter bis g' und

jetzt erst herauf bis zum Schlutton d2, die 4. Zeile von d2 aus sofort stufenweise

abwirts bis c', dann nach einem Sprung nach g' stufenweise nach d'. Lied 82: 1. Zeile iiber b' nach a', die 2. Zeile von f' iiber d2 nach a', die 3. Zeile von

al nach e', die Schlu1Bzeile von f' iiber c2 nach d'. Lied 83: 1. Zeile fiber b' nach d', 2. Zeile von d' fiber c2 nach a', die 3. Zeile von a'

iiber c2 und abwirts ao nach d', die Schlu1gzeile von a' stufenweise nach dem Schlulton; der Spitzenton d2 wird also gar nicht erreicht.

Lied 84: 1. Zeile fiber c2 nach e', 2. Zeile von f' iiber c2 nach f', 3. Zeile von bl, sofort d2, stufenweise nach f', die Schlu1gzeile von dl, c' iiber a' nach d'.

Das Melodiemodell a' d2 .. f' a' f d' lditt sich (bis auf das in Nr. 83 fehlende d2) also in allen Liedern wiederfinden, aber seine Verteilung ist sehr unterschiedlich: der Spitzenton d2 mit dem stufenweisen Abgang nach f' (eventuell mit Halt auf a') wird in Nr. 78 in der 2. Zeile, in Nr. 79 in der 3. Zeile, in Nr. 82 in der 2. Zeile, das

Spitzen-c2 mit dem Abwairtsgang in Nr. 83 in der 3. Zeile, das d2 wieder in Lied 84 in der 3. Zeile erreicht. In Nr. 78 und 82 ist das Modell also ziemlich gleichmdigig fiber die Lieder verteilt, in den anderen drei Fillen beschreibt es faktisch nur die 2. Hilfte.

Wdihrend die Lieder der Handschrift Iviron wohl noch ins 17. Jahrhundert zuriickgehen, stammen die Lieder der Leningrader Handschrift wenigstens noch aus der 2. Hailfte des 18. Jahrhunderts. Will man das Vergleichsmaterial erweitern, so steht erst wieder die Liedsammlung Pandora (vergleiche oben) zur Verfiigung, deren 1. Teil 1843, deren 2. Teil 1846 in Konstantinopel erschienen, in Neudruck wieder zuginglich 1979 in den Ekdoseis Kultura, Athen, als Nr. 22. Der Titel des 1. Bandes lautet (wieder gleich iibersetzt):

Pandora oder Sammlung neuester und angenehmster auslaindischer Lieder in zwei Teilen, enthaltend 62 griechische Stiicke (tragddia) und weitere 20 in

europiischer Melodik, mit Hinzuffigung am Ende einer griechischen Lehrkomposi- tion fiir 75 Makame (oder Kirchentonarten, - ?choi), ,,ausgedeutet" (exagathenta) - das heilt wohl: ,,notiert" - in der neuen Musikmethode durch Theodoros Papas Paraschos Phokaeus...

Der Titel des 2. Bandes lautet demgegeniiber: Pandora oder Sammlung neuester und angenehmster auslindischer Lieder in

zwei Teilen, enthaltend 8 Bestedes, 76 Sarkia und 11 Giiriik semgia, von denen 52 neukomponiert sind, die iibrigen gesammelt waren in der vorher herausgekomme- nen Euterpe, alles ,,vertont" (tonisthenta) - wiederum gleich ,,notiert" - nach der neuen Musikmethode von Theodoros P. Paraschos Phokaeus...

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 41

Die Neuausgabe enthilt als Anhang auch noch restliche Lieder aus der Euterpe. Der Titel der Euterpe lautet:

Buch, genannt Euterpe, enthaltend eine Sammlung neuester und angenehmster auslindischer Lieder, mit Zufiigung am Ende einiger rhomaiischer (das hei1gt: griechischer) Stiicke (trag6di6n) in othomanischer und europaiischer Melodik, ,,ausgedeutet" (siehe oben) in dem neuen Musiksystem durch Theodoros Pho- k[a]eus und Staurakis Byzantios, den musikalischsten, beaufsichtigt sorgfiltig und korrigiert von dem musikalischsten Lehrer Chourmouzios Chartophylax, eines der Erfinder des genannten

Systems,.... erschienen in Galata 1830.

Chourmouzios Chartophylax, Gregorios Protopsaltes und Chrysanthos Karama- lis von Madytos sind die drei Erfinder der neuen Notenschrift und des neuen ,,Musiksystems" (der Tonarten und der Intervallverhiltnisse) und damit die groten ,,drei Lehrer (didaskaloi)" der neuen griechischen Musik.

Die Pandora enthilt im 1. Teil Lieder mit griechischen Texten in der neuen Notenschrift mit Kirchentonangabe, dariiber hinaus aber auch Makam und Usul (das tiirkische rhythmische Schema) fiir die Lieder tiirkischer Melodik, nur die Kirchentonart fiur die Lieder im ,,melos eur6paikon" (ab S. 81), endlich das Lehrgedicht ,,Kiari oder Mathema"(S. 102-122), im 2. Teil Lieder mit tiirkischen Texten in den im Titel genannten Musikgattungen.

Die Pandora enthilt nur ein einziges Lied im Makam Hiiseyni, Nr. 22 des 1. Teils. Es ist so interessant, daig ich es hier in Notenbeispiel 4 mitteile:

Notenbeispiel 4 Sarki Pandora I, S. 33

O ti thli 6 ti thli-psis ai- phne di- a kai ka- kon kai ka-

- -

kon e- pi- de- mi- a e- phta- se e- phta- se pa- lin na

pe- se- par' el- pi par' el- pi- da eis stan me- se

Das Lied hat wieder den Anfang glal dihnlich den Liedern 82-84 der Leningrader Handschrift. Bereits im 2. Takt wird das d2 erreicht, von dem die Melodie nach a' zuriickkehrt. Der 2. Vers setzt nun in d2 ein, um mit Takt 4 nochmals die Melodie von Takt 2 zu wiederholen, ehe es in Takt 5 zum f1 heruntergeht. Das erklirt die merkwiirdige Wendung des Leningrader Makamtraktats, daig die Melodie d2 ,,wiederaufnimmt", - dazu mu1R es ja vorher schon dagewesen sein wie hier in Takt 1. Der Schlu1B des Makammodells ist sehr zusammengedrhingt: noch in Takt 5 geht es gleich wieder nach al hinauf, in Takt 6 erscheint wieder fl, das durch drei

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

42 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

Viertel hindurch verziert wird, ehe das abschliefgende d' erscheint. Die 4. Zeile hat dann nichts mehr mit dem Makammodell zu tun, sondern moduliert vollstindig fiberraschend in den chromatischen Makam Hicaz, der dem 2. plagalen byzantini- schen Kirchenton entspricht, mit dem vorangehenden Makam Hiiseyni durch die

gleiche Finalis d' verbunden. Auch das Kiari der Pandora (kiari finde ich nicht im heutigen Tiirkisch; fuir

Lektion, das mathema entspraiche, sagt man heute ,,ders") enthalt zwei Beispiele fuir den Hiiseyni, - gekoppelt mit 5ehnaz bzw. Agiran. Sein Titel lautet:

Kiari oder kunstvolle Lektion zum Gebrauch der Musikgebildetsten fiir 74

Makame; dasselbe vermehrt von Theodoros Phokaeus (= aus Phokaia in Klein-

asien) und wohl angepaBt von ihm im von den auslhindischen Musikern sogenann- ten Rhythmus Sophian.

Der Rhythmus Sophian entspricht unserem Viervierteltakt. Je acht Takte bilden in der Lehrkomposition eine Strophe und dieser hbhere Rhythmus von 32 Vierteln ist wieder ein wohlbekannter Usul, der Hafif.

Das Lehrstiick enthailt 46 solcher Strophen; aber es sind in den meisten Strophen zwei Makame zu je vier Takten untergebracht, andererseits kommen Isfahan, Hiiseyni, Bayati, Saba und Arezbar zweimal, Puselik fiinfmal vor. Insgesamt sind es dann genau 61 verschiedene Makame, wenn man die mehrfachen Stiicke

mitzaihlt, 70 Makambeispiele. Wie der Titel angibt, ist das Stfick tatsaichlich eine vermehrte, zweite Fassung.

Die erste, erreichbare Form findet sich als Anhang in dem im Besitz von Vater

Spyridon (siehe oben) befindlichen Biichlein. Die Titelseite (und wohl auch eine Tafel am Schluig) fehlen, aber anhand der Ellenike bibliographia von D. Gkinis und B. Mexas, Athen 1840/1843, und der gezaihlten 80 Seiten li•Bt sich feststellen, dag es sich um die dortige Nr. 3780 des 2. Bandes mit 83 Seiten handelt (wohl Titel und

Anhang mitgezlihlt). Der Hauptteil der kleinen Publikation ist eine kommentierte und erweiterte (im Text selbst zum Teil leicht verkiirzte) Fassung des Traktates der

Leningrader Handschrift, - danach ist meine Bemerkung in Echos und Makam, S.

237, zu erghinzen. Der Titel des Werkchens lautet dann (Gkinis-Mexas, Band 2, S. 76/77) so:

Erklirung (ermnneia, die Petersburger Handschrift hat saphaneia) der auslaindi- schen Musik und ihre Anpassung an unsere Musik. Gesammelt (oder: exzerpiert) und redigiert von St. A' Domestikos, kontrolliert von Konstantin, Protopsaltes der Grogen Kirche Christi (d.h. des Konstantinopeler Patriarchats). Jetzt zum ersten Male im Druck herausgegeben durch die Direktoren der Patriarchatsdruckerei,

Konstantinopel, Patriarchatsdruckerei 1843. Die Adaptierung der tiirkischen an die byzantinische Musik besteht darin, dag

jedem Makam seine Tonleiter mit den griechischen Tonnamen und den Intervallgr6- Ben in der damaligen Teilung der Oktave in 68 gleiche Teile (offenbar der Vierteilung der so viel diskutierten arabischen 17stufigen Temperatur, - vergleiche dazu meine Darstellung in Grundlagen der antiken und orientalischen Musikkultur, Berlin 1961, S. 117ff. und S. 128ff.), die dann durch eine Patriarchatskommission 1881 durch die 72stufige Temperatur ersetzt wurde (offenbar der Sechsteilung der

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 43

europiischen 12stufigen Temperatur folgt). Weiter ist dem Makamtraktat eine

Erlaiuterung des tiirkischen Tonsystems vorangesetzt, die im Grunde nur eine

Umschreibung der Tontabelle der Leningrader Handschrift ist, und endlich gibt es sogar sehr hiibsche Bemerkungen fiber griechisch-tiirkische Musikinstrumente.

Das am SchluB angefiigte Kiari hat hier folgenden Titel: Kiari in Versen, enthaltend die Makame der Othomanen nach deren Schulord-

nung, in Verse gesetzt durch den verstorbenen Peizade Giagkos Karatzas, und mit Melodie versehen von Tzel. Giagkos Theologos. Geschrieben zuerst im alten Musiksystem durch den musikgebildetsten Lehrer Herrn Konstantin Protopsaltes, dann aber in das neue durch Herrn Stephanos A'., Domestikos der Grolgen Kirche Christi.

Stephanos A'. erschien schon im Titel der Ermeneia als deren Autor, Konstantin Protopsaltes als ihr Korrektor. Auch sonst haben die beiden immer wieder eng zusammengearbeitet, so bei dem Doxastarion von 1841 und beim Tameion

anthologias von 1845/1846, beide Male Konstantin verantwortlich fuir die Melodie, Stephanos A'. fiir die ,,Exegese", d.h. Niederschrift im neuen System. Stephanos A'. erscheint bereits 1838 zusammen mit Johannes Lampadarios als Autor eines Tameion anthologias. Es ist sehr kennzeichnend fiir das damalige Musikleben Konstantinopels, wie die Hauptsinger Protopsaltes Konstantin und Domestikos Stephanos A'. des Patriarchats, Redakteure der groigen kirchlichen Musiksamm- lungen in der neuen Notenschrift, ein solches Interesse an der tiirkischen Musik bekunden, daig sie einen Traktat mit Beispielsammlung fur diese Musik verfaigten.

Dabei ist die Oberlieferung des Traktates in der gedruckten Fassung besser als in der Handschrift Leningrad. Diese Handschrift enthailt nhimlich im Liedteil eine ganze Menge von Liedern, die in Makamen stehen, fiir die im Traktat vorn eine Beschreibung fehlt. Diese fehlenden Makame sind Yegah, Agiran, Sazkar, Saba, Hiizzam und Neva. Demgegeniiber hat die gedruckte Fassung nach Nr. 6 von Leningrad noch einen Zavilkiirdi, nach Nr. 8 einen eteron Penqgah, nach Nr. 34 den Kiirdi, nach Nr. 42 den Sazkar und zwischen Nr. 16 und Nr. 17 eine ganze Gruppe von Makamen, nhimlich Saba, Karadiigah, Zemzeme, Neva, Yegah, Penqgah, Huzi, Hiizzam, Nisabur und Nisaberek. Nun migen die Einzeleinschiibe der gedruckten Fassung vielleicht Ergdinzungen dieser Fassung sein; aber eine groge Gruppe von zehn Makamen hitte man sicher nicht in der Mitte eingefiigt, sondern am Ende angehaingt. Es diirfte also der gedruckten Fassung ein vollstaindigeres Manuskript als Leningrad gr. 127 vorgelegen haben. Freilich fiir Agiran fehlt noch ein Modell; die Lieder in Agiran gehbiren zu Modell Nr. 42 Puselikagiran.

Vergleicht man nun das Kiari des Ermeneiadrucks mit dem - ebenfalls im selben Jahr 1843 erschienenen - Kiari der Pandora - und beide in derselben Konstantinopo- litaner Patriarchatsdruckerei hergestellt -, so sind die Makambeispiele Nr. 1-53, die ersten 34 Strophen, gemeinsam und stehen auch in genau derselben Reihenfolge. Demgemi1i sind also dem Titel des Kiari in der Pandora gemliB die Makambeispiele 54-70 in zwblf Strophen von Theodoros Phokaeus hinzugefiigt.

Die beiden Makambeispiele fuir den Hiiseyni sind in der Pandora die Nrn. 21 bzw. 68. Das zweite Beispiel steht also erst im 2., von Phokaeus angefiigten Teil.

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

44 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

Doch ist es bis auf geringe Varianten mit dem ersten Beispiel identisch. Ich gebe im

folgenden Notenbeispiel 5 das Musterstiick fUir Hiiseyni zuerst nach der Ermeneia, dann Nr. 21 der Pandora, endlich Nr. 68 der Pandora:

Notenbeispiel 5 Makambeispiel Hiiseyni

a) Ermeneia Nr. 21

To hii- se- y- ni o- moi- 6s

b) Pandora Nr. 21

To hii- se- y- ni o- moi- 6s

c) Pandora Nr. 68

To hii- se- y- ni de le- goun

me na- gme- des y- ps4- lous

me na- gme- des y- psi- lous

ein' ma- kam cha- ro- poi- on

Dem ersten Text ,,Der Hiiseyni gleichfalls mit hoher Notenfolge" gemaig steigt das Makambeispiel empor und erreicht genau das d2 der Makambeschreibung in der Fassung der Ermeneia. Dagegen ist die Spitzennote in den Fassungen der Pandora zu c2 gedampft und damit im w6rtlichsten Sinne die ,,Pointe" verdorben. Wieder wird wie in den Liedern der Leningrader Handschrift der Spitzenton erst in der Mitte des Musterstiickes erreicht, und erst die zweite Hilfte bringt den Abstieg zum schlieBenden d'. Hier aber ist der Abstieg chromatisiert, und die zweite Hiilfte der Strophe dementsprechend auch als Sehnaz bezeichnet. Dies Sehnazstiick hat Phokaeus nochmals wieder als Nr. 65 verwendet. Tatsichlich gibt die Makambe-

schreibung des Traktats fiir Sehnaz als Anfangston d2 an, dann Abstieg bis cis', Aufstieg bis g', Schlulton d', alles, wie es das Beispiel 22 dann ziemlich ihnlich -

Abstieg bis dl, Wiederaufstieg bis a' - vorfiihrt. Am Anfang des Hiiseyni wieder der traditionelle Vorspann.

Freilich tritt hier noch ein weiterer Unterschied heraus. Die Beispiele der Ermeneia beenden mit wenigen Ausnahmen (ausgerechnet das Hiiseyni-Beispiel ist

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 45

eine solche) jeden Makam, auch dort, wo zwei in einer Strophe auftreten, bereits auf dem 3. Viertel des 4. (bzw. 8.) Taktes und auf dem 4. Viertel erscheint der Ausruf bai (tiirkisches ve), einige Male ach (tiirkisches ah). Diese Ausrufe am SchluB von Phrasen wie am Anfang sind in der tiirkischen (und arabischen) Musik unabding- bare Ornate, und die Makamkomposition der Ermeneia hat sich diesen charakteri- stischen Effekt nicht entgehen lassen. Dagegen hat die Fassung der Pandora diese Silben nicht, so dait die noch vorhandenen Noten an die vorhergehenden anzubin- den wiren, - aber vielleicht sind sie als selbstverstindlich vorausgesetzt (in den Liedern sind ,,aman" usw. vorhanden). Bei dem strengen Viervierteltakt mit dem

obligaten Ausruf am Ende jedes vierten Taktes der Fassung Ermeneia wird es

jedenfalls schwer, nicht an Haydns Paukenschlag zu denken, - und die bekannte

Vokalbearbeitung dieses Stiickes macht die Ahnlichkeit noch deutlicher.

Vergleicht man nunmehr das mit a' beginnende und mit d' schlie1~ende Lied Iviron Nr. 1 mit den Liedern der Leningrader Handschrift im Hiiseyni, dem

entsprechenden Lied der Pandora und den Makambeschreibungen und Makambei-

spielen, so erreicht es wie in Lied Leningrad Nr. 83 und in der geglditteten Fassung des Makambeispiels der Pandora nicht das Spitzen-d2, wohl aber sofort c2, um in der Zeilenhailfte in g', am Schlu1? der 1. Zeile in a' zu kadenzieren; die 2. Zeile, nochmals von c2 aus, bringt dann den typischen Hiiseyni-Abwirtsgang nach fP und weiter bis zum SchluR der 2. Zeile auf d'; die 3. Zeile erhebt sich wieder, aber nur bis g9, und kadenziert dann auf d'; etwa derselbe Verlauf wiederholt sich dann noch einmal: Zeile 4 von d' aus herauf bis c2 mit Kadenz auf g', 5. Zeile iiber c2 nach a', 6. Zeile iiber g', f' nach d' (man vergleiche immer in den Publikationen von Mazarakis und Conomos). Ich will nicht behaupten, dal? diese Ahnlichkeiten so stringent sind,

dait sie beweisen, dait das Lied Iviron Nr. 1 unbedingt im Makam Hiiseyni komponiert ist, aber zumindest sind die Ahnlichkeiten so, dait es sehr wohl moglich ist und dait nichts dagegen spricht.

Anders ist es mit Lied Iviron Nr. 2 (siehe oben Notenbeispiel 1). Das Lied bewegt sich nur bis bl, kadenziert dann auf f1, sodann nach Erheben wieder zuriick nach a' und sodann iiber fP nach d'. Hier ist der 1. Teil doch so wenig nach der Hihe hin angelegt, dat ein solcher Hiiseyni zumindest nicht sehr ideal ware.

Dagegen ist Lied Iviron 4 (siehe Notenbeispiel 3) ein ganz vorziigliches Beispiel fiir den Makam Hiiseyni, - infall es als solches gemeint ist und nicht vielleicht die Ahnlichkeit nur zufdillig ist. Der Anfang mit Abstieg von c2 aus wdire wieder der ,,Vorspann" zu a', die 2. Zeile springt sofort nach d2 wie die des Liedes der Pandora (siehe Notenbeispiel 4) und kadenziert ebenso wie jene auf al. Wiederum genauso steigt die 3. Zeile iiber f' nach diesmal sogar cl herab, die 4. Zeile zwar nur bis g' wieder aufwirts, aber die letzte Zeile springt sofort wieder nach a', das sie nachdriicklich umspielt, um iiber f1 nach dem abschlie1Benden d' zu sinken. Einer Interpretation dieses Liedes als Hiiseyni steht nicht nur nichts im Wege, sondern eine solche erscheint vielleicht sogar als recht naheliegend.

Die Lieder im 4. Plagalen, Nr. 3, 6 und 7, der Handschrift Iviron zeigen eine Vorliebe fiir das Na-na-Zeichen: in Lied 6 ist es am Anfang hinter pl(agios) d(elta) notiert (siehe Conomos, bei Mazarakis fehlt es), und ich glaube es auch am Anfang

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

46 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

von Nr. 3 erkennen zu kiinnen, die ich deshalb ebenso wie Conomos auf g' iibertragen habe. Aber dann mut man auch Nr. 6 (eine Quarte h6her als Conomos) auf g' enden und auf c2 beginnen lassen. Aber Nr. 3 ist (siehe oben) am Anfang eben sehr schlecht zu entziffern, und ich lasse sie daher lieber ganz aus dem Spiele. Den

Schliissel fiir die Lieder 6 und 7 (und das wiirde dann auch fiir Lied 3 gelten diirfen) scheint mir Lied 6 zu bieten. Die 1. Zeile mit ihrem Anfang nunmehr auf c2 mit c2 c2 c2 c2hla' g' a' h'c2 h' c2 ist die typische Anfangsfigur eines Makam, des Mahur. Das

einzige Lied in der Leningrader Handschrift, Nr. 80, lautet in der 1. Zeile so: c2 h' a'h' g'g' glal h' c2 C2C2. Im 1. Teil der Pandora beginnt Lied 9 mit der Zeile c2 c2d2es2

d2c2 c2hlal hlc2h' c2, Lied 49 mit der Zeile c2c2h' a'h' c2d2e2 c2 und Lied 51 mit dem Anfang c2 2

c2c2 g' a' h' c2. Freilich ist das Makammodell des Mahur prinzipiell von dem Aufbau des 4. Plagalen und damit ebenso der Lieder von Iviron in diesem Kirchenton verschieden: er kadenziert nicht auf g', sondern sinkt vom beginnenden c2 mit der charakteristischen Anfangsphrase eine Oktav herunter bis zum cl, und zwar in der Leningrader Handschrift stufenweise, vor dem beginnenden c2 einen ,,Anlauf" a' ces2, aber nach c2 dann herunter iiber h' (iihnliche Differenz zwischen auf- und abwairts in vielen Modellen der Handschrift Leningrad).

Eine zweite Ahnlichkeit zeigt der Mahur, und zwar dieses Mal direkt, mit dem 4. Plagalton. Das Lied 80 der Leningrader Handschrift endet mit der Schlugzeile c'c' d' el c' d' c'ho c'. Das ist aber nichts anderes als die Intonationsformel des 4. Plagaltones, wie man in den einschligigen Lehrbiichern der byzantinischen Kirchenmusik schnell verifiziert. Doch geh6rt diese SchluBformel nicht nur zum

Mahur, sondern sie beendet ebenso das Lied Nr. 6 des 1. Teils der Pandora im Makam Rehavi in der Form c' d' el c' d' ho c'. Zieht man auch noch die modernere arabische Musik heran, so findet man sie in den Makammodellen in Erlangers La

musique arabe, vol. V, am Ende der Modelle Nr. 42, 44 und 45, und zwar in allen drei Fillen in Moll statt in Dur wie in Mahur und Rehavi.

Zu diesen Verhiltnissen kann man vergleichend heranziehen, dat der 4. authentische Ton - zu dem wir gleich kommen - auf cl steht. Bereits in der

spitmittelbyzantinischen Musiktheorie stehen die Plagalt6ne auf der Oberquinte ihrer authentischen T6ne, wie ich etwa in der Studie Die oktomodalen Stichera und die Entwicklung des byzantinischen Okto&chos, in Archiv fiir Musikwissenschaft XXVII, 1970, S. 304-325, beleuchtet habe. Der authentische Ton umfatt als Basis seines Umfangs dann die untere Quinte der charakteristischen Oktave, der plagale Ton die obere Quarte dieser selben Oktave. Aber freilich ist die Kadenz des plagalen 4. Tons dann eine solche des authentischen 4. Tons geworden.

Die Lieder des 4. authentischen Tones beginnen mit der Quinte bzw. einem ihr

vorangesetzten kurzen Anlauf und enden auf dem Grundton, - hier als cl angesetzt. Besonders kennzeichnend sind Lied 11, das am Ende der vorletzten Zeile bis ao

heruntergeht, und Lied 13, das in der Ansetzung von Conomos als 4. Kirchenton in der Endzeile von g' stufenweise nach gO heruntersinkt, ehe es auf c' kadenziert. Dieser Verlauf, Beginn g', SchluB auf c' mit vorangehendem Gang nach gO, ist u. a. charakteristisch fiir das Modell des Makam Rehavi in der Handschrift Leningrad. Zum Vergleich steht niur ein einziges Lied zur Verfiigung: Nr. 6 des 1. Teils der

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 47

Pandora. Der Abwairtsgang steht hier vor der bereits zitierten pld-Kadenz; doch

liegt der Anfangsteil des Stiickes tief mit Beginn cl und zeigt hier auch bereits schon einmal den Abwdirtsgang. Lied 13 ki*nnte man auch mit der Vorzeichnung des authentischen 1. Tones lesen. Mit seinem Beginn auf b' und Schlue auf d' wiirde es dann ausgezeichnet zum Makam Acem passen.

II. Die Lieder Mittelgriechenlands

Fiir das Gebiet des zentralen Griechenlands, auch als Roumeli bezeichnet, gibt es die schone Liedsammlung Tragoudia tas Roumelds von Mme. Melpo Merlier, Athen 1931. Ihr gesellt sich seit kurzem zu die Sammlung Damotika tragoudia Koniakou

D6ridos von Konst. I. Markos, Athen 1978, - das Dorf Koniakos in der Landschaft Doris ist gar nicht allzuweit entfernt von den beiden Platzen, an denen Mme. Merlier ihre Lieder aufgenommen hat. Analysiert man die Lieder, wobei man sie am besten so transponiert, daB man mbglichst wenig Vorzeichen erhilt, so kann man sie je nach ihrer Finalis in Gruppen teilen (wobei die chromatischen Lieder aus dem Spiel bleiben sollen, da ich ihnen eine eigene Studie widmen will). Die Gruppe der dl-Lieder ist dann die weitaus stirkste, immer noch sehr ansehnlich die Gruppe der cl-Lieder; die el-Lieder sind Ausnahmen.

Die dl-Lieder besitzen in vielen Fillen nur einen kleinen Umfang von wenigen Tanen, meist c1-g9. Sie beginnen meist mit d' oder einem Vorspann vor d', oder auch mit g'. Bei Ausdehnung des Umfangs nach oben zeigen viele Lieder von Koniakos in einer oder sogar in mehreren Zeilen eine Modulation nach as', wobei dann h' nicht nach b' erniedrigt wird. In Kirchent6nen ausgedriickt, wiirde man sagen, daif der plagale 1. Ton in den chromatischen authentischen 2. Ton moduliert, der die Skala c1 des' e' fP g1 as' h' c2 benutzt. Doch tritt nur die Modulation nach as' auf, nicht die nach des'. Der Hinweis auf den 2. Kirchenton geniigt also nicht zur Aufklirung dieser merkwiirdigen tonalen Verhiltnisse. Das liefert wieder die Theorie der Makame: der Makam Bayati beginnt in den Liedern der Leningrader Handschrift und in denen der Pandora, 2. Teil, mit g' bzw. einem Vorspann, wdihrend die Makambeschreibung der Leningrader Handschrift ihn mit d' beginnen liift. Er

schlieft mit d' und bringt vor Schlujf eine Modulation nach as1, - as' ist nimlich der Ton mit dem Namen Bayati, der fiir den Makam so charakteristisch ist, daif er ihm den Namen gegeben hat.

Die d1-Lieder erweitern ihren Umfang aber ebenso nach unten bis gO. Figuren wie d' c ho c d' oder d' c' ho ao ho c d' sind hier besonders beliebt. Vor allem tritt hier wieder der Abwdirtsgang d' c' ho ao gO auf. Gleich im 1. Liede von Roumeli (M. Merlier, S. 3) beschlieft er die 1. Zeile das 1. Mal, w;ihrend die Wiederholung den Schlu1B d1 c1 verwendet, - ebenso, ebenda, S. 31. Der umgekehrte Aufwirtsgang gO ao hO c1 d1 beschlieft das Lied Koniakos, ed. Markos, S. 33. In d'-Makamen kommt der Abwirtsgang genauso wie im roumelischen Lied als 1. SchlufB der hier 1. Doppelzeile im Lied Leningrad Nr. 25 im Makam Diigah vor, weiter innerhalb der 1. Zeile - also nicht abschliefend - im dortigen Lied Nr. 35 im Makam USak. Der

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

48 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

USak verwendet dieselbe Leiter wie der Bayati, aber ohne dessen Modulation nach as1, und die Identitit bzw. Konfusion geht so weit, dag er in Agypten auch Bayati genannt wird. Der Diigah tritt im Makamtraktat in zwei Formen auf: der erste

Diigah mit dem Vorspann cis' vor dem Anfang d' ist der heute iibliche Diigah mit der Leiter d' el f1 ges1 a' bl c2 d2, der zweite mit der Leiter gO ao ho c d' e [FP g1] ist der Makam der Lieder 24-26 des Liedteils der Leningrader Handschrift. Der zweite wird in der gedruckten Fassung als ,,anderer" (heteron) Diigah bezeichnet und

entsprechend will ich die beiden Diigahs als Diigah I und Diigah II auseinanderhal- ten. Dann stehen die tief orientierten d1-Lieder im Diigah II, die hoch orientierten Lieder mit Modulation nach as'-h' im Bayati, die beides umfassenden Lieder wie das zitierte von Koniakos bei K. Markos, S. 33, in einer Kombination von Diigah II und Bayati. Solche Kombinationen sind in der Theorie der arabisch-tiirkischen Makame sehr wohl bekannt, - vor allem der Makam Puselik ist besonders

kombinationsfreudig; Erlanger beschreibt in Band V unter Nr. 90-106 allein 17 Kombinationen des Puselik mit anderen Makamen.

In den c1-Liedern kann man ebenso wie bei den d'-Liedern zwei Typen unterscheiden: der erste ordnet seine Melodie bevorzugt iiber der Finalis an, der zweite enthilt die Finalis in der Mitte des Umfangs gOgm. Der Anfangston ist im 1. Fall immer c', im 2. Fall ebenfalls cl, seltener aber auch gO (etwa M. Merlier, a. a. 0., S. 60). Der Abwirtsgang begegnet etwa gleich in der 1. Zeile, ebenda, S. 61. Von hier aus wird man wieder sofort zu den Makamen gefiihrt: das Absteigen in die tiefe Lage gleich in der 1. Zeile ist ein Charakteristikum des Rast. Dem scheint zu

widersprechen, daBi auch Ausnahmen moglich sind, etwa das 4. Lied im 1. Teil der

Pandora, das iiberhaupt ganz iiber c' - herauf bis f2 - liegt. An sich wird man solche nicht

ausschlietien wollen; aber es ist nicht notig, sie von vornherein anzusetzen und etwa zwei verschiedene Formen des Rast anzunehmen, da es einen Makam mit

Anfang und Schluig cl und iiber c' liegenden Umfang und auch der reingestimmten Rastleiter gibt, den Sazkar. Nun fillt am oben herangezogenen Lied Nr. 4 der Pandora I aber weiter als nicht zu Rast passend auf, dafg es kurz vor der cl-Kadenz iiber g' den Halbton as' bringt (aber keine Modulationen as'-h') und das tut auch das Beispiel Nr. 6 ffir Sazkar im Kiari, in der Ermeneia nur mit as1, in der Fassung der Pandora ebenfalls so, aber anscheinend auch mit as'-h' und anscheinend auch so das Lied Nr. 6 des 1. Teils der Pandora. So scheint mir auch das Nr. 4 der Pandora I besser als im Sazkar stehend aufzufassen sein.

Sehr sch6ne Beispiele zum c'-Typ liefert auch der von S. Baud-Bovy besorgte Notenanhang zu B. Bouvier, Le mirologue de la Vierge = Bibliotheca Helvetica Romana XVI, Rom 1976, wo der typische Abwirtsgang in Ex. 6 und 8 den Schluig der vorletzten Zeile bildet. Dabei kommt Ex. 8 von der Insel Thasos im hochsten

Norden, Ex. 6 von der Insel Syme nbrdlich Rhodos im Siidosten des Ag*iischen Meeres. Zusammen mit den bisherigen Beispielen aus Zentralgriechenland wird so die universale Verbreitung des Typus deutlich. In Ex. 8 lautet der Abwlirtsgang d'

b0 a0 gO. Das Schwanken von h? zu b? erkl~irt sich daraus, daf3 im Arabischen hier die neutrale Terz zwischen beiden steht, wobei im Abwlirts gern tiefer, im Aufwiirts oft h6her intoniert wird, - das Tiirkische bevorzugt dagegen die reine Stimmung.

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 49

Manche Obertragungen griechischer Volkslieder benutzen auch einen f1-Typ mit bl. Wieweit er nur eine Transposition des cl-Typs ist, bleibt noch zu untersuchen. Auch ein gl-Typ ist mit dem cl-Typ (mit bl) verschmolzen.

III. Die Lieder des Dodekanes

Eine Sammlung von Volksliedern des Dodekanes hat S. Baud-Bovy herausgege- ben, Tragoudia tfn Dbdekanis6n, Chansons populaires du Dodecanese, 2 vol., Athen und Paris, 1935 und 1938. Diese reichhaltige Sammlung bietet viele Beispiele, die das vorige Material gliicklich erginzen. So gibt es hier Beispiele fiir noch starker begrenzte Melodik: Band I, S. 201, eine dl-Leiter mit dem Umfang c_-fP, Band II, S. 245, eine ebensolche mit dem noch engeren d'-fl. Die meisten dl-Leitern haben aber die Umfange c1-a1, d -c2 (mit bl) und c'-c2 (mit bl); will man auch diese Skalen ohne Vorzeichen schreiben, so enthiillen sie sich als a1-Leitern. Nimmt man sie mit hinzutretender tiefer Lage (mit ho) - so etwa Band I, S. 187 -, so erhielte man aus ho bei dieser Transposition fis1, - in der Tat notiert ja so die tiirkische Musik, die den Ton Rast nicht als c1, sondern als g' ansetzt. Normalerweise gehen Lieder mit tiefer Lage nicht hiher als g9, hochstens a', so die Lieder Band I, S. 41, 153 und 167. Alle drei Lieder enthalten auch den Abwdirtsgang nach gO als Kadenz. Die Modulation nach as' ist selten in diesen Liedern; sie erscheint in Band I, S. 242 (von hl nach d' zu transponieren!), 315, 317 und 352. Andererseits kommt der Schritt as'-hl sehr

hiufig vor; aber dann handelt es sich immer um Lieder im chromatischen 1. Kirchenton mit Finalis e' oder g'. Lieder mit der c'-Leiter sind merkwiirdig schwach im Dodekanes vertreten. Doppelt6ne - es1/el, as'/a1, bl/h', fl/fis1, ja selbst des'/d -

sind sowohl in d'-Leitern wie in c'-Leitern hdufig (vgl. oben); diese ,,Anziehung" neutraler T6ne nach dem stirkeren Ton iiber oder unter ihnen hin hat in der kirchlichen Musiktheorie ja den Namen helxis (,,Anziehung") bekommen. Mit diesem Oberwiegen von d'-Leitern ohne die as'-Modulation, dagegen chromati- schen e'-Leitern (anstelle der modulierenden d'-Leitern), zeigt die Volksmusik des Dodekanes also einen von der Musik Mittelgriechenlands und den Liedern der Handschrift Iviron (in der chromatische Lieder ja ganz fehlen, - vielleicht nur durch Zufall) stark abweichenden Charakter im Sinn stdirkerer Chromatisierung, -

vielleicht unter dem EinflufR intensiverer tiirkischer Beeinflussung. Es ist nicht meine Absicht, diese Verhiltnisse weiter auszubauen und zu einer musikalischen Geographie des griechischen Volksliedes zu erweitern (schon S. Baud-Bovy hat im gleich zu Anfang zitierten Aufsatz, S. 161, oben ihnliche allgemeinere Charakteri- sierungen gewagt), - dazu wire vor allem die umfassende Publikation von K. Spyridakis (fiir den Text) und Sp. Peristeris (fiir die Musik), Band 3: Mousike eklog?, von Ellmnika dimatika tragoudia = Dimosieumata tou Kentrou ereunis tis ellinik~s laographias 10, Athen 1968, zugrunde zu legen, die ein grotfes, gleichmi- fig auf ganz Griechenland verteiltes Material veriffentlicht.

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

50 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

IV. Kirchentonarten und Makame

Es war nicht die Absicht dieses Aufsatzes, die byzantinischen Kirchentonarten generell als arabisch-tiirkische Makame zu deuten - wie ich es fiir die syrischen Kirchentonarten in einer Reihe von Aufsditzen dargestellt habe -, sondern nur fiir einige wenige charakteristische Erscheinungen des griechischen Volksliedes, Modu- lation der d'-Skalen nach as'-hl anstelle von a'-bl als Parallele zum Verhalten des Makam Bayati, tiefe Unterquinte in Dur als Basis einer Mollquinte auf d' mit charakteristischer absteigender Kadenzfloskel als Parallele zum gleichen Verhalten des Makam Diigah II, Auftreten einer tiefen Lage am Anfang einer Komposition mit weiterem Auftreten der genannten Floskel und einem charakteristischen

SchluI~motiv in Parallele zum Makam Rast, Gleichheiten der Melodik und Harmonik mit arabischen Makamen vorzustellen, die so wenig allgemein vorkom- men, das heitt, die so speziell sind, dafg sie nicht anders als durch direkten KontakteinfluBi entstanden denkbar sind. Dabei mujt nicht einmal eine direkte

Identifizierung einer Kirchentonart mit einem einzigen Makam vorliegen, sondern einerseits erschien im dl-Modus mit tiefer Lage nach Art des Diigah II und

gleichzeitig h6herer Lage mit as'-Modulation nach Art des Bayati ein Kombina- tionsmakam, andere benutzen oft mehrere arabisch-tiirkische Makame, gleiche Motive und Floskeln, vielleicht in verschiedenen Kombinationen, - Makame stehen unter sich eben in derartigen verwandtschaftlichen Beziehungen und schlieien nicht

jeder in seinen charakteristischen Merkmalen jeden anderen aus. Meiner neutralen Behutsamkeit gegeniiber hat die griechische Musiktheorie immer wieder Identifika- tionen von Kirchentonarten mit Makamen vorgenommen, - schlieIlich sind die in diesem Aufsatz nicht herangezogenen chromatischen Kirchent6ne und einige typische chromatische Modulationen auch manchem Griechen so tiirkisch vorge- kommen, daBi zeitweise die Phthorai der beiden chromatischen Kirchent6ne Hicaz und Hiizzam und die drei speziellen Modulationen Nisabur, Miistear und Hisar hieIgen, ehe fiir diese die heutigen Namen Kliton, Zygos und Spathe den ausliindischen Charakter verdecken sollten. Am weitesten hierin ist A. Kyriazidis gegangen, der in seinem Symperasma embrithous meletes kai batheias paraterase6s epi tcn &ch6n tas byzantines ekklesiastikes mousikes (,,SchluBfolgerung eingehen- der Untersuchung und tiefer Beobachtung der Kirchentbne der byzantinischen kirchlichen Musik"), Konstantinopel, Patriarchatsdruckerei (!), 2. Aufl. 1909, von

jedem Kirchenton drei Unterarten, diatonisch, chromatisch und enharmonisch, annimmt und zu einer grotien Anzahl von ihnen tiirkische Entsprechungen herstellt, - dabei handelt es sich fiir ihn nicht nur um Parallelen, sondern um direkte

Identititen, so wenn er etwa sagt:

Der enharmonische 2. Kirchenton ist der sogenannte Phthorikos Legetos, das

heilt (d~lada) der Miistear. Es ist fiir die tiirkische Einstellung der konstantinopolitanischen Musiktheorie

(siehe oben schon einmal) kennzeichnend, da1B sie nicht erst von 1900 datiert, sondern von Anfang des neuen Musiksystems an: schon Chrysanthos von Madytos selbst hat in seinem The6ritikon mega tis mousik~s, Triest 1832, ein Kapitel fiber

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes 51

die Makamen, und eindeutige Identifikationen von Kirchentinen mit Makamen liefert uns eben die Ermeneia von Stephanos A'. Domestikos und Konstantinos

Protopsaltes des Jahres 1843, - eben dies ist die Adaptierung von griechischer und

,,auswdirtiger", d.h. tiirkischer Musik, die der Titel angibt (siehe oben). Die Identifikationen sind dabei auch vollstindig klar wieder mit ,,einai", ,,ist",

bezeichnet, waihrend die Verbindung der Makamen mit der Vorzeichnung des Kirchentones durch ,,ginetai" und Thnlich angegeben wird. So heift es z.B. vom Rast, dafg er der 4. Plagalton ,,ist", dagegen vom Rehavi, dafg er aus dem 4.

Plagalton (d.h. also dem Rast) ,,entsteht". In der Originalfassung der Ermeneia in der Handschrift Leningrad steht demgegeniiber (siehe das Faksimile bei J.-B. Thibaut und Wortlaut und Obersetzung fir Rast in Echos und Makam, a. a. O., S. 243.), dafg der Rast aus seinem gleichnamigen ,,beginnt" und da8i der Rehavi aus dem Ton Neva ,,anfingt", und so stets bei jedem Makam. Im einzelnen sind die Identifikationen von Stephanos A'. Domestikos und Konstantinos Protopsaltes die folgenden:

1. tetraphoner Authentikos Hiiseyni 1. Authentikos Diigah [II] 1. Plagalis Bayati 2. Authentikos 2. Plagalis -; aus ihm entstehen Hicaz u. a. 3. Authentikos (argah 3. Plagalis Irak 4. Authentikos Neva 4. Plagalis Rast Legetos Segah

Der Hiiseyni ist als tetraphoner 1. Authentikos bezeichnet, der einen Quintauf- bau go-d', d'-al, al-e2, e2-h2 aus lauter gleichen Mollquinten besitzt. In der Tat sind die Lieder Nr. 77, 78, 82-84 der Leningrader Handschrift, die im Hiiseyni stehen und die Vorzeichnung des 1. Authentikos mit Quintanfang haben, eine Quint hiher notiert: sie beginnen a' und reichen herauf bis a2.

Den 1. authentischen Kirchenton identifiziert der Druck der Ermeneia mit dem 1. chromatischen Diigah, was schlechterdings unmiglich ist. Die Lieder 24-26 im Leningrader Liedteil, die den Diigah verwenden, weisen keine Vorzeichen auf, die auf ges1 schliefgen lassen, wohl aber zeigt Nr. 25 am Ende der 1. Doppelzeile den typischen Abwdirtsgang nach gO des Diigah II. Sie haben aber nicht den authentischen 1. Ton, sondern den plagalen vorgezeichnet. Der Bayati wird nicht bei der Beschreibung des Traktats selber, sondern in der angehingten Zusammenfas- sung mit dem 1. Plagalis gleichgesetzt. Da man eine doppelte Identifizierung des 1. Plagalen vermeiden wird, insbesondere da der Bayati im Unterschied vom Diigah, der b' rein mig~t, b' pythagordiisch ansetzt, ist die vorgeschlagene Identifikation des 1. Authentischen mit dem Diigah II wohl als die beste Losung anzusehen, - dieser folgt im Traktat ja direkt dem Diigah I, und es w~ire nur die Identifizierung eine Stelle zu friih eingesetzt worden.

In diesen Identifikationen benutzen Hiiseyni, Diigah II, Irak, Neva, Rast und Segah alle dieselbe rein gestimmte c-Leiter, innerhalb derer sie sich nur durch die verschiedene Lage der Finalis unterscheiden, die in der obigen Reihenfolge auf d1,

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

52 H. Husmann: Zur Harmonik des griechischen Volksliedes

d1, ho, gl, c1 und e' liegt. Es nimmt, wie die griechische Musiktheorie immer wieder darstellt, der Legetos (etwa dem gregorianischen Peregrinus als ,,Fremdling" zu

vergleichen) als Segah auf e' also tatsichlich die Stelle eines diatonischen 2. (dem Umfang nach plagalen) Kirchentones ein.

Ebenso passen Bayati und Cargah zusammen, da sie beide das Intervall alb'

quasipythagoriisch messen. Das Nebeneinander von reiner und pythagordischer Stimmung charakterisiert ebenso die tiirkische Musik und diese hat das Prinzip der

Verwendung zweier verschiedener Tonsysteme wieder von der arabischen Musik iibernommen, in der man versteht, wie es zu einer solchen Erscheinung kommt: das

pythagoriische System ist das an der antiken Musiklehre orientierte, das tempe- rierte bzw. reine das einheimische persische. So kann es keinem Zweifel unterliegen, daig andererseits nun wieder die byzantinische Musiktheorie diese merkwiirdigen

Verhiltnisse von der tiirkischen Musiksystematik iibernommen hat, - auch hier ist die Obereinstimmung wieder so speziell, daig sie ohne Annahme eines direkten

Zusammenhangs nicht erklirbar erscheint. Nicht nur einzelne spezielle stilistische Eigenheiten des griechischen Volksliedes

sind also tiirkischem EinfluB zuzuschreiben, sondern auch ein grundlegender Zug des Aufbaus des griechischen Tonartensystems iiberhaupt.

Theoretical Foundations of Early Organum Theory SARAH FULLER (STONY BROOK/NEW YORK)

Naming is a fundamental linguistic activity. It is the means by which mankind identifies what is "out there" in the world and communicates perceptions about the world to others. The needs of identification and communication vary with culture, environment, historical situation. While for us one word suffices to designate "frozen water", the Esquimos have developed an elaborate vocabulary for identify- ing different ages and topographical characteristics of ice, a pervasive element in their environment, detailed knowledge of which is crucial to their survival.1 Our

English word meat started out as a general designation for food, but subsequently shifted its field of reference to "food-that-is-flesh-of-animals" as eating habits

changed and animal flesh became a common and important element of diet. In music history, we have adopted organum as the "word for" early polyphony, as well as perceiving it as the early name for polyphony. Hence in his authoritative survey of medieval music, Richard Hoppin speaks of "descriptions of part singing that establish its distinguishing name, organum", and refers to "the different types of

organum" (i.e. polyphony) described in the Enchiriadis treatises.2 This nomencla-

1 Richard Nelson lists over 40 terms employed by North Alaskan Esquimos for kinds of ice in Hunters of the Northern Ice (Chicago 1969), p. 398-402. 2 Medieval Music (New York 1978), p. 188, 189.

This content downloaded from 185.2.32.141 on Fri, 13 Jun 2014 07:01:53 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions