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(Aus der Berliner orthopitdischen Universit~itsklinik. [Direktor: Prof. Dr. Gocht.]) Zur Hohlful behandlung. Yon Dr. Albrecht Meyer, Assist enzarzt.. Mit 5 Abbildungen ira Text. (Einqegangen am 8. Febrv.ar 1924.) Wenn aueh in einem vor nicht zu langer Zeit neu aufgelegten Handbttche der orthopi~dischen Technik der Hohlfug als eine praktisch wenig bedeutende Deformiti~t bezeichnet wird, so zwingt uns doch das verhi~ltnismi~l~ig hgufige Auftreten dieses Leidens und die oft damit verbundenen recht starken :Be- schwerden uns n:~ther mit der Korrektur dieser ])eformitSt zu befassen. Uml jeder, der sich einmal eingehender mit der Hohlfu[~therapie beschMt, igt hat, wivd zugeben miissen, da[~ dieses l~bel uns in vielen FSllen (lie gr6Bten Schwierig- keiten bereitet und in diescr Beziehung keineswegs dem Klumpfu[t nachstcht. Die an unserer Kiinik bisher geiibten Vcrfahren der HohlfuBbehandIung sind in iibersichtlicher und anschaulicher Weise vor etwa 2 Jahren yon L a c k n e r in dieser Zeitschrift verSffentlicht worden und aus diesen Ausfiihrungen geht neben ,'mderem hervor, daB, wenn auch die Anzahl dcr zur Behandhmg gelangtcn HohlfiiBe (64 im Jahre 1920) weit hinter der der Klumt)fiil~e z. B. (120 im Jahre ]920) zuriickbleibt, sie doch gcgeniiber der Gesamtzahl der Patienten (429l im ,)'ahre 1920) einen wesent/ichen l~rozentsatz (1,5~ darsteIlen. Die dort geschilderte TheraI)ie besteht kurz in folgendem: Die angeborenen und erst ganz alhmi.hlich zu.r Ausbildung gelangenden Hohlftii~e werden in ihren Anfangsstadien behandelt mit manuellen t, itglichen ]{edressionen trod den wghrend der Nachtruhe oder aueh am Tage im St,iefel anzulegenden (I o c h t schen flachen Sohlen mit Spannlasche. Neben einer kunst- gereeht ausgefiihcten Massage dec Unterschenkelmuskulatur ist dieses Ver- fahren allch geeignet fiir den beginnenden Hohlfu[~ der Kinderlghmung. Ge- niigen diese verhgltnismg[~ig einfachen MaBnahmen nicht mehr, so tritt die unbtutige Redression in Narkose in ihre Reehte unter Benutzung des Redres. sionsapparates naeh Phelps-Gocht und des Stilie-Lorenzschen 0steo- klasten. Anschliel]end daran wird der ~Ful~ alff stark gel~olsterte Holzsohlen m it festen ~Barchentziigen aufgebunden und eingegilast. Be i staa'ker S:pannung in der Plantarfaszie wird diese subkutan eingekerbt. Oft ist nach einigen ~V(mhen

Zur Hohlfußbehandlung

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(Aus der Berliner orthopitdischen Universit~itsklinik. [Direktor: Prof. Dr. Gocht.])

Zur Hohlful behandlung. Y o n

Dr. Albrech t Meyer, Assist enzarzt..

Mit 5 Abbildungen ira Text.

(Einqegangen am 8. Febrv.ar 1924.)

Wenn aueh in einem vor nicht zu langer Zeit neu aufgelegten Handbttche der orthopi~dischen Technik der Hohlfug als eine praktisch wenig bedeutende Deformiti~t bezeichnet wird, so zwingt uns doch das verhi~ltnismi~l~ig hgufige Auftreten dieses Leidens und die oft damit verbundenen recht starken :Be- schwerden uns n:~ther mit der Korrektur dieser ])eformitSt zu befassen. Uml jeder, der sich einmal eingehender mit der Hohlfu[~therapie beschMt, igt hat, wivd zugeben miissen, da[~ dieses l~bel uns in vielen FSllen (lie gr6Bten Schwierig- keiten bereitet und in diescr Beziehung keineswegs dem Klumpfu[t nachstcht.

Die an unserer Kiinik bisher geiibten Vcrfahren der HohlfuBbehandIung sind in iibersichtlicher und anschaulicher Weise vor etwa 2 Jahren yon L a c k n e r in dieser Zeitschrift verSffentlicht worden und aus diesen Ausfiihrungen geht neben ,'mderem hervor, daB, wenn auch die Anzahl dcr zur Behandhmg gelangtcn HohlfiiBe (64 im Jahre 1920) weit hinter der der Klumt)fiil~e z. B. (120 im Jahre ]920) zuriickbleibt, sie doch gcgeniiber der Gesamtzahl der Patienten (429l im ,)'ahre 1920) einen wesent/ichen l~rozentsatz (1,5~ darsteIlen.

Die dort geschilderte TheraI)ie besteht kurz in folgendem: Die angeborenen und erst ganz alhmi.hlich zu.r Ausbildung gelangenden

Hohlftii~e werden in ihren Anfangsstadien behandelt mit manuellen t, itglichen ]{edressionen trod den wghrend der Nachtruhe oder aueh am Tage im St, iefel anzulegenden (I o c h t schen flachen Sohlen mit Spannlasche. Neben einer kunst- gereeht ausgefiihcten Massage dec Unterschenkelmuskulatur ist dieses Ver- fahren allch geeignet fiir den beginnenden Hohlfu[~ der Kinderlghmung. Ge- niigen diese verhgltnismg[~ig einfachen MaBnahmen nicht mehr, so tr i t t die unbtutige Redression in Narkose in ihre Reehte unter Benutzung des Redres. sionsapparates naeh P h e l p s - G o c h t und des S t i l i e - L o r e n z s c h e n 0steo- klasten. Anschliel]end daran wird der ~Ful~ alff s tark gel~olsterte Holzsohlen m it festen ~Barchentziigen aufgebunden und eingegilast. Be i staa'ker S:pannung in der Plantarfaszie wird diese subkutan eingekerbt. Oft ist nach einigen ~V(mhen

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eine nochmalige Rcdrcssion erfordertich. Nach der ~o erfo]gtcn Be~citiguug der Deformit~tt hat uns die Verpflanzung des Ext. halluc~s atff das Os meta- tarsa]e I in vielen ~'~llen zur Erhaltung des Resultates gute Dienste geleistet. Zur Nachbehandlung wird auch hier auf~er den manuellen Redressionsfibungen und der Mass~tge die schon oben erwShnte; Go cktsche flache SoMe angewandt. Hochgradige Hohlffil3e mit starken Ver~inderungen des Knochengeriistes werden einer Neilosteotomie unterzogen, die je naeh dem Sitz des stgrksten Knickes der "W6lbm~g mehr distal oder proximal angelegt wird. In geradezu iiberrasehen- (let' Weise Iii, f~t sich so mit einem 8ehlage eine fast v611ig normale ~'uBform er- ziehm ltnd aueh bei sorgfgltiger Naehbehandhmg gut erhalten.

L a e k n e r beriehtet in seinen Ausffihrungen von guten Erfolgen und nach den mit diesen ~[ethoden weiterhin in den letzten Jahren in unserer Klinik ge- maehten ],~rfahrungen kann ich diese durehaus bestgtigen. Er weist jedoeh atasdrficklich auf die (;'efahren der Dekubitusbildmlg nach den Redressionen der I~ohlfiiBe hin und nut sorgfgltige Auswahl der Falle, sehr vorsichtiges V o f gehen beim Redressement mid peinliehste Verbandteehnik k6nnen dies Ubel vermeiden. Is t dutch ~'ehler yon Ungeiibten einmal eine Sebgdigung der I[aut unter den MetatarsalkSpfchen entstanden, ist etwa aueh das hiec so not- wendige .Fettpolster dureh Dntek nekrotiseh geworden, so bildet sieh eine feste Narbe und Verwachsungen zwischen ihr und dem Periost. 8tarke J3,esehwerden beim (leben auf dem vSliig unelastisehen Polster sind die :Folge und trotz guter l,h~13form wird d~tnn der Enderfotg dureh die Schmerzen beim Auftreten stark beeintrgehtigt. Bei den gttten Resultaten der Keilosteotomie k6nnte man ja., um diesen Gefahren alus dem Wege zu gehen, diese Operation fiir alle Hohlfug- formen, aueh fiir die ohne starke Vergnderun~en des Knoehengerfistes emp- fehlen. Sic ist jedoeh ein so groger Eingriff in den komplizierten Gelenkapparal5 des li'ul~es, dat~ man sieh nur sehwer dazu entsehliegen k~mn, sie attch bei den weniger sehweren HohlfuBformen anzuwenden.

Diese Sehwierigkeiten waren der ,4mstol3 zu Versuehen, die ich in gemein- samer Arbeit mit D e l ) r u n n e r in den letzten It/,, Jahren unternommen habe. ()ber die hierbei augewandte Teehnik mOehte ieh in folgendem kurz berichten, ohne mir ein absehliegendes Urteil fiber unsere Erfolge schon jetzt naeh so kurzer :Bem bachtungszeit der behandelten Fglle erlauben zu kSnnen.

Analog dem Prinzip des Knieredressionsatiparates yon ] ) eb r t , n n e r mid l~'roseh und der 3fethode yon } t o m m s e n haben wit bier versueht die ~Summieruug yon kleinen Krgften anzuwenden, um so mlsere P~edressions- wirk~mg his in das ]~'einste dosieren zu k6nnen. Dies Verfahren a.n sieh ist ja insbesondere den Orthopgden seit langem gelgufig, um es jedoch gegen den ttohlfuB zu verwenden, ist eine besondere Teehnik erforderlieh, die uns an- fgnglieh grof~o Sehwierigkeiten bereitete. :Behandelt man niimlich den Hohl- ful~ wie einen SpitzfuB, der ja doch in den meisten ]~'/i, llen mit der HohlIuf~- (leformitgt verbunden ist, und legt einen dementspreehenden Verband naeh der Vorsehrift yon M o m m s e n an, so fiihrt die so langsam au~sgefiihrte Ex- tensionsbewegung im Sprunggelenk zum Tiefertreten des Kalkaneus. l)as Fersenbein folgt ohne weiteres dem Zug der Plantarfaszie und der an ibm an- setzenden kurzen :FuBbeuger ltl'l(l das Redressionsresultat ist ein Hohlhaeken- ful3. gt ihrt man mm die begonnene Extensionsbewegamg giber den Ansehlag

118 Albrech~ 5Ieyer:

im Sprunggelenk hin aus, so t r i t t jetzt eine gewisse Redression des vorderen kngehernen Fullgeriistes ein, jedoch keinc Dehnung der sich im FullgewSlbe als Sehnen im Bogen spannenden Weichteile, weil der Kalkaneus sich steiler gestellt hat und ihrem Zuge gefolgt ist. Das Ziel mull daher sein, diese ]Bewegung des Fersenbeines im Sinne des Hackenfulles z,t verhindern, die Ferse fest im Verband zu fixieren und dann gegen die festgelegte Verbindmlg Tibia-Talus- Kalkaneus eine redressierende Bewegung des .vorderen Teiles des ]~'ulles aus- zufiihren. Fassen wit den Untersehenkel mit einem eng angelegten Cipsverband yon der Mitte des Oberschenkels his in das Ful3gew51be hinein reiehend, so

stellt sich beim Redressions- versueh der Kalkaneus trotz des GiI~sverbandes in die nicht gewollte Stelltmg ein, er gewinnt den erforderliehen Raum im Verband dadureh, dall der Untersehenkel sich

Abb. 1. im Verband, wenn aueh nur um einige Zelltimet.er, allf-

warts schiebt. Da es abet aueh nicht mSglich ist, dltrch den Verband eht Hypomochlion am Ful~r/icken etwa in der Gegend des Os navieulare an- zttbringe n -- . bei noeh so guter Polsterung treten bier immer unertragliche Schmerzen t in - - so bleibt nut (ibrig, wie schon oben bet.ont, T,~lus und Kalkaneus gegeniiber dem Unterschenkel festzulegen und so den Taluskopf selbst als Hypomochlion zu benutzen. Wit haben dies mm dadureh zu erreichen gesueht, dab wit die Haut des Unterschenkels mit der in unserer Klinik fast bei allen Verbanden verwendeten KlebelSsung (Benzol + Kolophonium zu

gleichen Teilen) bestriehen, alsdanu in der Spitzful3stel- hmg einen festen Barehent- zug um die Fersc herum- gelegt haben, der beiderseits am Unterschenkel heralK ver- lauft und sich dann an der

kbb. 2. 8treckseite des im ~Knie ge- beugtenOberschenkels kreuzt,

s. Abb. I. -N'aeh AI~legm)g yon cinigen P~pierbinden und einer diinnen Lage Zellstoff wird dann der Gips in der KnSchelgegend, an der Ferse, im Full- gew61be und oberhalb des Kniegelenkes scharf angearbeitet. Je tz t kann sich die Ferse bei Redressionsbewegtmgen nicht mehr senken, der Barchentzug verhindert dies und hullerdem wird dutch die Beugung im Kniegelenk und den so geschaffenen Widerhalt am Oberschenkel der Unterschenkel dar,~n verhindert sich im Verband hochzuschieben und der Ferse Platz zu geben, sich zu senken. Besonders guter Polstenmg mit Filz bedarf din- Verband unter den ~ctatax~al- kSpfchen, an der Aehillessehne und an den KnScheln, als auch auf und ober- halb der Patella an der Streckseite des Oberschenkels. In den Gipsverband haben wir sofort nach der Anlegung am oberen Tell des }'uf~rfickens ein Fenster eingeschnitten, wie ks die Abb. 2 bei a zeigt. Quer durch das FulJgewSlbe wird

Zur Hohlfuflbeh~ndlung. 119

der Verb,~nd linogr (b) durchtrennt his beiderseits nahe an das ~Fenster am Ful l ~iicken heran. Dutch die schmale Oipsbrticke innen trod aul~en verlguft, ein miteingegipstcr I)raht in }'orm der punktierten I,inie e. Ebenso wird im Gip,s dos Obersohenkels eine (~)se d mit einigen Gipstouren festgolegt. Den st) fertig- gestellten Vert)and sieht man auf Abb. 3. Hier ist nun sehon, naohdem der Gips gut. tmekon geworden ist, eine etwa bleistiftdieke Sehnur um den vorderen ~'ullteil und dureh die 0so am Obersohenkel gelegt und in bekannter Weise ein kurzer Knlzstab zudschen 'oeiden Sohnurfiihrungen hindurehgesteekt worden. ].htrch die Drehungen des Holzstabes wird die Sehnur aufgerollt end dadu_reh der vordere Yltl~teil naeh dem Kniegelenk zu umgekippt. Bei dieser Bewegm~g liegt der l)rehpunkt etwa in H6he ties Os elmeiforme I, der miteingegipst.e l)raht wirkt, hier als Seharnier.

Bei tler auf diese Weise vorbereiteten allmghliohen Redrtssion itann mttn in den ersten Tagen ziemlieh schnell die Spannung der Sehnur vergrSBern, ts prel~t sieh zungehst die PoLsterung aller Teile etw~s zusammen, bis tiann die erst.en Sehmerzempfindungen ton seibst d~s Signal zu la.ngsamerem Vof gelien geben end man ~ohliel~lich titglich Pall.t' 1/i Umdrehung seha.fft oder itueh nut jedon zweiten odor drit.ten Tag(: eino solche. In man- then FMlen i,-_t Imeh die Anlegung einos zwcit{n \"erband~s erforder- lioh, da natiirlieherweise clio gug- riehtmlg mit fortschroitonder Re- kbb. 3. dression fine andere wird und eine allm;,thliche Loekerung des Verbandes dureh den daucrnd ausgr Zug stat.tfJn(let.

Ebonso wit bei den l{edressionen im App~rat bietet, bier oft die wit eine Sohne im Bogen ge~.pannte Plant~rfaszie unseren Bemiihungen den heftJgston Widerst~md entgegen. Da es doppelte und dreifache Zeit beanspruehen wiirde, dteses feste Sehnenbltttt zu dehnon, sind wir hier, wie auch bei den Redressionen im Apparat, in einem Toil der ~Fglle gen6t.igt gewesen, die ~ sz i e yon vornherein im kurzen :-~therrausch einzukerben. Es bleibt dann der nachfolgenden Rc- dresshm in der Hauptsache nur nooh die Dehnung der 3]:ttskulatur und des KnochenBtmdapparates. S{ehcrlielz wird duroh diese Einkerbung die 8treekung des ]?uL~gewSlbes wesentlieh erleichtert. Um nun ganz g,i~ndiioh vorzugehen, luld ~A[eh die Wirkung einer etwa.igen N~trbenbildung an der Einkerbungsstelle auszusehlie[~en, kann man ein Stiick aus der Faszie resezieren; es lg!3t sich dieser Eingriff uatiirlich nut in offener Wunde ausfiihren. In einigen ~'Mlen haben wir diese in der Literatnr ja sehon bekannte Operation vorgenoramen und kSnnen sic zur Erleiehtcrung der Redression und zur S~eherstellung des sp~teren Erfolges nut dringend empfehlen. Etwa eintretende StSrungen beim sp~teren Gebraueh des :Ful~os haben wir nieht beobachtet.

gine weitere sehr wiehtige Frage in der HohlfuBbehal~dhmg ist die Er- haltmlg des Kriiftegleiehgewichtes naeh erfo]gter Redreesion, d. h. i:achdem der t~'ul~ seine normale, leiehtgewSlbte ]?orm d u t c h die Behandlung bereits

120 Albrecht Meyer:

wieder crlangt hat. Ist eben nach dem gedressement iiberhaupt ein die normale FuBform erhaltendes KrMtegleichgewieht vorhanden oder nieht ?

Handelt es sich um einen angeborenen HohlfuI], bci dem die Deformit:,tt etwa durch Dlalck yon auBen in utero entstanden ist, bei an sich intakter Mus- kulatur, so sind natiirlich naeh der Kedression und ihrer Nachbehandlung mit Massage yon seiten der Mu,skulatur keine Einwirkungen zu erwarten, die ein Rezidiv hervorrufen kSnnten. Die dutch die Deformitgt etwa sekundiir gesehiidigte Muskulatur wird sich bald erholt haben. Ganz anders liegen jedoch die Verhii, ltnisse, wenn die Muskulatltr primgr verfindert war und das Krgfte- gleichgewicht yon vornherein als ein gest6rtes angesehen werden muB. Dann wird durch die Redression und auch dutch die Massagebehandlung die Irrsaehe der Deformitgt nicht beriihrt. Wie L a c k n e r sehr gcnau beschreibt, ist die langsame Progredienz der Deformiti~t geradezu charakteristiseh ftir einen groBen Teil der HohlffiSe und meist ist es das 15.--20. Lebensjahr, in welchem dann ganz allmghlich die Beschwerden so stark werden, dal3 die Patienten den Arzt aafsuehen. DaB die betreffenden Kinder einen hohen Slaann haben, i s t viel- fach den Eltern schon lange bekannt. Man kann diese 1)rogredienz dadurch erklii, ren, dab dureh die angeborene Deformitgt die Muskulatur, insbesondere der Tibialis ant. und der Peronaeus tertius in ihrer Zugrichtung eine solche Ver~nderung erfahren hgtten, dab sie nur mit stark gesehw~ichter Kra f t als Gew61beverminderer wirken kSnnen und deshalb di~reh das 1jVberwiegen der das Gew61be"verst~irkenden Muskeln das Fortsehreiten des Leidens hervor- gerufen sei. Sicherlich liegt aber in vielen Fgllen eine tatsitchlichc Lghmung der Deformitgt zugrunde und, dab iiberhaupt eine solche die Ursaehe der De- formitgt sein konn, beweist uns ja die grol3e Zahl yon Hohlfii{3en nach spinaler Kinderli~hmung. Es muB aber bei den ganz langsam sich ~-erschlimmernden HohlfiiBen die St6rung des Gleiehge~chtes nut eine sehr geringe sein, denn bei vSlliger Lghmung einzelner Muskeln mtiBte sieh die Deformitgt viel schneller atlsbilden. Klinisch ist daher auch hier der Nachweis einer I, ghmnng des Tibialis ant. nicht zu erwarten. DaB tatsi~chlieh eine Teilliihmung dieses Muskels ohne klinisehen Befund vorliegen kann, bewies uns ein vor einigen Monaten operierter Fall, bei dem trotz guter Fanktion ein Probeschnitt am Tibialis ant. uns seine wesentlich blassere Fgrbung gegeniiber dem Extensor hallucis zeigte. Hier handelte es sich um HohlfiiBe, die erst nach dem 20. Lebensjahr zu Beschwerden gefiihrt hatten, yon einer etwa fiberstandenen Kinderlghmung war der Pa- tientin nights bekannt. Trotzdem ist ks ja selbstverstgndlich m6glich, daf3 dieselbe friiher einmal ohne es zu wissen an Poliomyelitis erkrankt war und bald eine v61lige Erholung der ~Iuskulatur eingetreten ist. ~Fiir einen Tell der HohlftiBe ist sichertich hierin die primgre Ursache zu suehen. Vielfach ist ja aueh eine Slaina bifida occalta als Ursache angesehen worden, wozu die ~Sntgen- befl{nde, etwaige klinische Symptome und auch die anatomischen A, ngaben fiber Enuresis usw. bereehtigen. Ob hier ebenfalls Teillghmungen vorliegen oder ob die Slaina bifida oceulta einen geizzustand in der kurzen FuBm~mku]atur zur :Folge hat, der zur HohlfuBursaehe wird, diese Frage ist noch nicht entschieden.

Fiir unsere Therapie ist es jedenfalls wesentlieh, dab wir in vielen ~F~llen ein primgr gestSrtes Muskelgleichgewicht anzunehmen haben, wenn atteh klinisch keine Liihmung nachgewiesen werden kann und dies gest6rte Gleichgewicht

Zur Hohlful3behandlung. 121

besteht natiir]ieh naeh der t-Ledression fort. Diese Umsti~nde bereehtigen uns zu der seit Jahren an ~mserer Klinik alLsgefiihrten Verpflanzung des Extensor hallucis longlLs auf das Os metatarsale I such bet klinisch nieht gel~hmtem Tibialis ant. Die yon D e b r u n n e r auf dem O.-K. 1923 verSffentlichten Ver- suchsergebnisse i[ber die hohlfugverst/trkende Wirkung des Extensor hallucLs bet belastetem Fug beweisen, wie begriindet der Eingriff ist. Auf diese \Veise wird der 5lissetS, ter dazu verwandt, yon nun ab zur Erhaltung des d ltrch die Redression erreichten gesultates beizutragen.

Die damals yon D e b r u n n e r unter meiner 2t[ithiLfe ange~tellten Ver- suche ergaben abel' such, dag bet belastetem Fug der Tibialis ant. ein starker Gew6lbevermehrer ist und es entsteht daher die Frage, wie es mgglie.h ist, dal] eine L~hmung dieses 3htskels gerade die Ursaehe zu einer Hohlfalgbildung werden kann. Der Tibialis ant. hat auller der Gew61beerhaltmlg noeh die Auf- gabe, den Full im ganzen im Sprunggelenk zu e~endieren und ist in dieser Beziehung der Synergist des Peronaeus tertius. FMIt nun bet L~ihmung des Tibialis diese Aufgabe allein dem Extensor ha]lueis und dem Extensor eomnmnis zu, so kommt es zur l~berstreekm~g der Zehen und damit geradezu zu einer Stauehung des Ful3es im Sinne des Hohlfuges. Beim normalen Ful~ ist eben tier Ext.. hallueis kein Ful~heber, nur ein kleiner Tell der Muskelwirkung teilt sieh dem Fiihrungsapparat der Sehnen mit und iibertrSgt sich dadureh auf dic Mittelful3knoehen.

Aullerordent[ich bewhhrt hat ~ieh be[ der Verpfl~mzmlg des J'~'xt.. hallueis das yon Goeht, seit langem geiibte Anh/i, ngen des distalen Sehnenstumpfes an die kurze Exten~orsehne. Sie iiberuimmt vollkommen ausreiehend die Funk- tion des Extensor hallueis longus. Die Anheftung des proximalen Sehnen- teiles gesehieht mit HiKe eines Seidenfadens, der dm'eh ein Bohrl()eh am Os metatarsale [ hindurehgefiihrt wird. Es ist selbstverstii, ndl[eh, dag die gow61be- vermindernde Wirkung dec verpflanzten Sehne am gr613ten ist, je weiter distal die Anheftungsstelle gewS, hlt wird.

Ein grogcr Tell tier HohlfiiBe zeigt auller tier starken Gew61beerh6hung eine Neigung zu Supination und Adduktion des vorderen Teiles des Fulles. Die Patienten knieken oft beim Gehen im Sinne des Klumpful3es um m~d wir miissen daher hier auger der Sehw/iche des Tibialis ant. eine solehe im Pero- naeus tertius annehmen, der erstens ]~'uftheber, aber such Pronator ist. Es kSnnen natiirlieh such die beklen anderen Mm. Ix~ronaei an der Parese be- teiligt sein. Um in diesen FMIen das gest6rte Kriiftegleiehgewieht wieder her- zustellen, haben wit den Exten,,.'or hallueis auf das Os metatarsale V verpflanzt. Dieser Eingriff geniigt nattirlich nut" dann, wenn der Tibialis antieus nieht zu stark gesehSdigt ist. Is t dies letztere doeh der Fall, so wird der mediale Tell des Vorderfu3es dureh diese MaIlnahmen such noch des Extensor halhleis he- raubt und jetzt fehlt bier medial jeder Fugheber.

Um nun die dureh die Verlagerung des Extensor hallueis auf das Os meta- tarsale I ausgeiibte Wh'kung noeh zu untemtii.tzen, habe ieh versueht, eine Sehw~ehung der katrzen Fullsohlenmuskulatar dutch gesektion einzelner Nerven- st/imrne zu erreiehen. Zugleieh entsprieht dieser Eingriff der schon oben er- wtihnten Kypothese yon eventuell anmmehmenden Hypertonien in tier Ge- w61bemuskulatur bet Spins bifida occults.

122 Albrecht Meyer:

Dic km'ze FuBsohlenmuskulatur ist stark an der Erhaltung des Gew61hes beteiligt. Oleieh einer elastisehen Spirale verbinden die kurzen Zehenbeuger, der Abductor hallucis und der Quadratus plantae deu Kalkaneus mit dem Vor- derfug. Ihre Antagonisten sind der Triceps surae und die VorderfuBheber, d. h. eben der Tibialis ant., der Peronaeus tertius in Zusammenarbeit (nit den Zehenstreekern. Als wesentlieher antagonistiseher Faktor kommt die dauernde Gew61bebei~stung beim Gebraueh des Ful3es hinzu. Fs liegt daher der Ge- danke nahe, diese beim t{ohlfuB -- sei es nun durch die Parese der VorderfuB- heber, sei es durch eigene Hypertonie -- tkberwiegm:den OewSlbefedern zu schwiiehen, um so den natfi.rlichen Antagonisten bzw. dem verpflanzten Fx- tensor hallueis die Arbeit zu erleiehtern.

Naeh eingehenden .0t)erationsversuehen an der Deiche wiihlte ich den in Abh. 4 eingezeiehneten, dem Verlaufe des N. plant.aris medialis etwa ent- .spreehenden Hautsehnit t und die Abb. 5 zeigt nns die beim Vordringea in {let' Nisehe zwisehen Flexor eommunis brevis und Abductor hallueis zu findenden Nervenstgmme. 7Die beiden bier in Betraeht kommenden 1-[auptgste, der Ncr- vus plant, aris medialis und latet'alis teilen sieh sehon ziemlieh friih hinter den(

3IalteoIus mcdialts veto N. tibialis at) uud ziehen danu uuter dem Lig. laciniah, m zm' FuBsohle hin. ])er mediale tr i l l bier unter dem M. ab(luetor halh,cis horror, leg( sich (liesem Muskel an mid gibt ;meh an ihn motorisehe .2~.ste ab. 8elmn irmerhalh des dureh das Lig laciniatunl gebildeten Ka-

Abb..t. im.les tell( sieh ein motoriseher Ast, zum M. flexor eommunis brevis ab. I)er N.

plantaris htt. verlguft tiefer, liegt deln ,'~[. quadratus plautae auf nnd gibt glcich bei seinem Eintrit t in (lie FuBsohle cinch Ramus an diesen 3[uskel ab.

l)a die einzelnen Nervenfasern in dem 8chnittbereieh ziemlieh nab zu- sammenliegen, attSerdem die .4ste der Arteria plantaris dutch das Oesiehts- fehi ziehen, ist sorgsames anatomisehes Pr/iparieren notwendig. Von den Haupt- iksten der Nerven attsgehend nml~ man die feinen Verbindungen zu den Muskeln einzeln attfsuehen. Die gr6Beren Gefitge lassen sich leieht vermeiden.

Bei 8 Fgllen haben wit nun in dem letzten Jahre die Resektion yon mus- kulgren XervenS~sten in der FuBsohle in dieser Weise vorgenommen und konnten dabei die den Auatomen bekannte Tatsaehe feststellen, dab die Innervienmgen der kurzen FuBmuskeln stark variieren. Aueh (ties g a b noeh besonders Ver- anlassung, in jedem Fall sorgfgltigst erst die betreffenden, verhgltnismS, f3ig dfinnen N-ervenverzweigungen zu Friiparieren.

5Iit diesem Eingriff haben wit die Behandlung begonnen und zwar i1( Allgemeinna.rkose und Blutleere. Bei siimtliehen 8 Fallen resezierten wir die �9 ; { ~ t e zum ,~bduetor hallueis, dem Flexor eommtmis brevis und dem Quadratus plantae. Wit sehonten dabei den Ramus zum Abdttetor digiti V, um den gut3eren Auftri t tsrand des Fu[3es nioht zu s tark seines muskulgren PoLsters zu berauben. Von demselben Hautsehnitt konnten wir dann leieht die oben besehriebene Einkerbung bzw. Resektion an der Plantarfaszie vornehmen. In der gleiehen Sitzung wurde die fiir den betreffenden Fall notwendige 8ehnenverpflanzung

Zur HohlfuSbeh~ndlung. 1o3

am Ful3riieken ausgefiihrt, alsdann der Gips in der anfa.ngs angegebenen Weise angelegt. Am 5.--6. Tags naeh der Operation konnte bereits langsam mit der Redression begonnen werden, ohne eine Seh/~digung der Wunden bzw. der Sehnennaht befiirehten zu raiissen. J0ureh die Anbringung des grol3en Gipsfensters am Fultriieken wird jeder etwaige Druek auf die Extensorsehne beim Redressement yon vornherein ullm6glieh gemaeht.

Was nun den Erfolg der im Sinne obiger Ausfahnmgen vorgenommenen Behandlung an- geht, so I~llt sich natiMieh naeh so kurzer Zeit -- der erste l~'all liegt etwa 1 Jahr zurfiek - keiu a.uch mu' irgendwie ab- schlieBendes Urteil iS, lien. E.~ sind auch d iese Versuehsberiehte hier durchaus nieht als unbe- dingte Empfehlung dieser Me- rhode gedaeht, sondern sol[ell dazu dienen, cine Anregung zu weiteren Versuehen in dieser ll.ichtung zu geben.

Nach unseren bisherigen Feststellungen liti3t sich etwa folgendes z u s a m nl e n f a s s c n d sagen :

Bei einer grol3en Anzahl yon Kohlfiil3en liegen der Defor- mitii, t ursi~ehlieh Oleiehgewiehts- st6rungen der Muskulatur zu- grunde, (tie sieh kliniseh oft nieht naehweisen la,ssen. Es handelt sieh dabei meist um Paresen des Tibialis antieus trod des Pero- naeus tertius.

Die hier besehriebene Me- rhode der langsamen gedression Abb. 5. im Gipsverb~mde fiihrte in 10 F~i, llen yon Hohl%g zu einem ~l ten Et~folge, d..h. naeh Abnahme dun Gips- verbandes zeigge das Yuggew61be eine normale ~'orm. Diese Ergebnisse glaube ieh im besonderen auf die sorgf~ltige Auswahl der FS~lle zttriiekftthren zu mii,ssen. Es wurden nut verhi~lt, nism~l~ig weiehe Kohlfiige kindliehen Alters ohne starke Knoehenver~indenmgen dieser Behandlung unterzogen. Die Redression nahm 3--6 ~%ehen in 2knsprueh. In einem Teil der l~lle war naeh 2--3 Woehen die Xnle~mg eines zwei'~en Verbandes erforderlieh. Bei starker Spannung der Plantarfaszie ~,arde diese zu Beginn der Behandlung subkutan eingekerbt oder offen tenotomiert bzw. ein Stii.ek au~ derselben reseziert.

124 Albrecht Meyer: Zur HohlfuBbehandlung.

Um das I)rim~r gest6rtc Kr~iftegleichgcwicht wieder herzustellc'n, wurde (lie scit langem an der Goch t schen Klinik tib]iche Verpflanzung des Extensor hallucis uuf den I. ~[et~tarsalknochcn mit bestem Erfotge benutzt. Hierbei wird der distale Sehnenteil an die kurze Extensorsehne mit~ngeh~ingt.

Zur Unterstfitzung des verpflanzten Extensor ha]lueis haben wir eine Schwhchung der kurzen Fuftmuskeln durch ]gesektion der betreffenden Nerven- ~ste vorgenommen. Eine den Gang behindernde oder Sehmerzen verursachende Schiidigung des m~vskuliiren Ful3polsters wurde dabei nicht beobachtet. Ein Urteil fiber den Erfolg des Eingriffes kann heute 1 Jahr naeh der ers~en so aus- gefiihrten :Bchandlung noch nicht gefiillt werden.

In den ersten Wochen und Monaten nach dem l~er bew~ihrte sich zur Erhaltung des erreichtea gesul ta tes und Unterstiitzung des vei~pflanzten Muskels das Tragen der G o c h tschen flaehen Sohle mit Spannlasche, verbundon mit tiiglichen, manuellen Redressionsiibungen und einer kunstgerccht aus- geffihrten ~[assage.