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Zur Kenntnis des Selens. Von JULIUS MEYER. 11. Mitteilung. II. Dnrs Atomgewicht des Selens.' Die bisher ausgefuhrten Bestimmungen des Atomgewichtes des Selens weicheu nicht unbetrachtlich von einander ab, selbst wenn man nur die' letzten Resultate berucksichtigt. Sieht man voti den Arbeiten von MITSCHERLICH und NITZSCH~ ab, welche vie1 zu grofse Zahlen gefunden haben, so bewegen sich die Werte der anderen Forscher zwischen 80.4 und 71.5. Ich setze die Ergebnisse der vier letzten Bestimmungen hierher. ERU~VL" und MARCHAND' 78.95 PETTERSSON und EEMAN~. 79.01 79.08 VICTOR LENHERO . . . 79.33 79.28 DUMAS' . . . . . . 79.41 Diese Atomgewichte sind auf die Sauerstoffeinheit umgerechnet. Wie man aber aus der Tabelle ersieht, besitzt das Verbindungs- gewicht des Selens trotzdem noch ,,Kurswert", welcher sich mit jeder neuen Bestimmung andert. Die von EKMAN und ~'ETTEBSSON gefundene Zahl 79.08 ist bisher a19 die zuverliissigste betrachtet Jui.rns MEYER, 2. amorg. Chem. 30, 258; Ber. deufsch.chem. Oes. 36, 1591. ERDIIANN und MARCHAND, Journ. praht. Chm. bb, 202. EKMAN und PETIERSBON, Ber. deufech. chem. ffe~. 9, 1210. Nova acts 9 M~TSCHERLICH uud NITZSCB, P. A. 9, 627. ' I~HAH, Ann. chin?,. phy8. 131 6G, 186. Upsalensia 1876. 6 VICTOR LENTIER, Chem. Centrbl. 1898 TT, 657.

Zur Kenntnis des Selens. II Mitteilung

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Zur Kenntnis des Selens. Von

JULIUS MEYER.

11. Mitteilung.

II. Dnrs Atomgewicht des Selens.'

Die bisher ausgefuhrten Bestimmungen des Atomgewichtes des Selens weicheu nicht unbetrachtlich von einander ab, selbst wenn man nur die' letzten Resultate berucksichtigt. Sieht man voti den Arbeiten von MITSCHERLICH und NITZSCH~ ab, welche vie1 zu grofse Zahlen gefunden haben, so bewegen sich die Werte der anderen Forscher zwischen 80.4 und 71.5. Ich setze die Ergebnisse der vier letzten Bestimmungen hierher.

ERU~VL" und MARCHAND' 78.95

PETTERSSON und EEMAN~. 79.01 79.08

VICTOR LENHERO . . . 79.33 79.28

DUMAS' . . . . . . 79.41

Diese Atomgewichte sind auf die Sauerstoffeinheit umgerechnet. Wie man aber aus der Tabelle ersieht, besitzt das Verbindungs- gewicht des Selens trotzdem noch ,,Kurswert", welcher sich mit jeder neuen Bestimmung andert. Die von EKMAN und ~'ETTEBSSON

gefundene Zahl 79.08 ist bisher a19 die zuverliissigste betrachtet

Jui.rns MEYER, 2. amorg. Chem. 30, 258; Ber. deufsch. chem. Oes. 36, 1591.

ERDIIANN und MARCHAND, Journ. praht. Chm. bb, 202.

EKMAN und PETIERSBON, Ber. deufech. chem. f f e ~ . 9, 1210. Nova acts

9 M~TSCHERLICH uud NITZSCB, P. A. 9, 627.

' I ~ H A H , Ann. chin?,. phy8. 131 6G, 186.

Upsalensia 1876. 6 VICTOR LENTIER, Chem. Centrbl. 1898 TT, 657.

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und daher in die Atomgewichtstafeln aufgenommen worden. Die beiden Forscher fuhrten eine gewogene Menge Selendioxyd durch Reduktion mit HC1 und SO, in Selen uber und bestimmten das Gewicht des letzteren. Diese Methode, die einzige unter den vielen von ihnen angewendeten , nach welcher sie vertrauenswiirdige Re- sultate erhalten haben , ist in einzelnen Punkten nicht absolut einwandsfrei. Bei genauen Analysen mussen die Manipulationen moglichst vereinfacht werden ; denn je komplizierter die Versuche sind, desto grofser sind naturgemafs auch die sich einstellenden Fehler. Wenn EKMAN und PETTERSSON nun das ausgefallte Selen vor dem Trocknen in einer Schale pulverisieren, so tragt dieses Verfahren nicht zur Erhohung der Garantie fur die Exaktheit ihrer Resultate bei. Das ausgeschiedene Selen wurde ferner in ein Asbest- filter gebracht. Es ist zweifelhaft, ob diese Filter fur Atomgewichts- bestimmungen brauchbar sind; denn es ist aufserst schwierig,l wenn nicht unmoglich, sie gegen verdunnte Sauren u. s. w. so unempfind- lich zu machen, dafs man das Gewicht derselben stets als konstant betrachten kann. Dab die Verfasser mit ziemlich ungenauen Atom- gewichten (H=l , 0 = 1 6 u. s. w.) gerechnet haben, fallt weniger ins Gewicht, da dies durch Einsetzung der neueren Werte leicht reguliert werden kann. V. LENHER, fuhrte eine gewogene Menge reinen selenigsauren Silbers in Silberchlorid uber und zwar durch Uberleiten trockenen Chlorwasserstoffs iiber das in einer Verbrennungsrohre erhitzte Salz. Diese Methode ist aufserordentlich einfach , und die gefundene Zahl 19.33 kann denselben Anspruch auf Genauigkeit machen wie die PETTERSSONISChe. Bei diesem Verfahren ist jedoch die nicht zu vernachlassigende Fluchtigkeit des Chlorsilbers in der Hitze zu beachten, und es ist rnir nicht bekannt, welches Kriterium LENHER dafur hat, dafs keine Verfliichtigung des Silberchlorids ein- getreten ist. Wenn aber das Gewicht des resultierenden Chlorsilbers auch nur um Spuren verringert ist, so entsteht ein Fehler, welcher das Atomgewicht des Selens bedeutend zu g d s erscheinen ltilst. Hiermit steht vollig im Einklang, dafs die aus der Bestimmung von (NH,),SeBr, erhaltene Zahl nur 79.28 ist.

Ferner ist zu beachten, worauf schon EKMAN und PETTERSSON hingewiesen haben , dals die Urnwandlung des selenigsauren Silbers in Chlorsilber keine vollstandige ist. Selbst wenn das Silberchlorid schmilzt, sind noch Spuren yon Selen darin nachzuweisen.

P. JANNASCH. Ber. deut8ch. chem. ffes. 31, 2382. V. LENHER, Journ. Am. them. SOC. 20, 555-579.

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Von samtlichen Selenverbindungen ist das sele nigsaure Silber zur Analyse wohl am geeignetsten; denn es lafst si:h absolut rein darstellen und nach verschiedenen einfachen Methoc en bestimmen, indem das Silber als solches oder in einer anderen Vi rbindungsform, z. B. als Chlorsilber, ausgeschieden wird. Ich wahke den ersten Weg, und zwar schied ich das Silber nicht wie AN und PETTERSSON auf pyrogenem Wege, sondern elektrolytisch ab. Denn wie diese beiden Forscher gefunden haben , weiclien die durch starkes Erhitzen von selenigsaurem Silber erhaltenen Werte fur den Silbergehalt nicht unerheblich von einander ab. Et ist diese Un- regelmafsigkeit wahrscheinlich auf die Bildung v on Selensilber zuriickzufiihren , das sich nach FR. ROSSLER~ in geschmolzenem Silber auflost und beim Erkalten auskrystallisiert. Daher ist der auf diesem Wege erhaltene Wert 79.01 kleiner als der durch Reduktion der selenigen Saure gefundene.

Die Elektrolyse des selenigsauren Silbers kann sowohl in sal- petersaurer wie auch in cyankalischer Losung vor si:h gehen. Da es mir natiirlich auf einen tadellosen festsitzenden NI ederschlag an- kam, so loste ich das Silbersalz in Cyankalium auf. Denn nach den Versuchen von KUSTER und v. STEINWEHR~ darf nix eine geringe Menge freie Salpetersaure bei der Elektrolyse v( brhanden sein, wahrend das selenigsaure Silber allein zu seiner Losung eine grolsere Quantitat erfordert. Dadurch wird aber die Giite des Niederschlages aulserordentlich beeintrlichtigt, indem derselbe meistcns schwammig wird. Nach einigen Versuchen elektrolysierte ich dr ther nur noch in cyankalischer Losung und wahlte zur Berechnung des Atom- gewichtes nur ganz einwandsfreie Niederschliige aus. Die bei den Versuchen angewendeten Materialien stellte ich mir :ramtlich selbst her, urn ein Kriterium fur ihre Reinheit zu habei. Selbst das kaufliche reinste Cyanknlium war fur meine Zwecke unbrauchbar ; denn als dasselbe zur Losung des Silberselenits angewendet wurde, farbte sich die Flussigkeit wahrend der Elektrolyst , rasch braun unter Ausscheidung von braunen Flocken, die wahr scheinlich aus Azulmsaure bestehen. Im folgenden lasse ich die Bec chreibung der Reindarstellung der angewendeten Substanzen und diejenige der Methode folgen.

1 Fr. R~SSLER, 2. anorg. Uhem. 9, 33. K~~STER nnd v. STEINWEER, Zeitschr. Etebtrochm. 4 (1€97), 451.

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0 65.3 0.0001 64.7 0.0002 64.4

a) Gewinnung r e i n e n Wassers .

Aus einem durch Wasserdampf gereinigten grofseren Rund- kolben mit langem Halse wurde j e 1 1 destilliertes Wasser, wie es hier im Laboratorium gebraucht wird, unter Zusatz von 1-2 g Kaliumpermanganat langsam abdestilliert und in einem ERLEN~EYER’- schcn Kolben aus Jenenser Hartglas aufbewahrt. Als in einer Platinschale 100 ccm dieses Wassers verdampft wurden, hinterblieben keine wiigbaren Riickstande. Um die Reinheit des Wassers noch auf einem anderen Wege zu kontrollieren, bestimmte ich seine Leit- fahigkeit bei lao. Dieselbe ergab sich im Mittel zu 3.39-10-6. Bringt man davon das Leitvermogen der absorbierten Kohlensaure = 0.6-10-6 in Abzug, so ergiebt sich die Leitfahigkeit des destillierten Wassers zu 2.79-10-6. Fur absolut reines Wasser haben KOHL- RAUSCH und HEYDWEILLER den Wert 0.04.10-6 gefunden, so dafs die Differenz 2.75. der Anwesenheit von Verunreinigungen zuzu- schreiben ist. Das Leitvermogen wird hier hochst wahrscheinlich durch Spuren von Kalilauge bewirkt, welche aus dem Jenenser Glase stammen. Bei der aufserordentlich grofsen Verdunnung ist die gelijste Base natiirlich ganzlich dissoziiert, und es lafst sich daher die GroIse der Verunreinigung sehr angenahert bestimmen. Es ist bekanntlich das Aquivalentleitvermogen A eines gelosten binaren Elektrolyten gleich dem Leitvermogen x, dividiert durch die Aqui- valentkonzentration q der Losung. Daraus ergiebt sich dann

q = -. Nun ist aber das Aquivalentleitvermogen bei volliger

Dissoziation gleich der Summe der Ionenbeweglichkeiten, A= 19 +I*, und fur den oben bestimmten Wert 2.75 ergiebt sich dann die Aquivalentkonzentration angenahert aus folgender Tabelle:

5

A

~ ~~ ~ ~~~ ~

1OOOq I ZK 1 ZOH I A=~K+ZOH X = 7 ] . d

174 239.3 0 172 236.7 23.67.10- 172 236.4 47.28. lo-’

KOHLRAUSCH und HOLBORN, Leitvermiigen, S. 112.

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gelost. Da in der Platinschale, welche bei der Elektrolyse benutzt wurde, ca. 100 ccm Flussigkeit enthalten waren, so kamen dadurch 0.07 mg Verunreinigungen hinein , ein Wert, welcher unbedingt vernachlassigt werden kann. Das auf dem oben beschriebenen Wege gereinigte Wasser war also fiir den vorliegenden Zweck brauchbar.

b) D a r s t e 11 u ng r e i n en S e 1 en d i o x y d s.

Das zur Untersuchung benutzte Selen entnahm ich einer grolseren Quantitat eines ziemlich reinen Produktes, das ich durch die Ge- falligkeit des Herrn Dr. STEPHANI aus der chemischen Fabrik von GIULINI in Ludwigshafen erhalten hatte. Es wurden ungefahr 100 g Rohselen in reiner Salpetersiiure gelost, mehrmals mit Wasser eingedampft und filtriert. Nach dem Eindampfen blieb das Selen- dioxyd als eine geblich gefarbte Eruste zuriick , welche zerkleinert und sublimiert wurde. Aus der so erhaltenen Krystallmasse, welche bis auf einige Stellen ganz weirs aussah, wurden die reinsten Teile herausgesucht, in destilliertem Wasser aufgelost und auf dern Wasser- bade durch Hydrazinsulfat gefallt. Nachdem sich das gereinigte Selen als schwarzes, grobkorniges Pulver abgesetzt hatte, wurde es mehrfach mit reinem, heifsem Wasser ausgewaschen und wiederum durch reine Salpetersaure in das Dioxyd ubergefuhrt. Es besafs jetzt ein schneeweilses Aussehen. Urn die etwa entstandene Selen- saure zu beseitigen, wurde das Selendioxyd mit wenig Wasser auf- genommen, mit etwas umkrystallisiertem Baryumhydroxyd versetzt, filtriert und eingedampft. Durch zweimalige Sublimation des aus- gesuchten Produktes im Vakuum wurde nun das Dioxyd in Form von langen dunnen Krystallen erhalten , die in ihrer Gesamtheit einen schneeweifsen Eindruck machten. Das so erhaltene Selen- dioxyd wurde in einem grofseren Wageglaschen in einem dunklen Exsikkator aufbewahrt und vergnderte seine Farbe im Laufe mehrerer Wochen nicht im geringsten.

c) Dar s t e l lung r e inen Si lbers .

Bei der Reinigung des Silbers wandte ich mit geringfiigigen Anderungen die trefflichen Methoden von J. 5. ST AS^ an. Aus einer grofseren Quantitat kauflichen Silbernitrats wurde das Metal1 durch Erwarmen mit Milchzucker und reiner Kalilauge ausgefallt,

STAS, Untersuchungen, deutsch von QRONSTEIN.

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rnit heifsem Wasser sehr gut ausgewaschen und im RBssLER’schen Gasofen zusammengeschmolzen. Um das Metal1 auf seine Reinheit zu prufen, benutzte ich das von ST AS^ angegebene Kriterium und schmolz den Regulus vor dem Geblase. Die Oberflache des ge- schmolzenen Silbers war ganz klar und blank, und die Flamme wurde nicht im geringsten gefarbt, wenn man von Spuren Natrium absieht. Der erkaltete Metslllklumpen wurde nun mit ganz ver- dunnter Salpetersaure und reinem Wasser abgewaschen und dann in rnafsig verdunnter reiner Saure gelost. Die Losung des so ge- wonnenen Silbernitrats wurde fast eingedampft, mit reinem Wasser aufgenommen und durch eine starke Losung von seleniger Saure in der Kalte gefallt. Das Silberselenit b e d s einen ganz leichten gelblichen Stich und wurde deshalb zweimal aus salpetersaurer Losung umkrystallisiert. Nach mehrmaligem intensiven Auswaschen mittels destillierten Wassers wurde es 5 Stunden lang im Trocken- schranke auf 105-106 O erhitzt und in einem Wageglaschen im Exsikkator aufbewahrt. Als eine Probe des Salzes in einem ein- seitig geschlossenen Rohrchen erwarmt wurde, konnte die Anwesen- heit von Wasser oder Salpetersaure nicht konstatiert werden.

d) D a r s t e l l u n g r e inen Cyankal iums. Das Kalium cyanatum, welches mir als reinstes Handelsprodukt

zur Verfiigung stand, war 98-100°/,, und auch in anderer Be- ziehung erwies es sich, wie oben gezeigt wurde, als unbrauchbar. Eine Losung des reinen Salzes stellte ich mir durch Einleiten von reinem Cyanwasserstoff in eine Losung von reinem Kaliumhydroxyd her. Ungefahr 100 g reines umkrystallisiertes Kaliumsulfat wurden in miiglichst wenig heifsem Wasser gelost und so lange mit einer heifsen Losung mehrfach umkrystallisierten Baryumhydroxyds ver- setzt, als noch ein Niederschlag von Baryumsulfat entstand. Die uberstehende klare Liisung von Kaliumhydroxyd wurde nun in einen ERLENMEYER’SChen Kolben aus Jenenser Glas filtriert und bei etwas vermindertem Drucke konzentriert. Darauf wurde gas- formiger, durch Calciumchlorid getrockneter Cyanwasserstoff hinein- geleitet, welcher durch Destillation von 1 Teil gelben Blutlaugensalz mit 2 Teilen verdiinnter Schwefelsaure (1 Teil H,SO, + 2 Teile H,O) gewonnen war. Die so gewonnene Cyankaliumlosung hatte nach einmaliger Filtration ein klares Aussehen und wurde deshalb sofort weiter verwendet.

STAS, Recherches, I, S. 320.

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e) D ie Elektrolyse.

Zur Ausfuhrung der Elektrolyse standen mir zwei Platinschalen von ca. 36 g Gewicht zur Verfugung. Sie waren auf der lnnenseite nach A. CLASSEN mattiert. Die Anoden hatten die iibliche Form von Scheiben. In diese Schalen wurde nun eine bestimmte Menge Silberselenit gebracht, mit 100 ccm reinen Wassers ubergossen, auf 60-70 O erwarmt und durch Zusatz von wenig Cyankaliumlosung aufgelost. Die Wagungen wurden auf einer vortreff lichen Wage von SARTORIUS ausgefuhrt, die bei 100 g Belastung noch 0.1 mg deutlich ausschlagen liefs. Der Gewichtssatz war vergoldet und von mir selbst kalibriert.

Bei der Aufstellung der Apparate hielt ich mich an die von KUSTEB und STEINWEHR empfohlene Anordnung. Eine GUI,CHER’- sche Thermosaule von 4 Volt Spannung wurde durch einen Gleit- widerstand geschlossen. Im Nebenschlufs befand sich die zu elektro- lysierende Losung, deren Badspannung durch ein aus der Fabrik von HARTNANN und BRAUN in Frankfurt a/M. stammendes Voltmeter gemessen wurde. Auf der Skala dieses lnstrumentes konnten 0.05 Volt direkt abgelesen und 0.01 Volt noch geschatzt werden. Durch den Gleitwiderstand hat man es vollig in der Hand, die Bad- spannung konstant auf ein und derselberi Hohe zu halten. Urn die Bedingungen kennen zu lernen , unter denen ein Schwammig- werden des Niederschlages verhindert wird , stellte ich mehrere Versuche an, aus denen es sich ergab, dafs man stets mit geringer Spannung beginnen und dieselbe langsam steigern mufs. Ferner ist es vorteilhaft, wie schon seit langerer Zeit bekannt ist, die Temperatur der zu elektrolysierenden Losung auf 60--70° zu er- halten , was sich leicht mit Hilfe eines Mikrobrenners bewerk- stelligen lafst.

Eine weitere Schwierigkeit des Verfahrens lag nun darin, zu erkennen , wann die Silberausscheidung beendet war. Die Tupfel- probe konnte naturlich nicht angewendet werden. Aus mehreren Probeanalysen ergab es sich jedoch, dafs die Elektrolyse nach 9 Stunden als beendet angesehen werden konnte. Aus der folgen- den Tabelle ersieht man das Konstantwerden der Werte fur den Silbergehalt mit wachsender Zeit. Die Spannung wurde anfangs auf 2.25 Volt gehalten und gegen Schlufs des Versuches allmahlich auf 3.65 Volt gesteigert.

KUSTEH. und v. STEINWEHU, Zeitwhr. Elektrochem. 4, 451.

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Nr. Ag,SeO, 4% "0 Ag Zeit 1. 0.9550 0.5972 62.53 3h 2. 0.5838 0.3669 62.85 5h

4. 0.2533 0.1539 62.89 'ih

5. 0.5152 0.3241 62.91 9h

3. 0.6112 0.3844 62.89 6h

Zur Kontrolle wurde die elektrolysierte Losung des letzten Versuches auf Silber untersucht. Sie war jedoch vollstandig frei davon. Die illenge der angewendeten Substanz ubt keinen groken Einflufs auf die Zeitdauer des Versuches aus. Diese Erscheinung ist bereits von KUSTER und STEINWEHR u. a. festgestellt worden. Urn bei den zur Berechnung gelangenden Versuchen vollstandig sicher zu gehen, wurden die Elektrolysen stets 12-14 Stunden lang fortgesetzt. In den letzten Stunden trat an der Silberschicht regelmalsig eine ganz schwache Wasserstoffentwickelung ein. Die Losung wurde dann vorsichtig abgehebert und mehrmals durch reines Wasser ersetzt. Hierbei darf der Strom nicht unterbrochen werden, um ein Wiederauflosen des ausgeschiedenen Silbers zu ver- huten. Deshalb mufs die Anode beim Auswaschen moglichst tief in die Schale gehangt werden. Die Elektrolyse wurde zum Schlufs noch langere Zeit mit reinem Wasser fortgesetzt, um auf diese Weise die Silberschicht gut auszuwaschen. Unterlalst man diese Mafaregel, so riecht das Silber nach dem Trocknen haufig etwas nach Selenwasserstoff. Hierauf wurde das Wasser abgehebert., die Elektrolyse unterbrochen , die Schale vorsichtig mit reinem Wasser und Alkohol ausgespiilt und bei 105 0 getrocknet. Wenn die Elektro- lyse gut vor sich gegangen ist, dann hat die Silberschicht ein gleichfarmiges, mattes graugelbliches Aussehen. Nur am Rande befindet sich ein dunkler, schmaler Streifen, welcher auf die geringe Dicke der Schicht an jener Stelle zuruckzufiihren ist. Dieselbe dunkle Farbe besitzt die ganze Silberschicht in den ersten Momenten der Ausscheidung. Haufig wird das gleichformige Aussehen des Silbers durch dunkle Punkte und Flecken unterbrochen. Derartige verdachtige Silberausscheidungen habe ich dann von der Berech- nung ausgeschlossen und nicht gewogen. Yon achtzehn sorgfaltig ausgefuhrten Analysen konnten aus dem angegebenen Grunde daher nur funf als ganz exakt betrachtet werden. Die abgeheberten Losungen dieser funf Bestimmungen wurden in einer Porzellan- schale konzentriert und mehrmals mit verdunnter Salpetersaure ein- gedampft. Nachdem die etwas dnnkel gefarbte LGsung filtriert

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worden war, wurde sie zur Trockne verdampft und die selenige Saure durch vorsichtiges Erwtirmen hinwegsublimiert. Das etwa noch in den Losungen vorhanden gewesene Silber wurde d a m wie oben durch den elektrischen Strom ausgeschieden. Es waren 0.0002 g. Diese Grofae mufste naturlich mit in Betracht gezogen werden.

Nr. Ag2SeOs Ag Zeit 1. 0.5152 0.3241 9h 2. 0.5237 0.3295 13h 3. 1.8792 1.1825 12” 30’ 4. 2.1459 1.3502 13” 45‘ 5. 1.6963 1.0671 13h

Ich lasse die Resulte der Versuche hier folgen.

0.0002

6.7603 4.2536

Urn die Gewichte auf den luftleeren Raum zu reduzieren, setzte ich die Dichte des selenigsauren Silbers nach LENHER gleich 5.9297.

Nr. Ag&3eO, Ag, ”lo Ag Ag,SeO, Se 1. 0.5152 0.3241 62.907 343.14 79.28 2. 0.5237 0.3295 62.915 343.10 79.24 3. 1.8793 1.1826 62.928 343.03 79.17 4. 2.1460 1.3503 62.922 343.06 79.20 5. 1.6964 1.0672 62.910 343.13 79.27 2 6.7606 4.2538 62.920 343.07 79.21 -

Als Mittelwert dieser funf Versuche ergiebt sich fur das Atom- gevicht des Selens die Zahl 79.23. Zieht man das Gewicht des nachtrtiglich ausgeschiedenen Silbers 0.0002 g noch in Betracht, so erhalt man den Wert 79.21. Dieses Resultat stimmt angenahert mit der einen von VICTOR LENHER gefundenen Zahl 79.28 uberein, und es ist mit Sicherheit anzunehmen , dafs die PETTERSSON’sChen Werte etwas zu klein sind. Demnach ist als Atomgewicht des Selens die Zahl

79.2

zu betrachten, wahrend in der internationalen Tabelle bisher 79.1 verzeichnet ist.

III. Bestimmung der selenigen Same.

Urn die in der vorigen Untersuchung gefundenen Zahlen noch auf einem anderen Wege zu kontrollieren, wollte ich aus der vom Silber befreiten Losung das Selen als solches ausfallen. Jedoch

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waren die Resultate unbrauchbar da das reduzierte Selen stets einen Teil der aus dem Cyankalium stammenden Zersetzungsprodukte einschlols. Zur Ausfallung benutzte ich mit gutem Erfolge Hydrazin- salze. Das Sulfat ist zuerst von P. JANNASUH' hier angewendet worden. Die von mir befolgte Methode zur Abscheidung des Selens aus der selenigen Saure zeichnet sich durch grol'se Einfacbheit und Schnelligkeit der Ausfuhrung aus. Eine abgewogene Menge wasser- freien Selendioxyds wurde in einem Becherglase in 50-1 00 ccm Wasser gelost, rnit einigen Tropfen Chlorwasserstoffsaure angesauert, dann mit 1-2 g Hydrazinsulfat versetzt und so lange auf dem Wasserbade erwarmt bis das Selen in die schwarze Modifikation ubergegangen und die uberstehende Losung klar war. Zur Kontrolle wurde dann noch etwas Hydrazinsulfat nachgegeben. Das aus- geschiedene Selen wurde dann in ein Asbestfilter hineinfiltriert und gewogen. Die Asbestfasern miisseri aukerst sorgfaltig prapariert werden, da sonst, wie schon JANNASCH gefunden hat) bedeutende Differenzen entstehen. In alkalischer Losung scheint die Reduktion nicht quantitativ vor sich zu gehen, wahrscheinlich wegen der Ein- wirkung des Selens auf die Base. I n der folgenden Tabelle sind einige nach der oben beschriebeneri Methode ausgefuhrte Beleg- analysen enthalten.

Nr.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Se0 , 0.1444 0.0614 0.3791 0.5489 0.1828 0.1256 0.2382

Gef. Se 0.1029 0.0434 0.2694 0.3910 0.1277 0.0891 0.1690

Ber. Se 0.1028 0.0437 0.2699 0.3908 0.1272 0.0894 0.1696

Diff. +0.0001 - 0.0003 - 0.0005 + 0.0002 + 0.0005 - 0.0003 - 0.0006

Bei der Ausfuhrung dieser Arbeit wurde ich von Herrn cand. R. MULLER mit dankenswertem Eifer unterstutzt.

* P. JANNABCH, Ber. &t&Ch. Chem. Gee. 31, 2386.

Qottingen, Chmn,. Institut der Universittit.

Bei der Redaktion eingegangen am 10. Mai 1902.