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204 SHORT COMMOYlC.aTIO~S VOL. 25 (1957) Zur Mechanik der Protoplasmaflbrillenbewegung Durch elektronenmikroskopische Untersuchungen ist heute der fibrilliire Bau der Geisseln t,~,3 und auch des quergestreiften Muskels* bereits weitgehend bekannt. Nach HU×LEV s ist die Muskel- kontraktion Folge der parallelen L~ingsverschiebung zweier Fibrillensysteme: Die sekund~.ren Protofibrillen (Durchmesser ca. 5 ° A, aus Aktin) werden in das System der primaren Protofibrillen (Durchmesser ca. zoo A, aus Myosin) hineingezogen. Das Wesen des Vorganges, der zur Bewegung fiihrt, ist aber noch unbekannt. Hypothetisch sah man zwar his vor Kurzem die Ursache der Geissel- und Muskelbewegung in der Kontraktion einzelner Fibrillen, doch konnte der Nachweis einer Fibrillenverktirzung bzw. der damit verbundenen Verdickung nicht erbracht werden. Auf Grund der ultramikroskopischen Lebendbeobachtung von I'lasmafibrillen bzw. Fibrillen- biindel in ausgepressten Plasmatropfen cter Characeen *.7 erscheint nun die Moglichkeit gegeben, die Vorstellung vom Mechanisrnus der Geissel- und Muskelbewegung auf eine neue Grundlage zu stellen. Die beobachtete Fibrillenbewegung ist eine Verschiebung in der Langsrichtung, wobei um- gebende Plasmabereiche, kenntlich an winzigen Mikrosomen, einen parallel entgegengesetzt gerichteten Impuls erhalten. Die Fibrillen stossen sich also mit einer physikalisch nicht n~her bekannten parallel-liingsverschiebenden Kraft entlang ihrer ganzen Lange vonder Umgebung ab. Sie vereinigen sich oft zu Striingen (Fig. z), bzw. spulen sich zu dickeren, rotierenden Ringen auf. Diese dickeren Fibrillenbtindel haben eine geringere Langsverschiebung, jedoch lassen sie ein neues Phanomen erkennen : Es zeigen sich an ihnen Wellen, die in der Richtung der Liingsverschiebung tiber den Strang weiterlaufen. An den aufgespulten Fibrillenringen laufen die Wellen in Form yon Ecken herum, sodass rotierende Ftinf- oder Seehsecke entstehen, deren Ecken vorlaufen. Der Strangabschnitt zwischen den Ecken wird dabei v011ig geradlinig versteift (Fig. 2). Die F~hig- keit zur geradlinigen Versteifung dtirfte ebenfalls eine Eigenschaft nur dickerer Fibrillenbiindel sein. l)iese Fibrillenbiindelbewegungen erinnern sehr an Geissel- oder Zilienbewegungen. Besonders iihnlich verhalten sich z.B. die Filopodien yon .4ctinophrys sol (Heliozoa) und die Zilien yon Collotheca ornata (Rotatoria). Fig. z Fig. 2 Teile zweier im Zellsaft liegender Plasmatropfen yon Tolypellopsis sp. (Characeae). (Blitzaufnahme, aplanatischer Dunkelfeldkondensor, ca. 2000 real vergrOssert). Fig. x. Der nach oben ragende Teil eines rotierenden Fibrillenringes ist deutlich sichtbar. Fig. 2. Ein geradlinig erstarrter Fibrillenstrang l~isst ein Eck erkennen. Solche Ecken laufen tiber die Strange. Es ist nun auffallend, dass die wellenfOrmige, d.h. geissel/ihnliche Bewegung nur an dickeren Fibrillenbiindeln erkennbar ist, nicht aber an den sie zusammensetzenden feineren F/iden. LOst sich ein dicker, wellenf0rmig bewegter Ring auf, so zeigen dann die entstandenen feineren Fadenteile wohl eine starke L/ingsverschiebung, hie aber Wellenbewegungen. Anscheinend resul- tiert also die wellenfOrmige (geisselartige) Bewegung aus der Vereinigung und gegenseitigen Beeinflussung der einzeln zwar zur L/ingsverschiebung, nicht aber zur Kontraktion befiihigten Faden. Dies ist verst/indlich. Denn, kommt es innerhalb eines Fibrillenbtindels (Geissel) infolge der yon einzelnen Fibrillen ausgehenden parallel-langsverschiebenden Kr/i.fte zu einer auch nur geringfiigigen Parallelverschiebung benachbarter Fibrillen, so wird dies aus mechanischen Griinden zu einer KriJmmung des ganzen B~ndels fiihren. Bei den Characeen bewirken die yon den Plasmafibrillen ausgehenden Krafte die dauernde

Zur mechanik der protoplasmafibrillenbewegung

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Page 1: Zur mechanik der protoplasmafibrillenbewegung

204 SHORT COMMOYlC.aTIO~S VOL. 25 (1957)

Zur Mechanik der Protoplasmaflbrillenbewegung Durch e l ek t ronenmikroskop i sche U n t e r s u c h u n g e n ist heu te der fibrilliire Bau der Geisseln t,~,3 und auch des querges t re i f t en Muskels* bereits wei tgehend bekann t . Nach HU×LEV s ist die Muskel- kon t r ak t i on Folge der paral lelen L~ingsverschiebung zweier F ibr i l l ensys teme: Die sekund~.ren Protofibri l len (Durchmesse r ca. 5 ° A, aus Aktin) werden in das Sys t em der p r ima ren Protofibril len (Durchmesse r ca. zoo A, au s Myosin) hineingezogen. Das Wesen des Vorganges, der zur Bewegung fiihrt, ist aber noch unbekann t . Hypo t he t i s ch sah m a n zwar his vor Kurzem die Ursache der Geissel- und Muske lbewegung in der K o n t r a k t i o n einzelner Fibrillen, doch konn te der Nachweis einer Fibr i l lenverkt i rzung bzw. der d a m i t ve rbundenen Verd ickung nicht e rb rach t werden.

Auf G r u n d der u l t r amikroskop ischen L e b e n d b e o b a c h t u n g von I ' lasmafibr i l len bzw. Fibril len- biindel in ausgepress ten P la sma t rop fen cter Characeen *.7 erscheint nun die Moglichkeit gegeben, die Vors te l lung vom Mechanis rnus der Geissel- und Muske lbewegung auf eine neue Grund lage zu stellen.

Die beobach te te F ibr i l lenbewegung ist eine Verschiebung in der Langs r i ch tung , wobei um- gebende P lasmabere iche , kennt l ich an winzigen Mikrosomen, einen parallel en tgegengese tz t ger ich te ten Impu l s erhal ten. Die Fibrillen s tossen sich also mi t e iner physikal isch n ich t n~her b e k a n n t e n paral le l - l i ingsverschiebenden Kra f t en t l ang ihrer ganzen Lange v o n d e r U m g e b u n g ab. Sie vereinigen sich oft zu Stri ingen (Fig. z), bzw. spulen sich zu dickeren, ro t ierenden Ringen auf. Diese dickeren Fibri l lenbtindel haben eine geringere Langsve r sch iebung , jedoch lassen sie ein neues P h a n o m e n e rkennen : Es zeigen sich an ihnen Wellen, die in der R i c h t u n g der Li ingsversch iebung tiber den S t r ang wei ter laufen. An den au fgespu l t en Fibr i l lenr ingen laufen die Wellen in F o r m yon Ecken he rum, sodass ro t ierende Ftinf- oder Seehsecke en t s tehen , deren Ecken vor laufen. Der S t r a n g a b s c h n i t t zwischen den Ecken wird dabei v011ig geradl inig vers te i f t (Fig. 2). Die F~hig- keit zur geradl inigen Vers te i fung dtirfte ebenfalls eine E igenschaf t nu r dickerer Fibri l lenbiindel sein. l) iese Fibr i l lenbi indelbewegungen er innern sehr an Geissel- oder Zi l ienbewegungen. Besonders iihnlich ve rha l t en sich z.B. die Fi lopodien yon . 4c t inophrys sol (Heliozoa) und die Zilien yon Collotheca ornata (Rotatoria) .

Fig. z Fig. 2

Teile zweier im Zellsaft l iegender P l a sma t rop fen yon Tolype l lops is sp. (Characeae). (Bl i t zaufnahme, ap l ana t i s che r Dunkel fe ldkondensor , ca. 2000 real vergrOssert).

Fig. x. Der nach oben ragende Teil eines ro t ie renden Fibri l lenringes ist deut l ich s ichtbar .

Fig. 2. Ein geradl inig e r s t a r r t e r F ibr i l lens t rang l~isst ein Eck erkennen. Solche Ecken laufen tiber die Strange.

Es ist nun auffallend, dass die wellenfOrmige, d.h. geissel/ ihnliche Bewegung nu r an dickeren Fibri l lenbi indeln e rkennba r ist, n icht aber an den sie z u s a m m e n s e t z e n d e n feineren F/iden. LOst sich ein dicker, wel lenf0rmig bewegter R ing auf, so zeigen dann die e n t s t a n d e n e n feineren Fadente i le wohl eine s ta rke L/ ingsverschiebung, hie aber Wel lenbewegungen . Ansche inend resul- t ier t also die wellenfOrmige (geisselartige) Bewegung aus der Vere in igung und gegensei t igen Bee inf lussung der einzeln zwar zur L/ ingsverschiebung, n ich t aber zur K o n t r a k t i o n befiihigten Faden . Dies ist verst/ indlich. Denn, k o m m t es i nne rha lb eines Fibri l lenbtindels (Geissel) infolge der yon e inzelnen Fibrillen ausgehenden para l le l - langsverschiebenden Kr/i.fte zu einer auch nu r geringfiigigen Para l l e lve rsch iebung b e n a c h b a r t e r Fibrillen, so wird dies aus mechan i schen Gri inden zu einer K r i J m m u n g des ganzen B~ndels fiihren.

Bei den Characeen bewirken die yon den Plasmafibri l len ausgehenden Kraf te die daue rnde

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\'t)I.. ~25 (1057) SIIORT COMMUNI(:.VrlONS 205

l-'arallelverschiebungl tics inneren Plasmas (Rotat ionss t r6mung) . L6sen sich Teite aus der fibrill~ir aufgebauten peripheren l ' lasmaschichte los. z.B. einzelne Chloroplasten, so verm6gen sic sich im inneren I ' i 'otoplasma wie akt iv zu bewegen, well an ihnen noch Fibrillen haften ~.

Bci dcr (-;leitbewegung viclcr niederer Organismen (1)iatomeen, Euglena, Gregarina, Oscil- lah,ria, Spirulina, l';eggiatoa) wirken anscheinend die parallel verschiebenden Kr~ifte nach aussen, auf an der Zelh)l)eritlichc ausgeschicdene t ' lasnaaclemente, die dann cinen abgeschiedenen Schleim parallel zur Zell~)berflfiche bcwegcn k6nnen. Das bedingt einen viel rationelleren Bewegungsettekt als etwa <lurch Mosse Stemmwirkung infolge Gallertausscheidung (l)esmidiaceen) erzielt wcrden kann s.

So lasscn sich als() t)ffenbar \'ier sehr verschiedenartige l .ebensbewegungen auf dasselbe quali tat ive l 'rinzip, n~tmlich die F~ihigkeit der Fibrillen zur Parallel-LXngsverschiebung zuriiek- ftihren. Die Unterschiede diirften nor in quant i ta t iver lI insicht , vor allem in tier I)auer der Verschiebnngszcit, bzw. in der Art des Richtungswechsels zu suchen sein. I)amit scheint die alte schon yon V E R ' W O R N 9 t l . a . vertretene Anffassung, alle Bewegungserscheinungen des l 'm top lasmas seien die Folgc eines einzigen Prinzipes, Be.st~itigung zu finden.

I~. J AI~OSCH Biologisches Laboratorium der Osterreichische Sticksto/Jwerke A .G., Linz (()sterveich)

I \V. VAN ]TERSON, Biochim. Biophys..-Icta, I (1047) 527 . z A. L. HouWlYK A.Xl) \V. VAN ITERSON, Biochim. Hiophys. Acta, 5 (lq5o) lo. a A. l.. HOUWIyK, l?iochim. Bi(,phys..4eta, 1o (1953) 36o.

It. E. HUXLEY, t]iochim. Biophys. Acta, t2 (x953) 387 • 5 H. F;. HUXLEY, Endeavour, 15 (195(i) 177.

R. JAROSCii, Phyton (l~uenos Aires), (~ (1956) '~7. r R. JARoscn, Ostevr. Akad. Wiss. Math.-naturw. Kl. ,-tnz., 93 (I95b).

R. JAROSCH, Zur Gleitbewegung der niederen Organisrnen, (in Vorbereitung). 9 M. VERWORN, Die Bewegung der lebe~idigen Substavz, Jena (I892).

Eingegangen den 25 . Februar t957

Optical rotation and anion binding in acid solutions of serum albumin*

Almost all the physieo-chemical propert ies of serum albumin in aqueous solution undergo marked changes I as the pH is lowered into the range of 4 to 2. Specific rotation, for example, changes ~,s from about - 62 ° at pH 4 to -87 ~' at pH 2. In contras t to some other characteristics, the change in levorotation is reduced substant ia l ly by added salt s. With o.I M NaCI s, [all) at pH 2 is only about - 07°; with o . - 3 I NaCI, -..62".

The changes in characteristics of serum albumin in the acid range have generally been a t t r ibuted to swelling of the macromolecule due to the strong internal electrostatic repulsions developed in the protein as it becomes increasingly cationic with drop in pH. On this basis the effect of salt in reducing the change in levorotation has been ascribed s to an ionic s t rength effect which decreases the electrostatic repulsions.

Since CI ~ is t×)und to serum albumin, and increasingly so in more acid solutions*, it seemed possible tha t the effect of salt on levorotation might not be due to a general ionic s t rength effect bu t ra ther might be a consequence of the formation o[ specific complexes with cationic residues of the protein. A choice between these two explanat ions can be made by examining the effect on ila.rl) of a much more strongly bound anion which can combine with the protein at concen- t ra t ions much lower than o.l 3[. For this purpose we have measured the optical rotat ion of x % bovine serum albumin in the presence of sodium dodecyl sulfate at concentrat ions below o.oo5 M. As the da ta in Fig. i illustrate, dodecyl sulfate reduces substant ia l ly the upward rise in levorotation as the pH is lowered from 4 to 2.

In tbe two detergent-albumin solutions, the ratio of anion to protein is 15:1 and 3o : i , respectively. In view of the binding results of KARUSH Am) SONENBERG 6 at higher pH 's , it seems very likely tha t substant ia l ly all of the anion is bound to the protein in the acid range. Conse- quent ly the net positive charge on serum albumin mus t be reduced by J 5 and 3 ° in the respective detergent solutions, as compared to solutions wi thout dodecyl sulfate. In water alone, bovine albumin reaches an ~1! D of - - 7 7 ° at pH 3, where the protein carries a net charge of about + 5 ° ( + 60 due to added protons, - - i o due to 4 bound chloride from added acid). In the presence of o.oo5 M dodecyl sulfate, a s t rongly-bound competing anion, little or no chloride is likely to be hound by the protein. In this detergent solution, a net charge of + 5 ° ought to be acquired by

* This investigation was assisted by a grant from the National Science Foun:lation.

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