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Zur Theorie der Blutgastonometer.' Von Christian Bohr. Bei Untersuchungen iiber die Grosse der Spannung der Gase im Blute Hisst man dieses bekanntlich in einem ununterbrochen erneuten Strome ein Tonometer passiren und mittels der Bernhrungsoberflache, die sioh hier zwischendem Blute und demGase bildet, mit der im Apparate enthaltenen Gasmisehung in Diffusionsverkehr treten. All- mahlich wird in dieser Gasmischung die Spannung der einzelnen Gase irnmer mehr dahin streben, mit der Spannung in den Gasen des Blutes in Gleichgewicht zu kommen, Wie die Grosse des im Apparate enthaltenen Gasvolums und die Ausdehnung der Beruhrungsober- flaehe zwischen dem Blute und dem Gase auf die Geschwindigkeit dieses Diffusionsausgleiches wirken, hat sieh bisher indess unseren Unter- suchungen entzogen, denen es an der erforderliohen Grundlage ge- brach; dieser Mangel an genauer Einsicht in die Bedingungen fUr die Wirkungsart der Tonometer hat wieder, wie natiirlich, auf mehrfache Weise einen ungiinstigen Einfluss· auf die Construction derselben geiibt. Die Theorie von der In- mid Evasion der Gase2 in Fliissigkeiten hat es jetzt indess ermoglicht, precise Ausdriicke fiir den Einfluss der verschiedenen oben genannten Factoren auf die Geschwindigkeit des Spannungsausgleiches zu entwickeln; hierdurch lasst sich suverlassige Anleitung gewinnen, um Apparatezu construiren, die innerhalb der- jenigen Zeitraume, welche die besonderenVersuchsbedingungen ge- statten, einen hinlanglichen Spannungsauagleich zwischen' dem Elute und dem Tonometergase geben. . Im Folgenden wollen wir erst 1) die Verhaltnisse unter der Vorausaetzung einer so grossen Geschwindigkeit der Blutstrcmung, dass 1 Del' Redaction am 10. Februar 1905 zugegangen. 2 C. Bohr, Ann. d. Physik. 1899. (3) Bd.LXVIII. S. 500.

Zur Theorie der Blutgastonometer

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Page 1: Zur Theorie der Blutgastonometer

Zur Theorie der Blutgastonometer.'Von

Christian Bohr.

Bei Untersuchungen iiber die Grosse der Spannung der Gase imBlute Hisst man dieses bekanntlich in einem ununterbrochen erneutenStrome ein Tonometer passiren und mittels der Bernhrungsoberflache,die sioh hier zwischendem Blute und demGase bildet, mit der imApparate enthaltenen Gasmisehung in Diffusionsverkehr treten. All­mahlich wird in dieser Gasmischung die Spannung der einzelnen Gaseirnmer mehr dahin streben, mit der Spannung in den Gasen desBlutes in Gleichgewicht zu kommen, Wie die Grosse des im Apparateenthaltenen Gasvolums und die Ausdehnung der Beruhrungsober­flaehe zwischen dem Blute und dem Gase auf die Geschwindigkeit diesesDiffusionsausgleiches wirken, hat sieh bisher indess unseren Unter­suchungen entzogen, denen es an der erforderliohen Grundlage ge­brach; dieser Mangel an genauer Einsicht in die Bedingungen fUr dieWirkungsart der Tonometer hat wieder, wie natiirlich, auf mehrfacheWeise einen ungiinstigen Einfluss· auf die Construction derselben geiibt.

Die Theorie von der In- mid Evasion der Gase2 in Fliissigkeitenhat es jetzt indess ermoglicht, precise Ausdriicke fiir den Einfluss derverschiedenen oben genannten Factoren auf die Geschwindigkeit desSpannungsausgleiches zu entwickeln; hierdurch lasst sich suverlassigeAnleitung gewinnen, um Apparatezu construiren, die innerhalb der­jenigen Zeitraume, welche die besonderenVersuchsbedingungen ge­statten, einen hinlanglichen Spannungsauagleich zwischen' dem Eluteund dem Tonometergase geben. .

Im Folgenden wollen wir erst (§ 1) die Verhaltnisse unter derVorausaetzung einer so grossen Geschwindigkeit der Blutstrcmung, dass

1 Del' Redaction am 10. Februar 1905 zugegangen.2 C. Bohr, Ann. d. Physik. 1899. (3) Bd.LXVIII. S. 500.

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die Abanderung des Gasgehaltes der einzelnen Blutportion wahrenddes Aufenthaltes im Tonometer eine sehr geringe ist, der Betrachtungunterziehen; das Blut wird hierbei, praktisch genommen, beim Austrittaus dem Apparate dieselbe Zusammensetzung haben wie beim Eintrittin diesen. Darauf wollen wir (§ 2) den Einfl.uss untersuchen, denein verlangerter Aufenthalt des Blutes im Apparate auf die Resultateerhalt,

§ 1. Wir betrachten also eine Fliissigkeit (das Blut) , die mitihrer Oberflache (s) an eine in einem constanten Volumen (77) einge­schlossene Gasmenge grenzt; der Einfacheit wegen lassen wir vorlaufignur ein einzelnes Gas in der Fliissigkeit absorbirt und dieselbe Gasartin 77 enthalten sein, wo sie den Druck (P) ausiibt; die Temperatur ist 0.Die Gasmenge (x) des Tonometers, bei 0° und 760 moo gemessen, istdann

(1) X = 760 (~':n 19)'

wo n der Ausdehnuugscoefficient der Gase ist. W~r nehmen an, dassdie den Apparat durohstromende Flu.ssigkeit geschwind genug erneuertwird, um ihre Zusammensetzung als constant betrachten zu konnen;die Concentration (com in 1 cern Fliissigkeit, bei 0° und 760 moo ge­messen) des in der Fliissigkeit gelosten Gases sei a; nennt man die"Spannung" dieses Gases in der Fliissigkeit M und den Absorptions­coeffioienten des Gases a, so hat man

a aM = 760' woraus

aMa=-.

760

Nennt man den Invasionscoefficienten r, den Evasionscoefficienten (iund die Zeit t, so findet man 1 als die Menge Gas, die wahrend eineskleinen Zeitraumes aus der Fiu.ssigkeit austritt,

s{JaMd t

760 '

oder, da (Z (i = r ist,SfM760 d t,

und zugleich als die Gasmenge, die gleichzeitig aus dem Gas desApparates in die Fliissigkeit eintritt,

sfP .760 dt,

oder wenn der aus derGleichung (1) gefundene Werth von P einge­setzt wird,

1 Vgl. Bohi', a. a. O. S. 507 und 517.

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ZUR THEORIE DER BLUTGASTONOMETER. 207

sr 11 + n G \ . ?:--)7-' .

Da der Zuwachs von x die Differenz zwischen den Gasmengenist, die wahrend del' Zeit d t in den Apparat eintreten, und denen, diedenselben verlassen, so hat man:

d a: = s r Mdt -'- ~ (1 + n 8) x'd t760 . V .

Nennt man die Werthe von a: im Anfange und am Schlusse del'Zeit t bezw. X o und Xl' und integrirt man zwischen diesen beidenGrenzen, so erhfilt man, wenn del' Kurze wegen gesetzt wird:

Z = ; .r .(1 + n 0) ,

(2)

lvI V Xl + Xoe 7 s t

760 (1 + n 8) = 1 + e 7 z t

Nach Einsetzung del' Werthe von x aus Gleichung (1) hat man

M = Pi + Po e 7 z t

1 + e7 zt

und mithin die Spannung im Blute 'ausgedruokt durch den Druck zuAnfang (Po) und den Druck am Schlusse (PI) des Yersuches.

Sind statt eines einzelnen Gases mehrere Gase in del' Fliissigkeitabsorbirt und im Gasvolum des Apparates enthalten, so hat man,wenn x die bei 0 0 und 760 mm gemessene Menge eines einzelnen Gasesund °dessen Procent in del' Gasmischung ist:

VP (j

(3) x = 760 (1 + n e) . 100'

Wir konnen wie oben voraussetzen, dass V constant erhalten wird;x ist dann von P und ° abhangig , die jedoch von einander unab­hangig variabel sind. Urn zu einer Losung zu gelangen, kann mansich denken, dass der Totaldruck P constant bleibt, was bei den tono­metrischen Blutversuchen fast immer sehr annahemd der Fall ist;x variirt dann mit 0, und fiihren wir Berechnungen aus, die den oben­stehenden ganz analog sind, so erhalten wir

P '0 . 0 e 7- zt(4) M=-. 1 .... O. ,100 1 + e -t- z t

WO 01 und 00 das Procent der betreffenden Gasart am Schlusse. bezw.im Anfang del' Zeit t sind.

Aus der Formel ist ersichtlich , dass die Zeit (t), die zu einemgewissen Grade des Ausgleiches verbraucht wird, zu z, mit­hin zu s I Vund zu r nmgekehrt proportional ist, Der Invasions-

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coefficient (r) ist fiir die verschiedenen Gase verschieden, und zwarspeciell fiir die Kohlensaure mehr als 10 Mal so gross als fitr denSauerstoff. Um einen gegebenen Ausgleich zu erreichen, gebraucht dieKohlensaure unter sonst gleichen Umstanden daher weniger als 1/1 0

der vom Sauerstoffe beanspruchten Zeit. Wahrend r mit der Natur .des Gases gegeben ist, ist e / IT eine Grosse, deren Abanderung manmittels der Construction des Apparates beherrscht, und die Vorbesserungdes letzteren muss gerade bezwecken, diese Proportion moglichst grosszu machen. Deshalb hat Krogh \ Rich auf die hier entwickeiteTheorie stiitzend, an seinem Tonometer, wo ein enger Gasraum zwi­schen zwei von Fliissigkeit uberstromten, concentrischen Cylinderflacheneingeschiossen ist, den Werth der Proportion (8/ P) auf 24 gebraeht,wahrend derselbe bei den fruheren Apparaten (siehe unten) etwa 4 war.Die Dauer des Ausgleichs ist hierdurch in Krogh's Apparat auf l/eder bei den alteren Apparaten erforderlichen herabgesetzt.

Zueinem naheren Vergleiehe .der Leistungsfahigkeit der verschie­denen Apparate lasst sioh der vo Hstand ige Ausgleich, der ja asympto­tisch gesehieht, selhstverstandlichuicht benutzen. Dagegen kann manvon der Geschwindigkeit, mit welcher z, B. der Ausgleich der Sauer­stoffspannung in den versohiedenen Apparaten stattfindet, dadurch einBild erhalten, dass man das Sauerstoffprocent (01) des Tonometergaseszu verschiedenen Zeiten (t) bereehnet, wenn man voraussetzt, dass dieSauerstoffspannung des Elutes (M) und das Sauerstoffprocent (00) imTonometer beim Beginn des Versuohes bekannt sind. Man hat behufsder Berechnung von 01 die Gleichung (4), die ergiebt:

0. = lObM + e +zt (0 ~ 100M).1 po' p

Die Sauerstoffspannung des Elutes habe den fur Arterienblut ge­wohnlichen Werth, also M = 120, und die Temperatur sei 38·3°; dieWasserdampftension ist dann 50, und der Totaldruck P ist auf760 + pO = 710 anzusetzen, wenn der Druck. im Apparat 760 mm ist.Enthiilt das Tonometer beim Anfang des Versuches atmospharisoheLuft, so kann man 00 = 20·9 rechnen. z ist wie oben genannt= .~ / P. r .(1 + n 0); r ist fi,ir Sauerstoff gleioh 0·012, und n ist derAusdehnungsooeffleient der Gase; 0 = 38·3°. Die Grosse s / IT da-·gegen variirt mit den verschiedenen Apparaten,die mithin fur z ver­sehiedene Werthe haben, woriiber folgende Zusammenstellung Auf-sohluss giebt. .

1 On the tension of carbonic acid etc. Meddelelser om Granland. 1904.Bd. XXVI. p. 336.

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Apparat I Oberflache Velum ls/V logx===---~

Pfluger 1 226 68 3·33 0·65874 -7- 2Bohr" 310 60 5·2 0·85230 -7- 2Frederieq a 257 70 3·67 I 0.70097 -7- 2

Krogh 360 15 24·0 0·51651 -7- 1

Untenstehende Tabelle giebt unter den oben besohriebenen Be­dingungen eine Uebersicht uber das Sauerstoffprocent (01 ) im Tono­meter zu versehiedenen Zeiten naeh dem Anfang des Versuches; damitdel' Ausgleich ein vollstandiger ware, musste das Sauerstoffprocent imTonometer 100 MIP oder 16·9 Procent betragen.

TonometerI 0

0

(\ zu vcrschiedencn Zeitcn

i 12 ' . 5 I 10' I 20' L 30' I 60' 1120 '

PflugerBohrFredericqKrogh

1

20 . 90 20·77 19·44 18·51 17.92117.16116.9220·90 20·25 18·86 17·86 17·33.16·96 16·90

120.90 20·41 19·32 18·37 17.79117.10 16·91

120.90118.66117.05116.91 1 16 •90 i 16·90 16·90

Del' bedeutende Vortheil, den ein grosser Werth del' Proportions]V darbietet, wurde bereits oben hervorgehoben und ist naturliohauch aus del' Tabelle ersiehtlieh. Zugleich sieht man, dass eine Zeitvon 2'·5, die bei Strassburg's Versuchen mit Pfluger's Tonometerangewandt wurde, durchaus nicht genugt, um einen auchnur an­nahernden Ausgleich del' Sauerstoffspannungen zu bewerkstelligen, wenndie Sauerstoifspannung des Tonometers anfanglich in hoherem Maassevon derjenigen des Blutes abweioht. Die irrigen Zahlen, weloheStrassburg fur die Sauerstoffspannung des Arterienblutes erhielt,finden hierduroh ihre Erklarung, Es wird deshalb nothwendig sein,die durch Bohr's Versuohe eingefiihrte Anordnung beizubehalten, beidel' das Blut aus dem Tonometer fortwahrend in den Organismuszu­ruckkehrt, da die Versuche sich widrigenfalls nioht uber eine langereDauer als wenige Minuten ausdehnen lassen, welcbe Zeit nioht genugt,selbst wenn die,~Proportion «[I" einen so hohen Werth hat, als beidem besten der bisher construirten Apparate,

§ 2. Im Vorhergehenden untersuchten wir, wie del' Ausgleicl;

- Pfluger's Arehiv. 1872. Bd. VI. S. 69." Dies Archiv. 1891. Bd.~II. S. 241.a Oentralbl. f. Physiol. 1894. Ed. VII. S: 36.

Skandin. Arehlv. XVII. 14

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210 CHRISTIAN BOHR: ZUH THEORIE DEB, BLUTGASTONOMETER.

im Tonometer stattfindet, wenn das Blut so rasch erneuert wird, dasssein Gehalt an Gasen wahrend del' Passage dutch den Apparat alsconstant betrachtet werden kann, So wie die Versuche bisher ausge­fiihrt warden, darf man abel' nicht annehmen, dass dies in del' Regeldel' Fall gewesen sei, und die fur obige Tabelle berechneten Resultategeben daher, auf Versuche mit Blut angewandt, nur Minimumswerthefur die Ausgleichszeiten,

Besonders ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass dasBlut bei del' gewohnlichen Form del' Tonometer, wo es an der innerenFUiche eines cylindrisches Rohrs hlnabstromt, seine ZusammensetzungVOl' dem Austritt aus dem Apparate urn so mehr verandern wird, jelanger das Rohr ist. Wenn man dennoch bei den cylindrischen'I'onometern durchweg sehr lange Rohre angewandt hat (in Pfluger'sTonometer 60 em, in Fredericq's Tonometer 75 em lange), so geschahdies wohl, urn durch die hierdurch hervorgebrachte grossere Oberflachedem Auegleich bessere Bedingungen zu verschaffen. Nun ist abel',wie im § 1 gezeigt, die Geschwindigkeit des Ausgleiches nicht vondel' Oberflache, sondern von del' Proportion del' Oberflaohe zumGasvolum (s/77) abhangig, und diese Proportion ist selbstverstandlioh£iiI' ein cylindrisches Rohr von gegebenem Diameter von dessenLange unabhangig. Kurze eylindrische Rohre geben deshalb untersonst ganz gleichen Verhaltnissen ganz dieselben Bedingungen nil' denDiffusionsausgleich wie lange Rohre, und da die Emeuerung des Blutesum so bessere Bedingungen antrifft, je kurzer das Rohr ist, so sollten,im Gegensatz dazu, was bisher del' Fall gewesen ist, bei oyl ind risch enTonometern m og lichst kurze Rohre angewandt werden. DieGrenze soUte hier nur dadurch abgesteckt werden, dass das Rohr einefur die Analyse hinlangliche Gasmenge enthalten muss; da eine Gas-

. menge von etwa 10corn hierzu mehr als gemigend ist, soUte ein Tono­meterrohr von etwal em im Durehmesser nieht langer sein als etwa10 em, statt wie bisher 60-80 em. Indem man auf diese Weise Sorgetragt, dass die Bluterneuerung im Tonometer praktisoh genommenvollstandig wird, erzielt man nicht nur einen geschwinderen Ausgleich,sondern zugleich auch den Vortheil, dass del' Ausgleich kein annaherndvollstandiger zu sein braucht; in diesem Falle wird namlioh die obenangefiihrte Gleichung (3) eine hinlanglich genaue Berechnung del'Spannung im Elute (M) gestatten, wenn nur das anfangliehe Gas (00)im Tonometer und die Zusammensetzung des Gases (01) zu einer ge­gebenen Zeit (t) bekannt sind.