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Breuer und Rehage, Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung 159 Aus dem Institut ]i~r Physika~ische Chemie der Rheinisch-West/dlischen Technischen Hochschule Aachen und diem Physikaliseh-Chemisehen Institut der Technischen Hochschule Clausthal Zur Thermodynamilr der glasigen Erstarrung*) Von H. Breuer und G. Rehage Mit 16 Abbildungen in 18 Einzeldarstellungen (Eingegangen am 20. Februar 1967) G S V T P 1 N OH T~ AS=S' --S" ,JH:H'--H" AV=V'--V'" dP Z~ ~ N r - - rt Acp = cp' -- cp" T, P aO Ts, Ps, ve TGI, PGI, VG~ av 8 8V, ZiT 8V~ zip 8S, .dT 8S~ A p *) Herin Prof. Dr. F. Horst Erl/iuterung der in der Arbeit verwendeten Symbole spezifische Frcie Enthalpie nach Gibbs spezifische Entropie spezifisches Volumen Temperatur Druck spezifischer Volumenausdehnungskoeffizient spezifische isotherme Kompressibilit~t spezifischer isothermer Kompressionsmodul isobare spezifische W/~rme Umwandlungstemperatur Sprungwerte der Funktionen S, H, V bei einer Umwandlung erster Ordnung Temperaturabhhngigkeit des Umwandlungsdruckes nach der ersten und zweiten Ehren/estsehen Gleichung. Reziprokwerte: Druckabh~ngigkeit der Umwandlungs- temperatur. Sprungwerte der :Funktionen a, ~, cp bei einer Umwandlung zweiter Ordnung innere Ordnungsvariable (in der Bedeutung yon linear unabh~ngigen Reaktions- laufzahlen) Affinit~t im Sinne yon De Donder Temperatur, Druck und Volumen des beginnenden Einfrierens (Einfriertemperatur, Einffierdruck und Einf~iervolumen). Die GrSBen beziehen sieh auf die Grenze zwischen Fliissigkeits- und Einfrierbereich (,,Einfriergrenze") Temperatur, Druek und Volumen des beendeten Einfrierens. Die Gr61~en beziehen sich auf die Grenze zwischen Einfrier- und Glasbereich Temperaturabh~ngigkeit des Einfrierdrucks bzw. Druckabhi~ngigkeit der Einfrier- temperatur Die Gr61~en ~r ~, cp und K bei w~hrendem inneren Gleichgewicht (A ~ 0), im Flfissigkeitsgebiet Die Gr61~en c~, ;~, cp und K bei festgehaltener innerer Ordnung, im Glasgeblet Steigung der Linie konstanter innerer Ordnung im Fliissigkeitsgebiet im Volumen- Temper~tur-Diagramm Spektrum der Nachwirkungsfunktion Spektrum der Volumennaehwirkung nach einem Temperatursprung Spektrum der Volumennaehwirkung nach einem Drueksprung Spektrum der Entropienaehwirkung nach einem Temperatursprung Spektrum der Entropienachwirkung nach einem Drucksprung Mi~ller mit herzliehen Gliickwiinsehen zum 60. Geburtstag gewidmet.

Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

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Page 1: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

Breuer und Rehage, Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung 159

Aus dem Institut ]i~r Physika~ische Chemie der Rheinisch-West/dlischen Technischen Hochschule Aachen und diem Physikaliseh-Chemisehen Institut der Technischen Hochschule Clausthal

Zur Thermodynamilr der glasigen Erstarrung*)

Von H. Breuer und G. Rehage

Mit 16 Abbildungen in 18 Einzeldarstellungen ( E i n g e g a n g e n a m 20. F e b r u a r 1967)

G S V T P

1

N

OH

T~ A S = S ' - - S " , J H : H ' - - H " A V = V ' - - V ' "

dP

Z ~ ~ N r - - rt

Acp = cp' -- cp"

T , P

aO

Ts, Ps, ve

TGI, PGI, VG~

av

8

8V, ZiT 8V~ zip

8S, .dT 8S~ A p

*) Herin Prof. Dr. F. Horst

Erl/iuterung der in der Arbeit verwendeten Symbole spezifische Frcie Enthalpie nach Gibbs spezifische Entropie spezifisches Volumen Temperatur Druck

spezifischer Volumenausdehnungskoeffizient

spezifische isotherme Kompressibilit~t

spezifischer isothermer Kompressionsmodul

isobare spezifische W/~rme

Umwandlungstemperatur Sprungwerte der Funktionen S, H, V bei einer Umwandlung erster Ordnung

Temperaturabhhngigkeit des Umwandlungsdruckes nach der ersten und zweiten Ehren/estsehen Gleichung. Reziprokwerte: Druckabh~ngigkeit der Umwandlungs- temperatur.

Sprungwerte der :Funktionen a, ~, cp bei einer Umwandlung zweiter Ordnung

innere Ordnungsvariable (in der Bedeutung yon linear unabh~ngigen Reaktions- laufzahlen)

Affinit~t im Sinne yon De Donder

Temperatur, Druck und Volumen des beginnenden Einfrierens (Einfriertemperatur, Einffierdruck und Einf~iervolumen). Die GrSBen beziehen sieh auf die Grenze zwischen Fliissigkeits- und Einfrierbereich (,,Einfriergrenze")

Temperatur, Druek und Volumen des beendeten Einfrierens. Die Gr61~en beziehen sich auf die Grenze zwischen Einfrier- und Glasbereich Temperaturabh~ngigkeit des Einfrierdrucks bzw. Druckabhi~ngigkeit der Einfrier- temperatur

Die Gr61~en ~r ~, cp und K bei w~hrendem inneren Gleichgewicht (A ~ 0), im Flfissigkeitsgebiet Die Gr61~en c~, ;~, cp und K bei festgehaltener innerer Ordnung, im Glasgeblet

Steigung der Linie konstanter innerer Ordnung im Fliissigkeitsgebiet im Volumen- Temper~tur-Diagramm

Spektrum der Nachwirkungsfunktion Spektrum der Volumennaehwirkung nach einem Temperatursprung Spektrum der Volumennaehwirkung nach einem Drueksprung Spektrum der Entropienaehwirkung nach einem Temperatursprung Spektrum der Entropienachwirkung nach einem Drucksprung

Mi~ller mit herzliehen Gliickwiinsehen zum 60. Geburtstag gewidmet.

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160 KoUoid-Zeitschri/t und Zeitschri/t /i~r Polymere, Band 216-217

| . Einleitung Bei der glasigen E r s t a r r u n g hochmole-

ku la re r Subs tanzen b e o b a c h t e t m a n sowohl in der T e m p e r a t u r - als auch in der Druck- abh~ngigkei t yon ZustandsgrSl3en ein Ver- ha l ten , das d e m einer t h e r m o d y n a m i s e h e n U m w a n d l u n g zwei ter Ordnung ~hnlieh ist. Dahe r bezeichnete m a n oft die glasige Er - s t a r rung als U m w a n d l u n g zweiter Ordnung und versuchte , die Druckabh~ng igke i t der E i n f r i e r t e m p e r a t u r mi t Hi l fe der Ehren/es t - schen Gleichungen zu beschreiben.

Dieser Be t rach tungswe i se s teh t eine andere gegenfiber, die davon ausgeht , daft das glasige E r s t a r r e n den O b e r g a n g v o m Z u s t a n d des m n e r e n Gleichgewichts in den eines Nichtg le iehgewichts dars te l l t . Hie rbe i muB m a n zur Beschre ibung der einzelnen Zu- s t~nde zus~tzlich zu den Var iab len T e m p e - r a t u r und D r u e k weitere freie Var iab len ein- ffihren, die den inneren Ordnungs zus t and der Subs tanz charak te r i s ie ren und denen Aff in i t~ten im Sinne von De Donder zu- geordne t sind. Mit Hilfe der T h e r m o d y n a m i k der i r revers iblen Prozesse gelangt m a n so zu einer Beziehung, die mi t den Ehren fes t schen Gleichungen J~hnliehkeit aufweist . A n h a n d dieser Bez iehung soll m a n darf iber entschei- den kSnnen, ob bei der b e t r a c h t e t e n Subs tanz die innere Ordnung mi t nu r e inem freien P a r a m e t e r beschr ieben werden k a n n oder ob hierzu mehre re benSt ig t werden.

Grund lage der vor l iegenden Un te r suehun - gen sind genaue Kompress ib i l i t~ t s - und Vo lumenmessungen an a t a k t i s e h e m Poly- s tyrol im T e m p e r a t u r b e r e i c h yon 100 bis 250 ~ und bis zu D r u c k e n yon 10 kb. Zu- s a m m e n mi t kalor ischen Da ten , die a m gleiehen P r o d u k t e rmi t t e l t wurden , e r l auben diese MeBergebnisse eine sichere Entsche i - dung fiber die A n w e n d b a r k e i t des Ehren]est- schen F o r m a l i s m u s im Gebie t der glasigen Er s t a r rung , die bei n o r m a l e m D r u e k und norma le r Abki ih lgeschwindigkei t erfolgt . Auch die beiden Grenzfi~lle unendl ieh lang- samer Abki ih lung sowie sehr hoher Drucke u n d T e m p e r a t u r e n werden un te r such t .

Aus der T h e r m o d y n a m i k der i r revers ib len Prozesse ]assen sich zuss zu der oben g e n a n n t e n Beziehung Z u s a m m e n h ~ n g e zwi- sehen Naehwirkungsprozessen und den vor- ] iegenden Z u s t a n d s d a t e n entwickeln. H ie raus werden genauere Aussagen fiber die Vielfal t der inneren O r d n u n g s p a r a m e t e r gewonnen.

2. Experimenteller Teil Die ffir diese Versuche entwickelten Apparaturen

wurden einschliefllich ihrer Berechnung sehon an

anderer Stelle ausfiihrlich beschrieben (i). So kSnnen wir uns hier darauf besehranken, ihre Funktionsweise zu erkl~ren.

Abb. 1 zeigt in halbperspektivischer Darstellung die Hochdruckzelle, die fiir maximal 15 kb bei Temperatu- ren bis zu 400 ~ ausgelegt ist. Sie besteht aus einer dreistufigen Zylinderanordnung Za, Z.m und Zi. Der mittlere Zylinder Zm ist in den i~ufleren Za lest ein- geschrumpft. Der Innenzylinder Zi ist konisch aus- gebildet und arbeitet nach dem Prinzip der variablen Schrumpfung. Als Gleitschicht bewahrte sich eine Zwischenlage aus dfinner Teflonfolie.

Ober- und Unterkolben Ko bzw. Ku sind mit einer Toleranz yon ~ 10 -8 mm eingepaI3t und besitzen keinerlei Dichtungsanordnungen. Diese einfaehe An- ordnung li~flt sieh im Hoehdruckbereich nur bei einer

Abb. 1. Hochdruckzelle und Volumenmefleinrichtung in halbperspektivischem Viertelschnitt, Zeichenerklfixung:

siehe Text

variablen Sehrumpfung der Zylinder anwenden, die es erlaubt, die ]:)ehnungen der Kolben und der Zylinder- bohrung einander anzupassen.

Die Last einer hydraulisehen Presse wirkt auf den Oberkolben Ko. Die Zelle liegt an ihrer Unterseite nut am ~ul~eren Zylinder Za auf. So zieht die gleiche Last, die fiber den Oberkolben Ko den Druck im Probenraum P erzeugt, fiber den Unterkolben Ku und die l~berwurf- mutter M den Innenzylinder in den geschrumpften Restzylinder.

Das Probenmaterial ist selbst ttydraulikum. Ledig- lieh eine dfinnwandige (0,2 ram) Teflonhfille verhindert, da[3 die Kolbenenden im Zylinder verklebt werden, wenn das flfissige Polymerisat bei steigendem Druck erstarrt. Ausffihrliehe Vorversuche zeigten, dab sieh die Proben bis zu 2 kb oberhalb des jeweiligen Einfrier- drucks genfigend hydraulisch verhalten.

Der Druck wird aus der Last auf dem Oberkolben und dem Kolbenquersehnitt (16 mm ~) bestimmt, die Volumenfi~derung aus der Differenz der beiden Kolben- verlagerungen. Hierzu dient die am Oberkolben Ko

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Breuer und Rehage, Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung 161

waageghnlieh aufgehgngte und durch das Gewieht G ausbalaneierte QuarzrShre Q, die die Relativbewegung der beiden Kolben mit Hilfe eines :Diflrerentialtransfor - maters auf 4- 10 -a into genau anzeigt (Ts ~ Taueh- spule, TK ~ Tauchkern und -MT ~ Temperiermuffe). Dies entsprieht einer relativen Unsicherheit yon 4- 5 �9 10 -5 in der Volumenbestimmung.

Die Kompressibilir mad Volumenmessungen wurden wegen der thermischen Tr~gheit der Anlage bei jeweils konstanter Temperatur und steigendem Druck durchgeffihrt. Zur Vermeidung yon Temperatur- ~nderungen, hervorgerufen dureh Kompressionsw~rme, wurde der Druek je nach Druckbereieh in Schritten yon 100 bis 300 b in intervallen yon 10 bis 30 rain erhSht.

Die gesamte Hochdruekzelle ist in einem massiven Metallthermostaten eingebettet, der die Last der hydraulischen Presse an der Unterseit~ des Aui~en- zylinders aufnimmt und fiber vier gehgrtete, beheizte Stahlbeine yon 1 cm Durchmesser zur Unterlage weiterleitet. So bleibt der in Abb. 1 gezeigte Differential- transformator (Ts und TK) bei belasteter Zelle zu- g~nglieh, und gleichzeitig ist eine ausreichende thermi- sehe Isolation des Metallthermostaten gegen die hydraulische Presse gewghrleistet. Zur Temperaturrege- lung und -messung dient ein dfinner Platindraht, der als Glied einer Wheatstonesehen Briicke die fiber den Zylin- derumfang gemittelte Temperatur auf ~ 0,01 ~ anzeigt.

Die Fehler in der Volumenmessung, die durch die Kompressibilit~t der Teflonhfille und durch die elasti- schen Verformungen der Stahlteile hervorgerufen wet- den, entsprechen bei niedrigen Drueken zusammen nur etwa 10 Prozent der gemessenen Volumen~nderungen. Erst bei einem Druck yon 12 kb wird ein Sechstel der aul]en abgelesenen tIShenabnahme allein durch die Verformung der Stahlteile verursacht.

3. Meflergebnisse 3.1. Die Kompressibilitat

Abb. 2 zeigt die isotherme spezifische Kompressibilitgt u = - (SV/~P)T (V = spe- zifisches Volumen) des ataktischen Poly- styrols in Abhgngigkeit vom Druck bei ver- schiedenen Temperaturen. Im Fliissigkeits- gebiet, oberhalb der strichpunktiertenKurve, fgllt die Kompressibilitgt bei konstanter Temperatur mit steigendem I)ruck hyper- bolisch ab. Das Abknicken der Kurven zu vortibergehend grSBeren absoluten Steigungs- werten zeigt jeweils den beginnenden Einfrier- vorgang an, z. ]3. an der Isothermen mit T = 245 ~ beim Druck des beginnenden Ein- frierens PE = 7 kb. Der ansehlieBende Ein- frierbereich zeigt einen weiterhin kontinuier- lichen Kurvenverlauf und miindet ohne erkennbaren ~bergang in den Glasbereich ein, in dem die Kompressibilitgt nut noch eine geringfiigige Druckabhgngigkeit auf- weist. In idealisierter Darstellung kann man yon einer Kompressibilit~ts-,,Stufe" /1 sprechen, die mit steigender Temperatur kleiner wird, aber aus dieser Auftragung nur ungenau best immt werden kann.

Besonders bei niedrigen Tempera.t.uren zeigen die Kurven im Glasbereich Uber- schneidungen. I-Iieraus kann man schliel]en,

dal~ die Kompressibilitgt im Glasbereich aul~er yon der Temperatur und dem Druck zusgtzlich yon den jeweiligen Einfrier- bedingungen abhgngt. So besitzt das entlang der Isothermen mit T = 155,5 ~ entstan- dene Glas bei Drucken yon mehr als 2,7 kb trotz hSherer Temperatur eine niedrigere Kompressibilitgt als das beim gleichen Druck vorliegende, isotherm bei T = 126,8 ~ ein- gefrorene Glas.

x-105 . ~ cm3"q-rb \

5 (~ "

3

0 1 2 3 ~ 5 6 7 5 9 P

Abb. 2. Spezifisehe isotherme Kompressibilitgt = - (av/aP)m (v = spezifisehes Volumen) yon atakti- sehem Polystyrol in Abhgngigkeit veto Druek bei den Temperaturen: V 107 ~ + 126 ~ [] 155,1 ~ • 194,9 ~ und O 245 ~ Strichpunktiert: Grenze des

beginnenden Einfrierens (Einf~ierkurve)

3.2. Der Kompressionsmodul Damit die ,,Sprungwerte" A~ und die

Breiten des Einfrierbereichs genauer be- stimmt werden kSnnen, ist es zweckmgl~ig, die Kurven ~ (P) durch eine Achsentransfor- mation zumindest gebietsweise zu linearisie- ren. Wegen des hyperbolischen Verlaufs im Fliissigkeitsgebiet liegt es nahe, die Kehr- wertauftragung der Kompressibilitgt zu ver- suchen.

Abb. 3. zeigt so den isothermen spezifi- schen Kompressionsmodul K = 1/z in Ab- hgngigkeit veto Druck. Bei allen gemessenen Temperaturen bilden die Kurven sowohl im Fliissigkeits- wie im Glasbereich Geraden, die es uns ermSglichen, den Einfrierbereich auch gegen den Glasbereich beim Druck des beendeten Einfrierens Pat abzugrenzen. Der isotherm gemessene Einfrierbereich P~t -- PB nimmt bei Temperaturen yon 100 bis 250 ~ yon 0,8 auf 1,9 kb zu. Die Geraden des Kompressionsmoduls im Glas- und Fliissig- keitsbereich kann man in dieser Auftragung in den jeweiligen Einfrierbereich extrapolie- ren und die Differenz zwischen den Modul- werten des Glases und der Fliissigkeit A K = K~ - KA am gleichen Zustandspunkt (P, T) bestimmen. Entsprechend erhglt man

11

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162 Kolloid-Zeltschrl/t und Zeitschri/t ]iir Po~ymere, Band 216-217

den ,,Sprungwert" der Kompressibilit~t 1 1

KA K~

ira Einfrierbereich. Die Indizes A und bedeuten ,,Affiniti~t = 0" (Gleichgewieht) bzw. ,,innere Ordnung = eonst." (Glas). Sie werden in Teil 4.31 erl~utert. Der ,,Sprung- wert" An ist innerhalb des jeweiligen iso- thermen Einfrierbereiehs (Pat - P n ) nicht konstant und nimmt mit steigender Tempe- ratur stark ab. E'IO-"

innerhalb der MeBunsicherheit mit der ent- spreehenden isobar gemessenen Kurve Tg(P) identiseh. Dies trifft fiir die Kurven Pa~(T) und Ta~(P) nieht zu. So ist auch die Extra- polation d e r n u r be/ erh6htem Druck me6- baren Kurve Pa~(T) zum Druck Pa~ = 0 nicht sinnvoll, da ein zugehSriger Druckwert Pg bei gleicher Temperatur nicht existiert.

Die Kurve des beginnenden Einfrierens ist somit diejen/ge Linie des Einfriergebietes, die als mSgliehe Umwandlungskurve untersueht werden soU. Nur dieser Linie entspreehend kan~ man aul]er dam Kom)ressibilit/its-

T l# 121 10

8

2

0

at ~ kb

1 2 3 # 5 5 7 8 . ~ 9 P kb

Abb.~3. Spezifischer iso~hermer ]~ompressionsmodul K ~ 1]x yon ataktischem Polystyrol in Abh~gigkeit yore Dmck bei den Tomperaturen: ~ 107~ + 126,8 ~ [] 155,1~ • 194,9~ ~ 217~ {D 230~ und O 245 ~ PE ~ I)ruck des beginnenden Einf~ierens und PGI= Druck des beendet~n Einfrierens bei

T = 245 ~

3.3. Die Kennlinien des Ein/riergebietes und der Kompresslbilit~ts-,,Sprung"

Aus der Abb. 3 kann man die Grenzkurven des Einfrierbereichs fiir isotherme Messungen entnehmen: die Kurven des beginnenden FAnfrierens P~(T) und des beendeten Ein- frierens P~z(T), die in Abb. 4 dargestellt sind. Der Pfeil zeigt den isothermen l~Ieflweg an. Die Kurve PB(T) beginnt bei P = 0 mit der Steigung (dP/dT)E = 40 a t . grd-L Die Steigungen beider Kurven nehmen bei hbhe- ten Temperaturen stark zu. Aus zus~tzlichen, bei Normaldruck durchgefiihrten Dilato- metermessungen wurden an der gleichen Substanz die Temperaturwerte des begin- nenden Einfrierens TB ( lb) = 102 ~ und des beendeten Einfrierens Ta~(lb) ~ 70 ~ bestimmt.

Man sieht in Abb. 4, dal~ der Punkt TE (1 b) auf der entspreehenden Kurve des beginnen- den Einfrierens PE(T) liegt, der Punkt Tal (lb) hingegen yon der zu P = lb ~ 0 kb extrapolierten Kurve des beendeten Ein- frierens PGz (T) stark abweicht. Die isotherm bei steigendem Druek gemessene Kurve des beginnenden Einfrierens PB(T) ist daher

"lOO

.,./

t 'D'�9 /

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**'�9 j ' ,o" ,~

/ , q D/"

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2 .o /

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/d . /

2~o T 25'o

Abb. 4. Druek des beginnenden :Einf~erens P.g (st, rich. punktiert) und Druck des beendeten Einfrierens PG1 (punktier~) yon ataktischem Polystyrol in Abh~ngigkeit vonder Temperatur. Der Pfeil deutet die isothermen

MeBwege an

,,Sprung" AxE auch die ,,Sprungwerte" des spezifischen thermisehen Ausdehnungskoeffi- zienten A ~ und der spezifischen W~rme Ace,~ beim Druck P = lb ~ 0 kb messen

OH

H ~ spezifiache Ent~alpie.

In Abb. 5 ist der , ,Sprungwert" der Kom- pressibilit~t A ~ in Abh~ngigkeit yon der Temperatur und dem Druek dargestellt. Man sieht, dab der Wert A u~ mit steigender Temperatur stark abf~llt und mSglicherweise oberhalb yon 300 bis 350 ~ verschwindet. Aus der starker durchgebogenen Kurve beim Druekverlauf kann man schlieBen, dab der Einfrierdruck zu diesem Temperaturgebiet hin sehr stark ansteigt (vgl. hierzu auch Abb. 4).

Page 5: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

Breuer und Rehaqe, Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung 163

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Abb. 5. Kompmssib~t~ts-,,Sp~g" /I~B von atakti- schem Polystyrol an der Einfrierlinie in Abh~iagigkei~ yon der Temperatur (oben) und dem Druck (unten)

3.4. Das Volumen In Abb. 6 ist das spezifische Volumen des

Folystyrols in Abhi~ngigkeit yon der Tempe- ratur bei verschiedenen Drucken aufgetragen. Im Fliissigkeitsbereich sind alle Isobaren Geraden7 deren Steigung a mit steigendem Druck abnimmt. Entlang der strichpunktier- ten Linie des beginnenden Einfrierens VE (T) fi~llt das Volumen linear mit steigender Tem- peratur bis 250 ~ um ca. 12% ab. Die punktiert gezeichnete Linie des beendeten Einfrierens VG~ (T) verl~uft etwa parallel zur Linie V~(T).

AuBer der isobar unter Temperaturernied- rigung gemessenen Kurve mit P = 0kb zeigen die Isobaren im Glasbereich nicht den erwarteten geradlinigen Verlauf. Die auf isothermem Wege gemessenen Volumenwer- te (Pfeilrichtung) geben in der Auftragung als Isobaren im Glas- und Einfrierbereich nieht die Ergebnisse einer wirklich aus- geftihrten isobaren Messung wieder. Das Volumen im Glas- und Einfrierbereich ist wegabhs Sein Wert h~ngt auBer yon der Temperatur und dem Druck davon ab, an

welcher Stelle die Einfrierkurve bei der glasigen Erstarrung durchschritten wurde.

So gilt die punktiert gezeichnete Volumen- kurve des beendeten Einfrierens Vaz(T) nur

cm3 9-T J

T 1 ,05

o,9o

. . .

0,85 ..o

" '0 ,h

lio > @ Abb. 6. Spezifisohes Volumen yon ataktisohem Po]y- s~yrol in Abh/mgigkeit yon der Temperatur bei ver- sohiedenen I)rueken. Strichpunktiert: Linie des be- ginnenden Einfrierens VE(T), Punktiert: T,inie des beendeten Einfrierens VGl(T). Der Pfeil deutet die

isothermen MeBwege an

ftir die durch den Pfeil angegebene isotherme Wegriehtung. Bei isobaren Messungen findet man die Kurve Vat(T) an anderer Stelle. _~xhnlich wie in Abb. 4 die Extrapolation der Kurve Pat(T) zum Druck P = 0 nicht die isobar gemessene Temperntur Tat bei P = 0 ergibt, liegt hier der Volumenwert des be- endeten Einfrierens, den man aus Dilato- metermessungen bei Normaldruek findet, nieht im Schnittpunkt der Normaldruck- Isobaren mit der extrapolierten Kurve V~ (T) des beendeten Einfrierens.

Abb. 7 zeigt die Temperatur- und Druek- abhs des spezifischen Volumens in der Form yon Isothermen. Die Kurven sind im gesamten Druckbereieh stark durch- gebogen. Daher kann man in dieser Auf- tragung den Einfrierbereich, der sieh nur in einer voriibergehend st~rkeren Krtimmung der Kurven bemerkbar maeht, sehlecht er- kennen. Die eingezeiehneten Einfrierdrueke PE, a-a sind die aus den Kompressibilitiits- Druckdiagrammen in Abb. 2 ermittelten

II*

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164 KoEoid-Zeitschri/t und Zeitschri/t /fir Polymere, Band 216-217

Werte. Dem unregelm/~l~igen Verlauf der Volumen-Temperaturkurven unterhalb der strichpunktierten Einfrierlinie in Abb. 6 ent- sprechen bier ]~berschneidungen der Volumen- Druckkurven im Einfrier- und Glasbereich.

V d Cm~g*l �9 ~C

1,00 . / i a

0,95-

0,90 - PC6

o,85 % PE,a

0 2 z+ 5 8 10 P

Abb. 7. Spezifisches Volumen yon ataktischem Poly- styrol in Abh~ngigkeit yore Druck bei den Tempera$u- ren: a. 126,8 ~ b. 155,1 ~ e. 194,9 ~ und d. 245 ~ PE, a-d sind die zu den Kurven a-d gehfrenden Einfrier-

drucke

3.5. Die Wegabh(~ngigkeit des Volumens Derartige WegabhKngigkeiten bei Volu-

menmessungen an glasig erstarrenden Hoch- polymeren wurden ebenfalls yon Heydemann und Guicking (2) und yon Siskin (3) fest- gestellt und yon uns in einer gesonderten MeBreihe quanti tat iv untersucht. Zu diesem Zweck konnten wir die in Abb. 1 gezeigte Hochdruckzelle nicht verwenden, da diese keine rein hydraulischen Drucke gew/ihr- leistet, wenn sich das Polymerisat weir unterhalb der Einfrier]inie im Glasbereich befindet. Wir benutzten einen zweistufigen, geschrumpften Hochdruckzylinder, der an beiden Seiten durch bewegliche Bridgman- Dichtungen aus Kupfer- und Teflonscheiben verschlossen war. In dieser Zelle wurden Polystyrolproben mit einem Volumen von etwa 4 cm a unter Quecksilber einer Tempera- tur- und Druckbehandlung unterworfen, wie es als Beispiel in dem schematischen Volu- men-Temperaturdiagramm in Abb. 8 punk- tiert dargestellt ist.

Hierbei wurde eine Probe zuerst bei Nor- maldruck auf die Verdichtungstemperatur T r oberhalb der normalen Einfriertempera- fur TE (P = 0) aufgeheizt (Punkt A der Abb. 8). Dann wurde der Druck bei kon- stanter Temperatur erhSht, bis er gr6Ber war, als der zur Verdichtungstemperatur zu-

gehSrige Einfrierdruck P s ( T r ) . Es wurde dafiir gesorgt, dal3 der Druck mindestens 30% grSBer war als der Einfrierdruck. Bei dieser isothermen Kompression wird die Einfrierlinie am Punkt D durchschritten (bier bei PE = 4 kb) und der Punkt E er- reicht. Die am Punkt D auf der Einfrierlinie vorliegende innere Gleichgewichtsordnung der Fliissigkeit friert ein und bleibt innerhalb des Glasgebietes beim isobaren Abkiihlen auf Raumtempera tur zum Punkt F u n d dann bei der isothermen Druekerniedrigung zum Punkt G bei P = 0 und T = 20 ~ konstant. Weiter unten wird gezeigt, dab diese Dar- stellung idealisiert ist und die Verh/iltnisse in Wirklichkeit komplizierter sind. Das liegt daran, dab es bei genauer Betrachtung nicht nur einen Einfrierpunkt gibt, sondern ein Ein- frierintervall zwischen dem beginnenden und beendeten Einfrieren.

: 0,5

1 s B ,

F~ . . . . . . .

20 "f

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r~(p-o) rv , r

Abb. 8. Schematisches Volumen-Temperaturdiagramm zur Veransehaulichung des Verdiehtungsweges ADEFG

(punktier$) mit der Verdichtungstemperatur Tv

Kiihlt man hingegen die Probe vom Zu- standspunkt P = 0 und T = Tv (Punkt A) aus direkt isobar zum Zustandspunkt P = 0 und T = 20 ~ so friert die bei B auf der Einfrierlinie vorliegende innere Gleich- gewichtsordnung ein, und man erreicht bei weiterem Abkiihlen den Punkt G. Bei den Punkten C und G sind Temperatur und Druck gleich grog. Die Volumendifferenz CG spiegelt so den Unterschied zwischen den inneren Gleichgewichtsordnungen der Punkte B und D wider und ist ein MaB ftir die Weg- abhKngigkeit des Volumens im Glasgebiet.

Abb. 9, Kurve a zeigt das spezifische Vo- lumen verschiedener Polystyrolproben bei

Page 7: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

Breuer und Rehage, Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung 165

20 ~ und 1 b ( ~ 0 kb) in Abh~ngigkeit von der Verdiehtungstemperatur Tv. Mit stei- gender Verdichtungstemperatur f~llt das Volumen zuerst stark ab. Oberhalb yon etwa Tv = 170 ~ ~tndert es sieh nur noch wenig. Die horizontale Gerade b gibt die Volumenwerte wieder, die die verdichteten Proben bei 20 ~ nach Erhitzen auf Tempe- raturen oberhalb 100 ~ und anschlieBendem Abkiihlen bei P = l b aufwiesen. Die ge- samte Volumenabnahme (maximale Diffe- renz zwischen a und b) betrug etwa 1,4%.

7- ) . - - ~

5"0 I00 150 2 O0 250

V O' gS"S �9 , , '-~-~-- --o- ' ~ 'd cm~:~:~- l - - .o_. o o o-- b

o,g~J] C cl \ ~ o \

Abb. 9. Spezifisches Volumen des ataktisehen Poly- styrols bei 20 ~ und Normaldruck in Abhangigkeit yon der Verdichtungstemperatur (Kurve a), Kurve b: Volumenwerte nach kurzem Tempern bei 110 ~ unt~r

Normaldruck. Kurven c und d: siehe Text

Im Teil 3.3 wurde sehon darauf hingewie- sen, dab sich im Einfriergebiet nur die Kurve des beginnenden Einfrierens PE(T) oder TE(P) ftir eine thermodynamische Behand- lung eignet. Daher wurden im schematisch dargestellten Volumendiagramm der Abb. 8 die Einfriergebiete als Kniekpunkte dar- gestellt, die auf der striehpunktierten Ein- frierkurve liegen. Die Isobare CB bei P = 0 im Glasgebiet kann man im Experiment nur erhalten, wenn jede Volumennachwirkung vermieden wird. D. h. die Probe muB sehr schnell abgektihlt, also abgesehreekt werden. Die Volumenkurve CB ist die Parallele zu der bei vorgegebener Abkiihlgesehwindigkeit gemessenen, gestrichelt gezeichneten Glas- kurve durch den Punkt B. Die Kurve CB liegt bei tieferen Temperaturen parallel zur wirklieh gemessenen Isobaren, da nach Messungen yon Goldbach und Rehage (4) der spezifisehe thermisehe Ausdehnungskoeffi- zient ~ = (~V/~T)p im Glasgebiet nur gering- fiigig yon der eingefrorenen inneren Ord-

nung abhKngt und nahezu temperatur- unabh~ngig ist.

J~hnliche Uberlegungen gelten fiir die Volumenkurven der Abb. 9. Es miissen bei genauerer Betrachtung auch hier einige Korrekturen vorgenommen werden; z. B. ist in Abb. 8 gestriehelt die Volumenkurve BH eingezeichnet, die einem Abkiihlvorgang mit vorgegebener Abktihlgeschwindigkeit ent- spricht. Der Punkt H liegt bei einem geringe- ren Volumenwert als der Punkt C, da entlang der gestrichelten Kurve im Einfriergebiet noch Ordnungsi~nderungen erfolgen. Diese Ordnungsdifferenzen verursachen zwischen den Punkten C und H die Volumendifferenz

T E AV = ~ [a(T) -- a~] d T.

TGI

Auf Grund dieser Korrektur erh/~It man in Abb. 9 aus der Geraden b die Gerade d. Entsprechend friert bei dem in Abb. 8 punk- tiert dargestellten VerdichtungsprozeB nicht exakt die zum Punkt D gehSrende inhere Gleiehgewichtsordnung ein, sondern die- jenige innere Ordnung, die bei hSherem Druek an der Grenze des beendeten Ein- frierens vorliegt (siehe Abb. 6, punktiert.e Linie).

Auf Grund dieser Korrekturen erh~ilt man in Abb. 9 aus Kurve a die Kurve c. Die Kurve c spiegelt die unterschiedliche inhere Gleichgewichtsordnung entlang der Einfrier- kurve wider, die im Temperaturbereich yon TE = 102 bis 250 ~ vorliegt und bei 20 ~ und l b Volumendifferenzen bis zu 1,6% ver- ursacht.

Der Druck in der Hochdruckzelle, die wit fiir diese Verdichtungszyklen benutzten, wurde ebenso wie bei der in Abb. 1 gezeigten Zelle aus der Last der hydraulisehen Presse und der Kolbenquerschnittsfl~che berechnet. Bei Verwendung yon Bridgman-Dichtungen ftihrt dies jedoch wegen der Dichtungs- reibung zu ungenauen Druckwerten. Daher wurden die Verdichtungszyklen so vor- genommen, dab der Einfi'iervorgang bei vor- gegebener Temperatur Tv und steigendem Druck erfolgte. Bei einer Hochdruckzelle, die eine genaue Druckmessung erlaubt, kann man die Verdichtungszyklen auch so fiihren, dab die Substanz bei vorgegebenem Ver- dichtungsdruck Pv unter Abktihlen einfriert. Im ersten Fall erh~lt man also das Volumen bei 20 ~ und P = l b in Abhs yon der Verdichtungstemperatur, im zweiten Fall dagegen in Abh~ngigkeit vom Ver- dichtungsdruck Pv. Beide Diagramme zu-

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166 KoUoid.Zeitsc, hri~ und Zeitsc, hrift /~r Polymere, Band 216-217

sammen erlauben es, die Abh/ingigkeit P v = P v ( T v ) und damit eine Kennlinie ffir das Einfriergebiet im Druek-Temperaturdia- gramm zu finden, ohne eine aufwendige Volumetrik innerhalb einer Hochdruekkam- mer durchzuffihren.

4. Disimssion

4.1. E ine empirische Zustandsgleichung /l~r das Flt~ssigkeitsgebiet

Bei der Suche naeh einer empirischen Zu- standsgleiehung der Form V = V (T, P) kSn- nen wir yon zwei experimentellen Ergebnis- sen ausgehen, dem linearen Verlauf der Kom- pressionsmodul-Druckkurven (Abb. 3) und dem derVolumen-Temperaturkurven (Abb. 6).

Die Linearits der Kompressionsmodul- Druekkurven entsprieht einer Zustandsglei- ehung, die erstmals Tai t zur Besehreibung der Kompressibilitgt yon Seewasser be- nutzte (5) und die ebenfalls yon Wood an- gewendet wurde, um Umwandlungen und Einfriererseheinungen kenntlieh zu maehen (6). Der Tait-Gleiehung entsprieht der hyper- bolische Verlauf der Kompressibilitiit fiber dem Druek. Sie ist nicht theoretisch begrfin- det, seheint jedoeh bei vielen Substanzen eine gute Ngherung darzustellen. Sie hat die allgemeine Form :

1 ~(T, P) = h(T) +/,(T) P" [I]

Die Funktionen fx(T) und [~(T) besohreiben die Temperaturabhgngigkeit der Kompres- sibilitiit.

Bei linearem Volumen-Temperaturverhal- ten ist der Volumenausdehnungskoeffizient allein eine Funktion des Drucks: r162 = ~ (P). Dies ergibt mit dem Schwarzsehen Satz, an- gewandt auf das Volumen V = V (T, P),

~ . [2]

Der Anstieg der Kompressibilit/~t mit der Temperatur ist damit ebenfalls temperatur- unabh/ingig. Bei linearem Volumen-Tempe- raturverhal ten miissen also aueh zwisehen der Kompressibilit/it und der Temperatur lineare Beziehungen gelten. Dies ist dureh G1. [1] bei versehiedenen Druekwerten nur beschreibbar, Lwenn die Funktion ]~(T) = a/I(T) ist.

So gelangt man zu dem Ansatz

t(T) mit /(T) = llh(T) u ( T , P ) = l + a P

l + b T ~(T,P) = ~a I + aP [3]

mit n 0 = z (T = 0, P = 0) und den Kon- stanten a und b.

G1. [2] ergibt mit G1. [3] ffir den Ausdeh- nungskoeffizienten :

P

f ~o = ~ (P = 0) dP

(P) = ao -- ~0 b 1 -~ a P mit 0

a ( P ) - - - -o~-- ~ r (1 + aP) . [4]

Aus den Gln. [3] und [4] erh~it man ftir das Volumen

V(T,P) = Vo + cooT- c(l + bT) In(l + aP)

~o mit Vo-- V(T----0, P=0) und ~=--. [5] a

Innerhalb der 1VieBgenauigkeit konnten wir so das spezifisehe Volumen des fliissigen ataktisehen Polystyrols im Temperatur- gebiet yon 100 bis 250 ~ und Druekgebiet bis zu 7 kb dureh folgende Gleiehung dar- stellen :

V(T, P) = 0,91 + 6 ,2- 10 -4 T - - 4,93 10 -a (T/10 - - 1)

• I n (1 + 0,9- P) [6] mit den Dimensionen [V] = g . em -a, [T] = ~ und [P] = kb.

Die Grenze zum Einfrierbereieh ist

VE(T) = 0,973 - - 8 , 2 5 . 1 0 - ' (T - - 102) . [7]

Die Zustandsgleiehung [6] stellt eine gute N/iherung dar, die im Gebiet sehr hoher Drucke jedoeh nicht gelten kann, da sie dort negative Volumenwerte ergibt.

4.2. Thermodynamische Umwandlungen

Eine thermodynamische Umwandlung erster Ordnung liegt dann vor, wenn die ersten Ableitungen der (spezifischen) freien Enthalpie G naeh den zugehSrigen Variablen Temperatur und Druek, ni~mlieh die (spezi- fisehe) Entropie S = - (~G/ST)p und das (spezifische) Volumen V = (SG/~P)r, am betreffenden Zustandspunkt Unstetigkeiten, also ,,Sprfinge" A V und A S zeigen. Die freie Enthalpie selbst weist fiber der Temperatur und dem Druek einen knickfSrmigen Verlauf auf. So ist in Abb. 10 ffir eine Umwandlung erster Ordnung der Verlauf der freien En- thalpie, des Volumens und des (spezifischen) thermischen Ausdehnungskoeffizienten = (~V/~T)p = - ( ~ S / ~ P ) T in Abh~ngigkeit yon der Temperatur schematiseh dargestellt. Ebenso wie die anderen zweiten Ableitungen der freien Enthalpie, die (spezifische) iso- therme Kompressibilits ~ = - (5 V /SP)Tund cp /T = (~S/~T)p, bzw. die spezifische W~rme cp weist der thermisehe Ausdehnungskoeffi-

Page 9: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

B r e u e r und Rehage, Zur Thermodynami]c der glas~gen Erstarrung 167

zient ~ bei einer Umwandlung erster Ord- nung eine PolsteUe auf.

Bei einer Umwandlung zweiter Ordnung verlaufen die ersten Ableitungen der freien Enthalpie, n/~mlich V und S, am Umwand- lungspunkt knickfSrmig, und die zweiten Ableitungen ~, u und cp]T bzw. cp zeigen den bekannten lambdafSrmigen Verlauf mit Unstetigkeiten in Form yon ,,Spriingen" A~, An und Acp/T auf der Hochtemperatur- (Tiefdruck-)flanke. Man finder Umwand- lungen zweiter Ordnung bei Ordnungs-Un-

Urnwand/unq Z.Ordnunq

G(T) x .\ 5chmelzo

T~

Abb. 10. Schematische Darstellungen des Temperaturverlaufs der freien Enthalpie 6t, des Volumens V und des thermischen Aus- dehnungskoefilzienten a in den Gebieten einer thermodynamischen Umwandlung erster Ordnung, einer Umwandlung zwei- ter Ordnung und der glasigen Erstarrung r~

halb der Temperatur des beendeten Einfrie- rens Tat eine Gerade mit verringerter Stei- gung. Die Fltissigkeitskurve oder Kurve des inneren thermodynamischen Gleichgewichts ist unterhalb der Temperatur TE gestrichelt fortgeftihrt.

Beginnend bei der Einfriertemperatur Ts kann man durch extrem schnelles Abkiihlen und Aufheizen die punktiert gezeichnete Glas- kurve erhalten. :Nachwirkungserscheinungen bei konstanter Temperatur und konstantem Druck, die immer mit einer Abnahme der

Umwandlunq .~ Ordnung

9@~

T.

T~

61asig~s Erstarren iZ,

h, Glas

! \+fm+s.

/,FlOst.

4+I l i

TG, T~

ordnungs-Umwandlungen, bei denen der un- geordnete Zustand z. B. durch Absehrecken auch unterhalb der normalen Umwandlungs- temperatur T v gefunden wird (in Abb. 10 gestrichelt gezeichnet), der geordnete Zu- stand jedoch nicht oberhalb yon Tv.

Justi und v. Laue zeigten, dab dieser ,,Gabeltyp" bei allen Umwandlungen gerader Ordnung vorliegen mul3 (7). 3/ISgliche Nach- wirkungserscheinungen fiihren bei konstan- ter Temperatur und konstantem Druck unterhalb der Umwandlungstemperatur T v bei abnehmender freier Enthalpie zum ge- ordneten Zustand hin (Pfeile in den Abbn.). Unterhalb yon T v ist also der geordnete, oberhalb T v der ungeordnete Zustand der Gleichgewichtszustand.

Zum Vergleich mit diesen Umwandlungen sind in Abb. 10 die Diagramme G(T), V(T) und ~(T) im Gebiet des glasigen Erstarrens gezeichnet. Das Volumen folgt in einem Abkiihlversuch der ausgezogenen Kurve, die unterhalb der Einfriertemperatur TE yon der meist geraden Fliissigkeitskurve abbiegt. Nach einem gekriimmten Verlauf im Ein- frierbereich TE - T ~ ist die Isobare unter-

freien Enthalpie verbunden sind, erfolgen oberhalb und unterhalb der Einfriertempera- tur immer in Richtung auf die Fliissigkeits- kurve. Der Fliissigkeitszustand ist also beiderseits der Einfriertemperatur der Gleich- gewichtszustand. Die freie Enthalpie ist im Glaszustand also immer grSl~er oder gleich der freien Enthalpie im Fltissigkeitszustand. Die entsprechende Fliissigkeitskurve be- rtihrt die Glaskurve bei der Einfriertempera- tur. Die Einfriertemperatur h/~ngt yon der Abkiihlgeschwindigkeit ab. Je nach der Tem- peraturftihrung kann man so fiir die freie Enthalpie verschiedene Glaskurven erhalten, die die eindeutige Fltissigkeitskurve bei je- wefts einer anderen Einfriertemperatur be- rfihren.

Im folgenden soll untersucht werden, ob das glasige Erstarren wenigstens mit dem Formalismus der Umwandlungen behandelt werden kann.

Die oben geschildertengeometrischen Eigen- schaften der Zustandsfunktionen liefern die Beziehungen fiir die jeweilige Umwandlung. Die Umwandlungstemperatur Tv verlagert sich mit dem Druck. Bei einer Umwandlung

Page 10: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

168 Kolloid-Zeit~chrift und Zeitschri/t fiir Polymere, Band ~16-217

erster Ordnung ist der Verlauf der freien Enthalpie fiber der Temperatur und dem Druek an jedem Punkt dieser Umwandlungs- kurve T v ( P ) stetig. Die J~nderung der freien Enthalpie dGv entlang der Umwandlungs- kurve kann daher yon der einen Seite der Umwandlungskurve (dG'v) und yon der anderen (dG"v) betraehtet werden und setzt sieh jeweils aus den Teils ls eines Temperatur- und eines Druckweges zusammen.

dG'u = dG~ [8] (aa ' (aG ' aG " a a "

[91 Hieraus erhgJt man die bekannte Bezie-

hung "con Clausius und Gl~peyron, die die Druekverlagerung der Umwandinngstempe- ratur erster 0rdnung besehreibt :

,a lP , S ' - - S " AS I ) [10] -d-T ~= V' V " = A V "

Bei der Umwandlung zweiter Ordnung zeigen die beiden ersten Ableitungen V = (~G/~P)~, und S = - ( ~ G / e T ) p an jedem Punkt der Umwandlungskurve T u ( P ) einen stetigen (gekniekten) Temperatur- und Druek- verlauf. Man kann die Volumeniinderung d V v und die Entropieiinderung d S v entlang der Umwandlungskurve yon beiden Seiten der Umwandlungskurve aus betraehten und er- hi~lt nun anstelle der G1. [8] die beiden Gleiehungen :

dV'u(T, P) ---- dV"~7(T, P) [11] und

dS'u(T, P) . ~ dS"u(T, P) . [12]

Spaltet man die totalen Differentiale in partielle entlang yon Druek- und Tempera- turwegen auf, so erhs man:

' "

und

OP ]T dP

"0V'"

B3]

a s ' . " O S " +(~)pdT a8

[14] Nit den Differentialquotienten (0 V/~P) f = - u,

ergibt sieh aus den Gin. [13] und [14]:

- - ~' dP + od d T = - - ~ " dP + od" d T [15] und

�9 6p , �9 --o;" dP + - -~ dT = -- od' dP + --g- ~T ,

" . 1 '

aus denen man die beiden Ehren/estschen Gleiehungen erh~lt :

.--.(d~T)I-- = ACCAu [17] und

-'--(~--~)II = TAocAcP. [18]

Aa, A ~ und Acp stellen die Unstetigkeiten dar, die ,,Sprfinge", die die jeweiligen GrSi~en ~, ~ bzw. ce in Abhs yon der Tempe- ratur oder dem Druek im betraehteten Punkt der Umwandlungskurve Tu (P) auf- weisen.

G1. [15] ist in Abb. 11 in einem schemati- schen Volumen-Temperaturdiagramm dar- gestellt. Die ausgezogenen Kurven sind

P _ / V

/ P+d P

_ ~ f

/ ',, ' \ , ' / _ _ t

I i

Tu Tu*dTu > T

Abb. 11. Sehematisehes Volumen-Temperaturdiagramm im Gebie~ einer Umwandlung zweiter Ordnung zur Ver- anschaulichung der G1. [15]. Zeiehenerkl~rtmg: siehe

Text

Volumen-Isobaren bei den Drucken P und P + d P , die an ihrem gekniekten Verlauf die Umwandlungstemperaturen T tr und T v+ d T erkennen lassen. Die striehlounktierte Linie A B stellt also die Umwandlungskurve im Vo- lumen-Temperaturdiagramm dar, liings der sich das Volumen um den Weft d V v iindert. Das Differential d V v setzt sieh reehts der Umwandlungskurve____aus den Anteilen D B

= - ~ ' . d P und D E = od. d T zusammen, auf der linken Seite aus den Anteilen A C

= - ~" � 9 und E C = ~" � 9 Man sieht, dab die Ehren/estsehen Gleichungen nur dann gelten, wenn beiderseits der Umwandinng Gleiehgewieht vorliegt, d. h. wenn sich die thermodynamisehen Gr613en der Substanz durch die Angabe yon nut zwei frei ws Vairablen, z .B. T und P beschreiben lassen (Phase mit zwei Freiheitsgraden).

I)ie beiden Gln. [17] und [18] lassen sich durch Elimination der Steigung d P / d T zu- sammenfassen :

Acp A~ T (As) -------{ = 1. [19]

Page 11: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

Breuer und Rehaffe, Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung 169

Wie spgter gezeigt wird, besitzt diese Be- ziehung jedoch einen geringeren Aussage- wert als die Gln. [17] und [18]. Wie in Teil 3.3 dargelegt ist, ist die Linie des beginnenden Einfrierens die einzige Kennlinie des Ein- friergebiets, die wegunabhgngig ist und als mSgliehe Umwandlungslinie gepriift werden soll. Fiir diese finden wir am Zustandspunkt T ~ ( P = 0) = 102 ~ die Werte

A • = 1,57 �9 10 -a �9 c m a (g �9 b) -~

(aus Abb. 5) und Azr162 = 3 ,15" 10 -a �9 c m s (g �9 grd) -1 ,

wghrend die Absolutwerte

u/~ = 3,7 �9 10 -a cma (g �9 b) -~ und

a E ~- 5,6 �9 10 -~ c m ~ ( g . g rd) -~ betragen.

Koplin land am gleichen Produkt den ,,Sprungwert" Acp,~ = 2,54 b" cm a (g.grd) -~ und den Absolutwert c~,s = 19,2 b . c m a (g- grd) -~ (8).

Aus diesen Werten ergeben sich nach den Ehren/estsehen Gln. [17] und [18] die Stei- gungswerte

( ~ - ~ ) I = 20 b grd-~

und

( d ~ - ) i i = 21,5 b g rd-1 ,

die untereinander recht gut tibereinstimmen, jedoch sehr stark yon dem gemessenen (dP/dT)B = 40 b �9 grd -1 abweichen (vgl. Abb. 4).

Wegen der guten ~bereinst immung der beiden Rechenwerte (dP/dT)i und (dP/dT)~ untereinander ist die zusammengefaBte Ehren/estsehe Gleiehung [19] innerhalb der MeBunsicherheit erfiillt :

Acp, EAxl~ = 1 ,07 . TE(A~E) ~

Die MeBunsicherheit verurs~cht hierbei einen Fehler yon ~ 15% im Endwert yon 1,07.

4.3. Die glasige Erstarrung bei nut einer /reien Ordnungsvariablen

4.31. Allgemeine Beziehungen Wie in Teil 3.4 anhand der Abbn. 6 und 7

gezeigt wurde, ist das Volumen im Einfrier- und Glasbereich keine eindeutige Funktion der Temperatur und des Drucks allein, son- dern hgngt zusgtzlich davon ab, welcher innere Ordnungszustand beim Durehschrei- ten der Einfrierlinie eingefroren wird. Dieser

innere Ordnungszustand sei durch die Vari- able ~ gekennzeichnet, die im Fltissigkeits- gebiet (Gebiet des inneren thermodynami- schen Gleichgewichts) eine eindeutige Funk- tion der Temperatur und des Drucks ist. Dieser Ordnungsvariablen ~ ist als konju- gierte Variable die Affinitgt A = -- (SG/5~)T, p zugeordnet.

So kann man das Fliissigkeitsgebiet durch den Index A = 0 (abgekiirzt: A) und das Glasgebiet entlang jeweils eines Weges durch den Index $ = const. (abgektirzt: ~) kenn- zeichnen.

Bei der Herleitung yon Beziehungen, dic den Ehren/estschen Gleichungen ghnlich sind, muB man anstelle des Volumendifferentials d V v dasjenige entlang der Einfrierlinie (d VE) setzen, dVE ist im Fliissigkeitsgebiet nur eine Funktion des Drucks und der Temperatur und ist im Glasgebiet zusgtzlich yon der ein- gefrorenen Ordnung SE abh~ngig, die an der Einfrierlinie als Gleichgewichtswert

~ = ~(TMP))

vorliegt. Man erhglt nun anstelle der Gln. [11] [13] und [15]:

dVE, A(P, T) := dV~,r T, ~ ) , [20]

OV ,~= ,T,A dP + '• r

OV OV

0V " " ~, v~, ]T,P [22]

und es gelten anstelle der Gin. [12], [14] und [16]:

dSE, A(P, T) = dSE,: (e, T, ~E) , [23]

losl I

• dP + -dT p , : T,P

Cp A T

( 0 S ) d ~ , . [25] X dT + ~ ( T,P

G1. [22] ist in Abb. 12 veransehaulieht. Die ausgezogenen Kurven stellen zwei Volumen- Isobaren bei den Drueken P und P + dP dar, wie man sie im Abkiihlversuch erhglt. Die zugeh6rigen Einfriergebiete wurden zu Kniek- punkten bei den jeweiligen Einfriertempera- turen TE und TE + dT~ schematisiert. Beim Druek P friert am Punkt A die inhere Gleieh- gewiehtsordnung $~ ein und bleibt wghrend des weiteren Abktihlens konstant; beim Druek P + dP gilt dies fiir die am Punkt B

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170 Kolloid-Zeitschri/t und Zeitschri[t ]i~r Polymere, Band 216-217

vorliegende Gleiehgewichtsordnung C__..~ + dCE. Die strichpunktierte Verbindung A B ist da- her die Einfrierkurve, l~ngs der sich yon A nach B die innere Ordnung um den Betrag dCE ~ndert. Das totale Differential des Volumens d VE entlang der Einfrierkurve A B setzt sieh auf der Fltissig__keitsseite zusammen aus den Anteilen D B = - uA" d P und D F = o~A �9 d T . Die Volumenkurven im Glas- gebiet geh6ren zu den verschiedenen, jeweils konstanten inneren Ordnungswerten ~g und ~E + d~E. Veto Punkt A aus kann man daher dureh eine DruckerhShung d P nicht zum Punkt C gelangen, da sieh bei einer Kom- pression im Glasgebiet die inhere Ordnung nicht i~ndert. Man gelangt bis zum Punkt C', bei dem die gleiche innere Ordnung wie bei A vorliegt. Aus dem gleichen Grunde zeigen die als Isothermen gemessenenen und in Abb. 6 als Isobaren aufgetragenen Volumenkurven im Einfrier- und Glasbereieh den unregel- mi~Bigen Verlauf. Die Strecke A C setzt sich so aus den Anteilen A C ' = - ~c. d P und "C'C = (~ V/O~)T,p " d$E zusammen.

Dureh den Punkt C' kann man diejenige Volumen-Isobare konstruieren, die zum Druck P + d P und der konstanten inneren Ordnung ~ geh5rt (punktiert). Diese schnei- der die Gleichgewichts-Isobare des Drueks P + d P im Punkt B'. Bei B' liegt nun als Gleichgewichtswert die gleiehe inhere Ord- nung vor wie im Glaszustand bei C', da im Schnit tpunkt B' Druck, Temperatur und Volumen bei beiden Kurven iibereinstimmen.

Die Verbindungslinie A B ' stellt somit eine Linie im Gleiehgewichtsgebiet dar, 1/ings der die innere Ordnung konstant ist und bei der sich also der Druck- und der Temperatur- einfluB zur konstanten Gleiehgewichtsord- hung kompensieren.

Aus den Gln. [22] und [25] erh~lt man anstelle der Ehren /ez t schen Gleichungen [17] und [18] fiir wegabh~ngige, glasig erstarrende Systeme :

OV dC As As

und

[27] T.Aoc Ao, !,'-~-I~,p ~-~1~"

Der , ,Sprungwert" A ~ ist nun definiert als OV

d. i. Differenz zwisehen der t~ompressibili- t//t im Gleiehgewieht und derjenigen bei fest-

gehaltener innerer Ordnung. Entspreehend sind die anderen ,,Sprungwerte" definiert zu

OV

und OS zJcp T [(-~)p, A @S

Man sieht aus den Gln. [26] und [27], dab die Ehren]agtsehen Gleiehungen aueh ftir glasig erstarrende Systeme, die sich mit einem C-Parameter besehreiben lassen, gel- ten, wenn die innere Gleiehgewiehtsordnung entlang der Einfrierlinie konstant ist

Dieses Ergebnis wurde sehon yon S ~ v e r - man gegeben (9) und bedeutet, dab dann die Entropie und das Volumen im Giasgebiet wegunabhg~ngig sein mfissen. In der Abb. 12 mfigte also die Linie A B ' der konstanten inneren Ordnung im Gleiehgewieht zugleieh die Einfrierlinie darstellen. Ffir diese Liniie gilt naeh G1. [26] (bei (dr = 0) und G1. [17]:

(aP) Ao~ [31] C,A = As '

und aus G1. [27] und G1. [18] ergibt sieh:

(~--~-~)~,a = ~A~ACv . [32]

Aus den Gln. [31] und [32] gewinnt man wiederum die zusammengefaBte Ehren/es t - sche Gleichung [19]. Mit Hilfe yon G1. [19] vermag man also nieht zwischen einer ther- modynamisehen Umwandlung zweiter Ord- nung und einem Einfriervorgang mit nur einer freien Variablen der inneren Ordnung zu unterseheiden.

Aus dem totalen Differential des Volumens im Gleiehgewicht

d V A = O~A � 9 - - :ca �9 d P

gewinnt man den ,,thermischen Ausdeh- nungskoeffizienten bei festgehaltener Gleich- gewichtsordnung"

OV OP

bzw. Aa

C%A = ~a -- ~A An ' [33]

der der Steigung der Strecke A B ' in Abb. 12 entspricht und bei einer sp~teren Diskussion benStigt wird.

Zum SehluB dieses Teils mSchten wir noch folgender Deutung entgegentreten: Nimmt

Page 13: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

Breuer und Rehage, Zur Thermodynamik der glazigen Erstarrung 171

man den Fall an, dab in den Gin. [26] und [27] das , ,Partialvolumen" (SV/8r B der inneren Ordnung verschwindet und die ,,Partial- entropie" (~S/~)T, p yon Null verschieden ist, dann kSnnte man aus G1. [26] schlieBen, dab die Ehren/estsehe Gleiehung [17] gilt, und aus G1. [27], dab die zweite G1Giehung [18] nicht erfiillt ist. Dies wiirde bedeuten, dab bGim

V, D P

T / PtdP

~/ ',F / _

'rE'% I ' I

I '

TE +dTE ~" T

Abb. 12. Schematisches Volumen-Temperaturdiagramm im Gebiet der glasigen Erstarrung zur Veranschauli-

chung der Gl. [22]. Zeichenerkl~rung: siehe Text

GleiGhsetzen der reehten Seiten der Gln. [26] und [27] die G1. [19] nicht erfiillt ist. Doch ist dieser Gedankengang nicht schltissig, da man leicht zeigen kann, dab bei verschwin- dendem (~V/5~)T,p die ,,Sprungwerte" z]a und A ~ gleiGh null werden und damit der Steigungswert (dP/dT)i night existiert (siehe die spgteren Gln. [50] und [51]).

4.32. Die gIasige Erstarrung bei Normaldruck und endlicher Abkt~hlgeschwindigkeit

Im Teil 4.2 wurde gezeigt, da6 die Ehren- /estschen Gleichungen [17] und [18] bei Normaldruck und bei den tiblichen Abkiihl- gesehwindigkeiten auf die glasige Erstarrung des ataktischen Polystyrols nicht anwendbar sind. Dies wurde im Teil 4.31 darauf zuriick- gefiihrt, dag sich die innere Gleichgewichts- ordnung des Materials entlang der Einfrier- linie stark gndert, lY[it Hilfe der G1. [33] kann man im Gleichgewichtsgebiet die Volumen- Temperaturkurve bei konstanter innerer Ordnung bestimmen, dig in Abb. 13, beginnend bei TE = 102 ~ und P = 0 gestrichelt ein- gezeichnet ist (Kurve a). Diese weicht stark yon der strichpunktierten Einfrierkurve ab.

DiG versGhiedenen Volumina, die das glasige Polystyrol bei 20 ~ und Normal- druGk nach Abb. 9 in Abhgngigkeit yon der Verdichtungs- oder Einfriertemperatur auf- weist, (Kurve a bzw. c), spiegeln die Unter- schiede der inneren Gleichgewichtsordnung

entlang der Einfrierkurve wider. Ohne die schwer zuggnglichen ,,Sprungwerte" /Icr zJ u und / ICe zu kennen, kann man daher aus dem starken Abfall des Volumens bei 20 ~ und 1 b in Abhgngigkeit yon der Einfriertemperatur (Abb. 9, Kurve c) darauf schliegen, dab die G1eichungen yon Ehren/est [17] und [lg] nicht anwendbar sind.

Die Lage der Einfrierlinie hgngt in gewis- sere Mai3e yon der Abkiihlgeschwindigkeit bzw. der Geschwindigkeit der Druekzu- nahme ab. Die bisherigen Betrachtungen beziehen sich auf eine Druckgnderungs- geschwindigkeit im Einfriergebiet yon 10 b. s-1 (siehe Tell 2). Man kann daher anhand dGr Abb. 12 dartiber diskutierGn, ob die Ab- ktihlgeschwindigkeit, passend zum jeweiligen Druck, so variiert werden kann, daft immer die gleiche innere 0rdnung einfriert und so eine Wegabhgngigkeit des Volumens ver- mieden werden kann. In Abb. 12 sei der Isobaren beim Druck P die Abkiihlgeschwin- digkeit T zugeordnet. Dann mug die Ab- ktihlgeschwindigkeit fiir die Isobare bei P + dP auf den hSheren Wert T + dT ge- bracht werden, damit der Einfriervorgang

V ~ P = 0 cm 3. 9-7 ~ 1 , o 0

0'95-~--C) ~ .s F/d55. fm, P'O \

\ 0,90 GIo5 \ \

cc,4.r176 b) \

o so loo lJo > r t_ z~o Tz T~[p:o; ~

Abb. 13. Schematisches Volumen-Temperaturdiagramm zur Veranschaulichung der glasigen Erstarrung, die unter den in Teil 4.32 bis 4.34 diskutierten Bedingungen

erfolgfG

statt am Punkt B schon am Punkt B' erfolgt, an dem die gleiche innere Gleichgewichts- ordnung wig am Punkt A vorliegt.

Entlang der Linie AB' betrggt dig Tempe- raturgnderung, passend zur Druckgnderung dP,

(aT) . d p = zl~ dT~,n = ~ r -~ -dP (nach G1. [31]).

Entlang der Einfrierkurve AB betrggt die entsprechGnde Temperaturgnderung :

dT dTE=(--fF)EdP.

Page 14: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

172 Kolloid-Zeitschri/t und Zeitschri]t /iir Polymere, Band 216-217

Die Differenz dTr - dTs muB nun dureh die Geschwindigkeitsabh/~ngigkeit der Ein- friertemperatur (~Ts/~(lg T)]p ausgegliehen werden. Hieraus erh~lt man:

(O(lgT) ~ [dT~ 1[ OTE ~-, 0P ]r = [ ' ~ - - [34]

Mit dem yon Goldbach und Rehage (4) ge- messenen Wert ftir die Abh/~ngigkeit der Einfriertemperatur yon der Abkiihlgeschwin- digkeit yon 2,4 grd pro Zehnerpotenz 1/~Bt sieh aus G1. [34] bereehnen, daB, bei P = 0 beginnend, eine Drucksteigerung auf P = 1 kb eine ErhShung der Abkiihlgesehwindigkeit um l0 Zehnerpotenzen erfordert, damit die so gemessene Einfrierkurve gleich einer Linie konstanter innerer Gleichgewichtsordnung ist. Dieser hohe Wert zeigt, dal~ die Abh/~ngig- keit der Einfriertemperatur yon der Abkiihl- geschwindigkeit im Vergleieh zu der hier betrachteten Wegabh/~ngigkeit keine wesent- liche Rolle spielt. Wegen des hohen Wertes ist es nicht sehr sinnvoll, als zus/~tzliche freie Variable zu Temperatur und Druek anstelle der hier benutzten Ordnungsvariablen die Zeit einzufiihren.

4.33. Die glasige Erstarrung im Gebiet hoher Drucke und Temperaturen

Aus dem Abfall der in Abb. 9 gezeigten Volumenkurve a oder c kann man auf/~nde- rungen der inneren Gleiehgewiehtsordnung entlang der Einfrierlinie sehlieBen. Diese Volumenkurven zeigen jedoch zu hSheren Verdichtungstemperaturen hin keine wesent- lichen J~nderungen des Volumens bei 20 ~ und l b mehr an, obwohl die Einfrierlinie im Volumen-Temperaturdiagramm zu hohen Temperaturen hin weiterhin linear f/illt (siehe Abb. 6). Hieraus kann man schliel~en, dab entweder bei noch starker Abh/ingigkeit der inneren Gleiehgewichtsordnung ~A yon Tem- peratur und Druck im Hochdruek-Hoch- temperaturgebiet die Einfrierlinie zunehmend parallel zu einer Linie konstanter innerer Ordnung verl/~uft oder dal~ in diesem Ge- bier die innere Ordnung SA nicht mehr stark yon der Temperatur und dem Druck ab- h/~ngt.

Die erste MSgliehkeit bedeutet , dab die Einfrierlinie zu einer Umwandlungslinie zwei- ter Ordnung wird, wie in 4.31. gezeigt wurde. Anhand der G1. [33] kann man hingegen das grSl3tmSgliche Gef/ille der Volumen-Tempe- raturkurve mit konstanter innerer Gleich- gewichtsordnung im Hochdruckgebiet ab- sch/s und mit dem Gef/s der strich-

punktierten Einfrierkurve in Abb. 6 ver- gleichen. Der Wert fiir ~ 1/~l~t sich absch/it- zen, wenn man ~ gegen P auftr/~gt und zum betrachteten Druek extrapoliert. Die Werte fiir z~ und A ~ kann man den Abb. 2 und 5 entnehmen. Damit erh/~lt man unter der Voraussetzung c~ > 0 den geringsten Wert ftir at, A mit A c~ = ~A Zu

a:,A,min = aA (1-- - ~ ) . [35]

(Der grSl~te Wert ergibt sich bei Aa = 0 zu o~,A,max ~ 0CA .)

Aus dem Minimalwert erh/~lt man die in Abb. 13 gestrichelt gezeichnete Gerade b. Die Einfrierlinie wird im Gebiet hoher Tempe- raturen also nicht zu einer Umwandlungs- linie zweiter Ordnung.

Die zweite MSgliehkeit bedeutet, dab im Hochdruck-Hochtemperaturgebiet bei nur noch geringen Ordnungs/~nderungen der Fliissigkeitszustand dem Glaszustand immer /~hnlicher wird. Diese Erkl/~rung wird dureh die starke Abnahme des ,,Kompressibilit/~ts- sprungs" A uE im Bereich hoher Temperatu- ren best/~tigt (siehe Abb. 5).

4.34. Die glasige Erstarrung bei Normaldruck und unendlich kleiner Abkahlgeschwin- digkelt

Entlang der Einfrierkurve werden zu hohen Temperaturen bin die timderungen der inneren Gleichgewichtsordnung geringer. Dies 1/~$t sich dadurch erkl/~ren, dab im Fltissig- keitsgebiet zu hohen Drucken hin das atak- tische Polystyrol diejenige innere Ordnung annimmt, die der maximalen Packungsdichte des Polymeren bei vorgegebener Taktizit/it entspricht.

Die Einfriertemperatur beim Normaldruck verlagert sich mit abnehmender Abkiihl- geschwindigkeit zu tieferen Temperaturen. Entlang der Isobaren mit P = 0 (siehe Abb. 13) friert unter normaler Abkiihl- geschwindigkeit bei der Einfriertemperatur T~ die inhere Gleichgewichtsordnung ~1 ein. Bei einer geringeren Abktihlgeschwindigkeit erh/~lt man also eine bessere inhere Ordnung im Glaszustand, da die Fltissigkeitskurve erst bei einer tieferen Temperatur verlassen wird.

Entsprechend einer Theorie von Gibbs und Dimarzio (10) erreicht die Einfriertemperatur mit abnehmender Abkiihlgeschwindigkeit einen Grenzwert bei der Temperatur T~, bei der die Fliissigkeitskurve verlassen wird, wenn das ataktische Polymerisat die best- mSgliche innere Ordnung ~ erreicht hat. Dieser Grenzwert der inneren Ordnung ent-

Page 15: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

Breuer und Rehage, Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung 173

spricht der maximalen Packungsdichte bei vorgegebener Taktizit/~t. Er ist im Experi- ment bei normalem Druck nicht erreiehbar. Im Gebiet hoher Temperaturen und Drucke kann sich jedoch die Substanz diesem Ord- nungszustand ~ stark n/~hern. Entsprechend der Abb. 9 vcrursaeht so die Differenz ~1- ~ bei 20 ~ und l b eine Volumen- differenz yon etwa 1,6%. In Abb. 13 sind bei T = 20 ~ die dureh ~1 und ~ gekennzeich- neten Volumenwerte eingetragen. Parallel zur normalen Glaskurve mit der inneren Ordnung $1 ist die Isobare im Glasgebiet durch den Punkt ( ~ , P = 0, T = 20~ gezeichnet, die die extrapolierte Gleich- gewiehtsisobare mit P = 0 bei der Tempera- tur T 2 = 50 ~ schneider.

Der Temperaturwert T 2 = 50~ stellt also den Grenzwert der Einfriertemperatur TE beim Druck P = 0 ffir einen unendlich langsamen Abkfihlvorgang dar, entspreehend der Definition:

T2 --~ lim TE. [36] ~-~0

Bei dieser Temperatur T2 soll naeh Gibbs und Dimarz io die amorphe Substanz in einer Umwandlung zweiter Ordnung vom Flfissig- keits- in den Glaszustand fibergehen. Hier- gegen sprechen die folgenden beiden Tat- sachen :

a) Die Steigung der Volumen-Temperatur- kurve ~ , A mit konstanter innerer Gleich- gewichtsordnung ~oo im Punkt P = 0 und T = T 2 unterseheidet sich nach einfaehcn Absch~tzungen kaum yon dem entsprechen- den berechneten Wert at,, 2 im Punkt P = 0 und T~ = 102 ~ Entlang der Volumen- kurve mit ~ = konst, und A = 0 (Abb. 13, Kurve c) miiBte sich die Umwandlung zweiter Ordnung von T = T2 aus zu hSheren Temperaturen verlagern. Berficksichtigt man zus~tzlich die Lage der Kurve b (die Linie konstanter innerer Gleichgewichtsordnung dureh den Punkt TE (P = 7 kb) = 245 ~ so sieht man, dab die zugehSrige Umwand- lungskurve fiber die strichpunktierte Ein- frierkurve hinaus in das Flfissigkeitsgebiet hineinreichcn wfirde, in dem wir keine Um- wandlung finden.

b) Wie in Teil 4.2 erw~hnt, kSnnen nach Jus t i und v. Laue (7) Umwandlungen gerader Ordnung nur in der Form des ,,Gabeltyps" auftreten, bei denen die Substanz unterhalb der Umwandlungstemperatur in zwei mSg- lichen Phasen auftreten kann, oberhalb je- doch nur in einer (siehe Abb. 10). Wenn der Zustand mit der inneren Ordnung ~oo in einem unendlieh langsamen Abkfihlversuch

erreicht ist, existiert jedoch unterhalb der Temperatur T~ keine Flfissigkeitskurve mehr, hingegen l~6t sich der Glaszustand mit ~ fiber die Temperatur T 2 hinaus fiberhitzen (in Abb. 13 punktiert gezeichnet), da in der Niihe dieses Zustands bei T = T 2 Nach- wirkungserscheinungen eine unendlich gro6e l~elaxationszeit besitzen. Die geforderte Um- wandlung zweiter Ordnung bei der Tempera- tur T~ wfirde so den verkehrten ,,Gabeltyp" aufweisen.

Anhand der Abb. 14 mSchten wir darstel- len, wie man ni~herungsweise den Verlauf dcr Isobaren konstruieren kann, die dem Ge- dankenexperiment der unendlich kleinen

v X cm3.q-1 P=O o,98

t ' 0,92 \

\ \

o,9o l \- \ -50 0 100 T 200 )-#-

Abb. 14. Volumen-Temperaturdiagramm zur Konstruk- tion der Gleichgewichtskurve (ausgezogen), die dem Ge- dankenexperiment des unendlich langsamen Abkiihlens

bei Normaldruck entspricht. Siehe Teil 4.34

Abkfihlgeschwindigkcit beim ])ruck P = 0 entspricht. ])as Volumen-Temperaturdia- gramm zeigt im obcren Tell die ausgezogen gezeichnete Flfissigkeitsisobare mit P = 0, die bei einem normalen Abkfihlversuch in die gestrichelte Glaskurve mit der inneren Ord- nung ~1 fibergeht. Entlang der strichpunk- tierten Einfricrkurve weist die Substanz ver- sehiedene innere Gleichgewichtsordnungen a u f - z. B. im stark markierten Punkt D die Ordnung ~D--, denen nach Abb. 9 versehie- dene Volumina bei 20 ~ und l b ~ 0kb entsprechen; z.B. entsprieht der 0rdnung SD der Punkt B. Vom Punkt B aus kann man die dfinn gestrichelte Glasisobare mit der

(aV) zeichnen, Steigung ~D' p = 0 = -~- ~D' P = o

vom Punkt D aus die Linie konstanter in- nerer Gleichgcwichtsordnung mit der Stei- gung ar = (SV/ST)acz),A (siehe G1. [33]).

Diese beiden Linien sehneiden sich im Punkt C, bei dem die Werte der inneren Ordnung, der Temperatur und des Volumens

Page 16: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

174 Kolloid-Zeltschri/t und Zeitschri/t fiir Polymere, Band 216-217

beider IAnien iibereinstimmen und somit auch die Drucke gleich sein miissen. Die innere Ordnung ~D, die entlang der Linie B C nicht den Gleichgewichtswert darstellt, ist entlang der Linie DC der Gleichgewichtswert. Daher geh6rt der Punkt G zur Gleichgewichts- isobaren m i t P = 0. Unter derVoraussetzung, dab sich der Steigungswert ~r entlang der Einfrierkurve nicht /~ndert, erh/~lt man so aus den verschiedenen Volumenwerten der Kurve c in Abb. 9 und den zugehSrigen Ein- friertemperaturen TE = T v die in Abb. 14 dargestellte ausgezogene Gleichgewichtsiso- bare mit P = 0. I)iese Gleiehgewichtskurve zeigt unterhalb der normalen Einfriertempe- ratur yon 102 ~ einen weiten gekriimmten Verlauf, den man schleeht zu einem Knick- punkt sehematisieren kann. Der Steigungs- wert ar konnte in der vorliegenden Arbeit nach G1. [33] nur beim Druck P = 0 (bei

= ~1) exakt best immt werdenl und deshalb wurde fiir diese Konstrukt ion der Steigungs- wert entlang der Einfrierkurve als konstant angenommen. Wenn er bei steigender Tem- peratur und steigendem I)ruck abnimmt, er- h/fit man einen noch breiteren ~bergangs- bereich ftir die Gleichgewichtskurve. Der Temperaturwert T~ nach G1. [36] bildet so nur einen aus Extrapolationen gewonnenen Parameter, der jedoch selbst keine physika- lisehe Bedeutung hat.

4.4. Das Eigenvolumen nach Hildebrand Das Eigenvolumen einer Fltissigkeit V0

ist nach Hildebrand dasjenige Volumen, bei dem der thermodynamische Innendruek P~ = (~U/~V)T verschwindet (11):

Vo = V(P~ = 0). [37] Die Bedingung fiir das Eigenvolumen

lautet also :

p i : . T ~ - - - - - p = o

bZW. P ~ (OP) m ~ ~ v" [3s]

In einem Zustandspunkt mit Pl = 0 hat die Isoehore mit V = const, naeh G1. [38] im Druck-Temperaturdiagramm die Stei- gung der Geraden durch den Achsenursprung. Wenn entlang dieser l~ullpunktsgeraden der Innendruck tiberall gleieh null ist, fiihrt die Bedingung P~ = 0 bei allen Temperaturen zum gleichen Volumenwert V o. l~ur dann stellt das Eigenvolumen einen sinnvollen Parameter zur Beschreibung des Fliissig- keitsbereichs dar. Die Differentialgleichung dieser Isochoren [38] zeigt, dab das Eigen-

volumen gleieh dem theoretischen Volumen- wert der Fltissigkeit bei T = 0 und P = 0 ist.

Abb. 15 zeigt den thermodynamischen Innendruck des fliissigen Polystyrols in Ab- h/~ngigkeit vom Volumen in der Form yon Isothermen und Isobaren. Diese Abbildung zeigten wir schon in einer friiheren Arbeit, in der verschiedene Methoden zur Bestim- mung des Eigenvolumens miteinander ver- glichen wurden (12). Die Einfrierkurve ist striehpunktiert eingezeichnet. Sie fiihrt vom Punkt A (T = 102~ P = 0) aus zum Schnittpunkt mit der Abszisse B, bei dem

P kb

T

0,80

A . 102 ~ .~0 7 ~

~127oC

I1 \+ / - - / �9 '.+1 / , , / +

G#a5 - 7 / ~ x FCdss. \ll<o

,;C\..~ kb

/+/" //+.1 > v

B/~Tkb cmS'g-1 0,85 0,90 o,95 1,oo 1,o5

Abb. 15. Thermodynamischer Innendruck Pi = (aU)/ (aV)T yon ataktischem Polystyrol im Fliissigkeitsgebiet in Abh/~ngigkeit vom spezitlschen Volumen in Form yon Isothermen und Isobaren. Die strichpunktierte Kurve

AB ist die Einfrierkurve [aus (12)]

die Fliissigkeits-Isotherme mit T = 245 ~ beim Druck P = 7 kb das Eigenvolumen V 0 = 0,852 cm 8. g-X aufweist.

Bei Temperaturen yon wesentlieh mehr als 245 ~ haben wir keine Messungen durch- geftihrt, da wir eine thermisehe Zersetzung des ataktisehen Polystyrols befiirchteten. So kann man aus Abb. 15 nieht entnehmen, ob man bei Temperaturen, die sich stark yore Wert T = 245 ~ unterscheiden, den gleichen Weft ftir das Eigenvolumen finder. Man kann lediglich feststellen, dab sich alle Isothermen, die bei geringeren Temperaturen als 245 ~ vorliegen, tiber den jeweiligen Ein- frierpunkt hinaus zwanglos zum Punkt B extrapolieren lassen (fiir die Isotherme mit T = 155 ~ gestrichelt gezeichnet).

Page 17: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

Brewer und Rehage, Zur Thermodynamlk der glasigen Erstarrunff 175

Entlang der Einfrierkurve wird das Volu- men bei der Temperatur T = 245 ~ gleieh dem Eigenvolumen. Wie man der Abb. 9 entnehmen kann, /indert sich das bei 20 ~ und 1 b gemessene Volumen in Abh/ingigkeit yon der Einfriertemperatur bei einem Wert yon 245 ~ fast nicht mehr. Dies ist ein weiterer Hinweis daffir, dab sich entlang der Einfrierkurve zu hohen Temperaturen hin die innere Gleiehgewiehtsordnung des atak- tischen Polystyrols der maximalen Packungs- diehte stark n/~hert.

Die Isoehore mit dem Eigenvolumen V 0 = V.4(P~,a = 0) im Flfissigkeitsgebiet geht durch das Einfriergebiet in das Glasgebiet hinein in die Isochore mit dem gleichen Eigenvolumen V o = Vr (P~,~ = 0) fiber, wenn der thermodynamische Innendruek keinen ,,Sprung" A P , = P , , A - P,,r aufweist. Die Bedingung hierffir lautet mit

Pi=T~-----p:

:g.t Igr

Mit den Sprungwerten Aa = aa - ar und A ~ = na - nr erh/ilt man hieraus die beiden Gleiehungen:

a A = a r ~ A or

gA ~r A s

bzw. bei V = V o OP OP ( '~-)a. * G1. [31]).

[39]

Man findet also im Flfissigkeits- mad Glas- gebiet das gleiehe Eigenvolumen Vo, wenn im Flfissigkeitsgebiet die Isochore mit V 0 gleichzeitig eine IAnie konstanter innerer Gleiehgewiehtsordnung darstellt. Dies konn- ten w~r anhand unserer Megdaten nicht prfifen, da wir keine isobaren Abkfihlver- suehe unter erh6hten Drucken durehffihrten und so den , ,Sprungwert" Aa im Hochdruek- gebiet nieht kennen. G1. [39] kSnnte man am einfachsten durch Messungen yon Iso- ehoren prfifen.

4.5. Die glasige Erstarrung mi t mehr als einer /reien OrdnungsvariabIen

4.51. Die Ungleichung yon Meixner und yon Davies und Jones

Die bisherigen Diskussionen und Ab- leitungen wurden unter der Annahme durch- geffihrt, dab man nur eine freie Ordnungs- variable ~ zus/itzlich zu den Variablen Temperatur und Druck einffihren muB, um das thermodynamische Verhalten einer glasig

erstarrenden Substanz beschreiben zu kSn- nen. Nun soll im folgenden untersucht wer- den, ob diese Annahme berechtigt ist bzw. welche Ji_nderungen in dem bisher benutzten l%rmalismus auftreten, wenn mehrere un- abh/ingige Ordnungsvariablen berficksichtigt werden mfissen.

Anstelle der Gln. [20] und [23] gelten bei n unabh/ingigen Ordnungsvariablen $~ die Be- ziehungen : dVE, A(T, P) = dYE, ~ (T; P; $~,1; ~ , e ; . . . ; ~E,n) [40] dS~,A(T, P) = dSE,~ (T; P; ~E,1; ~E,2; �9 �9 .; ~E,n). [41]

Aus den Gln. [40] und [41] erh/~lt man:

-~- E = [42] As As k-O(( / T. p " k -~- l E i = l

und

[43]

Bei nur einer unabh~ngigen Ordnungs- variablen existieren im Flfissigkeitsgebiet Linien, entlang denen die innere Gleich- gewiehtsordnung konstant ist (siehe Teil 4.31).

Bei mehr als einer Ordnungsvariablen lauten die totalen Differentiale dieser Vari- ablen im Flfissigkeitsgebiet :

l O~i ~ dT ~ 05i d~i,A= (-~-]P,A "F (--~-]T. AdP (i= I,2 . . . . . n). [44]

Wenn 1/~ngs eines Temperatur- und Druck- weges im Gleichgewichtsgebiet alle Ord- nungs/inderungen d~,A simultan verschwin- den sollen, mug ffir jedes i die Beziehung gelten:

~,-a-T-]p,A" I OP ]T,A

const. (T, P) (i = 1, 2 . . . . . n). [45]

Die DifferentiMquotienten (~$i/~T)p,A und ( ~ / ~ P ) T , A mfissen also derart miteinander verknfipft sein, dag die Ordnungs/inderungen lgngs eines Temperaturweges d T und 1/ings eines Druekweges d P untereinander im gleiehen Verh/~ltnis stehen. Da dies im all- gemeinen nicht der Fall ist, gibt es bei mehreren unabh/~ngigen Ordnungsvariablen keine Linie konstanter innerer Gleieh- gewichtsordnung. Die zusammengefaBte Ehren]estsehe Gleiehung [19] kann also hier nur unter den Nebenbedingungen der GI. [45] gelten, da zur Herleitung der G1. [19] die Existenz der GrSge (~P/~T)r vorausgesetzt wurde.

Meixner (13) und wenig sp/iter Davies und Jones (14) zeigten, dab G1. [19] bei mehr als

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176 Is und Zeitschri/t /fir Polymere, Band 216-217

einer unabhgngigen Ordnungsvariablen lau- tet :

Aop" A ~ T " (Ao~) ~ >~ 1, [46]

wobei das Gleichheitszeichen bei nur einer Ordnungsvariablen gilt. Zur Diskussion der G1. [46] sei ihre Herleitung kurz skizziert.

Aus dem totalen Differential des Volumens und der Entropie

bzw.

ov av

OV OV

und [ OA~ ] [55] d4 = - ~ a~/9, ~"

Da der Koeffizient d, in G1. [55] aus Stabilitgtsgrfinden immer pos i t iv is t , kann man die Koeffizienten b~, c~ und d~ weiter zusammenfassen in :

bl B~ - [56]

und

as as

aS + x-, [ aS \ d

erhglt man die Differenzen

-

und as [

as as [ ac~

(i = l , 2 . . . . . n ) .

Mit den Definitionen der , ,Sprungwerte" Ao~, A ~ und Acp (siehe die Gln. [28], [29] und [30]) und den Umrechnungen

(ar ] = [ OA~ ] [ OA~ ] -~ -aT lv , a -- ITT-- lv , ~" i - ~ - ( l v , z ' [47]

(OC~ . [ a A i ] [aA~] -~ , TP-]~, .1 = - ~-aY-/~, r ~-~-! ~, P [48]

= a v as

[49]

ergeben sich die , ,Sprungwerte"

A ~ = Z bi. c~. d u ~ , [50]

A ~ = ~ . c / " - �9 d4 - x [51]

und Acp = T Z b ~ " d u ~ �9 [52]

Hierin bedeuten :

bi = ~--~--]p, ~ , [53]

av [541

C i = ci [57]

Man erhglt die ,,Sprungwerte" nun in der Form:

A c~ = Z B I . C i , [58]

A~ = ~ v d (~> o) [59]

Aov = T . ~ B ~ (1> 0). [60l

Wie bei den Gin. [59] und [60] angegeben, sind die ,,Sprungwerte" der Kompressibilitgt und der spezifischen Wgrme bei Einfrier- vorg/~ngen immer positiv. Aus den Gin. [58] [59] und [60] erhglt man die Beziehung [46] in der Form:

- - i> 1 [ 6 1 ] T (As)' (Y.B~ �9 C~) ~ [Cauchy-Schwarzsehe Ungleichung (15)].

Wenn nur eine unabhgngige 0rdnungs- variable vorliegt, ergibt G1. [61] wieder die zusammengefagte Ehrenlestsehe Gleiehung [19]. Bei mehr als einer Ordnungsvariablen gilt das Ungleiehheitszeichen, auger bei einer wiehtigen Ausnahme: Wenn zwisehen den n Koeffizienten B~ und den n Koeffizienten C, noch (n - 1) unabhgngige Beziehungen be- stehen in der Form:

Bi - ~ - = const. (T, P) (i = 1, 2 . . . . . n), [62] u~

so gilt in der Cauchy-Schwarzschen Unglei- chung das Gleiehheitszeichen (Lagrangesche Identi tgt (15)).

Die Gln. [62] sind fiber die Umrechnungen [47-49] und die Abkiirzungen [53-57] mit den Gin. [45] identisch. Mehrere unabhgngige Ordnungsvariable kSnnen sich also in Zu- standsmessungen wie nur eine unabhgngige Variable guBern, wenn die n-dimensionalen Vektoren der Koeffizienten C~ und B~ parallel sind: (C0[ [ (B~). Die Verhgltnisse d~/d~k (i 4= k) der Ordnungsgnderungen un- tereinander sind dann bei Temperatur- und Druckvariation gleich, d. h. die n-dimensio- nalen Vektoren der Ordnungsgnderungen

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Breuer und Rehage, Zur Thermodynamik der glasigen Er~tarrung 177

(d~t)gT u n d (d~)ge, die zu den Temperatur- und Druek/~nderungen dT und dP gehSren, sind ebenfalls parallel:

(d~i)a P ]] (d~i)d T . [63]

Wie sehon bei der G1. [19] in Teil 4.2 ge- zeigt wurde, gilt in der Beziehung [61] fiir ataktisches Polystyrol am Einfrierpunkt (T~ = 102 ~ P = 0) innerhalb der MeB- genauigkeit das Gleichheitszeichen. Die Feh- ler, die mSglicherweise bei der experimentel- len Priifung der Beziehung [61] auftreten kSnnen, wurden sehon an anderer Stelle aus- fiihrlieh erl/iutert (16). Man kann also an- hand der bisherigen Beziehungen nieht dariiber entscheiden, ob die glasige Erstar- rung des Polystyrols immer mit nur einer Ordnungsvariablen besehrieben werden kann, oder ob hierzu mehrere benStigt werden. Diese Frage mSchten wir im folgenden be- handeln, indem wir die Theorie und Mel~- ergebnisse linearer ~qaehwirkungserseheinun- gen mit in die Diskussion einbeziehen.

4.52. Die Theorie linearer Nachwirlcungs- erscheinungen

Die Grundlagen und die allgemeingiiltigen Beziehungen der linearen Naehwirkungs- erseheinungen wurden yon Meixner (17) mit Hilfe der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse entwickelt. Rehage und Goldbach haben die isotherm-isobaren Naehwirkungs- erseheinungen untersueht, die am atakti- schen Polystyrol naeh sprunghaften Tempe- ratur- oder Druck/inderungen im Gebiet der glasigen Erstarrung beobachtet werden (4). Kriterien fiir das lineare kinetisehe Verhal- ten und die Temperatur- bzw. Druck- bereiche, in denen man lineare Naehwirkun- gen findet, werden yon den Autoren eben- falls angegeben. So kSnnen wir uns bier darauf besehr/inken, eine mehr anschauliche qualitative }Ierleitung der benStigten ]3e- ziehungen zu geben.

Wir gehen aus vom Zustand des inneren thermodynamisehen Gleichgewichts am Zu- standspunkt ( T , P ) und betrachten die lineare, isotherm-isobare Volumennachwir- kung, die nach sprunghaften ~nderungen A T und A P zum neuen Zustand des inneren Gleichgewiehts am Zustandspunkt (T + AT, P + AP) hinfiihrt (,,Temperatur- und Druck- sprungmethode"). Die Differenzen der inne- ren Gleiehgewichtsordnungen betragen bei linearem Verhalten

Ar . + ("~']T,A[Or "AP

( i = 1,2 . . . . . n).

Die Volumendifferenz zwischen den beiden Gleichgewichtszusts ist

OV 0V .AP AVA = (~T-)p.~" AT + (-~-fi-)~,.~

-{- ~ ( ~ ) T , P X A$i, A (AT, AP).

Die gesamte Volumendifferenz A VA ls sich in zwei Teile aufspalten. Der erste Teil A V: enths die J~nderungen ~c" A T und - ~ . AP, die bei Konstanz der inneren

Ordnung zum Zeitpunkt t = 0 der Druck- und TemperaturEnderung momentan er- folgen. Der zweite Teil A V (A$A) wird durch die Ordnungsi/nderungen A~I,A hervorgeru- fen und bildet den zeitabh~ngigen Anteil. Dieser betr~gt mit G1. [63]

Zlav [0:, A V(A ~a) = AT. \--~,]f, P" ~,-O-T-/P. a

P t-FPIf, A"

Der zeitabh/~ngige Volumenanteil 1/il3t sieh mit den Umreehnungen [47-49] und den Abktirzungen [53-57] ausdrtieken als

A V (AtA) = AT~Bi" Ci,-- AP .~Ci 2 .

Jeder der unabh/ingigen Ordnungsvariab- len ~ ist bei linearem kinetisehen Verhalten und konstanten Werten ftir Temperatur und Druek eine eigene Retardationszeit ~T,P = ~tT, e(T, P), kurz Ti genannt, zugeordnet. Jeder einzelne Volumenanteil A V~(A~) nimmt also in Abh/~ngigkeit yon der Zeit exponentiell ab :

A Vi(t) ~ A VI(A~i,A) exp (-- t/Ti).

Als normierte Nachwirkungsfunktion be- zeiehnet man den Quotienten A V(t)/AVo, wobei A V 0 die Anfangsabweiehung des Vo- lumens zum Zeitpunkt t = 0 yon seinem Endwert be i t = c~ darstellt. Die normierte Funktion der Volumennaehwirkung lautet daher bei der ,,Temperatursprungmethode"

AV(t) '~ _t~'r~.

und bei der ,,Drueksprungmethode"

AV(t) ~ _t~'C.~-~ ~r~.~. --~V~o l,~e-~/_, ~ , ./_v, exp (-tp:~).

Das Spektrum s einer Naehwirkungs- funktion ist die Abh/~ngigkeit des Faktors vor der Exponentialfunktion yon der Re- tardationszeit ~. So erhiilt man die Spek- tren sv, a~ und sv, ae der Volumennaehwir- kung bei der ,,Temperatur"- und der ,,Druek-

12

Page 20: Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung

178 Kolloid.Zeita&ri/t und Zeitschrilt fiir Po~ymere, Band 216-217

sprungmethode" :

By, ~(~) = ( ~ Bi . Od- l B~ �9 e~ r651 bzw.

SV, zip (vi) = (~.C,i')-" . C d . [66]

Entspreehend ergeben sieh die Spektren sz, ~ und ss. ~ der Entropienachwirkung zu:

8S, ,jp (vi) = eV, ~T (~i) = ( ~ B i " Ci ) -SBi �9 Ci [67]

8~, ~ (~) = ( ~ B ~ , ) - x B ~ , . [ 6 s ]

Die Beziehungen [65-68] kann man ge- meinsam mit der Ungleiehung [61] disku- tieren. Hierbei sieht man folgende Zusam- menh/mge:

Bei nur einer unabh/ingigen 0rdnungs- variablen gilt in der Beziehung [61] das Gleichheitszeichen, und die Spektren in den Gin. [65-68] ergeben eine einzige gleiche Exponentialfunktion for alle Nachwirkungs- funktionen.

Bei mehr als einer unabh/~ngigen Ord- nungsvariablen unterscheiden sich im all- gemeinen die Spektren untereinander; die Nachwirkungsfunktionen sind nicht gleich und setzen sich additiv aus mehreren Expo- nentialfunktionen zusammen. In der Be- ziehung [61] gilt in diesem Fall das Ungleich- heitszeichen.

Gilt in der Beziehung [61] das Gleiehheits- zeichen, obwohl mehr als eine unabh/~ngige Ordnungsvariable vorliegt, so bestehen zwi- schen den Koeffizienten B~ und C~ Beziehun- gen in der Art der Gin. [62]. Aus den Gin. [65-68] und den Gin. [62] ergibt sich, dab dann die Spektren untereinander gleieh sein mfissen.

In Abb. 16 sind die normierten linearen Vo- lumennachwirkungsfunktionen dargestellt, die R e h a g e und G o l d b a c h am ataktischen Polystyrol bei zwei versehiedenen Retarda- t ionstemperaturen T r naeh der ,,Tempera- tursprungmethode" (ausgezogene Kurven) und der , ,Drucksprungmethode" (gestrichelte Kurven) gemessen haben (4).

Tr/~gt man den Quotienten A V ( t ) / A V o loga- rithmisch fiber der linearen Zeitaehse auf, so fmdet man, dab die Naehwirkungsfunktio- hen keine Geraden sind. Sie sind also aus mehreren Exponentialfunktionen zusammen- gesetzt. Daraus folgt, dab die glasige Er- starrung des ataktisehen Polystyrols all- gemein mit mehr als einer unabh/~ngigen Ordnungsvariablen beschrieben werden mul l

In der Beziehung [61] gilt naeh unseren Messungen am Einfrierpunkt (TE = 102 ~ bei P = 0) das Gleichheitszeichen. Bei der Retardat ionstemperatur T r = 92,77 ~ zei-

gen die normierten Naehwirkungsfunktionen hingegen nach der , ,Drucksprungmethode" und der , ,Temperatursprungmethode" einen stark untersehiedlichen Verlauf. Ein Ver- gleieh der Kurven bei T r - - 9 2 , 7 7 ~ mit denen bei Tr = 95,46 ~ zeigt jedoch, dag die Untersehiede zwischen den beiden nor- mierten Nachwirkungsfunktionen mit stei- gender Retardationstemperatur geringer wer- den, und bei der Einfriertemperatur TE = 102 ~ voraussichtlieh verschwinden.

0 t . ~ ~ -1 0 1 2 f 3

- - lq rain z~ V(f )

0,5 ~ . . . .

-1 o 1 2 t J �9 l g m i n

Abb. 16. Normierte Naehwirkungsfunktionen A V (t)/A V0 der ]inearen, isobar-isothermen Vo]umenretardatien beim atakCischen Po]ystyrol bei ]ogarithmischer ZeR- achse. Ausgezogen: Messungen nach der ,,Drucksprung- methode", gestrichelt: Messungen nach der ,,Tempe-

ratursprungmethode" [aus (4)]

Die glasige Erstarrung des ataktischen Polystyrols muB also allgemein mit mehr als einer unabh/ingigen Ordnungsvariablen be- schrieben werden. Entlang der Einfrierkurve kann man jedoeh bei Zustandsmessungen mit nur einer unabh/ingigen Ordnungsvariablen rechnen, da hier die Spektren der linearen Nachwirkungserscheinungen einander so /ihnlich werden, dab zwisehen den Koeffi- zienten B~ und C~ die ( n - 1) unabh/ingigen Gin. [62] bestehen.

Dem Kultusministerium des Landes Nordrhein- Wesffalen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Buchner-ForschungsstifCung der Dechema m6chten wir fiir die grol3ziigige Bereitstellung yon Sach- und Personalmitteln herzlich danken.

Zusammen]assunq

In einer nou entwickelten Hochdruckapparatur wur- den das spezifische Volumen und die spezitlsche Kom- pressibilit~.t des ataktischen Polystyrols im Temperatur- bereich yon 100-250 ~ und bei Drucken bis zu 12 kb gemessen. Eine einfache, empirische Gleichung vermag das Volumen in Abhrmgigkeit yon I)ruck und Tempera- fur im Fliissigkeitsbereich zu beschreiben.

Ausgehend yon diesen Messungen wurde die Frage behandelt, inwieweit die glasige Erstarrung mit dem Formalismus der thermoydnamischen Umwandlungen beschrieben werden kann.

Es zeigte sich, dab die Beziehungen fiir eine Um- wandiung zweiter Ordnung, die Ehren/estschen Glei-

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Breuer and Rehage, Zur Thermodynamik der glasigen Erstarrung 179

chungen, nicht anwendbar sind, weil die thermodynami- sehen Eigenschaften im Glasznstand auller yon Tempe- ratur und Druck yon der inneren Ordnung abhangen, die im Gebiet der glasigen Erstarrung eingefroren wurde. Der Glasznstand stellt eine Phase mit mehr ais zwei Freiheitsgraden dar, das Volumen im Glasgebiet ist weg- abhi~ngig.

Die Wegabhi~ngigkeit des Volumens wurde gemessen und konnte dureh innere Ordnungsvariable beschrieben werden. Es wurde gezeigt, dall die glasige Erstarrung weder im Grenzfall sehr holler Temperaturen und Drueke, noch bei unendlich langsamer Abkiihlgeschwin- digkeit bei Normaldruck zu einer Umwandlung zweiter Ordnung wird. Der Flfissigkeitszustand wird dem Glas- zustand mit steigender Temperatur und steigendem Druck ~hnlieher. Hierauf weist auch das Ergebnis der Eigenvolumenbestimmung nach Hildebrand (11)hin.

Es wurde an Beispielen gezeigt, dall man aus Messungen der Znstandsgr6flen allein keine Aus- sagen dariiber gewinnen kann, ob die glasige Erstarrung mit nur einer unabh~ngigen Ordnungsvariablen be- schrieben werden kann oder ob mehrere Ordnungs- variablen benStig~ werden. Zur n~heren Prfifung wurden die yon Goldbach und Rehage (4) gemessenen linearen Volumennachwirkungserscheinungen beim ataktisehen Polystyrol unter diesen Aspekten betrachtet. Vergleicht man eine yon Meixner (13) und yon Davies und Jones (14) angegebene Beziehung mit den Gleichungen fiir die lineare Volumennachwirkung, so finder man mit Hilfe der Meflergebuisse, dall das glasige Erstarren beim ataktisehen Polystyrol allgemein mit mehreren un- abhimgigen inneren Ordnungsvariablen beschrieben werden mull. Es li~llt sich jedoch zeigen, dall bei der Einfriertemperatur eine einzige unabhangige Ordnungs- variable zur Beschreibung des thermodynamischen Ver- haltens genfigt.

Summary

In a new developed high pressure apparatus the specific volume and the specific compressibility of atactie polystyrene were determined in a temperature range from 100 to 250 ~ and at pressures up to 12 kb. The dependence of volume on pressure and temperature in the liquid phase was deerihed by a simple empirical equation.

Basing on these measurement~ the problem was discussed whether the glass transition could be treated by the formalism of thermodynamic transitions. I t was pointed out that the equations valid for a second order transition - the equations of Ehren/est - are not available to the glass transition because the thermo- dynamic properties in the glassy state not only depend on temperature and pressure but also on the con- figuration frozen in the glass transition region. The glassy state represents a phase with more than two degrees of freedom, the volume in the glassy region varies with the path of experimental proceeding. This dependence of the path was determined and could be described with configurational parameters. I t was shown that the glass transition does not turn to a second order transition either in the limiting case of very high temperatures and pressures or in the case of infinitly slow cooling rate at normal pressure. With rising temperature however the liquid state and the glassy state grow similar. This is also indicated by the

results of determining the "Eigenvolumen" after Hildebrand (11).

I t was revealed by some examples that it is im- possible to deeide only by measuring the variables of state whether the glass transition can be described with only one configurational parameter or several.

To get more detailed results the measurements of linear volume retardation obtained by Goldbach and JRehage (4) were treated under these aspects.

Comparing an equation given by Meixner (13) and Davies and Jones (14) with the equations valid for the linear retardation of volume it was found by means of our measurements that the glassy state of atactic poly- styrene generally must he described with several independent configurational parameters. However, one can show that only one independent configurational parameter is sufficient to describe the thermodynamic behaviour at the glass temperature.

Literatur

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(1966). 17) Meixner, J., Kolloid-Z. 134, 3 (1953).

Anschriften der Verfasser : Prof. Dr. G. Rehage, Physlkalisch-Chemisches Institut der Technischen Hochschule Clausthal, 3392 Clausthal-Zellerfeld, Adolf.R6mer-Str. 2A und Dr. R. Breuer, Institut ftir Physi- kalische Chemic dcr Teehnischen I-Iochschule Aachen, 51

Aachen, Klosterbongard 12

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