17
asubhasamjnä und pratipaksabhävana: Zur Tradition einer 'Vergegenwärtigung des Widerwärtigen' in der Soteriologie des Nyäya Walter Slaje, Graz In der Literatur des Buddhismus läßt sich die Entwicklung ei¬ nes Typus der Meditation verfolgen, dessen unterschiedliche Aus¬ prägungen unter dem gemeinsamen Begriff 'asubhabhävanä' (Vergegenwärtigung des Widerwärtigen) zusammengefaßt zu wer¬ den pflegen. Es handelt sich dabei meist darum, einen (mit dem Betrachter gleichgeschlechtigen') Leichnam in den verschiedenen Stadien seines Zerfalls zu betrachten, die damit verbundenen Vor¬ stellungen auf den (eigenen oder einen fremden) lebendigen Kör¬ per zu übertragen^ um so seine Widerwärdgkeit und Vergänglich¬ keit zu begreifen und das Verlangen nach fleischlicher Lust - u. a. da es die Versenkung stört - an seinem Entstehen zu behindern^. Verwandte Betrachtungen über die 'Unreinheit des Leibes', und zwar im besonderen über die des weiblichen Körpers, haben auch ihren Platz in der brahmanischen Literatur gefunden, wo sie be¬ sonders häufig in der epigrammatischen Spruchdichtung und in der Zenturienpoesie anzutreffen sind. Hier aber tragen sie nicht den Charakter einer methodisch entwickelten, zweckgerichteten Versenkung, sondern vielmehr den geistreicher Poesie, die den lyrischen Schilderungen weiblicher Reize auch gegenläufige Aspekte dichterisch ebenbürtig gegenüberstellt. In den Texten der brahmanischen Philosophie ist die systema¬ tisch betriebene Erzeugung eines Ekels vor dem (weiblichen) Kör- ' Vgl. VM 6.14 (p.l 46). ^ Vgl. VM 6.88 (p. 159): yath 'eva hi matasariram, evamßvamänakam pi asubham eva. ' Zur asubhabhävanä im Buddhismus vgl. Lamotte 1970: 1311-1328; EB 270- 282; VM 6.1-94 (pp. 145-161); Sänddeva, Bodhicaryävatära 8.40-85 [Steinkell¬ ner 1981: 96-101], etc.

Zur Tradition einer Vergegenwärtigung des Widerwärtigen

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Walter Slaje

Citation preview

  • asubhasamjn und pratipaksabhvana:

    Zur Tradition einer 'Vergegenwrtigung des

    Widerwrtigen' in der Soteriologie des Nyya

    Walter Slaje, Graz

    In der Literatur des Buddhismus lt sich die Entwicklung ei

    nes Typus der Meditation verfolgen, dessen unterschiedliche Aus

    prgungen unter dem gemeinsamen Begriff 'asubhabhvan'

    (Vergegenwrtigung des Widerwrtigen) zusammengefat zu wer

    den pflegen. Es handelt sich dabei meist darum, einen (mit dem

    Betrachter gleichgeschlechtigen') Leichnam in den verschiedenen

    Stadien seines Zerfalls zu betrachten, die damit verbundenen Vor

    stellungen auf den (eigenen oder einen fremden) lebendigen Kr

    per zu bertragen^ um so seine Widerwrdgkeit und Vergnglich

    keit zu begreifen und das Verlangen nach fleischlicher Lust - u. a.

    da es die Versenkung strt - an seinem Entstehen zu behindern^.

    Verwandte Betrachtungen ber die 'Unreinheit des Leibes', und

    zwar im besonderen ber die des weiblichen Krpers, haben auch

    ihren Platz in der brahmanischen Literatur gefunden, wo sie be

    sonders hufig in der epigrammatischen Spruchdichtung und in

    der Zenturienpoesie anzutreffen sind. Hier aber tragen sie nicht

    den Charakter einer methodisch entwickelten, zweckgerichteten

    Versenkung, sondern vielmehr den geistreicher Poesie, die den

    lyrischen Schilderungen weiblicher Reize auch gegenlufige

    Aspekte dichterisch ebenbrtig gegenberstellt.

    In den Texten der brahmanischen Philosophie ist die systema

    tisch betriebene Erzeugung eines Ekels vor dem (weiblichen) Kr-

    ' Vgl. VM 6.14 (p.l 46).^ Vgl. VM 6.88 (p. 159): yath 'eva hi matasariram, evamvamnakam pi asubham

    eva.

    ' Zur asubhabhvan im Buddhismus vgl. Lamotte 1970: 1311-1328; EB 270-

    282; VM 6.1-94 (pp. 145-161); Snddeva, Bodhicaryvatra 8.40-85 [Steinkellner 1981: 96-101], etc.

  • 110 Walter Slaje

    per demgegenber nicht eben hufig anzutreffen''. Das Nyyas

    tra kennt eine solche Vergegenwrtigung noch nicht. Sie wird je

    doch seit Paksilasvmin' von den spteren Autoren des alten

    Nyya, wie gezeigt werden soll, ebenfalls gelehrt.

    Die Funktion, die der Ekelerzeugung dort zugewiesen wird, ist

    - wie bereits aufgrund jener Nyyastren (1.1.2; 4.2.1-3) ersicht

    lich, die zum Anla fr ihre Darstellung genommen werden -

    stets einem erlsungsrelevanten Kontext verbunden. Es handelt

    sich im Grunde darum, gewisse, aus vergangenen Existenzen

    ererbte 'Grundfehler' {dosa, klesa) zu bekmpfen, die gem

    NS 1.1.2 Bestandteil der fr den Daseinswandel und seine Been

    digung mageblichen Ursachenkette sind. NS 4.1.2-3 fhrt

    '(leidenschaftliche) Zuneigung/Begierde' {rga), '(leidenschafdi-

    che) Abneigung/Ha' {dvesa) und 'Wahn' {moha) als 'Grundfeh

    ler' {dosa) arC.

    Paksilasvmin (5^ Jh.)

    Durch Deutung des Wortes '(irriger) Ichbezug' {ahankra) in

    NS 4.2.1 als einen der drei 'Grundfehler' {dosa), nmlich mo

    ha^, wird eine Beziehung zu den Grundfehlern in der Ursachen

    kette von NS 1.1.2 hergestellt":

    * Vgl. aber Sprockhoff 1976: 90; 141'; 161. Vgl. ferner YS 2.5 nebst YBhund Vcaspatis T7k; Yogavsistha [YV 1.18 (kyajugupsa) sowie 1.21 (stnju-

    gups)].' Untersucht von Oberhammer 1984: 36ff

    ' NS 1.1.2: duhkhajanmapravrttidosamithyjfinnm uttarottarpye tadan-

    antarbhvd apavargah (Wenn das jeweils Folgende von Leid, Geburt, Betti

    gung, Grundfehlern und inadquatem Erkennen wegfllt, [erfolgt die] Erlsungdadurch, [da] das ihnen [je] unmittelbar Vorangehende fehlt".) Vgl. zu diesemStra auch Slaje 1986: 163 f; FN 7.

    ' Zu moha als einem von drei dosas vgl. auch NS 4.1.6; 8. Fr eine damit

    vergleichbare Aufzhlung von dosas in der buddhistischen Literatur ist auf EB 274zu verweisen.

    ' NBh 1036,2-5: mithyjnnam vai khalu moho, na tattvajnnasynutpat-

    limtram. lac ca mithyjnnam yatra visaye pravartamnarn samsrabijam bhavati,

    sa Visayas tattvato jneya i. kirn punas tan mithyjnnam ? antmany tmagrahah.aham asmiti moho 'hahkra iti, antmnarn khalv aham asmili pasyato drstir aha

    nkra iti. (Wahn ist bekanntlich doch inadquates Erkennen; nicht blo das

    Nichtentstehen eines Erkennens davon, wie geartet/was [die Objekte] tatschlich

    sind! Und auf welches Objekt gerichtet dieses inadquate Erkennen zum Samen

    des Daseinswandels wird, dieses Objekt [wre] in adquater Weise zu erkennen.Was wiederum ist dieses inadquate Erkennen? An dem, [was] man nicht selbst

  • Zur Tradition einer 'Vergegenwrtigung des Widerwrtigen' 111

    Aufgrund solchen Erkennens [davon], wie geartet/was'" [das

    die Ursache der Grundfehler bildende 'Objekt des Erkennens'

    (prameyaY'] tatschlich ist,

    fllt das jeweils Folgende von Leid, Geburt, Bettigung,

    Grundfehlern und inadquatem Erkennen weg. Unter dieser

    Voraussetzung (loc.) [erfolgt die] Erlsung dadurch, [da]

    das ihnen unmittelbar Vorangehende fehlt" [NS LL2].

    Paksilasvmin verleiht NS 4.2.2 nun einen neuen Kontext,'^

    indem er das dosanimitta aus 4.2.1, welches er als '(irrigen) Ich

    bezug auf die Gruppe der (fnO Gegenstnde' {arthajtay^ be

    stimmt hatte''', unter dem Aspekt ihrer Betrachtung in der Ver

    senkung {prasahkhyna) darstellt. Denn die Erkenntnis der die

    Grundfehler bewirkenden Ursachen {dosanimitta) geht - anders

    als die der 16 Lehrgegenstnde {padrtha) des Nyya - nur aus

    [ist], ein Selbst erfassen. Der Ichbezug [nmlich, welcher] ein Wahn von 'ich bin'

    [ist, und zwar] Ichbezug als Sichtweise dessen, [der das, was] bekanntlich nicht[er] selbst ist, als '[Das] bin ich' ansieht.")

    > NBh 1038,3-5 {evam tattvand ..) ad NS 4.2.1.' Zur Verwendung und Bedeutung des Begriffs 'tattvajdna' im alten Nyya

    vgl. Slaje 199*." Als bewirkende Ursache der 'Grundfehler' (dosa)" bestimmt Paksilasvmin

    dasjenige 'Objekt des Erkennens', an dessen Anfang die mit 'Krper' beginnende

    [Gruppe der fnf Gegenstnde (arthajt) steht], und das mit 'Leid' endet"(NBh 1038,1 ad NS 4.2.1: sanrdiduhkhntam prameyam dosanimittarn.).

    Paksilasvmin bindet die drei Stren (4.2.1-3) in einen neuen Kontext ein,

    der bereits durch die den beiden ersten dieser drei Stren vorangestellten Partikeln

    (evarn ca [ad A.l.X], ... tu khalu [ad 4.2.2]) ins Auge fllt. Eine von den Kommen

    taren unabhngig durchgefhrte Betrachtung dieser Stren zeigt, da dieser Kon

    text nicht zwingend ist und historisch daher auch nicht notwendig richtig seinmu!

    " Vgl. NBh 1036,5 f: kirn punas tad arthajtam yadvisayo 'hahkrah? sariren-

    driyamanovedanbuddhayah [vgl. dazu NS 1.1.9]. (Welche wiederum ist die

    Gruppe von Gegenstnden, die Objekt [eines solch irrigen] Ichbezuges ist? [Es ist

    dies die Gruppe von] Krper, Sinnesvermgen, Denkorgan, Empfindung und

    Erkennen.")" NBh 1037,13-1038,2: evarn ca 'dosanimittnrn taltvajhnd ahahkra-

    nivrttih' [NS 4.2.1] sarirdiduhkhntarn prameyarn dosanimittarn, tadvisayatvn

    mithyjhnasya. (Und [wenn] in dieser Weise , erkannt wird, wie geartet [undwelche] die bewirkenden Ursachen der Grundfehler tatschlich sind, hrt der

    (irrige) Ichbezug [auf diese] auf [4.2.1]. Bewirkende Ursache [der Grundfehler]

    ist dasjenige Objekt des Erkennens, an dessen Anfang die mit Krper beginnende

    [Gruppe der fnf Gegenstnde (arthajt) steht], und das mit Leid endet, weil es

    Objekt eines inadquaten [als 'Ich'] Erkennens ist.")

  • 112 Walter Slaje

    einer besonderen Versenkung hervor'^ Aber auch innerhalb die

    ser Fehlerursachen wird eine Unterscheidung getroffen zwischen

    der Beseitigung der beiden Grundfehler rga und dvesa sowie der

    des Grundfehlers moha.

    Die von den beiden ersten dosas begrndeten Affekte werden

    dadurch unterbunden, da man sich die Sinnesobjekte wiederholt

    methodisch 'vor Augen fhrt' {prasant]/khy/]/caks) um so die

    Vorstellungen, die man sich von ihnen durch Zuschreibung spe

    zifischer Eigenschaften macht, dahingehend zu beeinflussen, da

    sie ihre Anziehungs- bzw. Abstoungskraft auf den Betrachter

    verlieren. Dieser soll dadurch eine innere Distanz zu den Dingen

    der Welt gewinnen. Und das erfolgt in zwei methodischen Schrit

    ten: Durch Beseitigung falscher Vorstellungen (mithysahkalpa)

    ber Personen und Dinge ('Erkenntnisgegenstnde') kommen

    auch die von dieser Vorstellung verursachten Affekte zur Ruhe".

    Und hat man sich erst von derlei falschen Vorstellungen ber die

    Dinge der Welt frei gemacht, wird als nchstes der '(irrige) Ich

    bezug' (ahankra ~ moha) beseitigt, und zwar dadurch, da man

    sich die 'Gruppe von (fnQ Gegenstnden' (arthajt), nmlich

    " NBh 1090,4 f.: 'dosanimittnrn tattvajhnd ahahkranivrttir' ity uktam

    [NS 4.2.1]. atha katham tattvajhnam utpadyata iti? 'samdhivisesbhyst'

    [NS 4.2.38]. (Es wurde [in NS 4.2.1 ] gelehrt, da ,der (irrige) Ichbezug aufhrt,wenn erkannt wurde, wie geartet [und welche] die bewirkenden Ursachen der

    Grundfehler tatschlich sind'. Wie aber entsteht das Erkennen [davon], wie geartet [und welche die bewirkenden Ursachen der Grundfehler] tatschlich sind? -

    'Aufgrund des Einbens einer besonderen Versenkung' [NS 4.2.38].")NBh 1091,3: ... tadabhysavast tattvabuddhir utpadyate. (Die Erkenntnis [da

    von], wie geartet [und welche die bewirkenden Ursachen der Grundfehler] tat

    schlich sind, entsteht kraft des Einbens dieser [besonderen Versenkung].")

    Unter derselben Voraussetzung wird die Angelegenheit auch von Vcaspad

    (NVTT 1090, 15-1091, 24) diskutiert. Da er dem zustimmt, da das tattvajnnader dosanimittas - aber nicht etwa das der 16 padrthas\ - aus dem samdhi

    entstehe (NVTT 1039, 15: prasahkhynam [=] samdhijam tattvajhnam), wurde

    im Nyya ganz offenkundig eine Unterscheidung hinsichtlich der Methoden, gewisse Objekte adquat zu erkennen, getroffen. Ein tattvajhna lt sich daher in

    manchen Fllen nur mit einem, in anderen jedoch mit mehreren Mitteln erzeugen.Vgl. Isaacson 1993: 141 f

    " NBh 1095,12 {ad NS 4.2.46): indriyavisayesu prasahkhynbhyso rgadve-

    saprahnrthah. (Die auf die Objekte der Sinne [gerichtete] bung des 'vor

    Augen Fhrens' hat den Zweck, eine Zuneigung [zu ihnen] und eine Abneigung[gegen sie] zu unterbinden".)

    " Dies entsprche, setzte man die Funktion von mithysahkalpa mit mi-

    thyjhna gleich, der Ursachenkette in NS 1.1.2, wo mithyjhna die dosas er

    zeugt. Vgl. oben FN 6.

  • Zur Tradition einer 'Vergegenwrtigung des Widerwrtigen' 113

    den Krper usw., darauf bezogen vor Augen fhrt, was man tat

    schlich 'selbst' ist. Im Anschlu daran wird die Methode zur

    Behinderung des Ausbruchs der verhngnisvollen Affekte im ein

    zelnen gelehrt: Die Vorstellung von einem 'schnen Ganzen'

    (avayavin)^^, also einem Trger schner Eigenschaften, beruht

    auf der, die man sich von dessen Teilen macht. Die auf das Pri

    mrphnomen (nimitta") gerichtete Vorstellung ("samjny eines

    solchen Teils ist wertneutral. Zhne und Lippen beispielsweise

    werden als das genommen, was sie eben sind, nmlich als Zhne

    und Lippen. Doch an diesen ersten psychischen Akt schliet sich

    ein zweiter, intentionaler, der das Primrphnomen 'Zhne' einer

    bewertenden, sekundren Vorstellung (anuvyanjanasamjn) un

    terwirft (z. B. 'schn'). Letztere, da sie leidenschaftliche Affekte

    begrndet, soll nun dadurch unterbunden werden, da man sich

    die hlichen Bestandteile (avayava) eines Ganzen einzeln vor

    Augen fhrt. Paksilasvmin nennt diese Methode asubhasamjn,

    das Entwickeln einer 'begrifflichen Vorstellung (samjn) vom

    Widerwrtigen' (asubha)^:

    Doch fhrt man [sie] sich [in der Versenkung] eins nach dem

    andern^' vor Augen, [so sind] bekanntlich

    die mit 'schner Erscheinung' (rpa)'^^ beginnenden, [und als

    solche] zur Vorstellung^^ gemachten Objekte die bewirkende

    Ursache der Grundfehler [NS 4.2.2].

    " Zur Lehre vom avayavin vgl. GiPh 2,164-167; Grohma 1971." Zum diesbezglich buddhisdschen Hintergrund in terminologischer und

    sachlicher Hinsicht vgl. Oberhammer 1984: 11 ff.2 NBh 1039,2-1042,5. Dieser Abschnitt wurde bereits von Oberhammer 1984:

    36 f bersetzt und (37 ff.) untersucht. Die im folgenden gebotene bertragung

    bringt ein in einigen Punkten davon abweichendes Verstndnis zum Ausdruck." prasankhynnuprvy mit NVTT (1039,15), Mss la-ga-ja und NBh (Ksi)

    546,6 gegen m (Text)." Auf Probleme im Zusammenhang einer ursprnglich mglicherweise anderen

    Bedeutung der bersetzten Stren wird hier - es drfte wohl an die fnf Sinnes

    objekte {rpa, rasa, sparsa, sabda, gandha) zu denken sein [vgl. auch EB 274] -

    und im folgenden nicht eingegangen. Die bertragung folgt der Deutung durch

    Paksilasvmin, der rpa in Beziehung zu rga setzt, und diesem 'rpa ' ein 'asu-

    bha ' entgegensetzt." Da 'sahkalpa' = 'falsche Vorstellung' (vgl. BHSD s.v.), aber nicht 'Wun-

    sch'/'Verlangen' [Ruben 1928], zeigt sich am folgenden Stra (4.2.3) sowiean NS 4.2.34. In beiden Fllen besteht ein Zusammenhang mit 'aM/-

    '(flschlich) Whnen'. Aus der 4.2.34 {smrtisankalpavac ca svapnavi-

    saybhimnah) formulierten Entgegnung auf den 4.2.31 {svapnavisayabhimanavad

  • 114 Walter Slaje

    'Schne Erscheinung' usw. heien Objekte der Fleischeslust

    {kma), [die] Gegenstnde der Sinne sind. Stellt man sich diese

    in falscher Weise vor {mithy sahkalpyamna) , [so] bringen sie

    Begierde {rga), Ha {dvesa) und Wahn {moha) in Gang. Sie soll

    man sich zuerst [in der Betrachtung] vor Augen fhren. Denn

    [wer] sie sich [in der Betrachtung] vor Augen fhrt, fr den hrt

    die auf eine beispielsweise schne Erscheinung als Objekt [ge

    richtete] falsche Vorstellung auf.

    Hat diese [auf eine beispielsweise schne Erscheinung als Ob

    jekt gerichtete falsche Vorstellung] aufgehrt, soll man sich die

    mit 'Krper' beginnende [Gruppe der fnf Gegenstnde] auf das

    gerichtet, [was man eigendich] selbst [ist], vor Augen fhren. Da

    durch, [da man sich] dies vor Augen fhrt, hrt ein auf sich

    selbst als Objekt gerichteter irriger Ichbezug auf. 'Befreit' {mukta)

    nennt man den, der lebt^^ indem er in [seinem] Denken [nach

    innen], auf sich selbst gerichtet, und nach auen, [auf die Sinnes

    objekte hin, solche] Unterscheidung [trifft].

    In der Folge lehrt [das nchste Stra,] da eine gewisse begriff

    liche Vorstellung {samjn) [von den Gegenstnden] zu meiden,

    eine gewisse [andere Vorstellung von ihnen aber] zu vergegenwr

    tigen ist. [Doch handelt es sich im Stra] weder um Widerlegung

    noch um Anerkennung [der Existenz] des Gegenstandes' {ar-

    thaY^ [schlechthin]. Wie das?

    ayam pramnaprameybhimnah) ausgefhrten Einwand geht klar hervor, da

    das irrige Whnen von einem Objekt im Traum mit einer falschen Vorstellung[von einem Objekt] in der Erinnerung" gleichgesetzt wird. Es werden hier nicht

    die Objekte bestritten, jedoch die irrige Erkenntnis derselben behauptet2* Der Gebrauch des Prsenspartizips {viharan) ist m. E. ein deutlicher Hinweis

    darauf, da Paksilasvmin hier an jene besondere Art der Erlsung denkt, die in

    der spteren Literatur als }7va/imt/

  • Zur Tradition einer 'Vergegenwrtigung des Widerwrtigen' 115

    Deren bewirkende Ursache aber ist das Whnen eines 'Gan

    zen'" {avayavyabhimna) [NS 4.2.3].

    Deren" [d.h.] der 'Grundfehler', bewirkende Ursache aber ist

    das Whnen eines 'Ganzen'." Und dies ist fr einen Mann be

    kanntlich die anziehende(?) {sapariskraY^ Vorstellung von der

    '[ganzen] Frau', und fr eine Frau die anziehende(?) {sapa-

    riskr) Vorstellung vom '[ganzen] Mann'. 'Anziehend'(?) aber"

    [umfat] begriffliche Vorstellungen {satnjn), [die] sowohl auf

    primre {nimitta.) wie auch auf sekundre Phnomene {anuvyan-

    jana) [gerichtet sind].

    Die auf Primrphnomene [gerichtete] Vorstellung [ist eine der

    Teile]: Zunge und Ohren, Zhne und Lippen, Auge und Nase.

    Die auf Sekundrphnomene [gerichtete] Vorstellung [ist die, die

    man sich von diesen Teilen macht]: 'So, [nmlich beispielsweise

    schn], sind die Zhne'^*, 'so, [nmlich beispielsweise schn], die

    Lippen' [usw.].

    Diese [letztgenannte, auf die sekundren Phnomene gerichte

    te] Vorstellung vermehrt [jedoch] die Fleischeslust und [damit]

    die mit ihr verbundenen, zu vermeidenden Grundfehler. Das Mei

    den dieser [auf die sekundren Phnomene gerichteten Vorstel

    lung] aber [erfolgt in Form] einer einzeln [zu bildenden] Vorstel

    lung von den Bestandteilen [eines wegen der genannten Phno

    mene schn erscheinenden Ganzen] : Die begriffliche Vorstellung

    von Haupt- und Krperhaar, Fleisch, Blut, Knochen, Sehnen,

    Adern, Schleim, Galle, Exkrementen und anderem. Dies nennt

    man 'begriffliche Vorstellung des Widerwrtigen'. Wer sie verge

    genwrtigt, dem schwindet [jede] Neigung zur Fleischeslust.

    Und da das [zu betrachtende] Objekt tatschlich zwei Gesichts

    punkte hat, lehrt [das Stra, wie einleitend bemerkt,] da eine

    gewisse begriffliche Vorstellung [von ihm] zu vergegenwrtigen,

    eine gewisse [andere Vorstellung von ihm jedoch] vllig zu unter

    drcken ist. Wie im Falle einer mit Gift vermengten Speise die

    begriffliche Vorstellung von 'Speise' dazu [fhrt, sie] anzuneh

    men, die begriffliche Vorstellung von 'Gift' [aber] dazu, [sie] zu

    meiden."

    " 'Mit Schmuck/Schnheit versehen'(?)~ anziehend, reizvoll? Uddyotakara

    (NV 1040,16) gibt bandhana ('was bindet') als Bedeutung von 'pariskra' an.Oberhammer 1984: 36 ('reizvoll').

    " pariskras ca mit Mss la-ga-ja und NBh (Ksi) 548,3.2 danth mit NV (1041,7).

  • 116 Walter Slaje

    Vcaspatimisra (10' Jh.)

    Whrend Uddyotakara die von Paksilasvmin geschilderte Ver

    gegenwrtigung der hlichen Aspekte der einzelnen Bestandteile

    des Leibes in seinem Kommentar nur knapp erklrt, sie aber nicht

    weiter ausfhrt, greift der Uddyotakara kommentierende Vcas

    pati sie unter der Bezeichnung asubhasamjn (-bhvan) wieder

    auf. Anders als Paksilasvmin, der diese Betrachtungsweise rezi

    prok auf beide Geschlechter anwendet, wonach ein Mann sich

    die Frau, und eine Frau sich den Mann in entsprechend hliche

    Einzelheiten aufgelst vorzustellen habe, behandelt Vcaspati al

    lein die Frau als widerwrtig einzubendes Objekt der Begierde

    des Mannes^':

    Ruft sich ein Liebhaber [einzelne] Tee [seiner] Geliebten wie

    Zhne, Lippen, Nase und andere in die Vorstellung, [dann] bin

    det er sich an sie. Die Teile eines 'Ganzen' (avayavin) sind [ja

    dessen] charakteristische Merkmale (vyanjana). Weil [nun das

    Ganze nur] gemeinsam mit diesen [seinen Teilen] wahrgenommen

    wird, ist das [als beispielsweise schn vorgestellte] Sekundrph

    nomen (anuvyanjana) dieser [Teile] dem [Ganzen] hnlich. [Und]

    deshalb [wird dieses Phnomen] auf das [Ganze] bertragen. So

    aber verhlt es sich mit den Angehrigen des weiblichen Ge

    schlechts:

    Wenn die Geliebte - des Liebesgottes einz'ge Spielstatt,

    Von flss'gen Goldes reinem Glanz,

    Mit Gliedern trge von des Brstepaares Last und des

    Mcht'ger Elefanten-Schlfen Hftgeschaukels -

    Wenn sie, die gleichsam [uns] zum Leben bringt,

    [Nun] der Umarmung widersteht.

    Ertrgen wir - und wie? - denn dann

    Des Liebespfeileschleud'rers Pfeile Pein?

    Eintauchend in den Wohltatsflu der Leidenschaften,

    Mit Hgeln des Gess als Sandbank, mit Nabelkreises

    Strudelung,

    Voll Lotusmndern [und] mit Wellen, die

    hochgeschwung'ne Brauen sind.

    Entfloh der Mhsal er des langen Trennungsbrands.

    " NVTT 1040,21-1041,18; ... 1042, 12f.

  • Zur Tradition einer 'Vergegenwrtigung des Widerwrtigen' 117

    Die Verstndigen aber setzen, indem sie die begriffliche Vorstel

    lung des Widerwrdgen vergegenwrdgen, [dem] entgegen:

    Mit Knochen, Mark, mit Leber, Milz und Exkrementen voll

    gestopft, vernht mit Sehnen und mit Adern - Hautscke sind

    die Weiber!

    Und es verkndeten die Rsis^:

    Kluge freilich wissen, da der Krper, weil ihm Reinheit

    [erst] verliehen werden mu, [von Grund aufj unrein ist, we

    gen [der Unreinheit] des Ortes {sthna) [wo, und der] des

    Samens {bija) [aus dem er entsteht] ; wegen [der Unreinheit

    der materiellen] Grundlagen {upastambha) [seines Beste

    hens]; wegen [der seiner] Ausflsse {nisyandaY^ und auch

    wegen [der Unreinheit] im Tode {nidhana)^^. ...

    In der Tat hat der als Geliebte charakterisierte Gegenstand [der

    Begierde] zwei Gesichtspunkte. Dennoch wird, nachdem man zur

    Beseitigung beispielsweise der Begierde den Bereich der [auf die

    Dieser Vers steht im von Vcaspad kommentierten Yogastrabhsya ad Yo

    gastra 2.5. Da er Vcaspati als 'vaiysiki glh' bekannt war, im Mahbhrataaber nicht nachweisbar ist, knnte dies darauf hindeuten, da er eventuell sogar

    vom Verfasser des YBh ('Vysa') selbst stammt. Es mu dies Vcaspad nicht

    notwendig klar gewesen sein, als er die berlieferung von einem 'Vers des Vysa'

    weitergab." So mit YBh, YBhV und TaHvavaisradT (ad YS 2.5) gegen "nispandt (Ed.)." Diesen von ihm im NVTT zitierten Vers erklrt Vcaspati in seinem Kom

    mentar zum Yogastrabhsya [ad YS 2.5 (p. 62, 20-24); vgl. auch YBhV 133,

    5-29] in folgender Weise: 'Ort' ist der Bauch der Mutter, befleckt von Urin und anderem. 'Same' [meint]

    Menstrualblut und Samen der beiden Elternteile. '[Materielle] Grundlagen' sind

    die Umwandlung zu Saft und anderem genossener Speisen und Getrnke, wo

    durch der Krper [am Leben] erhalten wird. 'Aussse' [bedeutet] Ausschwitzen.

    Und der 'Tod' macht sogar den Leib eines Vedakundigen (rituell) unrein, weil im

    Falle dessen Berhrung ein (rituelles) Bad vorgeschrieben wird. Wenn nun aberder Leib unrein ist, wozu dient dann das Waschen mit Erde, Wasser und ande

    rem? Deshalb sagt er 'wedihm Reinheit [erst] verliehen werden mu'. Reinheit wird

    dem Krper, obgleich er von Natur aus unrein ist, [ja erst] verliehen. Wie der Duft

    begehrlicher [Frauen dadurch, da sie ihre] Glieder mit roten und anderen [Essenzen] einfrben, [erst erzeugt wird, er ihnen aber nicht von Natur aus zu

    kommt] !"Sachlich und teilweise auch terminologisch damit vergleichbar ist die

    'kyasmrtyupasthna' genannte Methode des Buddhismus: 1.) jtisthnsuci; 2.)

    bijsuci; 3.) svabhvsuci ; 4.) svalaksansuci; 5.) paryavasnsuci. Vgl. dazu Lamotte 1970: 1151-1155; EB 275.

  • 118 Walter Slaje

    sekundren Phnomene gerichteten] begrifflichen Vorstellung

    von den Teilen usw. vllig aufgegeben hat, der Bereich der Vor

    stellung vom Widerwrtigen auf den [Gegenstand, der die Gelieb

    te ist], angewendet. Der Zweck [davon ist es], die Entwicklung

    der inneren Distanz (vairgya) zu frdern."

    Jayantabhatta (9. Jh.)

    Jayanta lehrt diese Form der Vergegenwrtigung ebenfalls". Er

    nimmt sie anllich seiner Exegese von NS 1.1.2, im Grunde

    also im selben Kontext wie Paksilasvmin auf, nmlich in dem

    der Methode zur Vermeidung soteriologisch hinderlicher 'Grund

    fehler' (dosa). Jayanta allerdings verwendet dafr den Begriff pra-

    iipaksabhvan^^, d.h. 'Vergegenwrtigung des Gegenstzlichen'.

    Er gibt den Inhalt dieser einzubenden Vorstellung von allen

    Nyya-Autoren am ausfhrlichsten wieder. Und dem von ihm

    bevorzugten Begriff gem stellt er auch - bei gleichbleibender

    Schilderung der hlichen Aspekte des Leibes einer Frau - die

    Erzeugung gegenteiliger {pratipaksa) Vorstellungen {bhvan)

    in den Vordergrund: Zuerst werden - unter Anspielung auf in der

    Dichtkunst gerne gebrauchte Metaphern - konventionelle Be

    schreibungen weiblicher Schnheit in Erinnerung gerufen, um

    dieser 'Schnheit' sodann - durch Darstellung gegenteiliger

    Aspekte - ihre Anziehungskraft zu nehmen^^:

    Dadurch nmlich, da man die Mngel [gewisser] Gegenstn

    de beobachtet, kommt die Begierde, deren Charakteristikum es

    ist, an diesen [Gegenstnden] zu hngen, zur Ruhe. Wenn der

    einsichtige Mensch nun [so] denkt:

    [Einst] funkelt' sie mit Sternenaugen,

    Ihr ppig Brstepaar stolz aufgereckt,

    [Und] heute kann man in der Wildnis schauen

    An Vogelschnbeln sie verreckt.

    "NM 448,8-451,22. Fr eine ausfhrlicher gehaltene Darstellung der Behand

    lung dieses Problemkreises bei Jayanta vgl. Slaje 1995." Vgl. dazu den im Visuddhimagga im Zusammenhang mit der asubha-iJhung

    [VM 6.1-94 (pp. 145-161)1 verwendeten Begriff patibhga{-nimina) [VM 6.43 ff.(pp. 151 ff.)].

    " NM 449,7-450,10.

  • Zur Tradition einer 'Vergegenwrtigung des Widerwrtigen' 119

    Nach auen hin glnzet ihr

    Lotusduftgleichender Leib,

    Doch innerlich mengen sich

    Mark mit den Knochen, der Kot mit Urin, [und] Fett mit den

    Maden.

    Knochen, Galle, Exkremente,

    Feuchte Eingeweide, Blut -

    Ist^ Haut darber, sagen sie

    'Begehrliche' dazu.

    Zwei Klumpen Fetts nur

    [Ihre] Brste -

    Wie [knnten] sie [da]

    'Gold'ne Krge' [sein]?

    Und welcher Wahn hlt [ihr] Ges,

    Den [prall] mit Kot [gefllten] Lederschlauch,

    Fr einen 'goldnen Felsen'?

    Ein nssend abscheuliches Loch,

    Unreine Pforte fr Blut und Urin -

    Die 'Sttte der Lust'?

    Oh die Betrung von Mnnern!

    Der Lecker des eigenen Lebenssafts, der Hund,

    Erfreut sich - Gabe der Natur - am drren Knochen.

    Des eig'nen Samensafts" Ergieer, der Mann,

    Ergtzt sich ebenso am Weibe.

    Geffnet der Mund, es sdert das Auge,

    Die Farbe entwichen, mit Atemnot -

    Weckt die Geplagte nicht heute

    Die Lust

    - Im nahenden Tod?

    Ach unsern Bluttrank trinkbegier'ge.

    Elende Schlange!

    Zur Unzeit lstet's sie

    Mit vorgerecktem Maul.

    " NM (KsT) (2) 86,21: ja/." Der Same {sukra) bildet eines von sieben konstitutiven Elementen {dhatu)

    des Krpers. Vgl. dazu auch R.P. Das, Indo-Iranian Journal 11 (1984) 237 f.

    chrisHighlight

  • 120 Walter Slaje

    Schadet es uns? Die eigene Natur

    Der Sache ist's.

    Feuer brennt, berhrt man es. Doch

    Zrnt es niemandem darob!

    Kein Grund ist [uns] willkommen.

    Und keiner widrig.

    Ob Liebes er auch [brchte] oder nicht.

    Die Frucht der eig'nen Werke [nur] erblick' ich.

    - 1st Freund mir jemand, jemand Feind?

    Bei [jenem Einsichtigen, der dem] in dieser Weise Tag und Nacht

    grndlich nachgeht, ergibt sich fr alles eine gleiche Gesinnung

    in [seinem] beruhigten Denkorgan. So lsen die Knoten der

    Grundfehler sich!"

    Bhasarvajna (9. Jh.)

    Wesendich knapper in der Ausfhrung, aber hinsichtlich der

    Intention unmiverstndlich, legt auch der Nyya-Autor Bhsar

    vajfia zur Vermeidung der Grundfehler dieselbe Form der Verge

    genwrtigung nahe^*:

    Jene, die das, [was auf das Selbst bezogen ist,] zutreffend

    verstehen, ... lehren [die Vermeidung der Grundfehler] beispiels

    weise so:

    Mit Knochen als Sttze, verbunden mit Sehnen,

    die Schmiere

    Aus Fleisch und Blut - vernht mit Haut,

    [Und] stinkend; Urin wie Kotes voll".

    Darinnen Leid und Alter wohnen; Krankheitssttte,

    vielgepeinigt;

    Menstruierend und vergnglich.

    Diesen Krper soll man flieh'n''.

    Die durch Begierde Erblindeten aber sehen es gerade umgekehrt,

    beispielsweise so:

    " NBhs 444,26-445,7.

    " lies: ... durgandhi, prnam ...

    " Zur Identifizierung [= Mahbhrata 12.316. 42f.) vgl. Wezler 1984: 333,n. 134.

  • Zur Tradition einer 'Vergegenwrtigung des Widerwrtigen' 121

    Wer schuf sie, die wie Nektars Krge,

    Die Frauen, die wie Freudenhaufen,

    [Uns] gleichsam Lustbehlter [sind]?'"

    So mu man das verkehrte Erkennen jener sehen, die durch [die

    Grundfehler] Begierde, Ha und Wahn fr [denjenigen Gegen

    stand unseres Lehrwerks] blind gemacht sind, der von 'Selbst' bis

    'Erlsung' reicht"'*^.

    Es lag in der Absicht dieser Arbeit, der Frage nachzugehen, ob

    die von Paksilasvmin gelehrte 'Vergegenwrtigung des Wider

    wrtigen' auch von der spteren Tradition aufgenommen wurde.

    Diese Frage lt sich nun bejahen. Mit Ausnahme Uddyotakaras,

    der sie blo nicht weiter ausfhrt, lehren alle brigen erhaltenen

    Autoren der lteren Schule des Nyya diese Form der Betrach

    tung. Historisch gesehen kann - zumindest aufgrund der ltesten

    Belege und der systematischen Entwicklung als Meditationsform

    - der Buddhismus als vermutlich gebender Teil angesehen wer

    den. Zum einen ist ja bekannt, da im Yogastra und im Yoga

    strabhsya adaptierende bernahmen buddhistischen Gedan

    kengutes vorliegen''^ Zum andern aber wurde anhand einer

    vierfachen, im Nyyabhsya erstmals vorkommenden schemati

    schen Darstellung der Erlsungslehre bereits ein Wahrscheinlich

    keitsbeweis dafr erbracht, da solch ursprnglich buddhisti

    sches Gedankengut von Paksilasvmin aus der Yogatradition in

    den Nyya bernommen wurde"''. Eine indirekte Beeinflussung

    Paksilasvamins durch den Buddhismus drfte nun auch im Falle

    der 'asubhasamjn' vorliegen"^, und es ist, da eine verwandte

    ^' Aus dem Repertoire der Spruchdichtung. Zur Identifizierung [= Indische

    Sprche 535 (3565)] vgl. Wezler loc.cit." Damit ist jener Lehrwerksinhalt {padrtha) 'prameya' gtmtmi, unter den die

    zwlf in NS 1.1.9 aufgezhlten - nmlich von tman bis apavarga reichenden

    und als soteriologisch relevant erachteten - Gegenstnde subsumiert werden. Vgl.dazu und zum Problem der Vereinbarkeit mit einer davon abweichenden vierfa

    chen Einteilung des Erlsungsweges im lteren Nyya, Wezler 1984: 324-335.

    " Vgl. Wezler 1987: 375-378, besonders FN 87.'"' Wezler 1984: 336. Vgl. Oberhammer 1964: 3I2ff und die vorsichdgen Be

    merkungen desselben (1977: 210, FN 287) hinsichich der Mglichkeit einer gemeinsamen weiteren Quelle. Zum Einfiu des Yogasystems auf das Vaisesika vgl.Isaacson 1993: 153.

    " Oberhammer 1984: 14; 38 ff.

  • 122 Walter Slaje

    Form dieser Betrachtung im Yogastrabhsya'* ebenfalls gelehrt

    wird, nicht auszuschlieen, da die Yogatradition hier ein weite

    res Mal als Katalysator gedient hat.

    Zu den augenflligen Unterschieden der Yoga- und der Nyya-

    tradition gegenber der Praxis im Buddhismus bei dieser beson

    deren Art der Ekelerzeugung zhlt beispielsweise, da die brah

    manischen Schulen keine konkrete Leichenbetrachtung - wie der

    Buddhismus es tut - vorschreiben, sondern da sie sich demge

    genber darauf beschrnken, die abstoenden Aspekte eines Lei

    bes in der Vorstellung zu erzeugen. Auf eine bemerkenswerte

    buddhistische Parallele stt man bei Paksilasvmin im Zusam

    menhang mit der geschlechtsreziproken Betrachtungsweise. Bei

    der (prskriptiven) Darstellung der Ekelerzeugung wird hier nm

    lich bercksichdgt, da auch die Lust einer Frau sich am Anblick

    eines mnnlichen Leibes entzndef'. Die sich an Paksilasvmin

    anschlieende Schule des Nyya allerdings geht auf dieses Detail,

    das - so es nicht als Quellen-Stereotyp bernommen ist - even

    tuell die Tatsache einer erlsungsorienderten Betdgung von

    Frauen auch der brahmanischen Gesellschaft bezeugen knnte,

    nicht mehr ein.

    Bibliographie

    EB = Encyclopaedia of Buddhism. Ed. by G. P. Malalasekera. Vol.2. Colombo1966-1968.

    GiPH = Erich Frauwallner, Geschichte der indischen Philosophie. Bd 1.2. [ReiheWort und Antwort. 6,1.2.] Salzburg 1953-1956.

    Grohma 1971 = Otto Grohma, Die Lehre vom avayavT in Nyya und Vaisesika

    bis Udayana. Wien, philos. Diss. 1971.Isaacson 1993 = Harunaga Isaacson, Yogic perception (yogipratyaksa) in early

    Vaisesika. In: Stil 18 (1993), S. 139-160.

    Lamotte 1970 = Etienne Lamotte, Le Traite de la Grande Vertu de Sagesse de

    Ngrjuna (Mahprajnpramitsstra) avec nouvelle introduction. Tome III,

    ad YS 2.5; vgl. oben FN 30 und 32 sowie die Tatsache, da auch das Bhsya(loc. cit) die beiden Mglichkeiten, einen Leib als rein oder unrein zu betrachten,

    einander kontrastierend gegenberstelltZu Paksilasvmin vgl. oben S. 1 15. Oberhammer 1984: 41 verweist in diesem

    Zusammenhang ausdrcklich auf das Mahprajiipramitasstra [vgl. Lamotte1970: 1322f], dem auch Stellen aus dem Visuddhimagga [VM 6.14 (p. 146), vgl.

    FN 2; ferner 6.90 (p. 160: puris itthisu, itlhiyo ca purisesu ratim karonti)] hinzugefgt werden knnen.

  • Zur Tradition einer 'Vergegenwrtigung des Widerwrtigen' 123

    chapitres XXXI-XLII. [Publicadons de ITnsdtut Orientaliste de Louvain. 2.]Louvain.

    NBh = Nyyabhsya. Nyyadarsanam with Vtsyyana's Bhsya, Uddyotakara'sVrtdka, Vcaspad Misra's Ttparyatik & Visvantha's Vrtti, edd. TaranathaNyaya-Tark ATI rtha - Amarendramohan Tarkatirtha - Hemantakumar Tar

    katirtha. 2 vols. [Calcutta Sanskrit Series. Nos. XVIII & XXIX.] Calcutta 1936-

    44 (repr. Kyoto 1982).

    NBh (Ksi) = Nyyadarsana. The Stras of Gotama und Bhsya of Vtsyyana.Ed. by Padmaprasda Sstri and Harirma Sukla. 2. ed ed. by NryanaMisra. [The Kashi Sanskrit Series. 43.] Varanasi 1970.

    NBhs = Nyyabhsana. SrimadcryaBhsarvajfiapranitasya Nyyasrasya svo-pajam vykhynarn Nyyabhsanam, ed. Svmin YggIndrnanda. [Saddar-

    sanagranthaml. 1.] Vrnasi 1968.

    NM = Nyyamanjari. Sri Jayantabhattakrt nyyamafijari. Cridcally ed. byK. S.Varadacharya. Bhgah 2. [University of Mysore. Oriental Research Institute Series. 139.] Mysore 1983.

    NM (KsT) = Nyyamanjari. NyyamafijarT of Jayanta Bhatta. Ed. with notes by

    Pt. Surya Nryana Sukla. Part 2. 2. ed. [Kashi Sanskrit Series. 106 = NyyaSection 15.] Varanasi 1971.

    NS = Nyyastra, in: Ruben 1928.NV = Nyyavrttika, in: NBh.

    NVTT = Nyyavrttikattparyatik, in: NBh.Oberhammer 1964 = Gerhard Oberhammer, Paksilasvmin's Introduction to his

    Nyyabhsyam. Asian Studies 2 (1964) 302-322.Oberhammer 1977 = id., Strukturen yogischer Meditation. Untersuchungen zur

    Spiritualitt des Yoga. [AW SB. 322. = VKSKS.13.] Wien.Oberhammer 1984 = id., Wahrheit und Transzendenz. Ein Beitrag zur Spiritualitt

    des Nyya. [AW SB. 424 = VKSKS 18.] Wien.

    Ruben 1928 = Walter Ruben, Die Nyyastra 's. Text, bersetzung, Erluterung

    und Glossar. [AKM XVIII/2.] Leipzig 1928 (repr Nendeln 1966).

    Slaje 1986 = Walter Slaje, Nihsreyasam im ahen Nyya. In: WZKS 30 (1986),S. 163-177.

    Slaje 1995 = id., Jayantabhatta ber die Beseitigung der Leidenschaften. [Erscheintin FS Lochner von Httenbach. Graz 1995].

    Slaje 199* = id., 'tattva-jhna' im alten Nyya. [Erscheint in?]Sprockhoff 1976 = Joachim Friedrich Sprockhoff, Sarnnysa. Quellenstudien

    zur Askese im Hinduismus. 1. [AKM 42,1] Wiesbaden.

    Steinkellner 1981 = Ernst Steinkellner, Sntideva. Eintritt in das Leben zur

    Erleuchtung (Bodhicaryvatra). Lehrgedicht des Mahyna aus dem Sanskritbersetzt. [Diederichs Gelbe Reihe. 34.] Dsseldorf ^1989.

    VM = Visuddhimagga of Buddhaghoscariya. Ed. by Henry Clarke Warren.Revised by Dharmananda Kosambi. [Harvard Oriental Series. 41.] Reprint. Delhi 1989.

    Wezler 1984 = Albrecht Wezler, On the quadruple division of the Yogasstra,

    the caturvyhatva of the Cikitssstra and the "Four Noble Truths " of the Buddha

    (Studies in the Ptahjalayogasstravivarana. II.). In: Indologica Taurinensia 12(1984): 289-337.

    Wezler 1987 = id.. Zu der Lehre von den 9 Ursachen" im Yogabhsya. In:Hinduismus und Buddhismus. FS Ulrich Schneider. Hrsg. v. Harry Falk.

    Freiburg 1987: 340-379.

  • 124 Walter Slaje

    YBh = Yogastrabhsya, in: YS.

    YBhV = Ptahjala- Yogastra-Bhsya- Vivaranam of Sahkara- Bhagavatpda. Crit.ed. with introd. by Polakam sri Rama Sastri and S. R. Krishnamurthi Sastri.

    [Madras Government Oriental Series. 94.] Madras 1952.

    YS = Yogastra. Vcaspatimisraviracitatiksametasrivysabhsyasametni

    ptanjalayogastrni. 4. vrttih. [nandsramasarnskrtagranthvalih. 47.]

    Punyapattana 1978.YV = Yogavsistha. The Yogavsistha of Vlmiki. With the commentary Vsistha-

    mahrmyanattparyapraksha. Ed. By Wsudeva Laxmana SstrI PansIkar.

    R 1.2. Reprint der 3. Aufl. New Delhi 1984.

  • An Annual Budget of Govinddevjl:

    A Document of V.S. 1784 (A.D. 1728)

    In memoriam T. P. Mukherjee (1928-1990)

    By Monika Horstmann, Heidelberg

    0. Introduction

    This paper is devoted to an aspect of the religio-economic his

    tory of the 18th century.' It discusses a charitable grant given to

    the deity, that is, the icon of the deity, Govinddevjl. This icon

    came to reside in the princely territories of the Kachvh Rajputs,

    the rulers of Amer (Amer, also Amber) and, after 1733, of Jaipur,

    respecdvely. The icon had been removed from its former abode,

    the Govinddevjl temple of Vrindavan, in August 1670 whence it

    was taken to the Kachvh territories, where, after a number of

    intervening sojourns, it eventually was installed in its present

    temple, the Govinddevjl temple behind the City Palace of Jaipur.^

    The Odyssey of the icon had been caused by the impendent icono

    clasm which Aurangzeb had encouraged in 1669 and which con

    sequently gained momentum.

    Govinddevjl is a Gaudiya Vaisnava image, and, like other

    Vaisnava images and their temples of Mathura and Vrindavan,

    which is to say, their Gaudiya custodians, had been a recipient

    of Mughal and Rajput grants since the time of Akbar.^ Thus these

    institutions figure prominently in the religio-economic history of

    northern India. The evidence on the deity Govinddevjl is, as it

    seems, the one best established as far as the old Vaisnava temples

    ' I wish to thank the Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn, for a grant

    which enabled me to study archival sources at the State Archives of Rajasthan,

    Bikaner, in 1988. I also express my gratitude to the Director of the State Archives

    of Rajasthan and to his forthcoming and efficient staff.^ Cp. HoRSTMANN [forthcoming a] and 1994.

    ^ Cp. Mukherjee and Habib 1988.

    Seite 109Seite 110Seite 111Seite 112Seite 113Seite 114Seite 115Seite 116Seite 117Seite 118Seite 119Seite 120Seite 121Seite 122Seite 123Seite 124