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Folie 1 13. Dezember 2012 Dr. Andraes Hildebrandt Mache die Dinge so einfach wie möglich – aber nicht einfacher! Albert Einstein Zuverlässigkeitstechnik Derzeit gebräuchliche Begriffe, Modelle, Methoden, und deren Anwendung

Zuverlässigkeitstechnik - vdi.de · Marilyn vos Savant May I suggest that you obtain and refer to a standard textbook on probability before you try to answer a question of this type

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Folie 1

13. Dezember 2012

Dr. Andraes Hildebrandt

Mache die Dinge so einfach wie möglich –

aber nicht einfacher!

Albert Einstein

Zuverlässigkeitstechnik

Derzeit gebräuchliche Begriffe, Modelle,

Methoden, und deren Anwendung

Folie 2

Zuverlässigkeit

Folie 3

Versagensursachen

Fehler

prinzipiell vermeidbar prinzipiell unvermeidbar

zufällige Fehler systematische Fehler

QM-System

nicht vermieden

Diagnose

Fail Safe

Redundanz

Probabilistik

Diagnose

Fail Safe

diversitäre Redundanz

Maßnahmen ausreichend?

Fehlerbeherrschung Fehlerwahr-

scheinlichkeit

Fehler-

vermeidung

Folie 4

Gott würfelt nicht! (Albert Einstein)

Quelle: iStockphoto

Alles purer Zufall !?!?!

• Geräteausfälle werden oft als Zufallsereignisse betrachtet

(Wahrscheinlichkeit?)

• Beschreibung mit Hilfe stochastischer Größen (Verteilungsfunktion?)

Folie 5

Errare humanum est …

Hinter einer Tür verbirgt sich ein Hauptgewinn,

hinter den beiden anderen je eine Niete (Ziege)!

Tür 1 Tür 2 Tür 3

Tauschen?

Folie 6

Die Ausfallrate gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der eine

Einheit während eines bestimmten Zeitintervalls ausfällt

(Beispiele: 3% / Jahr, 7 ppm / Stunde, 24 FIT = 24·10-9 1/h)

Failure Rate versus Time

@ Room Temperature

0,00E+00

2,00E-05

4,00E-05

6,00E-05

8,00E-05

1,00E-04

1,20E-04

1,40E-04

1,60E-04

0 2 4 6 8 10 12 14

Time [years]

Fail

ure

Rate

[1/h

]

Ausfallrate „Badewannenkurve“

Folie 7

momentane Ausfallrate

momentane Ausfallrate λ(t) =

der Grenzwert – falls er existiert – des Quotienten bedingte Wahrscheinlichkeit, dass der Zeitpunkt des Ausfalls einer nicht instand zu setzenden Einheit in ein gegebenes Zeitintervall (t, t+Δt) fällt, durch die Dauer Δt dieses Zeitintervalls, wenn Δt gegen null geht und die Einheit bis zum Beginn des Zeitintervalls nicht ausgefallen ist.

Anmerkung 1: Die momentane Ausfallrate wird durch die Gleichung

ausgedrückt; dabei sind F(t) und f(t) die Verteilungsfunktion und die Wahrscheinlichkeits-dichte des Ausfallzeitpunktes, R(t) ist die Zuverlässigkeitsfunktion bezogen auf die Zuverlässigkeit R(t1, t2) durch R(t) = R(0, t)

Anmerkung 2:

Ein Schätzwert für die momentane Ausfallrate kann durch Division des Verhältnisses der Anzahl der Einheiten, die während eines gegebenen Zeitintervalls ausgefallen sind, zur Anzahl der nicht ausgefallenen Einheiten zum Beginn des Zeitintervalls durch die Dauer des Zeitintervalls erhalten werden.

IEV 191-12-02

dt

dR(t)

R(t)R(t)

f(t)

R(t)

F(t)Δt)F(t

Δtλ(t)

Δt

11lim

0

Folie 8

1)t und .für nur (gilt t F(t)

:folgt 1für 1

-1R(t)-1F(t) bzw. (t)

)(ln1ln)(ln

)('ln

:folgt .)(für ')('

1dt )(-

)(

1dt )(-

)(

1)(

)(

1

)(

10

konst

xxeMit

eeR

tRtRt-λ

tRt-λ

konsttdRtR

t

dRtR

tdt

dR

tRt

x

tt

tR

tRt

Ausfallwahrscheinlichkeit

Folie 9

Gedächtnisloses System

• Bei konstanter Fehlerrate ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zur Zeit

funktionierende Einheit im kommenden Zeitintervall versagt, immer gleich

groß. Die Versagenswahrscheinlichkeit für das kommende Zeitintervall ist

also genauso groß wie in jedem zurückliegendem Zeitintervall.

• Anschauliche Interpretation: Beträgt die Ausfallrate z. B. λ = 10-5 1/h, so wird

jede Stunde aus einer Lostrommel mit 100.000 durchnummerierten Losen

ein Los gezogen (und wieder zurückgelegt). Hat das gezogene Los die

Nummer 13, so fällt das betreffende Gerät bzw. Bauteil in dieser Stunde aus.

Bildquelle: iStockphoto

Folie 10

Mittlere Lebensdauer MTTF

Definitionen nach IEV:

MTTF = mittlere Dauer bis zum Ausfall;

Erwartungswert der Verteilung der Dauern bis zum Ausfall

(engl. „mean time to failure”)

IEV 191-12-07

MTBF = mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen;

Erwartungswert der Verteilung der Betriebsdauern zwischen zwei aufeinander folgenden Ausfällen

(engl. „mean time between failures”)

IEV 191-12-09

Folie 11

Mittlere Lebensdauer MTTF

λMTTF

a dtexa Bronstein:

dtetλMTTF

eλe(dt

dF(t)

dt

df(t)

f(t) dttF(t) EMTTF

F(t)swert von ErwartungMTTF

x-a

t-λ

t-λt-λ

1

1

)1

0

0

Gilt nur für λ = konst.

Folie 12

MTBF?

Folie 13

Totale Verwirrung

Unglücklicherweise wird der Begriff MTTF auf zweierlei

Weise benutzt:

1. zur Angabe der mittleren Lebensdauer

(Richtig! Siehe IEV 191-12-07)

2. als Synonym für den Kehrwert der Ausfallrate λ

(Eigentlich falsch!)

1MTTF

Folie 14

Der Mensch ist das Maß aller Dinge (Protagoras)

Beispiel: (30-jähriger Mann) = 7,73·10-4 1 / a

"Badewannenkurve" des Menschen (Deutschland)

0,00

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

0,06

0,07

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Lebensalter [Jahre]

Au

sfa

llra

te [

1 /

Jah

r]

Männer

Frauen

© Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2004

Folie 15

Vermeintliche MTTF eines Menschen

Jahre 1294MTBF

a107,73

1MTBF

14

Hinweis: Die tatsächliche MTBF einer

männlichen Person beträgt 75,6 Jahre

Bildquelle: iStockphoto

Folie 16

Symmetrisierung nach ISO 13849

Folie 17

Wo steigen Sie ein?

Flugzeugtyp A

Zwei unterschiedliche Triebwerke

Triebwerk 1: MTTF = 3 Jahre

Triebwerk 2: MTTF = 100 Jahre

Flugzeugtyp B

Zwei gleiche Triebwerke

Triebwerk 1: MTTF = 66 Jahre

Triebwerk 2: MTTF = 66 Jahre

Wenn beide Triebwerke ausfallen, so stürzt das betreffende Flugzeug ab.

Welches Flugzeug ist sicherer, wenn davon ausgegangen wird, dass

zum Zeitpunkt des Starts beide Flugzeuge vollständig in Ordnung sind?

ISO 13849-1, Anhang D.2: Beide Flugzeuge sind gleich sicher!

100 Jahre 3 Jahre

66 Jahre 66 Jahre

Folie 18

Ausfallrate heterogener Systeme

MTTFheterogen=MTTFhomogen

Folie 19

Wo steigen Sie ein?

Flugzeugtyp A

Zwei unterschiedliche Triebwerke

Triebwerk 1: MTTF = 3 Jahre

Triebwerk 2: MTTF = 100 Jahre

Flugzeugtyp B

Zwei gleiche Triebwerke

Triebwerk 1: MTTF = 66 Jahre

Triebwerk 2: MTTF = 66 Jahre

Wenn beide Triebwerke ausfallen, so stürzt das betreffende Flugzeug ab.

Welches Flugzeug ist sicherer, wenn davon ausgegangen wird, dass

zum Zeitpunkt des Starts beide Flugzeuge vollständig in Ordnung sind?

100 Jahre 3 Jahre 66 Jahre 66 Jahre

Hier!

Folie 20

Ausfälle bei mechanischen Komponenten

momentane Ausfallrate λ(t) =

der Grenzwert – falls er existiert – des Quotienten bedingte Wahrscheinlichkeit, dass der Zeitpunkt des Ausfalls einer nicht instand zu setzenden Einheit in ein gegebenes Zeitintervall (t, t+Δt) fällt, durch die Dauer Δt dieses Zeitintervalls, wenn Δt gegen null geht und die Einheit bis zum Beginn des Zeitintervalls nicht ausgefallen ist.

Anmerkung 1: Die momentane Ausfallrate wird durch die Gleichung

ausgedrückt; dabei sind F(t) und f(t) die Verteilungsfunktion und die Wahrscheinlichkeits-dichte des Ausfallzeitpunktes, R(t) ist die Zuverlässigkeitsfunktion bezogen auf die Zuverlässigkeit R(t1, t2) durch R(t) = R(0, t)

Anmerkung 2:

Ein Schätzwert für die momentane Ausfallrate kann durch Division des Verhältnisses der Anzahl der Einheiten, die während eines gegebenen Zeitintervalls ausgefallen sind, zur Anzahl der nicht ausgefallenen Einheiten zum Beginn des Zeitintervalls durch die Dauer des Zeitintervalls erhalten werden.

IEV 191-12-02

dt

dR(t)

R(t)R(t)

f(t)

R(t)

F(t)Δt)F(t

Δtλ(t)

Δt

11lim

0

Folie 21

Bestimmung der Ausfallrate

Von einem Mol 60Co sind nach 64 Monaten 3,011·1023 Atome zerfallen

P(Atom zerfällt) = 3,011·1023 / 6,022·1023 = 0,5 oder 50%

Urne mit 16 weißen und 4 schwarzen Kugeln

P(schwarz) = 4/20 = 0,2 oder 20%

Von 750.000 Säuglingen sterben 300 den plötzlichen Kindstod.

P(Kindstod) = 300 / 750.000 = 4·10-4 oder 0,4‰

Etwa 70 Mio. Menschen sind rothaarig.

P(rothaarig) ≈ 70 Mio. / 6,9 Milliarden = 0,01 oder 1%

Folie 22

„Statistik mit und ohne Zufall“

Aus der relativen Häufigkeit einer Merkmalsausprägung kann

nur dann auf die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten dieser

Merkmalsausprägung bei einem Individuum bzw. einem

Einzelexperiment geschlossen werden, wenn diese das Resultat

eines Zufallsprozesses ist.

Bei elektronischen Bauteilen sind Defekte nahezu immer Zufallsereignisse

Softwarebedingte Fehlfunktionen sind nie Zufallsereignisse

Das Versagen einer mechanischen Komponente kann je nach Betriebsart

eher zufällig (bei geringem Verschleiß) oder eher systematisch bedingt

sein (bei sehr großem Verschleiß oder bei „Stillstand“).

Was ist Zufall?

Folie 23

Was ist „Zufall“?

Das, was ohne erkennbaren Grund und ohne Absicht geschieht, das

Mögliche, das eintreten kann, aber nicht eintreten muss Meyers Lexikon

Der Zufall ist ein Pseudonym, das der liebe Gott wählt, wenn er

anonym bleiben will. Albert Schweitzer

Das, wobei unsere Berechnungen versagen, nennen wir Zufall.

Albert Einstein

Ereignisse, die der Mensch nicht begreift, nennt er Zufall. Internet

EN 61508-4, Kapitel 3.6

Folie 24

Definitionen nach EN 61508-4, Kapitel 3.6

Systematischer Ausfall:

„Systematisches Versagen/Ausfall, bei dem eindeutig auf eine Ursache

geschlossen werden kann, die nur durch eine Modifikation des Entwurfs

oder des Fertigungsprozesses, der Art und Weise des Betreibens, der

Bedienungsanleitung oder anderer Einflussfaktoren beseitigt werden kann“

Zufälliger Hardwareausfall:

„Ausfall, der zu einem zufälligen Zeitpunkt auftritt und der aus einem oder

mehreren möglichen Mechanismen in der Hardware resultiert, die zu einer

Verschlechterung der Eigenschaften der Bauteile führen“

Folgende Frage ist hilfreich:

„War der Fehler zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme bereits vorhanden oder

ist der Ausfall prinzipiell reproduzierbar?“

Folie 25

Die Challenger-Katastrophe

„ANMERKUNG 2“ zum zufälligen Hardwareausfall: Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen zufälligen

Hardwareausfällen und systematischen Ausfällen ist, …

… Das heißt, dass Systemausfallraten, die aus zufälligen

Hardwareausfällen herrühren, mit vernünftiger Genauigkeit

quantifiziert werden können, aber jene, die durch

systematische Ausfälle entstehen, statistisch nicht genau

quantifiziert werden können, …

Folie 26

Mechanik mit Verschleiß

λ(t)

t

λ=konst. (Zufall)

determiniert

10 Jahre

1,14E-5 1/h

Realität

Folie 27

Weibullverteilung

• Bei konstanter Ausfallrate (λ = konst.) ist die Zufallsgröße

„Lebensdauer“ exponential verteilt. Die Wahrscheinlichkeit, zum

Zeitpunkt t noch zu leben, beträgt:

te(t)R

• Bei nicht konstanter Ausfallrate (λ ≠ konst.) kann die Zufallsgröße

„Lebensdauer“ durch eine Weibullverteilung (Verallgemeinerung der

Exponential-Verteilung) beschrieben werden:

b

T

t

e(t)R

T = Charakteristische Lebensdauer

b = Formparameter

(Für b = 1 entspricht die Weibullverteilung der Exponentialverteilung)

Formfaktor

Folie 28

Weibullverteilung

Aus der Weibull - Verteilungsfunktion für die Lebensdauer

kann die Ausfallrate λ(t) wie folgt berechnet werden:

.konstT

1

T

t

T

1)t(

:folgt )Verschleiß(kein 1bFür

T

t

T

b

T

t

dt

d)t(

:folgt T

t)t(Rlnmit

dt

))t(R(lnd

dt

)t(dR

)t(R

1)t(

11

1bb

b

b

11TMTTF

T

t

T

b)t(

1b

Gamma -

Funktion

Folie 29

Parameter der Weibullverteilung

Folie 30

Parameter der Weibullverteilung

1,00 100,0010,00

1,00

5,00

10,00

50,00

90,00

99,00

ReliaSoft's Weibull++ 6.0 - www.Weibull.com

Sensorlebensdauer bei Temp.-Schock

Zeit [Tage]

Au

sfa

llw

ah

rsc

he

inli

ch

ke

it F

(t)

Charakteristische Lebensdauer T:

T = 39 Tage

Formfaktor b:

b = 2,4

Hinweis:

Da der Formfaktor b deutlich größer

als eins ist, kann nicht von einer

konstanten Ausfallrate ausgegangen

werden. Vielmehr muss unterstellt

werden, dass es sich bei den

Ausfällen um verschleißbedingte

Defekte handelt.

Folie 31

Mechaniker und Elektroniker fokussieren auf unterschiedliche

Parameter der „Badewannenkurve“

Failure Rate versus Time

@ Room Temperature

0,00E+00

2,00E-05

4,00E-05

6,00E-05

8,00E-05

1,00E-04

1,20E-04

1,40E-04

1,60E-04

0 2 4 6 8 10 12 14

Time [years]

Fail

ure

Rate

[1/h

]

Elektronik vs. Mechanik

Elektronik

Mechanik

Folie 32

Ausfallrate homogener redundanter Systeme

λ = konst.

λ = konst.

λ = konst.

λ = konst.

λSystem= λ2?

MTTFKanal = 1 / λ

MTTFSystem= 1 / λ2?

Folie 33

Ausfallrate homogener redundanter Systeme

λ = konst.

λ = konst.

λ(t)

λ

t

MTTFKanal = 1 / λ

MTTFSystem= 1,5 · MTTFKanal

t-

t-

e5,01

e1(t)

Folie 34

… in errore perseverare stultum

Wie soll sich der Kandidat verhalten?

– Erste Wahl beibehalten?

– Tauschen?

– Egal?

Tür 1 Tür 2 Tür 3

Folie 35

Marilyn vos Savant

May I suggest that you obtain and refer to a standard textbook on probability before you try to answer a question of this type again? Charles Reid, Ph.D., Univ. of Florida

I am sure you will receive many letters on this topic from high school and college students. Perhaps you should keep a few addresses for help with future columns. W. Robert Smith, Ph.D., Georgia State University

I am in shock that after being corrected by at least three mathematicians, you still do not see your mistake. Kent Ford, Dickinson State University

You are the goat! Glenn Calkins, Western State College

Marilyn vos Savant: I'm receiving thousands of letters, nearly all insisting that I'm wrong, including the Deputy Director of the Center for Defense Information and a Research Mathematical Statistician from the National Institutes of Health! Of the letters from the general public, 92% are against my answer, and of the letters from universities, 65% are against my answer. Overall, nine out of ten readers completely disagree with my reply.

You made a mistake, but look at the positive side. If all those Ph.D.'s were wrong, the country would be in some very serious trouble. Everett Harman, Ph.D., U.S. Army Research Institute

Folie 36

… und sie haben ein Problem …

Golf von Mexiko, deep water horizon

Folie 37

Noch Fragen …