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Zweistufiges variables Verdichtungsverhältnis durch exzentrische Kolbenbolzenlagerung Durch die Variabilität beim Verdichtungsverhältnis ist es möglich, den Kraftstoffverbrauch insbesondere hoch aufgeladener Ottomotoren zu reduzieren. Mit einem zweistufigen VCR-System (variable compression ratio) lässt sich ein großer Teil des Verbrauchsreduktionspotenzials einer vollvariablen Lösung nutzen. FEV hat verschiedene bekannte und neue Lösungen für zweistufige VCR-Systeme bewertet. Unter Berücksichtigung einer besonders preisgünstigen Herstellbarkeit der variablen Komponenten sowie einer guten Integrierbarkeit in bestehende Motor- konstruktionen stellt sich ein längenvariables Pleuel mit exzentrischer Lagerung des Kolbenbolzens im kleinen Pleuelauge als günstiges Konzept dar. Die selbsttätige Verstellung erfolgt dabei durch Ausnutzung von Gas- und Massenkräften. Ausgeführte Konstruktion eines VCR-Pleuels für eine Nfz- Anwendung und Versuchsträger ENTWICKLUNG MTZ 02I2009 Jahrgang 70 128 Verdichtung

Zweistufiges variables Verdichtungsverhältnis durch exzen trische Kolbenbolzenlagerung

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Zweistufiges variables

Verdichtungs verhältnis durch

exzen trische KolbenbolzenlagerungDurch die Variabilität beim Verdichtungsverhältnis ist es möglich, den Kraftstoffverbrauch insbesondere hoch aufgeladener Ottomotoren zu reduzieren. Mit einem zweistufigen VCR-System (variable compression ratio) lässt sich ein großer Teil des Verbrauchsreduktionspotenzials einer vollvariablen Lösung nutzen. FEV hat verschiedene bekannte und neue Lösungen für zweistufige VCR-Systeme bewertet. Unter Berücksichtigung einer besonders preisgünstigen Herstellbarkeit der variablen Komponenten sowie einer guten Integrierbarkeit in bestehende Motor-konstruktionen stellt sich ein längenvariables Pleuel mit exzentrischer Lagerung des Kolbenbolzens im kleinen Pleuelauge als günstiges Konzept dar. Die selbsttätige Verstellung erfolgt dabei durch Ausnutzung von Gas- und Massenkräften.

Ausgeführte Konstruktion eines VCR-Pleuels für eine Nfz-

Anwendung und Versuchsträger

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MTZ 02I2009 Jahrgang 70128

Verdichtung

1 Motivationen und Potenziale

1.1 Potenziale bei Ottomotor-BrennverfahrenÜber den Nutzen variabler Verdichtung bei fremdgezündeten Verfahren wurde bereits umfangreich berichtet [1, 2, 3, 8, 9, 11], die wesentlichen Vorteile lassen sich wie folgt zusammenfassen: Bei Voll-last können mittels lastangepasster Ver-dichtung die Klopfneigung reduziert und damit die darstellbare Volllast ge-steigert beziehungsweise der Wirkungs-grad verbessert werden. Auch lassen sich Vorentflammungsrisiken sowie das Mega-klopfpotenzial entschärfen und die Ru-ckelneigung aufgrund später Verbren-nungsphasenlagen reduzieren. Darüber hinaus ergibt sich zusätzliches Potenzial zur Steuerung der Abgastemperatur und damit für den Bauteilschutz. Bei Teillast ergeben sich exemplarisch die in Bild 1 dargestellten Verbrauchspotenziale.

Die durch Direkteinspritzung mög-liche Verdichtungssteigerung reduziert zunächst beim Saugmotor das Potenzial durch -Variabilität. Downsizing mit Auf-ladung lassen den Vorteil jedoch je nach Aufladegrad wegen der erforderlichen Verdichtungsabsenkung wieder bis auf 5 bis 10 % anwachsen. In Abhängigkeit der (mittleren) Fahrzeuggeschwindigkeit er-gibt sich bei aufgeladenen Motoren für unterschiedliche Fahrzyklen beziehungs-weise Konstantfahrt das in Bild 2 darge-stellte Kraftstoffverbrauchseinsparpoten-zial. Bei niedrigen Geschwindigkeiten können Vorteile von deutlich über 10 %,

bei hohen Geschwindigkeiten noch zirka 6 % erreicht werden. Dies hängt neben dem VCR-System auch von der Motor-Fahrzeugkombination ab. Nicht betriebs-punktoptimale -Einstellung und Hyste-reseeffekte führen zu etwas niedrigerem Potenzial für zweistufige Systeme.

Bei Selbstzündungsbrennverfahren lassen sich die Betriebsbereiche für die Selbstzündung sowohl zu niedrigerer als auch zu höherer Last erweitern. Die vari-able Verdichtung ist somit nicht nur mit modernen Ottomotor-Brennverfahren kombinierbar, sondern kann auch deren Wegbereiter sein.

1.2 Potenziale bei Nfz-DieselmotorenDie Einhaltung heutiger und zukünf-tiger Abgasgesetzgebungen für Nfz-Die-selmotoren erfordert im Gegensatz zu Pkw-Dieselmotoren eine Reduzierung der NOx-Emissionen im gesamten Motor-betriebsbereich inklusive der Volllast. Ei-ne sehr effiziente Maßnahme zur Redu-zierung der NOx-Rohemissionen ist der Betrieb mit hohen AGR-Raten. Gleichzei-tig sollte das Verbrennungsluftverhältnis beibehalten werden, um die Partikel-emissionen niedrig zu halten. Unter der Randbedingung, dass das Volllastdreh-moment gleich bleibt beziehungsweise noch gesteigert werden soll, muss ein entsprechend hoher Ladedruck bereitge-stellt werden. Dadurch bedingt nimmt der Spitzendruckbedarf stark zu, was Verstärkungsmaßnahmen an der Motor-struktur oder sogar eine komplette Mo-torneukonstruktion erfordert. Die vari-

Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger ist Leiter des Lehr-

stuhls für Verbren-

nungskraftmaschinen

(VKA) der RWTH

Aachen.

Dr.-Ing. Karsten Wittek ist Abteilungsleiter in

der Sparte Konstruk-

tion bei der FEV Mo-

torentechnik GmbH

in Aachen.

Dipl.-Ing. Christof Tiemann ist Senior Project

Manager in der Sparte

Konstruktion bei der

FEV Motorentechnik

GmbH in Aachen.

Bild 1: Verbrauchs-reduktion durch VCR (Teillast)

MTZ 02I2009 Jahrgang 70 129

able Verdichtung stellt hier eine mög-liche Alternative dar. Das Verdichtungs-verhältnis wird bei hohen Lasten so weit reduziert, dass der maximal auftretende Gasdruck die Spitzendruckfestigkeit ei-ner existierenden Motorstruktur nicht überschreitet.

2 Übersicht und Bewertung von VCR-Systemen

Zur Realisierung eines variablen Verdich-tungsverhältnisses muss das Kompressi-onsvolumen variiert werden. Bild 3 zeigt die unterschiedlichen Möglichkeiten und eine sich daraus ergebende Eintei-lung der VCR-Systeme. Die Variation des Kompressionsvolumens kann dadurch bewerkstelligt werden, dass ein schalt-bares Zusatzvolumen im Zylinderkopf realisiert wird, oder die Position des Kol-bens im oberen Totpunkt variiert wird. Die Variation der Kolbenposition in OT kann zum einen durch Einsatz eines un-konventionellen Triebwerkes erfolgen, beispielsweise wird das Pleuel zweiteilig ausgeführt und durch eine zusätzliche Stange angelenkt, oder die Kraftübertra-gung vom Kolben auf die Kurbelwelle er-folgt mittels eines Zahnstangengetriebes [8]. Zum anderen kann bei Beibehaltung eines konventionellen Kurbeltriebs die Variation der Kolben-OT-Position durch Veränderung des Abstandes zwischen Kurbelwelle und Zylinderkopf oder der kinematisch wirksamen Längen des Kur-beltriebs dargestellt werden. Die Ab-standsänderung von Kurbelwelle zu Zy-

linderkopf kann dadurch erreicht wer-den, dass der Zylinderkopf zusammen mit dem Zylinderrohr gegenüber den La-gerstühlen geschwenkt wird, wie beim System von Saab [9], oder durch transla-torisches Verfahren der Zylinderkopf-Zy-linderrohreinheit. Durch eine exzent-risch gelagerte Kurbelwelle wird ebenso eine Abstandsänderung erreicht [2, 12]. Die Variation der kinematisch wirk-samen Längen stellt das wohl weitläu-figste Feld der Möglichkeiten dar: Kom-pressionshöhe, Pleuellänge und Kurbel-radius können sowohl mittels exzent-rischer Lagerstellen oder mit Hilfe von Linearführungen variiert werden.

Alle Systeme bringen, neben ihrer ge-wünschten Eigenschaft das Verdichtungs-verhältnis variieren zu können, auch

mehr oder weniger stark ausgeprägte Nachteile mit sich. Die sehr große Viel-falt in der mechanischen Realisierung von variabler Verdichtung legt den Schluss nahe, dass sich die VCR-Systeme hinsichtlich Ihrer Eignung für den moto-rischen Betrieb und der Serientauglich-keit mitunter stark unterscheiden. Bild 4 zeigt eine Bewertungsmatrix der unter-schiedlichen VCR-Systeme. Die Volumen-zuschaltung im Zylinderkopf führt bei Betrieb mit niedriger Verdichtung zu ei-ner ungünstigen Brennraumform auf-grund des großen Oberflächen-Volumen-verhältnisses. Zudem lässt sich das Zu-schaltvolumen bei heute üblichen Vier-ventil-Zylinderköpfen nicht realisieren.

Die Systeme mit unkonventionellen Triebwerken ermöglichen zwar eine kon-tinuierliche Verstellung bei einfacher -Bestimmbarkeit, stellen aber aufgrund ihres großen Bauraumbedarfes in Motor-querrichtung einen starken Eingriff in die Motorarchitektur dar, was einen ho-hen Änderungsaufwand an einer beste-henden Produktion nach sich ziehen würde. Der Reibungsnachteil aufgrund zusätzlicher Lagerstellen und einer hö-heren oszillierenden Masse wird dagegen durch eine geringere Kolbenseitenkraft teilweise kompensiert.

Die Systeme, bei denen der Abstand zwischen Kurbelwelle und Zylinderkopf variiert wird, eignen sich alle zur Darstel-lung einer kontinuierlichen Verstellung, und weisen zudem den großen Vorteil auf, dass das Triebwerk vollständig unver-ändert übernommen werden kann.

Bild 2: Verbrauchsreduktion durch VCR (im Fahrzeug)

Bild 3: Einordnung VCR-Systeme

ENTWICKLUNG

MTZ 02I2009 Jahrgang 70130

Verdichtung

Beim Schwenken oder Verfahren des Zylinderkopf-Zylinderrohrverbundes wird die Motorgrundkonstruktion eben-so wie im Fall der unkonventionellen Triebwerke sehr stark verändert. Der Bauaufwand für Aktuatorik, Abdichtung des Kurbelraumes sowie für die Ankopp-lung der mitbewegten Ansaug- und Ab-gasanlage ist als hoch zu bewerten, was sich letztendlich ungünstig auf Herstell-kosten und das Fahrzeugpackage aus-wirkt.

Eine in Exzentern gelagerte Kurbel-welle kann mit wesentlich geringerem Änderungsaufwand dargestellt werden. Die Motorarchitektur bleibt dabei nahe-zu unbeeinflusst; allerdings muss der sich dabei ergebende Achsversatz zwi-schen Kurbelwelle und Getriebeeingangs-welle überbrückt werden. Die dazu erfor-derliche Ausgleichskupplung stellt eine Quelle zusätzlicher Reibleistung dar und ist auch nicht neutral in Bezug auf die Motorlänge zu realisieren.

Die meisten Systeme, die eine kinema-tisch wirksame Länge ändern, eignen sich nicht zur Ausführung einer konti-nuierlichen Verstellung. Der große Vor-teil dieser VCR-Systeme ist aber der, dass die konventionelle Motorarchitektur na-hezu unbeeinflusst bleibt und sich da-durch nur geringe Auswirkungen auf die Produktion ergeben. Eine Sonderstellung nimmt das System mit permanent ange-lenktem, exzentrisch gelagertem Kolben-bolzen ein [11]. Es ermöglicht durchaus eine kontinuierliche -Verstellung, aller-

dings mit wiederum größeren Auswir-kungen auf die Motorarchitektur und die Produk tion. Von den anderen hier ge-zeigten bevorzugt zweistufig ausgeführ-ten Systemen ist das längenvariable Pleu-el mit exzentrischer Kolbenbolzenlage-rung hinsichtlich Integrierbarkeit und Herstellkosten besser zu bewerten. Nach-teilig sind die steigenden oszillierenden Massen. Das längenvariable Pleuel mit Exzenter im großen Pleuelauge kann ebenfalls einfach in eine bestehende Mo-torkonstruktion integriert werden, bei geringerer Zunahme der oszillierenden Massen. Allerdings ist wegen der übli-cherweise einteiligen Kurbelwelle der Exzenter geteilt auszuführen, so dass der Bauaufwand und damit die Herstellkos-ten als ungünstiger zu bewerten sind.

Die Darstellung eines variablen Kur-belradius mit Exzenter auf dem Hubzap-fen führt zu einer signifikanten Zunah-me des Pleuellagerdurchmessers mit entsprechender Zunahme der Trieb-werksreibung. Beim Kolben mit variabler Kompressionshöhe müssen die Abdich-tung und die Aktuierung im mechanisch und thermisch hoch belasteten Kolben integriert werden, was eine große tech-nische Herausforderung darstellt.

Zur abschließenden Bewertung der Systeme ist es erforderlich, die Vergleichs-kriterien zu gewichten. Diese Gewich-tung ist jedoch von den jeweiligen Rand-bedingungen eines jeden Herstellers ab-hängig und kann daher nicht allgemein-gültig formuliert werden.

Aus Sicht von FEV sind solche Syste-me zu bevorzugen, die sich möglichst einfach in eine konventionelle Motorar-chitektur integrieren lassen und sich durch geringe zusätzliche Herstellkos-ten auszeichnen. Auf diese Weise kann ein VCR-Motor als Variante eines konven-tionellen Motors produziert werden, oh-ne weitgehend eigene Fertigungseinrich-tungen vorhalten zu müssen. Das setzt voraus, dass sich die VCR-spezifischen Bauteile in Modulen zusammenfassen lassen, und anstelle der konventionellen Komponenten montiert werden können [4]. Die zusätzlichen Herstellkosten müs-sen mit dem Kundennutzen in einem sinnvollen Verhältnis stehen, um im Wettbewerb mit konkurrierenden Tech-niken zur Verbrauchsminderung beste-hen zu können.

Vor dem Hintergrund dieses tech-nisch-ökonomischen Spannungsfeldes fokussieren sich die Entwicklungsar-beiten bei FEV auf zwei Systeme:1. Zur Darstellung einer kontinuier-

lichen Verstellung wird bei FEV das System der exzentrisch gelagerten Kurbelwelle verfolgt, bezeichnet als System „Kurbelwellenverlagerung“ [1, 2, 4, 12, 13].

2. Als zweistufige Lösung arbeitet FEV am System des längenvariablen Pleu-els mit exzentrischer Kolbenbolzenla-gerung und Nutzung der Triebwerks-kräfte zur Verstellung, bezeichnet als System „längenvariables Pleuel“ oder „VCR-Pleuel“.

Bild 4: Vergleich VCR-Systeme

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Dieses VCR-Pleuel wurde bei FEV bislang sowohl für eine Pkw-Ottomotorenanwen-dung als auch für eine Nfz-Dieselmotor-anwendung entwickelt, was in den fol-genden Abschnitten dieses Beitrages nä-her beschrieben wird.

3 Zweistufiges VCR-System „längenvariables Pleuel“

3.1 FunktionsprinzipDie Variation der Pleuellänge ergibt sich infolge einer Verdrehung eines im klei-nen Pleuelauge gelagerten Exzenters. Das auf den Exzenter wirkende Moment entsteht durch Überlagerung von Gas- und Massenkräften und wird zur Verstel-lung genutzt. Dies ist die Kernidee zur Darstellung einer kosteneffizienten Lö-sung, da keine teueren und leistungsfä-

higen Aktuatoren erforderlich sind und alle Funktionselemente in nur einer Komponente, dem Pleuel, konzentriert sind [10]. Wie in Bild 5 dargestellt, nimmt das Exzentermoment beim Viertakt-Ver-fahren innerhalb eines Arbeitsspiels po-sitive und negative Beträge an, so dass eine Verstellung in beide Richtungen möglich ist.

3.1.1 AbstützmechanikBild 6 zeigt Schnitte einer ausgeführten Konstruktion des VCR-Pleuels für eine Ot-tomotoranwendung im Pkw. Das am Ex-zenter anliegende Moment wird über An-lenkstangen auf Hydraulikkolben abge-stützt. Die beiden Stützkammern sind über jeweils ein Rückschlagventil mit dem Ölkreislauf verbunden und können mittels eines 3/2-Wegeventils zum Kurbel-raum geöffnet werden. Auf diese Weise

kann einer der Hydraulikkolben eintau-chen und Öl aus seiner Stützkammer ver-drängen, während sich die andere Stütz-kammer füllt. Der Exzenter kann sich so-mit nur in eine Richtung drehen. Der Verstellvorgang erstreckt sich über meh-rere Motorarbeitsspiele, wobei die Anzahl der zur Verstellung benötigten Arbeits-spiele außer vom Motorbetriebspunkt auch vom hydraulischen Widerstand ab-hängt. Dieser hydraulische Widerstand kann über Blenden eingestellt werden und sollte derart ausgelegt werden, dass die Verstellung so schnell wie möglich er-folgt, um einerseits beispielsweise klop-fende Verbrennung bei Lastsprüngen von Teillast auf Volllast zu vermeiden und um andererseits bei Lastsprüngen Richtung Teillast die Wirkungs gradvorteile von ho-her Verdichtung möglichst sofort nutzen zu können. Allerdings muss die Verstellge-schwindigkeit hin zu hoher Verdichtung zwecks Vermeidung folgender uner-wünschter Effekte begrenzt werden:– Entstehung von Kavitation am Rück-

schlagventil an der sich vergrößern-den Stützkammer

– unzulässig hohe Stossbelastung der Abstützmechanik beim Erreichen der Endanschläge.

Anhand von Simulationsrechnungen konnte gezeigt werden, dass es generell möglich ist, Umschaltzeiten von weniger als einer Sekunde darzustellen.

3.1.2 Initiierung der VerstellungDie Umschaltung der Drehrichtung des Exzenters wird durch Betätigung des als mechanischen Schalter ausgeführ-ten 3/2-Wegeventils eingeleitet. Die da-zu erforderliche axiale Verschiebung des Ventilkörpers wird durch zwei Kur-venscheiben realisiert, wie in Bild 7 ge-zeigt. Die Kurvenscheibe zur Initiierung eines Verstellvorganges hin zu niedriger Verdichtung befindet sich in der Abbil-dung in ihrer Arbeitsstellung. Die Funk-tionsfläche der einzelnen Kurvenschei-be besteht aus einer schräg stehenden Fläche, welche die Horizontalkompo-nente der Bahnkurve der Ventilkörper-achse in die gewünschte axiale Ver-schiebung wandelt. Der Ventilkörper wird mittels einer Feder-Kugel-Rastkom-bination in der jeweiligen Endposition arretiert, so dass es bei den weiteren Motorumdrehungen zu keinen wei-teren Berührungen mehr kommt. Die

Bild 6: Aufbau des VCR-Pleuels

Bild 5: Entstehung des Exzentermomentes

ENTWICKLUNG

MTZ 02I2009 Jahrgang 70132

Verdichtung

Änderung des Schaltzustandes wird durch gegensinniges Verfahren der Kur-venscheiben erreicht.

In der gezeigten Ausgestaltung befin-det sich der mechanische Schalter direkt unterhalb des kleinen Pleuelauges. Die beiden Kurvenscheiben befinden sich zwischen der Einhüllenden der rotie-renden Kurbelwellengegengewichte und der Einhüllenden des oszillierenden Kol-bens. Diese Anordnung hat den Vorteil, dass die Bahngeschwindigkeit des Ventil-körpers zum Zeitpunkt des Kurvenschei-benkontaktes relativ gering ist. Generell gibt es eine Vielzahl weiterer Lösungen zur Betätigung eines mechanischen Um-schalters auf dem bewegten Pleuel von außen, wobei sich die Betätigung mittels

Kurvenscheiben bislang als die robustes-te Lösung erwiesen hat.

3.2 Funktionserprobung im geschleppten MotorbetriebDie Funktion des längenvariablen Pleuels in der beschriebenen Ausführungsform wurde zunächst anhand von geschlepp-ten Prüfstandsversuchen untersucht. Da-zu wurden Umschaltversuche bei unter-schiedlichen Drehzahlen durchgeführt. Die Änderung der Verdichtung kann da-bei im Versuch durch Aneinanderreihung der gemessenen Spitzendruckwerte ver-folgt werden, wie in Bild 8 exemplarisch für einen Umschaltvorgang von hoher auf niedrige Verdichtung bei ungedrosseltem, geschlepptem Betrieb gezeigt.

Es ist davon auszugehen, dass die Ver-stellzeiten im gefeuerten Betrieb und bei entsprechend hohen Lasten kürzer wer-den, da der höhere Gasdruck die Verstel-lung hin zu niedriger Verdichtung be-günstigt. Zudem wurden die hydrau-lischen Widerstände zur Demonstration der grundsätzlichen Funktionsfähigkeit dieses Systems noch nicht auf maximale Verstellgeschwindigkeit hin optimiert.

Nachdem die prinzipielle Funktion im gesamten Drehzahlbereich und für unterschiedliche Saugrohrdrücke nach-gewiesen worden ist, galt es zu prüfen, inwieweit sich die Verstellzeiten als re-produzierbar darstellen und ob grund-sätzliche Schwachpunkte hinsichtlich Dauerhaltbarkeit bestehen. Zu diesem Zweck wurden zirka 70.000 Umschal-tungen bei verschiedenen Drehzahlen durchgeführt und die Umschaltzeit in festen Abständen aufgenommen. Wie in Bild 9 gezeigt, ändern sich die Umschalt-zeiten über das Erprobungsprogramm nur unwesentlich. Die Bauteile wurden anschließend demontiert und begut-achtet. Es ließen sich keine nennens-werten Anzeichen von Verschleiß erken-nen [10].

3.3 Weiterentwicklung des VCR-Pleuels für Anwendungen im OttomotorNach Überprüfung der grundsätzlichen Funktionsfähigkeit des VCR-Pleuels wur-de die konstruktive Ausgestaltung signi-fikant unter Berücksichtigung folgender Ziele überarbeitet:– Reduzierung der oszillierenden Masse– Reduzierung der Umschaltzeiten– Auslegung der Pleuelstruktur und der

Abstützmechanik auf eine Spitzen-druckbelastung von 140 bar.

Bild 8: Umschaltvorgang bei geschlepp tem Betrieb

Bild 9: Reproduzierbarkeit Umschaltverhalten

Bild 7: Aktuierung mittels Kurvenscheiben

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Diese sich zum Teil entgegenstehen-den Ziele wurden durch Einsatz leistungs-fähiger Berechnungswerkzeuge einerseits und durch Materialsubstitution von Stahl zu Aluminium für den Exzenter erreicht. Bild 10 zeigt die letzte Entwicklungs stufe.

Ein wesentliches Konstruktionsmerk-mal ist die asymmetrische Ausgestaltung der Stützkammern, um das in der jewei-ligen Richtung wirksame Exzentermo-ment bedarfsgerecht abzustützen. Beim Umschalten von hoher aufniedrige Ver-dichtung muss „nur“ noch das kleine Stützkammervolumen gefüllt werden, so dass die Umschaltgeschwindigkeiten in dieser Verstellrichtung auf Werte unter 1 s reduziert werden.

Während die gesamte oszillierende Masse beim ersten Versuchsträger noch 45 % über dem Wert des Serientrieb-werks liegt, reduziert sich die Zunahme der oszillierenden Masse beim weiterent-

wickelten VCR-Pleuel auf 30 % gegenüber dem Serientriebwerk.

Um den Einfluss der Zunahme der os-zillierenden Masse auf die Motorreibung zu quantifizieren, wurden Reibungsmes-sungen durchgeführt mit einem Trieb-werk, dessen oszillierende Masse exemp-larisch um 50 % vergrößert worden ist, Bild 11: Für den zyklusrelevanten Betrieb-spunkt 2 bar bei 2000/min nimmt die Motorreibung um weniger als 3 % zu, was zu einer Verbrauchszunahme von weniger als 1 % führen würde. Die zu-sätzlichen oszillierenden Massen wür-den den wirkungsgradbedingten Vorteil von variabler Verdichtung also nur un-wesentlich mindern.

3.4 Konstruktive Ausgestaltung eines VCR-Pleuels für Nfz-DieselmotorenIn dem von der EU geförderten Projekt „GREEN“ wurde ein VCR-Pleuel für einen

Nfz-Dieselmotor konstruiert und für eine Spitzendruckbelastung von 180 bar aus-gelegt. Eine große Herausforderung stell-te dabei die Gestaltung der Abstützme-chanik im verfügbaren Bauraum des Seri-enkolbens dar. Die als Prototyp umgesetz-te Konstruktion ist im Titelbild gezeigt. Die Verdichtungsstufen betragen 14 und 17.

Die Aktuierung erfolgt hierbei nach demselben Prinzip wie bei der Pkw-Aus-führung, allerdings ist das 3/2-Wegeven-til im Pleuellagerdeckel integriert und wird über Kurvenscheiben betätigt, die unterhalb der Kurbelwelle angeordnet sind. Der Kolben und der Kolbenbolzen konnten weitgehend unverändert vom Serienmotor übernommen werden. Die Zunahme der oszillierenden Gesamtmas-se beläuft sich auf 19 %.

3.5 Funktionserprobung im gefeuerten MotorbetriebDie gefeuerten Testläufe wurden an einem Dieselmotor mit sechs Zylindern für Nfz durchgeführt. -Umschaltungen im gesamten Betriebsdrehzahl und -last-bereich wurden untersucht. Die Schalt-zeiten von 14 auf 17 und umgekehrt lagen im Bereich von 1 bis 2 s. In Bild 12 ist der Verlauf des Spitzendruckes über der Anzahl der Arbeitsspiele exemplarisch für einen Hochlastbetriebspunkt darge-stellt. Der Übergang zwischen beiden Ver-dichtungsstufen erfolgt auch im gefeuer-ten Betrieb wie schon bei den geschlepp-ten Erprobungen monoton und stetig.

Zwecks Erlangung eines tieferge-henderen Systemverständnisses wurde der Exzenterverdrehwinkel mittels am Pleuel angebrachter Wegsensoren, als Funktion des Kurbelwinkels gemessen und aufgezeichnet. Bild 13 zeigt die An-

Bild 11: Einfluss einer oszillierenden Massenzunahme um 50 % auf die Gesamtmotorreibung Bild 12: Spitzendruckverlauf bei einem Umschaltvorgang bei hoher Last

Bild 10: Weiter-entwickelte konstruktive Ausgestaltung des VCR-Pleuels

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ordnung der Wegsensoren im Pleuelkopf sowie die applizierte Messschwinge zur Führung der Sensorkabel. In Bild 14 ist der Verlauf der Pleuellängenänderung, wel-che sich aus dem aufgezeichneten Exzen-terverdrehwinkelverlauf errechnen lässt, für einen Zyklus dargestellt. Das ausge-wählte Arbeitsspiel liegt innerhalb eines Verstellvorganges von hohe auf niedrige Verdichtung. Erkennbar sind die ausge-prägte Veränderung der Pleuellänge nahe dem Zünd-OT und die im übrigen Bereich gleich bleibende Pleuellänge. In allen an-deren aufgezeichneten Umschaltvorgän-gen ist ein analoger Verstellverlauf zu beob achten.

4 Schlussfolgerungen

Die Variabilität der Verdichtung als ein Haupteinflussparameter auf den Wir-kungsgrad wird zunehmend an Interesse gewinnen. Beim Ottomotor wird dies durch den Drang nach hohem Downsi-zinggrad und dem Charme, die Verdich-tung dem Lastzustand im gesamten Kenn-feld optimal anpassen zu können, forciert. Auch in Verbindung mit zukünftigen neuen Brennverfahren wie CAI oder für alternative Kraftstoffe kann VCR weitere Optimierungspotenziale erschließen.

Bei zweistufigen VCR-Lösungen entwi-ckelt FEV ein längenvariables Pleuel mit exzentrischer Kolbenbolzenlagerung, das unter Nutzung der Triebwerkskräfte selbsttätig verstellt. Die Funktion dieses VCR-Systems wurde sowohl im geschlepp-ten als auch im gefeuerten Motorbetrieb nachgewiesen. Das angewandte Prinzip der Nutzung der Gas- und Massenkräfte zur Verstellung hat sich im Rahmen der durchgeführten Versuche als robust und zuverlässig erwiesen.

Die dargestellten Ergebnisse stellen vielversprechende Schritte auf dem Weg zur Serienumsetzung der variablen Ver-dichtung dar, die unter dem hohen Druck der CO2-Emissionsminderung insbesonde-re im Rahmen des Downsizing-Trends von großer Bedeutung sein könnten.

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Verbrennungsmotor durch exzentrische Kurbelwel-

lenverlagerung. Dissertation RWTH Aachen, 2001

Bild 14: Pleuellängen-änderung während einer Verstellung in der Hochdruckphase

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Bild 13: Einbau der Wegsensoren und Messschwinge

Danksagung

Die hier gezeigten Ergebnisse sind teilweise aus Arbeiten entstanden, die von der Europä-ischen Gemeinschaft gefördert wurden (Pro-jekt: Green Heavy Duty Engine im Rahmen des 6. Rahmenprogrammes).

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