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Zwischen Nutzung und Nutzern zweiundzwanzig Zwischennutzer erzählen. - Anina Riniker

Zwischen Nutzung und Nutzern - zweiundzwanzig Zwischennutzer erzählen

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„Zwischen Nutzung und Nutzern“ stellt zwei Schweizer Zwischennutzungen und 22 direkte und indirekte Zwischennutzer vor, die von ihren Erfahrungen als Betreiber und Untermieter des Kulturlokals Royal Baden und des Neubads Luzern erzählen. Anina Riniker, 2014

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Zwischen Nutzung und Nutzern

zweiundzwanzig Zwischennutzer erzählen.

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Anina Riniker

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Welche Gründe motivieren Sie um Energie, Geld und Zeit in eine temporäre Nutzung zu stecken?

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Vorwort

„Zwischen Nutzung und Nutzern“ stellt zwei Zwischennutzungen und 22 direkte und indirekte Zwischennutzer vor, die von ihren Erfahrungen als Betreiber und Untermieter des Kulturlokals Royal Baden und des Neubads Luzern erzählen.

Das im Rahmen meiner Maturaarbeit entstandene Buch soll in erster Linie meinem Umfeld die Existenz von Zwischennutzungen bewusst machen. Zudem möchte ich mit diesem Portraitbuch Jungunterneh-men und Selbständige dazu motivieren, sich in eine Zwischennutzung einzumieten beziehungsweise eine solche zu gründen. Die Beweggrün-de und Ratschläge temporärer Nutzer und mögliche negative Aspekte einer Zwischennutzung schliessen das Buch ab.

Das Thema Zwischennutzung interessiert mich auf Grund der Verknüpfung von Kultur und Wirtschaft, Nachhaltigkeit und Vergäng-lichkeit, Stadtplanung und Subkultur.

Anina Riniker, 2014

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Definition des Begriffes Zwischennutzung

Eine Zwischennutzung bespielt ein leerstehendes Gebäude be-ziehungsweise ein brachliegendes Areal, welches eingangs zu einem anderen Zweck geplant und gebaut wurde.

Zwischen der ursprünglichen Nutzung und der Zwischennutzung muss kein dringender thematischer Zusammenhang bestehen. Die Zwischen-nutzung stellt eine Übergangsnutzung dar, welche sich zeitlich zwi-schen einer ursprünglichen und einer folgenden Nutzung befindet. Der Zeitraum einer Zwischennutzung ist oftmals unbestimmt, aber begrenzt. Beendet wird eine Zwischennutzung, wenn eine Umnutzung oder ein Neubau das Areal übernehmen.

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1913 - 2008 Kinobetrieb

Kulturlokal Royal Baden

2011 - 2016 Zwischennutzung

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Im Royal zu spielen, ist immer spannend und macht riesig Spass. Das Publikum ist so spektakulär divers, dass man – besonders als DJ – stets überrascht und herausgefordert wird. An der Leinwanddisco spiele ich jeweils mehr als sechs Stun-den lange Sets und während eines Abends kann sich das Publikum praktisch komplett ändern. Das ist eine echte Besonderheit und eine Qualität, die ich enorm schätze: das Royal schafft es mit seinem Charme und der liebevollen und engagierten Organisation, Menschen zusammenzubringen, die sich sonst im Nachtleben kaum treffen würden. Was mir persönlich besonders gefällt, ist die riesige Leinwand, die den Charakter des ehrwürdigen Kinos weiter trägt und in einen neuen Kontext bringt. An der Leinwanddisco bespielen beispielsweise Video-künstler den silbernen Schirm zur Musik der DJs. Diese Performances, die in gewöhnlichen Nachtclubs oft nur am Rande wahrgenommen werden, finden im Royal eine gebührende Bühne und begeistern die Musiker und das Publikum gleichermassen. Wenn man einmal eine Nacht in diesem wunderschönen Kino erlebt hat und sich vor Augen führt, wie divers die Veranstaltungen des Royals ausgelegt sind, ahnt man, wie viele Menschen von die-sem Lokal und seinen engagierten Veranstaltern regel-mässig begeistert und glücklich gemacht werden.

Zart Strøm

Tim Wettstein legt regelmässig unter dem Pseudonym Zart Strøm an der „Leinwanddisco“ im Royal auf.

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Früher Kino

Trotz 1912 erlassenem Kinoverbot durch den Badener Stadtrat will die exzentrische Dame Marie Antoine aus Paris ein Kino im Stadtkern von Baden bauen lassen. Tatsächlich erreicht sie durch persönliches Vorsprechen die Aufhebung des Verbotes.

Am 1. Juni 1913 wird das vom Badener Architekten Arthur Betschon gebaute Cinéma Radium eröffnet. Das Radium ist das erste Lichtspielhaus in Baden beziehungsweise im Kanton Aargau und einer der frühesten noch existierenden Kinobauten der Schweiz. Konkurrenz bekommt das Radium zehn Jahre später, 1923 und 1928, als die zwei neuen Kinos Orient und Sterk eröffnet werden. Der Konkurrent Sterk übernimmt 1935 das Lichtspielhaus und benennt es in Royal um.

Nach der Sanierung und dem Umbau des Kino Sterk hat das Royal im Jahre 2008 ausgedient und wird geschlossen. Der Kinosaal wird nach der Schliessung noch für einzelne Anlässe, wie beispielsweise das Animationsfilmfestival Fantoche, genutzt.

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Heute Kulturlokal

Im Februar 2010 verkauft die Firma Sterk das ehemalige Lichtspielhaus an die Immobilienfirma F. Aeschbach AG (heutige ZURIBA AG). Ende November 2010 wird das Abrissgesuch für das ehemalige Kino von einem zukünftigen Mitglied des Vereins Mon Royal im Internet entdeckt. Das Kino Royal soll 13 Parkplätzen weichen. Im Dezember des glei-chen Jahres reicht die neu gegründete Interessengruppe eine Petition zur Verhinderung des Abbruchs sowie ein Konzept für einen Kultur-betrieb beim Stadtrat ein. Das Abrissgesuch und der darausfolgende Parkplatzbau werden nicht bewilligt. Die Empfehlung der kantonalen Denkmalpflege, dass man das Royal schützen sollte, wird vom Stadtrat Baden allerdings abgelehnt.

Die Stadt vermietet dem im Februar 2011 gegründeten Verein Royal Baden das Kino Royal als kulturelle Zwischennutzung. Am 28. Oktober 2011 öffnet das neue Kulturlokal Royal zum ersten Mal seine Tore.

Die zweite Petition zur Erhaltung des Kulturhauses wird im Juni 2014 durch ein unabhängiges Komitee gestartet.

Zentral sind noch heute das Medium Bild und die Leinwand, das ehe-malige Kino wird als multimediale Kulturbühne genutzt. Die Betreiber und Veranstalter werden auf den folgenden Seiten portraitiert.

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Marc Angst

Ja, sowieso. Aber als Aktivist ist es mir wichtig, Stadtplanung auch von unten zu machen und nicht, so wie ich das studiert habe, nur von oben. Hier im Royal habe ich eigentlich als Architekt den ganzen Umbau mit diesen Leuten geplant, habe die Bauleitung gemacht. Wir haben die Ideen, Ansprüche und vor allem die Erfahrungen, beispielsweise vom Kuba [ehemaliger Kulturbetrieb in Baden, Zwischennutzung, geschlos-sen November 1998, Anm. d. Autorin], zusammengetragen.

Hat Ihre Tätigkeit als Stadtplaner und Architekt Einfluss auf das Projekt?

Wir, die Mitglieder die Kerngruppe, haben in diesen drei Jahren knapp drei Generalversammlungen hinbekommen. Eigentlich sind wir formal extrem unstrukturiert, jeder bringt sich dort ein, wo er sich auskennt und Lust dazu hat, sich zu engagieren. So haben sich Kompetenzbereiche herausgebildet, welche nun als feste Ressorts mit verantwortlichen Leuten funktionieren. Ich und ein paar andere sind für die Hauswartung zuständig: Glühbirnen wechseln, Heizöl bestellen, plakatieren, die Büh-nenbilder und Saaleinrichtung vervollständigen und organisieren.

Wie ist der Verein organisiert?

Eigentlich erstaunlich wenig. Beim Baulichen war der Untersuch der Kanalisation der grösste Schock, als herauskam, dass diese in relativ schlechtem Zustand ist. Aber da es eine Zwischennutzung ist, wurde entschieden, dass wir es für die nächsten fünf Jahre noch so lassen können. Da wäre ich ratlos gewesen, hätten wir das reparieren müssen.

Welche unvorhersehbaren Probleme und Stolpersteine haben sich im Verlauf der Gründung aufgezeigt?

Wir haben viel selber gemacht. Ausserdem haben wir versucht, möglichst viel Material gratis zu bekommen. Diese Fenster von der Künstlervitrine beispielsweise sind von einem Abbruchgebäude. Die Garderobe sind Gestelle vom Manor, die sie sonst weggeworfen hätten.

Mit welchen Mitteln wurde das Royal in der Startphase finanziert?

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Ja. Erfolgreich in dem Sinne, dass ganz viele verschiedene Faktoren zusammengespielt haben, dass wir mit der Petition auf offene Ohren gestossen sind. Mittlerweile wird das Projekt sogar zu einer organisato-rischen Herausforderung. Dadurch, dass wir viermal die Woche geöff-net haben und sechs verschiedene Mitveranstalter haben, nimmt es ein Ausmass an, welches wir als ehrenamtliches Unternehmen beinahe nicht mehr stemmen können. Wir sind eigentlich Opfer des eigenen Erfolgs geworden sind. Ohne uns selber zu beweihräuchern (lacht).

Stellt für Sie das Royal eine erfolgreiche Zwischennutzung dar?

Dass Baden einen kritischen Ort braucht, an welchem Menschen Ideen verwirklichen können, wo sich Musik, Theater, Video und Film abseits von Konsumzwang, kommerziellem Erfolg und Kulturförderung entfalten kann. Es ist auch eine Haltung zur Gesell-schaft: Eine andere Realität zu beweisen, jene der Ideen, des Enga-gements. Die Punk-Attitüde: Do it yourself, wobei mir das Ganze bei genauem Hinsehen nicht gar so diletantisch vorkommt, wie es müsste. Und natürlich, weil wir der Meinung sind, dass das Haus mit seiner fantastischen und auch widerständigen Geschichte und seiner Einzig-artigkeit so einen Betrieb verdient.

Welche Gründe motivieren Sie und Ihren Verein so viel Energie, Geld und Zeit in eine temporäre Nutzung zu stecken?

Royal

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Mhm. Das Wiederverwerten des Raumes, aber auch die ganze Aus-einandersetzung mit der Architektur, wie das Gebäude die Entfaltung der Menschen, die darin wohnen, leben und arbeiten, beeinflussen kann, interessiert mich. Die Faszination, was so ein Ort für eine Stadt ausmacht. Denn die lebendigen Orte einer Stadt findet man meistens in solchen Nischen. Dort kann Kunst, Kultur, aber auch Gemeinsames, Geselliges wie Vereine stattfinden.

Dann haben Sie auch eine gewisse Faszination für Zwischennutzungen?

Von der Stadt und vom kantonalen Lotteriefonds haben wir ein Start-kapital bekommen.

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Marc Angst

Royal Hauswart und Gründungsmitglied, Mitautor „Zone*imaginaire: Zwischennutzungen in Industrie-arealen“, Zeichner, Stadtplaner, Architekt

*1976

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Hier haben wir die besten Nachbarn, die es auf der Welt gibt. Wir bekommen eigentlich keine Reklamationen. Das liegt vielleicht unter anderem an diesem Schild, welches wir draussen aufgestellt haben. Wahrscheinlich spüren sie, dass wir Rücksicht nehmen und dass sie ernst genommen werden. Und viele der Nachbarn kommen auch als Gäste.

Wie reagiert die Nachbarschaft aufs Royal?

Nein, natürlich nicht. Aber in den Städten wirkt es sich am prekärsten aus. Dort ist der Verdrängungsdruck am stärksten und dement-sprechend ist es mehr ein Thema. Das gibt es aber natürlich auch auf dem Land.

Sind Zwischennutzungen nur städtische Phänomene?

Nein, überhaupt nicht. Das ist der komplette Schmelztiegel. Das einzige Vereinende eines Ausländervereins mit einer Band oder einer Guerilla-Bar ist das Bedürfnis nach Raum.

Kann man den typischen Zwischennutzer beschreiben?

Royal

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(lacht) Zwischennutzungen leben davon, dass sie guerillamässig sind und nicht immer ganz formell. Es ist jedes Mal ein extremer Aushand-lungsprozess mit den Behörden wegen den Bewilligungen und den Nachbarn. Von dem her ist mein Rat an Zwischennutzer, dass man sich davon nicht abschrecken lassen darf. Auch an die Öffentlichkeit gehen, sich Gehör verschaffen und darauf hinweisen.

Welchen Rat haben Sie an zukünftige Zwischennutzer?

Positiv finde ich, wenn es ein möglichst unbestimmter Freiraum ist. Wenn diese Leute, die darin aktiv werden, sich voll entfalten können. Weil erst dann, glaube ich, bekommt eine Zwischennutzung ihren besonderen Wert.

Welches sind die positiven Aspekte einer Zwischennutzung?

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Das war einfach die Definition, aber ein Zusammenhang wird nicht aus-geschlossen. Und eine Durchmischungen der Nutzer wie beispiels-weise beim Neubad [Luzern] gibt es irgendwie von selbst. Aber auch wenn man Anspielungen auf das Vorher macht, das Neubad ist trotz-dem kein Schwimmbad, das Royal kein Kino mehr. Das Wesen der Zwischennutzung ist, dass alles total offen ist.

Im Buch Zone*imaginaire steht: „Es gehört zum Wesen von Zwischen-nutzungen, dass sie nicht mit der ursprünglichen Nutzung in Verbindung stehen.“ Das Konzept des Royals ist aber doch noch soweit an die ehemali-ge Nutzung angepasst, dass das Medium Bild immer wieder vorkommt.

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Marc Angst

Werden sie nicht nur. Das sind die lauten, welche man nach aussen wahrnimmt. Aber es gibt auch viele Zwischennutzungen, wie das Oederlin [ehemalige Giesserei, Obersiggenthal-Rieden], welches nicht unbedingt wahrgenommen wird. Dort arbeitet beispielsweise ein Maurer, ein Schlosser, ein Möbelbauer. Natürlich gibt es auch ein paar Bands, aber das meiste ist eher nicht kulturell, sondern gewerblich. Gewerbliche, die handwerklich arbeiten und verhältnismässig viel Platz für wenig Wertschöpfung brauchen, haben ein ähnlich kritisches Dasein wie Kulturschaffende, darum findet man diese auch in zwischenge-nutzten Gebäuden oder Arealen.

Aus welchen Gründen werden Zwischennutzungen meistens kulturell genutzt?

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Eine Zwischen-nutzung bindet so viel Energie und Lebenszeit, dass andere Ideen nicht realisiert werden können. Daher eröffnet eine Beendigung auch wieder Chancen für etwas Neues. Wenn man aber einzelne, inhaltliche For-mate, wie zum Beispiel das Projekt Café Royal anschaut, ein wöchent-liches Treffen für Asylsuchende, dann schmerzt das schon. Und auch, wenn ich hier sitze und daran denke, wie jeder einzelne Nagel von Hand in diesen Boden geschlagen wurde, wie viel Zeit ich hier investiert

Wie werden Sie das Ende der Zwischennutzung wahrnehmen?

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Ich wünsche mir in erster Linie, dass sich die Öffentlichkeit bewusst wird, was hier eigentlich dahinter steckt, wie viele Leute hier mit Herz-blut und Liebe zum Kino gratis arbeiten. Zudem erhoffe ich mir kon-struktive Diskussionen und dass das Royal ein Ort sein könnte, wenn das die Badener Bevölkerung und Politik will, wo das stattfindet, das sonst keinen Platz hat. Dass es eine langfristige Bühne für Baden wird. Das ist ein hin und wieder vergessenes, aber wertvolles Wesen von Zwischennutzungen: Ein ergebnisoffener Prozess wird gestar-tet, der Energie und Einfallsreichtum aus der definierten Vergänglichkeit schöpft. Aus jeder erfolgreichen Zwischennutzung kann etwas Dauerhaftes werden. Dem sage ich Nachhaltigkeit.

Was wünschen Sie sich persönlich für das Kulturlokal?

Und das wirkt in einer Kleinstadt wie Baden natürlich noch viel extremer, als in einer Stadt wie Zürich. Wenn es noch 15 andere Lokale im gleichen Stil geben würde, dann wäre der Verlust von einem einzel-nen weniger gravierend. Hier in Baden kann man die Orte mit solchen Kulturangeboten aber an einer Hand abzählen. Darum sammelt ein unabhängiges Komitee jetzt wieder Unterschriften zum Erhalt des Royals [Petition Baden ist. Royal. seit Juni 2014], weil sie merken, dass ihnen etwas abhanden kommen wird.

Definitiv!

Royal

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habe. Zudem ist das Gebäude noch intakt, die Nachbarn reklamieren nicht. Der Betrieb könnte noch weitere 20 Jahre funktionieren. Und hier beim Royal wird auch Widerstand aus dem Volk gemacht, weil es ein alternativer Kulturort mit einer Zielgruppe zwischen 20 und 60 ist. Für ein solch breites Publikum gibt es kein anderes Angebot in Baden. Und dementsprechend wären die Leute dann enttäuscht, wenn das plötzlich nicht mehr ist.

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Royalroyal. Wir sind glücklich. Glücklich darüber, ein Kino zu haben, das nicht wie die meisten Lichtspielhäuser nur Filme mit Holly-woodkitsch abspielt. Wie vielerorts im Kunstbetrieb läuft auch in jenem des bewegten Bildes der wahre Hase meist abseits der Hauptstrasse, und angesichts dessen ist besagtes Kino ein echter Mehrwert im Kulturleben Badens. Es ermöglicht Interessierten, die Blüten des Genres in angemessener Atmosphäre zu genießen. Dass das Royal daneben auch anderen kulturellen Veranstal-tungen wie beispielsweise Konzertreihen eine wunder-schöne und einzigartige Plattform bietet, potenziert seine Bedeutung als Kulturlokal. Nicht, dass die liebe Kultur in der Mikropole Baden ganz allgemein zu kurz käme, aber so, wie sie vom Royal gelebt und geliebt wird, das findet man wahrscheinlich auch andernorts selten. Das Angebot ist neben dem abwechslungsreichen Programm nicht zuletzt auch trinktechnisch äusserst bereichernd und erfrischend. Wo sonst gibt es denn ein alkoholisches Mixgetränk mit dem Namen „Ich habe eine Axt!“? Und mit einer entfernten Verwandten dieser markanten Aussage möchten wir schließen, voll der Freude und Dankbarkeit, aber auch der Hoffnung, dass selbige auch in kommen-den Jahren ihre Gültigkeit bewahrt: Wir haben ein Royal!

Pamplona*Grup

Die Band Pamplona*Grup aus dem Grossraum Baden ist im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sputnik Royal“ im einstigen Kino aufgetreten. Dort trifft man die Musiker auch in ihrer Freizeit an.

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Baiba Bondare

Durch die Veranstaltungsreihe Sputnik Royal wollte ich die postsow-jetische Geschichte und Kultur ins Royal bringen. Diese Veranstaltungs-reihe wurde in diesen drei Jahren sehr erfolgreich, wird aber ab nächs-ter Saison so nicht mehr existieren.

Erzählen Sie kurz von der Veranstaltungsreihe Sputnik Royal.

Früher schon habe ich das wunderschöne Kino immer mal wieder besucht. Als man erfahren hat, dass das Kino verkauft wird beziehungs-weise, dass es abgerissen werden und Parkplätzen weichen soll, hat das eine grosse Reaktion der hier verankerten Leute ausgelöst. Da ich auch schon seit elf Jahren hier arbeite und wohne, ist es mir wichtig, was in dieser Stadt passiert. Theoretisch bin ich seit der Gründung des Royals dabei, bin aber nicht Mitglied des festen Kerns. Ich habe einen starken Bezug zum Royal entwickelt, vielleicht auch weil ich beim Um-bau mitgeholfen habe. Dieser einzigartige Ort ist einfach fantas-tisch, um schöne Sachen zu machen und es wäre schade, wenn er nicht bespielt wird.

Was verbindet Sie mit dem Royal?

Der Raum ist grossartig, so einen Veranstaltungsort findest du in der Schweiz beinahe nirgends. Zudem hat es eine spezielle Atmosphäre. Wenn ich im Royal bin oder dort veranstalte, fühle ich mich zu Hause, es ist sehr familiär. Und es gehört halt einfach zu Baden.

Was macht das Royal besonders?

Baden ohne das Royal wäre natürlich kulturell um einiges ärmer. In Baden gibt es allgemein sehr wenige Veranstaltungsorte. Für Kultur gibt es beinahe keinen verfügbaren Raum mehr und das ist ein Problem. Wenn diese Stadt den Ruf als Kulturstadt behalten will, dann finde ich es wichtig, dass sie diese Kulturorte bewahrt, die sie bereits hat.

Was wäre Baden ohne das Royal?

Royal

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Baiba Bondare

ehemalige Veranstalterin „Sputnik Royal“, Organisation Musikfestival One Of A Million, Gästebetreuung Fantoche Filmfestival, Verleih Videothek

*1978

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Es wäre natürlich unglaublich traurig, wenn es beendet wird. Wenn das Royal verschwindet, muss man eine neue Alternative suchen, dafür gibt es allerdings nicht mehr viele mögliche Orte. Andererseits kenne ich das schon, weil wir [Luftloch Kulturwerk Baden] ebenfalls einen Kul-turort betrieben und verloren haben. Wir haben von 2007 bis 2009 ein kleines Kulturcafé in Baden geführt, das „herbert“. Dieses mussten wir nach drei Jahren leider schliessen [wegen Reklamationen der Nachbar-schaft].

Wie werden Sie das Ende des Royals wahrnehmen?

Ich wünsche mir, dass es bestehen bleibt, dass es nicht einfach von der Erdfläche verschwindet (lacht). Und dass es weiterhin spannende kulturelle Highlights bringt. Das Royal hat sich zu einem der span-nendsten Kulturorte in Baden etabliert. Ich hoffe, dass wir hier noch möglichst lange veranstalten können.

Was wünschen Sie sich persönlich für das Kulturlokal?

Das Royal trägt sehr viel zum Thema Kreativität und Kunst in der Stadt Baden bei. Es ist wichtig, dass es solche Orte gibt, weil in unserer Massengesellschaft sehr viel nach Standard, Vorschriften und Regeln verläuft.

Royal

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Jessica Baldinger

Ich habe Unterschriften für die Petition gesammelt, war am Umbau be-teiligt und war in der Kernorganisation. Da bin ich mittlerweile allerdings nicht mehr mit drin. Zu Beginn habe ich kommuniziert, dass ich gerne Partys organisieren möchte. Das Grundkonzept des Royals war und ist, dass die Leinwand eine zentrale Rolle spielen soll. Daher stammt auch der Name „Leinwanddisco“.

Was verbindet Sie mit dem Kulturlokal?

Das alte Kino mit seiner Geschichte ist ein sehr besonderer Ort mit Charme. Das Innere des Royals hat sich durch den Umbau verändert, das Kulturlokal wurde zeitgemäss aufgewertet. Das Royal ist ein alternativer Ort, wo alle Jahrgänge zusammenkommen. Bei den Veran-staltungen, die wir mit Captain Zero durchführen, haben wir Leute von 20 bis 60 Jahren zu Besuch. Dies habe ich so in Baden noch an keinem anderen Ort erlebt und das macht es für mich sehr speziell.

Was macht das Royal speziell?

Die Kulturkommission der Stadt hat die Verantwortung übernommen und sich dafür eingesetzt, dass wir die Untermieter von Baden werden können. Natürlich wurde von der Stadt immer kommuniziert, dass diese Zwischennutzung ein Ende hat.

Was wäre das Royal ohne Baden?

Ich bin natürlich dagegen, dass dieses alte Kino abgerissen wird. Ein Abbruch wäre schade, weil dieser spezielle Ort eine Auf-wertung für die Stadt Baden ist. Zudem gibt es immer weniger Möglichkeiten, etwas Neues in diesem Stil aufzubauen, da die Stadt unnötigerweise verbaut wird. Im Falken-Areal [Neubau, der die umge-nutzte Brauerei ersetzte] stehen die Ladenlokale leer und gleichzeitig will man hier ein Gebäude hinbauen, in welchem auch Läden eröffnet werden sollen. Für mich geht diese Überlegung nicht auf.

Wie werden Sie das Ende des Royals wahrnehmen?

Royal

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Jessica Baldinger

Gründungsmitglied Royal, Veranstalterin „Leinwanddisco“, Oberstufenlehrerin

*1986

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Ich mache meine Partys im Royal, weil es ein Ort ist, der mich an früher erinnert. Ein Ort, den die Leute besuchen, um die Kultur, die Musik zu geniessen, um auch schon früh am Abend zu kommen, um Spass zu haben, es ist kein Saufgelage, sondern eine freudige Stimmung. Wir haben Gäste zwischen 16 und 70 Jahren, denen es ums Tanzen und die Musik geht. Das erinnert mich an die Zeiten, als die Musik noch einen höheren Stellenwert hatte. Und ich habe in den letzen 15 Jahren keinen Ort mehr gesehen, in dem es so wie im Royal ist.

Captain Zero

Pedro legt von Zeit zu Zeit als Captain Zero an der Veran-staltung „Leinwanddisco“ auf. Er ist der Inhaber des Musik-geschäftes ZERO ZERO in Baden.

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Das Royal soll leben,ich bin ihm loyal ergeben.

Simon Libsig

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Andi Hofmann

Der Verein ist demokratisch geführt und wird momentan nur durch ehrenamtliche Arbeit unterhalten. Neben dem Verein gibt es auch ganz viele Fremdveranstalter, welche die Liegenschaft nutzen und somit auch sehr viel zum Inhalt und zum Programm beitragen.

Wie ist der Verein organisiert?

In unserem Fall nicht: Als es um die Realisierung dieses Projektes ging, bekamen wir sehr gute Unterstützung von Seiten der Stadt. Der Druck auf die Stadt war allerdings ziemlich gross, da wir bei unserer Petition 4000 Unterschriften gesammelt hatten.

Ist es schwierig, in Baden eine Zwischennutzung zu initiieren?

Definitiv. In diesen drei Jahren haben wir jedes Jahr die Qualität ein bisschen mehr gesteigert und damit auch den Bekanntheitsgrad des Royals. Es ist auch überregional bereits sehr bekannt, mit den verschiedenen Bands haben wir Leute aus der ganzen Schweiz, die das dann zu sich nach Hause tragen und vom Royal erzählen. Zudem deckt das Royal einen Rahmen von Subkultur ab, der weder von städtischen noch von privaten Einrichtungen abge-deckt werden würde, bietet Raum für nicht kommerzielle Gefässe.

Ist das Royal inhaltlich eine erfolgreiche Zwischennutzung?

Ja, beim Royal war die Zeitung von Anfang an dabei, somit ist es auch eine politisch öffentliche Diskussion geworden.

Haben Sie Erfahrungen gemacht, dass die Medien für die Zwischen-nutzung sensibilisiert haben?

Das ist aus zwei Gründen entstanden. Der eine war, dass viele be-stehende Veranstalter keinen Raum mehr hatten, da subkulturelle

Wie ist man auf die Idee gekommen, das Royal durch verschiedene Veran-staltungen zu bespielen und somit eine „multimediale Kulturbühne“ zu gestalten?

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Nischen wie der Falken, das Gstühl oder das Kuba ausradiert wurden. So tragen die damals „obdachlosen“ Veranstalter zum gegenwärti-gen Programm des Royals bei. Der andere Grund ist, dass wir keinen [konkurrenzierenden], Kinobetrieb führen dürfen, dies aber auch gar nie wollten. Durch die Bühne, die Leinwand und die Bar ist es uns möglich, die Leute auf verschiedenen Kanälen anzusprechen.

Da sind wir von den Royals ziemlich verschieden. Ich persönlich bin da-für, dass man im Moment gute Sachen machen und Gutes bieten kann. Für mich muss nicht unbedingt alles ewig und immer sein. Und die Kraft für ein Projekt nimmt man dann aus dem Erfolg, wenn man merkt, dass etwas gut funktioniert, wenn andere Leute Begeisterung darin finden und wenn auch viel zurückkommt.

Welche Gründe motivieren Sie und Ihren Verein Geld, Zeit und Energie in eine temporäre Nutzung zu stecken?

Royal

Ich wünsche mir weiterhin viele Künstler und Kulturschaffende, die sich hier verwirklichen können, dass es eine breite Plattform für spezielle Formate bleiben soll. Ausserdem haben wir Royals ganz viele Ideen noch gar nicht verwirklichen können und wollen jetzt, in der verblei-benden Zeit, noch das eine oder andere geplante Projekt durchführen.Wir haben uns hier auch immer mit spannenden Partnern vernetzt. Beispielsweise war das Royal offizieller Veranstaltungsort für das Figura [Figurentheaterfestival in Baden] oder gehörte zum Festivalprogramm des Fantoche. Solche Sachen sind uns wichtig, damit man merkt, dass das ein total ernst zu nehmender Kulturbetrieb ist und nicht einfach einen Haufen von Chaoten, die was für sich machen (lacht).

Was wünschen Sie sich persönlich für das Kulturlokal und seine Zukunft? 31

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Andi Hofmann

Gründungsmitglied Royal, Filmer, Jugendarbeiter, Primarlehrer

*1977

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Nik Fischer

Als das Royal zwischengenutzt wurde, ist das zurückgekommen, was in den letzten Jahren in Baden verloren ging. Das Royal ist einerseits ein Ort, an dem ich veranstalte, sei es mit dem One Of A Million als Musik-festival oder mit unserer Konzertreihe One Of A Million Shows. Anderer-seits ist es auch einer der wenigen Orte in der Stadt Baden, an dem ich gerne meine Freizeit verbringe.

Was verbindet Sie mit dem Royal?

Zu einem grossen Teil die wunderbare Räumlichkeit. Man sieht und spürt die Geschichte des alten Gebäudes. Wenn wir auf Grund des Festivals oder der Konzertreihen Künstler ins Royal holen, gefällt ihnen das Lokal sehr gut und teilweise flippen sie beinahe aus. Durch das Gespräch mit Schweizer Bands weiss ich, dass sich das Royal einen Ruf geschaffen hat, dass man als Künstler glücklich ist, wenn man hier auftreten darf. Dieser ist mittlerweile auch über die Landesgrenze verbreitet. Die Bands kommen sehr gerne hierhin, weil das Royal so eine spezielle Atmosphäre, einen speziellen Charme hat. Und es ist oft der Fall, dass ich von Managern oder von Künstleragenturen Anfragen fürs Festival bekomme. Die Bands würden gerne am One Of A Million auftreten, wenn möglich im Royal.

Was macht das Royal besonders?

Das Royal ist Baden. Das sind Leute von Baden, die hier veranstalten, hier ein und aus gehen. Natürlich ist Baden aber schon immer, seit der Industrialisierung bis heute, eine sehr weltoffene Stadt gewesen. Von dem her denke ich auch, dass Baden als Stadt dem Royal eine Atmos-phäre verleiht, wie man sie nicht an vielen Orten in der Schweiz findet. Es ist eine kleine Stadt, die doch eine lebhafte Musik- und Kulturszene hat und davon profitiert das Royal natürlich.

Was wäre das Royal ohne Baden?

Royal

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Nik Fischer

Festivalchef One Of A Million, Geschäftsleitung Luftloch Kulturwerk, Soziokultureller Animator

*1977

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Das Royal ist ein Ort, der vor allem die alternative Szene beherbergt. Eine Szene, welche die Stadt sehr stark prägt und der Stadt Identität verleiht. Aus diesem Grunde finde ich das Royal einen sehr wichtigen Ort, es wäre sehr schade, wenn er wieder verloren gehen würde.

Die Stadt Baden braucht einen Ort wie das Royal, um dieses kreative, künstlerische Potenzial nach aussen zu bringen.

Was wäre Baden ohne das Royal?

Es wäre traurig, es wäre eine Sünde. Wenn es ein Royal nicht mehr geben würde, wäre das extrem schade. Einerseits natürlich wegen der Location. Ich fände es schlichtweg tragisch, wenn so ein Haus einem Neubau weichen müsste. Andererseits finde ich auch ganz wichtig, dass Kultur im Stadtzentrum stattfinden kann. Und wenn Kultur in einer Location wie dem Royal stattfindet, ist es einfach etwas Besonderes. Man könnte zwar das, was im Royal passiert, in irgendeiner Lokalität durchführen, aber es wird nie diese Ausstrahlung, nie diesen Charme haben.

Wie werden Sie das Ende des Royals wahrnehmen?

Royal

Ich wünsche mir nichts anderes, als dass das Royal so lange wie möglich erhalten bleibt. Es hat eine lange Geschichte, ich wüsste nicht, weshalb man diese Geschichte jetzt einfach so abbrechen sollte. Und ich hoffe, dass die Stadt so umsichtig und einsichtig ist, dass sie das Potenzial dieser einmaligen Örtlichkeit - es ist ja immerhin eines der ersten Kinos der Schweiz und hat kulturelles Potenzial - erkennt und alles dafür macht, dass das Royal weiterhin für Kultur erhalten bleibt.

Was wünschen Sie sich für das Kulturlokal? 35

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Simon Libsig

Ich habe das Royal schon besucht, als es noch ein Kino war. Danach bin ich erst wieder darauf aufmerksam geworden, als es für Parkplätze hätte abgerissen werden sollen. Nun organisiere ich dort einmal pro Monat die Spoken Word Veranstaltung “Stoffwechsel” und bin auch schon selber im Royal aufgetreten. Ausserdem habe ich meine Hoch-zeitsparty im Royal gefeiert, das ist natürlich eine Erinnerung, die für immer bleibt.

Was verbindet Sie mit dem Royal?

Ich kenne niemanden, der diesen Raum betritt und den das kalt lässt. Ich kann nicht genau sagen, was es ist, aber diese Ausstrahlung hatte das Royal schon damals als Kino. Als es umgebaut wurde, investierten enorm viele Leute Stunden um Stunden, um etwas Neues daraus zu machen. Man merkt diesem Raum an, dass er mit Liebe gestaltet ist und dass Vieles improvisiert ist. Obwohl er relativ düster ist, strahlt er eine Wärme aus. Das macht für mich das Royal aus.

Was macht das Royal besonders?

Ich will mit meinen Mitteln ein Statement setzen. So habe ich zwei Texte zum Royal geschrieben. Einen zum 100-jährigen Jubiläum und einen zum möglichen Abriss. Während der 1.August-Veranstaltung „Poeten zur Nation“ mit anschliessender Party im Royal haben wir die Petition [Juni 2014] aufgelegt. Ich setze mich fürs Royal ein, indem ich es mit dem „Stoffwechsel“ belebe und versuche, möglichst viele Leute dorthin zu locken (lacht). Ich glaube, wer schon mal das Royal besucht und dort einen coolen Abend verbracht hat, der kommt wieder und weiss auch, was verloren ginge.

Wie setzen Sie sich für das Royal ein?

Die Seerose ist weg, die Kleiderfabrik... diese Liste könnte ich jetzt noch lange fortsetzen. Dieser Trend, dass baufällige, aber belebte Gebäude

Wie werden Sie das Ende des Royals wahrnehmen?

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neuen Gebäuden weichen müssen, die dann teilweise leer stehen, besteht schon lange, nicht nur in Baden. In diesem Sinne wird eine bereits bestehende Wunde einfach noch etwas tiefer und eitriger.Der Prozess würde einfach wieder von vorn beginnen: neuer Ort suchen, aufbauen, viel Zeit investieren und so weiter. Natürlich ist es auch spannend, immer wieder Neues anzureissen, aber irgendwann fehlt dazu vielleicht der Elan oder die Lust. Zudem kann man solche Kulturorte nicht einfach hinpflanzen, die müssen entdeckt werden, müssen langsam wachsen, mit viel Liebe und Herzblut genährt.

Baden hätte wieder ein Angebot weniger. Die Stadt hat schon viele solcher Kulturlokale verloren. Wenn dieses Gebäude jetzt verschwindet, fehlt dieser Ort mit seinem vielfältigen Programm. Es wäre ein weiterer Verlust, auch wenn man davon ausgehen kann, dass sich Kultur wieder eine neue Nische sucht. Das Problem ist, dass die Stadt immer ärmer an solchen Nischen wird. Das Royal ist bereits 100 Jahre alt, das ist doch krass. Ich persönlich hätte nur schon Skrupel, ein Haus mit hundertjähriger Geschichte abzureissen. Ich finde, dieses Recht haben wir gar nicht. Es wäre schön, wenn das Royal weiterleben kann, sei es als Kulturbetrieb oder vielleicht wieder als Kino.

Was wäre Baden ohne das Royal?

Royal

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Simon Libsig

Veranstalter Spoken Word Reihe „Stoffwechsel“, Autor, Poet

*1977

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1969 - 2012 Hallenbad BireggNeubad Luzern

- 2017 Zwischennutzung2013

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Früher Hallenbad

Im Mai 1969 wird das Hallenbad Biregg im Luzerner Neu-stadtquartier eröffnet. Die Architekten sind die Luzerner Adolf und Lis Ammann-Stebler. Mit den Jahren hat sich der bauliche Zustand des Hallenbads Biregg verschlech-tert. 2004 wird über Sanierung und Neubau abgestimmt, entschieden wird der Bau eines neuen Hallenbades auf Tribschen. Somit schliesst am 1. Juli 2012 das Hallenbad Biregg.

Heute Veranstaltungsort und Arbeitsplatz

Bereits im März 2012 hat die Stadt Luzern das alte Hallenbad zum Wettbewerb ausgeschrieben. Bis im Juni werden fünf Nutzungsprojekte eingereicht, das Konzept „Neubad“ gewinnt. Der Verein „Netzwerk Neubad“ darf in Zusammenarbeit mit der Luzerner Hochschule das Hallenbad für mindestens vier Jahre als Zwischen-nutzung betreiben.

Das Konzept „Neubad“ besteht aus drei Pfeilern: das ehemalige Bistro soll weiter als Restaurant betrieben werden, in den Garderoben und im Kinderbecken werden Atelier- und Co-Working-Plätze angeboten und im leeren Bassin finden Veranstaltungen aller Art statt. Das Neubad soll Kulturplattform für die Kreativwirtschaft, aber auch Quartiertreffpunkt für die Neustadt sein. Bereits vor dem Umbau des Hallenbades werden die Räume im März 2013 vom Comics-Festival Fumetto bespielt. Das Festival wird sich künftig jedes Jahr in die Zwischen-nutzung einmieten.

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Zur Zwischennutzung umgebaut wird das Hallenbad von den Archi-tekten Angelika Juppien und Harry van der Meijs sowie vielen freiwil-ligen Helfern.

Die Zwischennutzung Neubad wird offiziell am 1. September 2013 eröffnet.

Auf den nächsten Seiten werden die Betreiber, wie auch die Atelier-mieter des Neubads portraitiert.

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Aurel Jörg

Das Ganze hat eine längere Geschichte. Aus der Bewegung der Alternativkultur entwickelte sich das Bedürfnis, dass freistehende, un-genutzte Gebäude, seien es private oder städtische, für Kultur zwischen genutzt werden. Dann gab es von der JUSO eine Initiative, die hätte vorschreiben sollen, dass die Stadt eine Art Raumbörse für private und für öffentliche Liegenschaften, die nicht mehr genutzt werden, führt. Im Zuge dessen ist das Ganze dann entstanden.

Wieso wird das leerstehende Hallenbad Biregg zwischengenutzt?

Die Stadt hat dieses ehemalige Hallenbad ausgeschrieben und wir wussten dann, dass sie jemanden wollen, der das hier kreativ nutzt. Zum Beispiel einen Verein als Ansprechpartner, weil das für die Stadt einfacher ist. Dann haben sich Leute aus diesem kreativen, alternativen Kulturmilieu zusammengetan und haben eine Eingabe gemacht. Als man festgestellt hat, dass auch Leute der Hochschule Luzern eine Eingabe machen wollen und dass deren Projektidee in eine ähnliche Richtung geht, hat man sich dann zusammengeschlossen.

Wie ist die Gründung vonstatten gegangen?

Die Beweggründe sind unterschiedliche, ich kann vor allem von meinen sprechen. Mir geht es darum, einen Gegenpol zur durchökonomisier-ten Welt zu schaffen und näher an einen Kulturbegriff zu kommen, der mir entspricht. Das ist eine Kultur, die von keinem bestimmten Zweck ausgeht. Es geht darum, dass Kultur nicht unbedingt eine Frage der finanziellen Mittel, sondern des Engagements ist. Gleichzeitig will ich auch diese Art von Arbeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Das ist meine Motivation.

Was hat die Vereinsmitglieder dazu bewogen, am Wettbewerb teil-zunehmen?

Der Verein besteht aus etwa 450 Vereinsmitgliedern, die einen Jahres-Wie ist der Verein organisiert?

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beitrag von 30 Franken bezahlen, Unternehmen bezahlen jährlich 200 Franken. Einmal im Jahr findet eine Vereinsversammlung statt, welche das Fundament bildet. Dann gibt es den Vereinsvorstand, dem ich als Co-Präsident angehöre. Der Vorstand gibt die strategische Ausrichtung dieses Hauses vor und triff die hauptsächlichen Entscheidungen, die das Neubad anbelangen. Dann gibt es noch das operative Team, das Betriebsteam, das täglich hier arbeitet.

Gerade beim Neubad stehen der Aufwand und die Gebäudeinstand-stellung in keinem Verhältnis zur Gebrauchszeit von diesen zuge-sicherten viereinhalb Jahren. Wir haben über 300‘000 Franken in dieses Gebäude gesteckt. Das andere ist, dass die Gefahr besteht, dass diese Art von Kultur, die ich beschrieben habe, also die nicht ökonomisch ausgerichtete Kultur, ein Dasein als Lückenbüsser bekommt. Dass man sie irgendwo hinpflanzt, wo es gerade Platz dafür gibt, dass sie so ein bisschen herumgeschubst wird.

Worin sehen Sie die negativen Seiten einer Zwischennutzung?

Genau. Das Neubad hat aber gleichzeitig den Nachteil, dass wir dieses Quartier ein Stück weit gentrifizieren. Das ist dann ein Nebeneffekt des Ganzen, dass eine Aufwertung stattfindet. Das muss ja aber auch nicht schlecht sein. Dass das Wohnen in der Stadt teuer ist, hat hauptsäch-lich andere Gründe.

Ist das Neubad auch ein Quartiertreffpunkt?

Diese „drei Pfeiler“ waren das eigentliche Grundkonzept, eine Ideen-skizze. Schlussendlich wurden wir ja vor allem durch die räumliche Bedingtheiten beeinflusst. Das Bistro und den Pool hat es so vorher halt einfach schon gegeben. Zum einen wussten wir, dass wir eine Art Veranstaltungsort machen müssen. Zum anderen wollten wir aber auch kreative Arbeitsplätze schaffen.

Wie ist man auf die Idee gekommen, Veranstaltungen, Atelierplätze und Bistro zu kombinieren?

Neubad

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Aurel Jörg

Gründungsmitglied, Co-Präsident Verein Netzwerk Neubad, Jurist, Kulturkritiker

*1984

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Anfänglich sollte man sich eine gewisse Naivität behalten. Das Projekt wäre nicht zu Stande gekommen, wenn wir von Anfang an eine Vollkostenrechnung gemacht hätten. Finanziell wird es immer ein riesiger Kraftakt bleiben, eine Zwischennutzung zu realisieren. Zwischennutzern kann ich einfach den Rat geben, mit einem gewissen Selbstbewusstsein gegenüber den Behörden aufzutreten, auch frech und mutig zu sein (lacht).

Welchen Rat würden Sie zukünftigen Zwischennutzern geben?

Überhaupt nicht, nein. Obwohl sie extrem davon profitiert, bekommen wir keine finanzielle Unterstützung. Wir mussten bestehende Verträge mit Strom- und Öllieferanten übernehmen, was uns Kosten im Rahmen von 100‘000 Franken pro Jahr verursacht.

Wird das Neubad von der Stadt finanziell oder materiell unterstützt?

Genau, das ist ein Teil. Ein anderer wichtiger Teil sind aber auch Stiftun-gen und die Vereinsmitgliedschaften. Trotzdem besteht immer die akute Gefahr unterfinanziert zu sein, da dieses Gebäude sehr teuer ist.

Dann finanziert sich die Zwischennutzung durch die Veranstaltungen und das Bistro?

Ich glaube, das ist insofern ein städtisches Phänomen, dass man hier rein von der Bevölkerungszahl viel mehr potentielle Besucher hat. Ob ein solches Projekt funktioniert, hängt sehr stark mit den potentiellen Besuchern zusammen. Wenn ich mir aber eine abgelegene Scheune vorstelle, könnten auf dem Land sehr wohl solche Sachen funktio-nieren. Vielleicht sogar besser, da man beispielsweise keine Rücksicht auf Nachbarn nehmen muss. Gerade auf dem Land hätte man viele Chancen, um etwas im sogenannten Offspace-Bereich, im Kunstbe-reich zu machen. Grunsätzlich werden Zwischennutzungen aber schon ein städtisches Phänomen bleiben.

Glauben Sie, dass es möglich wäre, Zwischennutzungen auf dem Lande zu organisieren oder ist dies nur der Stadt vorenthalten?

Neubad

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Wenn ich sage, nicht wegzudenken, dann meine ich damit eher die Art und Weise, wie dieses Haus betrieben wird. Das muss aber nicht zwingend im Neubad sein, kann an einem ganz anderen Ort stattfinden. Vielleicht auch an einem fixen Ort, der ähnlich betrieben und in dem der Inhalt ähnlich programmiert wird wie beim Neubad.

Von der Neuen Luzerner Zeitung (7.12.13) werden Sie folgendermassen zitiert: „Das Neubad muss so etabliert werden, dass es nicht mehr aus der Luzerner Szene wegzudenken ist.“

Das kann ich noch nicht definitiv beurteilen, dafür ist die Zeitspanne zu kurz. Betriebswirtschaftlich, ökonomisch steht es noch in den Sternen, ob es erfolgreich sein wird. Der andere Punkt ist das Ideelle. Beim Austausch und den entstandenen Projekten kann ich eine durchaus positive Bilanz ziehen.

Stellt das Neubad eine erfolgreiche Zwischennutzung dar?

Ein Zwischennutzer muss gewisse Reflexionskompetenzen haben. Das ist auch ein Vorteil der kurzen Zeitdauer. Man ist gezwungen, sich zu besinnen, was man in dieser Zeit machen will. Aber einen optimalen Zwischennutzer gibt es eigentlich nicht. Das Royal beispielsweise ist ja sehr viel kleiner und somit eigentlich nicht vergleichbar mit dem Neubad. Die Zwischennutzer lassen sich nicht alle über den gleichen Kamm scheren.

Was zeichnet einen typischen oder optimalen Zwischennutzer aus?

Da ich mir einem Ende der Zwischennutzung bewusst bin, hoffe ich einfach, dass wir durch das Neubad die Diskussion, was Kultur heute ausmacht und bedeuten soll, noch ein bisschen mehr anregen können. Und es ist mein Ziel, dass das Neubad wegen seiner Grösse und Ausgestelltheit eine Art Pionierrolle einnimmt, als „Dampfwalze“ ei-nen gewissen Weg vorspurt und daraus später weitere kleinere Projekte nachgezogen und möglich gemacht werden können.

Was wünschen Sie sich für das Neubad?

Aurel Jörg

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Daniela Brunner

Im Neubad haben wir die Geschäftsstelle von VIVA CON AGUA Schweiz, einem gemeinnützigen Verein, wobei der Vereinssitz in Basel ist. Das Büro haben wir in Luzern, weil wir drei Angestellte in Luzern zu Hause sind. Ich persönlich bin hier das erste Mal in einer Zwischennut-zung eingemietet.

Was für ein Projekt führen Sie im Neubad durch?

Mäsi Bieri [Marcel Bieri, B-Sides], der am Anfang im Vorstand des Ver-eins Netzwerk Neubad war, ist auf uns zugekommen und hat gefragt, ob das etwas für uns wäre. Gregor [Anderhub, Geschäftsleiter VIVA CON AGUA Schweiz] und Livio [Meister, Verantwortlicher Aktionen VIVA CON AGUA] gingen dann an die erste Präsentation des Konzeptes und sind heute auch Mitglieder des Vereins.

Wie wurden Sie auf die Vermietung der Atelierplätze aufmerksam?

Die Öffentlichkeit und die Ateliers werden eher getrennt. Klar bei der Fussball-WM-Übertragung beispielsweise, die wir zusammen mit dem Neubad organisiert haben, sind die Leute schon auf uns aufmerksam geworden. Oft gibt es auch Führungen durch die Ateliers. So werden die Gäste eher auf uns aufmerksam. Man merkt aber schon, dass keine Grenze da ist, keine Barriere.

Werden externe Leute durch die öffentlichen Veranstaltungen und das Bistro auf VIVA CON AGUA aufmerksam?

Ja, ich finde das schön. Finde es cool, wenn so ein Austausch ent-stehen kann, wenn spontane Sachen entstehen können.

Und dann schätzen Sie dies auch?

Der zentrale Standort in der Neustadt ist natürlich super, wenn man sich mal mit Leuten treffen will. Und dadurch, dass wir das Bistro hier haben, muss man nicht auswärts gehen, sondern kann die Leute effektiv an den Arbeitsplatz einladen.

Weshalb ist gerade das Neubad für Ihren Büroplatz geeignet?

Neubad

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Daniela Brunner

Administration der Geschäftsstelle VIVA CON AGUA Schweizseit November 2013 im Neubad

*1988

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Ich denke, die Auswahl an Leuten, welche zum Thema Wasser arbeiten und gleichzeitig in Luzern sind, ist irgendwann erschöpft. Ausserdem ist es sowieso spannender, wenn es eine Durchmischung gibt, wenn du Künstler, Fotografen, ein temporäres „tschutti heftli“ oder eine Firma wie ANNA & JUAN hast. Der Pool wird genutzt, aber ist nicht unbedingt om-nipräsent. Ich glaube, das Neubad passiert mehr so in diesem Bistro-Atelier-Bereich und im Co-Working. Der Pool selber ist für spezielle Anlässe.

Wie wäre es, wenn nur Firmen eingemietet wären, die wie VIVA CON AGUA einen direkten inhaltlichen Bezug zur ehemaligen Nutzung haben?

Der Preis ist natürlich ein Punkt. Es ist zwar ein bisschen teurer, als im vorherigen Büro, dafür haben wir hier die ganze Infrastruktur wie Internet und Postfachzustellung inbegriffen. Das Spannende für uns war auch, dass hier ganz viele verschiedene Menschen hinkommen werden, dass ein Austausch passieren kann. Zudem haben wir die Möglichkeit, im ehemaligen Heizraum unser Material zu lagern.

Welche Gründe sprechen allgemein für die Einmietung in eine Zwischen-nutzung?

Ich denke, das Neubad braucht den Standort Stadt. Gerade weil es dieses Bistro hat, das belebt wird. Andere Zwischennutzungen, die nur Arbeitsplätze anbieten, könnten gut in einem Industriegebiet stehen.

Könnte das gleiche Konzept in einem Industriegebiet existieren?

Worin sehen Sie negative Aspekte bei der Einmietung in eine Zwischen-nutzung?

Das Neubad wird von ganz vielen Menschen genutzt und das ist auch das Schöne daran. Aber wenn hier zehn Kinder in der Kinderecke spie-len und herumschreien, dann hast du halt einen gewissen Lärmpegel. Und wenn mal jemand eine Skype-Konferenz hat oder wir ein bisschen laut sind, dann hörst du halt alles. Es ist keine Zwischennutzung, die abgetrennt funktioniert, man befindet sich auf einer riesigen Fläche, die man sich teilt.

Neubad

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Ich kann nur von mir sprechen. Ich selber sehe mich eher als Mieter dieser Nutzung. Für mich ist der Verein Netzwerk Neubad, der diese Zwischennutzung betreibt und dieses Angebot anbietet, der Zwischen-nutzer. Und wir sind die Nutzer dieses Angebotes. Das Mietverhältnis ist zwar ganz anders als normalerweise, weil das Betriebsteam des Neubads auch hier anwesend ist, du ständig mit ihnen im Austausch stehst, zusammen etwas planst, einen Kaffee trinkst. Das ist viel näher, vielleicht sind wir darum ein bisschen mehr als nur Mieter.

Verstehen Sie und die Firma sich als Zwischennutzer oder nur als Mieter?

Das sind die Leute, die das Potenzial in einem Standort, einer Stadt sehen. Sie suchen den Raum und sagen sich „lieber begrenzt, als gar nicht“.

Was zeichnet typische Zwischennutzer aus?

Ja. Ich würde es definitiv jemandem weiterempfehlen, der offen dafür ist, dass alles lebt, dass ständig Leute unterwegs sind und dass in einer Zwischennutzung halt viel passiert.

Können Sie die Einmietung in eine Zwischennutzung empfehlen?

ein Gebäude, das sehr viel Platz und individuelle Möglichkeiten bietet: vom Quartiertreff für Mamis, über Feierabendbier mit Kollegen, zu Konzertveranstaltungsort und Arbeitsplatz.

Das Neubad ist...

Das ist schwierig zu sagen. Hier wussten wir, dass wir für vier Jahre einen sicheren Arbeitsplatz haben, uns ausleben können. Vier Jahre ist ein Zeitraum, den es leiden mag. Wenn der Vertrag aber nur auf ein halbes Jahr begrenzt gewesen wäre, hätten wir uns nicht hier einge-mietet. Wenn wir vom zeitlichen Aspekt her nicht etwas ähnliches wie das Neubad finden werden, würden wir wohl eher wieder in ein nor-males Büro mit normalem Vertrag einmieten.

Würden Sie nach der Beendigung der Zwischennutzung wieder in ein temporär genutztes Gebäude einmieten?

Daniela Brunner

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Zwischennutzungen sind Sprungbretter für Jungunternehmer.

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Jonas Kamber

Ich arbeite als Product Manager bei der Firma Silp AG [Jobvermittlung via Facebook]. Wir arbeiten alle sehr dezentral, müssen nicht zwingend zusammen an einem Tisch sitzen. Darum habe ich einen günstigen Ort gesucht, um mein Büro einzurichten. Per Zufall war ich an diesem Infoabend im Neubad, an dem sie auch eine Führung gemacht haben und bin so hier gelandet.

Welchen Beruf üben Sie im Neubad aus?

Das ist schwer zu sagen, da es darauf ankommt, wie man Erfolg de-finiert. Ich glaube, aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht haben sie doch noch ein paar Defizite, kann das aber nicht genau beurteilen. Zum inhaltlichen Erfolg: Die Atelierplätze sind zwar alle besetzt, aber da sehr selten Leute hier sind, ist es am Ziel vorbeigeschossen. Viele Mieter haben einfach ihren Platz hier, kommen vielleicht am Abend arbeiten. Extrem oft bin ich nur mit den Leuten von VIVA CON AGUA hier. Ich hätte ein bisschen mehr Leben erwartet, dass mehr passiert.

Stellt das Neubad eine erfolgreiche Zwischennutzung dar?

Es sind Leute, die in einem Berufsfeld arbeiten, welches es vielleicht noch nicht so lange gibt. Solche, die eher modern arbeiten, nicht 9 to 5. Solche, welche die Freiheit lieben, meistens Selbständige und Künstler.

Was zeichnet einen typischen Zwischennutzer aus?

Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Arbeitsmarkt im Wandel ist. Heute ist es viel einfacher, selber Geld zu verdienen und nicht auf einen Arbeitgeber angewiesen zu sein. Und entsprechend sind auch die Kommunikations- und Arbeitsmodelle neu, man muss nicht mehr nebeneinander sitzen, um miteinander arbeiten zu können. Das erhöht natürlich die Anfrage der Plätze, bei denen man nicht unbedingt einen Jahresvertrag unterschreiben muss und somit viel flexibler ist. Das wird der Hauptgrund sein, weshalb die Nachfrage steigt.

Wie erklären Sie die enorme Nachfrage von Zwischennutzungen?

Neubad

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Jonas Kamber

Product Manager bei Silp, Interaction Designerseit September 2013 im Neubad

*1986

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Luzius Schnellmann

Mit meiner Partnerin Josefina [Eliggi] führe ich hier die Firma ANNA & JUAN. Im Neubad haben wir drei Teile. Der kleinste ist unser Shop mit nachhaltig und pflanzlich gefärbten Textilien, hauptsächlich Wolle. Der zweite Teil besteht aus unserer kleinen Färberei, die wir in einer der ehemaligen Duschen eingerichtet haben und in welcher wir die Wolle färben. Der für uns wichtigste Teil sind die Workshops, die wir zum Thema Do It Yourself – Textilien durchführen.

Was für ein Projekt führen Sie im Neubad durch?

Ja, ich war hier schon schwimmen und kann mich noch recht gut daran erinnern, wie es vorher war. Die Veränderung zur Zwischennutzung habe ich mitbekommen, da wir bereits während dem Umbau angefan-gen haben, uns einzurichten. Es ist gewaltig, was es da alles zu tun gegeben hat. Und es ist seltsam, dort zu arbeiten, wo früher die Du-schen und Garderoben waren.

Hatten Sie vor der Einmietung einen Bezug zum Hallenbad Biregg?

Wir haben einen Standort gesucht, an dem wir färben können. Dabei gibt es zwischendurch auch mal Dämpfe. Zudem ist immer Wasser im Spiel und dafür ist ein ehemaliges Hallenbad wie gemacht. Bei diesen Duschen mussten wir nicht mehr viel machen, um sie in eine Färberei umzuwandeln. Wir mussten nur die Färberbottiche hinzunehmen und ein paar Trocknungssysteme aufhängen. Allgemein bringen Zwi-schennutzungen und ihre Nutzer ein gewisses Netzwerk mit sich. Dadurch können wir unsere Arbeit viel breiter streuen und arbeiten nicht alleine vor uns hin. Wir können durchaus die anderen Nutzer um Rat fragen und dadurch andere Ideen bekommen. Das ist meiner Meinung nach ein gutes Argument, um in Zwischennutzungen zu arbeiten.

Welche Gründe sprechen für die Einmietung ins Neubad und allgemein in Zwischennutzungen?

Neubad

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Luzius Schnellmann

Teil vom Kollektiv ANNA & JUAN, Visueller Kommunikator FH (Schwerpunkt Illustration)seit September 2013 im Neubad

*1979

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Das habe ich mir so konkret noch nie überlegt (lacht). Schon eher als Mieter. Natürlich ist zum Neubad eine emotionalere Bindung da, als wenn wir einfach einen Mietvertrag für ein Ladenlokal unterzeichnet hätten. Wenn das Neubad beispielsweise finanziell nicht überleben könnte, wäre das trauriger, als wenn dies einem anonymen Vermieter passieren würde. Zudem sind wir Teil vom Verein Netzwerk Neubad, sind eigentlich unsere eigenen Mieter (lacht).

Verstehen Sie sich als Zwischennutzer oder Mieter?

Zwischennutzer sind oft Leute, die selbständig arbeiten oder kürzlich eine eigene Firma gegründet haben und noch nicht auf sicheren Beinen stehen. Ich denke, das betrifft vor allem Menschen um die 30 Jahre, welche die Zwischennutzung als einen ersten Schritt für ihr Unter-nehmen sehen.

Was zeichnet einen typischen Zwischennutzer aus?

Ja. Ich habe mir auch schon überlegt, eine in Zürich zu gründen. Von dem her ist es für mich ganz interessant, in eine bestehende Zwischen-nutzung einzuziehen und zu sehen, wie das hier funktioniert.

Wussten Sie vor der Einmietung, was eine Zwischennutzung ist?

Nein, ich habe mir das nur mal kurz überlegt. Eben aus dem Grund, dass ich viel von zu Hause aus gearbeitet habe und mir die Inputs von Menschen aus ähnlichen Berufsfeldern fehlten.

Diese Gründung hat aber nicht stattgefunden?

Diese zwei gehören inzwischen wahrscheinlich schon stark zusammen. Luzern ohne das Neubad wäre langweiliger. Gerade im hinteren Bereich des Neustadtquartiers ist abgesehen vom Neubad wenig los. Ich denke, für die Luzerner Kultur ist es wichtig, dass es solche Orte gibt, da Luzern traditionell eine eher konservative Stadt ist. Es ist wichtig, dass solche Sachen vorangetrieben werden, da das Quartier davon profitiert.

Was wäre Luzern ohne das Neubad?

Neubad

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Tobias Eichelberger

In der Regel arbeite ich jeweils freitags oder manchmal an den Abenden hier an Grafikprojekten, die ich nebenbei mache. Ich habe mir hier einen Bürotisch eingerichtet und benütze vor allem diese praktischen Garderobenschränke als Lager für Plakate und weiteres.

Welchen Beruf üben Sie im Neubad aus?

Aufs Neubad aufmerksam geworden bin ich wegen Raphi Leuten-egger, meinem ehemaligen Mitbewohner. Ich habe dazumal seine Diplomarbeit [Buch „Katzenstrecker als Wasserratten“ zum Neubad] mitverfolgt. So habe ich immer wieder Fakten über den historischen Hintergrund und die Entwicklung des Neubades erfahren.

Hatten Sie vor der Einmietung einen Bezug zum Hallenbad Biregg?

Ja, auf jeden Fall. Es hat viele verschiedene Facetten. Zum einen der Neugarten, wovon auch die Stadt profitiert, dann die Pingpong-Tische, bei denen man sich treffen kann. Es gibt ein Restaurant und der Pool wird von verschiedenen Firmen genutzt. Ich finde das Neubad ein gutes Projekt.

Stellt das Neubad eine erfolgreiche Zwischennutzung für Sie dar?

Es gibt verschiedene Punkte. Das Neubad ist, wie ich finde, recht authentisch. Ich mag es, wenn man die Sachen so lässt, wie sie sind. Dass die Garderobenkästchen weiter genutzt werden, ist sehr erfolg-reich. Die Föhne funktionieren noch. Das sind kleine Details, die dir wirklich das Gefühl verleihen, in einem Hallenbad eingemietet zu sein. Zudem ist es eher günstig. Die lukrative Miete wird auch für an-dere Nutzer ein ausschlaggebender Grund sein.

Weshalb ist gerade das Neubad für Ihren Büroplatz geeignet?

Neubad

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Tobias Eichelberger

Grafikerseit Januar 2014 im Neubad

*1988

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Claudia Bürgler

Ich leite die Geschäftsstelle Schweiz der IPPNW [International Physi-cians for the Prevention of Nuclear War]. Da wir eine NGO [Non Governmental Organisation] sind und nicht viel Geld haben, habe ich ein günstiges Büro gesucht. Mir ist wichtig, dass ich ein Umfeld habe und mich austauschen kann, dass es rundherum lebt.

Welchen Beruf üben Sie im Neubad aus?

Vor dem Abbruch oder einer Umnutzung wird ein Gebäude mit Leben gefüllt, anstatt es sinnlos leer stehen zu lassen.

Wie definieren Sie den Begriff Zwischennutzung?

Generell ist es schade, wenn eine Zwischennutzung beendet ist. Die Beendigung kann auch eine Ressourcenverschwendung sein, da man so viel aufgebaut hat. Andererseits finde ich es wichtig, dass die Nutzungen nicht mit Gewalt weitergezogen werden. Solche Sachen schaden meiner Meinung nach den Projekten.

Worin sehen Sie negative Aspekte bei der Einmietung in eine Zwischen-nutzung?

Ja, wenn man flexibel ist. Wenn man ein Büro hat, bei dem man extrem viel einrichten und aufbauen muss, dann ist es vielleicht nicht so sinn-voll. Bei solch einer Entscheidung spielt natürlich auch die Dauer der Zwischennutzung eine grosse Rolle.

Können Sie die Einmietung empfehlen?

Ich empfinde die Architektur und die ganzen Räumlichkeiten sehr spe-ziell. Der Mix der Angebote von Lokal, Bistro über Veranstaltungen zum Co-Working und den Ateliers macht das Projekt spannend.

Was zeichnet das Neubad aus?

Neubad

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Claudia Bürgler

Leitung Geschäftsstelle IPPNW Schweiz (Inter-national Physicians for the Prevention of Nuclear War), Schriftenmalerin, Werbeberaterinseit Dezember 2013 im Neubad

*1965

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Ramona Schneider

Meine Faszination kommt aus meinem Beruf als soziokulturelle Animatorin. Eine Zwischennutzung eröffnet einen Raum, den du sehr individuell bespielen kannst. Man kann die Grenzen ausloten und arbeitet an einem Ort, welcher ursprünglich nicht für diese Art von Nutzung gedacht war.

Worin liegt die Faszination der Zwischennutzung?

Das Gebäude ist teilweise sanierungsbedürftig und vor allem riesig. Wir bezahlen der Stadt Luzern zwar keine Miete, aber kommen für sämt-liche Nebenkosten auf. An einem kalten Wintertag verheizen wir 900 Liter Heizöl, was für uns eine extreme wirtschaftliche Herausforderung ist. Dass wir selbsttragend sind, ist natürlich toll, da man frei ist, gleich-zeitig ist es aber auch eine Schwierigkeit. Falls hier eine Lüftung oder eine Heizung kaputt geht, dann ist dieses Projekt stark gefährdet, weil wir uns eine solche Reparatur nicht leisten könnten. Diese Unsicherheit besteht immer. Zum anderen nutzen wir ein Gebäude, das effektiv nicht für diesen Zweck gebaut wurde. Bei Zwischennutzungen sehe ich die negativen Punkte aber gleichzeitig als positive Aspekte. Dadurch, dass wir improvisieren müssen, wird die Kreativität geför-dert und wir kommen zu ganz neuen Lösungsansätzen.

Welches sind die negativen Seiten einer Zwischennutzung?

Das kommt extrem auf die Zwischennutzung an. Hier haben wir zum Beispiel die Herausforderung, dass wir uns in einem Wohnquartier befinden. Jemandem in einer ähnlichen Situation mit vielen An-wohnenden würde ich raten, das Projekt von Anfang an in Einvernahme mit der Nachbarschaft zu planen. Wir haben ein, zwei Personen, die regelmässig Lärmbeschwerden bei der Polizei einreichen. Das ist ein gewisses Risiko.

Welchen Rat würden Sie zukünftigen Zwischennutzern geben?

Neubad

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Ramona Schneider

Bereichsleitung Soziokultur, Soziokulturelle Anima-torin, Schrift- und Reklamegestalterin

*1985

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Da diese Liegenschaft bereits jahrelang öffentlich zugänglich war, ist die Hemmschwelle dieses Gebäude zu betreten, vor allem bei älteren Generationen, geringer. Die Gäste wollen wissen, was nun hier drin passiert. Das ist ein Vorteil für die Nutzenden. Das Neubad fördert auch die Kreativität der Nutzenden, da sie improvisieren müssen. Das Ge-bäude hat aber auch auf die Betriebsleitung Einfluss. Wir können keine hohen Mietpreise verlangen, da die Nutzenden durch das Gebäude und dessen Zustand immer mal wieder zu viel Geduld gezwungen werden. Die Stromsituation ist beispielsweise noch nicht geklärt. Regelmässig fliegt eine Sicherung raus. Wir sind darauf angewiesen, dass sich die Nutzenden auf dieses Experiment einlassen (lacht).

Hat das Gebäude Einfluss auf die Arbeit der Nutzer?

Ich finde ja. Inhaltlich ist das Neubad ein unglaublich spannender Ort und erfolgreich, weil wir es geschafft haben, unterschiedliche Nutzer-gruppen hierher zu bekommen. Hier gehen nicht nur Linksalternative ein und aus, sondern auch Leute in Anzügen und Krawatte. Dieser Mix zwischen Kreativität und Wirtschaft ist einzigartig. Zudem hat sich hier nicht nur die bekannte Luzerner Szene eingenistet, sondern auch viele unbekannte Gesichter. Finanziell ist es aber noch kein Erfolg, wir kämp-fen tagtäglich.

Stellt das Neubad eine erfolgreiche Zwischennutzung dar?

Die zeitliche Eingrenzung finde ich spannend. Das Projekt entwickelt mehr Potential, wenn man weiss, dass das Ganze irgendwann vorbei ist.

Wie nehmen Sie die zeitliche Begrenzung der Zwischennutzung wahr?

Wir haben im Haus und im Luzerner Kino Bourbaki auf die Vermietung der Co-Working-Plätze aufmerksam gemacht. Die Ateliers hingegen haben sich schnell von alleine gefüllt.

Wie gewinnt man als Zwischennutzungsbetreiber potentielle Mieter?

Neubad

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Die Ateliernutzer mussten sich bewerben. Die Plätze wurden nach dem Prinzip „First Come, First Serve“ verteilt. Vorgaben, welche Art Nutzer wir im Neubad haben möchten, haben wir keine gemacht. Wir haben uns aber vorbehalten, nie mehr als zwei Firmen aus der gleichen Berufssparte anzunehmen. Deswegen mussten wir aber nie jemanden abweisen, dieser breite Mix hat sich von selbst ergeben.

Wie werden die Mieter ausgewählt?

Nein, mit dem Neubad versuchen wir, das Modell Zwischennutzung einer breiten Masse zugänglich zu machen. Die Bedingung ist, dass man einen gewissen Grad an Offenheit mitbringt. Das Spannende ist die Durchmischung und die Balance von allen Zwischennutzenden.

Gibt es aus der Sicht des Neubads einen optimalen Zwischennutzer?

Ja, definitiv. Wie das geschieht, kann aber sehr unterschiedlich sein. Wir bieten zum Beispiel keine Gründerworkshops an, dafür aber günstige Arbeitsplätze sowie ein Netzwerk welches für Start-ups sehr förderlich sein kann.

Können Zwischennutzungen zur Förderung von Jungunternehmen beitragen?

Ramona Schneider

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Tobias Stücheli

Als 2011 die Zwischennutzung des Hallenbades diskutiert wurde, habe ich die fünf Betontröge entdeckt und wollte diese nutzen, um Urban Gardening zu betreiben. Im Sommer treffen wir Neugärtner uns mittler-weile jeden Dienstag und gärtnern hier.

Was für ein Projekt führen Sie im Neubad durch?

Nein, wir zahlen in dem Sinne keine Miete, verstehen uns mehr als Dienstleistung. Wir sind die Ansprechpartner für die Begrünung der Aussenbereiche, mähen den Rasen oder schneiden die Hecke.

Haben Sie auch einen Atelierplatz gemietet?

Ja, ich habe schlimme Erinnerungen an das Schwimmbad (lacht). Chlorwasser, Tauchübungen und Sprungbrett habe ich gehasst.

Hatten Sie vor der Einmietung einen Bezug zum Hallenbad Biregg?

Die Sonnenterrasse, die wir jetzt nutzen, wurde architektonisch so geplant, dass man beim Baden zwischendurch auch mal nach draussen an die Sonne gehen konnte. Wenn man hier schwimmen ging, wusste oder merkte man davon aber nichts (lacht). Für die Pflanzen ist diese Terrasse perfekt, sie ist nach Süden ausgerichtet und gedeckt, für die Tomaten optimal. Natürlich müssen wir darauf achten, dass das Ganze nicht zu schwer wird und einbricht. Nicht optimal ist, dass das von den Dächern aufgefangene Regenwasser durch das Haus abgeleitet wird, sodass wir es leider nicht verwenden können. Und der Pool selber würde sich natürlich als Treibhaus anbieten, in welchem das ganze Jahr Pflanzen wachsen könnten.

Hat die Architektur einen bestimmten Einfluss auf Ihre Arbeit?

Neubad

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Tobias Stücheli

Freiberufler, Initiant Neugartenseit Beginn der Zwischennutzung im Neubad, Verein Neugarten im März 2013 gegründet

*1977

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Elias Vogel

Infoklick ist ein Verein zur Kinder- und Jugendförderung in der Schweiz. Hier im Neubad befindet sich die Regionalstelle Zentralschweiz, schweizweit existieren sieben Regionalstellen. Wir unterstützen und fördern Kinder und Jugendliche in der Umsetzung ihrer Projektideen.

Erzählen Sie von Infoklick.

Hier haben wir mehr Netzwerke als anderswo. Da wir nicht nur im Büro arbeiten, sondern auch viel unterwegs sind, hat auch der finanzielle Aspekt eine Rolle gespielt. Hier haben wir die Möglichkeit eines günstigen Arbeitsplatzes, liegen zentral und können unsere Netzwerk-partner gut erreichen.

Weshalb ist gerade das Neubad für Ihren Büroplatz geeignet?

Das Neubad kann gute Impulse geben, ist sehr inspirierend. Wenn ich Inspiration brauche, dann gehe ich auch mal in den grossen Pool oder telefoniere dort. Wir arbeiten zwar oben im Co-Working-Space, wo die Atmosphäre ruhiger und konzentrierter als im Atelierbereich ist, aber auch dort herrscht eine angenehme und inspirierende Stimmung.

Hat das Umfeld einen bestimmten Einfluss auf Ihre Arbeit?

Das ist schwierig zu sagen. Momentan ist es bis 2017 fix und was da-nach kommt, ist noch offen. Eine Beendigung wäre sicher schade. Es wäre ein Verlust, aber dadurch kann es auch Veränderun-gen geben, die neue Möglichkeiten schaffen. Je nach folgen-der Nutzung kann das Ende eine Chance sein.

Wie nimmt man als Mieter das Ende einer Zwischennutzung wahr?

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Ja. Leuten, die offen und rücksichtsvoll sind, die Inputs brauchen und mit anderen kommunizieren wollen. Man muss offen sein, um an solch einem Ort zu arbeiten und sich mit anderen Leuten zu ergänzen.

Können Sie die Einmietung in eine Zwischennutzung empfehlen?

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Wir arbeiten mit Leuten von Innovage zusammen, welche hier im Haus ein Projektbüro [Projektbüro Plus] aufbauen. Zudem haben wir für gewisse Projekte schon im Haus intern auf Fachpersonen und Material zurückgreifen können.

Gibt es Beispiele für Zusammenarbeiten mit anderen Mietern?

Ich denke mehr Schnittstelle zwischen Nutzern und Gästen. Am Mittag wird hier gegessen oder man verabredet sich mit Netzwerk-partnern. Das Bistro ist eine Begegnungszone, das Publikum ist bunt gemischt, von Kindern bis Senioren.

Ist das Bistro Treffpunkt der Mieter?

Das kommt darauf, in welchen Kreisen man danach fragt. Wenn man in der Stadt Luzern erzählt, dass man den Arbeitsort im Neubad hat, dann wissen die meisten, wovon die Sprache ist. Ich bin aber im Hinterland aufgewachsen. Im ländlichen Gebiet haben Zwischennutzungen noch Potential um bekannt zu werden, sind allgemein am Aufkommen. Vielen Leuten ist auch gar nicht klar, wie man in einem Hallenbad arbeiten kann und besuchen uns deswegen am Arbeitsplatz.

Wie bekannt ist das Modell Zwischennutzung in der Öffentlichkeit?

Neubad

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Elias Vogel

Mitarbeiter Infoklick.ch, Soziokultureller Animator seit April 2014 im Neubad

*1986

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Dominik Röllin

An den Abenden werke ich hier in meiner Werkstatt, die ich mit dem Abwart teile. Das Projekt „Velobude“ soll nächstes Jahr richtig anlaufen. Jeweils mittwochs können dann Fahrräder zur Reparatur gebracht werden. Ohne das Neubad wäre ich vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen, die „Velobude“ zu gründen.

Welche Arbeit üben Sie im Neubad aus?

Als ich einen Hobbyraum gesucht habe, hat sich das Neubad perfekt angeboten. Der Preis war nicht unbedingt ausschlaggebend. Ich finde es toll, dass hier ganz verschiedene Sachen entstehen können, mag die Atmosphäre und die anwesenden Leute. Und ich finde es gut, dass dieses Gebäude zwischengenutzt wird.

Wieso haben Sie in diese Zwischennutzung eingemietet?

Eher jungen Leuten. Solchen, die noch nicht viel Geld haben, aber etwas aufziehen möchten. Zwischennutzungen können Chancen für Start-up-Unternehmen sein.

Wem würden Sie die Einmietung in eine Zwischennutzung empfehlen?

Die Mieter kommen zwischendurch Werkzeuge ausleihen. Allgemein ist das Neubad für die „Velobude“ toll, weil ich Kontakt zu den ver-schiedensten Leuten aufbauen kann, weil ich an die Öffentlichkeit komme. Ich erreiche hier insgesamt ein breiteres Publikum.

Gibt es Beispiele für Zusammenarbeiten mit den anderen Mietern?

Das Spontane, die vielen Leute, die bei mir hereinschauen und Interes-sen an meiner Arbeit haben. Die Kunden können mich als Person und nicht nur als Dienstleistung kennen lernen. Das Neubad wird auch von vielen Familien besucht. Dann steht plötzlich wieder ein Kind bei mir in der Werkstatt und dreht an einem Rad. Das finde ich amüsant. Diese Begegnungszone würde ohne das Neubad nicht existieren.

Welche Erfahrung werden Sie aus dem Neubad mitnehmen?

Neubad

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Dominik Röllin

Inhaber „Velobude“, Lehrerseit September 2013 im Neubad

*1987

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Johann Krempels

Wir, das sind sieben Innovage-Mitglieder [gemeinnütziger Verein zur Erschliessung von Erfahrungswissen von pensionierten Menschen], haben im Sommer 2013 von der Stadt Luzern den Auftrag bekommen, eine Drehscheibe für generationenübergreifende Freiwilligenarbeit zu organisieren. Wir richten uns hauptsächlich an motivierte Seniorinnen und Senioren, die an einem zivilgesellschaftlichen Engagement interes-siert sind. Deshalb musste ich vor dem Einzug abklären, ob die Infra-struktur beispielsweise seniorengerecht ist.

Was für ein Projekt führen Sie im Neubad durch?

Ja, früher ging ich hier auch ins Hallenbad (lacht), unsere Kinder haben hier gelernt zu schwimmen. Und ich habe in der neuen Nutzung schon das Wissenschaftscafé besucht. Momentan läuft hier noch die Fussball-WM via Public Viewing und auch sonst gute Veranstaltungen, zum Beispiel Konzerte.

Haben Sie ausser der Arbeit noch einen anderen Bezug zum Neubad?

Dass die Einrichtung, die Infrastruktur einfach nicht optimal ist, weil das Gebäude für einen anderen Zweck gebaut wurde. Und hier wurde schon zwei, drei Mal eingebrochen. Aber ich finde es doch recht spannend, wie wenig jetzt in diesem Jahr weggekommen ist, wenn man bedenkt, dass hier doch alles relativ offen und zugänglich ist.

Worin sehen Sie negative Aspekte bei der Einmietung ins Neubad?

Schon als Zwischennutzer. Da wir nicht wissen, was nach den vier Jah-ren passiert, haben wir ‚im Neubad’ als Zusatz zum Namen genommen und nicht direkt in den Namen. Somit können wir ebenfalls nomadisch bleiben (lacht). Und ich finde, eine Zwischennutzung hat auch etwas von diesem Selbstverständnis vom soziologischen Begriff des post-modernen Menschen, dem Nomaden. Das nomadische Dasein, das relativ schnell kommt und geht. Der Nomade, der sich irgendwo

Verstehen Sie sich als Zwischennutzer oder nur als Mieter?

Neubad

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Johann Krempels

Projektleiter Projektbüro Plus, Psychologe spezialisiert auf Gemeinde-, Alters- und Gesund-heitspsychologie, Kindergärtnerseit Dezember 2013 im Neubad

*1958

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Denke schon, ja. Wenn es mit dem, ich sage mal, kreativen Kompost weitergehen sollte, wieso nicht? Wenn es so ein bisschen vom Groove oder vom Selbstverständnis, von der Kultur her weitergepflegt und weiterentwickelt werden kann, wäre das schon schön. Man muss immer offen sein. Und das finde ich natürlich das Spannende an so einem Ort, da wird man auch offen, für das was sich in einer Stadt tut und wie es sich entwickelt. Dadurch wird man ein bisschen zu einem Stadtindianer (lacht).

Würden Sie nach der Beendigung der Zwischennutzung wieder in ein temporär genutztes Gebäude einmieten?

Ja, ich würde das sicher weiterempfehlen. Neben dieser Raumnutzung entsteht ja auch ein Pool von Materialien [Kulturpool], mit denen man sich gegenseitig aushelfen kann. Das finde ich super. Es geht um die Werte „Teilen“. Das ist ein neuer Gesellschaftswert, früher bestand ein viel ausgeprägteres privates Besitzdenken.

Können Sie die Einmietung in eine Zwischennutzung empfehlen?

es möglich, dass hier Sachen entstehen, die sonst so in dieser Form nicht durchführbar wären: neue Experimente im kreativen, sozialen und geschäftlichen Bereich, neue Zusammenarbeiten, neue Visionen, neue geschäftliche Modelle zu entwickeln und diese auch experimentell umsetzen zu können.

Das Netzwerk Neubad macht...

installiert und dann weiter zieht und einen anderen Raum einnimmt. Dem entspricht das Modell Zwischennutzung.

Neubad

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Stefan Hellberg

No, I started at home, but then it was a side business. Since I work here I work full-time. Neubad helped me in a way to get an affordable office for the start up. Now I like it so much that I’d rather stay, even if I couldn’t afford it...

Is Neubad the place of foundation of your company?

I don’t know. I was looking for a few other places. But I mean, one very appealing thing is the price. It’s very affordable. If you compare simi-lar spaces to the Neubad, it’s maybe double or more. The Neubad is of course simpler, cables are hanging from the ceiling and things are broken (laughs). But if you don’t think that’s a problem, it’s perfect. If I couldn’t be here, I would rent something else, which would be more ex-pensive and maybe more central. But the location doesn’t really matter to me.

Where would your studio be, if you couldn‘t work at Neubad?

The reason, why interim uses exist, is because there is like a death time and a vacant space, before you decide what to do at this location. It’s great that we can actually use that to our advantage. I guess, in a way it’s just optimizing resources and giving culture projects place for a very low rent. Convenient.

How do you define the expression interim use?

Beside the price? I think interim uses usually host a special kind of people who are very passionate about their work, normally self-employers. For me, it’s a good place to meet like-minded people.

Which reasons do generally speak for renting into an interim use?

It’s always a bit uncertain. You don’t know if you’re going to stay for two or four years. And maybe it’s not as well organised as a pure co-working-space. But that’s also the charm of it, it’s also a good thing. A

In your opinion, which are the disadvantages of renting a studio in an interim use?

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lot of things are a bit vague. But that’s the price you pay for the rest of the good stuff.

Not so well-known yet. I guess, people know about it. But it’s not really a subject you discuss about if you’re not involved in it. Interim uses pop up, then they’re usually a good thing and finally they disappear.

How well-known is the model interim use in public?

Yes, for sure. In Stockholm it’s quite common. You take the old harbours or the old industrial area and change them. If there are apartments made of them, it’s more long term. Or you have there restaurants just for two years or make a party in this industry.

Did you know about the existence of interim uses before working in one?

It depends on what they bring here instead. If they just put up another building with apartments in this city, I think that sucks. Instead of making the cities bigger, the urban planner build compactly. My reaction will be different if it ends in a new apartment building or in another great area, maybe like a park. But they won’t create a park, because they can’t make money of such a thing.

How will you react to the end of the Neubad as interim use?

They go hand-in-hand, like “have to be”. All the people from Neubad are from Lucerne and urban hinterland. In my opinion, the Neubad gives Lucerne a space for people to work on their creative ideas and passions for a reasonable rent which is very affordable. Here, you can share your experiences and ideas with other people. If it wasn’t for Neubad, I would never have met the two other guys I sit with at our studio place and we wouldn’t be able to talk about our work. And if the tenants are success-ful, it’s in the long run very good for Lucerne because it brings more tax money and higher quality of products (laughs). So they should keep supporting Neubad.

What would the Neubad be without Lucerne? What Lucerne without Neubad?

Neubad

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Stefan Hellberg

Swedish photographersince February 2014 in Neubad

*1988

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Silvan Glanzmann

Wir wollten 2008, als die Fussball-EM in der Schweiz stattfand, im kleinen Rahmen etwas Spezielles machen. Wir, das ist der Verein tschutti heftli. Ein Verein, der gegründet wurde, um ein Magazin heraus-zugeben. Dieses Magazin war aber nicht spezifisch auf diese Fussball-bildli bezogen, sondern sollte einfach ein Fussballfanheft sein, das den Blick auf kulturelle Zusammenhänge im Fussball richtet.

Erzählen Sie von Ihrem Projekt.

Ich wohne hier in der Nähe, bin oft mit meinen zwei kleinen Kindern hier oder komme auf ein Getränk vorbei. Früher habe ich das Hallenbad in seiner ursprünglichen Nutzung gekannt, war aber nur etwa einmal schwimmen, weil ich einfach nicht so der Hallenbadtyp bin.

Haben Sie ausser der Arbeit noch einen anderen Bezug zum Neubad?

Ja, ich finde es für uns, und auch wie ich es sonst mit der Familie mit-bekomme, super. Es bringt die verschiedensten Leute zusammen. Ich finde toll, wie offen und familienfreundlich das Neubad ist.

Stellt das Neubad eine inhaltlich erfolgreiche Zwischennutzung dar?

Ich denke schon, ja. Es belebt diesen Ort hier. Vorher ist man einfach daran vorbeigefahren oder ging ins Hallenbad, aber hat nicht einfach so hier Zeit verbracht. Jetzt kommen viele Leute, welche hier in der Gegend arbeiten oder wohnen, das Neubad ist ganz klar ein Quartier-treffpunkt geworden.

Beeinflusst das Neubad das Quartier?

Hier ist es ideal, weil wir temporär ein kleines Lager für die Heftli und Bildli machen können. Dieses brauchen wir nur, wenn diese Bildli ver-trieben werden, also alle zwei Jahre. Dass immer jemand hier ist, ist ein weiterer Vorteil, da wir hier Lieferungen bekommen und nicht zwingend vor Ort sein müssen.

Wieso haben Sie in diese Zwischennutzung eingemietet?

Neubad

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Silvan Glanzmann

Projektleitung tschutti heftli, Grafikdesigner, Illustratorvon April bis August 2014 im Neubad

*1976

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Vor allem der Mietpreis. Wenn es extrem viel teurer gewesen wäre, hätten wir es uns vielleicht gar nicht erst überlegt. Für uns passt das Neubad halt perfekt, weil wir ja auch ein temporäres Projekt sind.

Welche Gründe sprechen allgemein für die Einmietung in eine Zwischen-nutzung?

Wir haben schon mit VIVA CON AGUA zusammengearbeitet, wobei wir dann unseren Erlös für ihre Projekte für sauberes Trinkwasser ge-spendet haben. Vielleicht machen wir wieder einmal ein Projekt mit ihnen zusammen. Hier begegnet man sich, spricht miteinander und sieht, was und wie viel die anderen Nutzer machen.

Gibt es Beispiele für Zusammenarbeiten mit den Mietern?

Ja, ich denke schon. Hier können wir auch unsere Bildli verkaufen und haben Tauschbörsen gemacht. Somit ist das Neubad beziehungsweise das Bistro auch ein bisschen zum Tschuttibildliplatz in Luzern ge-worden. Und auch sonst sieht man oft Leute, die hier Sitzungen machen oder sich treffen.

Ist das Bistro eine Schnittstelle zwischen Gästen und den Nutzern?

Ich selber habe das Modell Zwischennutzung schon gekannt und auch schon kritische Stimmen dazu gehört. Dass die Kultur durch diese Zwischennutzungen auf Sparflamme gehalten wird, dass also nicht nachhaltig in Kultur investiert wird. Das habe ich gar nie so gesehen, aber im Nachhinein ist es vielleicht wirklich besser, wenn es eine dauerhafte Nutzung ist. Gerade auch beim Neubad, weil irgendwann dann auch wieder etwas fehlt.

Wussten Sie vor der Einmietung in das Neubad, was eine Zwischen-nutzung ist?

Das Gefühl, dass man sich hier sehr zu Hause fühlt, dass es sehr unkompliziert ist. Man geht ein und aus, es ist eine gute Stimmung. Es macht allen Spass, die hier beteiligt sind, es ist eine gute Atmosphäre. Dieses Gefühl werde ich mitnehmen.

Was werden Sie aus dem Neubad mitnehmen?

Neubad

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Gründe zur Einmietung in eine Zwischennutzung

Zwischennutzer können Raum zu einem günstigen Preis mieten.

Zwischennutzer können sich kreativ entfalten und die Räumlichkeiten zu ihrem Vorteil verändern. Interimistisch genutzte Gebäude stellen diesbezüglich grosse Freiheiten dar.

Zwischennutzungen zwingen den Betreiber zur Improvisation. Diese fördert die Kreativität und lässt überraschende Ideen und Projekte entstehen.

Falls verschiedene Berufsgruppen in einer Zwischennutzung vertreten sind, entsteht ein Netzwerk und die Nutzer können voneinander profitieren.

Zwischennutzungen erschliessen Nischen für Subkultur und tragen zum nachhaltigen Stadtgebrauch bei.

Mögliche negative Aspekte einer Zwischennutzung

Zwischennutzungen haben einen ungewissen, vagen Charakter.

Die Gebäudeinstandstellung ist oftmals unverhältnismässig zur zuge-sicherten Gebrauchszeit. Die Beendigung einer Zwischennutzung kann dadurch eine Verschwendung von Ressourcen sein.

Zwischennutzungen mit grossem Konzept- und Raumumfang werden zu wirtschaftlichen Herausforderungen.

In alternativ betriebenen Zwischennutzungen wird nicht nachhaltig in die Kultur investiert. Kultur wird zum Lückenbüsser in unserer Gesellschaft.

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Rat an zukünftige Zwischennutzer

Als zukünftiger Betreiber soll man sich nicht von den Aushandlungs-prozessen mit der Stadt abschrecken lassen.

Zwischennutzer sollen sich nicht von Zwischennutzungsvermittlungen vereinnahmen lassen und dadurch ihre Freiheiten verlieren.

Befindet sich das Gebäude im inneren Kreis der Stadt, soll der Zwischennutzer von Anfang an in Einvernahme mit den Nachbarn planen.

Wird die Zwischennutzung von der Stadt zur Verfügung gestellt, soll die Nutzergruppe einen regelmässigen Austausch mit der Verwaltung suchen.

Hat das Gebäude einen grösseren Umfang, soll man eine gewisse Naivität behalten und nicht gleich zu Beginn eine Vollkostenrechnung machen. Solch eine Zwischennutzung wird meist zu einem finanziellen Kraftakt werden.

!

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royalbaden.ch

neubad.org

Kulturlokal Royal Baden

Angst, MarcBaldinger, JessicaBondare, BaibaFischer, Nik luftlo.ch, ooam.ch

Hofmann, AndiLibsig, Simon

Neubad Luzern

Brunner, DanielaBürgler, ClaudiaEichelberger, TobiasGlanzmann, SilvanHellberg, StefanJörg, AurelKamber, Jonas jonaskamber.com, silp.com

Krempels, Johann projektbuero-plus.ch, innovage.ch

Schnellmann, Luzius annajuan.ch, 49tage.ch

Schneider, Ramona

Stücheli, Tobias neugarten.ch

Vogel, Elias infoklick.ch

zerozero.ch

kingoftrash.ch

stoffwechsel03.ch, simon-libsig.ch

vivaconagua.ch

ippnw.ch

tschuttiheftli.ch

stefanhellberg.com

Röllin, Dominik

Pamplona*GrupCaptain Zero

Zart Strømpamplonagrup.ch

142521333036

2009

27

ooam.ch

516765918846

8381

59

69

7378

61

zone-imaginaire.ch

tobiaseichelberger.tumblr.com

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Kulturlokal Royal Baden

Neubad Luzern

14

25

20

33 36

2109

3027

65 73 786967

46 615951

81 918883

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Text, Fotografie, GrafikAnina Riniker

BetreuungspersonAntonia Camponovo, KSWE

GegenleserHansjörg Frank, KSWE

SchriftChaparral ProHelvetica

Druck & BindungEBM Müller GmbH, Baden

DANK

Ich danke meinen Interviewpartnern und den Royal-Künstlern, die mir bereitwillig Einblicke in das Thema Zwischennutzung und ihre Arbeit in und für solche gegeben haben. Weiter danke ich meiner Betreuungs-person Antonia Camponovo und meiner Familie für die Unterstützung zur Umsetzung dieser Maturaarbeit.

Unikat

QuellenZone*imaginaire - Zwischennutzungen in Industriearealen (2009)Royal Baden - Ein stolzes Jahrhundert (2013)Neubad Luzern - Katzenstrecker als Wasserratten (2013)

Impressum

In dieser Arbeit wird einfachheitshalber nur die männliche Form ver-wendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit einge-schlossen.

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Kulturlokal Royal BadenNeubad Luzern

Zart Strøm Marc Angst Pamplona*Grup Baiba Bondare Jessica Baldinger Captain Zero Nik Fischer Andi Hofmann Simon Libsig Aurel Jörg Daniela Brunner Jonas Kamber Luzius Schnellmann Tobias Eichelberger Claudia Bürgler Ramona Schneider Tobias Stücheli Elias Vogel Dominik Röllin Johann Krempels Stefan Hellberg Silvan Glanzmann