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ZWISCHENBERICHT II Kontakt: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Wilden Fachgebiet Füge- und Beschichtungstechnik Technische Universität Berlin Pascal-Str. 8-9 // 10587 Berlin Tel.: +49 (30) 314 28 247 [email protected] www.schweisslichtbogen.de LICHTBOGENSCHWEISSEN Cluster über die zweite Förderperiode September 2009 bis August 2010 zum Lichtbogenkolloquium am 7. Oktober 2010 in Aachen “Lichtbogenschweißen - Physik und Werkzeug”

ZWISCHENBERICHT II

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Page 1: ZWISCHENBERICHT II

ZWISCHENBERICHT IIKontakt:Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Wilden

Fachgebiet Füge- und Beschichtungstechnik

Technische Universität Berlin

Pascal-Str. 8-9 // 10587 Berlin

Tel.: +49 (30) 314 28 247

[email protected]

www.schweissl ichtbogen.de

LICHTBOGENSCHWEISSENCluster

über die zweite Förderperiode September 2009 bis August 2010

zum Lichtbogenkolloquium am 7. Oktober 2010 in Aachen

“Lichtbogenschweißen - Physik und Werkzeug”

Page 2: ZWISCHENBERICHT II

2 3

Inhalt

Vorwort 5

Projekt G1 7

Projekt G2 13

Projekt G3 18

Projekt G4 26

Projekt G5 31

37

Projekt A1 45

Projekt A3 50

Projekt A4 56

Plasmadiagnostik und –modellierung am MSG-Lichtbogen

Innovative Diagnostik zur Analyse des Werkstoffübergangs

im MSG-Schweißprozess

Entwicklung und Parametrisierung eines

instrumentierten Modelllichtbogens

Erweiterung des Prozessverständnisses über MSG-Lichtbogenprozesse

durch Modellierung und Visualisierung der physikalischen Zusammenhänge

TU Dresden Beschreibung komplexer Vorgänge im Lichtbogen

durch die Kopplung von inverser und direkter Modellierung

HS Lausitz Von der explorativen Datenanalyse zur inversen Modellierung -auf dem

Weg zu einem neuen Auswertungsstandard für schweißtechnische Messsignale

Einsatz gepulst geregelter Lichtbögen zur

Beeinflussung der Schmelzbaderstarrung

Strömungstechnische Auslegung von Brennersystemen zum

wirtschaftlichen und emissionsreduzierten Lichtbogenschweißen

Entwicklung einer ereignisorientierten Regelung auf Basis der inversen Model-

lierung zur robusten Prozessführung komplexer MSG-Impulsschweißprozesse

Für den Inhalt der Einzelberichte sind die jeweiligen

Autoren aus den am Vorhaben beteiligten Forschungs-

stellen verantwortlich.

Herausgeber: Dr. rer. nat. Dirk Uhrlandt

Layout: Design meets Science (neoplas GmbH)

www.design-meets-science.de

ISBN-978-3-941681-02-6

Page 3: ZWISCHENBERICHT II

4 5

ten insbesondere aus der explorativen Datenanalyse gewonnen

werden. Um diese Ergebnisse breiter vorstellen zu können, wird

in den hier zusammengefassten Berichten die Untersuchungs-

methodik einen kleineren Raum einnehmen. Für Details wird auf

den ersten Zwischenbericht vom Oktober 2009 verwiesen. Mit

der Präsentation der Zwischenergebnisse verbinden die Autoren

den Wunsch nach einer breiten Diskussion mit den Anwendern

parallel zu der laufenden Forschungsarbeit, um neue Ideen zu

aktuellen Problemstellungen zeitnah validieren zu können. Als

ein Aspekt sei die Beeinflussbarkeit des Werkstoffübergangs ge-

nannt, wozu quantitative Ergebnisse aus mehreren Teilprojekten

Anlass geben sollten.

Der Forschungscluster “Lichtbogenschweißen - Physik und

Werkzeug” setzt sich aus folgenden Vorhaben zusammen:

G1 Plasmadiagnostik und -modellierung am MSG-LichtbogenForschungsstelle: INP Greifswald

Projektleitung: Dr. rer. nat. Dirk Uhrlandt

Mit Hilfe optischer Emissionsspektroskopie wird der MSG-Licht-

bogen in seiner Dynamik plasmaphysikalisch charakterisiert.

Modellansätze für die Fallgebiete und den Strahlungstransport

werden abgeleitet.

G2 Innovative Diagnostik zur Analyse des Werkstoffübergangs im MSG-SchweißprozessForschungsstelle: UniBw München

Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Jochen Schein

Zur Bestimmung von Viskosität, Temperatur und Stromdichte

an der abschmelzenden Elektrode und am Schmelzbad sowie

zur Ermittlung von Tröpfchengeschwindigkeit, -beschleunigung

werden neuartige Diagnostikmethoden entwickelt und einge-

setzt.

G3 Plasma- und Materialparameter im Model-lichtbogen mit einstellbarem EnergieeintragForschungsstellen: UniBw München, INP Greifswald

Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Jochen Schein,

Prof. Dr. rer. nat. Klaus-Dieter Weltmann

Anhand eines Lichtbogen mit separierbaren Effekten werden

Modellansätze und neue Betriebsweisen untersucht.

Vorwort

Im Focus der Arbeiten im Forschungscluster steht das Metall-

schutzgasschweißen (MSG) von Stahl. Untersuchungen des

Schweißlichtbogens und des Werkstoffübergangs unter Einsatz

etablierter und neuartiger Diagnostiken dienen dem Verständ-

nis der physikalischen Prozesse, welches in deutlich verbesserten

Modellierungsansätzen mündet. Die Untersuchungen konzen-

trieren sich einerseits auf Lichtbogen und Strömungsverhalten

sowie andererseits auf Tropfenbildung und Schmelzbadverhal-

ten, wobei insbesondere Möglichkeiten der Kontrolle des Ener-

gieeintrags in das Werkstück betrachtet werden. Die explorative

Analyse der elektrischen Daten sowie die Kopplung inverser und

direkter Modellierung öffnen neue Möglichkeiten der Beschrei-

bung und Vorhersage des Prozessverhaltens. Parallel zu diesen

Arbeiten erfolgt in anwendungsorientierten Projekten die Um-

setzung unter technologischen Aspekten. Besondere Bedeutung

wird hierbei der signifikanten Verbesserung der Prozesssicher-

heit beigemessen. Verbesserte Brenner- und Regelungskonzepte

werden auch neue metallurgische Möglichkeiten eröffnen.

Das Forschungscluster umfasst acht wissenschaftliche Vorha-

ben über einen Förderzeitraum von drei Jahren. Fünf Vorhaben

werden durch die DFG gefördert und sollen das grundlegende

Verständnis des Schweißlichtbogens durch umfangreiche und

neuartige Diagnostiken in enger Kombination mit Modellie-

rungsansätzen maßgeblich erhöhen. Der Umsetzung der neuen

Erkenntnisse dienen drei parallel laufende anwendungsorien-

tierte Vorhaben, gefördert durch die AiF. Die Teilprojekte wer-

den durch sechs Forschungsstellen getragen, wobei die meisten

Einzelvorhaben in Kooperation von jeweils zwei Forschungsstel-

len bearbeitet werden. Darüber hinaus sind die Arbeiten über

den Austausch von Diagnostikmethoden, Modellmodulen und

Ergebnissen zur gegenseitigen Validierung stark vernetzt. Neben

projektbegleitenden Arbeitskreisen für die einzelnen Vorhaben

und den Cluster wurde ein industrieller und ein wissenschaftli-

cher Steuerungskreis für die Koordinierung der Arbeiten gebil-

det. Das Forschungscluster wurde wesentlich durch den Deut-

schen Verband für Schweißtechnik (DVS) initiiert.

Der Forschungscluster startete im November 2008. Gegenstand

des ersten Zwischenberichtes vom Oktober 2009 (ISBN 978-3-

941681-02-6) war insbesondere die Vorstellung neuer Untersu-

chungsmethodiken und erster Ergebnisse aus der Startphase der

Projektarbeiten. Der hier vorliegende Bericht fasst die Arbeiten

der Förderperiode von September 2009 bis August 2010 zu-

sammen. Nach zwei Dritteln der Laufzeit des Clusters konnten

bereits wesentliche Ergebnisse erzielt und Zusammenhänge

zwischen den einzelnen experimentellen und theoretischen Un-

tersuchungen hergestell werden. Dies betrifft insbesondere die

Quantifizierung von Eigenschaften des metalldampfdominier-

ten Bogens sowie des Werkstoffübergangs beim MSG-Prozess.

Neuartige Erkenntnisse zur Dynamik des MSG-Prozesses konn-

Projekte gefördert durch:

Projekte unterstützt durch:

Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.V.

Page 4: ZWISCHENBERICHT II

6 7

2. Arbeitsbericht

Die Arbeiten im zweiten Drittel der Projektlaufzeit konzentrier-

ten sich auf die systematische Analyse des Bogenplasmas in der

Hochstromphase des gepulsten MSG-Prozesses. Die im ersten

Projektzeitraum erarbeiteten Methoden und ersten Ergebnisse

wurden validiert und erweitert. Neben den experimentellen Unter-

suchungen und der zugeordneten Messdatenauswertung er-

folgten theoretische Arbeiten zur Erfassung der Lichtbogen-

strahlung. Im Folgenden werden zur besseren Übersicht neben

der Darstellung der aktuellen Arbeiten auch die Vorarbeiten im

ersten Projektzeitraum kurz zusammengefasst.

2.1. Aufbau des Experiments und diagnostische Methoden

Die Erstellung des Versuchsaufbaus, die Einrichtung der spekt-

roskopischen Diagnostik sowie Untersuchungen zum Auffinden

geeigneter Diagnostiklinien und Auswahl geeigneter Auswer-

temethoden waren Gegenstand der Arbeiten im ersten Pro-

jektzeitraum. Der Versuchsaufbau ist in Abb. 1 dargestellt. Als

Schweißmaschine wird das Gerät EWM Phoenix 521 cold arc

eingesetzt. Der Draht (G3Si1, ∅ 1.2 mm, Vorschub 4 m/min)

wird als Anode betrieben. Bei feststehendem Brenner (Abstand

Schutzgasdüse - Grundwerkstoff = 14 mm) wird das Werkstück

(S235, Dicke 10 mm) mit einem Vorschub von 30 cm/min be-

wegt. Prozessparameter sind Strom 125 A, Spannung 25 V und

Zuführung des Schutzgases Ar 5.0 mit 12 l/min. Die Abbildung

des Lichtbogens erfolgt über ein Spiegelsystem auf den Spekt-

rografenspalt in der Art, dass ein Schnitt durch den Lichtbogen

parallel zum Grundwerkstoff die radiale Ausdehnung des Licht-

bogens zu beobachten gestattet. Nahezu parallel zum spektro-

skopischen Strahlengang ist eine Hochgeschwindigkeitskamera

für die visuelle Prozesskontrolle angeordnet, die mit dem Spekt-

roskopiesystem in Bildfolge und Belichtungszeit abgestimmt und

von einem Oszilloskop in der Stromanstiegsphase des Impulspro-

zesses getriggert wird. Elektrische und spektroskopische Daten

werden zusammen mit den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen

für gleiche Zeitpunkte ausgewertet.

Abb. 1: Versuchsaufbau zur Abbildung des Lichtbogens

Projekt G1Plasmadiagnostik und –modellierung am MSG-Lichtbogen

G. Gött, S. Gorchakov, R. Kozakov, M. Rouffett, M. Wendt,

H. Schöpp, D. Uhrlandt

Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP Greifswald)

1. Einführung

Dieses Teilvorhaben widmet sich der plasmadiagnostischen Ana-

lyse des Metall-Schutzgasschweißprozesses (MSG-Prozess). Mit

Hilfe optischer Emissionsspektroskopie werden die plasmaphysi-

kalischen Eigenschaften des Lichtbogens ermittelt. In Koordinati-

on mit den anderen Forschungsstellen wird der MSG-Prozess mit

impulsförmiger Ansteuerung und im Modus One-drop-per-pulse

(ODPP) mit Werkstück und Zusatzwerkstoff aus Stahl sowie dem

Schutzgas Argon betrachtet. Angestrebt wird insbesondere die

Erfassung der Plasmatemperatur, der Elektronendichte und des

Metalldampfanteils im Bogen in ihrer räumlichen Verteilung

(radial und axial) und zeitlichen Dynamik. Hieraus lassen sich

auch Leitfähigkeit, Strompfad und wesentliche Terme der Ener-

giebilanz ableiten.

Der Vergleich mit zugeordneten magneto-hydrodynamischen

(MHD) Simulationen und Ergebnissen anderer Diagnostiken in-

nerhalb des Clusters bietet einzigartige Möglichkeiten der Va-

lidierung. Zusätzlich werden die Messungen eingesetzt, um

Teilmodelle des Strahlungstransports zu erarbeiten sowie plas-

maphysikalische Daten zu vervollständigen, die in die MHD-

Simulationen einmünden.

Ziel ist es, die Ausbildung des Bogenplasmas im MSG-Prozess

insbesondere unter der Einwirkung der Metallverdampfung zu

verstehen. Wesentlich ist dabei die Bewertung der Einflussfak-

toren für Größe und räumliche Ausdehnung des Energieeintrags

auf Tropfen und Schmelze, welcher aus der Lichtbogenausprä-

gung resultiert. Ein weiteres Kriterium ist die Beeinflussbarkeit

der Strahlung des Bogens als unerwünschter Energieverlust und

gesundheitsschädigende Emission.

Als wesentliches aktuelles Ergebnis der Arbeiten ist die erstmali-

ge Quantifizierung des Temperaturprofils und des Metalldampf-

anteils in der Hochstromphase des gepulsten MSG-Prozesses zu

nennen. Insbesondere machten hochaufgelöste spektrale Auf-

nahmen und die geeignete Kombination verschiedener Auswerte-

methoden die Bestimmung der Bogeneigenschaften über den

Bereich der Strahlung des Metalldampfkerns hinaus möglich.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

G4 Erweiterung des Prozessverständnisses über MSG-Lichtbogenprozesse durch Modellierung und Visualisierung der physikalischen Zusam-menhängeForschungsstellen: TU Dresden, RWTH Aachen

Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Füssel,

Prof. Dr.-Ing. Uwe Reisgen

Es wird ein Simulationswerkzeug für den MSG-Lichtbogenpro-

zess erarbeitet, das Bogenplasma, Schutzgasströmung und auch

den Werkstoffübergang bis hin zur Tropfenbildung und -ablö-

sung umfasst.

G5 Beschreibung komplexer Vorgänge im Licht-bogen durch die Kopplung von inverser und direkter ModellierungForschungsstellen: TU Dresden, FH Lausitz

Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Füssel,

Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Kruscha

Mit Hilfe neuartiger Auswertungen von Zeitsignalen wird das

dynamische Systemverhalten analysiert. Die Ergebnisse werden

zum Aufbau einer effizienten Simulation zur Vorhersage des Pro-

zessverhaltens genutzt.

A1 Einsatz geregelt gepulster Lichtbögen zur Beeinflussung der SchmelzbaderstarrungForschungsstellen: TU Berlin, FH Lausitz

Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Wilden,

Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Kruscha

Mit Hilfe inverser Modellierung werden Steuerungskonzepte

erarbeitet, die den Energieeintrag in das Schmelzbad modifizie-

ren, eine homogenere Keimbildung ermöglichen sowie Heißrisse

massive intermetallische Phasen vermeiden.

A3 Strömungsmechanische Auslegung von Brennersystemen zum wirtschaftlichen und emissions-reduzierten LichtbogenschweißenForschungsstelle: TU Dresden

Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Füssel

Unter Einsatz von Simulationswerkzeugen werden Konstrukti-

onsrichtlinien erarbeitet, die einen Absaugbrenner mit optimier-

ter Mehrphasenströmung ermöglichen.

A4 Entwicklung einer ereignisorientierten Regelung auf Basis der explorativen Daten-analyse zur Steuerung komplexer MSG-Impulsschweißprozesse Forschungsstellen: RWTH Aachen, FH Lausitz

Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Uwe Reisgen,

Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Kruscha

Unter Einsatz inverser Modellierung werden Regelungskonzepte

erarbeitet, die eine qualifizierte Prozessregelung ohne externe

Sensorik ermöglichen.

Die im folgenden aufgelisteten Forschungsstellen sind am Clus-

ter beteiligt und zeichnen verantwortlich für den Inhalt der

Berichte der jeweiligen Vorhaben:

Lehrstuhl für Fügetechnik und Montage

Institut für Oberflächen- und Fertigungstechnik

Technische Universität Dresden (IOF)

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Füssel

Teilprojekte G4, G5, A3

Georg-Bähr-Str. 3c // Zeuner-Bau // 01069 Dresden

Fachgebiet Füge- und Beschichtungstechnik

Technische Universität Berlin

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Wilden

Teilprojekt A3

Pascal-Str. 8-9 // 10587 Berlin

Fachbereich Informatik-Elektrotechnik-Maschinenbau

Hochschule Lausitz (IEM)

Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Kruscha

Teilprojekte G5, A1, A4

Großenhainer Str. 57 // 01968 Senftenberg

Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik

RWTH Aachen (ISF)

Prof. Dr.-Ing. Uwe Reisgen

Teilprojekte G4, G5, A4

Pontstraße 49 // 52062 Aachen

Institut für Plasmatechnik und Mathematik

Labor für Plasmatechnologie (LPT)

Universität der Bundeswehr München

Prof. Dr.-Ing. Jochen Schein

Teilprojekte G2, G3

Werner-Heisenberg-Weg 39 // 85577 Neubiberg

Leibniz-Institut für Plasmaforschung

und Technologie e. V. (INP Greifswald)

Prof. Dr. rer. nat. Klaus-Dieter Weltmann

Dr. rer. nat. Dirk Uhrlandt

Teilprojekte G1, G3

Felix-Hausdorff-Str. 2 // 17489 Greifswald

Page 5: ZWISCHENBERICHT II

8 9

Anhand von Übersichtsspektren wurden während des Maxi-

mums der Impulsstromphase Linien identifiziert und den Ele-

menten Eisen und Argon zugeordnet. Hieraus ergab sich eine

Auswahl von Linien geeigneter Intensität und optischer Tiefe

sowie geringer Überlappung, die für die Auswertungen ge-

nutzt werden konnten. Für die hochauflösende Spektroskopie

(0.0032 nm/pixel im Spektrum und 0.026 mm/pixel im Bogen-

querschnitt) wurden geeignete Spektrenbereiche (z.B. 520 bis

550 nm für Eisenlinien) ausgewählt. Die genaue Wellenlängen-

zuordnung sowie die Absolutkalibrierung der Spektren erfolgten

durch Vergleich mit geeigneten Normalen.

Hochauflösende spektrografische Aufnahmen liefern zunächst

die über Sichtlinien durch den Bogen integrierte Strahlung, die

spektrale Radianz als Funktion der Sichtlinienposition. Aus dieser

ist der spektrale Emissionskoeffizient als Funktion der Position

im Bogen zu ermitteln. Dies gelingt bei Annahme von Rotations-

symmetrie des Bogens durch Abeltransformation der Aufnah-

men senkrecht zur Bogenachse, wobei der Emissionskoeffizient

als Funktion der radialen Position im Bogen resultiert. Für eine

erfolgreiche Transformation müssen die Messwerte der Radianz

geeignet bearbeitet werden, worin eine der entscheidenden

Herausforderung der gewählten optischen Diagnostik besteht.

Für die Bestimmung der Emission einer Spetrallinie wurden Me-

thoden erarbeitet, die einen geeigneten Fit des Linienprofils, die

Korrektur des Kontinuumanteils, die räumliche Glättung und

Achsenkorrektur der Linienintegrale sowie die anschließende

Transformation umfassen. Zur Bestimmung von Linienbreiten ist

die Transformation nach geeigneter Glättung separat für jede

Wellenlänge des Linienprofils durchzuführen.

Zur Bestimmung der Plasmaeigenschaften aus dem spektralen

Emissionskoeffizienten stehen verschiedene Methoden zu Aus-

wahl. Die lokale Plasmatemperatur lässt sich direkt aus der über

eine Spektrallinie integrierten Emission bestimmen, wenn neben

den Linieneigenschaften (Übergangswahrscheinlichkeit, Energie-

niveau) die Dichte der strahlenden Spezies bekannt ist. Diese

kann im betrachteten Lichtbogen beim MSG-Prozess zunächst

nicht angegeben werden, da die Metallverdampfung zu einer un-

bestimmten Gasmischung von Schutzgas und Metall führt. Alter-

nativ kann die Emission von Linien der gleichen strahlenden Spe-

zies verglichen werden, wobei die Energieschwellen der oberen

Niveaus der Strahlungsübergänge möglichst unterschiedlich sein

sollten, um den Fehler in der Temperaturbestimmung klein zu

halten. Eine Verallgemeinerung der Auswertung von zwei Linien

stellt die Methode des Boltzmannplots dar. Hier werden eine

Reihe von Linienemissionen der gleichen Spezies herangezo-

gen, und die Plasmatemperatur ergibt sich aus dem Anstieg

des linearen Fits der resultierenden Boltzmannfunktion für die

Energieniveaus. Erste Beispiele für die Auswahl von geeigneten

Eisenatomlinien und den Fit der Boltzmannfunktion sind dem

ersten Zwischenbericht zum Projekt G1 vom Oktober 2009 zu

entnehmen.

Die lokale Elektronendichte kann aus der Breite eines Linien-

profils bestimmt werden, wenn man voraussetzen kann, dass

diese Linienstrahlung maßgeblich nur durch den Stark-Effekt

verbreitert wird und wenn der Zusammenhang von Starkbreite

und Elektronendichte für diese Linie hinreichend bekannt ist.

Entsprechende Daten wurden im ersten Projektabschnitt für

die Linie bei 696 nm des atomaren Argons recherchiert. Aus

den aufgenommenen Linienprofilen für die Sichtlinienpositio-

nen konnten erste Ergebnisse für die radiale Abhängigkeit der

Linienbreite und das radiale Profil der Elektronendichte ermittelt

werden. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf einen Zeit-

punkt innerhalb der Hochstromphase sowie eine Beobachtungs-

ebene im mittleren Abstand vom Werkstück gemessen an der

Bogenlänge.

2.2. Analyse des Lichtbogens in der Hochstromphase

Die hochaufgelösten spektroskopischen Messungen am Licht-

bogen mit jeweils einem Messfenster im Bereich der Eisenlini-

en und der Argonlinien wurden auf vier Zeitpunkte innerhalb

der Hochstromphase ausgedehnt, um die zeitliche Entwicklung

im Puls analysieren zu können. Abb. 2 stellt exemplarisch den

Stromverlauf in der Hochstromphase sowie Hochgeschwindig-

keitsaufnahmen des Bogens zu den vier verschiedenen Zeit-

punkten dar. Die unter 2.1. genannten Auswertemethoden

wurden angewendet, um einerseits die Plasmatemperatur und

andererseits die Elektronendichte zu ermitteln. Erstere konnte je-

doch zunächst nur im Bereich relevanter Metalldampfstrahlung

und nicht in dem durch Argonstrahlung dominierten Außenbe-

reich des Bogens bestimmt werden. Im Gegensatz dazu führte

die geringe Argonstrahlung im zentralen Bogenbereich zu grö-

ßeren Fehlern in der Bestimmung der Elektronendichte. Eine

theoretisch mögliche Ermittlung der Metalldampfkonzentration

aus der Emission ausgewählter Eisenatomlinien bei bereits be-

stimmter Plasmatemperatur scheiterte an der Ungenauigkeit der

Daten der Einzellinien (insbesondere der Übergangswahrschein-

lichkeit) und geringer Reproduzierbarkeit.

Einen wesentlichen Schritt stellte die Einbeziehung von im ersten

Projektabschnitt vorbereiteten Zusammensetzungsrechnungen

dar. Mit der bestimmten Temperatur und Elektronendichte im

Bogeninnenbereich konnte eindeutig auf die Metalldampfkon-

zentration geschlossen werden. Diese fällt zum Außenbereich

hin schnell ab. Im Außenbereich kann von nahezu reinem Ar-

gon ausgegangen werden. So ließ sich in diesem Bereich aus der

Elektronendichte mit Hilfe der Zusammensetzung auf die Tem-

peratur schließen.

Die Analysen wurden anschließend auf mehrere Beobachtungs-

linien entlang des Bogens, in unterschiedlichem Abstand vom

Werkstück ausgedehnt.

Abb. 2: Stromverlauf und Zeitpunkte der spektroskopischen Messungen in der

Hochstromphase (a) sowie zugeordnete Hochgeschwindigkeitsaufnahmen (b).

2.3. Arbeiten zu den Strahlungsprozessen

in Argon-Eisen-Plasmen

Parallel zu den plasmadiagnostischen Untersuchungen erfolgten

theoretische Arbeiten mit dem Ziel, Strahlungsemission und –

transport im thermischen Bogen für den betrachteten Fall des

MSG-Prozesses beschreibbar zu machen. Dabei wurden zwei

Anliegen verfolgt. Zum einen bietet die Simulation des Strah-

lungstransports die Möglichkeit, die vermessenen spektralen

Radianzen mit Modellrechnungen bei bekannten Profilen der

Temperatur und der Dichten zu vergleichen. Hiermit lassen sich

sowohl die Messungen als auch die verwendeten atomaren

Daten zusätzlich validieren. Zum anderen ist der Energieverlust

durch Strahlung in den MHD-Simulationen des Schweißlichtbo-

gens zu erfassen. Hierfür ist die Strahlung im gesamten relevan-

ten Wellenlängenbereich (hier 30 bis 2500 nm) zu beschreiben.

Ein wesentlicher Teil der Arbeiten betraf die Sammlung von

Liniendaten für die strahlenden Übergänge der Eisenatome und

-ionen sowie der Argonatome und -ionen. Für die Annahme ei-

nes rotationssymmetrischen zylindrischen Bogens wurden bei

Vorgabe der Temperaturprofile und Eisendichten Strahlungs-

transportrechnungen durchgeführt. Hierbei wurde die Strah-

lungstransportgleichung in ausgewählten Spektralbereichen

unter Einbeziehung aller relevanten Linien und ihrer Verbreite-

rung gelöst. Beim Einsetzen der aus den Messungen bestimmten

Temperaturen und Gaszusammensetzungen ließen sich die im

Resultat vorliegenden spektralen Radianzen mit den Messungen

(siehe 2.2) vergleichen. Die aus der Literatur gefundenen Daten

insbesondere für die Linienbreiten (Elektronen-Stark-Breiten und

Van-der-Waals-Breiten) konnten so kontrolliert bzw. bei Abwei-

chungen in den Radianzen durch Anpassung von Vorfaktoren

korrigiert werden.

3. Aktuelle Ergebnisse

3.1. Plasmaeigenschaften des MSG-Lichtbogens

in der Hochstromphase

Der sich in der Hochstromphase etablierende Lichtbogen wurde

in einer Beobachtungsebene 4 mm über dem Werkstück analy-

siert. Betrachtet und verglichen wurden mehrere Pulse des unter

2.1. beschriebenen Prozesses, die sich als gut reproduzierbar er-

wiesen. Typische Ergebnisse zu den Plasmaeigenschaften zu den

in Abb. 2 markierten Zeitpunkten sind in den Abbildungen 3 bis

5 zusammengefasst. Die Plasmatemperatur (Abb. 3) wurde für

kleine Radialpositionen durch Auswertung von Boltzmannplots

ausgewählter Eisenlinien und für größere Radialpositionen be-

stimmt.

Abb. 3: Radiales Profil der Plasmatemperatur im MSG-Lichtbogen zu vier verschie-

denen Zeitpunkten in der Hochstromphase in einer Ebene 4 mm oberhalb des

Werkstückes.

Die Elektronendichte (Abb. 4) wurde aus der Stark-Verbreiterung

der Argonatomlinie bei 696 nm ermittelt. Mit Hilfe der berech-

neten Zusammensetzung als Funktion der Temperatur konnte

hieraus auf die Plasmatemperatur für größere Radialpositionen

in Abb. 3 geschlossen werden. Die Zusammensetzungsrechnun-

gen kombiniert mit den Temperaturmessungen erlaubten auch

die Bestimmung des molaren Eisenanteils in Abb. 5.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

a)

b)

Page 6: ZWISCHENBERICHT II

10 11

Abb. 4: Radiales Profil der Elektronendichte im MSG-Lichtbogen wie in Abb. 3.

Abb. 5: Radiales Profil des molaren Eisenanteils im MSG-Lichtbogen wie in Abb. 3.

Die Ergebnisse belegen das Vorhandensein eines durch Eisen-

dampf dominierten Bogenkerns mit Temperaturen um 8000 K,

der sich im Zeitverlauf über den Strompuls räumlich weiter aus-

dehnt. Im Kern werden molare Anteile von Eisen von 50 bis 80 %

erreicht. Am Rand dieses Kerns steigt die Temperatur schnell auf

ca. 13000 K, um dann mit steigender Radialposition im Bereich

des Argonplasmas langsam abzufallen. Die Elektronendichte

variiert nur gering im Zeitverlauf, ist im Eisenkern wie auch im

Übergangsbereich zum Argonplasma ähnlich und fällt im Au-

ßenbereich wie die Temperatur langsam zum Bogenrand hin

ab. Die genannten Ergebnisse wurden ergänzt mit detaillierten

Fehlerbetrachtungen in einer Fachpublikation zusammenge-

fasst, welche sich derzeit im Druck befindet [Rou10]. Über einen

ersten Vergleich der spektroskopisch gewonnenen Ergebnisse

mit denen von CFD-Rechnungen wird im Projektbericht zu G4

berichtet. Ähnliche Ergebnisse wurden in vergleichbaren Unter-

suchungen für Sprühlichtbögen [Zie07] gefunden.

Abb. 6: Boltzmannplot aus der Emission von 10 Eisenlinien im Bogenzentrum so-

wie bei der Radialposition 1.05 mm.

Messungen zu verschiedenen Schnittebenen des Bogens erfolg-

ten zu Abständen 1, 2, 3 und 4 mm über dem Werkstück. Hier

wurden ebenfalls Boltzmannplots ausgewählter Eisenlinien er-

stellt. Exemplarisch zeigt Abb. 6 zwei Boltzmannplots für den

Abstand 1 mm vom Werkstück und die Achsenposition bzw. die

Radialposition 1.05 mm. Erste Ergebnisse für das radiale Tempe-

raturprofil im Bereich der Eisenstrahlung sind in Abb. 7 zusam-

mengefasst. Für die Bestimmung des gesamten Profils und des

Temperaturmaximums am Rand des Eisenkerns muss auf noch

folgende Auswertungen der Argonstrahlung verwiesen werden.

Die bisherigen Ergebnisse deuten auf eine geringe Ausweitung

des Eisenkerns in Richtung Werkstück (Kathode) hin, wobei sich

die Temperatur im Zentrum nur geringfügig absenkt.

Abb. 7: Radiales Profil der Plasmatemperatur im Lichtbogenkern in der Hochstrom-

phase zu vier verschiedenen Schnittebenen oberhalb des Werkstückes.

Wichtigste Schlussfolgerung aus den Untersuchungen ist, dass

aufgrund der relativ geringen Temperaturen im Eisenkern ein

wesentlicher Strom- und Energietransfer auch in Bereichen

jenseits des Eisenkerns erfolgen muss. Der Energietransfer ist

weniger auf den Eisenkern fokussiert, als man aus Kameraauf-

nahmen der Eisenstrahlung ursprünglich schließen konnte. Die

Wechselwirkung von Schutzgas und Eisendampf bestimmt we-

sentlich das radiale Profil der Bogeneigenschaften und damit die

Möglichkeiten einer Fokussierung des Lichtbogens und seines

Energieeintrags auf das Werkstück.

3.2. Nettoemissionskoeffizienten in Argon-Eisen-Plasmen

Die unter 2.3. beschriebenen Methoden wurden in Kombination

mit den spektroskopischen Messungen der Radianzen bzw. der

ermittelten Temperaturen und Dichten zur Anpassung von Lini-

endaten eingesetzt. Unter anderem wurden für den Spektralbe-

reich von 526 bis 542 nm Strahlungstransportrechnungen zur in-

dividuellen Anpassung der Linienbreiten von 12 Eisenatom- und

-ionenlinien genutzt. Ein Beispiel des Vergleichs der gemessenen

und mit angepassten Liniendaten berechneten spektralen Radi-

anz zeigt Abb. 8.

Abb. 8: Gemessene und berechnete spektrale Radianz in einem ausgewählten Be-

reich von Eisenlinien einer Sichtlinie durch das Zentrum eines Bogens im Argon-

Eisengemisch.

Um genauere Angaben über den gesamten relevanten Spekt-

ralbereich zu erhalten, wurden gemessene Radianzen auch in

weiteren Spektralbereichen ausgewertet. So wurde beispiels-

weise ein Skalierungsfaktor von 3.7 für berechnete Starkbreiten

der Eisenatome ermittelt. Mit Hilfe der korrigierten Daten wur-

den Nettoemissionskoeffizienten für verschiedene Argon-Eisen-

Mischplasmen berechnet und mit Literaturdaten verglichen.

Beispiele sind in den Abbildungen 9 und 10 gezeigt. Abb. 9

demonstriert die Abhängigkeit des Nettoemissionskoeffizienten

von Temperatur und Eisenanteil in einem als homogen ange-

nommenen Bogen von 1 mm Radius im Vergleich mit Daten aus

der Literatur [Men02]. Abb. 10 veranschaulicht den Anteil der

Strahlung verschiedener Spezies für den Fall eines Plasmas mit

10% Eisenanteil. Der Nettoemissionskoeffizient ist durch Strah-

lungsanteile im Sichtbaren bestimmt und wird schon für Eisen-

anteile ab 0.1% von den Strahlungseigenschaften des Eisens

dominiert.

Abb. 9: Nettoemissionskoeffizient für einen Bogen vom Radius 1 mm in verschie-

denen Argon-Eisen-Mischungen aus eigenen Berechnungen sowie aus [Men02].

Abb. 10: Nettoemissionskoeffizient für einen Bogen vom Radius 0.1 mm in Argon

mit einem Eisenanteil von 10% sowie Anteile der Nettoemission aus den verschie-

denen Atom- und Ionenarten.

4. Nächste Schritte

Gegenstand aktueller Aktivitäten ist die weitere Auswertung von

spektroskopischen Messungen zu verschiedenen Schnittebenen

des MSG-Lichtbogens sowie die Ausweitung dieser Messungen

auf verschiedene Zeitpunkte in der Hochstromphase. Ziel ist da-

bei die mehrdimensionale Erfassung des Eigenschaftsbildes des

Bogens in seiner Entwicklung über die Hochstromphase. Die

kombinierte Ermittlung von Temperatur, Elektronendichte und

Eisenanteil erlaubt dabei auch die Bestimmung der räumlichen

Profile der thermischen und elektrischen Leitfähigkeit sowie des

Strompfads und der Energiestromdichte. Der Vergleich mit zuge-

ordneten Simulationen im Projekt G4 wird dabei noch größeres

Gewicht erhalten. Die bereits begonnene Ausdehnung auf den

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Page 7: ZWISCHENBERICHT II

12 13

elektrodennahen Bereich soll zusätzliche Erkenntnisse zum Ener-

gieübertrag auf das Werkstück und zu seiner räumlichen Aus-

dehnung erbringen.

Im Nachgang ist vorgesehen, die Untersuchungen soweit als

möglich auf Bereiche der abfallenden und ansteigenden Flan-

ke des Strompulses auszudehnen. Erwartet werden zusätzliche

Erkenntnisse zur Metallverdampfung in der Anstiegsflanke und

zum Strom- und Energietransfer im Bereich der Tropfenablösung.

Die Arbeiten zu den Strahlungsdaten von Argon-Eisen-Misch-

plasmen werden in die Bestimmung geeigneter Koeffizienten

zur Einbeziehung in die MHD-Simulationen im Projekt G4 mün-

den. Ziel ist hier die Berücksichtigung des Strahlungstransports in

der Energiebilanz der MHD-Simulationen. Durch die Anpassung

der Strahlungsdaten mit Hilfe zugeordneter spektroskopischer

Messungen wird in der Simulation eine Genauigkeit der Erfas-

sung der Strahlungsvorgänge erwartet, die in bisherigen Unter-

suchungen nicht möglich war. Die angepassten Strahlungsdaten

wie auch die erweiterten Simulationen werden Gegenstand von

gemeinsamen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sein.

Literaturverzeichnis

[Men02] J. Menard, S. Malik, Net emission coefficients for argon-

iron thermal plasmas, J. Phys. D: Appl. Phys. 26 (2002) 867-.

[Rou10] M. E. Rouffet, M. Wendt, G. Gött, R. Kozakov, H.

Schöpp, K.-D. Weltmann,D. Uhrlandt, Spectroscopic investiga-

tion of the high-current phase of a pulsed GMAW process, J.

Phys. D: Appl. Phys. 43 (2010) in print.

[Zie07] S.Zielinska and al., Investigations of GMAW plasma by

optical emission spectroscopy, Plasma Sources Sci. Technol. 16

(2007) 832-838.

Anregung eine Schallwelle im Ultraschallbereich erzeugt wird.

Man spricht vorzugsweise von Optoakustik, wenn Laserpulse im

Nanosekundenbereich in einem Medium Ultraschallwellen her-

vorrufen. Diese sollen nun mit einem Interferometer gemessen

werden und so Aussagen über das E Modul bzw. die Viskosität

gemacht werden.

1.3 Kompensierende Pyrometrie

Das Hauptproblem bei der Pyrometrie an Schweißpartikeln,

-elektroden und Werkstück ist die starke Strahlung, die durch

das nahe Plasma erzeugt wird. Daher ist Hauptziel dieser Ent-

wicklung, den reflektierten Anteil des Lichtbogens zu messen

und bei der Bestimmung der absoluten Emission zu berücksich-

tigen, um dann durch reguläre 2-Farben Pyrometrie die Tempe-

raturverteilung in 2D zu bestimmen. Zu diesem Zweck soll ein

Aufbau verwendet werden, der die Reflektion der Oberfläche in

Abhängigkeit vom Winkel misst und dieses mit winkelabhängi-

gen Messungen der Oberflächenemission kombiniert. Mit einer

getrennten Detektion der Plasmaemission und einer zusätzlichen

Messung der Schmelzbademission wird die netto-Schmelzbad-

emission ermittelt.

2. Arbeitsbericht

2.1 Hallsondentomographie

Ein Modell zur Bestimmung der Stromdichteverteilung im Licht-

bogen ist das sogenannte Fadenstrommodell. Dabei wird der

Lichtbogen in diskrete Leiter unterteilt, welche separat als strom-

durchflossene Leiter betrachtet werden können. Diese erzeugen

jeweils ein Magnetfeld, welches mit dem aller anderen „Leiter“

zu einem messbaren Gesamtmagnetfeld superponiert. Ziel bei

diesem Modell ist es nun, durch Messung des Gesamtmagnet-

feldes wieder Rückschlüsse auf die Ströme der einzelnen Leiter,

also die Stromdichteverteilung zu ziehen.

Dafür wurde bereits im ersten Drittel der Projektlaufzeit der Hall-

sensor HAL855-A von der FA MICRONAS in Betrieb genommen

und kalibriert. Dieser Hallsensor zeichnet sich durch eine inte-

grierte elektrische Temperaturkompensation, eine mechanisch

robuste und kleine Bauweise, sowie eine hohe Sensitivität aus.

Außerdem sorgt eine integrierte Signalvorverstärkung und Um-

wandlung in ein störunempfindliches PWM-Signal gekoppelt

mit einer dafür entwickelten FPGA basierten Auswertung für

das parallele Detektieren kleinster Magnetfelder mit mehreren

verteilten Hallsensoren. Mit diesen Hallsensoren wurde ebenfalls

im ersten Drittel der Projektlaufzeit ein Aufbau zur tomographi-

schen Rekonstruktion der Position eines stromdurchflossenen

Leiters umgesetzt: Ein mit LabVIEW programmierter Algorith-

mus kann die Position eines im Raum frei beweglichen strom-

durchflossenen Leiters im laufenden Betrieb rekonstruieren und

diese Position relativ zu der Position der Hallsensoren in Echtzeit

auf einem Monitor anzeigen.

Projekt G2

Innovative Diagnostik zur Analyse des Werk-stoffübergangs im MSG-Schweißprozess

B. Bachmann, J.-L. Marques, J. Schein

Institut für Plasmatechnik und Mathematik, Universität der Bundeswehr München

1. Einführung

Ziel dieses Projektes ist es, durch die Entwicklung neuer, innova-

tiver Diagnostiken den Werkstoffübergang von der abschmel-

zenden Elektrode bis hin zum zu bearbeitenden Werkstück mit

großer Genauigkeit experimentell zu analysieren um damit so-

wohl grundlegende Materialparameter zu bestimmen, die für

eine erfolgreiche Modellierung des Lichtbogenschweißvorgangs

notwendig sind, als auch neue Möglichkeiten zur Prozesskont-

rolle zu gewinnen. Die zu bestimmenden Parameter in diesem

Projekt sind die Temperaturen an den Oberflächen und im Volu-

men der transportierten Materialien sowie die Stromdichtever-

teilung an den Elektroden und im Lichtbogen.

1.1 Hallsondentomographie

Ziel dieses Teilprojektes ist die örtlich und zeitlich aufgelöste

Bestimmung der Stromdichte innerhalb eines Schweißlichtbo-

gens durch Messung des umgebenden Magnetfeldes. Dabei soll

besonderer Wert auf die Stromdichte im Bereich der Elektrode

bzw. des Werkstückes gelegt werden. Die dabei gewonnenen

Erkenntnisse sollen in die Modellierung des MSG Prozesses ein-

gehen, die in dem Cluster von dem INP, der TUD und der RWTH

unternommen wird. Für die Bestimmung der Stromdichtevertei-

lung muss ein physikalisches Modell entwickelt werden, um aus

den Magnetfeldmessungen in der Umgebung des Lichtbogens

auf die Stromdichteverteilung im Lichtbogen zu schließen. Ein

Array aus Hallsonden wird verwendet, um die Magnetfeldvertei-

lung des Lichtbogens zu bestimmen.

1.2 Laser-shock-viscosity-measurement

Ziel des Laser Shock Viscosity Measurements ist es, die Viskosität

des sich ablösenden Tropfens beim MSG Prozess zu bestimmen,

um damit zusätzliche Informationen über den Ablösemechanis-

mus zu bekommen. Auch diese Daten werden zur Unterstützung

der physikalischen Modellierung benötigt. Unter anderem wird

angestrebt, aus der Viskosität die interne Temperatur der Draht-

spitze im Schweißprozess zu messen. Dafür sollen, basierend auf

dem photoakustischen Effekt, lasergenerierte Stoßwellen in der

abschmelzenden Elektrode erzeugt werden. Der photoakusti-

sche Effekt resultiert aus der Wechselwirkung von elektromag-

netischer Strahlung mit Materie, wobei durch gepulste optische

G1

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A3

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Page 8: ZWISCHENBERICHT II

14 15

Der WIG Lichtbogen wurde in den ersten Experimenten mit 50 A

und 8 slpm Argon bei einer Länge von bis zu 20 mm betrieben.

Die mit Hilfe des Modells bestimmbare charakteristische radia-

le Ausdehnung ( )zσ des Lichtbogens sowie die Stromdichte in

z-Richtung im Zentrum des Lichtbogens sind dabei in Abb. 5

dargestellt.

Abb. 5: charakteristische radiale Ausdehnung ( )zσ und Stromdichte ( )zrjz ,0= in

axialer Richtung im Zentrum des Lichtbogens

In Abb. 6 sind zwei Isoflächen der Stromdichte in axialer Rich-

tung ( )zrjz , dargestellt, welche mit Hilfe des Modells beim zuvor

beschriebenen Lichtbogen berechnet wurden.

Abb. 6: Räumliche Verteilung der Isoflächen (Grün und Blau) für ( )zrjz ,

Die Stromdichte liegt hier im Bereich von 1e+4 A/m² bis 5e+5A/m²

und wird in radialer und axialer Richtung schwächer. Abb. 7

zeigt Isoflächen für die Stromdichte in radialer Richtung ( )zrjr , :

Abb. 7: Räumliche Verteilung der Isoflächen für ( )zrjr ,

Im zweiten Drittel der Projektlaufzeit wurde die Theorie zum

Fadenstrommodell weiter entwickelt und in einem Experiment

mit zwei stromdurchflossenen Leitern umgesetzt. Außerdem

wurde ein komplett neues Modell zur tomographischen Rekon-

struktion von Stromdichteverteilungen in axialsymmetrischen

Lichtbögen entwickelt. Dieses neue Modell konnte bereits in Ex-

perimenten validiert werden und ermöglicht es dem Antragstel-

ler, Stromdichteverteilungen an axialsymmetrischen Lichtbögen

zu bestimmen. Zur Validierung der Axialsymmetrie eines Lichtbo-

gens im Experiment wurde eine optische Diagnostik entwickelt,

welche es dem Antragsteller ermöglicht, den zu untersuchenden

Lichtbogen dreidimensional darzustellen.

2.2 Laser-shock-viscosity-measurement

Um zunächst einen genaueren Einblick in den photoakustischen

Effekt zu bekommen und die entstehenden Ultraschallwellen

an einfachen Testobjekten messen zu können, wurde im ers-

ten Drittel der Projektlaufzeit ein experimenteller Aufbau zur

Detektion und Untersuchung der Ultraschallwellen in Betrieb ge-

nommen. Dafür wurden diese in einem absorbierenden Medium

erzeugt, welches sich in einem Wasserbecken befindet. So kön-

nen Ultraschallwellen, die sich durch das Wasser ausbreiten, mit

einem Hydrophon detektiert werden. Es wurde ein Hydrophon

verwendet, welches zur Wandlung von Wasserschall in eine

dem Schalldruck äquivalente elektrische Spannung dient (Piezo-

element). Dabei zeigten erste Messungen bereits eine zeitliche

Veränderung des Schalldrucks am Hydrophon. Im zweiten Drit-

tel der Projektlaufzeit wurde die Erzeugung der optoakustischen

Stoßwellen und deren Detektion mit dem eben beschriebenen

experimentellen Aufbau analysiert und optimiert. Desweiteren

wurden bereits erste optoakustische Versuche außerhalb dieses

idealen experimentellen Aufbaus durchgeführt. Um der späteren

Anwendung so nah wie möglich zu kommen, wurden die Ultra-

schallwellen dabei in einer Metallkugel mit 5 mm Radius erzeugt

und mit einem Piezoelement gemessen. Zur interferometrischen

Detektion der lasergenerierten Stoßwellen hat der Antragsteller

im ersten Drittel der Projektlaufzeit ein Interferometer nach dem

Prinzip von Michelson aufgebaut und dieses mit einem Nd-YAG

Dauerstrichlaser mit 532nm Wellenlänge in Betrieb genom-

men. Außerdem wurde ein Kamerasystem installiert, mit dem

sich sichtbare Interferenzmuster detektieren ließen. Im zweiten

Drittel der Projektlaufzeit wurde festgestellt, dass mit dem Mi-

chelsoninterferometer nur Objekte vermessen werden können,

durch die die örtliche und zeitliche Kohärenz des Laserstrahls nur

minimal beeinflusst wird. Somit war es nicht möglich, Interfe-

renz an tropfenähnlichen Formen wie z.B. der oben beschriebe-

nen Kugel zu erhalten. Um dieses Problem zu umgehen, hat der

Antragsteller ein neues Interferometer aufgebaut und in Betrieb

genommen. Mit dem sogenannten VISAR (Velocity Interferome-

ter System for Any Reflector) ist es inzwischen möglich, auch an

stark gekrümmten und nicht ideal spiegelnden Oberflächen In-

terferenz zu erhalten.

2.3 Kompensierende Pyrometrie

Im zweiten Drittel der Projektlaufzeit wurde eine druckluftbasier-

te, elektrisch ansteuerbare Vorrichtung gebaut, mit der sich der

Lichtbogen schnell abschalten lässt ohne dabei das Schmelzbad

zu beeinflussen.

Abb. 1: elektrisch ansteuerbare Abschaltvorrichtung zum schnellen Abschalten des

WIG-Lichtbogens.

So kann zunächst die Pyrometrie an der Schmelze ohne den Ein-

fluss des Plasmas durchgeführt werden. Außerdem wurde ein

hochauflösendes 2-Farben-pyrometer basierend auf zwei 16bit

Graustufen CCD Kameras entwickelt, aufgebaut und in Betrieb

genommen. Mit diesem Pyrometer wird in zukünftigen Experimen-

ten eine flächendeckende Temperaturbestimmung ermöglicht.

3. Aktuelle Ergebnisse

3.1 Hallsondentomographie

Die Erweiterung der Theorie zum Fadenstrommodell, also zur

Rekonstruktion vom mehreren stromdurchflossenen Leitern

wurde im zweiten Drittel der Projektlaufzeit weiter bearbeitet.

Es wurde dafür ein Programm entwickelt, welches basierend

auf der Lösung eines iterativen Optimierungsproblems, die Po-

sition von mehreren stromdurchflossenen Leitern rekonstruieren

kann. Außerdem wurde das Programm in einem praktischen Ex-

periment umgesetzt. In diesem Experiment wurden die Positio-

nen und das Magnetfeld von zwei frei beweglichen Leitern mit

unterschiedlichen Stromstärken rekonstruiert und für beliebige

Leiterorte auf einem Bildschirm in Echtzeit dargestellt (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Programmoberfläche zur Rekonstruktion der Postionen

zweier frei beweglicher stromdurchflossener Leiter.

Das im zweiten Drittel der Projektlaufzeit entwickelte Modell zur

tomographischen Rekonstruktion von Stromdichteverteilungen

in axialsymmetrischen Lichtbögen [Bac10] ermöglicht die Bestim-

mung der Stromdichteverteilung

(Axialsymmetrie)

an jedem beliebigen Punkt im Raum. Dabei wird außer der Axial-

symmetrie eine normalverteilte Stromdichte in z-Richtung (Ach-

se des Lichtbogens) angenommen.

Validiert wird die Annahme der Axialsymmetrie mithilfe einer da-

für entwickelten optischen Diagnostik (Stereoaufnahme), welche

den Lichtbogen graphisch rekonstruiert. Dafür wird der Lichtbo-

gen aus zwei orthogonalen Richtungen aufgenommen und über

die Intensitätsverteilung der Graustufenbilder die Achse des

Lichtbogens festgelegt. Durch die Orthogonalität der Aufnah-

men lassen sich Längen der großen und kleinen Halbachsen von

Ellipsen bestimmen, aus denen dann der gesamte Lichtbogen

zusammengesetzt werden kann, wie dies in Abb. 3 zu sehen ist.

Abb. 3: Stereoaufnahme zur Validierung der Axialsymmetrie des Lichtbogens

Weiterhin lässt sich mit dem in [Bac10] beschriebenen Modell

die charakteristische radiale Ausbreitung ( )zσ des Lichtbogens

berechnen. Erste Experimente zu dem neuen Modell haben be-

reits an einem WIG Lichtbogen stattgefunden. Ein Foto des Ver-

suchsaufbaus ist in Abb. 4 zu sehen, welches den Lichtbogen

und das Messarray von Hallsensoren darstellt.

Abb. 4: experimenteller WIG Lichtbogen mit Hallsondenarray

G1

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G3

G4

G5

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A3

A4

Page 9: ZWISCHENBERICHT II

16 17

Auch hier ist die radiale Stromdichte im Zentrum des Lichtbo-

gens und nah an der Kathode am stärksten, jedoch eine Grö-

ßenordnung geringer als ( )zrjz , .

3.2 Laser-shock-viscosity-measurement

Um reproduzierbare Ergebnisse bei der Erzeugung optoakus-

tischer Stoßwellen zu erhalten, wurde das im Arbeitsbericht

beschriebene Experiment im Hinblick auf das Signalrausch-

leistungsverhältnis und die Amplitudenstabilität von Messung

zu Messung optimiert, da diese wichtige Grundlagen für

weiterführende Experimente sind. Für die Optimierung des

S/N-Verhältnisses ist es sinnvoll, die Signalleistung durch Mini-

mierung des Abstandes zwischen absorbierendem Medium und

Schallsensor zu erhöhen. Außerdem lässt sich gleichzeitig die

Rauschleistung verringern, indem Messleitungen elektromagne-

tisch abgeschirmt und räumlich maximal von Spannungsversor-

gungleitungen entfernt werden. Eine hohe Abtastrate, bei der

die Nyquistfrequenz überschritten wird, sowie eine hohe vertikale

Auflösung gewährleistet zusätzlich eine optimale Auflösung

der Signale. Das Ergebnis der Optimierung der Erzeugung und

Detektion optoakustischer Stoßwellen ist in Abb. 8 dargestellt.

Abb. 8: Optimierung der Erzeugung und Detektion optoakustischer Schallwellen.

(links: ursprüngliches optoakustisches Signal, rechts: optimiertes Signal)

G1

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G3

G4

G5

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A3

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Der rechts dargestellte Bereich von 100 Messungen der opto-

akustischen Stoßwelle lässt die hohe Reproduzierbarkeit des

optimierten Messverfahrens erkennen. Sowohl der geringe Jitter

als auch die hohe Amplitudenstabilität, die hier erreicht wurde,

sind Voraussetzung für weiterführende Experimente an Metall-

tropfen. Dafür wurde in den nächsten Experimenten als absor-

bierendes Medium eine Metallkugel verwendet. Abb. 9 stellt

den Versuchsaufbau mit dem Ergebnis der laserproduzierten

Stoßwelle dar:

Abb. 9: Optoakustik mit Metallkugel als Messobjekt

und piezoelektrischer Detektion

Mit dem in Abb. 10 schematisch dargestellten VISAR lassen sich

nun auch Messobjekte mit gekrümmten Oberflächen vermessen.

Abb. 10: Schematischer Aufbau des VISAR

(Velocity Interferometer System for Any Reflector)

So lässt sich nicht nur bei einem Spiegel als Messobjekt Interfe-

renz detektieren (Abb. 11), sondern auch bei der zuvor beschrie-

benen Metallkugel (Abb. 12).

4. Nächste Schritte

Neben weiteren Messungen am WIG Lichtbogen soll im kom-

menden Halbjahr das Modell zur Hallsondentomographie erwei-

tert und erste Ergebnisse am MSG Prozess erzielt werden.

Die nächsten Arbeitsschritte beim Laser-shock-viscosity-measure-

ment sind die Realisierung des VISARs mit flüssigem Metalltrop-

fen als Messobjekt sowie die laserinduzierte Stoßwellenerzeu-

gung mit piezoelektrischer Detektion an flüssigen Metalltropfen.

Im Anschluss daran sollen zunächst mechanische Stoßwellen

in verschiedenen Messobjekten (Spiegel, Metallkugel, flüssiger

Metalltropfen) erzeugt werden, die dann mit dem VISAR detek-

tiert und ausgewertet werden. Dann kann die Erzeugung op-

toakustischer Signale mit dem VISAR zusammengeführt werden

und laserinduzierte Stoßwellen interferometrisch detektiert und

ausgewertet werden.

Das neue 2-Farben Pyrometer wird in den nächsten Arbeits-

schritten kalibriert und es werden erste Messungen an Fest-

körpern durchgeführt. Anschließend werden Messungen an

Metallschmelzen durchgeführt, welche durch einen Lichtbogen

erzeugt werden. Dabei wird zunächst der Lichtbogen mit der

bereits entwickelten Vorrichtung abgeschaltet. Dann wird der

Verlauf des Abkühlens der Schmelze gemessen und auf den

Zeitpunkt zum Abschalten zurück extrapoliert um die dort herr-

schenden Temperaturverteilungen zu bestimmen.

Abb. 11: VISAR mit Spiegel als Messobjekt

Abb. 12: VISAR mit Metallkugel als Messobjekt

Literaturverzeichnis

[Bac10] B. Bachmann, J.-L. Marques, J. Schein, M. Richter,

THREE-DIMENSIONAL TOMOGRAPHIC RECONSTRUCTION OF

THE ELECTRIC CURRENT DENSITY DISTRIBUTION WITHIN A

TRANSFERRED PLASMA ARC, 37th IEEE International Conference

on Plasma Science, Norfolk, VA, USA, June 20-24, 2010

Page 10: ZWISCHENBERICHT II

18 19

Projekt G 3Entwicklung und Parametrisierung eines

instrumentierten Modelllichtbogens

E. Siewert1, J. Schein1, G. Forster1, S. Gorchakov2, R. Kozakov2,

H. Schöpp2, D. Uhrlandt2, K.-D. Weltmann2

1 Institut für Plasmatechnik und Mathematik,

Universität der Bundeswehr München

2 Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) Greifswald

1. Einführung

Trotz zahlreicher, in der Vergangenheit durchgeführter Unter-

suchungen am MSG-Schweißlichtbogen fehlt immer noch ein

grundlegendes physikalisches Verständnis der Vorgänge in den

Randschichten des Lichtbogens und folglich des Gesamtpro-

zesses. Weitere wichtige Effekte wie der Bogenansatz an den

Elektroden, Fluktuationen im Lichtbogen sowie die Partikelüber-

tragung durch das Plasma sind bisher nur qualitativ und auf

limitierte Parameterbereiche begrenzt untersucht worden. Das

fehlende physikalische Verständnis erklärt, warum Simulations-

modelle zumeist auf nur eine Parameterkombination (Stromstär-

ke, Lichtbogenlänge, Brennergeometrie, etc.) angepasst wurden

und für andere Einstellungen im Allgemeinen keine gute Über-

einstimmung mit Experimenten zeigen.

Ziel des Projektes G 3 ist es, ein grundlegendes Verständnis des

MSG Schweißprozesses durch die physikalische Analyse des

Lichtbogens und der Elektrodenrandgebiete an einem instru-

mentierten Modelllichtbogen (MLB) zu schaffen. Dieses Projekt

wird parallel und in enger Zusammenarbeit an beiden beteilig-

ten Forschungseinrichtungen durchgeführt.

Der am LPT entwickelte und an beiden Forschungseinrichtungen

aufgebaute MLB ermöglicht das Einstellen der Elektrodenab-

stände, der Gasatmosphäre und der Energieeinträge. Weiterhin

besteht die Möglichkeit, die Elektroden kathodisch oder ano-

disch zu polen sowie den Energieeintrag und die Energieabfuhr

zu beeinflussen, sodass detaillierte Untersuchungen der Elektro-

denrandgebiete bei abschmelzenden Elektroden durchgeführt

werden können. Im Entwicklungsstadium ermöglicht der MLB

durch die Integration zweier zusätzlicher Elektrodenebenen die

unabhängige Kontrolle des Energieeintrages in den abschmel-

zenden Draht und das Werkstück (Abb. 1).

Unabhängig voneinander werden an beiden Forschungsstellen dia-

gnostische Messungen mit sich ergänzenden Zielsetzungen durch-

geführt. Hierzu wurden diagnostische Systeme entwickelt, um

1. die Energiedichte ortsaufgelöst an den Elektroden

zu bestimmen (LPT),

2. die elektrische Feldstärke zu messen (INP, LPT),

3. die Plasmatemperatur und Elektronendichte spektroskopisch

zu bestimmen (INP, LPT),

4. die Elektronendichte und -temperatur mittels

Thomsonstreuung zu erfassen (LPT),

5. die Tropfenenthalpie (LPT) und Tropfentemperatur

(INP) zu messen,

6. die Lichtbogengestalt anhand der Tomographie

zu rekonstruieren (LPT) und

7. die Fallspannung anhand von Langmuir- und Potential-

proben zu messen (LPT).

Abb. 1: Prinzipieller Aufbau des Modelllichtbogens mit zwei Hilfselektrodenebenen

Im folgenden Arbeitszeitraum werden die neu entwickelten Di-

agnostiken am automatisierten MLB für Sensitivanalysen und an

praxisnahen Prozessen mit schmelzenden Elektroden eingesetzt.

Die Ergebnisse dienen im Besonderen als Randbedingungen für

die Simulationsmodelle der Projekte G4, G5 und A3, zum Ver-

gleich mit Simulationsergebnissen und zur Verbesserung des

Prozessverständnisses.

2. Arbeitsbericht

Mit Hilfe des MLB können Lichtbögen erzeugt werden, welche

(i.) zwischen nicht schmelzenden Elektroden (MLB 1),

(ii.) zwischen abschmelzenden Elektroden (MLB 2) sowie

(iii.) zwischen schmelzenden Elektroden und nicht schmelzen-

den Hilfselektroden (MLB 3) brennen. Detaillierte Informationen

sind dem Zwischenbericht vom Oktober 2009 zu entnehmen.

Der Modelllichtbogenaufbau ist in der ersten Projektperiode

auch an der Forschungsstelle INP in Greifswald installiert wor-

den. Aktuell wurde am LPT der MLB-Aufbau mit einer Speicher-

programmierbaren Steuerung (SPS) versehen. Weiterhin wurden

Diagnostiken entwickelt, um insbesondere die Randschichten

von Lichtbögen zu analysieren. Es wurden erste Untersuchungen

zur Brennspannung und zum elektrischen Feld am MLB 1 (WIG)

sowie die Analyse der Tropfentemperatur durchgeführt (MLB 2).

Weiterhin wurden vom INP Modelle entwickelt, um die Rand-

schichten an den Elektroden zu beschreiben.

2.1 Automatisierung des MLB-Aufbaus

Die Automatisierung des MLB anhand einer SPS (Ablaufpro-

gramme für MLB 1 bis MLB 3) ermöglicht es, den Lichtbogen

im Einmannbetrieb zu initialisieren, zu überwachen und mit

Diagnostiksystemen zu synchronisieren. Die Zündroutine kann

gestartet werden, wenn die SPS einen ausreichenden Kühlwas-

ser-, und Schutzgasdurchfluss registriert sowie die Grenztempe-

ratur des Kühlwasserkreislaufs nicht überschritten wird. Anhand

des Kühlwasserdurchflusses und der Kühlwassertemperaturer-

höhung wird zudem die in die Elektroden eingebrachte Energie

berechnet.

Beim Zünden besteht die Möglichkeit, auch den MSG-Prozess

berührungslos über eine Hochspannungszündung zu initialisie-

ren. Dieses Vorgehen ist für das Diagnostiksystem zur Bestim-

mung der Tropfenenthalpie essentiell (siehe auch Abb. 8). Wei-

terhin können die Drahtfördergeschwindigkeit, der Stromverlauf

und der Brennerabstand variabel während des Schweißvorgangs

verändert werden.

2.2 Diagnostische Systeme

Die entwickelten diagnostischen Systeme lassen sich nach ihrem

Analyseort in (i.) die Analyse des Lichtbogens, (ii.) die Analyse

der Randschichten und (iii.) die Analyse des Tropfenübergangs

unterteilen.

2.2.1 Analyse des Lichtbogens

Um den Lichtbogen zu analysieren werden spektroskopisch orts-

aufgelöste Sideon-Übersichtsspektren aufgenommen und die

Plasmatemperatur anhand eines Boltzmannplots bestimmt. Die

Lichtbogengestalt wird anhand der Tomografie rekonstruiert.

Für die Spektroskopie wird am LPT der Spektrograph S3804 mit

einem variablen Eintrittsspalt verwendet, siehe Abb. 2. Das Licht

des Lichtbogens wird über einen Kollimator in eine Lichtleitfaser

eingekoppelt. Eine Lochblende (Durchmesser 300 µm) ermög-

licht eine örtliche Auflösung des Messobjekts. Die Messpunkte

werden mithilfe eines XY-Supports angefahren. G1

G2

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Abb. 2: Aufbau des spektroskopischen Messsystems (links), Messpunkte

und erzeugte Übersichtsspektrum (rechts)

Aus einer Reihe von Linienemissionen der gleichen Spezies wird

die Plasmatemperatur aus dem Anstieg der linearen Boltzmann-

funktion berechnet. Die Auswertung dieser spektroskopischen

Daten ist noch nicht abgeschlossen, da momentan noch der Ein-

fluss der Absorption des Plasmas (kein optisch dünnes Plasma) auf

die Temperaturberechnung untersucht wird. Die Ergebnisse die-

nen zur Absicherung der vom INP bestimmten Plasmatempera-

turen (siehe Projektbericht G1). Zusätzlich wird am INP die Stark-

verbreiterung ausgewertet, welche analog zum Projekt G1 die

Ermittlung der Elektronendichte ermöglicht. Zusammen mit der

Temperaturbestimmung lässt sich das Profil der elektrischen Leit-

fähigkeit ermitteln, wobei ein unabhängiger Zugang zur Bogen-

spannung hergestellt werden kann.

Die Gestalt des Lichtbogens wird mit einer tomografischen

Technik berechnet. Hierzu wird der Schweißbrenner um 180°

gedreht, wobei alle 3° anhand einer CCD-Kamera eine Aufnah-

me vom Lichtbogen gemacht wird, siehe Abb. 3. Ein algebra-

ischer Rekonstruktionsalgorithmus berechnet aus den Aufnah-

men die dreidimensionale Lichtbogengestalt. Die Auswertung

zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen einem einge-

schnürten und einem frei brennenden Lichtbogen (siehe Beispiel

in Abb. 3).

Der Algorithmus basiert auf der Annahme, dass das Plasma

optisch dünn ist. Analog zur bereits beschriebenen Bestimmung

der Plasmatemperatur ist bisher noch ungeklärt, wie stark die

Lichtbogen-Rekonstruktion durch die Absorption des Plasmas,

d.h. durch die Abweichung von der Annahme eines optisch dün-

nen Plasmas, verfälscht wird.

Page 11: ZWISCHENBERICHT II

20 21

Zurzeit wird die Möglichkeit geprüft, anhand des aufgebauten

Systems auch die Gestalt eines MSG-Lichtbogens zu rekonstruie-

ren. Hierzu werden in jeder Winkelstellung an charakteristischen

Punkten des Schweißprozesses Aufnahmen vom Lichtbogen

gemacht und aus den zugehörigen Aufnahmen bei allen Winkel-

stellungen die Lichtbogengestalt rekonstruiert.

2.2.2 Analyse der Elektrodenrandschichten

Die Randschichten des Lichtbogens werden durch die Bestim-

mung der elektrischen Feldstärke, durch die Messung der Fall-

spannung, durch Stromdichtemessungen und die Bestimmung

der Gasenthalpie sowie der Gaszusammensetzung analysiert.

Zur Bestimmung der elektrischen Feldstärke wird am LPT ein

Lichtbogen in Argon zwischen einer plattenförmigen Kup-

feranode und einer spitzen, stabförmigen Wolframelektrode

bei einem Abstand von 0,3 mm initialisiert. Hiernach wird die

Lichtbogenlänge definiert in 0,1 mm Schritten vergrößert und

bei jedem Abstand Strom- und Spannungswerte sowie ein Bild

der Lichtbogengestalt aufgenommen (siehe Abb. 4). In einer

zweiten Versuchsreihe wird der Lichtbogen bei einer Länge von

2 mm gezündet und bis zur Berührung der Elektroden in 0,05

mm Schritten zusammengefahren, um den Lichtbogen auch

noch bei geringeren Lichtbogenlängen analysieren zu können.

Das INP führt identische Untersuchungen mit zwei gegenüber-

liegenden, stabförmigen Wolframelektroden durch.

Aus den Brennspannung- zu Lichtbogenlänge-Verläufen kön-

nen die Elektrodenfallspannungen und die Feldstärke ermittelt

werden. Die Untersuchungen der elektrischen Feldstärke liefern

jedoch nur die Summe der Anoden- und Kathodenfallspannung.

Die Separation dieser Spannung in Anodenfall- und Kathoden-

fallspannung ist jedoch nicht möglich. Daher werden Potential-

und Langmuirproben eingesetzt. Diese Proben sind invasiv, d.h.

sie treten mit dem Plasma in Kontakt. Zum einen kann die Probe

auf das Potential der Anode oder Kathode gelegt werden (Poten-

tialprobe) oder mit einer externen Spannung beaufschlagt wer-

den (Langmuirprobe). Durch letztere Methode können neben

der Separation der Fallspannung auch die Elektronendichte und

die Elektronentemperatur bestimmt werden. Die Langmuir- und

Potentialproben werden zum einen in die Anode eingelassen

und schließen mit deren Oberfläche bündig ab oder ragen einige

µm in das Plasma hinein, um die Anodengrenzschicht zu cha-

rakterisieren (siehe Abb.5, links). Zum anderen werden die stab-

förmigen Proben parallel zur Anode durch das Plasma geführt

(siehe Abb. 5, rechts). Durch diese Methode kann keine Cha-

rakterisierung der Grenzschicht durchgeführt werden. Jedoch

zeichnet sich dieses System durch eine höhere thermische

Belastbarkeit aus. Zudem könnte auch ein MSG-Prozess durch

gezieltes Triggern bei einem “tropfenlosen“ Lichtbogen analy-

siert werden.

Abb. 5: Langmuir- und Potentialproben

Abb. 6: Ortsaufgelöste Bestimmung der Stromdichte

Die Vorgänge in den Randschichten werden stark durch die

Energiedichte bestimmt. Diese wurde bisher zumeist mit dem

geteilten Anodenverfahren bestimmt. Dieses Verfahren liefert

jedoch als Ergebnis einen Energiefluss, der anhand einer schlecht

mathematisch konditionierten Rückrechnung in eine Energie-

dichteverteilung überführt werden muss. Fehlerhafte Annahmen

der Randbedingungen (Lichtbogenmittelpunkt und Lichtbogen-

radius) sowie Messfehler führen zu einer enormen Verfälschung

der Energiedichteprofile. Daher wurde am LPT eine punktför-

mige Sonde (Point-Probe) entwickelt, bei welcher aufgrund der

geringen räumlichen Ausdehnung direkt auf die Stromdichte

geschlossen werden kann, siehe Abb. 6. Ein weiterer Vorteil ist,

dass auch nichtrotationssymmetrische Lichtbögen untersucht

werden können. Anhand erster Messergebnisse konnte gezeigt

werden, dass die Stromdichteverteilung durch eine Gausfunktion

angenähert werden kann.

Anhand dieser Point-Probe kann jedoch nicht die Wärmestrom-

dichte bestimmt werden. Daher wird ergänzend zur Stromdich-

temessung die Enthalpie des Plasmas bzw. die vom Lichtbogen

hocherhitzte Gasströmung sowie deren Zusammensetzung mit

einer sogenannten Enthalpiesonde bestimmt. Hierzu sind für

nicht übertragene Lichtbögen kommerzielle Systeme erhältlich.

Durch den Umbau eines solchen Systems sollen im Rahmen des

Vorhabens auch übertragene, stromführende Lichtbögen analy-

siert werden. Hierzu wird die Enthalpiesonde in eine Kupferano-

de eingelassen, wie in Abb. 7 dargestellt..

Abb. 7: Bestimmung der Plasmazusammensetzung und Enthalpie

2.2.3 Analyse des Tropfenübergangs

Zur Analyse des Tropfenübergangs wurde am LPT ein Kalorime-

ter aufgebaut. Dieses besteht aus zwei Behältern, die gegenein-

ander gut thermisch isoliert sind. Der Innenbehälter ist mit einer

kalorimetrischen Flüssigkeit gefüllt, in die durch eine kleine Öff-

nung im äußeren Behälter Schweißtropfen fallen und ihre Ener-

gie abgeben. Die Temperaturerhöhung wird durch einen Tempe-

raturfühler aufgenommen. Als Kathode für den Schweißprozess

dient eine Ringelektrode aus Kupfer, sodass die Schweißtropfen

in das Kalorimeter gelangen können, siehe dazu Abb. 8.

Am INP wird die Oberflächentemperatur der Tropfen anhand

von spektroskopischen Untersuchungen bestimmt. Auch hier

ist der Einsatz des Modelllichtbogens vorgesehen. Erste Unter-

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Abb. 3: Funktionsweise der Tomografie (oben) und Messungen an rotations-

symmetrischen und nicht rotationssymmetrischen Lichtbögen

Abb. 4: “Langziehen“ des Lichtbogens zur Bestimmung der Fallspannung

und der Feldstärke

Page 12: ZWISCHENBERICHT II

22 23

suchungen erfolgten jedoch in Absprache mit der Forschungs-

stelle Aachen und in Abstimmung mit dem Projekt A4 am gepul-

sten MSG-Prozess. Um die Prozessbedingungen während der

hochdynamischen Phase des Tropfenübergangs einschätzen zu

können, wurden der Lichtbogen und die Elektroden mit zwei

senkrecht zueinander angeordneten Hochgeschwindigkeitska-

meras beobachtet. Sideon-Spektren wurden sowohl in horizon-

taler Ebene (senkrecht zur Bogenachse) als auch vertikal (entlang

der Bogenachse) vermessen. Entscheidender Vorteil der zweiten

Beobachtungsebene ist, dass zeitgleich sowohl die Emission von

Sichtlinien ober- und unterhalb des Tropfens als auch die Emissi-

on von Sichtlinien auf den Tropfen zur Auswertung bereitstehen.

Erstere ergeben die über die Sichtlinie integrierte Plasmastrah-

lung, während letztere die Strahlung der Tropfenoberfläche und

die Strahlung des den Tropfen umgebenden Plasmas enthalten.

Während die Tropfenoberfläche Kontinuumstrahlung emittiert,

ist die Bogenemission durch Linienstrahlung dominiert. Nur der

Vergleich von sichtlinienintegrierten Spektren mit und ohne Blick

auf den Tropfen ermöglicht eine Separation der Kontinuum-

strahlung der Tropfenoberfläche.

Die Abhängigkeit dieser Kontinuumstrahlung von der Wellen-

länge bietet einen Zugang zur Temperatur der Tropfenoberflä-

che, die als Planckscher Strahler angenommenen wird. Jedoch

stellt die fehlende Kenntnis der ebenfalls wellenlängenabhängi-

gen Emissivität von geschmolzenem Eisen ein zusätzlich zu über-

windendes Problem bei der Bestimmung der Oberflächentem-

peratur dar, ähnlich der Problematik bei der Pyrometrie. Einen

Ausweg bietet die Zweilinienmethode, bei der eng benachbarte

Wellenlängenpositionen in der Kontinuumstrahlung betrachtet

werden. Für ein solches Wellenlängenintervall lässt sich mit gu-

ter Näherung annehmen, dass die Änderung der Emissivität mit

der Wellenlänge vernachlässigbar ist. Nach erfolgter Ermittlung

der Oberflächentemperatur konnte auf die Emissivität zurückge-

schlossen werden. Die Auswertung mehrerer Wellenlängenposi-

tionen pro Messung wird eine Abschätzung der Genauigkeit von

Temperatur und Emissivität erlauben. Dazu ist eine Approximati-

on der gemessenen Kontinuumspektren mittels einer begrenz-

ten Anzahl von temperaturabhängigen Parametern vorgesehen.

2.3 Randschichtenmodell

Arbeiten zur modellmäßigen Erfassung der Elektrodengebiete

und des Werkstoffübergangs konzentrierten sich auf die weite-

re Adaption von Schichtmodellen und ihren Einsatz im Rahmen

des Aufbaus der Bogensimulation im Projekt G4. Ausgangs-

punkt war das im ersten Projektabschnitt am INP erarbeitete

nulldimensionale Schichtmodell für den Elektrodenbereich von

Argon-Eisen-Mischplasmen. Das Modell berücksichtigt sowohl

die Abweichungen vom thermischen, chemischen und Ioni-

sationsgleichgewicht im elektrodennahen Plasma als auch die

Metallverdampfung an der Oberfläche. Bei Vorgabe der Plasma-

eigenschaften und der elektrischen Stromdichte aus der Bogen-

simulation sowie der Oberflächentemperatur aus der Wärme-

bilanz der Elektrode liefert das Modell den Energieübertrag auf

die Elektrodenoberfläche, die Schichtspannung und die Metall-

verdampfung. Details des Modells und exemplarische Ergeb-

nisse für vorgegebene Werte von Elektrodentemperatur und

Plasmaeigenschaften sind dem ersten Zwischenbericht vom

Oktober 2009 zu entnehmen. Die aktuellen Arbeiten dienen

der Anpassung für den Einsatz in den CFD-Simulationen an der

Forschungsstelle Dresden. Hierbei wurde als erster Schritt der

Einsatz an der als eben betrachteten Oberfläche der Schmelze

auf dem kathodisch gepolten Werkstück angestrebt. Die größte

Herausforderung stellt dabei die Sicherstellung der Funktions-

weise des Schichtmodells für einen großen Bereich von Einga-

bewerten dar.

Das Schichtmodell beinhaltet die Lösung eines stark nichtline-

aren Gleichungssystems. Neben Problemen der Konvergenz

der iterativen Lösungsfindung innerhalb des Schichtmodells

sind Bereiche unphysikalischer Kombinationen von Eingabe-

werten und unphysikalische Lösungen zu extrahieren. Letztere

treten im Rahmen der iterativen Kopplung mit den CFD-Rech-

nungen auf. Das gesamte Verfahren bestimmt die Lösung

schrittweise ausgehend von vereinfachten Anfangsbedingungen.

Dabei treten Kombinationen von Werten der Plasmaeigen-

schaften und der Elektrodentemperatur auf, die nicht immer eine

physikalisch sinnvolle Lösung des Schichtmodells ergeben. Im

Rahmen der Untersuchungen ergab sich zudem, dass verein-

fachende Zwischenschritte wie der Verzicht auf die Lösung der

Wärmebilanz der Elektrode und Vorgabe einer Oberflächen-

temperatur keine Lösung zulassen. Wesentliche Maßnahmen

bestanden in der Ableitung von Algorithmen, die für die ge-

nannten Fälle Zwischenergebnisse ausgeben, welche eine itera-

tive Annäherung an die physikalisch sinnvollen Lösungen im

Rahmen des Gesamtmodells erlauben. Entsprechende erste Er-

gebnisse der CFD-Simulationen unter Einbeziehung des Schicht-

modells werden im Projektbericht G4 gezeigt.

3. Aktuelle Ergebnisse

3.1 Elektrisches Feld und Fallspannung

Ausführliche Untersuchungen zur elektrischen Feldstärke wur-

den am MLB 1 durchgeführt. Die anodische wie kathodische

Polung wurde untersucht. Wie Abb. 9 zeigt, nimmt die Brenn-

spannung des Lichtbogens mit zunehmender Lichtbogenlänge

zu. Mit zunehmender Stromstärke nimmt die Spannung ten-

denziell ab, wobei es bei ca. 60 Ampere zu einer Unstetigkeit

kommt. Der Verlauf der extrapolierten Fallspannung spiegelt

diesen Verlauf wieder.

Abb. 9: Spannungs – Lichtbogencharakterisik im Abhängigkeit der

Stromstärke bei kathodischer Polung der Wolframelektrode

Identische Untersuchungen zeigen bei der anodischen Polung ei-

nen sehr ähnlichen Verlauf, wobei diese Polung einen allgemein

höheren Spannungsabfall verursacht, siehe Abb. 10. Da der

Lichtbogenansatz auf einer gekühlten Kupferanode sehr unru-

hig ist und sich dessen Position ständig ändert, wird für diese

Versuche ungekühltes Reineisen verwendet.

Abb. 10: Spannungs-Charakterisik bei verschiedenen Stromstärken bei anodischer

Polung der Wolframelektrode

Bei der anodischen Polung der Wolframelektrode kommt es ver-

einzelnd zum Auftreten eines stark kontrahierten Lichtbogenan-

satzes an der Kathode (Spot-Ansatz), wie in Abb. 11 dargestellt.

Bei dieser Ansatzform ist eine um ca. 2,5 Volt geringere Span-

nung über den gesamten Lichtbogenlängenbereich zu verzeich-

nen. Brennt der Lichtbogen einmal im “Spotmode“, wechselt

dieser nicht mehr zum diffusen Ansatz zurück. Beim Spotmode

erfolgt zudem ein sehr viel geringerer Energieeintrag in die

Kathode. Im Hinblick auf die Entwicklung von energiereduzierten

Verfahren ist dieser Prozess detaillierter zu betrachten.

Abb. 11: Bildung eines kontrahierten Lichtbogenansatzes an der Kathode bei ano-

discher Polung der Wolframelektrode

Am MLB 1 erfolgten weiterhin analoge Untersuchungen beim Ein-

satz von zwei Wolframelektroden der Durchmesser 4 und 6 mm

und dem Schutzgas Argon. Die typische Bogenausbildung bei

einem Elektrodenabstand von 10 mm zeigt Abb. 12. Die Bogen-

spannungen bei Variation des Elektrodenabstandes sind für 6

unterschiedliche Messungen bei gleichen Bedingungen (Strom

30 A) in Abb. 13 dargestellt. Der Legende sind die resultierenden

Bogenfeldstärken und den Schnittpunkten der Regressionsgra-

den mit der linken Bildachse die Fallspannungen zu entnehmen.

Während die Bogenfeldstärke größere Variationen aufweist, er-

geben sich Fallspannungen zwischen 14 und 18 V.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Abb. 8: Bestimmung der Tropfenenthalpie

Page 13: ZWISCHENBERICHT II

24 25

Abb. 12: Bogenausbildung zwischen zwei Wolframelektroden.

Abb. 13: Spannungs-Charakteristik für Lichtbögen bei 30 A.

3.2. Ergebnisse der Spektroskopie am Tropfenübergang

Die im Abschnitt 2.2.3 dargestellte Methodik wurde an einem

gepulsten MSG-Prozess mit der Schweißmaschine und ähnlichen

Parametern angewendet, wie unter 2.1. im Projektbericht G1

beschrieben. Im Unterschied wurden als Schutzgas Corgon 18

und ein Draht mit dem Durchmesser 1.0 eingesetzt bei einem

Werkstückvorschub von 30 cm/min und einem Drahtvorschub

von 6 m/min. Ein typisches Beispiel der Messungen zu einem

Zeitpunkt während des Tropfenübergangs bei diesem Parame-

tersatz ist in den Abbildungen 14 und 15 illustriert.

Abb. 14: Hochgeschwindigkeitsaufnahmen des MSG-Lichtbogens zum Zeitpunkt

des Tropfenübergangs links in Bewegungsrichtung des Werkstückes, rechts senk-

recht zur Werkstückbewegung.

Abb. 14 zeigt Hochgeschwindigkeitsaufnahmen der beiden

senkrecht zueinander stehenden Kameras, Abb. 15 stellt das

Spektrum als Funktion von der Wellenlänge und der Sichtlini-

enposition entlang der Bogenachse dar. In den Hochgeschwin-

digkeitsaufnahmen ist der Tropfen gut zu erkennen. Die Kon-

tinuumstrahlung des Tropfens tritt in Abb. 15 als waagerechter

Streifen hervor, dem die Linienstrahlung (senkrechte Streifen)

des Plasmas überlagert ist. Die Abbildungen 16 und 17 verdeut-

lichen die weitere Auswertung; vom Spektrum mit Sicht auf den

Tropfen wird das von Linien dominierte Spektrum an einer an-

deren Position abgezogen, wobei die unterschiedliche Plasma-

strahlung durch einen Skalierungsfaktor angepasst wird.

Abb. 16: Spektrale Radianzen für zwei Sichtlinien: rot mit Sicht

auf den Tropfen, schwarz nur Plasmastrahlung.

Abb. 17: Differenz der Signale aus Abb. 15 und Fit zur Oberflächentemperaturbe-

stimmung.

In der Differenz (Abb. 17) dominiert der Kontinuumanteil aus

der Oberflächenstrahlung, und dieser wird zur Unterdrückung

der Rauschanteile mit einem Polynom gefittet. Aus eng benach-

barten Koordinaten der Fitfunktion (Emission über die Wellen-

länge) ergibt sich die Temperatur entsprechend der Zweilinien-

methode. Die ersten Messungen ergaben Tropfentemperaturen

zwischen 2600 und 3000 Kelvin. In diesem Bereich bleiben die

Temperaturen auch bei leichten Parametervariationen, wie der

Erhöhung des Drahtvorschubs um 0.5 m/s oder der Erhöhung

des Nennstroms von 35 A auf bis zu 65 A, konstant.

4. Nächste Schritte

Im folgenden Arbeitszeitraum werden, in Abstimmung mit den

anderen Forschungsstellen, die neu entwickelten Diagnostiken

am automatisierten MLB für Sensitivanalysen und an praxisna-

hen Prozessen mit schmelzenden Elektroden eingesetzt. Diese

Ergebnisse dienen insbesondere auch den Simulationsmodellen

als Randbedingungen und zur Überprüfung der Simulationser-

gebnisse.

Die auf Grundlage von spektroskopischen Untersuchungen be-

stimmten Plasmatemperaturen werden durch den Vergleich der

Messungen beider Forschungseinrichtungen abgesichert. Im

Zuge dessen wird der Einfluss der Absorption des Plasmas be-

stimmt und für die tomografischen Auswertung herangezogen.

Bei den Brennspannungs- und elektrischen Feldstärkebestim-

mung wird auch bei kathodischer Polung statt der gekühlten

Kupferplatten Reineisen als Anodenmaterial eingesetzt. Durch

die gezielte Reduzierung der Anodenkühlung soll der Metall-

dampfanteil im Plasma erhöht und dessen Auswirkung auf den

Spannungsverlauf dokumentiert werden. Die Langmuir- und Po-

tentialproben werden zum einen zur Sepa-ration der Brennspan-

nung in Anoden- und Kathodenfallspannung eingesetzt. Zum

anderen dienen die, aus den Langmuir-Kennlinien gewonnenen

Elektronendichten und -temperaturen zum Abgleich mit Aus-

wertungen der Thomsonstreuung und der Starkverbreiterung.

Die erfolgreichen Analysen der Temperatur des fallenden Trop-

fens in einem MSG-Prozess bilden eine wichtige erste Referenz-

untersuchung für die dargestellte Diagnostik und Auswerte-

methodik. Im folgenden Arbeitsabschnitt werden diese Mess-

ergebnisse mit den Ergebnissen der durchschnittlichen Tropfen-

enthalpie verglichen. Neben der weiteren Analyse von Tropfen-

eigenschaften soll die Methodik auch auf die Drahtspitze und

das Schmelzbad adaptiert werden. Somit steht auch ein unab-

hängiger Zugang zur im Projekt G2 verfolgten Messmethode der

kompensierenden Pyrometrie zur Verfügung.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4Abb. 15: Spektrale Radianz für Sichtlinien entlang der Bogenachse (senkrechte Beobachtungsebene) zum Zeitpunkt der Aufnahmen in Abb. 14.

Page 14: ZWISCHENBERICHT II

26 27

Das Lichtbogencluster bietet die einzigartige Möglichkeit der

kombinierten diagnostischen Analyse und simulationsbasie-

renden Beschreibung identischer MSG-Prozesse (G1-G5). Da-

durch wird es möglich, konkrete Modelldefizite zu benennen

und gezielt zu beseitigen. Daraus kann das entstandene Modell

als Werkzeug zur Entwicklung prozesssicherer und effektiverer

MSG-Verfahren genutzt werden (A1-A4).

2. Arbeitsbericht

Die Modellierung des MSG-Prozesses, d. h. der Lichtbogensäule

und des Tropfenübergangs, erfolgt mit der Strömungssimulati-

onssoftware ANSYS CFX.

2.1 Modellbildung des MSG-Lichtbogens

Der Lichtbogen kann in drei Entladungsgebiete unterteilt wer-

den: den beiden Lichtbogenansätzen an den Elektroden, den so

genannten Fallgebieten, und der Lichtbogensäule.

Im ersten Jahr der Projektbearbeitung wurde ein Modell für die

Lichtbogensäule entwickelt [Füs09]. Grundlegend sind die Glei-

chungen der Magnetohydrodynamik (MHD). Neuartig ist hier-

bei die Berücksichtigung von Metalldampf im Plasma. Dieser

entsteht hauptsächlich an der überhitzten Drahtelektrode und

wird durch die von der Lorentzkraft bestimmte Strömung in

das Zentrum des Lichtbogens befördert. Numerisch wurden die

Effekte am Beispiel eines Argon-Eisendampf-Plasmas untersucht.

Die Eigenschaften des Plasmas wurden unter der Annahme

eines lokalen thermodynamischen Gleichgewichts (LTG) berech-

net und sind stark von der Temperatur und der Konzentration

des Eisendampfes abhängig [Mur01]. Für die Abschätzung der

Lichtbogenstrahlung wird ein Nettoemissionsmodell verwen-

det. Grundlage bilden die von MENART [Men02] berechneten

Nettoemissionskoeffizienten. Die Entstehung des Eisendampfes

beruht zunächst auf der Vorgabe eines festen Metalldampf-

massenstroms an der Unterseite des Drahtes [Sch10a]. Bei der

Berechnung der Metalldampfverteilung im Strömungsraum wer-

den sowohl turbulente als auch diffusive Effekte berücksichtigt.

Die Berechnung der diffusiven Vermischungseffekte basiert auf

dem binären Diffusionsmodell nach MURPHY [Mur01].

Als Ursache für das im Teilprojekt G1 diagnostizierte Minimum

in der radialen Temperaturverteilung [Rou10] kann die erhöhte

Abstrahlung des Eisendampfes benannt werden [Sch10a]. In der

Literatur sind verschiedene Nettoemissionskoeffizienten ange-

geben, welche die Verteilung der Prozessgrößen entscheidend

beeinflussen [Sch10b]. Aus diesem Grund wird im dritten Jahr

der Projektbearbeitung ein P1-Strahlungsmodell implementiert,

welches die Vereinfachung der Strahlungseffekte durch einen

Nettoemissionskoeffizienten unnötig macht. Des Weiteren

wurde festgestellt, dass große Eisenverdampfungsraten an der

Projekt G4

Erweiterung des Prozessverständnisses über MSG-Lichtbogenprozesse durch Modellierung und Visualisierung der physikalischen Zusammenhänge

U. Füssel1, M. Hertel1, M. Schnick1, U. Reisgen2, O.Mokrov2,

A. Zabirov2

1 Institut für Oberflächen- und Fertigungstechnik (IOF), TU Dresden

2 Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF), RWTH Aachen University

1. Einführung

Aktuell liegen die Anforderungen an die Schweißprozesssimu-

lation vor allem in der Vertiefung des Prozessverständnisses,

zukünftig werden die Anforderungen aber insbesondere in der

Vorhersagbarkeit von Schweißprozessen und der virtuellen Er-

probung neuer Lösungsansätze zu sehen sein. Grundlage da-

für sind physikalisch selbstkonsistente Prozessmodelle, welche

eine Verknüpfung zwischen den Prozessparametern und dem

Schweißergebnis ermöglichen. Im Rahmen des Projekts G4 soll

ein solches Modell für den MSG-Prozess entwickelt werden. Auf

Grund der hohen Komplexität des MSG-Prozesses erfolgt die

Bearbeitung vorerst in zwei Teilmodellen, einem Lichtbogenmo-

dell (IOF) und einem Werkstoffübergangsmodell (ISF), welche

anschließend in einem Gesamtmodell des Prozesses kombiniert

werden.

Die Vorraussetzung für vertrauenswürdige Ergebnisse des MSG-

Modells ist die Implementierung der dominanten physikalischen

Effekten. Im Vergleich zu WSG-Prozessen, welche bereits durch

numerische Modelle hinreichend genau beschreiben werden

können, zeichnet sich der MSG-Prozess durch eine deutlich

höhere Komplexität aus. Diese Komplexität umfasst sowohl die

Effekte im Lichtbogen als auch die des Tropfenüberganges. Aus

diesem Grund wird am IOF der TU Dresden ein Modell des MSG-

Lichtbogens entwickelt, bei dem unter anderem die Bildung und

Verteilung des Metalldampfes im Lichtbogen, der Strahlungs-

transport im optisch dicken Metalldampfkern als auch die Me-

chanismen in den Fallgebieten berücksichtigt werden. Am ISF

wird ein Werkstoffübergangsmodell entwickelt, welches auf der

Volume-of-Fluid Methode (VOF) basiert [Hir81]. Diese Methode

ermöglicht die Berechnung der freien Oberfläche des Tropfens

(Tropfenform) in Abhängigkeit der am Tropfen wirkenden Kräf-

te. Es werden unter anderem die Oberflächenspannungskraft,

die Gravitationskraft, die Lorentzkraft und die Lichtbogenscher-

kräfte berücksichtigt.

Drahtelektrode eine drastische Verschiebung des Strompfades

bewirken und damit zu einer Rückströmung im Zentrum des

Lichtbogens führen können [Sch10b].

Das entwickelte Modell wird im Rahmen des Projektes G5 zur

weiteren Untersuchung der Mechanismen der Metalldampfent-

stehung genutzt. Des Weiteren wird es im Rahmen des Projektes

A3 zur Untersuchung der Schutzgasströmung im MSG-Prozess

verwendet.

Die bisher verwendeten Modelle des MSG-Lichtbogens basie-

ren auf der Annahme einer rotationssymmetrischen Verteilung

der Prozessgrößen und entsprechen damit einem MSG-Punkt-

schweißprozess. Für die verwendeten Stromstärken sind die be-

rechneten Werkstücktemperaturen unrealistisch hoch. Für die

Berechnung der Temperaturverteilung eines MSG-Schweißpro-

zess muss die Bewegung des Brenners berücksichtigt werden.

Aus diesem Grund wurde in weiterführenden Arbeiten die An-

nahme der Rotationssymmetrie aufgegeben und ein 360° Modell

des MSG-Lichtbogens erstellt [He10a, He10b], Abbildung 1.

Abb. 1: 360° Modell des MSG-Lichtbogens (a) und Flächen für die Darstellung der

Prozessgrößen im Postprocessing (b)

Des Weiteren werden die Effekte in den Fallgebieten im MSG-

Lichtbogenmodell berücksichtigt [He10a, He10b]. In den elektro-

dennahen Randschichten ist die Annahme eines lokalen thermo-

dynamischen Gleichgewichts nicht gegeben. Dadurch können

die Stoffeigenschaften nicht mehr verallgemeinert durch die

Temperatur der Schwerteilchen beschrieben werden. Aus diesem

Grund wird das Modell der Lichtbogensäule mit dem im Projekt

G1 entwickeltem Fußpunktmodell gekoppelt. Dieses basiert auf

der Formulierung von 0-dimensionalen Erhaltungsgleichungen

für die Massen- und Energieströme der Ladungsträger in der

Raumladungsschicht und der Vorschicht des Fallgebietes. In Ab-

bildung 2 ist die Kopplung des MHD-Modells der Lichtbogen-

säule und der Elektroden mit dem Fußpunktmodell dargestellt.

Abb. 2: Kopplung des Fußpunktmodells am Interface

zwischen Plasma und Elektrode

Eingangsgrößen sind die Plasma- und Elektrodentemperatur, die

Stromdichte und die auf Grundlage der Plasmatemperatur (LTG)

und der Eisendampfkonzentration berechneten Teilchendichten

für Ar, Ar+, Fe und Fe+. Durch das Fußpunktmodell werden die

Wärmeströme und die Fallspannung zwischen Plasma und Elekt-

rode berechnet. Die berechnete Fallspannung wird anschließend

durch die Definition eines Kontaktwiderstandes am Interface

zwischen Plasma und Elektrode implementiert.

2.2 Modellierung des Tropfenüberganges

Im ersten Jahr der Projektbearbeitung wurde die Eignung und

Leistungsfähigkeit der VOF Methode am Beispiel eines fallenden

Wassertropfens untersucht. Dadurch können die grundlegenden

Effekte der Tropfenbildung abgebildet werden. Die Gestalt des

Tropfens wird hierbei maßgeblich durch die Gravitationskraft

und die Oberflächenspannung beeinflusst. Die Oberflächen-

spannung hat einen großen Einfluss auf die Tropfenbildungs-

und Ablösungsgeschwindigkeit. Im Anschluss wurden die Stoff-

eigenschaften des Drahtwerkstoffs G3Si1 in Abhängigkeit der

Temperatur implementiert. Die verwendeten Werte sind in Ta-

belle 1 dargestellt. Die numerischen Untersuchungen wurden

für unterschiedliche Oberflächenspannungskoeffizienten durch-

geführt. Die Simulationen wurden für eine Drahtvorschubge-

schwindigkeit von 5 m/min und einen Drahtdurchmesser von

1,2mm durchgeführt. Die Randbedingungen und Anfangsbe-

dingungen sind konstant und in Abbildung 3 dargestellt.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Page 15: ZWISCHENBERICHT II

28 29

Tabelle 1: Stoffwerte des Drahtwerkstoffs G3Si1 in Abhängigkeit der Temperatur

Abb. 3: Anfangs- und Randbedingungen. Links: Axiale Symmetrie,

NoSlip Wall. Rechts: Rot-Flüssiges Metall, Blau - Luft

3. Aktuelle Ergebnisse

3.1 Ergebnisse der MSG-Lichtbogensimulation

Im Folgenden werden die Ergebnisse des entwickelten Lichtbo-

genmodells am Beispiel eines MSG-Prozesses mit den folgenden

Prozessparametern diskutiert.

Prozess Schutzgas Draht

SprühlichtbögenI = 250 Au_{Brenner} = 0.6 m/min

ArgonV_ {Schutzgas} = 18 l/min

rein Eisenu_ {Draht} = 10 m/min

Im ersten Schritt wurde untersucht, inwiefern die Annahme einer

Rotationssymmetrie bei der Simulation von MSG-Schweißpro-

zessen gerechtfertigt ist. Dafür wurden die Effekte in den Fall-

gebieten zunächst vereinfachend dargestellt und ausschließlich

die Energieströme durch die Ladungsträger berücksichtigt. Ab-

bildung 4 zeigt die berechnete Temperaturverteilung auf unter-

schiedlichen Schnittebenen. Ebene A entspricht der Seitenan-

sicht, Ebene B der Forderansicht in Schweißrichtung und Ebene

C der Werkstückoberfläche.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Abb. 4: Berechnete Temperaturverteilung auf den Ebenen A-C (a-c) für einen 250

A Lichtbogen mit einer Verdampfungsrate von 1% bezogen auf einen Drahtvor-

schub von 10 m/min unter Verwendung eines vereinfachten Fallgebietsmodells,

welches ausschließlich die Wärmeströme der Ladungsträger berücksichtigt.

In der Vorderansicht 4b zeigt sich eine symmetrische Verteilung

der Temperatur. Die größten Stromdichten sind den Bereichen

mit den höchsten Werkstücktemperaturen zuzuordnen. In der

Seitenansicht 4a ist jedoch eine unsymmetrische Verteilung der

Prozessgrößen zu erkennen. Der Lichtbogen wird ebenfalls in

Richtung der höchsten Werkstücktemperaturen ausgelenkt,

siehe 4c. Ursache ist die erhöhte elektrische Leitfähigkeit in der

Vorschicht des Fallgebietes, welche sich aus der Plasma- und

der Werkstücktemperatur ergibt. Die Simulationsergebnisse ver-

deutlichen, dass die Annahme einer Rotationssymmetrie bei der

Simulation von MSG-Schweißprozessen nicht gerechtfertigt ist.

Durch die Brennerbewegung ergibt sich eine unsymmetrische

Verteilung der Werkstücktemperatur und dadurch eine unsym-

metrische Verteilung der Prozessgrößen des Lichtbogens.

Im nächsten Schritt wurde die Kopplung zwischen dem Modell

der Lichtbogensäule und dem Fußpunktmodell am Beispiel des

kathodisch gepolten Werkstücks untersucht, Abbildung 5.

Abb. 5: Berechnete Temperatur- (a) und Stromdichteverteilung (b) auf der Werk-

stückoberfläche für einen 250 A Lichtbogen mit einer Drahtverdampfung von 1%

bezogen auf einen Drahtvorschub von 10 m/min unter Verwendung des Fußpunkt-

modells, welches sowohl die Wärmeströme der Ladungsträger als auch die Fall-

spannung berücksichtigt.

Die ersten Ergebnisse der Kopplung des MHD-Lichtbogenmo-

dells mit dem Fußpunktmodell zeigen eine widersprüchliche

Tendenz im Vergleich zu den in Abbildung 4 dargestellten Ergeb-

nissen. Der Lichtbogen neigt zur Bildung von Fußpunkten auf

dem Werkstück. Den Bereichen hoher Stromdichte sind Werk-

stücktemperaturen zwischen 2300 und 2800 K zuzuordnen.

Durch die Implementierung der Fallspannung durch einen Kon-

taktwiderstand am Interface zwischen Plasma und Werkstück

wird der Strompfad des Lichtbogens entscheidend beeinflusst.

Dieser Effekt ist wesentlich größer als der bereits beschriebene

Einfluss der erhöhten elektrischen Leitfähigkeit in der Vorschicht

des Fallgebietes.

Es zeigt sich jedoch eine starke Fluktuation der Erhaltungsgrö-

ßen während des Lösungsverlaufs, was auf ein zeitabhängiges

Verhalten schließen lässt. Beim Schweißen von Aluminiumwerk-

stoffen ist dieses ‚Kathodenfleckwandern’ bereits bekannt. Die

dargestellten Ergebnisse bezüglich der Kopplung des Fallge-

bietsmodells mit dem MHD-Lichtbogenmodell sind deshalb zum

gegenwärtigen Zeitpunkt von eingeschränkter Aussagekraft, da

durch die stationäre Formulierung der Erhaltungsgleichungen

diese zeitabhängigen Effekte nicht abgebildet werden können.

In weiterführende Untersuchungen werden die Wirkmechanis-

men im Fallgebiet daher näher untersucht.

3.2 Ergebnisse der Tropfenübergansmodells

Durch numerische Untersuchungen wurde der Einfluss der

Oberflächenspannung auf die Tropfengröße und Ablösungsge-

schwindigkeit näher untersucht. Wie auf Abbildung 6 zu sehen

ist, haben sich nach 0,2 Sekunden bei niedriger Oberflächen-

spannung ($ \sigma = 0,075 N/m $) drei Tropfen abgelöst. In der

gleichen Zeit wurde bei hoher Oberflächenspannung ($ \sigma =

1,2 N/m $) kein Tropfen abgelöst. Die Simulationszeit betrug im

ersten Fall 1,5 Tage und im zweiten Fall 4,5 Tag. Die Simulation

wurde auf einem Windows Server Standard 64bit durchgeführt.

Abb. 6: Numerische Untersuchung zum Einfluss der Oberflächenspannung auf die

Tropfengröße und Ablösegeschwindigkeit, a) mit kleiner Oberflächenspannung ($ \

sigma = 0,075 N/m $) und b) mit großer Oberflächenspannung ($ \sigma = 1,2 N/m $)

Die Berechnungen haben gezeigt, dass es wegen überwiegender

Oberflächenspannungskraft nötig ist, die Lorenz-Kraft zu imple-

mentieren um die korrekte und rechtzeitige Tropfenablösung zu

simulieren.

4. Nächste Schritte

4.1 Weitere Arbeiten zur Modellierung

des MSG-Lichtbogens

Gegenwärtige und fortführende Arbeiten bestehen in der Im-

plementierung des Fußpunktmodells an der anodisch gepolten

Drahtelektrode. Durch die verbesserte Beschreibung des Licht-

Page 16: ZWISCHENBERICHT II

30 31

Das methodische Vorgehen und die Verknüpfung zu den anderen

Teilprojekten ist in Abb. 1 dargestellt. Zur Erweiterung der Daten-

basis werden neben den eigenen Messreihen auch Ergebnisse

der Modellversuche G1-G3, dabei vor allem spektroskopische

Daten aus G1, verwendet. Außerdem werden aus dem Vorha-

ben G4 (Simulation) vereinfachte Verdampfungs- und Fallge-

bietsmodelle übernommen. Die Ergebnisse fließen in die praxis-

bezogenen Vorhaben zur Schmelzbadbeeinflussung (A1) und

der Stromquellenentwicklung (A4) ein.

Abb. 1: Methodischer Ansatz und Verknüpfung zu anderen Projekten

2. Arbeitsbericht

2.1. Experimenteller Aufbau und Postprocessing

Das Messsystem besteht aus einem 1 MHz-Messsystem mit 7 von-

einander getrennten Messkanälen sowie einer dazu synchroni-

sierten Hochgeschwindigkeitskamera mit Einzelbildtriggerung.

Eine ausführliche Beschreibung findet sich im ersten Zwischen-

bericht [Füs09]. Die erreichte zeitliche Auflösung ermöglicht die

im Projekt angestrebten Zeitreihenanalysen und Musterer-ken-

nungen bis in den Bereich der Maschinentaktung.

Als Messgrößen wurden neben den Bildinformationen der

Hochgeschwindigkeitsaufnahmen folgende Signale erprobt und

genutzt: Spannung am Brenner, Stromstärke, Metalldampf- und

Argonemissionsdetektierung durch spektralselektive Photodio-

den [Hei08].

Zur Konturerkennung der Tropfengeometrie, die im Späteren als

Eingangsgröße für die numerische Simulation verwendet wird,

wurden zwei Beleuchtungsvarianten erprobt: Variante 1 nutzt

einen WIG-Lichtbogen und Variante 2 nutzt einen gepulsten

Laser. Abb. 2 links zeigt den WIG-beleuchteten Prozess und die

daraus erkannte Kontur. Die Auswertungssoftware ist in der

Lage, die unterschiedlichen geometrischen Objekte zu unter-

scheiden und farblich zu kodieren. Daraus resultiert die farbliche

Unterscheidung zwischen Draht (dunkelgrau)und Tropfen (hell-

grau).

Abb. 2 rechts zeigt den Impulslichtbogenprozess (ILB) mit nicht-

intrusiver Laserbeleuchtung. Der Laser ermöglicht durch seine

höhere Beleuchtungsstärke eine noch höhere Aufnahmefre-

quenz. Erfolgreich wurde das System bisher bis zu einer Bildrate

von 40.000 Bildern pro Sekunde getestet. Von großem Vorteil

bei dieser Entwicklung war, dass die zur Auswertung der WIG-

beleuchteten Bilder entwickelten Algorithmen so robust sind,

dass sie unverändert übernommen werden konnten. In das

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

bogenansatzes und der Energieeinbringung wird eine realisti-

sche Abschätzung der Tropfentemperatur möglich. Dies ist die

Grundlage für die Implementierung eines selbstkonsistenten

Verdampfungsmodells. D.h. die Verdampfungsrate am Draht

wird direkt durch die Temperaturverteilung im Tropfen bestimmt.

Mithilfe des temperaturabhängigen Partialdruckes des Eisen-

dampfes kann direkt auf die Verdampfungsmassenstromdichte

geschlossen werden.

Des Weiteren wird der Effekt der Strahlungsabsorption im optisch

dicken Metalldampfkern durch die Implementierung eines P1-

Strahlungstransportmodells berücksichtigt.

4.2 Weitere Arbeiten zur Modellierung

des Tropfenüberganges

Neben der Gravitationskraft und der Oberflächenspannung be-

einflusst die Lorentzkraft maßgeblich die Tropfenablösung. In wei-

terführenden Arbeiten soll dieser Einfluss im Tropfenübergangs-

modell berücksichtigt werden. Durch die Implementierung der

MHD-Gleichungen und der Vorgabe einer typischen Verteilung

der elektrischen Leitfähigkeit im Bereich des Lichtbogens wird

die Stromdichte vereinfachend dargestellt. Die Lorentzkraft er-

gibt sich aus dem Kreuzprodukt der Stromdichte und der magne-

tischen Flussdichte. Durch die Vorgabe einer äquivalenten Wär-

mequelle des Lichtbogens wird die Temperaturverteilung in den

Elektroden berechnet. Anschließend wird der Einfluss der tem-

peraturabhängigen Stoffdaten näher untersucht.

Auf Grundlage der berechneten Verteilung der Stromdichte

und der Elektrodentemperatur werden die Effekte in den Fall-

gebieten im Tropfenübergangsmodell berücksichtigt. Dabei wird

sowohl ein Modell für die anodisch gepolte Drahtelektrode als

auch für das kathodisch gepolte Werkstück implementiert.

Literaturverzeichnis

[Füs09] U. Füssel; M. Hertel, M. Schnick, U. Reisgen, O.Mokrov,

A. Zabirov: Erweiterung des Prozessverständnisses über MSG-

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Phys. D: Appl. Phys. 43, 2010 (in print)

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ture in gas–metal arc welding through increased radiative emis-

sion. J. Phys. D: Appl. Phys. 43, 2010

[Sch10b] M. Schnick, U. Füssel, M. Hertel, M. Haessler, A. Spille-

Kohoff, A. B. Murphy: Modelling of gas metal arc welding

taking into account metal vapour. J. Phys. D: Appl. Phys. 43,

2010 (in print)

Projekt G5

Beschreibung komplexer Vorgänge im Licht-bogen durch die Kopplung von inverser und direkter Modellierung

Zwischenbericht TU Dresden

U. Füssel1, S. Rose1, M. Schnick1 J. Kruscha2, K. Schlodder2,

M. Tempelhagen2, F. Wagner2

1Technische Universität Dresden, Institut für Oberflächen- und Fertigungstechnik,

Professur Fügetechnik und Montage

2Institut für Inverse Modellierung, Hochschule Lausitz, Senftenberg

1. Einführung

Beim MSG-Schweißen brennt der Lichtbogen zwischen einer

kontinuierlich zugeführten Drahtelektrode und dem Werkstück.

Die Temperaturen und Strömungen im Lichtbogen sowie die

elektrische Strom- und Wärmestromdichte der Lichtbogen-

ansätze an Draht und Werkstück beeinflussen einerseits den

Werkstoffübergang und den Einbrand. Andererseits werden die

Eigenschaften des Lichtbogens durch die Geometrie des Trop-

fens und die Deformation des Werkstückes sowie durch die

Temperaturen und Verdampfungen an den Elektrodenoberflä-

chen beeinflusst. Durch das Aufschmelzen des Zusatzwerkstof-

fes im Lichtbogen beziehungsweise den Werkstoffübergang ist

der MSG-Schweißprozess deutlich komplexer und dynamischer

als der WIG-Schweißprozess. Derzeit existiert kein numerisches

Modell, das in der Lage ist, Effekte in der Lichtbogensäule, in

den Fallgebieten, des Materialtransports und die Effekten im

Schmelzbad vollphysikalisch zu beschreiben.

Im Rahmen des DFG-Projektes G5 wird diesen Einschränkungen

mit der Berücksichtigung experimenteller Daten in der nume-

rischen Simulation begegnet. Hierzu werden experimentell

bestimmte Strukturen und Geometrien als Randbedingungen

und Zielgrößen für die numerische Simulation genutzt. Zur Ge-

winnung dieser Randbedingungen werden Signale, Bilder und

charakteristische Muster analysiert. Durch die Kopplung von

Diagnostik und Simulation kann das dynamische Verhalten von

MSG-Prozessen besser beschrieben und physikalisch interpretie-

ren werden. Im Ergebnis der Untersuchungen sollen unter ande-

rem Stabilitätskriterien für den MSG-Prozess abgeleitet werden.

Den charakteristischen Mustern der internen (elektrischen) und

externen (optischen) Signale sollen dazu ihre jeweiligen verur-

sachenden Effekte zugeordnet werden. Damit kann das Aussa-

gevermögen sowohl experimenteller als auch numerischer Me-

thoden erhöht werden.

Page 17: ZWISCHENBERICHT II

32 33

Kamerabild kann die ermittelte Draht- und Schmelzbadkontur

mittels Postprocessing integriert werden. Aus dieser Kontur kann

u. a. der Abstand von der Drahtspitze zur Schmelzbadoberflä-

che berechnet werden (siehe Beschriftung über dem Draht). Der

Screenshot in Abb. 2 zeigt außerdem die zeitsynchrone Darstel-

lung im Phasenraum. Durch ein neuartiges Postprozessing ist

es möglich, zusätzliche berechnete Kanäle wie Widerstand und

Leistung, Ableitung von Strom und Spannung o. ä. zu berech-

nen und nachträglich in diese sehr übersichtliche Darstellungs-

form zu integrieren.

Abb. 2: Konturerkennung mit WIG-Beleuchtung (links) und mit Laserbeleuchtung

(rechts), Messsignalerfassung von Strom-Spannung (blau), Metall-Argonstrahlung

(rot)

Neben der Tropfengeometrie besteht eine wesentliche Aufgabe

der Diagnostik darin, die Struktur des Metalldampfkerns und

des Argons zu bestimmen, Abb. 3. Hierzu wird die Hochge-

schwindigkeitsdiagnostik mit Argon- und Metalldampffiltern

durchgeführt. Die dabei ermittelten geometrischen Größen bil-

den gemeinsam mit den spektroskopischen Ergebnissen des INP

Greifswald (Projekt G1) [Rou10] die Grundlage für die Vorgabe

der Eisenkonzentration im Lichtbogen sowie die Vergleichsbasis

durch die numerisch simulierte Temperaturverteilung im Lichtbo-

gen. Die spektroskopischen Untersuchungen am INP Greifswald

werden mit identischen Parametereinstellungen und Randbedin-

gungen an einer identischen Stromquelle durchgeführt.

Abb. 3: Spektralselektive Aufnahmen (Eisen, Argon)

der Lichtbogenstruktur während des Pulses

2.2. Numerische Simulation

Das verwendete achsensymmetrische numerische Modell basiert

auf der Software ANSYS CFX. Für das Plasma wird die Gültig-

keit eines lokalen thermodynamischen Gleichgewichts ange-

nommen. Die Plasmaeigenschaften und Strahlung werden als

Funktion der Temperatur und des Eisenanteils berücksichtigt. Die

Effekte in den Fallgebieten werden durch ein grobes Gitter im

Bereich der Elektroden vereinfacht dargestellt. Eine ausführliche

Beschreibung des numerischen Modells findet sich in [Sch10].

Die Simulationen erfolgen transient, wobei der Stromverlauf

aus den experimentellen Daten als Randbedingung vorgegeben

wird. Da bekannt ist, dass der Lichtbogen maßgeblich durch den

Metalldampf bestimmt ist [Goe04] [Met05], lag ein Hauptaugen-

merk der Untersuchungen auf dem Einfluss des Metalldampfes

auf die Lichtbogeneigenschaften. Diese Untersuchungen dienen

der späteren Validierung der vollphysikalischen Verdampfungs-

modelle. Daher waren u. a. folgende Fragen zu beantworten:

� Wie wirken sich verschiedene Metalldampfanteile

auf die Lichtbogeneigenschaften aus?

� Wieviel Metalldampf muss am Draht entstehen, um die

experimentell bestimmten Lichtbogeneigenschaften

verursachen zu können?

� Wo muss der Metalldampf aus dem Draht austreten, um

die ermittelten Strukturen und Verteilungen im Lichtbogen

verursachen zu können?

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden bisher zwei verschiede-

ne Ansätze verfolgt:

a) Definition der Metalldampfquelle an der Drahtunterseite

Bei dieser Definition strömt an der Drahtunterseite ein definier-

ter Eisenmassestrom mit einer Temperatur von 3134 K in das

Gas ein. Dabei wird sowohl das Profil des einströmenden Gases

über die Höhe der Eisendampfquelle (Abb. 4 oben) als auch die

Menge von Eisendampf variiert. Der Verdampfungsmassestrom

wird dabei relativ zur Drahtförderung (4 m/min) angegeben und

liegt zwischen 1 % und 5 %.

b) Definition der Metalldampfverteilung

im Lichtbogen

Eine Unsicherheit in der Simulation der Me-

talldampfverteilung im Lichtbogen besteht

darin, dass diese Verteilung von Temperatur,

Druck und Potentialverteilung abhängig ist.

Aus diesem Grund wird die Verteilung des

Metalldampfes bei diesem Ansatz als Randbe-

dingung fest vorgegeben. Der untere Teil der

Abb. 4 zeigt die Definition der Metalldampf-

verteilung basierend auf der Auswertung von

Hochgeschwindigkeitsaufnahmen mit Metall-

dampffiltern. Diese dienen vor allem der Abgrenzung der äuße-

ren Kontur des Metalldampfkerns.

Abb. 4: a) Definition der Metalldampfquelle und Konzentration am Drahtende

(oben) und b) Definition der Metalldampfverteilung im Lichtbogen (unten)

Der Masseanteil des Eisendampfes in der mittleren Lichtboge-

nebene wurde aus den vier diskreten Zeitpunkten der spektros-

kopischen Messungen am INP Greifswald (Projekt G1) [Rou10]

übernommen. Die Verteilung in den restlichen Bereichen des

Lichtbogens wurde auf Grundlage der Masseerhaltung berechnet.

3. Aktuelle Ergebnisse

3.1. Diagnostik

Die mittels spektralselektiver Photodioden detektierbaren Metall-

dampf- und Argonemissionen zeigen sehr großes Potential für

die Auswertung. Neben der im letzten Zwischenbericht [Füs09]

gezeigten Detektierbarkeit der Tropfenablösung durch den An-

stieg der Argonemissionen im Moment der Ablösung, lassen

sich aus den Signalen der Metalldampfdioden auch Informati-

onen über die Tropfengröße gewinnen. Abb. 5 zeigt das Photo-

diodensignal mit Metalldampffilter über der Zeit. Der Impuls-

prozess wurde so eingestellt, dass nicht bei jedem Puls ein

Tropfen abgelöst wird, sondern Tropfen oft erst im dritten Puls

abgeschnürt werden. Dies führt dazu, dass die Tropfen größer

werden und überhitzen. Im Signal der Photodiode mit Metall-

dampffilter (Abb. 5) ist ein überhitzter Tropfen anhand der deut-

lich stärkeren Strahlung zu erkennen. Außerdem ist erkennbar,

dass sich das Signal mit der Anzahl der Nicht-Ablösungen des

Tropfens immer weiter erhöht (gepunktete Linie). Die Strah-

lungsemissionen steigen mit der Größe der Tropfen an. Da das

Nicht-Ablösen des Tropfens bereits zu Beginn der Hochstrom-

phase detektierbar ist, erscheint eine Veränderung des Strom-

verlaufs noch innerhalb desselben Pulses möglich. Damit kann

der Tropfen noch abgelöst und ein Kurzschluss verhindert wer-

den. Das Nicht-Ablösen eines Tropfens ist sowohl im Hinblick

auf die Prozessstabilität als auch im Hinblick auf die Emissionen

zu vermeiden [Ros10]. Damit bieten spektralselektive Photodi-

odenmessungen die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringem

Aufwand zusätzliche Informationen zu gewinnen. Hierbei wird

im weiteren Projektverlauf geprüft, ob unterschiedliche Tropfen-

größen und Tropfentemperaturen bei veränderten Prozesspara-

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4Abb. 5: Spannung und Metalldampfsignal eines ILB-Prozesses mit instabiler Tropfenablösung

Page 18: ZWISCHENBERICHT II

34 35

metern aus dem Signal extrahierbar sind. Durch die entwickelte

Konturerkennung konnte nachgewiesen werden, dass sich bei

den verwendeten Parametereinstellungen nicht nur sehr stabile

Verhältnisse in den Signalen (siehe Abb. 2) einstellen, sondern

dass sich auch eine sehr stabile Tropfenformung ausbildet. Abb.

6 zeigt den sechsten Puls einer Aufnahme, bei der die phasen-

gleichen Bilder der vorhergehenden fünf Pulse eingezeichnet

bleiben. Es ist zu erkennen, dass sich in allen Prozessphasen,

d. h. bei der Einschnürung, dem Tropfenflug und auch beim

Eintauchen des Tropfens in das Schmelzbad, sehr gleichmäßi-

ge geometrische Randbedingungen einstellen. Die Hypothese,

dass eine Vorgabe über mehrere Pulse gemittelter geometrischer

Randbedingungen, sinnvoll ist, konnte damit bestätigt werden.

Weiterhin können die Ergebnisse im Projekt A1 zur Schmelzbad-

beeinflussung genutzt werden.

Abb. 6: Konturerkennung über 6 Pulse

3.2. Numerischer Simulation

Die transienten numerischen Simulation zeigen zunächst, dass

der Lichtbogen nahezu unmittel-bare Reaktion auf veränder-

te Randbedingungen zeigt. Dies ist durch die sehr hohen Strö-

mungsgeschwindigkeiten von bis zu 500 m s-1 und die sehr

hohen Temperaturen im Lichtbogenbereich begründet. Daraus

kann geschlussfolgert werden, dass die Wirkung von Parame-

terveränderungen an stationären Rechnungen überprüfbar sind

und erst später in die zeitaufwändigeren transienten Rechnun-

gen implementiert werden müssen.

a) Definition einer Metalldampfquelle

an der Drahtunterseite

Die Simulationen mit definierter Metalldampfquellen an der

Drahtunterseite zeigen, dass die Kontur der Metalldampfquelle

an der Drahtspitze (siehe Abb. 4) keinen signifikanten Einfluss auf

die Lichtbogentemperatur oder die Masseverteilung von Eisen

hat. Der Metalldampf wird durch die Strömungen im Lichtbo-

gen in dessen Zentrum transportiert. Die Wirkung unterschied-

licher Metalldampfmengen auf die Temperaturverteilung im

Lichtbogen ist in Abb. 7 oben deutlich zu erkennen. Je höher

die Metallverdampfungsrate ist, desto stärker ist der kalte Me-

talldampfkern ausgeprägt. Die Variation der Verdampfungs-

rate zeigte im Vergleich mit den spektroskopischen Daten des

INP Greifswald, dass Verdampfungsraten von 5 % notwendig

sind, um die Kerntemperatur von 8.000 K zu verursachen, siehe

Abb. 7 Mitte. Die Übereinstimmungen zwischen diagnostizier-

ter und berechneter Temperaturcharakteristik sind momentan

noch nicht vollständig zufrieden stellenden, da die Temperatur

in der Simulation im äußeren Lichtbogenbereich zunächst deut-

lich höher ist und weiter außen wiederum deutlich schneller

abfällt als in den Messungen. Dies kann jedoch durch das der-

zeit noch nicht implemen-tierte Strahlungstransportmodell be-

gründet werden. Es ist anzunehmen, dass dieses Modell zu ei-

ner Verschiebung der Temperatur in die äußeren Bereiche führt.

Es wurde allerdings ebenso festgestellt, dass die Effekte in der

Lichtbogensäule mit dem bereits entwickelten Modell der Licht-

bogensäule sehr gut abgebildet werden, Abb. 7 unten links. So

finden sich im charakteristischen Verlauf im U-I-Phasenraum

kaum Differenzen zwischen Simulation und Experiment. Der

Up-slope zeigt sein charakteristisches Hystereseverhalten, wäh-

rend der Down-slope nahezu linear verläuft. Die Differenz in

den Spannungen, die nahezu konstant bei etwa 11 V liegt, kann

durch die nicht implementierten Fallgebiete begründet werden.

Einschränkend muss jedoch hinzugefügt werden, dass sich bei

höheren Verdampfungsraten eine Verschlechterung im charakte-

ristischen Verlauf im U-I-Schaubild einstellt. Bezüglich der Aus-

wirkungen auf das Schweißergebnis ist der in Abb. 7 unten

rechts dargestellte Vergleich der berechneten Staudrücke von

besonderer Relevanz – mit steigender Verdampfung ist mit sin-

kendem Staudruck infolge der veränderten Stromführung und

Temperaturen zu rechnen. Hieraus kann abgeleitet werden, dass

zu Beginn eines Pulses der höchste Staudruck vorliegt. Diese

Ergebnisse liefern neue Ansätze zur möglichen Beeinflussung

der Schmelze (Projekt A1), beispielsweise in Form erhöhter Puls-

frequenzen.

b) Definition der Metalldampfverteilung im Lichtbogen

Kameraaufnahmen liefern stets ein überlagertes 3D-Bild des Pro-

zesses. Für den Vergleich der experimentellen und numerischen

Ergebnisse mit einer definierten Metalldampfverteilung im Licht-

bogen müssen daher die numerisch bestimmten Strahlungen

auf der Rotationsebene in eine 3D-Durchsicht umgerechnet wer-

den. Abb. 8 oben zeigt den direkten Vergleich der experimen-

tell und numerisch bestimmten Strahlungsemissionen von Eisen

und Argon. Exemplarisch ist die Hochstromphase dargestellt.

Die Durchsichten der Eisen- und Argonstrahlung zeigen sehr

gute Übereinstimmung. Insbesondere der dunkle, metalldampf-

dominierte Lichtbogenkern ist in den Bildern mit Argonfiltern

klar abgegrenzt. Aus den definierten Metalldampfmengen im

Lichtbogen kann der notwendigen Eisenmassestroms am Drah-

tende errechnet werden – diese steigt

kontinuierlich an und erreicht erst am

Ende der Hochstromphase sein Maxi-

mum von etwa 7 % bezogen auf den

Drahtvorschub (4 m/min). Der über die

Pulsdauer gemittelte Verdampfungs-

massestrom liegt bei etwa 0,8 %.

Zusätzlich wurden die experimentel-

len Daten in den Phasenräumen von

Metalldampf-Argon und Strom-Span-

nung miteinander verglichen, Abb. 8

unten. Es ist mit dieser Definition

erstmalig gelungen, den prinzipiellen

Verlauf des Phasenraums von Metall-

dampf-Argon nachzuvollziehen. Es ist

deutlich zu erkennen, dass durch die

Definition der Metalldampfverteilung

der zeitliche Verzug der Metalldampf-

strahlung während des Up-slopes

und die zunehmende Dominanz des

Metalldampfes während des späteren Prozessverlaufes abge-

bildet werden können. Diese Dominanz zeigt sich in der weiter

steigenden Metalldampfstrahlung, während die Argonstrahlung

absinkt.

Der charakteristische Verlauf im Pha-

senraum Strom-Spannung scheint

dagegen auf den ersten Blick keine

guten Übereinstimmungen zu zeigen.

Bei genauerer Betrachtung ist jedoch

zu erkennen, dass auch dieser Ver-

lauf prinzipiell sehr gut nachvollzogen

werden kann: Im Hystereseverlauf ist

zu erkennen, dass die Spannung bei

Stromstärken bis zu 200 A während

des Up-slopes deutlich höher sind als

während des Down-slopes. Auch der

Strom-Spannungsverlauf während des

Down-slopes ist in der Simulation wie

im Experiment nahezu linear. Die Unter-

schiede ergeben sich ausschließlich

während der Hochstromphase mit na-

hezu konstantem Strom. Die experi-

mentellen Daten liefern für die Prozess-

phase eine nahezu konstante Span-

nung, während die Spannung in der

numerischen Simulation aufgrund der steigenden Verdampfung

kontinuierlich steigt. Die Differenz entspricht etwa den prinzi-

piellen Unterschieden, die sich auch bei der Definition einer zu

hohen Metallverdampfung an der Drahtunterseite einstellt.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Abb. 7: Variation der Verdampfung – Vergleich der Temperaturen und der

Eisenverteilung im Lichtbogen mit Spektroskopie [Rou10], Vergleich U-I mit

experimentellen Daten sowie Ver-gleich der berechneten Staudrücke

Abb. 8: Vergleich der experimentelle und simulierten sowie die errechnete

notwendige Metall-verdampfung (oben), Vergleich der Verläufe in Phasen-

räumen (unten)

Page 19: ZWISCHENBERICHT II

36 37

4. Nächste Schritte

Im weiteren Projektverlauf wird die Eisenquelle am Draht wei-

ter untersucht. Hierzu werden vor allem zeitlich und örtlich

höher aufgelöste spektroskopische Messungen des INP Greifs-

wald (Projekt G1) genutzt. Hieraus ergeben sich noch bessere

Möglichkeiten zum Vergleich der experimentell und numerisch

bestimmten Lichtbogeneigenschaften. Im Hinblick auf die Mög-

lichkeiten der Prozessbeeinflussung werden dabei vor allem die

Wirkungen des Metalldampfes auf die Strömungen im Lichtbo-

gen und den Staudruck untersucht. Dabei ist u. a. die Frage zu

beantworten, in welchem Verhältnis die Parameter Stromstärke,

Metalldampfanteil, Strömungsgeschwindigkeit zum Staudruck

und zum Energieeintrag an der Werkstückoberfläche stehen

(Projekt A1). Diese beeinflussen maßgeblich das Schweißergeb-

nis. Weiterhin wird ein numerisches Modell zum Drahtvorschub

und Tropfenformung in der numerischen Simulation implemen-

tiert. Damit wird ein noch besseres Verständnis der charakteristi-

schen Verläufe im Phasenraum insbesondere während der Hoch-

stromphase erwartet.

Weiterhin wird die Implementierung des im Projekt G4 entwickel-

ten Fallgebietsmodells und Strahlungstransportmodells geprüft.

Hierbei ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch nicht

geklärt, ob der dabei zu erwartende deutlich erhöhte Rechen-

aufwand in den transienten Simulationen noch zu vertretbaren

Rechenzeiten führt.

Mit dem im Projekt G4 entwickelten Prozessmodell wird die im

Antrag vorgesehen Betrachtung des Kurzlichtbogens erfolgen.

Hierbei werden die Modelle der Magnetohydrodynamik mit der

Berechnung einer freien Oberfläche gekoppelt.

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M. Tempelhagen, F. Wagner: Beschreibung komplexer Vorgän-

ge im Lichtbogen durch die Kopllung von inverser und direkter

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Schoepp, K.-D. Weltmann, D Uhrlandt: Spectroscopic investiga-

tion of the high-current phase of a pulsed GMAW process. J.

Phys. D: Appl. Phys. (akzeptiert), August 2010 (voraussichtlich)

[Sch10] M. Schnick, U. Füssel M. Hertel, A. Spille-Kohoff, A. B.

Murphy: Metal vapor causes a central minimum in arc tempera-

ture in gasmetal arc welding through increased radiative emissi-

on. J. Phys. D: Appl. Phys. 43 022001, 2010

Projekt G5

Von der explorativen Datenannalyse zur inversen Modellierung –auf dem Weg zu einem neuen Auswertungsstandard für schweißtechnische Messsignale

Zwischenbericht HS Lausitz

J. Kruscha, K. Schlodder, M. Tempelhagen, F. Wagner

Institut für Inverse Modellierung (IIM), Hochschule Lausitz, Senftenberg

1. Einführung

Alle beteiligten Forschungsstellen untersuchen bestimmte As-

pekte der Lichtbogendynamik mit vergleichbaren Werkzeugen:

Zeitreihen der elektrischen Signale (U(t), I(t)), Hochgeschwin-

digkeitskameraaufnahmen (HGA), Zusatzsensoren z.B. spek-

tral selektive Photodiodensignale (I-elektrischer Strom, U(I)-

gemessener Spannungsabfall an der Lichtbogenstrecke: Kontakt-

rohr-Stickout-Lichtbogen-Schmelzbad-Werkstück).

Der Schweißlichtbogen -als zentrales Element- steht im Zentrum

der Untersuchungen aller Forschungsstellen. Das IIM stellte sich

dem Anspruch -von der explorativen Datenanalyse bis zur Ent-

wicklung messungsbasierter inverser Modelle- neue, intelligente

Datenanalysemethoden zu entwickeln und zur Anwendung zu

bringen. Im Verlauf der bisherigen Arbeit konnte am IIM, im

Rahmen der Entwicklung geeigneter Auswertungsmethoden, in

gewissem Sinne ein neuer Auswertungsstandard etabliert und

entsprechende anschauliche und physikalisch aussagestarke

Darstellungsmethoden implementiert werden [LBS09], [IIM10]

(Vortragsfolien 0.-10.). Mit der Entwicklung geeigneter Mess-

datenauswertungsmethoden erfolgte parallel eine Systema-

tisierung der bisherigen Erkenntnisse, die zur Begründung ver-

schiedener Modellierungsansätze und theoretischer Erklärungs-

muster geführt haben. So konnte sich eine Grundstruktur für

das Verständnis der entscheidenden Prozessaspekte herausbil-

den (Abb. 1).

Im Rahmen eines Gerätehersteller- und systemübergreifenden

Analyse- und Modellierungsansatzes erfolgt mit der Zusammen-

führung von elektrischen Signalen und der HGA-Bildinformation

über eine qualifizierte Zeitreihenanalyse die Entwicklung anwen-

dungsfreundlicher inverser Modellierungsansätze mit erkennt-

nistheoretischer und regeltechnischer Relevanz.

2. Arbeitsbericht

In der Berichtsperiode konnte ein geschlossenes Gesamtkonzept

für die Auswertung schweißtechnischer Signale entwickelt (Abb.

1) und in den wesentlichen Teilaspekten die bereits bewährte

Methodik weiter ausgebaut und verfeinert werden [IIM10], wo-

bei sich immer stärker eine relativ abschließende Systematik he-

rausbildet:

Messdatenvorverarbeitung (Synchronisation der HGA-Bildin-

formation mit den elektrischen Zeitreihen, geeignete Methoden

zur Verdichtung der Information, Signalglättung u. numerische

Ableitungen, geeigneten Farbkodierungen und physikalisch an-

schauliche Darstellungsweisen einschließlich Bild Be- und Verar-

beitung: [IIM10]- 2_Bild Be- und Verarbeitung.pdf).

Hysterese-Effekte. Phasenraumdarstellungen (mit jeweils

angepasster Farbkodierung und geeigneter Einbeziehung der

HGA-Bildinformation) erweisen sich als anschaulichste Darstel-

lungsweise (so lassen sich die Prozesszustandsänderungen sehr

leicht detektieren und klassifizieren -Spitzen, Veränderung des

Charakters der Kurve [LBS09], [IIM10]- 3_Hysteresis.pdf). Sowohl

in physikalischer als auch in regeltechnischer Hinsicht stellen sie

die aussagestärkste Form der Verdichtung der Information dar

und bilden die Grundlage für die inversen Modellanpassungen.

Die Hysterese-Effekte stellen auch den Schlüssel zum Verständ-

nis der Impulslichtbogenschweißprozesse dar:

� Verschiedene Quellenkennlinienkombinationen (U,I-Modu-

lationsarten) [Sch05] (Bild. 6) generieren eine Hysterese-Grund-

struktur U(I) durch das Wechselspiel zwischen Drahtelektroden-

Abschmelzverhalten und Drahtvorschubgeschwindigkeit: in der

Grundstromphase überwiegt der zweite Effekt, wobei in der Im-

pulsphase der Abschmelzvorgang dominiert. Darum erfolgt der

Einstieg in die Impuls- bzw. Grundstromphase immer in einem

anderen Bereich der U(I)-Ebene als jeweils der Ausstieg.

� Phasenraumdarstellungen geben anschauliche Vorstellungen

über Stabilitätsbereiche der Prozessführung (zusammenlaufende

Phasenraumtrajektorien) und instabile Prozesszustände (diver-

gierende Phasenraumtrajektorien) und erlauben damit schon auf

einem „vormathematischen Niveau“ die Bewertung des Prozes-

ses (Stabilitätsinselkonzept) [LBS09] (Projekt A4), [IIM10]).

� Die Analyse des Hystereseverhaltens eröffnet einen eleganten

methodischen Einstieg zur Klassifizierung der Haupteinflussfak-

toren für den U(I)-Verlauf (so kann beim Hochfahren des Stromes

der Spannungsabfall größer sein als beim Herunterfahren bzw.

können sich auch die umgekehrten Verhältnisse einstellen):

(i) Steilheit: Beim Hochfahren des Stromes ist zusätzlicher

Energieaufwand erforderlich, um im Lichtbogen die zusätzlich

notwendigen Ladungsträger für den Stromtransport durch Ioni-

sation zu erzeugen (größerer Spannungsabfall). Beim Herunter-

fahren des Stromes kann auf die Ladungsträger zurückgegriffen

werden, die bei höherer Stromstärke erzeugt wurden (geringerer

Ionisationsaufwand - kleinerer Spannungsabfall). Dieser Effekt

ist umso deutlicher ausgeprägt, je schneller die Stromänderung

erfolgt (Steilheit des Anstiegs der I(t)-Kurve).

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Page 20: ZWISCHENBERICHT II

38 39

(ii) Stick-out-Einfluss: Dieser Einfluss wirkt im Draht entgegen

dem Ionisations-Steilheitseffekt des Lichtbogens. Bei Stromerhö-

hung wirkt der Widerstand, der sich durch die Wärmeentwick-

lung bei niedrigerem Strom einstellte (kleinerer Spannungsab-

fall). Bei Stromstärkesenkung fließt der Strom im Metalldraht,

der durch höheren Strom vorher erwärmt wurde und darum mit

einem größeren Widerstand zu einem höheren Spannungsabfall

führt. Auch dieser Effekt hängt von der Steilheit der I(t)-Kurve ab

und wirkt in Gegenrichtung in Bezug auf (i).

(iii) Induktivitäten: Eine Induktivität wirkt bremsend bei Strom-

erhöhung und versucht den alten Zustand aufrechtzuerhalten,

wenn der Strom heruntergefahren wird. Die am Schweißlicht-

bogen gemessenen Spannungsabfälle zeigen eindeutig auch In-

duktivitätscharakter.

(iv) Metalldampfanteil: Metalldampf im Lichtbogensäulen-

plasma zeichnet sich gegenüber dem Schutzgas Argon durch

einen höheren Wirkungsquerschnitt aus. Dadurch sinkt die

Beweglichkeit der Elektronen in Bezug auf reines Argon. Das

Gleichgewicht stellt sich bei niederen Temperaturen ein, so dass

der Widerstand und entsprechend der Spannungsabfall des Plas-

mas steigen. Zu unterscheiden sind abrupte Metalldampfaus-

brüche, wie sie beim Aufreißen der flüssigen Kurzschluss-Metall-

brücke auftreten und prozessführungsbedingte Veränderungen

des Mischungsverhältnisses von Metalldampf-Argon.

� Analyse Systemverhalten mit den Teilschritten: Prozessfüh-

rungsanalyse, stationäres Normalverhalten, Ausreißer-Analyse,

Ereignisdetektion, Ereigniszuordnung, Detektion der Steuer- und

Regeleinflüsse ([IIM10]-5_Analyse_Systemverhalten.pdf).

� Entfaltungstechniken: Hier geht es primär um die Beantwor-

tung der Frage, welche physikalische Information lässt sich maxi-

mal aus den Zeitreihen U(t) und I(t) gewinnen und welche graphi-

schen Darstellungen sind geeignet, diese Information adäquat

und anschaulich zu visualisieren ([IIM10]- 4_Entfaltung.pdf). Es

erfolgte sowohl eine methodisch-theoretische Weiterentwick-

lung als auch eine Anpassung mehrerer Entfaltungstechniken an

die Bedürfnisse der Schweißlichtbogen-Signalanalyse: Differenti-

elle Entfaltung, Einbettungen (Delay-Darstellungen), Transforma-

tionen, Integrale Größen, (Daten-Modell)=Residuen-Entfaltung,

Komponentenzerlegung und elektronische Lösungen. Die Vor-

züge der Entfaltungstechniken werden exemplarisch an einem

Beispiel (aus urheberrechtlichen Gründen am Beispiel eines EKG-

Signals) illustriert (Abb. 2):

� Eine Zeitreihenmessung (Abb. 2, unten links) zeichnet sich

einerseits durch Überlagerung von Rauschanteilen und anderer-

seits durch abrupte Zustandsänderungen aus (hier starke Signal-

ausschläge). Durch Anwendung klassischer Glättungsmethoden

werden auch die abrupten Signaländerungen verfälscht.

� Im Rahmen einer Entfaltung (Abb. 2, oben links) wird einer-

seits die Dimension des der Messung zugrundeliegenden Systems

deutlich (hier 3) und andererseits lässt die topologische Struktur

des entfalteten Phasenraumporträts qualitative Rückschlüsse auf

die Gleichungsstruktur des datengenerierenden Systems zu.

� In der entfalteten Struktur (natürliche Darstellung der Dyna-

mik) stellen sich die abrupten Signaländerungen als relativ steti-

ge Strukturänderungen dar, so dass eine Signalglättung in dieser

Darstellung nicht die Dynamik verfälschen kann (Abb. 2, rechts).

Wird das geglättete Signal (gelb) dann in die Ausgangsmes-

sungsdimension zurückprojiziert, dann erhält man einen signi-

fikanten Glättungseffekt ohne Verfälschung der Systemdynamik

(Abb. 2, unten links -gelb).

� Methodisch basiert das entwickelte Konzept der inversen

Modellierung auf drei Säulen:

Abb. 2: Veranschaulichung der Vorzüge der Entfaltungstechniken am Beispiel der

entwickelten Glättungsmethode im Attraktor.

I. Phasenraumbasierte Ereignisdetektion:

Automatisierte Generierung relativ großer Phasenraumübersich-

ten (Gegenüberstellung physikalisch relevanter Größen und for-

mal systematisierter Signalkombinationen unter Einbeziehung

differentieller Größen [IIM10]- 5_Analyse_Systemverhalten.

pdf), wobei vorab bestimmte Ereignisse in den Ausgangsmess-

reihen von Hand farblich markiert werden (Abb. 3, oben links:

Markierung der Tropfenablösezeitpunkte auf der Basis kleiner

Spannungserhöhungen in Verbindung mit der kleinen Metall-

dampfwolke, die sich beim Abreißen des Tropfens bildet). Aus

der großen Phasenraumübersicht (Abb. 3, oben rechts) werden

die Phasenraum-Kombinationen einer besonderen Beachtung

unterworfen, in denen die in den Zeitreihen selektierten Ereig-

nisse alle in einem sehr kleinen Raumgebiet positioniert erschei-

nen (Abb. 3, unten links Phasenraumausschnitt). Unter den in

der Größenordnung von >100X100 Teilbildern der großen

Phasenraumübersicht finden sich dann relativ viele Kandidaten

als mögliche Ereignisidentifikationskriterien, die dann in einem

zweiten Schritt einzeln einer differenzierten Untersuchung auf

Eignung als Selektionskriterium unterworfen werden. Die Pha-

senraumkombination (dU, d3U) erweist sich als ein Kandidat für

das Tropfenablösekriterium (Abb. 3, unten rechts: grün-Tropfen-

ablösezeitpunkt, rot das nächstliegende HGA-Bild, das die Trop-

fenablösung signalisiert).

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Abb. 3: Illustration der Methode der phasenraumbasierten Ereignisdetektion am

Beispiel der Suche nach Ereignisidentifikationskriterien für die Tropfenablösung.

II. Modellanpassungen (Regressionsanalyse).

Im Rahmen der Anpassung mathematischer Modellgleichungen

(Systemidentifikation und Parameterestimation) an die Messkur-

ven kommt eine Vielfalt von Regressionsmethoden zum Einsatz:

lineare-nichtlineare, parametrische-nichtparametrische Metho-

den, die sowohl die Messgrößen als Regressoren als auch deren

Differentiale einbeziehen.

III. Differential-Ansatz

(Konzeption der vollständigen Differentiale der elektrischen Grö-

ßen) als formaler mathematischer Apparat für die Entwicklung

inverser Modelle und als Schnittstelle für Modellvalidierung der

Direktmodellierungsansätze [IIM10]- 6_Modellierungsvorberei-

tung.pdf.

Um vom Experiment -als letztendlicher Quelle aller Erkenntnis-

zu einem theoretischen Vorstellungssystem zu gelangen, bedarf

es einer geeigneten mathematischen Schnittstellenstruktur so-

wohl für die Ansätze der inversen Modellierungstechniken als

auch für notwendige Modellvalidierungen der Direktmodellie-

rung und Simulation.

Bei der Entwicklung eines geeigneten formalen mathematischen

Schnittstellen- Apparats galt es einer Reihe von Anforderungen

gerecht zu werden:

� Die charakteristischen Größen müssen sich in ein

physikalisches Basissystem einordnen lassen.

� Ein enger Bezug zu den experimentellen Messgrößen

muss vorhanden sein.

� Regelungstechnische Relevanz ist wünschenswert.

� Entfaltungstechnischer Zugang zu den Messgrößen

muss im Rahmen der mathematischen Modellstruktur

gegeben sein.

Im Rahmen der Arbeiten am IIM hat sich als formaler mathema-

tischer Schnittstellenapparat die Konzeption der vollständigen

Differentiale der elektrischen Größen bewährt. Werden typische

elektrische Größen, wie Spannungsabfall, Leistung etc. unter

Verwendung eines formal definierten Widerstands (R=U/I) als

Differentiale ihrer jeweils unabhängigen Veränderlichen darge-

stellt, so erhält man eine physikalisch anschauliche Grundstruk-

tur mit unmittelbarem entfaltungstechnischem Zugang:

(1)

(2)

(3) 2 2

( )

( )

( ) 2

R I

U I

R I

U UdU d R I R dI I dR dI dRI RP PdP d U I U dI I dU dI dUI U

P PdP d R I U dI I dR dI dRI R

∂ ∂ = ⋅ = ⋅ + ⋅ = ⋅ + ⋅ ∂ ∂ ∂ ∂ = ⋅ = ⋅ + ⋅ = ⋅ + ⋅ ∂ ∂

∂ ∂ = ⋅ = ⋅ ⋅ + ⋅ = ⋅ + ⋅ ∂ ∂

Von zentraler Bedeutung –auch für die Modellvalidierungen der

Direktmodellierungsansätze- erweisen sich hierbei in (1-3) die

partiellen Ableitungen

(4) Z

XY∂

mit eindeutiger physikalischer Aussagekraft, klar definierter Mess-

vorschrift und simulationstechnisch einfacher Berechenbarkeit.

Es sei nur der Vollständigkeit darauf verwiesen, das die Größen

(4) die mathematische Grundstruktur thermodynamischer Ma-

terialkonstanten besitzen, die Konzeption der vollständigen Dif-

ferentiale der elektrischen Größen die Anwendung des mathe-

matischen Apparates der Thermodynamik erlaubt, wodurch auf

natürliche Weise der Ansatz (1-4) eine regeltechnische Relevanz

bekommt - in Bezug auf die Tatsache, dass die moderne System-

theorie und Regeltechnik wesentliche Wurzeln in der Thermody-

namik haben.

3. Aktuelle Ergebnisse

3.1. Instabilitätscharakter des Lichtbogenverhaltens

bei Impulslichtbogenschweißprozessen

Die Analyse der Größenverhältnisse der einzelnen Terme in (1)

erweist sich als von fundamentaler Bedeutung ([IIM10]- 6_Model-

lierungsvorbereitung.pdf) in Hinblick auf die physikalische Rele-

vanz der einzelnen Terme, wobei das Verhältnis der folgenden

zwei Terme besondere Beachtung verdient:

(5) R

UR dI dII

∂ ⋅ = ⋅ ∂

(6)

I

UI dR dRR

∂ ⋅ = ⋅ ∂

Der Term (5) beschreibt die Änderung der Spannung infolge

Stromänderung dI , wobei die „Materialeigenschaften“ (der

Lichtbogenstrecke) als konstant anzusehen sind - „Prozessfüh-

rungsanteil“ an dU: rMdi. Der Term (6) hingegen beschreibt

die Änderung der Spannung infolge der Änderung der Mate-

rialeigenschaften (Widerstand) der Messstrecke, wobei die Pro-

zessführung als konstant anzusehen ist (dI = 0): Änderung der

Spannung infolge Widerstandsänderung dR: iMdr (Abb. 4). Wie

aus Abb. 4 ersichtlich, kompensieren sich die beiden Terme (5)

und (6) weitestgehend, so dass dU als Summe der beiden Teil-

terme vom Betrag her klein gegenüber den Beträgen der beiden

Anteile ist:

(7) |dU| << |rMdi|, |iMdr|.

Abb. 4: Beziehung zwischen den Teilkomponenten der Spannungsänderung an

der Lichtbogenstrecke, die den Instabilitätscharakter des Prozesses widerspiegeln.

Die Beziehung (7) widerspiegelt den instabilen Grundcharakter

des Prozesses, wobei es -wie auch aus Abb. 4 zu entnehmen-

zu unterscheiden gilt zwischen Prozessphasen, die im strengen

Sinn instabil sind und dem Gesamtcharakter des Prozesses, der

in guter Näherung vom Wesen her als ein instabil betrachtet und

untersucht werden muss.

Aus dem Instabilitätscharakter des Lichtbogenverhaltens erge-

ben sich zwei wesentliche Schlussfolgerungen sowohl für das

Verständnis als auch für die Beherrschbarkeit des Impulslichtbo-

genschweißprozess:

� Quasistationäre Direktmodellierungsansätze werden dem In-

stabilitätscharakter des Prozesses nicht gerecht werden können.

� Da die Spannung als Regeleingangsgröße für Schweißgeräte

Verwendung findet, ergeben sich aus dem Instabilitätscharakter

des Prozesses naheliegende Schlussfolgerungen für eine opti-

mierte Regelstrategie in Hinblick auf die Beziehungen (1) und

(7): RdI und IdR sind aussagefähiger in Bezug auf Prozesszu-

stand als dU.

3.2. Erklärung der Lichtbogenstandardmodelle auf der

Basis des Differentialkonzepts als unterste Ebene der

inversen Modellbildung und Abklärung der regeltech-

nischen Bedeutung dieses Standardmodells

Bekanntlich wird in Anlehnung an Mrs. Ayrton „Electric

Arc”(1903) der Lichtbogenspannungsabfall mit der linearen

Gleichung (linear in Bezug auf Strom I und Lichtbogenlänge L)

beschrieben:

(8) U = a + b I + c L

In Hinblick auf (1) macht es Sinn, diesen Formelansatz (8) aus (1)

herzuleiten, um bei Verwendung naheliegender vereinfachender

Annahmen in Bezug auf Lichtbogensäule und Randschicht den

physikalischen Sinn der Konstanten a, b und c in (8) zu erklä-

ren. Der Widerstand des Lichtbogens wird mit einem einfachen

homogenen Zylindersäulenmodell ( ρ - spezifischer Widerstand,

A- Querschnitt der Lichtbogensäule)

(9) SLR

=

beschrieben, wobei für die Randschicht (summarischer Ansatz

für Kathoden- und Anodenrandschicht) zwei Modellannahmen

zur Anwendung kommen: Rr=const. (Abb. 5) und Ur=const.

(Abb. 6). Bemerkenswerterweise erhält man –unter Berücksich-

tigung der vereinfachenden Annahmen in Abb. 5,6- für beide

Randschichtannahmen bei kleinen Strom- und Lichtbogenlänge-

nänderungen den gleichen Formelansatz (8).

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Page 22: ZWISCHENBERICHT II

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Abb. 5: Begründung der Ayrton-Näherung

bei konstantem Randschichtwiderstand.

Abb. 6: Begründung der Ayrton-Näherung

bei konstantem Randschichtspannungsabfall.

Überraschenderweise zeigen die Begründungen des linearen Mo-

dells (8), dass die Konstante b – entgegen der verbreiteten Lehr-

meinung – auch vom Widerstand der Randschicht Rr abhängt,

was um so gewichtiger zu bewerten ist, da die moderne

Schweißtechnik sehr kurze Lichtbögen anstrebt –und somit der

zweite Term in der Konstante b gegenüber dem Randschicht-

term vernachlässigbar wäre. Die physikalisch korrekte Interpreta-

tion der Konstante b ist jedoch existentiell wichtig für eine quali-

fizierte Regelstrategie des Schweißprozesses.

3.3. Experimentelle Bestimmung des Randschicht-

spannungsabfalls als Funktion vom Strom

Aus den Ausführungen von 3.2. folgt, dass die experimentelle

Bestimmung des Randschichtspannungsabfalls, als Funktion

der Stromstärke, von prinzipieller Bedeutung ist. In [IIM10]- 8_

UB_Experiment_Physik.pdf wurden 8 verschiedene Argumente

vorgestellt, die dafür sprechen, dass der b-Koeffizient in (8) für

kurze Lichtbögen primär durch die Randschichten determiniert

ist. Besondere Bedeutung hat in diesem Fall das Minimalspan-

nungskonzept, dass davon ausgeht, dass -bevor die Elektroden

sich berühren- die Lichtbogensäulenlänge gegen Null strebt ( L

à0) und somit der letzte messbare Spannungsabfall, vor dem

Kurzschluss, der Summe der beiden Randschichtspannungen

entspricht. Entsprechende Überlegungen gelten auch für die

Kurzschlussbrückenauflösung, wenn der neu entstehende Licht-

bogen sich noch durch eine sehr kleine Säulenlänge auszeichnet.

3.4. Bestimmung des Lichtbogenspannungsabfalls

als Funktion der Lichtbogenlänge

In [IIM10]- 8_UB_Experiment_Physik.pdf werden die Ergebnisse

einer automatisierten Auswertungen vorgestellt, die belegen,

dass beim Impulslichtbogenschweißprozess 5 qualitativ unter-

schiedliche Abhängigkeitsbereiche U(L) auftreten.

3.5. Aufklärung zweier konkurrierend wirkender

Metalldampfwirkmechanismen

In [IIM10]- 8_UB_Experiment_Physik.pdf konnte gezeigt wer-

den, dass zwei Metalldampfwirkmechanismen den U(I) –Verlauf

beeinflussen: (i )Eruptionen mit ihrem Einfluss auf den erhöhten

Spannungsabfall in der Lichtbogensäule und (ii )den Leistungsein-

bruch in Randschicht infolge einsetzender Metalldampfemission:

(i) Metalldampf zeichnet sich gegenüber dem Schutzgas Argon

durch einen höheren Wirkungsquerschnitt aus. Dadurch sinkt

die Beweglichkeit der Elektronen im Verhältnis zu reinem Argon-

Plasma. Das Gleichgewicht stellt sich bei niederen Temperaturen

ein und der Widerstand und entsprechend der Spannungsabfall

des Plasmas steigen.

(ii) Spannungsabfall vor der Kathode ist der Ionisierungsspan-

nung proportional (originelle Argumentation von Johannes

Stark), welche beim Übergang von Argon-dominierten Bogen

zum Metalldampf sinkt.

3.6. Störungstheorie- Regelungskonzept

für kurze Lichtbögen

Da entsprechend 3.3. für kurze Lichtbögen der Hauptspannungs-

abfall an der Lichtbogenstrecke sich in den Randschichten rea-

lisiert, wird eine vereinfachte Regelstrategie vorgeschlagen, die

sich im Rahmen einer Störungstheorie umsetzen lässt ([IIM10]-

7_Stoerungsrechnung.pdf, 8_UB_Experiment_Physik.pdf):

(i) Im Rahmen eines Grundmodells R(I), das primär durch die

Randschichtphysik bestimmt wird, lässt sich die Schweißstrom-

kreisdynamik abstimmen.

(ii) Die L(U) –Abstandsbestimmung (Abstandsregelung) lässt sich

dann in einem zweiten Schritt -relativ unabhängig von (i)- prak-

tisch als Korrekturgrößenbestimmung umsetzen.

3.7. Grundmodellanpassung an die Schweißsignale U(I)

Die Vorteile der inversen Modellierung lassen sich z.B. ein-

drucksvoll im Rahmen eines Gerätehersteller- und systemüber-

greifenden Analyse- sowie Modellierungsansatzes demonstrie-

ren (Abb. 7). In einem ersten Schritt wird aus den Messdaten ein

Grundmodell gewonnen, mit dem sich das Prozessverhalten in

erster Näherung bereits sehr gut beschreiben lässt. Im Rahmen

einer 2. Näherung werden dann die Residuen (Abweichungen

vom Grundmodell) über Korrelationsanalysen mit Zusatzsignalen

erklärt (Abb. 8, 9).

3.8 Residuen-Analyse der Grundmodellanpassungen als

sehr effektives Instrument der Schweißlichtbogensignal-

analyse und der Extraktion physikalischer Gesetzmäßig-

keiten

Eine neu entwickelte Entfaltungsmethode (2. Entfaltungstechni-

ken) erweist sich als besonders leistungsfähig im Rahmen einer

Feinanalyse der physikalischen Prozesse([IIM10]- 7_Stoerungs-

rechnung.pdf, 8_UB_Experiment_Physik.pdf). Es handelt sich hier-

bei um die (Daten-Modell)=Residuen-Entfaltung, die mit einer

Modellanpassung der Residuen verknüpft werden (Abb. 8,9).

Abb. 8: Der „abfallende Ast“ der Residuen erklärt sich aus dem Verhalten der

Lichtbogensäule (oben rechts) - mit abnehmenden Abstand der Schweißelektrode

vom Schmelzbad nimmt der Spannungsabfall im Lichtbogen in der Grundstrom-

phase ebenfalls ab.

Abb. 9: Der anfängliche Leistungsabfall und die sich anschließende Leistungserhö-

hung können aus dem dominierenden Metalldampfeinfluss (zunächst in den Rand-

schichten und danach in der Lichtbogensäule) erklärt werden.

4. Nächste Schritte

� Detailierte Analyse der Teilkomponenten am Instabilitätscha-

rakter des Lichtbogenverhaltens 3.1 (Lichtbogenstrecke, Rand-

schichten, Drahtelektrode), da sich nur über diesen Weg ana-

lytische Ausdrücke für das Auftreten von Stabilitätsinseln in der

Prozessführung herleiten lassen (Stabilitätsinselkonzept: [LBS09]

(Projekt A4), [IIM10]). Auf diesem Weg wird es auch gelingen,

die allgemeinen Kriterien für eine innere Regelung bei variabler

Prozessführung U(t) und I(t) analytisch herzuleiten, damit auch

für die Impulslichtbogenschweißtechnologie das selbstregulie-

rende Potential des Schweißprozesses regelungstechnisch voll

ausgenutzt werden kann.

� Detailanalyse des Ayrton-Modellansatzes 3.2. in Hinblick auf

differenziertere messungsbasierte Modellannahmen auf der Ba-

sis von (1), um die regelungstechnische Bedeutung der Nähe-

rungsformel (8) noch besser abzuklären.

� Verfeinerungen der Bestimmung des Randschichtspannungs-

abfalls entsprechend 3.3.

� Differenzierte modelltechnische Anpassung der 5 qualitativ

unterschiedlichen Abhängigkeitsbereiche U(L) beim Impulslicht-

bogenschweißprozess entsprechend 3.4.

Abb. 7: Eingespeiste Leistung (schwarz), die über ein einheitliches Grundmodell

beschrieben werden kann (grün) für verschiedene Schweißimpulsprozesse unter-

schiedlicher Quellenhersteller [untere Reihe]. Die Residuen (Differenz zwischen

Ausgangssignal und Modellanpassung - obere Reihe) zeigen für alle Prozesse qua-

litativ das gleiche Verhalten.

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A3

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Page 23: ZWISCHENBERICHT II

44 45

aufgrund unterschiedlicher Energiebeeinflussungsmechanismen

nicht möglich, jedoch können durch wärmearme Lichtbogen-

prozesse unter Verwendung neuartiger Regelalgorithmen neue

Verfahrensansätze zur gezielten Beeinflussung der Strömungs-

und Durchmischungsdynamik der Schmelze abgeleitet wer-

den.Mittels der Verbesserung der Verbindungseigenschaften

(Beherrschen der Heißrissproblematik, Verringern der Ausbil-

dung intermetallischer Phasen bei Mischverbindungen, etc.)

durch den verminderten und werkstoffangepassten Energie-

eintrag und der Reduzierung von Nacharbeit (bspw. Richten)

werden vor allem kmU in die Lage versetzt, wirtschaftlicher und

mit verbesserter Qualität zu fertigen. Dazu ist es zwingend er-

forderlich, die Wechselwirkungen der Prozesskette Stromquelle-

Lichtbogen-Energieeintrag-Konvektion-Erstarrung detailliert zu

analysieren und modellhaft abzubilden.

Die vorangegangen Untersuchungen an verschiedenen Werk-

stoffen belegen die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Ab-

kühlbedingungen durch die gezielte Prozessphaseneinstellung

für kleine Schmelzbadvolumina. Aktuelle und künftige Arbeits-

schritte sind neben der Schaffung quantifizierbarer Zusam-

menhänge zwischen physikalischen Effekten des modulierten

Wärmeeintrags und dem re-

sultierenden Werkstoffver-

halten ebenso die Über-

tragung dieser Effekte von

Blindnähten auf artgleiche

Verbindungsschweißungen

und Mischverbindungen.

2. Arbeitsbericht

2.1 Freie programmier-

bare Stromquelle

Zur Erreichung der Ziel-

stellung des Projektes galt

es eine sekundär getaktete stromgeregelte Quelle der Firma

Rehm mit der Software Matlab Simulink so anzusteuern, dass

eine freie Programmierung möglich ist. Über eine Reglerkarte

wird der vorgegebene zeitliche Verlauf als Führungsgröße an die

Stromquelle übertragen. Die Regelung des Stromverlaufs an die

Sollwertvorgabe erfolgt dann stromquellenintern. Ausgehend

von einer Grundstruktur des zeitlichen Stromverlaufs können

einzelne Stromplateaus (bis 500 A), Anstiegs- und Abstiegszei-

ten (max. 125 A / 0,1 ms) sowie Frequenzen (bis ca. 3,3 kHz) ein-

gestellt werden. Die Abbildung der Stromquelle stellt ein kom-

plexes Regelsystem dar. Dabei wird die Stromquelle idealisiert als

ein Übertragungsglied aufgefasst und beschrieben (siehe Abb.

1). Für die Beschreibung des zeitlichen Verhaltens des Regelsys-

tems wurde mit Matlab Simulink eine lineare Systemidentifika-

tion vorgenommen. Das System lässt sich hierdurch mit einer

Projekt A1

Einsatz gepulst geregelter Lichtbögen zur Beeinflussung der Schmelzbaderstarrung

Zwischenbericht TU Berlin

Univ. Prof. Dr.-Ing. habil. J. Wilden, Dr.-Ing. S. Jahn, Dipl.-

Wirtsch.-Ing. M. Rhode, Dipl.-Ing. (FH) B. Schmidt

Fachgebiet Füge- und Beschichtungstechnik, TU Berlin,

1. Einführung

Lichtbogenschweißverfahren finden wegen ihrer Variantenviel-

falt, sehr guten Handhabbarkeit sowie Automatisierbarkeit wei-

te Verbreitung. Ihre geringen Investitions- und Unterhaltskosten

machen die Verfahren sowohl für Industrie als auch Handwerk

attraktiv. Trotz intensiver metallurgischer und prozesstechnischer

Forschung ist das Entstehen von Nahtimperfektionen wie Heiß-

rissen, Nahtmittenrippendefekten etc. bei vielen Werkstoffgrup-

pen unvermeidbar. Damit

engt sich das Anwendungs-

spektrum der Lichtbogenver-

fahren trotz ihrer Vorteile ein

[Ach07, Psh05, Dil95].

Eine weitere Herausforde-

rung stellen Mischverbin-

dungen aus Werkstoffpaa-

rungen dar, die zur Bildung

massiver metallischer Phasen

beim Schmelzschweißen nei-

gen. Hier sei beispielweise

auf Stahl-Aluminium-Verbin-

dungen verwiesen, die sich

bis jetzt nicht prozesssicher schmelzschweißen lassen. Ergeb-

nisse aus der Lasertechnik belegen, dass mittels modulierbaren

Wärmeeintrags diese Probleme beherrscht werden können [Wil

02, Wil 07].

Durch einen minimierten Energieeintrag wird die Abkühlge-

schwindigkeit wesentlich erhöht, unterstützend kommt es da-

durch zu einer vermehrt keimbildungsorientierten Erstarrung als

ohne modulierten Wärmeeintrag. Die homogenere Keimbildung

beeinflusst das entstehende Gefüge positiv hinsichtlich der me-

chanisch-technologischen Kennwerte. Physikalisch können diese

Effekte durch drei sich gegenseitig beeinflussende Wirkfaktoren

beeinflusst werden: Energieeintrag ins Schmelzbad, Strömungs-

und Durchmischungsverhältnisse im Schmelzbad und Wär-

metransport aus der Schmelze in das feste Metall. Die direkte

Übertragung der Lasereffekte auf das Lichtbogenschweißen ist

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A3

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Abb. 1: Realisierung der freiprogrammierbaren Stromquelle

� Erweiterung der Grundmodellanpassung mit Einbeziehung

induktiver Effekte und der Lichtbogenlängeninformation.

Da sich bereits im Rahmen eines Gerätehersteller- und system-

übergreifenden Modellierungsansatzes sehr gute Ergebnisse

erzielen lassen, ist davon auszugehen, dass die schweißstrom-

quellenspezifischen Modellanpassungen im Kontext der inversen

Modellierung noch wesentlich bessere Modellgleichungen und

entsprechende Regelungsstrategien bereitstellen werden.

Aus Sicht des IIM ist es -auf der Basis der bisherigen Forschungs-

ergebnisse- ein realistisches Ziel, alle prozessrelevanten Informa-

tionen den gemessenen elektrischen Standardsignalen (Strom-

stärke und Spannung) zu entnehmen (nachdem in einer -durch

differenzierte Messungen unterstützten- Lernphase die Signal-

strukturen in ihrer physikalischen Bedeutung verstanden wurden)

und auf dieser Basis optimierte Regelstrategien zu entwickeln,

was zu einer erhöhten Prozesssicherheit der Schweißverfahren

führen wird.

Literaturverzeichnis

[LBS09] „Lichtbogenschweißen –Physik und Werkzeug“ Zwi-

schenbericht zum Lichtbogenkolloquium am 5. Oktober in Ber-

lin, ISBN-Nr.: 978-3-941681-02-6

[IIM10] J. Kruscha, Workshop Datenanalyse schweißtechnischer

Signale, Senftenberg 24./25. 02. 2010; www.inverse-modellie-

rung.de (mit Quellenhinweisen in Bezug auf die verwendeten

Messungen: 10_Quellenhinweise.pdf)

[Sch05] K.-P. Schmidt, Modulationsarten bestimmen den de-

finierten Werkstoffübergang beim Lichtbogenschweißen und

Lichtbogenlöten, Jahrbuch Schweißtechnik, Geräte und Anlagen

in der Schweißtechnik (2005) 148-161

Page 24: ZWISCHENBERICHT II

46 47

Übertragungsfunktion beschreiben. Die Validierung der Über-

tragungsfunktion erfolgte bei einem Eingangsstrom von 350 A,

dabei entspricht der simulierte Wert dem Ist-Wert des Stromes

bis auf ein zeitliches Offset von weniger als 60 µs.

2.2 Beeinflussung der Erstarrungsbedingungen

durch Pulsmodulation

Die gezielte zeitliche Modulation der Parameter und somit bei-

spielsweise der Pulsleistung eröffnet neue Möglichkeiten der ge-

zielten Einflussnahme auf die Metallurgie während des Schwei-

ßens und somit auf die Erstarrungsmorphologie der Werkstoffe.

Die Problematik der Heißrissbildung beispielsweise liegt in der

Metallurgie und den Erstarrungsvorgängen begründet. Ursäch-

lich für das Entstehen von Materialtrennungen in höheren Tempe-

raturberiechen beim oder kurz nach dem Schweißen ist das

Entstehen von niedrigschmelzenden Eutektika vor der Erstar-

rungsfront. Bei Erstarrungsende können diese im Gegensatz

zu den bereits festen Körnern die auftretenden Schrumpfspan-

nungen nicht aufnehmen. Heißrisse verlaufen daher stets inter-

kristallin, d.h. zwischen den Korngrenzen.[Sch-04] Grundlegende

Untersuchungen zur

gezielten Einflussnahme

auf die Erstarrungsbe-

dingungen sind wie

eingangs erwähnt, mit

Einzelpulsschweißun-

gen an Al 99,5 und

X5CrNi18-10 erfolgt.

Die hier erzielten Ergebnisse belegen die Möglichkeit der Ein-

flussnahme auf die Erstarrungsbedingungen des Schmelzbades

(siehe Zwischenbericht vom Oktober 2009). Weiterhin ist das

Ziel der Untersuchungen, die Schmelzbadschwingungen (Ober-

flächenbewegung) infolge der Leistungsmodulation visuell abzu-

bilden und so eine Korrelation der Schmelzbadschwingung mit

den elektrischen Parametern über den Lichtbogen zu korrelie-

ren. Durch die Anregung des Schmelzbades wird dem flüssigen

Werkstoff ein starker Durchmischungsimpuls übertragen, der

die gezielte Unterkühlung der Schmelze ermöglicht und, wie er-

wähnt, so zur verstärkten Keimbildung in der Schmelze und so

zu einem feinkörnigeren homogenen Gefüge beiträgt.

Im Fokus des sich anschließenden Projektabschnitts steht die

Übertragung der Ergebnisse aus den Einzelpulsschweißungen

auf Blindnähte mit den sich daraus ergebenden Änderungen der

thermophysikalischen Bedingungen der Erstarrung beispielswei-

se durch die Vergrößerung des Schmelzbades. Untersucht wird,

welchen Einfluss die Modulation der Energie auf den Werkstoff

(Erhaltung der Schmelzbadbeeinflussung) und die Prozessstabi-

lität besitzt.

3. Aktuelle Ergebnisse TU Berlin

Die Klärung des Einflusses der Schweißparameter auf das resul-

tierende Gefüge gestaltet sich aufgrund der großen Anzahl der

möglichen Parameter umfangreich. Erste Ergebnisse aus den vor-

gegangenen Berichten belegen am Beispiel von Aluminium 99,5

die Einflussmöglichkeiten über die Pulsformmodulation. Hierbei

wurde der Einfluss des Energieeintrages in den unterschiedlichen

Prozessphasen an Einzelpulschweißungen untersucht. Es wurde

festgestellt, dass beim Aluminium der Einfluss der Stromstärke

in der Grundstromphase hervorgehoben werden kann. Durch

den unterschiedlichen Energieeintrag in den Grundstromphasen

wird der Zeitpunkt des Aufschmelzens des Zusatzwerkstoffs und

somit die Tropfengröße bestimmt. Zusätzlich ist hiermit eine Va-

riation des Einbrands und der Nahtgeometrie verbunden.

Die Erfassung der elektrischen Messwerte erfolgt nach Umstel-

lung des Versuchsaufbaus auf das Dewetron Messsystem mit zu-

gehöriger zeitsynchron aufzeichnender Hochgeschwindigkeits-

kamera. Hierbei werden die Prozessgrößen Strom und Spannung

aufgenommen und dargestellt sowie mit den Videoaufnah-

men korreliert. Die-

ser Versuchsaufbau

ermöglicht damit de-

taillierte Aussagen

über den Zusammen-

hang der elektrischen

Kenngrößen mit den

zugehörigen Lichtbo-

genbrennphasen in

der Hochstrom- bzw.

Grundstromphase sowie der Tropfenbildung und -übergang.

Aufbauend auf den Aluminium-Versuchen, wurden Blindnaht-

schweißungen an einem CrNi-Stahl durchgeführt. Hierbei wur-

de ähnlich den Versuchen zum Aluminium vorgegangen. Zum

Einsatz kam ein austenitischer titanstabilsierter Stahl 1.4541

(X6CrNiTi18-10, Blechdicke 5 mm) und als Schweißzusatz der

Massivdraht X5CrNiNb19-9 (1,2 mm Durchmesser). In den

Schweißversuchen wurde der Einfluss der Pulsmodulation auf

das resultierende Gefüge untersucht. Die Parametervariation er-

folgte hierbei primär in der zweiten Grundstromphase des Pulses

und ergänzend in der mittleren Grundstromphase. Die Abb. 2

beinhaltet die Grundform des Schweißpulses und die jeweils un-

tersuchten Energieeinträge.

Im nachfolgenden Abschnitt werden exemplarisch die durch-

geführten Versuche an zwei Proben gegenübergestellt. Beide

Schweißungen wurden mit gleichem Programm hinsichtlich der

Energie des Schweißpulses und der ersten Grundstromphase ge-

fahren. Dabei stellt sich für die erste Prozessphase eine Energie

WS1 von 20,5 J und für die erste Grundstromphase WG1 von

5,6 J ein. Unterschiede finden sich in der zweiten Grundstrom-

phase WG2. Es wurde dabei mit einer Pulsleistung von 10,4 J

(nachfolgend Fall a genannt, acht kurze mittlere Pulse) und mit

7,4 J (Fall b, vier kurze hohe Pulse) in der zweiten Grundstrom-

phase geschweißt. Die Streckenenergie des Prozesses belief

sich im Mittel auf 5,0 ± 0,5

kJ/cm. Die verwendeten

Schweißparameter sind in

der nachstehenden Tab. 1

dargestellt:

Die Blindnähte bauen im

Gegensatz zu den Einzel-

pulschweißungen bei der

Abkühlung kein radiales,

sondern ein elliptisches

Isothermenfeld in Schweiß-

richtung auf. Durch die na-

hezu konstante Streckener-

gie ergibt sich ein ähnliches

Einbrandprofil im Querschliff. Die Abb. 3 stellt im Vergleich dar,

wie sich die unterschiedliche Leistungseinbringung u. a. auf die

Lichtbogensäule auswirkt.

In Abb. 3 ist ersichtlich, dass die Stromstärke und die Frequenz

der Leistungsmodulation u. a. Einfluss auf die Lichtbogenge-

stalt haben. So kommt es bei der höheren Wechselfrequenz im

hinteren Bereich des Pulses zu einem Kontrahieren des Lichtbo-

gens und somit zu einer Änderung des Wirkungsfeldes auf das

Schmelzbad („Brennfleck“). Weiterhin ist zu beobachten, das der

sich ablösende Tropfen durch die Kontraktion der Lichtbogen-

säule in Richtung Werkstück beschleunigt wird (Fall b). Es ist an-

zunehmen, dass sich hier eine Grenze der Einflussnahme ergibt,

da die gewollte Anre-

gung der Schmelzbad-

schwingung durch den

Lichtbogen hier u. U.

durch den vergrößer-

ten mechanischen Im-

puls beim Auftreffen

des Tropfens wieder

verringert wird. Durch

die differenziert einge-

brachten Energiebeträ-

ge entstehen somit sehr

unterschiedliche Gefü-

gestrukturen (Abb. 4).

In der Abb. 4 stellt sich eine teilweise deutliche Unterscheidung

in der ausgebildeten Struktur dar. Auf der rechten Abbildung

(Fall b) ist im Gegensatz zur linken Abbildung (Fall a) eine we-

sentlich gröbere gerichtete Struktur zu erkennen. Dieses deutet

darauf hin, dass hier die Wärmeableitung aus der Schmelze in

den Grundwerkstoff behindert ist und sich ein gröberes Gefüge

ausbildet. Im Fall a) hingegen kommt es zu einem schnelleren

Abkühlen des Werkstoffs und somit zu gleichmäßiger ungerich-

teter Erstarrung mit einem feinkörnigeren Gefüge.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Abb. 2: Pulsform mit den Energieeinträgen für die unterschiedlichen Prozessphasen

Abb. 3: Nahtausbildung, Strom-Spannungsverläufe und Lichtbogenaufnahmen für zwei impulsmodulierte

Pulsformen: a) mittlere Pulse, b) hohe Pulse

Tab. 1: Parameterzusammenstellung für die Pulsformen: a) mittlere Pulse, b) hohe Pulse

Page 25: ZWISCHENBERICHT II

48 49

Literaturverzeichnis:

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Halle

Hinsichtlich der Auswertung der Schweißproben wurden ne-

ben den lichtmikroskopischen Analysen zusätzlich EBSD-Ana-

lysen zur Bestimmung der Phasenorientierung und -größe im

Schweißgut durchgeführt. Hierbei erfolgt die Charakterisierung

der Orientierung der Phasen über die spezifischen Gitterebenen

der Kristallstruktur der Werkstoffe. Die folgenden Abb. 5 zeigt

dies anhand der durchgeführten Analysen, jeweils an charakte-

ristischen Stellen aus der Nahtmitte.

Abb. 4: Gefügestrukturen, Werkstoff X6CrNiTi18-10, Zusatz: X5CrNiNb19-9, Pro-

zessparameter siehe Tab. 1: a) mittlere Pulse, b) hohe Pulse

Abb. 5: Gefügeorientierung, Werkstoff X6CrNiTi18-10, Zusatz: X5CrNiNb19-9,

Prozessparameter siehe Tab. 1: a) mittlere Pulse, b) hohe Pulse

Wie der Abb. 5 zu entnehmen ist, resultiert infolge der Variati-

on der elektrischen Leistung eine teils deutliche Unterscheidung

der Orientierung der Kristalle bzw. ihrer Größe. Im Fall a) ist er-

sichtlich, dass die Kristalle wesentlich kleiner sind und keine Vor-

zugsorientierung der Erstarrung besitzen, dies deutet auf eine

ungerichtete gleichmäßige Erstarrung hin. Im Gegensatz dazu

deuten die wesentlich größeren monochromatischen Flächen

der rechten Abbildung (Fall b) auf eine Vorzugswachstumsrich-

tung der Kristalle, d.h. es bilden sich wenigere, aber größere und

stark orientierte Kristalle aus, die zu einer wesentlichen Vergrö-

berung des Gefüges führen. Die Modulation der eingebrachten

elektrischen Energie ermöglicht somit die Einflussnahme auf die

Erstarrungsbedingungen. Festzustellen ist, dass sich die Erstar-

rung (und das sich einstellende Gefüge) durch eine gute Wahl

des Impulsstroms, sowie der Impulsbreite und -anzahl auch bei

den Blindnahtschweißungen beeinflussen lässt.

Erste Voruntersuchungen zum Verbindungsschweißen sind an

CrNi-Güten und verschiedenen Aluminiumlegierungen (AW

6082, AW 7082) bereits erfolgt und befinden sich momentan

in der Auswertung. Die Korrelation von elektrischen Daten und

Hochgeschwindigkeitsaufnahmen wird beim Verbindungs-

schweißungen erschwert, da das Schmelzbad ein größeres Vo-

lumen als bei der Einzelpulsschweißung besitzt und somit verän-

derte Wärmeabfuhrbedingungen durch die Blechdicke und die

Stoßgeometrie die Folge sind. Die Separierung der Einflüsse der

Pulsform gestaltet sich hierdurch aufwendiger (speziell die visu-

elle Erfassung des Schmelzbades), wird aber eine zentrale Rolle

einnehmen, um Korrelation zwischen den metallurgischen Fak-

toren des Werkstoffs und den physikalischen Effekten aus dem

Prozess zu ermöglichen.

4. Nächste Schritte

Nachdem die grundsätzliche Möglichkeit der Erstarrungsbeein-

flussung beim MSG-Schweißen durch die Leistungsmodulation

nachgewiesen wurde, soll überprüft werden, welche Möglich-

keiten sich hierdurch bieten. Hierzu erfolgen zunächst systema-

tische Untersuchungen an artgleichen Verbindungsschweißun-

gen und später an Mischverbindungen. Die bereits angeführte

Heißrissproblematik bzw. die Bildung intermetallischer Phasen in

Mischverbindungen sollen durch den modulierbaren Wärmeein-

trag verhindert bzw. vermindert werden. Hierzu soll untersucht

werden, inwieweit eine Schmelzbadbeeinflussung durch das

MSG-Impulslichtbogenschweißen bei größeren Schmelzbadvo-

lumina möglich und sinnvoll ist. Ziel ist es hierbei, Richtlinien für

Pulsformen zu erarbeiten, die eine derart angepasste Wärmere-

gulierung erlauben, so dass die o. g. Probleme anwendungsrele-

vant gelöst werden können.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Page 26: ZWISCHENBERICHT II

50 51

Argon voraus [Gle05] [Low97] [Sch06]. In [Coo07] wurden be-

reits Strömungsprofile durch CFD-Simulation berechnet um die

Ausbreitung von Schweißrauchen zu simulieren. Der Lichtbo-

gen ist hier allerdings stark vereinfacht abgebildet und wird auf

seine thermische Wirkung reduziert. Im Projekt soll in Zusam-

menarbeit mit den Projekten G4 und G5 ein Modell entwickelt

werden, welches die Entstehung turbulenter Strömungsprofile

durch die Geometrie des Schweißbrenners, die Beeinflussung

der Strömung durch den Lichtbogen und temperaturabhängige

Diffusionsprozesse abbilden kann.

Für die Überprüfung der Aussagefähigkeit der numerischen Mo-

delle ist es notwendig, die Ergebnisse experimentell zu validie-

ren. Zur Bestimmung von Strömungsfeldern können partikelba-

sierte Verfahren wie die Laser Doppler Anemometrie (LDA) oder

die Partikel Image Velocimetry (PIV) verwendet werden. Durch

Zschetzsche [Füs05, Zsc07] wurde die PIV bereits zur Analyse

der Schutzgasströmung beim MSG-Schweißen angewendet.

Auf Grund der damaligen Anlagentechnik war es allerdings nur

möglich, Einzelbilder im einstelligen Hz-Bereich auszuwerten.

Im Projekt wird die Versuchsmethodik aufgegriffen und weiter-

entwickelt, so dass die Erstellung kontinuierlicher, örtlich und

zeitlich hochaufgelöster Berechnungen von Strömungsfeldern

ermöglicht wird.

Eine weitere diagnostische Möglichkeit der Strömungsvisuali-

sierung bietet die Schlierentechnik. Zur Analyse von Lichtbo-

genprozessen wird die Schlierentechnik bisher jedoch nur sehr

eingeschränkt eingesetzt, u. a. zur Strömungsvisualisierung

beim Plasmaschneiden [Set98]. Vereinzelte Arbeiten aus den Be-

reichen des Lichtbogenschweißens beziehen sich auf Grund der

überblendenden Lichtbogenstrahlung entweder auf die Unter-

suchung von Brennern ohne Lichtbogen bzw. WIG-Prozesse in

niedrigen Leistungsbereichen. Im Projekt soll das Verfahren für

die Anwendung an MSG-Schweißprozessen weiterentwickelt

werden.

Neben den Methoden der Strömungsvisualisierung wird mit Hil-

fe der Sauerstoffmessung unter Nutzung des Lambda-Sonden-

Verfahrens der Verunreinigungsgrad des Schutzgases gemessen.

2. Arbeitsbericht

2.1 Diagnostik

Zur experimentellen Strömungsanalyse und zur Validierung des

Simulationsmodells werden die Diagnoseverfahren PIV, Schlie-

rentechnik und Sauerstoffmessung verwendet und weiterent-

wickelt. Der Sauerstoffgehalt am Werkstück wird durch die

Anwendung des Lambda-Sonden-Verfahrens gemessen. Der

Aufbau und die Erprobung des Versuchsstandes wurden bereits

im ersten Projektjahr realisiert [Dre09]. Im vergangenen Bearbei-

tungszeitraum wurden verschiedene kommerzielle Brennersys-

teme vermessen. Die Qualität der Schutzgasabdeckung wurde

Projekt A3

Strömungstechnische Auslegung von Brenner-systemen zum wirtschaftlichen und emissions-reduzierten Lichtbogenschweißen

U. Füssel, M. Dreher, M. Schnick

Technische Universität Dresden, Institut für Oberflächen- und

Fertigungstechnik, Professur Fügetechnik und Montage

1. Einführung

Bei der Anwendung des MSG-Prozesses wird ein definierter, re-

produzierbarer Prozess angestrebt. Besonders beim Schweißen

von hochlegierten Stählen, Aluminium, Titan oder Mischverbin-

dungen ist hierzu eine gute Schutzgasabdeckung zu gewähr-

leisten. Turbulente und instationäre Strömungsmuster führen

jedoch zu einer Vermischung des Schutzgases mit Atmosphä-

rengasen. Die Folgen sind Schweißspritzer, Oxidniederschläge,

Schmauchspuren oder Poren, welche die Wirtschaftlichkeit des

Prozesses auf Grund der aufwändigen Nacharbeit einschränken.

Die bisherige Brennerentwicklung und Auslegung der Schutz-

gasführung beruht vor allem auf der Auswertung von Schweiß-

versuchen. Die Geometrie der Gasführung wird nach Erfahrung

verändert und die Auswirkung dieser Veränderung auf das

Schweißergebnis untersucht. Teilweise werden auch Methoden

der Strömungsanalyse an kalten Brennern angewendet, z. B.

die Schlierentechnik oder das Einbringen von Aerosolen. Hier-

durch können jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse über die

Schutzgasströmung während des Schweißprozesses gewonnen

werden. Es fehlen folglich die Methoden und gesicherten Er-

kenntnisse wie den Anforderungen der Schweißprozesse an die

Schutzgasabdeckung entsprochen werden kann.

Ziel des Projektes ist es, neue Ansätze für die Untersuchung

von Brennersystemen zu entwickeln und Ergebnisse in Konst-

ruktionsprinzipien und Anwendungshinweise für eine effektive

Schutzgasabdeckung zu überführen. Die Entstehung von turbu-

lenten Strömungen durch die Brennergeometrie, deren Auswir-

kung auf die Schutzgasabdeckung am Werkstück und die Ent-

wicklung konstruktiver Lösungen stehen dabei im Mittelpunkt.

Gradierte Strömungsprofile und deren Vorteile für ausgewählte

Anwendungsfälle sollen untersucht werden.

Hierzu werden die neuen Möglichkeiten numerischer und expe-

rimenteller Strömungsanalyse angewendet. Durch die numeri-

sche Simulation ist es möglich komplexe physikalische Zusam-

menhänge örtlich und zeitlich hochaufgelöst zu beschreiben.

Gegenwärtige MSG-Simulationsmodelle beinhalten zwar den

Lichtbogen, das Schmelzbad oder den Tropfenübergang, setzen

dabei aber eine perfekte Schutzgasabdeckung von z.B. 100 %

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

dabei jeweils in Abhängigkeit der Schutzgasmenge und des Ab-

standes zwischen Kontaktrohr und Werkstück ohne Lichtbogen

bestimmt.

Weiterhin erfolgte die Anpassung

des Schlierenversuchstandes hin-

sichtlich der Untersuchung von

MSG-Prozessen. Durch geeigne-

te Kombinationen von Beleuch-

tungsquelle und Filtertechnik ist es

möglich die starke Strahlung des

MSG-Lichtbogens nahezu auszu-

blenden. Der Versuchsstand wurde

durch eine Verfahreinheit erweitert

um dem Werkstoffübergang des

MSG-Prozesses zu entsprechen. Es

wurden Untersuchungen an MSG

Kurz-, Impuls- und Sprühlichtbögen

durchgeführt (Abb. 1).

Für den Aufbau des PIV-Messsys-

tems wurde der prinzipielle Aufbau

von Zschetzsche [Zsc07], bestehend

aus 2 Kameras und 2 Lasersyste-

men, weiterentwickelt. Der Einsatz

einer Hochgeschwindigkeitskamera

und eines synchronisierten, gepuls-

ten Diodenlasers ermöglicht konti-

nuierliche Aufnahmen mit Vektor-

auswertung der Partikelbewegung

von bis zu 40.000 fps. Erste Aufnah-

men an MSG-Impulslichtbögen verdeutlichen die gute Eignung

des Verfahrens zur quantitativen, hochaufgelösten Bewertung

dynamischer Strömungsfelder. Um die Qualität der Messergeb-

nisse weiter zu erhöhen werden derzeit Untersuchungen bezüg-

lich der Optimierung der Lichtschnittoptik durchgeführt.

2.2 Numerische Simulation

In Fortführung der Arbeiten des ersten Bearbeitungsjahres wur-

de die Erprobung verschiedener Turbulenzmodelle sowohl am

6°-Modell als auch am 90°-Modell weiter vertieft und auf LES-

Turbulenzmodelle ausgeweitet. Die Untersuchungen bezüglich

der Eignung verschiedener Turbulenzmodelle konnten abge-

schlossen werden. Unter Berücksichtigung der inneren Brenner-

geometrie wurde die Schutzgasströ-

mung ohne Lichtbogen in Abhängigkeit

verschiedener Schutzgasmengen unter-

sucht. Während die Untersuchungen

der brennerinternen Strömung mit Hilfe

dreidimensionaler Modelle umgesetzt

wurden, erfolgt die Simulation des

Lichtbogeneinflusses an zweidimensio-

nalen Modellen. Dies bewirkt eine er-

hebliche Verminderung der Rechenzei-

ten. Neben dem Einfluss verschiedener

Stromstärken und der Implementierung

der Metallverdampfung wurden erste

Untersuchungen an Impulsprozessen

durchgeführt. Weiterhin wurde die

Qualität der Schutzgasabdeckung in

Abhängigkeit der Gastemperatur, der

Gasdüsentemperatur und der Gasdü-

senposition bewertet. Ebenso wurde

der Einfluss gradierter Strömungsprofile

auf die Schutzgasabdeckung analysiert.

3. Aktuelle Ergebnisse

3.1 Diagnostik

Durch Schlierenaufnahmen und Sauer-

stoffmessungen konnte nachgewiesen

werden, dass für Schweißbrenner eine

kritische Schutzgasmenge existiert, die bei Überschreitung zu einer

deutlichen Verschlechterung der Schutzgasabdeckung führt.

Diese optimale Schutzgasmenge ist von Brenner zu Brenner ver-

schieden. Brennersysteme, die auch bei hohen Schutzgasmen-

gen eine gute Qualität der Schutzgasabdeckung gewährleisten,

zeichnen sich durch große Strömungsquerschnitte aus. Dabei ist

in erster Linie nicht die Länge des Strömungsraumes entschei-

dend, sondern das Volumen. Nur bei ausreichenden Strömungs-

volumen kann eine hinreichend lange Laminarisierungszeit und

die ausreichende Dissipation von Wirbelstrukturen gewährleistet

werden. Besonders nachteilig zeigten sich nicht konzentrische

Abb. 1: MIG-Sprühlichtbogen an Aluminium (links), Metalldampf- und Spritzerbildung nach dem Zünden (mitte)

und Nachweis der Rauchgasabsaugung beim MAG-Sprühlichtbogenschweißen (rechts)

Abb. 2: PIV-Aufnahmen beim MAG-Impulsschweißen

Page 27: ZWISCHENBERICHT II

52 53

Anordnungen von Düsenstock und Schutzgasdüse. Bei der Bren-

nerkonstruktion ist daher darauf zu achten, dass diese Konzen-

trizität auch nach mehreren Schweißzyklen noch gewährleistet

werden kann.

3.2 Numerische Simulation

Die Ergebnisse der numerischen Simulation betreffen zum einen

die Formulierung von Modellanforderungen zur Simulation der

Schutzgasabdeckung beim MSG-Schweißen und zum anderen

konkrete Hinweise für die Brennerkonstruktion sowie Anwen-

dungsempfehlungen. Die Anforderungen an das numerische

Modell unterscheiden sich dahingehend, ob die Schutzgasströ-

mung im Schweißbrenner oder die Wechselwirkung der Gasab-

deckung mit dem Prozess untersucht werden soll.

Die Schutzgasströmung im Schweißbrenner wird durch die

Brennergeometrie und die daraus resultierende Entstehung von

Wirbeln und Turbulenzen dominiert. Die Untersuchungen kön-

nen daher auf eine Kaltgasströmung ohne Lichtbogen reduziert

werden. Es ist jedoch notwendig die Strömungsgeometrie im

Brenner dreidimensional abzubilden (Abb. 3). Die Auswahl ge-

eigneter Turbulenzmodelle richtet sich in erster Linie nach dem

transienten Verhalten der Strömung und der dreidimensionalen

Abbildung des Strömungsraumes. Es kann grundlegend der Ein-

satz von LES basierten Turbulenzmodellen wie DES oder SAS-SST

empfohlen werden.

Zur Untersuchung der Beeinflussung der Schutzgasströmung

durch den Prozess ist es sinnvoll, die komplexe Brennergeometrie

auf ein zweidimensionales Modell zu reduzieren. Diese Vereinfa-

chung beinhaltet die Annahme einer gleichmäßigen Schutzgas-

strömung über den gesamten Brennerumfang. Die Rechenzeiten

können auf diese Weise sehr stark reduziert werden. Da die Wir-

kung des Lichtbogens nicht auf seine thermischen Eigenschaften

reduziert werden kann, muss ein komplexes MHD-Modell ver-

wendet werden. Die Implementierung der Metallverdampfung

[Sch10] an der Drahtspitze bewirkt nach derzeitigem Erkenntnis-

stand (10 l/min Argon, 200 A) keine signifikante Beeinflussung

der Schutzgasabdeckung am Werkstück. Es ist daher auf Grund-

lage der Rechenzeiten zu empfehlen, die Metallverdampfung

zur Beurteilung der Schutzgasabdeckung nicht in das Modell zu

integrieren. Auf Grund der zweidimensionalen Modellgeomet-

rie ist sowohl für stationäre als auch für transiente Prozesse die

Nutzung der RANS Turbulenzmodelle k-Epsilon, k-Omega oder

SST zu empfehlen. Weiterhin konnte nachgewiesen werden,

dass Diffusionsprozesse einen erheblichen Einfluss auf die Quali-

tät der Schutzgasabdeckung haben. Es ist dabei unbedingt not-

wendig, die Diffusion mit Hilfe temperaturabhängiger Werte zu

berücksichtigen.

Im Folgenden werden aus den bisherigen Modelluntersuchun-

gen die ersten Konstruktionshinweise und Anwendungsemp-

fehlungen abgeleitet. Wie bereits bekannt, ist die Verteilung des Schutzgases im oberen Brennerbereich von hoher Bedeutung

für die Schutzgasströmung [Dre09]. Bisherige Brennerkonzepte

realisieren die Anströmung des Gasverteilers im oberen Bren-

nerbereich mit Hilfe einzelner Nuten oder Bohrungen. Der Gas-

verteiler soll diese ungleichmäßige Strömung gleichmäßig über

den Umfang der Schutzgasdüse verteilen. Hierzu wird der Druck

innerhalb des Gasverteilers bewusst gegenüber dem Druck im

Außenbereich angehoben. Dies wird über die Bohrungen im

Verteiler realisiert. In Abhängigkeit von dieser Druckdifferenz

entstehen hohe Strömungsgeschwindigkeiten, welche zu Turbu-

lenzen und Wirbelfeldern führen, die durch den Brenner zum

Werkstück befördert werden und dort die Schutzgasabdeckung

beeinträchtigen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurden in

Zusammenarbeit mit den KMU Konstruktionsvarianten erarbei-

tet, die eine gleichmäßige und weitgehend laminare Schutzgas-

strömung gewährleisten sollen (Abb 4).

Da die Nutzung von Entspannungsnuten im Brennerinnenrohr

(Abb. 4, Variante 1) aus fertigungstechnischer Sicht problema-

tisch ist, wird in nachfolgenden Untersuchungen Variante 2

bevorzugt. Durch einen Sinterring wird das Schutzgas oberhalb

des Gasverteilers gleichmäßig über den Umfang des Brenners

verteilt. Damit wird der Gasverteiler seiner eigentlichen Aufga-

be enthoben, behält als Konstruktionselement aber weiterhin

seine Berechtigung, da er als Spritzerschutz und zum Teil als

notwendiges Isolationsmaterial fungiert. Die Bohrungen kön-

nen jedoch weitaus größer und in vermehrter Anzahl ausgelegt

werden, so dass lediglich eine geringe Beeinflussung der Schutz-

gasströmung zu erwarten ist. Vorangegangene numerische

Untersuchungen bezüglich der Bohrungsgröße im Gasverteiler

bestätigen die Vorteile großer Bohrungen im Hinblick auf die

Schutzgasströmung [Dre09].

Der prinzipielle Einfluss des Lichtbogens auf die Strömung und

die Schutzgasabdeckung wurde bereits in [Dre09] beschrieben.

Zusammenfassen können zwei wesentliche Einflüsse des Licht-

bogens herausgearbeitet werden. Zum einen ist die Beschleuni-

gung des Gases zur Lichtbogenachse auf Grund der hohen Lor-

entzkräfte zu nennen, zum anderen ist auf die Diffusionseffekte

in den langsam strömenden, heißen Randbereichen des Licht-

bogens hinzuweisen. Mit steigenden Stromstärken werden auch

diese Effekte intensiver, so dass die Verschlechterung der Schutz-

gasabdeckung mit höheren Gasmengen kompensiert werden

muss [Dre10]. Vorraussetzung für die Anwendung hoher Gas-

mengen ist jedoch ein Brennerkonzept, welches eine laminare

Strömung im unteren Brennerbereich gewährleistet.

Weiterhin wurde die Schutzgasabdeckung bei Impulsschweiß-

prozessen untersucht (Abb 5). Der Lichtbogen beschleunigt wäh-

rend der ansteigenden Pulsflanke das Gas zur Lichtbogenachse.

Kurz nach dem Strompuls werden Wirbelfelder nach außen

transportiert, die sowohl durch die Schlierentechnik als auch

durch PIV nachweisbar sind. Zusätzlich wird die Qualität der

Schutzgasabdeckung durch Diffusionsprozesse in der Grund-

stromphase reduziert (Abb. 5, Bild 6). Es wird deutlich, dass die

Schutzgasabdeckung keineswegs stationär und gleichmäßig ist,

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

Abb. 3: Vergleich von Messung und Simulation in Abhängigkeit von der Modellgeometrie (GV…Gasverteiler)

Abb. 4: Konstruktionsvarianten für die Gasverteilung im oberen Brennerbereich

Page 28: ZWISCHENBERICHT II

54 55

sondern dass es sich um eine dynamische Strömung handelt, die

sehr von der Pulsform bestimmt wird. Diese Erkenntnisse führen

zu neuen Anforderungen bei der Entwicklung von Pulsregimen

und sollten bei der Anwendung des Impulsschweißens an sen-

siblen Werkstoffen beachtet werden.

Abb. 5: Simulation der Sauerstoffkonzentration und der Temperaturen

beim MSG-Impulsschweißen

Neben unterschiedlichen Stromstärken wurde der Einfluss von

Gastemperatur und Brennertemperatur auf die Schutzgasab-

deckung untersucht [Dre10]. Durch eine Erwärmung des Gases

verstärken sich Diffusionsprozesse erheblich. Zugleich vergrößert

sich das Volumen des Gases, was bei gleichem Massestrom zu hö-

heren Strömungsgeschwindigkeiten führt. Diese beiden Effekte

beeinflussen die Qualität der Schutzgasabdeckung in gegen-

läufiger Weise. Zusammenfassen kann festgestellt werden,

dass die Erwärmung des Schutzgases in den numerischen Un-

tersuchungen nicht zu einer signifikanten Beeinträchtigung der

Schutzgasabdeckung führt. Es ist aber zu beachten, dass bei der

Konstruktion gasgekühlter Systeme die hohen Strömungsge-

schwindigkeiten in Folge der temperaturbedingten Volumenex-

pansion nicht zu turbulenten Strömungsprofilen führen.

Ein weiterer Untersuchungsinhalt bestand in der Positionierung

der Schutzgasdüse. Die Ergebnisse der Simulation zeigen, dass

ein vergrößerter Abstand zwischen Schutzgasdüse und Werk-

stück zu einer Verschlechterung der Schutzgasabdeckung führt

(Abb. 6). Es ist demnach zu empfehlen, den Abstand zwischen

Gasdüse und Werkstück so gering wie möglich zu halten. Kann

dies auf Grund strahlungsintensiver Prozesse nicht gewährleistet

werden, ist ein vergrößerter Abstand mit höheren Schutzgas-

mengen zu kompensieren.

Abb. 6: Sauerstoffgehalt am Werkstück bei Nutzung verschiedener Gasdüsenposi-

tionen, unterschiedlicher Schutzgasmengen und Schweißstromstärken

Abb. 7: Sauerstoffgehalt am Werkstück bei Nutzung verschiedener Geschwindig-

keitsprofile, unterschiedlicher Schutzgasmengen und Schweißstromstärken

Abschließend wurden erste Untersuchungen zur Eignung von

gradierten Strömungsprofilen durchgeführt. Dabei wurden Ge-

schwindigkeitsmaxima zwischen Stromkontaktrohr und Schutz-

gasdüse definiert. In Abb. 7 wird deutlich, dass in jedem Fall

eine kontaktrohrnahe Strömung zu bevorzugen ist. Gerade bei

geringen Stromstärken und hohen Schutzgasmengen ergibt sich

durch diese Beeinflussung der Geschwindigkeitsverteilung die

Möglichkeit Schutzgas einzusparen.

4. Nächste Schritte

In den kommenden Monaten werden Sauerstoffmessungen

durchgeführt, die die Bewertung der Schutzgasabdeckung in

Abhängigkeit von der Geometrie des Gasverteilers ermöglichen.

Weiterhin wird die Auswirkung von Spritzeranhaftungen an der

Innenseite der Schutzgasdüse quantitativ beurteilt. Zur Realisie-

rung einer kontaktrohrnahen Strömung werden Konstruktions-

ansätze ausgearbeitet und numerisch erprobt. Diese Versuche

bilden die Grundlage für konkrete Brennerkonstruktionen, die

im weiteren Verlauf numerisch und mit Hilfe von Demonstrato-

ren experimentell erprobt werden.

Neben den Untersuchungen zur Brennerkonstruktion wer-

den weitere Abhängigkeiten von Prozessparametern und

Schutzgasabdeckung untersucht. Wie im Arbeitsplan vorge-

sehen erfolgt die simulationsgestützte Analyse der Vorschub-

geschwindigkeit, der Brennerstellung, der Stoßart und der

Schweißposition. Ziel ist es die Einflüsse der genannten Faktoren

auf die Schutzgasabdeckung zu bewerten und Hinweise für die

angepasste Brennerkonstruktion sowie Empfehlungen für die

Anwendung zu geben.

G1

G2

G3

G4

G5

A1

A3

A4

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TU Dresden, 2006

[Zsc07] J. Zschetzsche, Diagnostik von Schutzgasschweiß-

prozessen. Dissertation, Technische Universität Dresden,

Verlag der Wissenschaften, Dresden, 2007 ISBN 13 978-3-

940046-33-8

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Projekt A4

Entwicklung einer ereignisorientierten Rege-lung auf Basis der inversen Modellierung zur robusten Prozessführung komplexer MSG-Im-pulsschweißprozesse

U. Reisgen1, G. Buchholz1, K. Willms1, M. Beckers1, J. Kruscha2 1 Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, RWTH-Aachen

2 Institut für inverse Modellierung, Fachbereich Informatik-Elektrotechnik-

Maschinenbau (IEM),Hochschule Lausitz

1. Einführung

Das Ziel des anwendungsbezogenen Forschungsvorhabens A4

ist die Weiterentwicklung des zeitgesteuerten Impulsprozesses

zu einem ereignisgesteuerten MSG-Prozess, bei dem jede einzel-

ne Prozessphase optimiert wird und so über ein zeitliches Mittel

ein stabiler Arbeitspunkt des Prozesses bereitge-stellt wird. Dies

soll durch die Detektion und Evaluierung von schweißtechnisch-

physikalischen Lichtbogen-

effekten, Prozessereignissen

und Prozessphasenzustän-

den erfolgen, welche die bei-

den Prozesshauptsegmente

„Grundphase“ und „Puls-

phase“ definieren und klassi-

fizieren. Auf der Basis dieser

Detektion soll eine entspre-

chende Regelung entwickelt

werden, welche nicht einem

starren Strom/Spannungs-

Zeitverhalten folgt, sondern

ereignisgesteuert, dynamisch

und modellgestützt arbeitet

und dadurch einen kurz-

schlussfreien, in seinen Qua-

litäten definierbaren Prozess

ermöglicht. Der Schwerpunkt

der Arbeiten zielte zunächst

auf die Detektion von rele-

vanten Prozessereignissen und Systemzuständen mittels interner

Sensorik, d.h. Erfassung und Auswertung des Strom- und Span-

nungsverlaufs, zur Beurteilung der aktuellen Prozesssituation.

Hierzu wurde unter Nutzung einer geeigneten Messsensorik im

ersten Antragszeitraum eine umfangreiche Datenbasis in Form

von synchronisierten Zeitreihen erstellt, die die Basis für eine

explorative Datenanalyse bilden. Neben der Aufzeichnung von

den das Systemverhalten charakterisierenden primären Prozess-

größen Schweißstrom und –spannung erfolgte die Erfassung

und Dokumentation des Massentransportes, d. h. der Tropfen-

bildung und Tropfenablösung, in Form von synchronisierten

Hochgeschwindigkeitsaufnahmen. Weiterhin wurden Module

zur Signalvorverarbeitung (Glättungsalgorithmen, Berechnung

der Ableitungen etc.) realisiert. Diese bilden die Basis für eine

differenzierte, auf eine Modellbildung hin ausgelegte Analyse.

Schließlich wurden Methoden zur automatisierten Bildbearbei-

tung von Hochgeschwindigkeitskameraaufnahmen entwickelt,

wodurch die Voraussetzungen für eine integrierte Bild- und Zeit-

reiheninformationsverarbeitung durch eine Zusammenführung

mit den elektrischen und optischen Informationen geschaffen

wurde.

2. Arbeitsbericht

In Abbildung 1 ist das angestrebte grundlegende Konzept zur

Entwicklung und Realisierung einer ereignisorientierten Rege-

lung von MSG-Impulsschweißprozessen dargestellt. Als globale

Zielvorgaben für die Regelung sind applikationsspezifische Grö-

ßen wie Abschmelzleistung und benötigter Energieumsatz vor-

gesehen. Als Störgrößen, die die Prozessstabilität beeinträchti-

gen sind im Wesentlichen

die Einflüsse, wie Be-

schichtung, Gravitation

und Abstandsänderun-

gen aufgeführt. Zwin-

gende Voraussetzung

für die Realisierung eines

derartigen Lösungsan-

satzes ist jedoch die De-

tektion von relevanten

Prozessereignissen und

Systemzuständen mittels

interner Sensorik, d.h.

Erfassung und Auswer-

tung des Strom- und

Spannungsverlaufs, zur

Beurteilung der aktuellen

Prozesssituation. Neben

der Bereitstellung von In-

formation über relevante

Prozessereignisse soll fer-

ner auf der Basis der internen Sensorik eine Stabilitätsanalyse

und bewertung für den jeweiligen Energie- und Massenumsatz

durchgeführt werden. Bei eventuell aufgrund der Störgrößen

auftretenden Instabilitäten soll der Impulsschweißprozess dann

mittels einer modellbasierten Adaption der Pulsparameter wie-

der in einen stabilen Zustand geführt werden. Die Entwicklung

und Realisierung einer derartigen Prozessregelung zielt auf ei-

nen verbesserten Impulsschweißprozess, der, trotz Störeinflüsse,

in jeder Prozessphase ein optimiertes Verhalten hinsichtlich der

Tropfenbildung und des Tropfenübergangs aufweist, sodass

für den Endanwender nach erfolgreichem Abschluss des For-

schungsprojektes ein technologisch, wirtschaftlich attraktives

MSG-Verfahren zur Verfügung steht.

3. Aktuelle Ergebnisse

Ein wichtiges Ergebnis der ersten Arbeiten zeigte, dass aus dem

Spannungsverlauf eine Detektion des Ereignisses „Tropfenüber-

gang“ aus den transienten primären elektrischen Prozessgrößen

möglich ist. Die hierzu durchgeführten Untersuchungen erfolg-

ten mit Hilfe typischer, industrierelevanter Schweißzusatzwerk-

stoffe. So wurde als Schweißzusatzdraht ein G4Si1 mit 1 mm

Durchmesser unter der Verwendung eines argonreichen Misch-

gases mit 18% CO2 und 82% Argon verschweißt. Diese Ereignis-

detektion liefert in Kombination mit der aktuellen elektrischen

Leistung maßgeblich Informationen über die Gleichmäßigkeit

und die Qualität des Massentransportes. Durch die Korrelation

der Daten und Hochgeschwindigkeitsaufnahmen konnte sowohl

bei der U/I als auch I/I-Modulation der Zeitpunkt der Tropfenab-

lösung im Spannungssignal als kurzzeitige Spannungserhöhung

eindeutig detektiert werden (Bild 2). Verantwortlich für die Sig-

naländerung bei der Tropfenablösung ist eine Widerstandserhö-

hung aufgrund der Änderung der Plasmazusammensetzung als

auch der geometrischen Veränderungen am Schweißdrahtende.

Abb. 2: Detektion Tropfenübergang bei I/I-Modulation

Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurden im letzten Antrags-

zeitraum weitergehende Arbeiten zur Entwicklung eines Algo-

rithmus zur Detektion des Tropfenüberganges und zur Charak-

terisierung der Tropfeneigenschaften durchgeführt.

Zur Detektion des Zeitpunktes des Tropfenüberganges kommt

bei diesem Algorithmus eine spezielle Filtermethode zum Ein-

satz. Hierbei wird das Spannungssignal einer Tiefpassfilterung

mit Besselfiltern zwei verschiedener Frequenzen unterzogen.

Für die erste Filterung wurde eine Frequenz in der Größenord-

nung von einer Zehnerpotenz, und für die zweite Filterung in

der Größenordnung um zwei Zehnerpotenzen höher als die

Pulsfrequenz gewählt. Anschließend erfolgt eine mathematische

Kompensation der filterbedingten Phasenverschiebung für die

gefilterten Signalverläufe. Zum Abschluss wird die Differenz der

beiden Signalverläufe gebildet und in einem definierten Bereich

des Pulsverlaufs das Maximum, das der charakteristischen Span-

nungsänderung entspricht, ermittelt.

Abb. 3: Visualisierung der Funktion des Algorithmus zur Tropfendetektion

Der Algorithmus wurde dann entsprechend dieser Vorgehens-

weise in Form eines Programmscriptes realisiert und hinsicht-

lich der Funktion validiert. Zur Validierung wird die Position des

Tropfenüber-ganges algorithmisch ermittelt, im Spannungsver-

lauf markiert und die der Position zugehörige Hochgeschwindig-

keitsaufnahme dargestellt. Abbildung 3 zeigt die Visualisierung

zur Funktionsüberprüfung des Algorithmus. Der entwickelte

Algorithmus erzielte bei den untersuchten Spannungsverläufen

eine sehr gute Trefferquote.

Nachdem die Detektion des Ereignisses „Tropfenübergang“ mit

Hilfe einer algorithmischen Betrachtung des Spannungsverlaufs

hinreichend sicher gewährleistet ist, bietet sich nun die Möglich-

keit ein neues Zeitintervall zur Bestimmung der periodisch um-

gesetzten Energie zu definieren. Während sich der Zeitbereich

beim konventionell betrachteten Pulsverlauf von Pulsende bis

zum nächsten Pulsende erstreckt, definiert sich der durch die

Tropfenablösung ereignisbestimmte Zeitbereich von der jeweils

detektierten Tropfenablösung bis zur nächsten detektierten

Tropfenablösung.

In Abbildung 4 sind die beiden unterschiedlichen Betrachtungs-

zeiträume und die in diesen Zeiträumen umgesetzte elektrische

Energie dargestellt. Bei der konventionellen Betrachtungswei-

se, d h. von Pulsende zu Pulsende (links), weist die berechnete

elektrischen Energie nur minimale Abweichungen von Puls zu

Puls auf. Dagegen treten bei den durch die Tropfenablösungen

definierten Intervalle z. T. erhebliche Unterschiede in einer Grö-

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Abb. 1: Lösungskonzept für die Entwicklung einer ereignisorientierten Regelung

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ßenordnung von bis zu zehn Prozent in den für die jeweiligen

Zeiträume von Tropfenablösung zu Tropfenablösung bestimm-

ten Energien auf. Inwieweit sich diese Energiedifferenzen auf

die Tropfeneigenschaften auswirken, war Inhalt nachfolgender

Untersuchungen. Ferner wurde auch untersucht, wie sich aus

dem Strom-/Spannungsverlauf weitere Informationen hinsicht-

lich der Tropfeneigenschaften gewinnen lassen können, um

letztlich auf der Basis der detektierten Ereignisse eine Regelung

des Impulsschweißprozesses bezüglich der Energieeinbringung

und des Massentransportes zu realisieren.

Abb. 4: Energiebetrachtungen beim zeitbestimmten

und prozessbestimmten Pulsverlauf

In Untersuchungen der TU Delft wurde festgestellt, dass ein Zu-

sammenhang zwischen der Tropfengröße und der Schwingung

des Tropfens bei der Tropfenbildung am Drahtende besteht

[Yud06] [Yud08]. Bei den Untersuchungen wurde die Tropfen-

größe als auch die Tropfenschwingung mittels Hochgeschwin-

digkeitsaufnahmen bestimmt. Als typische Tropfenschwingungs-

frequenz wurde ein Frequenzbereich von 300-400 Hz ermittelt,

wobei mit der Vergrößerung des Tropfens eine Verringerung der

Tropfenschwingungsfrequenz beobachtet wurde. Außerdem

wurde vermutet, dass beim Impulsschweißprozess die Schwin-

gung des Tropfens mit einer beobachtbaren Schwingung des

Spannungsverlaufs in der Grundphase übereinstimmt. Auf Basis

diese Ergebnisse wurden im Projekt A4 weitergehende Untersu-

chungen zur Detektion der Tropfenschwingung mittels Auswer-

tung des Spannungssignals durchgeführt. Hierzu wurde aus den

Hochgeschwindigkeitsaufnahmen die Schwingung des Tropfens

am Drahtende während der Grundphase ermittelt.

Abb. 5: Ermittlung der Tropfenschwingung

aus den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen

Abbildung 5 zeigt die Vorgehensweise zur Bestimmung der

Tropfenschwingung. Hierbei wurde als Maß für die Tropfen-

schwingung aus jeder Hochgeschwindigkeitsaufnahme die Län-

ge des freien Drahtendes (senkrechter grüner Balken) bestimmt

und anhand des bekannten Drahtdurchmessers (waagerechter

grüner Balken) skaliert. Aus den ermittelten freien Drahtlängen

wurde dann eine Zeitreihe generiert. Um hier eine hinreichend

genaue zeitliche Auflösung des Tropfenschwingungsverhaltens

zu erreichen, wurden die Hochgeschwindigkeitsaufnahmen mit

einer Bildrate von 20000 Bildern pro Sekunde durchgeführt.

Abb. 6: Korrelation der Tropfenschwingung (schwarze Kurve)

mit dem Signalverlauf der Spannung (rot Kurve))

Die obere Grafik in der Abbildung 6 zeigt die Korrelation der

Zeitreihe der Längenänderung des freien Drahtendes (schwarze

Kurve), mit dem Spannungssignalverlauf (rote Kurve). Hier ist zu

erkennen, dass die Zeitreihe der Länge des freien Drahtendes

über der Grundphase aufgrund des konstanten Drahtvorschu-

bes zunimmt und mit einer periodischen Schwingung, welche

aus der Tropfenbewegung resultiert, überlagert ist. Aufgrund

der in der Grundphase vorliegenden Konstantstromcharakte-

ristik fällt das Spannungssignal bedingt durch die Reduzierung

der Lichtbogenlänge zum Ende der Grundphase hin ab. In der

unteren Grafik ist zum Vergleich der Schwingungen des Tropfens

und der zyklischen Schwankungen des Spannungsverlaufs der

Bereich der Grundphase vergrößert dargestellt. Um die Über-

einstimmung der Tropfenschwingung mit der Schwingung im

Spannungssignalverlauf in der Grundphase zu verdeutlichen,

wurde die Zeitreihe der Längenänderung des Drahtendes auf

geeignete Art und Weise auf bearbeitet. Zunächst wurde der

in der konstanten Drahtförderung begründete Trend entfernt,

anschließend wurde das Signal invertiert, so dass nun eine Be-

wegung des Tropfens zum Werkstück hin einen fallenden Ver-

lauf ergibt und die rückführende Bewegung einen steigenden.

Unter der Annahme, dass in der Grundphase keine ausgeprägten

Schmelzbadschwingungen senkrecht zur Werkstückoberfläche

vorliegen, bewirkt die Tropfenbewegung die entscheidenden

Geometrieänderungen des Lichtbogens, welche sich bei der

vorliegenden Konstantstromcharakteristik im Spannungsverlauf

niederschlägt. Die untere Darstellung in Abbildung 6 zeigt somit

die Übereinstimmung der Tropfenschwingung mit dem Span-

nungssignalverlauf auf. Über einen geeigneten Algorithmus

könnte somit die Tropfenschwingung rein über die Schwingung

der Spannung in der Grundphase detektiert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten im letzten Antragszeit-

raum beschäftigte sich mit der Charakterisierung der Tropfenei-

genschaften. In ersten Untersuchungen wurde der Einfluss der

Energieeinbringung auf die Größe des Tropfens analysiert. Hier-

bei wurden bei unterschiedlichen Prozesseinstellungen synchron

zu den transienten Strom-/Spannungsdaten Hochgeschwindig-

keitsaufnahmen aufgenommen.

Abb. 7: Ermittlung der Tropfengröße aus den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen

Aus den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen wurde mittels Bild-

verarbeitung während der Flugbahn des Tropfens mehrfach die

Fläche als Maß für Größe des Tropfens bestimmt. Zwar haben

wir es bei Aufnahmen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera

nur mit einer zweidimensionalen Projektion des Tropfens zu

tun, aber da der Tropfen während seiner Flugbahn rotiert und

laufend seine Form ändert, bildet der Mittelwert von mehreren

Flächenbestimmungen einen guten Näherungswert. Zusätzlich

ist auch die Bestimmung der Flugrichtung und Geschwindigkeit

des Tropfens möglich. In Abbildung 7 ist in der Hochgeschwin-

digkeitsaufnahme der Tropfen mit der ermittelten Kontur dar-

gestellt. Die Fläche des Tropfens wird durch die Anzahl der Bild-

punkte repräsentiert. Es ist aber auch durch eine Kalibrierung

eine Berechnung der projizierten Fläche (Tropfenprofil) möglich.

Durch eine statistische Auswertung der einzelnen Bilder der

Tropfenflugphase kann somit ein Ersatzradius bestimmt werden,

über den ein ungefähres Tropfenvolumen berechnet werden

kann.

Abb. 8: Tropfengröße bei zwei verschiedenen Prozesseinstellungen

Abbildung 8 dokumentiert die ermittelten Tropfengrößen für die

jeweiligen Pulsphasen bei zwei verschiedenen Prozesseinstellun-

gen. Die Grafik verdeutlicht, dass sich bei dem Prozess mit der

höheren Energieeinbringung tendenziell auch größere Tropfen

ergeben. Für eine exaktere Aussage muss für beide Prozesse

jedoch jeweils der Zeitpunkt des Tropfenüberganges bestimmt

und eine dementsprechende Tropfenintervallenergie berechnet

werden.

Weitergehende Untersuchungen zur Charakterisierung der Trop-

feneigenschaften wurden gemeinsam mit dem INP in Greifs-

wald durchgeführt. Ziel dieser Arbeiten ist die Bestimmung der

Größe und der Temperatur des Tropfens, in Abhängigkeit von

der eingebrachten Energie zwischen den detektierten Tropfen-

übergängen. Ferner wird anhand von Makroschliffen und Naht-

vermessungen die Nahtgeometrie und die Einbrandverhältnisse

analysiert.

Der dazu genutzte Messaufbau und ein Beispiel für die Mess-

ergebnisse sind in der Abbildung 9 dargestellt. Hierbei wird der

Schweißprozess mit zwei Hochgeschwindigkeitskameras aus

verschiedenen Positionen, zur Bestimmung der Tropfengröße,

aufgenommen. Ferner erfolgt die Erfassung der spektralen Emis-

sion mittels zweier Spektrometer, wobei eins in vertikaler und

das andere in waagerechter Richtung zum Lichtbogen ausgerich-

tet ist. Letztlich werden synchron die Strom-/Spannungsverläufe

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gemessen. Bei dieser ersten Versuchsreihe wurden seitens der

Einstellparameter der Schweißstromquelle die Drahtvorschubge-

schwindigkeit sowie die Pulsfrequenz konstant gehalten und der

Grundstrom variiert, wodurch bei gleichem idealisiertem Mas-

sentransport unterschiedliche elektrische Leistungen umgesetzt

werden. Die genaue Bilanzierung dieser elektrischen Leistungen

gestaltet sich schwierig. Durch die Bestimmung der Lichtbogen-

länge und –form, der Temperatur des Tropfens, und damit seiner

ungefähren inneren Energie, und den Einbrandverhältnissen im

Werkstück können Tendenzen identifiziert werden, wie sich die

eingebrachte Energie in einem Tropfenintervall auf die Untersys-

teme Tropfen, Lichtbogen und Schmelzbad aufteilt. Die Auswer-

tung und Analyse der Messdaten werden zur Zeit durchgeführt.

4. Nächste Schritte

Zurzeit wird der analytisch entwickelte Algorithmus zur Detek-

tion des Tropfenüberganges in das LabView-Realtimesystem

implementiert und am realen Prozess getestet. Ein wichti-

ger Arbeitspunkt beschäftigt sich mit der Entwicklung eines

Algorithmus für die Detektion der Tropfenschwingung aus dem

Spannungssignal in der Grundphase, der die Echtzeitanforde-

rungen erfüllt. Weiterhin werden die Messdaten der Untersu-

chungen der Tropfeneigenschaften hinsichtlich der Korrelation

mit der Energiebilanz und Tropfenschwingung ausgewertet und

validiert. In diesem Bereich sind weitere Untersuchungen mit an-

deren Einstellparametern vorgesehen.

Abb. 9: Gemeinsamer Messaufbau und Messergebnisse der Untersuchungen am INP Greifswald

Literaturverzeichnis

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Ouden; I.M. Richardson, Pendant droplet oscillation during

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[Yud08] Yudodibroto, B.Y.B.; M.J.M. Hermans; G. den Ouden; I.M.

Richardson, Observations on droplet and arc behavior during

Pulsed GMAW, IIW doc.212-1125-08, 2008

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