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CHF 7.– #19 Juni 2010 SUTTER / WM 54 / HITZFELD / GENUA / WETTEN 80 SEITEN WM-SPECIAL ES WERDE WM!

ZWOELF 19 Es werde WM

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Die Schweiz und Alain Sutter / Porträt eines verhinderten Helden War die Euphorie immer so riesig? / Zeitzeugen der WM 1954 erinnern sich «Ich bin nicht erfolgsbesessen» / Ottmar Hitzfeld über sein Erfolgsgeheimnis Helden für ein Turnier / Die WM-Eintagsfliegen Weshalb scheitert England erneut? Unser Mann in London über WAGs Wer macht mit der WM wirklich Kohle? Das Geschäft mit den Fussballwetten

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CHF 7.– #19Juni 2010

sutter / wm 54 / Hitzfeld / genua / wetten

80 seiten wm-special

es werde wm!

S.14

6 Planet Constantin: Der Walliser Sonnenkönig im O-Ton

6 Wie gesagt, äh…: Fussballer reden

7 Die Single: Abgründiges zur WM-Kampagne 1990

8 Die Liste: Helden für ein Turnier – die WM-Eintagsf liegen

8 Das Fundstück: Nati-Gläser

10 Mämä erklärt: Die Copy/Paste-WM

12 WeLtMeiSterSChaFt Die antWorten auF Die WiChtigSten Fragen

14 Wieso liebt die Schweiz alain Sutter nicht mehr? Porträt eines verhinderten Nationalhelden

24 Wie spielt es sich gegen Barnetta? Ex-Fussballprof i Roger Stilz über seine erste Begegnung mit dem Nati-Stürmer

26 Wer macht mit der WM wirklich Kohle? Das seltsame Geschäft mit den Fussballwetten – ein Insider erzählt

32 War die euphorie immer so riesig? Zeitzeugen der WM 1954 erinnern sich

40 Warum sind Sie immer so kontrolliert, herr hitzfeld? Der Naticoach im Interview

46 Wer wird Weltmeister? Der exklusive Rückblick auf die WM 2010

52 Wo schlägt das herz des italienischen Fussballs? Zu Besuch bei Marco Padalino und Reto Ziegler in Genua

62 Wer beschützt unsere nati in Südafrika? Ein Augenschein bei der Elite-Truppe

64 Wann darf der Kosovo an die WM? St. Gallens Kristian Nushi über sein erstes Länderspiel

71 Wer ist der Schönste im Panini-Land? Die Gallerie des Schreckens

73 Was machen Weahs erben? Fussballförderprojekt in Liberia

74 Weshalb scheitert england erneut? Unser Mann in London über die englischen Spielerfrauen

76 Schwarzes Brett: Fussball für die Einkaufstüte

78 ZWÖLF war dabei: Diego Maradonas Tagebuch

79 Smalltalk und impressum

S.52

S.26

S.71

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rubrik

wm 1930 uruguayWeil die Südamerikaner für ihre Freudenschüsse bekannt waren, liess der Finalschieds-richter Langenus (Belgien) die Zuschauer beim Eingang auf Waffen durchsuchen. Die Polizei beschlagnahmte 1600 Schusswaffen. Daraufhin ver-langte das Schiedsrichtertrio Personenschutz.

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rubrik

«das geheimnis des fussballs ist ja der ball» uwe seeler

die fussball-weltmeisterschaft. es gibt nichts grösseres, nichts traditionsreicheres. und nichts schöneres. seit 80 Jahren kämpft die welt alle vier Jahre um diesen einen ball, der sich im laufe der zeit mindestens ebenso verändert hat wie das spiel selbst. der fotograf Jens Heilmann hat alle ledernen protagonisten früherer turniere porträ-tiert; gepaart mit illustrationen aus dem buch «fussballhelden gold» sowie lach- und Sachgeschichten jeder Austragung, sorgen sie für nostalgisch-verklärte Backflashs,die euch auf den folgenden seiten durch unsere wm-ausgabe begleiten.

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alain sutter

ein bisschen zu weich

Raststätte Würenlos. Hier will er re-den. Ein Restaurant, nein, ein Raum-

schiff, schwebend über einer sechsspurigen Autobahn. Einer jener Orte, wo alle schon wieder weitergehen, wenn sie angekom-men sind. Wo niemand etwas anderes will als Most oder Zigis. Wo sich keiner um-dreht nach einem wie ihm, weil auch drin-nen noch die Regeln von draussen gelten: Sei schnell und schaue niemals zurück.

Das passt zu ihm: dass er sich dort am wohlsten fühlt, wo er unerkannt bleibt. 20 Minuten vor dem vereinbarten Termin hat er sich hinter einem Zeitungsständer im Kiosk verschanzt, fährt mit der Hand unentschlossen über die Magazine und späht zwischendurch zum Souvenirshop hinüber. Natürlich, die Gefahr, entdeckt zu werden, ist hier kleiner als in einer Sze-nebeiz. Aber Alain Sutter geht lieber auf Nummer sicher.

Dazu passt auch der Zehntagebart. Man erkennt Alain Sutter kaum. Nur die Augen sind so blau wie immer. Er neigt den Kopf zur Seite, dann holt er

Luft. Nein, er verstecke sich nicht, habe nichts zu verbergen. Er rasiere sich einfach ungern. Deswegen trage er jetzt halt einen Bart.

Und weil Alain Sutter jeden Zweifel ausräumen will, dass man das jetzt auch wirklich verstanden hat, sagt er es noch ein zweites Mal, mit einer neuen Satzstellung. Ein Missverständnis also, ein weiteres.

Aber darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an. Die Schweiz hat diesen Alain Sut-ter ohnehin noch nie verstanden. Sicher, sie hat ihn geliebt, heisser als je einen anderen Fussballer. Aber was hat Sutter gemacht? Er hat die Liebe verschmäht, ist abgehauen, un-tergetaucht, desertiert. Wenn er jetzt dann wieder im Schweizer Fernsehen erscheint, als Fussballexperte zur Weltmeisterschaft, und sich die Leute aufregen über ihn, seine Frisur, seinen Dialekt und seine Sprüche, ist es einmal mehr erwiesen: Die Schweiz ist immer noch ein bisschen beleidigt.

«Meinetwegen», sagt Alain Sutter. Die Missverständnisse stören ihn nicht mehr. Er hat sich damit abgefunden. Punkt.

Ganz aufrecht sitzt er da, hochkonzen-triert. Alain Sutter, 42, wartet schon auf die nächste Frage. Man soll wissen, dass man es mit einem Profi zu tun hat.

neurotisch oder schwul?Klar, er war ein Sonderling. Aber eben im-mer auch ein Profi. Vielleicht sogar mehr als alle seine Kollegen. Er hat immer ge-wusst, was gut für ihn ist, was er braucht, um seine Bestleistung abzurufen. Wo seine Mannschaftskameraden nach den Spielen noch um die Häuser zogen, ging er früh zu Bett. Wo seine Mitspieler mit sexuellen Ausschweifungen für Schlagzeilen sorgten, blieb er seiner Melanie treu. Gerade mal zwei Freundinnen hatte er in seinem Le-ben, und das lag nicht am mangelnden Interesse der Damenwelt. Während andere Fussballer rauchten und soffen, ernährte er sich sehr bewusst. Viel Gemüse, viel Roh-kost, wenig Fleisch.

Uli Hoeness hat getobt, als er davon er-fuhr. Das war 1994 im Agrarstaat Bayern, bei einem Volk, das dann am meisten bei sich ist, wenn es irgendetwas auf den Grill spannen kann. Einen Ochsen, eine Wildsau, in der Not auch nur ein Ferkel. Vegetarier jedenfalls waren damals entwe-der neurotisch oder schwul. «Ein Spieler, der kein Fleisch isst, kann auf dem Platz keine Leistung bringen», dröhnte Mana-ger Hoeness, der ja wissen muss, wie sehr der Fussball mit dem Fleisch zusammen-hängt. Immerhin hatte Hoeness nach seiner Sportkarriere in Nürnberg eine er-folgreiche Wurstwarenfabrik aufgebaut. Sutters Ernährung führte zur Machtprobe bei Bayern München. Sutter gegen Hoe-

Text: Christoph Lenz, Bilder: Flòriàn Kalotay

die schweiz verschenkt ihr Herz prinzipiell nicht an poeten. bei alain sutter machte sie eine ausnahme. sie sollte es später bereuen. denn alain sutter wollte kein nationalheld sein. er wollte nur spielen.

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die weltmeisterschaften sind die ideale bühne für alle, die mit fussballwetten legal oder illegal geld machen wollen. doch mauscheleien sind alles andere als ein-fach, wenn die ganze welt zuschaut. ein insider erzählt.

an der wall street des fussballs

Text: Gian-Andri Casutt / Stefan Schürer, Bilder: Judith Balla

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Zufälle gibt es! Zum Beispiel in der Premi-jer Liga, der obersten Spielklasse Bosnien-

Herzegowinas. In der Premijer Liga gewinnt fast immer das Heimteam. Nehmen wir den April 2010: 29 Heimsiege, 8 Unentschieden und 3 Auswärtssiege. Die Flut an Heimsiegen dient vielen. Das Heimpublikum ist zufrieden. Die Zuschauerzahlen bleiben konstant. Und wer auf einen Heimsieg wettet, gewinnt ein paar Feninga.

Doch nicht alle macht die statistische Auffäl-ligkeit der Premijer Liga glücklich. Einer von ihnen ist Bernard W. Bernard lebt vom Wetten. Und das ziemlich gut. Wenn er in Zürich vorbei-schaut, residiert der beleibte Franzose im Dolder. Bernard ist Teilhaber einer Sportwetten-Firma. Bei der Firma, nennen wir sie Soccer School, kann anders als bei Plattformen wie bwin aber niemand Wetten deponieren. Die Firma setzt ihr eigenes Geld. «Das Wetten auf Plattformen wie bei bwin sind ja nur Kindergartenspiele für Fussballfans», sagt Bernard. «Das grosse Geld machen andere.»

Bernard und seinesgleichen meiden Ligen wie die bosnische Premijer Liga. Vermutete Spiel-manipulationen sind Gift fürs Geschäft. Zu-fälle wie die Heimstärke der bosnischen Teams sollen ausgeschaltet werden. Bernards Firma beschäftigt deshalb eine kleine statistische Abtei-lung – Computer-Nerds, die mit allerlei Wahr-scheinlichkeitsrechnungen die Geheimnisse des Fussballs enträtseln sollen. Wann fallen die Tore? Wie oft wird unentschieden gespielt? Welchen Einfluss hat das Heimrecht?

Computer-nerds und Fussball-FreaksAber nicht alles ist Statistik. Zu den Computer-Nerds gesellen sich deshalb die Fussball-Freaks. Bernard nennt sie «unsere Informanten». Typen, verstreut auf der ganzen Welt, die jede Woche vor den Spielen einen kleinen Rapport verfassen. Der Rapport enthält die Startformation der bei-den Teams, Ausfälle und Verletzungen, zudem Hinweise auf die Stimmung in der Mannschaft und schliesslich noch eine eigene Einschätzung des Informanten. In kleineren Ligen ruft der In-formant hierfür auch schon mal den Trainer an und fragt nach der Aufstellung und danach, wie die Mannschaft drauf ist.

«Wenn jemand regelmässig schwache Infor-mationen liefert, wird er ausgetauscht. Wichtig ist, dass die Informanten die Beiträge regelmäs-

sig liefern, pünktlich, zuverlässig, und dass die Qualität der Informationen stimmt», sagt Ber-nard. «Es gibt viele Interessenten für diese Auf-gabe, und die findet man relativ schnell.» Die meisten Informanten arbeiten für mehrere Fir-men. Pro Monat kommen so rasch 3000 Fran-ken zusammen. Gerade in ärmeren Ländern ist das viel Geld. Daher ist es einfach, für Osteuro-pa gute Informanten zu finden. Schwieriger ist es in Ländern wie der Schweiz. Selbst ZWÖLF ist einmal angefragt worden:

Unser England-Korrespondent Peter Balzli, der nebenbei noch für das Schweizer Fernse-hen arbeitet, wurde vergangenes Jahr von einem Typ angesprochen, der Infos über den Schwei-zer Fussball suchte. Balzli verwies den Schotten mit Namen Lorenzo an unser Hauptquartier in Zürich. Lorenzo wollte von uns vor jeder Partie der Super League und der Challenge League ein paar Infos. Da wir jedoch seit je einen lieder-lichen Umgang mit Geld haben, haben wir auch diese Chance verstreichen lassen. Lorenzo wartet immer noch auf unsere Insiderinfos.

Doch zurück zu Bernard und seiner Soccer School: Bernard hat nach Schulabschluss mit dem Wetten begonnen – wie alle anderen auch auf den üblichen Plattformen wie bwin. Da-neben tummelte er sich auf Foren wie Betting Advice (http://forum.bettingadvice.com) herum und sonderte dort seine Theorien ab. Irgend-wann wurde Soccer School auf ihn aufmerksam. Bernard wurde ihr Informant für die Schweiz.

Die Soccer School hat ihren Sitz in Gibraltar. Sechs Personen platzieren die Wetten. Jeder hat seine Region, über die er besonders Bescheid weiss. Bei Bernard sind das Südamerika und Europa. Seine Informanten sucht er selbst. Ins-gesamt hat die Firma rund dreissig Informanten, verteilt auf der ganzen Welt. Der Kontakt findet über Skype und Chat statt. Etwa dreimal im Jahr trifft man sich und trinkt ein paar Bierchen zusammen.

alles legalDie Informanten spielen aber bloss die zweite Geige. Wirklich wichtig sind die eigentlichen Zocker: jene sechs Personen, welche die Wetten platzieren. Ihnen gehört der Laden und damit das ganze Geld, das verwettet wird. Entdecken sie einen Jungen, der Talent hat, holen sie ihn als Juniorpartner ins Boot. Arbeitsverträge oder Partnerschaftsverträge gibt es nicht. «Beim Wet-

fussball-wetten

wm 1950brasilienVier Teams meldeten sich für die WM-Qualifikation in Asien. Weil sich alle andern zurückzogen, war Indien plötzlich kampflos qualifiziert. Die FIFA verbot den Spielern aber, barfuss zu spielen, so reiste die Mann-schaft nicht nach Brasilien. Auch die Schotten blieben zu Hause, ihnen war – ganz klischeegetreu – die Reise zu teuer.

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ten ist Vertrauen das Wichtigste, daher braucht es das gar nicht», sagt Bernard. In die Illegalität ist er deswegen nicht ab-gerutscht. «Ich versteuere mein Einkom-men ganz normal. Natürlich hat sich die Steuerverwaltung anfänglich über meinen Beruf gewundert. Heute gibt es aber keine Probleme mehr.» Früher war das Wetten in vielen Ländern zudem illegal. Das Pro-blem hat sich mittlerweile gelöst.

Die ganz grosse Hexerei scheint Wetten nicht zu sein. «Man darf sich einfach nicht von emotionalen Einflüssen lenken lassen und muss eine rein rechnerische Analyse machen», sagt Bernard. «Du musst ein paar mathematische Regeln kennen und brauchst einen guten Informanten, weiter statistisches Datenmaterial und schliess-lich ein Quäntchen Intuition. Aber Intui-tion hast du erst aufgrund von jahrelangen Erfahrungen. Wer schon Tausende von Wetten gemacht hat und diese dann auch analysiert hat, der hat so was wie Intuiti-on. Es geht nicht darum, zu denken, man habe das Gefühl, heute gewinne Basel.»

Wie das so läuft, erklärt uns Bernard vereinfacht anhand der Super-League-Partie Basel - Aarau.

Der FCB ist ein Topklub, er spielt zu Hause gegen den Tabellenletzten. Gleich-zeitig sind wichtige Spieler wie Streller und Frei verletzt. So weit denkt jeder, der Geld in die Hand nimmt. Die Soccer School geht einen Schritt weiter. Aufgrund der genannten Faktoren sowie anhand von Erfahrungswerten werden Wahrschein-lichkeiten für die drei Varianten Heimsieg, Unentschieden und Auswärtssieg erstellt und in Quoten umgerechnet. Gewettet wird erst, wenn eine dieser Quoten signi-fikant höher ist als jene Quoten, die von den Buchmachern offeriert werden, und zwar bei dem Anbieter, der die beste Quo-te offeriert. Buchmacher sind Firmen wie bwin, deren Quote aufgrund der Wettein-sätze entsteht.

Das grosse Geld machen Firmen wie die Soccer School mittlerweile während den Matches. Die Quoten sind dann attrak-tiver. Gerade für eine professionelle Wett-

firma ist es wichtig, dass man hohe Be-träge von etwa 25 000 Euro setzen kann, ohne dass dies grössere Auswirkungen auf die Quote hat. Wenn bei Basel - Aarau 25 000 Euro gesetzt werden, ist die Quote dagegen im Keller. «Aber es geht nicht da-rum, zu wetten, wann es zum ersten Kopf-ball eines Spielers von Manchester United kommt, das ist nur etwas für Amateure», sagt Bernard.

Mit grosser Kelle kann vor allem bei Partien der Premier League und der Champions League sowie bei den WM-Spielen angerichtet werden. Hier sind die Umsätze so hoch, dass eine einzelne Wette nicht weiter ins Gewicht fällt.

asiatische gigantenProbleme bereiten der Soccer School die Restriktionen der «gewöhnlichen» Wet-tanbieter wie bwin. «Wer einige Male viel Geld gewonnen hat, darf automatisch nicht mehr so viel setzen», sagt Bernard. «Die Wettanbieter haben selbstverständ-lich kein Interesse an Gewinnern.» Die

Allein in chinesischer Sprache gibt es im Internet rund 20 Wettanbieter für deutsche Regional-, Ober- und Jugendligen, obwohl Wetten in China illegal ist.

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meisten Spieler, die bei den bekannten Anbietern mitmischen, sind in der Regel kleine Fische, die kaum etwas bewegen. Bernard zeigt dies mit einer Rechnung. «Wenn auf einem Portal etwa 100 000 Leute sind, die je 5 Franken wetten, so ergibt das eine Summe von 500 000 Fran-ken. Das ist nur etwa die Hälfte der Mil-lion, die man als Einzelperson auf einem asiatischen Portal auf ein WM-Spiel wet-ten kann.» Dort sind gemäss Bernard we-sentlich weniger Leute aktiv. Die Umsätze sind aber gigantisch. «Insgesamt werden dort Billionen von Franken gehandelt, mehr Geld als an der Schweizer Börse. Der Umsatz der grossen Wettbüros beläuft sich auf rund 200 bis 300 Milliarden.» Dage-gen erscheint der Umsatz von bwin mit rund 800 Millionen sehr bescheiden. Auf den asiatischen Plattformen gibt es keine Handicaps oder Beschränkungen der Ein-sätze. Ziel der Plattformen ist es, so viel Umsatz wie möglich zu machen.

Zu den asiatischen Anbietern hat die Soccer School aber keinen Zugang. Wer genau hinter den asiatischen Wettbüros steckt, weiss niemand. Das Wettgeschäft ist in Asien illegal. Selbst Kennern fehlt der Durchblick. Schnell fallen Begriffe wie Mafia und Syndikat. Für Bernard ist klar, dass die Strippenzieher es gewohnt sind, im Geheimen zu operieren. «Das System ist wie eine Pyramide aufgebaut. Die klei-nen Buchhalter sammeln in den Quartie-ren das Geld ein und geben dieses weiter. Auf der nächsten Stufe passiert das Glei-che. Irgendwann landet das Geld dann auf den Wettplattformen.» Die Einsätze mit den grossen Beträgen würden dabei von Strohmännern getätigt, sagt Bernard.

Das Wettgebaren in Fernost ist auch hiesigen Anbietern ein Dorn im Auge «In Asien gibt es einen riesigen Schwarzmarkt, der durch Regulierung kanalisiert werden könnte», sagt Katharina Riedl von bwin. «Bwin setzt deshalb auch in Asien auf re-gulierte und streng kontrollierte Märkte.» Daneben steht Riedl durchaus offen dazu, dass die Leute bei bwin nicht unbedingt Geld verdienen sollen. «Bei bwin geht es um Unterhaltung.» Entsprechend breit gefächert sei das Angebot. Laien setzten auf Sieg, Unentschieden oder Niederlage,

für Fortgeschrittene gebe es Wetten wie «Wer erzielt das letzte Tor?».

Mauscheleien Wo so viel Geld zu holen ist wie im Wettgeschäft, können Schlagzeilen über Manipulationen und Betrügereien nicht überraschen. Wird gemauschelt, schadet dies Firmen wie der Soccer School. Ihre Modelle greifen dann nicht mehr.

«Aus Erfahrung wissen wir, wo gescho-ben wird und aus welchen Gründen», sagt Bernard. «Daher gibt es für uns absolute Tabus, auf die wir nicht wetten.» Ein Tabu ist etwa eine Wette auf einen Auswärtssieg in der bosnischen Premijer Liga. Wenig Sinn machen gemäss Bernard auch Wet-ten in osteuropäischen Ländern. Abspra-chen vermutet Bernard weiter in der ita-lienischen Serie A. Vor allem gegen Ende der Saison hält sich die Soccer School von der Serie A fern. «Dauernd kommt es zu Überraschungen. Der Mittelfeldklub hat nichts mehr zu gewinnen und zu verlie-ren. Gleichzeitig könnte er in der nächsten Saison selbst Hilfe gebrauchen. Da wird schon mal eine Partie verschenkt.»

Das Beispiel aus der Serie A macht deutlich: Zu Mauscheleien kommt es nicht immer durch Dritte, die dann viel Geld verdienen. «Oft ist ein bestimmtes Resultat einfach für die beteiligten Klubs von Interesse. Da fliesst kein Geld.» Ber-nard macht – ohne irgendjemanden etwas Unlauteres zu unterstellen – ein frei erfun-denes Beispiel. «Spielen etwa zwei Vereine wie Wohlen und Baden in derselben Liga, ist dies für die beiden Klubs eine interes-sante Sache. Das Spiel zieht regelmässig mehr Zuschauer an und verspricht da-mit höhere Einnahmen. Empfängt nun Wohlen kurz vor Saisonende als Tabel-lensechster Baden, das gegen den Abstieg kämpft, ist der Fall nur auf dem Papier klar. Ein professioneller Wetter setzt dage-gen bei einer solchen Konstellation nie auf einen Heimsieg Wohlens.»

Nehmen Wettbetrüger wie Ante Sapi-na, der im Fall des gekauften Bundesliga-Schiedsrichters Robert Hoyzer im Hin-tergrund die Fäden zog, tatsächlich Geld in die Hand, ist der Erfolg dennoch alles andere als sicher. Bernard geht davon aus,

dass etwa ein Drittel der gekauften Spiele in die Hose geht. «Wettbetrug ist gar nicht so einfach», sagt er. Das Vorgehen will gut überlegt sein. «Intelligente Wettbetrüger kaufen Torhüter und Innenverteidiger. Ein Verteidiger etwa macht nur einen kleinen Stellungsfehler, und schon steht der Geg-ner alleine vor dem Tor. Das ist viel unauf-fälliger als ein erfundener Strafstoss.»

Die Spieler eignen sich gemäss Bernard noch aus einem anderen Grund: «Viele Spieler wetten auch selber leidenschaft-lich gerne, und auch wenn sie nicht auf das eigene Team wetten, so kann es vor-kommen, dass sie Spielschulden haben. Das macht sie erpressbar.» Oft gerieten die Fussballer dann in die Fänge der Wett-mafia. Gleiches gilt für Legionäre aus armen Ländern. «Muss ein junger Afri-kaner mit seinem spärlichen Gehalt aus der Challenge League seine Familie in der Heimat ernähren, lastet auf ihm ein sehr grosser Druck. Spürt er, dass er den gros-sen Durchbruch nicht mehr schafft, dann kann es sein, dass er den Verlockungen des schnellen Geldes erliegt», sagt Bernard.

Wie sauber ist die WM?An der Weltmeisterschaft in Südafrika sind Manipulationen dagegen nur schwer möglich. Die Breitenwirkung des Gross-anlasses erschwert Mauscheleien. Für die Soccer School sind hohe Wetteinsätze da-rum an der Tagesordnung. An der WM wird geklotzt. Doch selbst die WM ist nicht vor geschobenen Spielen gefeit. So behauptet der kanadische Autor Declan Hill, dass die Partie Brasilien - Ghana an der WM 2006 gekauft worden sein soll – nicht von den Brasilianern, sondern von der asiatischen Wettmafia. Ghanas dama-liger U17-Nationalcoach Abukari Dam-ba soll vor der Partie Kontakt zu einem asiatischen Wettpaten gehabt haben. Die Ghanaer verloren die Partie 0:3. Dam-ba bestreitet die Vorwürfe. Bewiesen ist nichts. Damba wurde allerdings ein Jahr später vom ghanaischen Verband als Tor-warttrainer entlassen. Ihm wurde vorge-worfen, einen Manipulationsversuch bei einem Länderspiel der ghanaischen U23 im Iran unternommen zu haben. Zufälle gibt es!

fussball-wetten

Die Bank Merrill Lynch prognostiziert, dass bis 2015 der weltweite Umsatz mit Online-Sportwetten 300 Milliarden Franken erreichen wird.

Hinzu kommt ein Graumarkt in unkalkulierter Höhe.

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ZWÖLF: ottmar hitzfeld, bei ihrer geburt war Lörrach unter der Beset-zung von Frankreich. Wie präsent ha-ben Sie diese Zeit noch?hitzfeld: 1949 waren wir ein ziemlich freies Land. Ich hatte eine schöne Jugend, konnte überall Fussball spielen und war viel in der Natur. Von der Nachkriegszeit habe ich nicht viel mitgekriegt.

Sie sollen ein Schlitzohr gewesen sein. Ich war als Kind Mittelstürmer und habe versucht, Tore zu schiessen. Da musst du etwas Cleverness entwickeln. Ich war körperlich nicht so robust, son-dern eher ein Filigrantechniker. Ich war ein Leichtgewicht, also musst du versu-

chen, dich mit allen Mitteln durchzuset-zen, im Sport und im Fussball. Ich war immer mal für einen Streich gut, aber alles im normalen Rahmen.

Sie bekamen ihren Vornamen wegen ottmar Walter. ist ihnen der Fussball quasi in die Wiege gelegt worden?Viel wichtiger als der Name war, dass ich Geschwister hatte, mit denen ich immer Fussball gespielt habe. Der Ball war ein ständiger Begleiter von mir.

Was hat Sie dermassen an einem Ball fasziniert?Das kann man nicht beschreiben. Ich mochte den Ball einfach immer, konn-te gut mit ihm umgehen. Ich habe

jongl iert, ich habe auf Tore geschossen, ich habe auf die Wand geschossen. Ich wollte einfach den Ball beherrschen. Er war der beste Freund, den ich hat-te. Wenn wir untereinander Spiele ge-macht haben, dann wollte ich gewin-nen. Wenn wir nicht gewonnen haben, dann waren wir sauer. Dann haben wir alles unternommen, um das nächste Spiel zu gewinnen. Wir machten jeden Tag «Mätschli» und entwickelten eine Leidenschaft. also war schon früh klar, dass Sie Fussballer werden. Nein. Ich habe nicht einmal gewagt, davon zu träumen, Profifussballer zu werden. Wenn man in Lörrach-Stetten aufwächst, ist das zu weit weg von Bun-desligisten oder Erstligisten. Das hat sich langsam entwickelt, als ich mit 18 Jahren in der südbadischen Auswahl gespielt habe oder mit 16, 17 Jahren in der Jugend-Auswahl. Das war fast eine Auszeichnung. Aber dass ich mit dem Fussball Geld verdienen kann, war erst 1971 ein Thema, als ich mit 22 Jahren zum FC Basel gegangen bin.

Wäre für Sie auch eine andere Position ausser Stürmer infrage gekommen?Nein. Ich war von Anfang an immer nur Stürmer.

als klubtrainer gewann Ottmar Hitzfeld alles, mit der schweizer nati backt er in südafrika kleinere brötchen. mit zwölf unterhielt er sich über schwierige spie-ler, selbstkontrolle und sein erfolgs-geheimnis als coach. und weshalb er immer als stürmer spielen wollte.

«ich bin nicht erfolgsbesessen»

Interview: Sascha FeyBilder: Flòriàn Kalotay

Ottmar Hitzfeld

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