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Was ist Debian GNU/Linux?

Debian GNU/Linux ist ein freies und offenes Betriebssystem. Wir erfahren, was hin-ter diesen Begriffen steckt und was das Besondere an Debian ist.

1.1 Betriebssysteme

Ein Rechner (E: computer, F: ordinateur) besteht aus Hardware (F: matériel) undSoftware (F: logiciel), ein Netz (E: network, F: réseau) genauso. Ohne Software ver-brät die Hardware elektrische Energie, erzeugt Lärm und steht im Weg herum. Erstdie Software macht aus den Kisten und Strippen Geräte, mit denen etwas anzufan-gen ist. Eine CD/DVD-Scheibe, der graue Kasten auf oder neben Ihrem Schreibtisch,Blätter und Einband eines Buches sind Hardware, der Inhalt eines Buches, einerCD/DVD oder des Speichers in dem grauen Kasten sind Software. Wenn wir Soft-ware auf einem Datenträger kaufen, bezahlen wir für zweierlei: für den Datenträger(wenige Euro) und für die Erlaubnis, die Software benutzen zu dürfen (null bis vieleEuro).

Die Grundsoftware eines Rechners, die als erste von einem dauerhaften Speichergeladen wird und Voraussetzung für alles Weitere ist, wird Betriebssystem (E: ope-rating system, F: système d’exploitation) genannt. Innerhalb der von der Hardwaregesetzten Grenzen bestimmt das Betriebssystem die Eigenschaften eines Rechners.Ein PC nach IBM-Muster mit einem DOS-Betriebssystem ist ein DOS-Rechner, der-selbe PC mit einem Linux/UNIX-Betriebssystem ist ein Linux/UNIX-Rechner mitdeutlich anderen Fähigkeiten. Die meisten Betriebssysteme sind für eine bestimm-te Hardware geschrieben. Linux/UNIX hingegen ist für unterschiedliche Hardwareverfügbar. Debian GNU/Linux beispielsweise ist an ein Dutzend Prozessortypen an-gepasst worden. Der in PCs verwendete Prozessor Intel 80386 samt Nachfolgern undNachempfindungen ist nur einer davon, wenn auch der am weitesten verbreitete.

Zu einem Zeitpunkt kann auf einem Rechner nur ein Betriebssystem laufen.Will ich dieses wechseln – beispielsweise von Debian GNU/Linux auf Mac OS– muss ich den Betrieb beenden, den Rechner herunterfahren und dann mit demneuen Betriebssystem wieder hochfahren. Anwendungsprogramme dagegen werden

2 1 Was ist Debian GNU/Linux?

im laufenden Betrieb gestartet und beendet, ohne dass der Rechner herunterge-fahren wird. Die Leistungssteigerungen der Hardware ermöglichen mittlerweilejedoch den gleichzeitigen Betrieb mehrerer Betriebssysteme auf einem Rechnerunter einem Über-Betriebssystem. Jedes der Betriebssysteme stellt einen virtuellenRechner dar. Das dient dazu, verschiedene Betriebssysteme auf einer Hardwa-re nebeneinander laufen zu lassen oder verschiedene Konfigurationen (Arbeits-platz, Experimentierrechner, Quarantänestation, verschiedenartige Server) einesBetriebssystems. Kommerzielle Über-Betriebssysteme sind VMware (http://www.vmware.com/de/) und Microsoft VirtualServer (http://www.microsoft.com/germany/virtualserver/), freie oder offene Variantensind Xen (http://www.cl.cam.ac.uk/Research/SRG/netos/xen/,http://xen.sf.net/) von der University of Cambridge/UK, Linux-VServer(http://linux-vserver.org/), OpenVZ (http://openvz.org/) undUser Mode Linux (http://user-mode-linux.sourceforge.net/). BeiDebian sind entsprechende Pakete in der Abteilung Other Os’s zu suchen; es gibtaber nicht viele. Die Einrichtung eines Rechners mit mehreren virtuellen Betriebs-systemen ist vermutlich auch zu umfangreich für ein Paketsystem und erforderteinige Erfahrung. Die Übergänge zwischen virtuellen Diensten (beispielsweiseWebservern), chroot-Umgebungen (Gefängnissen, Jails), emulierten Betriebssy-stemen (MS Windows oder Mac OS unter GNU/Linux), virtuellen Betriebssystemen(MS Windows oder Mac OS neben GNU/Linux) und Rechner-Clustern1 (mehrfacheHardware, die nach außen wie ein einziger Rechner wirkt) sind fließend. Wer sichfür das Thema interessiert, sollte mit der deutschen und der englischen Wikipediaanfangen.

Zu den Kernaufgaben eines jeden Betriebssystems gehören die Steuerung oderVerwaltung:

• der Betriebsmittel (Prozessoren, Speicher, Ein/Ausgabe), wobei technische Ein-zelheiten vor dem Benutzer und seinen Programmen verborgen werden,

• der Arbeitsabläufe (Prozesse),• der Daten (Dateisystem).

Diese Aufgaben nimmt der Kern (E: kernel, F: noyau) des Betriebssystems wahr.Es gibt jedoch Ansätze, sie in Anwendungsprogramme auszulagern und dem Kernnur noch koordinierende und kontrollierende Tätigkeiten zu überlassen. Vorteile ei-nes solchen Mikrokerns sind Übersichtlichkeit und Anpassungsfähigkeit. Der Linux-Kern ist monolithisch (kein Mikrokern), jedoch stark modularisiert. Da der nackteKern ziemlich hilflos ist, zählt man zum Betriebssystem im weiteren Sinn auch not-wendige Konfigurationsdateien, einen Bootloader etc. Linux bezeichnet genau ge-sprochen nur einen Kern, während AIX, HP-UX, Mac OS X, FreeBSD, MS Windowsvollständige Betriebssysteme sind, nicht nur Kerne. Deshalb reden wir von DebianGNU/Linux: die Debian-Distribution eines Linux-Kerns samt GNU-Software. Dazumehr in Abschnitt 1.3 Debian GNU/Linux auf Seite 11.

1Das Wort Kluster gab es einmal im Deutschen; noch in Grimms Wörterbuch wird esaufgeführt: KLUSTER:, klump von beeren, früchten u. ä..

1.1 Betriebssysteme 3

Linux/UNIX geht zurück auf ein Ur-UNIX, das Ende der sechziger Jahre desvorigen Jahrhunderts von KENNETH THOMPSON und DENNIS M. RITCHIE inden Bell Laboratories des US-amerikanischen Telefonkonzerns AT&T entwickeltwurde2, und zwar für den Eigengebrauch, nicht als Produkt für den Verkauf. DerName ist kein Akronym (Abkürzung), sondern hat eine lockere Beziehung zu ei-nem Vorgänger namens Multics. Im weiteren Verlauf wurde UNIX zu großzügigenBedingungen an Universitäten abgegeben – die ihrerseits zur Entwicklung beitru-gen, wobei sich die University of California at Berkeley mit ihrer Berkeley Soft-ware Distribution (BSD) hervorgetan hat – und der Programmcode an Firmen wieHewlett-Packard oder IBM lizenziert. Den Namen hielt AT&T jedoch zurück, so-dass die Firmen eigene Namen wählen mussten wie HP-UX oder AIX. Auf die-se Weise entstand eine Gattung von UNIX-artigen Betriebssystemen. Streng ge-nommen ist UNIX auch heute noch ein geschützter Name, der der Open Group(http://www.opengroup.org/) gehört.

Die UNIX-Betriebssysteme zeichneten sich von Anbeginn durch bemerkenswer-te Eigenschaften aus:

• Sie bearbeiten mehrere Aufgaben gleichzeitig (Multi-Tasking),• kennen mehrere Benutzer mit abgestuften Rechten (Multi-User),• unterstützen den Dialogbetrieb am Terminal,• arbeiten mit Hardware zahlreicher Hersteller zusammen• und lassen sich anpassen oder erweitern.

Diese und andere, für die damalige Zeit fortgeschrittene Eigenschaften sind von jün-geren Betriebssystemen teilweise übernommen worden und erscheinen uns heuteselbstverständlich. Das Ur-UNIX war ein großer Wurf. Die Vielseitigkeit stellt aberauch Anforderungen. Um aus dem Vorwort eines X11-Buches zu zitieren: UNIX canbe a power-user’s paradise and a beginner’s nightmare, with the administrator sand-wiched somewhere in between.

POSIX ist kein Betriebssystem, sondern ein umfangreicher Standard3, derdie Anforderungen an POSIX-konforme Betriebssysteme festlegt (http://www.opengroup.org/). Ausführlich lautet seine Bezeichnung IEEE Portable Opera-ting System Interface for Computing Environments, womit gesagt ist, dass es umdie Schnittstelle zwischen Betriebssystemen und Anwendungsprogrammen geht.Der Standard ist nicht kostenfrei erhältlich und wendet sich nicht an den durch-schnittlichen Benutzer oder Programmierer. Debian GNU/Linux entwickelt sichauf die POSIX-Vorgaben zu. Ein ähnliches Ziel verfolgen The Single UNIX Spe-cification (http://www.unix.org/online.html), ebenfalls von der OpenGroup herausgegeben und daher mit Gemeinsamkeiten zu POSIX, und speziell in

2Eine authentische Zusammenfassung der Anfänge findet sich in The Bell System Tech-nical Journal Vol. 57, July-August 1978, Nr. 6, Part 2, Seite 1897 bis 2312. Eine guteÜbersicht bieten auch der Eintrag Geschichte von Unix in der deutschen Wikipedia, http://de.wikipedia.org/, sowie RITCHIES Webseite http://www.cs.bell-labs.com/who/dmr/.

3Standard im Sinn von Norm schreibt sich hinten mit d. Eine Standarte ist eine kleineFahne, allenfalls noch der Schwanz eines Fuchses.

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der Linux-Welt die Linux Standard Base (http://www.linuxbase.org/).Die Free Standards Group (FSG, http://www.freestandards.org/) för-dert freie bzw. offene Software durch die Veröffentlichung freier Standards undpflegt Beziehungen zur Linux-Welt, inzwischen aufgegangen in The Linux Foun-dation (http://www.linux-foundation.org/).

Die Aufgaben rund um ein Linux/UNIX-System lassen sich von drei Standpunk-ten aus betrachten:

• Ein Benutzer (E: user, F: utilisateur) arbeitet mit dem System und löst von außenkommende Aufgaben mit seiner Hilfe,

• ein Verwalter (E: administrator, F: administrateur) bringt das System zum Lau-fen und sorgt für sein Wohlergehen. Administrators make things work, um nocheinmal das X11-Buch zu zitieren.

• ein Entwickler (E: developer, F: développeur) kümmert sich um die Weiterent-wicklung der Software, um Standards und neue Hardware.

Entsprechend unterscheiden sich die Interessen der drei Gruppen. Ein Benutzer willeine Maschine konstruieren, einen Versuch auswerten, seine Termine in den Griff be-kommen oder ein Buch online finden und bestellen. Welche Grafik seinen Bildschirmsteuert oder welcher Algorithmus seine Mitteilungen verschlüsselt, ist ihm gleich,solange alles reibungslos und zuverlässig funktioniert. Dafür zu sorgen ist Sache desVerwalters, der sich seinerseits nicht mit Einzelheiten der Anwendungsprogrammeabgibt. Bei der Fülle von Anwendungen wäre ihm das gar nicht möglich. Sicherheitin jeder Hinsicht ist ein zentrales Thema für den Verwalter. Ein Entwickler program-miert neue Software, entwickelt bestehende weiter, passt sie an neue Standards –zum Beispiel internationale Zeichensätze – an, ringt um Treiber für neue Hardware– zum Beispiel für schnelle WLAN-Karten – und schreibt die Dokumentation dazu.Bei Debian zählt auch das Einbinden der Software in das Debian-Paketsystem zuseinen Aufgaben. Die drei Aufgabenbereiche überschneiden sich.

Falls Sie das eben Gesagte und ein bisschen mehr noch einmal aus anderer Federlesen wollen, legen wir Ihnen das Unix and Internet Fundamentals HOWTO (2004)von ERIC STEVEN RAYMOND (ESR) ans Herz, im Netz unter http://www.tldp.org/HOWTO/Unix-and-Internet-Fundamentals-HOWTO/ un-entgeltlich zu beziehen. In unseren Büchern weisen wir – wie eben – oft auf wei-terführende Dokumentation hin. Das ist zum einen eine Frage des Platzes und zumanderen eine der Aktualität. System- und Netzverwalter sollten Englisch wenigstenslesen können.

1.2 Freie Software, GNU und Linux

1.2.1 Freie Software

Software, bei der jedermann das Recht hat, den Quellcode einzusehen, wird als offenbezeichnet. Wenn auch nur Programmierer mit dem Quellcode etwas anfangen kön-nen, so ist diese Möglichkeit doch wichtig, um eine Software beurteilen zu können.

1.2 Freie Software, GNU und Linux 5

In offenen Quellen lassen sich keine geheimen Funktionen verstecken. Schwächenwerden öffentlich diskutiert. Manchmal will man als Anwender auch nur wissen,welchen Einschränkungen ein Programm unterworfen ist, und findet in der Doku-mentation keine ausreichende Erklärung. Ein Blick in die Quellen hilft weiter.

Warum ist der Zugang zum Quellcode so wichtig? Das Erstellen von Program-men läuft gewöhnlich in zwei Schritten ab. Zunächst wird ein Quelltext (Sourcecode)geschrieben. Dabei handelt es sich um eine oder mehrere Textdateien, die von Pro-grammieren gelesen, verstanden und geändert werden können. Der Quelltext wirddann mit Hilfe eines Übersetzer-Programms – dem Compiler – in ein Binärformatgebracht, das vom Betriebssystem in den Arbeitsspeicher geladen und vom Prozes-sor (CPU) ausgeführt wird. Die genaue Arbeitsweise eines Programms oder etwai-ge Fehler lassen sich anhand der Binärversion nicht oder nur mit hohem Aufwandfeststellen. Ebenso ist es beinahe unmöglich, solche Programme zu verändern oderum neue Eigenschaften zu erweitern. Darüber hinaus verbieten viele kommerzielleSoftwarelizenzen, im Binärformat vorliegende Programme zu untersuchen oder zuverändern. Eine Bestimmung der GNU General Public License (GPL) fordert des-wegen, dass jedes Programm, das unter der GPL steht, zusammen mit seinem Quell-text verfügbar gemacht wird. Außerdem muss jeder, der ein GPL-lizenziertes Pro-gramm verändert oder weiter gibt, dieses ebenfalls unter der GPL tun. Es muss derQuellcode – einschließlich etwaiger Änderungen – offen gelegt werden. Durch die-se Bestimmung wird gewährleistet, dass der ursprüngliche Autor eines Programms,das unter der GPL veröffentlicht wurde, von Verbesserungen und Erweiterungen desProgramms durch die Lizenznehmer profitiert. Die Verpflichtung zur Offenlegungdes Quellcodes ist keine einseitige Leistung des Programmautors, sondern ein An-gebot an andere Personen, das Programm ändern und weitergeben zu dürfen unterder Bedingung, dass die Änderungen ebenfalls veröffentlicht werden.

Darf jedermann die Software ändern und sie in originaler oder veränderter Formweitergeben, bezeichnet man die Software als frei. Das Wort frei bezieht sich dabeinicht auf den Preis. Frei heißt frei von Einschränkungen im Gebrauch, nicht kosten-frei. Die GNU General Public License gestattet durchaus, Software zu verkaufen.Sie gestattet nicht, für den Quellcode einen gesonderten Preis zu berechnen oder eszu verbieten, dass der Käufer die betreffenden Programme seinerseits weiter gibt.Freie Software ist von Freeware zu unterscheiden. Bei Freeware handelt es sich umProgramme, die zwar ohne Bezahlung beschafft und eingesetzt werden können, zudenen aber nicht notwendigerweise der Quellcode verfügbar ist. Bei Freeware be-zieht sich das Wort free auf den Preis und nicht auf die Freiheit, das Programm so zubenutzen, wie man möchte.

Freie Software muss nicht unbedingt unter der GPL stehen. Abgesehen davon,dass es neben der GPL andere, ähnliche Lizenzen gibt, handelt es sich bei einerReihe von Programmen um Public Domain Software. Solche Programme könnenebenfalls von jedermann eingesetzt, verändert und weitergegeben werden, sie sindaber nicht lizenziert. Der Autor hat auf alle Rechte an dem Programm verzichtet unddeswegen auch kein Recht zu verlangen, dass Änderungen ebenfalls im Quellcodeveröffentlicht werden.

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Freie Software ist nicht nur aufgrund ideeller Überlegungen oder ausgeklügelterLizenzen erfolgreich. Vielmehr ist die Möglichkeit zur Anpassung eines Programmsoft ein Argument für die Auswahl freier Software. Neben Gründen der Flexibilitätund der Kosten spielen häufig auch Aspekte der Sicherheit sowie der Softwarestabi-lität eine entscheidende Rolle. Fehler in offen gelegten Programmen, die von vielenAnwendern, Programmieren und Analytikern untersucht werden, sind in der Regelschneller entdeckt und behoben, als es bei kommerziellen Programmen, auf derenQuellcode nur ein enger Personenkreis zugreifen kann, der Fall ist.

Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Systemverwalter entdeckt ein eigen-artiges Verhalten eines Programms. Er untersucht die Situation und stellt anhand desQuellcodes fest, dass das Programm unbeabsichtigter Weise die Möglichkeit bietet,über das Netz auf den Rechner zuzugreifen und dort befindliche Daten zu manipulie-ren. Diese Entdeckung teilt er den Autoren und Benutzern des Programms über eineMailing-Liste4 mit. Aufgrund der genauen Angaben zu dem Fehler, die ohne denQuellcode nicht möglich gewesen wären, löst ein anderer Benutzer des Programmsden Fehler innerhalb weniger Stunden. Die Lösung wird sofort veröffentlicht, umdie Gefahr des unbefugten Datenzugriffs zu bannen. Aus Sicht desjenigen, der dieProblemlösung erarbeitet hat, sprechen weitere Gründe für die schnelle Veröffentli-chung der Lösung:

• Bliebe sie unveröffentlicht, müsste sie in jede neue Version des betreffenden Pro-gramms erneut integriert werden.

• Durch die Veröffentlichung wird die eigene Qualifikation nachgewiesen.• Es besteht möglicherweise das Bedürfnis, etwas an Menschen zurückzugeben,

die einem in ähnlichen Situationen ebenfalls geholfen haben.

Zum Vergleich könnte sich die Geschichte bei einem kommerziellen Software-produkt folgendermaßen abspielen: Der Systemverwalter bemerkt wieder ein eigen-artiges Verhalten eines Programms. Er versucht, dieses Verhalten zu untersuchen, istsich allerdings nicht darüber im klaren, ob der Grund für das Programmverhalten imProgramm selbst oder im Zusammenspiel mit dem Betriebssystem liegt. Die Fragekann er nicht ohne weiteres beantworten, weil der Quellcode von Programm und Be-triebssystem nicht zur Verfügung steht und das fragliche Programm nur unter diesemBetriebssystem ausgeführt werden kann. Daraufhin nimmt er Kontakt zum Supportdes Programmherstellers auf und erklärt diesem die Angelegenheit. Der Programm-hersteller sieht sich nicht veranlasst, eine Änderung an dem Programm vorzunehmen,weil ihm ja nicht nachgewiesen werden kann, dass tatsächlich ein Fehler im Pro-gramm vorliegt. Das Gleiche gilt für den Hersteller des Betriebssystems. Der Fehlerwird zu einem späteren Zeitpunkt von böswilligen Angreifern bemerkt, die ihn tat-sächlich benutzen, um sich Zugriff zum betreffenden System zu verschaffen und dortDaten zu verändern. Erst zu diesem Zeitpunkt räumt der Hersteller des Programmseine mögliche Schwäche ein und empfiehlt, das Programm zunächst in einem be-stimmten Modus nicht mehr zu benutzen. Ein halbes Jahr später bringt er ein Updatedes Programms heraus, für das erneut Lizenzgebühren fällig sind.

4Eine Mailing-Liste ist ein Verteiler für Email-Rundschreiben.

1.2 Freie Software, GNU und Linux 7

Die Geschichte beleuchtet einen der wesentlichen Vorteile freier Software: Esist erlaubt, sich und anderen selbst zu helfen. Freie Software wird seit einiger Zeitauch als Open-Source-Software bezeichnet. Der Begriff Open Source ist geschütztund an bestimmte Bedingungen gebunden. Die Bedingungen können wir im Inter-net unter http://www.opensource.org/docs/definition.php nach-lesen. Sie gehen auf die Debian Free Software Guidelines zurück, siehe Ab-schnitt 1.3.1 Die Debian GNU/Linux Distribution auf Seite 11.

Auch die Autoren kostenfreier Software und Dokumente brauchen Geld zum Le-ben und veröffentlichen ihre Werke selten aus Nächstenliebe. Da sie selbst vielfachkostenfreie Werke benutzen, läuft es für sie insgesamt auf dasselbe hinaus, ob sieGeld verlangen oder nicht. Oft werden auch Software oder Dokumente für den Ei-genbedarf geschrieben – beispielsweise ein Abkürzungsverzeichnis – und mit gerin-gem Aufwand der Allgemeinheit im Netz zugänglich gemacht. Ein Buchautor kannfür seine Bücher werben, indem er Manuskripte ins Web stellt, ohne seine Urheber-rechte aufzugeben. Manchmal entstehen auch Bücher aus Webseiten, und der Autorsamt seiner Firma zeigt damit seine Kompetenz, beispielsweise als Webdesigner oderWebmaster. Großen Firmen aus der Computerbranche steht es gut an, freie Softwarenicht nur zu benutzen, sondern auch zu fördern. Ein unaufdringlicher Hinweis aufden Sponsor stört niemanden. Ein Teil der Software und der Texte stammt aus demHochschulbereich, wo mit öffentlichen Mitteln geförderte Projekte verpflichtet sind,ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Schließlich ist auch die Anerkennung durch Zeit-und Leidensgenossen ein Ansporn.

1.2.2 GNU is Not UNIX

Der Programmierer RICHARD MATTHEW STALLMAN (RMS) gründete 1984 dasGNU-Projekt mit dem Ziel, ein System freier Software zu entwickeln, das denSoftware-Bedarf von Computer-Benutzern vollständig abdecken sollte. Kern desProjekts war zunächst die Erstellung eines Compilers5 sowie die Programmierungeines Betriebssystems. Von Anfang an kümmerte sich das GNU-Projekt auch umdie Entwicklung von Anwendungsprogrammen und Werkzeugen zur Benutzung desSystems. Eine der bekanntesten GNU-Anwendungen ist der Editor6 Emacs. DieGNU-Programme erfreuten sich schon früh großer Beliebtheit. Sie wurden und wer-den von vielen Anwendern eingesetzt, weil sie oft besser programmiert sind undmehr Möglichkeiten bieten als kommerzielle Gegenstücke.

Die Abkürzung GNU steht für GNU is Not UNIX. Der Name drückt aus, dassGNU in enger Beziehung zu dem Betriebssystem UNIX steht, sich gleichzeitig je-doch von UNIX abgrenzt. Das vom GNU-Projekt geplante und entwickelte Betriebs-system verhält sich in vielerlei Hinsicht wie eine Weiterentwicklung von UNIX. Eshandelt sich jedoch nicht um UNIX, weil alle GNU-Programme unabhängig vomAT&T-Code neu programmiert wurden. Als Logo hat sich das Projekt naheliegen-derweise den Kopf eines Gnus oder Wildebeests gewählt, siehe Abbildung 1.1.

5Ein Compiler ist ein Programm, das den von Menschen geschriebenen Programmcode(Quellcode) in ein von Maschinen ausführbares Format (Maschinencode) übersetzt.

6Ein Editor ist ein Programm, mit dem Daten bearbeitet werden.

8 1 Was ist Debian GNU/Linux?

Hauptmotiv für die Gründung des GNU-Projekts war, dass Anfang der 80er Jah-re des vorigen Jahrhunderts immer mehr Software unter Copyright-Bestimmungengestellt wurde, die es unmöglich machten, die Programme zu verändern, Fehler zubeheben oder sie an eigene Bedürfnisse anzupassen. Darüber hinaus stellten dieCopyright-Bestimmungen es unter Strafe, Programme oder eigene Änderungen dar-an – sofern sie doch möglich waren – an Andere weiterzugeben. Eines der wesent-lichen Bestandteile des GNU-Projekts ist deswegen eine eigene Softwarelizenz, diezum einen die Rechte des Programmierers schützt, zum anderen jedoch verhindert,dass die Freiheit bei der Verwendung eines Programms eingeschränkt wird. DieGNU-Lizenz wird in Anspielung auf den Begriff Copyright auch als Copyleft be-zeichnet. Ihr offizieller Name ist GNU General Public License (GPL). Eine deutscheÜbersetzung der Lizenz finden Sie im Anhang ab Seite 1079.

Abb. 1.1: Das GNU-Logo, der Kopf eines Gnus oder Wildebeests, gezeichnet von ETIENNE

SUVASA. Keine Ähnlichkeit mit RMS.

Abkömmlinge der GPL sind die GNU Lesser General Public License (LGPL)und die GNU Free Documentation License (GFDL). Erstere erlaubt nicht-freier Soft-ware, gegen LGPL-lizenzierte Software – vor allem Bibliotheken – dynamisch zulinken, ohne zur Offenlegung des Quellcodes verpflichtet zu sein. Die GPL lässt dasnicht zu. Die GFDL ist eine Lizenz für freie Inhalte, worunter man sich anfangs dieDokumentation zur Software vorstellte. Mittlerweile werden auch andere Dokumen-te unter der GFDL veröffentlicht. Am bekanntesten ist die Wikipedia.

Außerhalb des GNU-Projektes hat die GPL ebenfalls Bedeutung erlangt, weilnicht mehr jeder Programmierer oder Autor sich um die Formulierung einer Lizenzfür seine Geistesblitze zu sorgen braucht. Viele übernehmen einfach die GPL – viel-leicht ohne sie gründlich gelesen und verstanden zu haben – und verlassen sich dar-auf, dass RMS und seine Mitstreiter schon die richtigen Worte gefunden haben. Diezunehmende Beliebtheit der GPL und ihrer Verwandtschaft führt gelegentlich zu Pro-blemen, die nicht vorhersehbar waren. Deshalb werden die Lizenzen von Zeit zu Zeitüberarbeitet, aber nicht einfacher.

1.2.3 Linux – ein Kern und viele Distributionen

Im Jahr 1991 begann der finnische Student LINUS BENEDICT TORVALDS in Hel-sinki einen Betriebssystemkern zu entwickeln, der die Fähigkeiten des damals neuen

1.2 Freie Software, GNU und Linux 9

80386-Prozessors7 ausnutzen konnte. TORVALDS benutzte zu diesem Zweck vonAnfang an die Werkzeuge des GNU-Projektes. Insbesondere setzte er den GNU-C-Compiler ein, um den Quellcode seines Kerns in Maschinencode zu übersetzen. DasDesign und die Schnittstellen dieses neuen Betriebssystemkerns orientierten sich anden Schnittstellen von UNIX, weswegen sich auch die übrigen GNU-Programmesowie andere UNIX-Programme leicht auf das neue System übertragen ließen. DerName geht offensichtlich auf Linus und UNIX zurück. Viele UNIX-ähnliche Be-triebssysteme tragen Namen, die auf -x enden. Ausnahmen bilden Solaris und dieBSD-Systeme.

Nach kurzer Zeit – am 17. September 1991 – veröffentlichte TORVALDS eine ers-te Version seines Kerns unter den Lizenzbedingungen der GPL im mittlerweile welt-umspannenden Internet. Das System war zu diesem Zeitpunkt bereits in der Lage,den GNU-C-Compiler und den GNU-Kommandointerpreter Bash auszuführen. Vondiesem Anfang ließen sich andere Programmierer begeistern. Sie beteiligten sich ander Entwicklung, sodass der Kern schnell wuchs, stabiler und um neue Fähigkeitenergänzt wurde. Zwei Jahre nach der ersten Veröffentlichung des Linux-Kerns hattensich schon mehr als 100 Programmierer an der Entwicklung beteiligt. Die Menge desQuellcodes hatte sich ungefähr verzehnfacht. Man schätzt, dass 1993 bereits 20.000Benutzer Linux einsetzten. Diese Entwicklung hat sich bis heute fortgesetzt.

Abb. 1.2: Tux, der wohlgenährte, zufriedene Pinguin, das Linux-Logo, gezeichnet von LARRY

EWING

Linux bezeichnet – wie wir gelesen haben – eigentlich nur den Kern, zu haben beihttp://www.kernel.org/. Die Software drumherum, die zu einem einsatzbe-reiten Betriebssystem gehört, müsste sich ein Anwender beim GNU-Projekt und ausweiteren Quellen beschaffen. Das ist viel Arbeit, nicht immer einfach und mit demZwang verbunden, sich in kurzen Zeitabständen um neue Versionen der Software zukümmern8. Deshalb übernehmen Firmen oder Organisationen die Arbeit und stellenDistributionen zusammen, mit denen vergleichsweise einfach ein lauffähiges Systemauf einem Rechner eingerichtet und aktuell gehalten werden kann. Eine Distributionfasst Programme, Dokumentation etc. überwiegend aus fremden Quellen zusammen,bei Debian als Upstream bezeichnet. Eigene Beiträge der Distributionspfleger sind

7Deswegen läuft Linux nicht auf den Vorgängern des 80386-Prozessors.8Bei diesbezüglichem Ehrgeiz: http://www.linuxfromscratch.org/

10 1 Was ist Debian GNU/Linux?

manchmal unumgänglich, damit eine Distribution reibungslos und zuverlässig funk-tioniert. Weltweit sind einige hundert Linux-Distributionen entstanden und teilweisewieder vergangen, siehe die Fachpresse und http://distrowatch.com/. Be-kannte Distributionen sind Slackware (eine der frühesten), Red Hat, SuSE (heutezu Novell gehörig), Mandriva (ehemals Mandrake) und Debian. Auf Debian bauenweitere Distributionen (Derivate) wie Knoppix, Ubuntu, Skolelinux und User-Linuxauf. Sie wenden sich an bestimmte Benutzerkreise oder sind auf bestimmte Anwen-dungsgebiete ausgerichtet. Eine Übersicht, die weder vollständig noch brandaktuellsein kann, finden wir bei der deutschen Wikipedia unter den Lemmata Liste vonLinux-Distributionen und Vergleich von Linux-Distributionen.

Als Live System werden Distributionen bezeichnet, die ohne weitere Einrich-tung unmittelbar von einem entfernbaren Datenträger (Floppy, CD/DVD, USB-Stöpsel9) gestartet und benutzt werden können. Ein Debian Live System hat denVorteil, dass man einen Rechner mit einem fremden Betriebssystem vorüberge-hend unter Debian GNU/Linux betreiben kann – um es auszuprobieren oder umein beschädigtes lokales System zu reparieren – ohne am ständigen System et-was ändern zu müssen. Nach Entfernen des Live System ist der Rechner wiederganz der alte. Voraussetzung ist, dass der Rechner von dem entfernbaren Datenträ-ger starten (booten) kann und dieser in der Boot-Reihenfolge im BIOS an ersterStelle kommt. Falls der entfernbare Datenträger nur gelesen werden kann, richtetdas Live System unter Umständen temporäre Dateien auf der Festplatte des Rech-ners ein, ohne in dessen Konfiguration einzugreifen. Von Knoppix oder Ubuntubeispielsweise gibt es Live-CDs. Wer dauerhaft mit Debian GNU/Linux arbeitenwill, kommt jedoch um eine ordentliche Einrichtung auf der Festplatte nicht her-um. Live Systeme speziell für die Rettung beschädigter Systeme findet man beihttp://www.kernel.org/pub/dist/, darunter Knoppix (http://www.knoppix.org/), PlanB (http://www.projectplanb.org/) und Super-Rescue (http://www.kernel.org/pub/dist/superrescue/).

Als Logo hat sich Linux den bekannten, gut genährten Pinguin namens TUXgewählt, der 1996 von LARRY EWING gezeichnet wurde, einem Grafiker aus Texas,siehe Abbildung 1.2. Er wurde von TORVALDS ausgesucht, der eine Schwäche fürPinguine hat. In der Tat ist der Pinguin ein angenehmerer Sympathieträger als einfliegendes Gebäudeteil oder ein angebissenes Stück Obst.

Die Anzahl der Linux-Installationen wird zur Zeit auf 25 Millionen geschätzt,die Anzahl von Entwicklern, die einen Beitrag zu Linux geleistet haben, liegt beiweit über 1.000, Tendenz steigend. In einigen Bereichen ist Linux schon jetzt dasam weitesten verbreitete Betriebssystem, und zwar – wen wundert es – vor allemim Bereich von Internet-Servern. Auch im wissenschaftlichen Umfeld, als Server fürheterogene Netze und immer mehr im Bereich der Heim- und Arbeitsplatzrechnerhat sich Linux einen festen Platz erobert. Linux-Varianten laufen heute in Gerätenwie Mobiltelefonen und auf Großrechnern. Niedrige Kosten, hohe Stabilität, hoheFlexibilität, ein hohes Maß an Sicherheit, eine umfangreiche Dokumentation und

9USB-Stöpsel sind nicht mit Memory Sticks zu verwechseln, wie sie die Firma Sony ver-wendet. Umgangssprachlich wird jedoch oft nicht unterschieden.

1.3 Debian GNU/Linux 11

relativ geringe Hardwareanforderungen bewirken, dass sich immer mehr Einkäufer,Entscheider, Entwickler und Benutzer für GNU und Linux entscheiden. Behördenschätzen an Linux die niedrigen Kosten von Anschaffung und Betrieb sowie die Si-cherheit. Auch die mit dem Einsatz von Linux gewonnene Unabhängigkeit von einereinzelnen Firma ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Während vor einigen Jahren vor allem in Unternehmen noch Bedenken bestan-den, Linux einzusetzen, weil kein kommerzieller Support für das System verfügbarwar, hat sich die Situation mittlerweile gebessert. Eine wachsende Anzahl jungerGNU/Linux-Firmen bietet Dienstleistungen wie Schulungen und Support, aber auchdie Planung und Einrichtung von Linux-basierten EDV-Landschaften an. Darüberhinaus engagieren sich namhafte Firmen aus der IT-Branche wie IBM, Hewlett-Packard oder Oracle im Linux-Bereich und bieten Hard- und Software sowie Dienst-leistungen im Umfeld dieses Betriebssystems an.

1.3 Debian GNU/Linux

1.3.1 Die Debian-GNU/Linux-Distribution

Bei dem Debian-Projekt handelt es sich um eine lockere Organisation aus etwa1000 Entwicklern weltweit, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine freie Software-Distribution herauszugeben. Die Leute, die Debian zusammenstellen und pflegen– die Debian-Maintainer – räumen eine Menge Steine aus dem Weg des Benutzers.Beispielsweise ist die Einordnung von Dateien in Verzeichnisse zwar im Großen fest-gelegt, aber nicht in allen Einzelheiten. Wer seinem Rechner Software aus Quellenaußerhalb des Debian-Systems hinzufügt, hat oft damit zu kämpfen, dass Dateiennicht dort liegen, wo sie der Rest des Systems erwartet. Unser Buch befasst sichmit Debian GNU/Linux, der Linux-Distribution von Debian. Das Debian-Projekt istjedoch mehr als eine Linux-Distribution, da es auch andere Kerne als Linux unter-stützt, beispielsweise BSD-Kerne. Man kann Debian als ein Modell ansehen, umfreie Software so zu organisieren, dass sie jedermann einsetzen kann.

Das Projekt wurde 1993 von IAN MURDOCK gegründet, damals Student derPurdue-Universität. Der Name Debian entstand aus dem Vornamen seiner Frau DE-BRA und seinem eigenen Vornamen. Das Projekt ist im Web durch http://www.debian.org/ vertreten, im deutschen Sprachgebiet durch http://www.de.debian.org/. Entwickler und am Projekt Interessierte sind in der Debian Devel-opers’ Corner unter http://www.debian.org/devel/ zu Hause, währendVerwalter und Benutzer oft die Paketlisten unter http://www.debian.org/distrib/packages/ durchsuchen. Ein Debian-Wiki unter http://wiki.debian.org/ dient dem Gedankenaustausch. Die Entscheidungswege des Projek-tes sind in einer Verfassung oder Satzung (constitution, http://www.debian.org/devel/constitution) niedergelegt; aktuell ist Version 1.2 von 2003.

Für die Gründung des Debian-Projekts sprach vieles: Die kommerziellen Distri-butionen waren nicht so gut, wie sie hätten sein können, kommerzielle Distributo-ren bewarben ausgiebig neue, unausgereifte Linux-Eigenschaften, wodurch bei der

12 1 Was ist Debian GNU/Linux?

Kundschaft Enttäuschungen hervorgerufen wurden; außerdem begannen einige Dis-tributoren, freie und nicht-freie Software miteinander zu vermischen, was zur Folgehatte, dass die Distributionen nicht mehr uneingeschränkt benutzt werden durften.

Ein weiterer Grund für die Entstehung von Debian war, dass es sich bei einerDistribution selbst um Software handelt, die genauso frei sein sollte wie ihre Teile.Durch die Gründung von Debian wurde das Entwicklungsprinzip von Linux, näm-lich das gemeinschaftliche Arbeiten vieler Entwickler, die über das Internet mitein-ander kommunizieren, auf die Distribution ausgedehnt. Das Debian-Projekt selbsthat keine Rechtsform. Weil es bei einem Projekt dieser Größenordnung jedoch not-wendig ist, Gelder zu verwalten und Rechte wahrzunehmen, wurde von dem Pro-jekt die gemeinnützige Organisation Software in the Public Interest, Inc. (SPI) mitSitz in Indianapolis, USA gegründet, Website http://www.spi-inc.org/.Die Organisation tritt beispielsweise als Inhaberin des Warenzeichens Debian sowieals Copyright-Halterin für die Produkte des Debian-Projekts auf. Außerdem nimmtsie Geld- und Sachspenden an das Debian-Projekt entgegen. Eine kurze Geschich-te des Projektes findet sich unter http://www.debian.org/doc/manuals/project-history/. Speziell für Debianerinnen gibt es seit 2004 ein Debianwomen project mit der Website http://women.debian.org/.

Abb. 1.3: Das Debian-Logo, der dunkelrote Swirl

Das Logo des Debian-Projektes ist ein dunkelroter Swirl, siehe Abbildung 1.3.Das Wort swirl bedeutet im Englischen Wirbel oder Spirale. In einer erweitertenForm des Logos nur für den offiziellen Gebrauch entströmt der Swirl einer Flascheund könnte einen Flaschengeist oder magischen Rauch darstellen, der einen Rechnerzu sinnvollem Verhalten befähigt. Bilddateien etc. liegen in mehreren Größen undFormaten auf http://www.debian.org/logos/ zum Herunterladen bereit.

Der Name Debian GNU/Linux drückt aus, dass es sich um eine Softwaredistribu-tion handelt, die zwei Wurzeln hat, nämlich das GNU-System und den Linux-Kern.Zur Zeit wird daran gearbeitet, neben Linux auch andere freie Betriebssystemkernein das System zu integrieren. Vor allem das GNU-Projekt arbeitet schon seit langeman einem eigenen Betriebssystemkern namens HURD. Der Kern wird zur Zeit in dasSystem integriert. Aus diesem Grund wird die gesamte Distribution auch einfach nurDebian genannt, weil der Linux-Kern kein notwendiger Bestandteil mehr ist. In die-

1.3 Debian GNU/Linux 13

sem Buch wird von Debian GNU/Linux gesprochen, weil nur der Linux-basierte Teilder Distribution beschrieben wird.

Das Debian-Projekt fühlt sich freier Software besonders verpflichtet. Eine dertragenden Säulen des Projekts ist der Gesellschaftsvertrag (Social Contract, http://www.debian.org/social_contract), in dem die Ziele des Projekts de-finiert werden. Im Anhang zu dem Vertrag wird dargelegt, unter welchen Be-dingungen Debian ein Programm (E: programme, US-E: program, F: program-me, logiciel) als freie Software (F: logiciel libre) anerkennt. Die Richtlinien wer-den als Debian Free Software Guidelines (DFSG, http://www.debian.org/social_contract#guidelines) bezeichnet. Gesellschaftsvertrag und DFSGsind im Anhang des Buches ab Seite 1075 wiedergegeben. Die eigentliche Debian-Distribution besteht ausschließlich aus Programmen, die mit den DFSG in Einklangstehen. Als Service für die Benutzer der Distribution bereiten Debian-Entwickler je-doch auch einige nicht-freie Programme für den Einsatz auf Debian-Systemen vor.Der Grund ist im Wesentlichen, dass es zur Zeit noch Programme gibt, für die keinfreies Äquivalent verfügbar ist. Freie und nicht-freie Software befindet sich auf denDebian-Servern im Internet sowie auf den Debian-CD/DVDs in unterschiedlichenBereichen, sodass es für Benutzer sofort klar ist, aus welchem Bereich ein Programmstammt. Solange wir nur Programme aus dem Hauptteil der Distribution (main) ein-setzen, können wir sicher sein, dass wir das System im Sinne der DFSG frei benut-zen können. Falls wir jedoch Software aus den Abteilungen non-free oder contribeinsetzen, ist zu prüfen, ob wir diese Programme für den von uns geplanten Zweckbenutzen dürfen.

Software entwickelt sich weiter. Es gibt kaum ein Programm, von dem nichtim Lauf der Jahre neue Versionen veröffentlicht werden. Bei Debian werden dieAusgaben oder Suiten in dreierlei Weise gekennzeichnet:

• durch Nummern, beispielsweise 3.1r5, offiziell als Version bezeichnet, hier inder Revision 5,

• durch eine Klassifizierung wie unstable, testing und stable, Suite genannt,• durch (Code-)Namen wie woody, sarge, etch oder lenny.

Anfang 2007 bezeichneten 3.1r5, stable und sarge dieselbe Software. Ebenso mein-ten testing und etch dasselbe. Zu Ostern 2007 wurde etch unter der Versionsnum-mer 4.0 (4.0r0) mit dem Linux-Kern 2.6.18 als stabil freigegeben. Damit rückte diebisherige unstabile Version zu testing unter dem Namen lenny auf.

Die Entwicklung der Debian-Distribution ist vollkommen offen und für jeder-mann einsichtig. Das Projekt veröffentlicht drei Suiten der Distribution:

• stable: eine stabile und abgeschlossene Version, die in unregelmäßigen Zeitab-ständen von einer neuen stabilen Version abgelöst wird, Bevor eine neue stabileVersion herausgegeben wird, sind alle schwerwiegenden Fehler beseitigt. Zu ei-ner stabilen Version kommt nichts Neues mehr hinzu; es werden nur bekanntwerdende Mängel (Sicherheitslücken) beseitigt. Manche Benutzer halten stablefür veraltet, aber Stabilität hat ihren Preis.

• testing: eine noch nicht stabile vollständige Version, an der die Entwickler desProjekts arbeiten und die sich deswegen ständig ändert, für Arbeitsplätze geeig-

14 1 Was ist Debian GNU/Linux?

net, von denen nicht ein ganzes Netz abhängt. Immerhin haben die Pakete dieserSuite schon eine Reihe von Prüfungen bestanden.

• unstable: eine experimentelle, vollständige Version, bei der ein Benutzer mitschwerwiegenden Fehlern und raschen Änderungen rechnen muss und die da-her keinesfalls in der Produktion eingesetzt werden soll. Wer sich bei Problemenselbst zu helfen weiß, kann unstable fahren.

Darüber hinaus werden die letzte Revision der jüngstvergangenen Version unterder Bezeichnung oldstable sowie noch ältere Versionen in einem Archiv (http://archive.debian.org/) verfügbar gehalten, aber nicht mehr gepflegt. Ar-chivierte Versionen ändern sich nicht mehr, ihr Security Support ist beendet. AlsVorstufe zu unstable taucht gelegentlich experimental auf, unvollständig und nur fürExperimente geeignet. Der Weg eines Debian-Programmpaketes führt von unstableüber testing nach stable und irgendwann in das Archiv.

Abb. 1.4: Schnappschuss aus dem Film Toy Story von Disney-Pixar: Lenny, das Fernglas,nach dem Debian-testing (2007) benannt wurde

Fehler werden von Benutzern und Entwicklern in eine Datenbank eingegeben.Der Inhalt dieser Datenbank kann von jedermann gelesen werden. Für die Sicher-heit und Stabilität wesentliche Fehler werden laufend korrigiert. Wer seine Rechnerregelmäßig aktualisiert, braucht nicht auf die Veröffentlichung von Servicepaketen,Patch Days oder dergleichen zu warten. Die gibt es bei Debian nicht. Wer mit ei-ner stable-Suite arbeitet, sollte sein Debian GNU/Linux wöchentlich aktualisieren,für testing ist tägliches Nachführen nicht übertrieben. Mit apt-get ist der Auf-wand gering. Da der zeitliche Abstand zwischen zwei stabilen Versionen in die Jahre

1.3 Debian GNU/Linux 15

gehen kann – woody hielt sich drei Jahre – werden in kürzeren Abständen Point-Releases (revisions) von stable herausgegeben, das sind Momentaufnahmen, auf dieman sich bei Neuinstallationen oder beim Brennen von CD/DVDs beziehen kann.Das letzte Point-Release der Mitte 2005 abgelösten Version 3.0 mit Namen woodytrug die Nummer 6 und wird mithin als Version 3.0r6 bezeichnet. Nachfolger war dieVersion 3.1 mit Namen sarge, Point-Release 0. Im Jahr 2007 löste die Version 4.0mit Namen etch, bis dahin testing, die Version 3.1 (sarge) ab. Die instabile Versi-on wird stets mit sid benannt und bekommt keine Nummer. Wenn aus testing stablewird, rückt unstable zu testing auf und bekommt einen eigenen Namen, in diesemFall lenny, siehe Abbildung 1.4. Einige Monate vor dem Aufrücken einer testing-Version nach stable wird sie eingefroren, es werden nur noch Fehler beseitigt, aberkeine Pakete mehr hinzugefügt. Die Codenamen stammen aus dem Film Toy Sto-ry (1995) von Disney-Pixar (http://www.pixar.com/), der Firma, die auch Abug’s life und Finding Nemo gezeichnet hat. Zu den Charakteren siehe die englischeWikipedia unter dem Suchbegriff List of Toy Story characters.

Als Portierung oder Port wird die Anpassung einer Suite an eine Rechnerarchi-tektur beziehungsweise eine Familie von Zentralprozessoren bezeichnet. Eine Über-sicht findet sich auf http://www.debian.org/ports/. Der am weitestenverbreitete Port bezieht sich auf den Prozessor Intel 80386 (x86, IA-32, i386) undseine Abkömmlinge oder Nachbauten. Da jüngere Intel-Prozessoren wie 80486 oderPentium (80686) einige praktische Befehle mehr verstehen als der 80386, gibt esKerne, die auf die neueren Prozessoren hin optimiert sind. Der 80386-Port läuft aberauch auf den jüngeren Prozessoren, reizt sie jedoch nicht aus. Ebenso gibt es fürAMD-Prozessoren optimierte Kerne.

Die Debian-Paketlisten sind, um Benutzern die Suche zu erleichtern, thematischin Abschnitte, Sektionen oder Kategorien unterteilt, wobei die Auswahl der The-men oder die Zuordung eines Paketes mitunter diskutiert werden könnte. Immerhinbraucht sich so ein Benutzer, der sich einen Überblick über alle mit Email zusam-menhängenden Pakete verschaffen will, nicht durch 18.000 Pakete hindurchzuwüh-len, sondern nur durch 496. Die Sektionen sind:

• Administration Utilities Werkzeuge zur Systemverwaltung wie aptitude undgrub,

• Base Utilities vor allem Kerne,• Communication Programs Werkzeuge zur Benutzung von Modems wie mgetty

und uucp,• debian-installer udeb packages Werkzeuge zum Bau des Debian-Installers,

nichts für Normalverbraucher,• Development Werkzeuge für Programmentwickler wie alex und gcc,• Documentation Dokumentation, soweit nicht in Programmpaketen enthalten,

sowie Werkzeuge zum Lesen,• Editors Texteditoren und Textprozessoren wie abiword, emacs, vim und Open-

Office,• Electronics Werkzeuge für Elektrotechniker wie geda und klogic,

16 1 Was ist Debian GNU/Linux?

• Embedded software Software zum Einsatz auf Emdedded Systems wie match-box und openwince,

• Games Spiele von Gnuchess bis tuxkart,• GNOME GNOME-Software wie Evolution oder yelp,• Graphics Grafikwerkzeuge wie gimp und xsane,• Ham Radio Software für Funkamateure,• Interpreters Übersetzer für interpretierte Programmiersprachen von AWK über

BASIC bis Tcl,• KDE KDE-Software wie abakus und ktorrent,• Library development Programmbibliotheken für Entwickler,• Libraries spezielle Bibliotheken zur Ergänzung der Standardbibliotheken,• Mail Alles, was mit Email zu tun hat, wie mutt und exim4,• Mathematics mathematische Werkzeuge wie axiom und bc,• Miscellaneous Vermischtes, was nirgendwoanders hinpasst, wie megahal und

med-tools,• Network Server, Clients und Werkzeuge für das Netz wie cupsys, dnsmasq und

ntp, soweit nicht in anderen Sektionen untergebracht,• Newsgroups Software für das Usenet wie cnews und tin,• Old Libraries alte Bibliotheken, die möglicherweise von alten Anwendungen

noch gebraucht werden,• Other OS’s and file systems Emulatoren wie dosemu und Werkzeuge für fremde

Dateisystemtypen wie mtools,• Perl Alles, was mit der Programmiersprache Perl zu tun hat,• Python Alles, was mit der Programmiersprache Python zu tun hat,• Science wissenschaftliche Anwendungen wie cernlib und kstars,• Shells Kommandointerpreter von der Bash bis zu zsh,• Sound Werkzeuge zur Aufnahme, Bearbeitung und Wiedergabe von Schall von

ALSA bis xmms2,• TeX das TEX-/LATEX-Satzsystem,• Text Processing Werzeuge zum Bearbeiten, Formatieren und Drucken von Text

wie a2ps und ispell,• Utilities Dienstprogramme verschiedener Art wie coreutils und gnupg,• Virtual packages virtuelle Pakete, die andere Pakete einbinden, beispielsweise

mail-tranport-agent, das einen der MTAs wie Exim4 oder Postfix holt,• Web Software Web-Server, -Clients und -Hilfsprogramme wie apache und ice-

weasel,• X Window System software das X Window System mit Servern und Clients wie

xorg und xterm.

Ein Paket gehört immer nur einer Sektion an, auch wenn es vom Thema her in meh-rere passen würde. Oft benutzt man die Suchfunktion der Debian-Webseite, ohne aufdie Sektion Wert zu legen.

Debian-Pakete werden ferner nach ihrer Dringlichkeit (priority) in fünf Klasseneingeteilt:

• required notwendig zum Funktionieren eines Debian-Systems,

1.3 Debian GNU/Linux 17

• important wichtig, um mit einem Debian-System überhaupt arbeiten zu können,• standard sinnvoll auf einem einfachen Debian-System ohne Grafik,• optional wahlfrei, mit diesen Paketen kommt Freude auf,• extra ebenfalls wahlfrei, aber oft in Konflikt zu Paketen aus den vorgenannten

Klassen stehend, sodass sich ein Verwalter entscheiden muss, welches Paket erbevorzugt.

Weniger als die Pakete aus den Klassen standard und davor wird man nicht einrich-ten.

Während die Sachverhalte der Entwicklung von Debian GNU/Linux klar sind,hat sich die Bezeichnungsweise noch nicht stabilisiert. Die Begriffe Distribution,Suite, Branch, Release, Revision, Version und Abteilung werden nicht einheitlich ver-wendet; dazu kommen Fragen der Übersetzung und der Sprachgebrauch außerhalbvon Debian. Der Leser klammere sich nicht an die Wörter.

Gentoo (http://www.gentoo.org/) ist eine Distribution von GNU/Linuxoder FreeBSD, die nur Quellcode verteilt und vom Benutzer erwartet, dass er dieBinärdateien auf seinem Rechner erzeugt. Das ist ein interessanter Ansatz – viel-leicht nicht für jedermann geeignet – der es ermöglicht, die Binärdateien optimalan die jeweiligen Wünsche und die vorliegende Hardware anzupassen. Außerdemlernt man viel dabei. Bei Debian sind Versuche in dieser Richtung, genannt DebianFrom Scratch (DFS), auf http://people.debian.org/~jgoerzen/dfs/html/ nachzulesen.

Die konservative Auslegung der Begriffe frei und stabil im Projekt wird gelegent-lich als Nachteil angesehen, ist aber ein wesentliches Merkmal von Debian und trägtzu seinem guten Ruf bei. Wer unbedingt neuere Software als in stable enthalten benö-tigt, greift zu testing und kann damit in der Regel unbeschwert arbeiten. Seit Herbst2005 nimmt testing ebenso wie stable am Sicherheits-Support von Debian teil. Si-cherheitsmängel werden schnellstmöglich beseitigt. Einen Arbeitsplatzrechner, vondem nicht weitere Rechner abhängen, kann man durchaus unter testing betreiben– vielleicht nach einem halben Jahr Abwarten seit der Höherstufung. Für kritischeServer sollte man jedoch Stabilität über alles stellen. Auch sperrt sich Debian nichtgegen den Einsatz unfreier Software, nur gehört sie nicht ins Projekt.

Debian GNU/Linux zählt zu den bedeutendsten Linux-Distributionen, und esdarf davon ausgegangen werden, dass Debian GNU/Linux – weltweit betrachtet –die zweitgrößte Linux-Distribution ist. Im Vergleich zu anderen Distributionen bie-tet Debian GNU/Linux die größte Anzahl von Softwarepaketen, Anfang 2007 rund18.000. Unterstützt werden neben Intel-80386-kompatiblen PCs knapp ein Dutzendweiterer Rechnerarchitekturen. Ferner unterstützt Debian GNU/Linux eine Vielzahlmenschlicher Sprachen, von Arabisch bis Ukrainisch.

Die ersten Zentralprozessoren – Anfang der 70er Jahre – verfügten über eine Bus-breite von 4 Bits. Ihr Adress- und Zahlenbereich war auf 2 hoch 4 begrenzt. Heutesind CPUs mit einer Busbreite von 32 Bits am weitesten verbreitet. Beim Prozessor-hersteller Intel gehen sie auf den Typ 80386 von 1985 zurück, dessen Architekturund Befehlssatz oft mit i386 bezeichnet wird, auch in den Debian-Paketlisten. DieNachfolger und Nachbauten sind schneller geworden, am Grundsätzlichen hat sich

18 1 Was ist Debian GNU/Linux?

aber nichts geändert. Erst mit der Intel Architecture 64 (IA-64, ia64) ist die Bus-breite durchgängig auf 64 Bits erhöht und zugleich ein neuer Befehlssatz eingeführtworden. Vorteile sind ein größerer Zahlen- und Speicheradressbereich sowie eineschnellere Abarbeitung der Befehle. Die Software muss mitspielen, weshalb in denDebian-Paketlisten ia64 von i386 getrennt ist. Prozessoren anderer Hersteller ver-wenden teilweise schon länger Busse bis hin zu 128 Bits Breite, sind aber nicht soverbreitet.

Debian GNU/Linux ist kostenlos über das Internet verfügbar. Weil das Herunter-laden der Distribution für viele Benutzer mit Kosten verbunden ist, stellt das Debian-Projekt Abbilddateien der Distribution bereit, die aus dem Internet heruntergeladenund von Firmen zur Herstellung von CD/DVDs benutzt werden. CD/DVD-Sätze,die aus den Abbilddateien des Debian-Projekts erstellt wurden, werden als offizi-elle Debian-CD/DVDs bezeichnet (23 CDs). Daneben gibt es Anbieter, die selbstDebian-CD/DVDs zusammenstellen. Solche CD/DVDs sind speziell auf bestimmteBedingungen angepasst oder enthalten zusätzliche Software, die das Debian-Projektmit den offiziellen CD/DVDs nicht verteilt.

Jede Distribution hat ihre Stärken und Schwächen. Kommerzielle Distributorenbemühen sich um einfach zu benutzende oder ansprechend aussehende Installations-programme. Dies sind Programmteile, die – vor allem von den Medien – bei Ver-gleichen von Linux-Distributionen oft getestet werden und mit denen sich schnellgute Testergebnisse erzielen lassen. Debian GNU/Linux wird von Anwendern fürAnwender gemacht. Die Einrichtung des Betriebssystems mit einem aufwendigengrafischen Programm hat für die tägliche Arbeit jedoch eine geringe Bedeutung (wasnicht heißt, dass Debian GNU/Linux schwierig einzurichten ist). Deswegen steht beiDebian GNU/Linux im Vordergrund, dass sicher und stabil mit dem System gearbei-tet werden kann.

Aus Wettbewerbsgründen sind in kommerziellen Distributionen oft jüngere Ver-sionen bekannter Programme enthalten. Diese werden gelegentlich in letzter Minu-te in die Distribution aufgenommen, ohne vorher ausreichend getestet worden zusein. Auf der anderen Seite werden weniger bekannte, aber für den Betrieb ebensowichtige Programme von diesen Distributoren vernachlässigt, weil sich damit nichtwerben lässt. Debian ist nicht auf Marketing angewiesen und nimmt deshalb aufsolche Überlegungen keine Rücksicht. Hier stehen die Stabilität und Fehlerfreiheitbei gleichmäßiger Aktualität aller Komponenten im Vordergrund. Dies macht sichbei Aktualisierungen des Systems bemerkbar: Ein Debian-GNU/Linux-System kannproblemlos von einer auf die nächste Version der Distribution (sarge -> etch) aktua-lisiert werden, ohne dass persönliche Anpassungen verloren gehen oder das Systemneu gestartet werden muss. Debian-GNU/Linux-Systeme lassen sich über Jahre oh-ne Unterbrechung betreiben, es sei denn der Betriebssystemkern muss ausgetauschtwerden – was schlecht im laufenden Betrieb erledigt werden kann – oder ein Hard-wareproblem zwingt dazu, den Rechner herunterzufahren.

Falls Sie sich eingehend mit den Besonderheiten von Debian und den dahinterstehenden organisatorischen Strukturen befassen wollen – also den Dingen, die De-bian GNU/Linux von den übrigen GNU/Linux-Distributionen unterscheiden – erfah-ren Sie bei MARTIN F. KRAFFT auf 600 Seiten mehr zum Debian-System. Auf der

1.3 Debian GNU/Linux 19

anderen Seite schreibt er nichts über die Bash, das Common UNIX Printing System,X11 oder Textverarbeitung. Diese Gebiete liegen außerhalb seines Themas.

1.3.2 Warum Debian GNU/Linux?

Vor nicht langer Zeit war der Begriff Linux nur Eingeweihten (Freaks, Gurus, Ge-eks, Wizards, Nerds, Hackern . . . ) vertraut. Heute lesen wir Neuigkeiten über Linuxin der Tageszeitung und sehen Berichte im Fernsehen zu diesem Thema. WelcheGründe sprechen für den Einsatz eines Linux-Betriebssystems? Und welche Gründesprechen dafür, gerade Debian GNU/Linux zu verwenden?

• Linux/UNIX ist das älteste der heute gebräuchlichen Betriebssysteme und aus-gereift. Es war von Anbeginn auf Zusammenarbeit unterschiedlicher Hardware,unterschiedlicher Software und zahlreicher Benutzer angelegt. Ein aktuelles Li-nux/UNIX kann wesentlich mehr als ein UNIX von 1980, aber was ein Verwalterdamals gelernt hat, gilt auch heute noch. Es reicht nur nicht mehr aus.

• Stabilität GNU/Linux ist eines der stabilsten Betriebssysteme für PCs. HäufigeAbstürze sind mit GNU/Linux Vergangenheit. Debian GNU/Linux wird langeZeit öffentlich getestet, bevor es als stabil freigegeben wird. Es ist deswegen einbesonders zuverlässiges und sicheres GNU/Linux-System.

• Geringe Hardwareanforderungen GNU/Linux benötigt für eine Aufgabe inder Regel weniger Hardwareressourcen (CPU-Takt, Speicher) als andere Be-triebssysteme. Das System ist modular aufgebaut. So braucht eine grafischeOberfläche nur dort eingerichtet zu werden, wo sie auch benötigt wird.

• Mehrbenutzerfähigkeit GNU/Linux ermöglicht mehreren Benutzern, gleich-zeitig mit dem System zu arbeiten. Dies beschränkt sich nicht auf den Einsatzals Web-, Datei- oder Mailserver, sondern gilt auch für die Ausführung von Pro-grammen. Das System lässt sich gut als Anwendungsserver einsetzen.

• Sicherheit Unter GNU/Linux lassen sich Daten wirkungsvoll vor dem Zugriffdurch Unbefugte schützen. Weil der Quellcode des Betriebssystems offen gelegtist, wird er von vielen Leuten geprüft; sicherheitsrelevante Fehler werden schnellentdeckt und behoben.

• Kooperativität Debian GNU/Linux kann problemlos auf Rechnern eingerichtetwerden, auf denen sich bereits andere Betriebssysteme befinden oder nachträg-lich hinzugefügt werden sollen. Zum Startzeitpunkt wird ausgewählt, welchesder Betriebssysteme gestartet werden soll.

• Benutzerfreundlichkeit Mit KDE und GNOME stehen zwei freie grafische Be-nutzeroberflächen (Arbeitsumgebungen, Desktöppe) für GNU/Linux zur Verfü-gung, mit denen das System ähnlich benutzt werden kann wie ein MS-Windows-oder Macintosh-basiertes System.

• Freiheit Alle Teile von Debian GNU/Linux sind freie, offene Software. Sie sindim Quellcode verfügbar, dürfen beliebig oft eingesetzt, angepasst, verändert undweitergegeben werden, ohne Gebühren zu zahlen oder um Erlaubnis zu fragen.Sie brauchen sich nicht mit komplizierten Lizenzvereinbarungen herumzuschla-gen, mit irgendetwas einverstanden zu erklären, irgendwo registrieren zu lassen

20 1 Was ist Debian GNU/Linux?

oder irgendetwas zu aktivieren und bei Änderungen am Rechner erneut zu akti-vieren. Sie hängen nicht auf Gedeih und Verderb von einem einzigen Herstellerab. Weil es in einigen Fällen unumgänglich ist, nicht-freie Software einzusetzen,wird eine Reihe von nicht-freien Programmen vom Debian-Projekt als Dienst-leistung ebenfalls für den Einsatz mit der Debian-Distribution vorbereitet. DieseSoftware ist jedoch kein Teil der offiziellen Distribution und deutlich abgegrenzt.

• Preis GNU/Linux ist günstig erhältlich. Wer über eine Internetanbindung ver-fügt, lädt Debian GNU/Linux aus dem Internet herunter und bezahlt außer denVerbindungskosten nichts. Debian-DVDs kosten nur wenige Euro.

• Investitionssicherheit Weil Debian keine kommerziellen Interessen verfolgt,werden wir nicht in kurzen Abständen gezwungen, Updates oder neue Pro-grammversionen zu bezahlen und einzurichten. Zudem besteht keine Gefahr,dass die Distribution eines Tages aufgrund fehlendes wirtschaftlichen Erfolgeseingestellt wird. Das Debian-Projekt kann nicht aufgekauft werden.

• Umfang Debian GNU/Linux bietet eine große Zahl an Softwarepaketen, die fürdas System vorbereitet sind. Zur Zeit sind dies rund 18.000 Pakete. Mit der Soft-ware lassen sich die meisten Aufgaben von der Büroanwendung über Server bishin zum Zahlenknacker in der Forschung abdecken.

• Kommerzielle Software Immer mehr Firmen setzen auf GNU/Linux. DieGroßen der IT-Branche wie IBM, Hewlett-Packard, SUN oder Oracle finanzierendie Entwicklung von GNU/Linux mit und bieten Software für das Betriebssysteman. Aber auch viele neue Linux-Firmen sind mit GNU und Linux gewachsen undbieten angepasste Lösungen an.

• Unterstützung Bei Fragen zu Linux, GNU oder Debian sind zahlreiche kom-petente Benutzer bereit zu antworten. In den meisten Städten gibt es Linux-Benutzergruppen (Linux User Groups, LUGs), die sich auf Ihren Besuch freu-en. Weiter gibt es im Internet eine Vielzahl von Foren, in denen alle möglichenLinux-, GNU- und Debian-bezogenen Fragen diskutiert werden. Zusätzlich bie-ten Unternehmen kommerziellen Linux-Support an. Schließlich steht im Netzeine Unmenge an Dokumentation bereit. Nur wenig Software ist so ausführlichdokumentiert wie Debian GNU/Linux.

• Flexibilität Die Distribution enthält für viele Aufgaben unterschiedliche, alterna-tiv oder nebeneinander einsetzbare Programmpakete. Falls Sie von einer anderenGNU/Linux-Distribution zu Debian GNU/Linux wechseln, werden Sie feststel-len, dass die meisten Programme, die Sie von Ihrer alten Distribution kennen,auch unter Debian GNU/Linux verfügbar sind.

• Modularität Debian GNU/Linux ist modular aufgebaut. Es braucht nicht erstein großes Basispaket eingerichtet zu werden; vielmehr kann jedes Paket einzelnausgewählt werden10, wodurch weniger Festplattenplatz benötigt wird. Paketelassen sich jederzeit nachrüsten oder auch wieder hinauswerfen.

• Rechnerarchitekturen Debian GNU/Linux unterstützt knapp ein DutzendRechnerarchitekturen. Neben dem klassischen Intel-80386-kompatiblen PC(i386, IA-64) werden Amiga, Atari, Apple-Macintosh (sowohl m68000- als auch

10Einige zentrale Pakete müssen immer eingerichtet sein.

1.3 Debian GNU/Linux 21

PowerPC-Prozessoren), Hewlett-Packard (hppa), SUN-Workstation (sparc) undweitere unterstützt. Debian GNU/Linux kennen zu lernen und zu verwendenbedeutet, flexibel zu bleiben.

• Softwaremanagement Das Paketverwaltungssystem von Debian gehört zu denbesten. Es erlaubt den nahtlosen Übergang von einer Debian-Version zur näch-sten und kann Software direkt aus dem Internet einrichten. Vorhandene Anpas-sungen werden beibehalten. Es kennt alle Beziehungen verschiedener Software-bestandteile untereinander und verhindert, dass unbenutzbare Programme einge-richtet werden oder das System durch die Entfernung eines Paketes lahm gelegtwird. Während der Einrichtung von Software ist ein Neustart des Systems seltennotwendig, sodass die Ausfallzeiten des Rechners auch während der Aktuali-sierung minimal sind. Das Einrichtungsprogramm (Installer) steht in 58 Spra-chen von Albanisch bis Wolof zur Verfügung. Wer schon einmal Linux/UNIX-Software als Tarball aus dem Netz heruntergeladen und von Hand übersetztund eingerichtet hat, ist für die vorbereiteten Debian-Pakete und Werkzeuge wieapt-get dankbar.

Wir räumen ein, dass es einige auf dem Markt führende Softwareprodukte gibt, dienicht für GNU/Linux verfügbar sind, unabhängig von Kosten und Lizenzen. Mit derzunehmenden Bedeutung von GNU/Linux kann sich das bessern.

Linux/UNIX gilt als schwierig. Auf die Benutzung trifft das nicht zu. Der Ver-walter hat allerdings einigen Stoff zu lernen. Auf Grund unserer Erfahrungen – auchmit anderen Betriebssystemen auf kleinen und großen Rechnern – sind wir der Mei-nung, dass Linux/UNIX für viele Aufgaben die einfachste Lösung bietet, zudem an-passungsfähig und gut dokumentiert ist. Probleme sind am ehesten beim X WindowSystem (X11, Grafik), bei Email und beim Drucken in einem heterogenen Netz zuerwarten. Das liegt daran, dass bei diesen Aufgaben viele verschiedenartige Kom-ponenten zusammenarbeiten müssen. Im Übrigen gilt für Linux/UNIX dasselbe wiefür das Kuchenbacken: Wer es noch nie versucht hat, wird am Anfang mit Schwie-rigkeiten zu kämpfen haben, aber jeder kann es so weit bringen, dass für den Alltagbrauchbare Ergebnisse herauskommen.

Der Umfang unserer beiden Debian-Bücher – und anderer – soll Sie nicht ab-schrecken. Es ist nicht erforderlich, alles im Kopf zu haben, schon gar nicht diezahllosen Einzelheiten. Ein paar Konzepte sollte man verstanden haben und vor al-lem wissen, wie und wo man bei Fragen Hilfe bekommt. Deshalb nennen wir unsereQuellen, auch wenn sich die Hyperlinks stellenweise häufen. Wer sich eingehend miteinem Thema befassen und den aktuellen Stand erfahren will, kommt um das Webnicht herum.

1.3.3 Auf Debian aufsetzende Distributionen

Wenn Debian GNU/Linux das Gelbe vom Ei ist, warum finden sich dann Distribu-tionen, die auf Debian-Paketen aufsetzen? Was machen die Derivate besser? Schau-en wir uns einige an. Knoppix (http://www.knopper.net/knoppix/) vonKLAUS KNOPPER ist ein Live System, das ohne weitere Einrichtung unmittelbar

22 1 Was ist Debian GNU/Linux?

von CD oder DVD gestartet werden kann, vorausgesetzt der Rechner beherrscht dasBooten von CD/DVD. Nicht zu alte PCs bieten im BIOS die Möglichkeit, von ver-schiedenen Medien (Floppy, Festplatte, CD, SCSI) zu starten und die Rangfolge derMedien vorzugeben. Unter CD ist dabei immer ein CD- oder DVD-Laufwerk mitIDE/ATAPI-Schnittstelle zu verstehen, nicht ein SCSI-Laufwerk. Zum Booten vonCD/DVD ist dessen Laufwerk an die erste Stelle zu setzen. Neuere SCSI-Adapter er-lauben, in ihrem BIOS (nicht im System-BIOS) die SCSI-Adresse einzustellen, vonder gebootet werden soll. Bei älteren SCSI-Adaptern muss das Boot-Gerät – meistdie erste Festplatte – die SCSI-Adresse 0 tragen, vereinzelt (Hewlett-Packard) auch6. Notfalls lässt sich von der CD/DVD das Image (bitgenaue Kopie) einer Boot-Floppy auf eine Floppy übertragen, mit dieser booten und dann von der Knoppix-CD/DVD arbeiten.

Abb. 1.5: Screenshot einer von DVD auf einem PC laufenden Knoppix-Distribution, hier mitdem KDE-Dateimanager Konqueror auf dem Schirm

Knoppix ist als Beilage zu einem Computer-Magazin bekannt geworden, aberauch unabhängig davon zu haben und entwickelt sich lebhaft weiter. Gegenwärtigsind eine abgespeckte Ausführung auf CD und eine Maxi-Ausführung auf DVD er-hältlich. Eine Knoppix-Scheibe eignet sich ausgezeichnet als Rettungssystem für ab-gestürzte PCs, gleich unter welchem Betriebssystem. Mittlerweile gibt es fremdspra-chige Ausgaben von Knoppix – beispielsweise Kaella unter http://kaella.linux-azur.org/ – Varianten und Derivate. Abbildung 1.5 zeigt einen Screen-

1.3 Debian GNU/Linux 23

shot eines Knoppix, das von DVD ohne zusätzliche Konfiguration auf einem IBM-NetVista-PC läuft. Knoppix hat bei Benutzern anderer Betriebssysteme viele Freun-de für GNU/Linux geworben, weil man unverbindlich von der CD/DVD booten undmit dem System arbeiten kann, ohne bleibende Änderungen auf der Festplatte vor-nehmen zu müssen. Das Arbeiten von CD/DVD geht nicht so flott wie von Platte,aber für erste Schritte reicht die Geschwindigkeit allemal.

Da ein Live-System nicht auf der Festplatte des Rechners eingerichtet zu wer-den braucht, eignet es sich hervorragend zum Ausprobieren und Herumspielen, fürVorführungen und zum Behandeln kranker Systeme. Beispielsweise lässt sich einvon Viren befallener Rechner mit einem Live-System betreiben, um zu retten, waszu retten ist. Dabei braucht man nicht zu befürchten, dass das Live System ange-steckt wird, weil eine CD/DVD nur gelesen werden kann. Im Debian-Projekt selbstsind ebenfalls Bemühungen im Gange, ein Live System zu erstellen, siehe http://live.debian.net/ und http://wiki.debian.org/DebianLive/.

Ubuntu (http://www.ubuntu.com/) ist ein Debian-Derivat, das einfacheinzurichten ist und halbjährlich in einem neuen Release erscheint, während es beiDebian schon einmal Jahre dauern kann. Auch von Ubuntu gibt es Live-CDs so-wie zwei Ableger namens Kubuntu (http://www.kubuntu.org/) mit Schwer-punkt KDE sowie Edubuntu (http://www.edubuntu.org/) mit einer Aus-wahl pädagogischer Software.

Skolelinux aus Norwegen (http://www.skolelinux.org/, http://www.skolelinux.de/) ist eine auf Debian GNU/Linux basierende Plattform fürfreie Software in der Bildung. Sie ermöglicht die Einrichtung eines lokalen Netzes ineiner Schule. Zu Skolelinux gehören die Liste http://lists.debian.org/debian-edu/ und der Wiki http://wiki.debian.org/DebianEdu. Inden Debian-Paketlisten finden sich zwei Dutzend Metapakete, großenteils aus derAbteilung misc, deren Name mit education beginnt. Ein Metapaket enthält nur Ver-weise auf normale Pakete, sodass man mit der Einrichtung eines Metapaketes meh-rere thematisch zusammengehörende Pakete auf den Rechner holt.

Debian-Med ist eine angepasste Debian-Distribution (Custom Debian Distribu-tion, CDD). Sie will ein freies System für alle Aufgaben im medizinischen Bereichwerden und ist unter http://www.debian.org/devel/debian-med/ zuHause. Das GNU-Projekt GNUmed (http://www.gnumed.org/) ist Bestand-teil von Debian-Med. In den Debian-Paketlisten gibt es einige Pakete, deren Namemit med beginnt. Beim Suchen nach der Zeichenkette med kommt viel multimedialesZeug mit. Das Projekt scheint noch nicht so weit gediehen zu sein wie DebianEdu.

An Kinder von 1 bis 99 wendet sich das Projekt Debian Junior, ebenfalls eine an-gepasste Debian-Distribution. Es ist unter http://www.debian.org/devel/debian-jr/ zu finden. In den Paketlisten finden sich knapp zwei Dutzend Meta-pakete, deren Name mit junior beginnt. Die Pakete sind auf einem laufenden Debian-System einzurichten, stellen also keine vollständige Distribution dar. Außerhalb vonDebian bemühen sich weitere Projekte um freie Software in Kinderzimmer undSchule, beispielsweise die Open Source Education Foundation (OSEF, http://www.osef.org/), Schoolforge (http://www.schoolforge.net/) oderTux4Kids (http://www.tux4kids.net/).

24 1 Was ist Debian GNU/Linux?

Das Projekt Agnula (A GNU/Linux Audio Distribution, http://www.agnula.org/) wurde 2002 in der EU gestartet, um ein besonders für Multimedia-Anwendungen geeignetes GNU/Linux-System zu schaffen, das sich leicht ein-richten lässt. Geht man von einem allgemeinen GNU/Linux-System aus, hat mangerade bei dieser Ausrichtung einige Hürden zu überwinden. Die Debian-Variantevon Agnula nennt sich DeMuDi (Debian Multimedia Distribution) und ist aufhttp://demudi.agnula.org/ beheimatet.

Kanotix (http://kanotix.com/) basiert auf Debian Sid, also der neuesten,weitgehend ungetesteten Version, und ist damit besonders für Benutzer geeignet, dieauf neueste Software angewiesen sind, beispielsweise weil sie mit Hardware arbei-ten, die erst seit kurzem auf dem Markt ist.

Linspire (http://www.linspire.com/) ist ein ursprünglich auf DebianGNU/Linux aufbauendes, teilkommerzielles Betriebssystem, das versucht, dem Be-triebssystem eines Fensterherstellers ähnlich zu sehen und ebenso intuitiv benutzbarzu sein. Das Produkt wird kontrovers diskutiert, aber man darf nicht vergessen, dassfrei im Sinne von GNU und Debian nicht kostenfrei einschließt. Sein Hersteller un-terstützt einige Open Source Projekte.

LiMux (http://www.muenchen.de/linux/) ist ein seit 2004 laufendesProjekt der Stadtverwaltung München mit dem Ziel der Migration (Übergang) zufreier Software. Die Lösung beruht weitgehend auf Debian GNU/Linux. Die Umstel-lung soll sich während des laufenden Betriebes über vier Jahre erstrecken. Ähnlichwie München stellt auch die Stadt Wien weich auf freie Software um, und zwar aus-drücklich auf Debian GNU/Linux. Das Projekt WIENUX (http://www.wien.gov.at/ma14/wienux.html) läuft seit Anfang 2005 und stellt seine Softwareim Web bereit. Auf der Webseite wird davon abgeraten, WIENUX privat einzusetzen,da es an die Bedürfnisse der Verwaltung einer Großstadt angepasst sei. Auch wer ander Software kein unmittelbares Interesse hat, kann aus dem Migrationsvorgang ler-nen, wie man einen großen Betrieb ohne Unterbrechung auf freie Software umstellt.Der deutsche Bundestag hat im 2003 begonnenen und 2005 abgeschlossenen ProjektMigOS seine Server auf GNU/Linux mit Samba und Open LDAP umgestellt, ist alsonicht so weit gegangen wie die beiden Stadtverwaltungen, die auch die Arbeitsplätzenach und nach auf GNU/Linux umstellen. Die französische Nationalversammlungstellt ganz auf offene Software um.

Das waren längst nicht alle Debian-Derivate. Auf der Webseite http://www.debianhelp.co.uk/debian.htm werden 146 auf Debian GNU/Linux beru-hende Derivate aufgelistet. Es gibt auch kommerzielle Derivate wie den UniventionCorporate Server (http://www.univention.de/) aus Bremen oder ProgenyDebian von Progeny Linux Systems (http://www.progeny.com/), der Firmavon IAN MURDOCK. Die meisten Derivate haben ihre Berechtigung, da sie beson-dere Ziele verfolgen, die das allgemein angelegte Debian-Projekt nicht in Angriffnehmen kann oder will.


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