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rntedankfest 1933 – die abge-bildete Postkarte mit den Äh-rengebinden in Hakenkreuz-

form habe ich in einem Akten-schrank des Oggersheimer Pfarrbü-ros entdeckt, nachdem ich dort mei-ne erste Gemeindepfarrstelle ange-treten hatte. Die Karte war offenbarüber Jahrzehnte übersehen worden.Als ich einige Jahre später begonnenhabe, mich mit der Geschichte derEvangelischen Akademie der Pfalzzu beschäftigen, bin ich wieder aufein vergessenes Relikt der NS-Zeitgestoßen: 1961 bis 1968 leitete CarlSchneider die Evangelische Akade-mie. Der ehemalige Rigaer und Kö-nigsberger Theologieprofessor warals Akademiedirektor und ausgewie-sener Hellenismus-Spezialist hochgeschätzt. 1974 erhielt er das Bun-desverdienstkreuz. Weniger bekanntist, dass Schneider während der NS-Zeit als Mitglied des Eisenacher„Ins ti tuts zur Erforschung und Be-seitigung des jüdischen Einflussesauf das deutsche kirchliche Leben“an der Umdeutung der christlichenTheologie in eine antisemitischeIdeologie beteiligt war. Die kritischeAuseinandersetzung mit Schneiderbeschränkt sich bisher fast aus-schließlich auf einen englischspra-chigen Zeitschriftenbeitrag. Die bei-den Beobachtungen werfen Fragenauf: Wie gut hat die pfälzische Lan-deskirche ihre NS-Vergangenheitaufgearbeitet?

Nach 1945 dominierten – wie inder Nachkriegsgesellschaft insgesamt– Verdrängungsmechanismen. DieEntnazifizierungsprozesse warenauch in der Kirche von dem Wunschgeprägt, möglichst schnell und kon-fliktarm zur Normalität zurückzukeh-ren. Es dauerte fast 30 Jahre, bis derKirchenhistoriker Karl-Georg Fabererste „Überlegungen zur Geschichteder pfälzischen Landeskirche unter

dem Nationalsozialismus“ anstellte.1995 veröffentlichte Hans Reichratheine Biografie über den pfälzischen„Landesbischof“ Ludwig Diehl, derseit 1927 der NSDAP angehört hatte.1997 zeigte dann der katholischeKirchenhistoriker Thomas Fandel ineiner umfangreichen Arbeit über„Konfession und Nationalsozialis-mus“, wie groß die Überschneidun-gen zwischen protestantischem undnationalsozialistischem Milieu inder Pfalz waren. Ein differenziertesSelbstbild über die eigene Rolle inder NS-Zeit hat die Landeskirche al-lerdings noch nicht entwickelt.

Es entspricht üblichen Rhythmenvon Erinnerungskultur und Zeitge-schichtsforschung, dass die Landes-kirche erst jetzt an eine systemati-sche Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit geht. Was der US-Historiker Timothy Snyder ganz all-gemein bemerkt hat, gilt auch für diepfälzische Regionalkirchengeschich-te: „Historisch bin ich überzeugt,dass wir die ersten 60 Jahre sowieso

nie etwas verstehen. Alle Beteiligtenmüssen tot und alle Quellen zugäng-lich sein, und dann brauchen wir im-mer noch viel Zeit, um alles zudurchdenken.“ Das derzeit unter Fe-derführung der Akademie im Entste-hen begriffene Handbuch zur Ge-schichte der pfälzischen Landeskir-che in der NS-Zeit wird Anfang2015 erscheinen. Es zeichnet sichdas Bild einer Kirche ab, die sich imSog der allgemeinen Begeisterungfür den Nationalsozialismus in denJahren 1933 und 1934 innerhalb we-niger Monate fast komplett selbstgleichschaltete und sich „offen undfreudig zum Dritten Reiche AdolfHitlers“ bekannte. Eine entscheiden-de Rolle spielte dabei die Einschät-zung, dass man mit den Nationalso-zialisten zwei große gemeinsameGegner habe: die politische Linkeund den angeblich auf kulturelle Do-minanz abzielenden Katholizismus.Einig glaubte man sich auch in derkonsequenten Bezugnahme auf Volkund Nation. In der Folgezeit hatte

die Landeskirche der totalitären, ras-sistischen und expansionistischenPolitik des Regimes kaum etwas ent-gegenzusetzen. Zwischen den libera-len und den orthodoxen Strömungeninnerhalb der Landeskirche gab esdabei keine signifikanten Unter-schiede. Auch die innerkirchlicheOpposition, die sich gegen eine Ein-gliederung in die Reichskirche aus-sprach, verhielt sich in politischerHinsicht weitgehend systemkon-form. Vereinzelte Konflikte konnteder kirchlich wie parteipolitischausge zeichnet vernetzte Diehl ge-schmeidig ausbalancieren. Korrek-turbedürftig ist zumindest für diePfalz das Bild einer prinzipiell kir-chenfeindlichen Politik des NS-Re-gimes. Zwar gab es spätestens seit1940 deutliche Einschränkungen undBehinderungen. Für viele Bereichekirchlichen Handelns lässt sich aberzugleich ein Bild erstaunlicher Nor-malität zeichnen. Das gilt nicht zu-letzt für die gute finanzielle Ausstat-tung der Landeskirche.

Die absehbaren Forschungsergeb-nisse werfen die Frage nach einerkritischen kirchlichen Erinnerungs-kultur auf. Neben Referenzereignis-sen wie der Speyerer Protestationoder der Kirchenunion gehören auchdie Erfahrungen des Versagens in derNS-Zeit zur Identität der Landeskir-che. Hier zeigen sich die Gefährdun-gen einer konsensorientierten, vonpersönlichen Beziehungen geprägten,staatsnahen Landeskirche. Wie sichdas kritische Potenzial des Christen-tums gegenüber gesellschaftlichenFehlentwicklungen weitertradierenund nötigenfalls zur Geltung bringenlässt, bleibt eine Zukunftsaufgabe.Sie ist nicht nur für die Kirche, son-dern auch für die Sicherung vonMenschenwürde und freiheitlicherDemokratie von wesentlicher Bedeu-tung. Christoph Picker

Postkarte zum Erntedankfest 1933: Hakenkreuz-Gebinde im Altarraum der Mar-kuskirche Oggersheim. (Foto: Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz)

Erinnerungskulturund ZeitgeschichteHandbuch der Landeskirche im Nationalsozialismus

In dieser Ausgabe:

Toleranz und ihre Grenzen

Kirchengeschichte und Nationalsozialismus

E

PROTE TEAusgabe 55

A U S D E R E V A N G E L I S C H E N A K A D E M I E D E R P F A L Z

15. 12. 2013 X

Luitpoldstrasse

Toleranz boomt. Zumindest als Wort.Sein gegenwärtiger Gebrauch ten-diert ins Inflationäre. Konzeptionellentsteht dadurch die Gefahr des Be-deutungsverlustes auf der einen undder Dikreditierung se-riöser Anliegen auf deranderen Seite. Dochmeinen alle das Glei-che, wenn sie den Be-griff verwenden? Überdie Beschäftigung mitder Bedeutungsverän-derung im Laufe derGeschichte lässt sichder Blick für die ge-genwärtigen Erforder-nisse schärfen.

Während seiner langen Anwen-dungsgeschichte erfuhr der Begriffsignifikante Umdeutungen. Eine derfrühen Modifikationen ersetzte denselbstreferenziellen Bezug durch deninterpersonellen. Im antiken Romwar das Subjekt von „tolerare“ der-jenige, der bewusst und affirmativLeiden ertrug. Diesen stoischen Ge-danken adaptierten die verfolgtenChristen der ersten Jahrhunderte, de-ren Weigerung, den Opferkult mitzu-vollziehen, als Störung der öffentli-chen Ordnung zur Verurteilung führ-te. Nach der Anerkennung des Chris-tentums als Staatsreligion wendetesich die Aufmerksamkeit den Ausei-nandersetzungen um christliche Hä-resien zu. Welche Haltung solltendie Träger der neuen einzigen Wahr-heit ihnen gegenüber einnehmen?

Augustinus rückte die sozialeOrdnung in den Vordergrund und ori-entierte „tolerare“ am anderen Men-schen: am sündigen Christen, an Ju-den und an Prostituierten. Um derGesellschaftsordnung willen solltensie vor Verfolgung verschont werden.Dieser Griff nach dem „geringerenÜbel“ – aushalten statt töten – galtunterdessen nicht für theologischeAbweichler. Da ihnen die Himmels-pforte verschlossen bleibe, sei esPflicht eines jeden Christen, sie zubelehren und auf den wahren Weghinzuweisen – und sei es mit Gewalt.

Thomas von Aquin unterschiedzwischen Heiden und Juden auf dereinen Seite und Häretikern auf deranderen. Sein Eintreten gegenZwangstaufen bei gleichzeitiger For-derung der Todesstrafe für Häretikerfindet in seiner ArgumentationslogikAnalogien im Islam: Während eskeinen Zwang im Glauben respekti-ve bei der Glaubensannahme gebendarf, wird die bewusste Abkehr als

Editorial Begriffsgeschichte Toleranz

Akademiedirektor Christoph Picker.

Im ausklingenden Themenjahr derReformationsdekade zur Toleranzwurde nicht nur ein Loblied dieserBürgertugend gesungen, es war im-mer wieder auch von der Ableh-nungskomponente und den Grenzender Toleranz die Rede (Seiten 3 und6). Das ist richtig so. Gegenübermenschenverachtenden Ideologienund Gruppierungen sind deutlicheSignale erforderlich – sowohl im öf-fentlichen Diskurs als auch durchRechtssetzungen. Es ist befreiend,dass der Bundesrat nun ein NPD-Verbotsverfahren auf den Weg bringt– sorgfältig vorbereitet, denn dieParteienfreiheit ist ein hohes Rechts-gut, dessen Einschränkung gute Ar-gumente verlangt. Die NPD knüpftprogrammatisch und ikonografischan den Nationalsozialismus an. Sieinfiltriert Jugendkulturen mit antide-mokratischem Gedankengut. NPD-Mitglieder sind in überdurchschnitt-lichem Maß in Straftaten verwickelt.Die NSU-Morde sind hierfür ein be-sonders drastisches Beispiel. DieNPD verdient weder Toleranz nochRechtsschutz als politische Partei.

Die historischen Erfahrungen derEvangelischen Kirche der Pfalz le-gen einen besonders sensiblen Um-gang mit dem Rechtsextremismusnahe. 1933 und 1934 gewann die na-tionalsozialistische Ideologie auchim Protestantismus schnell die Ober-hand. Der antisemitischen, rassisti-schen und aggressiven Politik desNS-Regimes hatte die Kirche bis1945 nur wenig entgegenzusetzen.Nach 1945 beteiligten die Kirchensich zwar aktiv am Aufbau einer de-mokratischen Gesellschaft. Die be-lastete Vergangenheit wurde jedochzunächst kaum aufgearbeitet (siehe

Mittelseiten). Umso mehr ist heuteKlarheit angebracht, nicht nur imBlick auf das NPD-Verbot. AuchAlltagsantisemitismus und Alltags-rassismus sind mit einer christlichenGrundhaltung nicht vereinbar. Dasantijüdische Potenzial in manchenbiblischen Texten erfordert einenkritischen Blick. Die Parteinahmefür bedrängte Christen im Nahen Os-ten und Kritik an der Politik der isla-misch geprägten Regionalmächteund Israels muss sich vor Stereoty-pen hüten. Nötig ist vor allem einnachhaltiger Beitrag der Kirchen zurStärkung der demokratischen Kulturin Deutschland – auch durch die po-litische Bildungsarbeit der Evangeli-schen Akademien. Was das bedeutet,diskutieren wir im Themenjahr derReformationsdekade zu „Reformati-on und Politik“ besonders intensiv.

Ihr

Hausmitteilung

Impressum

Unsere Studienleiterin Katrin Platzer wurde in die Expertengruppe des In-ternetportals „Evangelische Medizin- und Bioethik“ der EvangelischenKirchen in Deutschland berufen. Das Portal bietet einen Überblick überdie einschlägigen evangelischen Stellungnahmen und erleichtert bei anste-henden Gesetzesvorhaben die Kommunikation mit den verschiedenen Wis-senschaften, den Industrieverbänden, den Verbänden des Gesundheitswe-sens und der Politik. Zu den Mitgliedern gehört auch der HeidelbergerTheologieprofessor und Leiter der Forschungsstätte der EvangelischenStudiengemeinschaft Klaus Tanner. Das Portal ist erreichbar unterwww.ev-medizinethik.de

Herausgeber: Evangelische Akademie der Pfalz, Luitpoldstr. 10, 76829Landau, Tel.: 0 63 41 / 9 68 90-30, Fax: 0 63 41 / 9 68 90-33,e-mail: [email protected], Direktor: Dr. Christoph Picker

Redaktion: Dr. Christoph Picker und Dr. Martin SchuckVerlag: Verlagshaus Speyer GmbH, Beethovenstr. 4, 67346 Speyer,

Tel.: 0 62 32/2 49 26, Fax: 0 62 32/13 23-44 Zuschriften an den Verlag, Redaktion Protexte.

Abweisung des von Gott Erhaltenenund damit als todeswürdiges Verge-hen verstanden. Im christlichen Ein-flussbereich zeitigte diese Unter-scheidung fatale Nachwirkungen so-

wohl in der Inquisitionwie auch im Umgangmit Muslimen, dietheologisch lange wiechristliche Sektiererbehandelt wurden.

Martin Luther führ-te den Toleranzbegriffin die deutsche Spracheein. Mit drastischenWorten wetterte er je-doch gegen die Wieder-täufer, die aufständi-

schen Bauern, gegen Juden, „Tür-ken“ und Katholiken. Dennoch kön-nen seine Unterscheidungen zwi-schen Glaube und Liebe und zwi-schen einer Person und ihren Hand-lungen Anhaltspunkte für die heutigeinterreligiöse Begegnung bieten.Während der Glaube unbeirrt bleibeund darin Gott selbst folge, der kei-nen widergöttlichen Aspekt toleriere,erlaube die Liebe die diakonischeZuwendung zum anderen, denn sieentspreche dem Menschen als Men-schen. Diese Spannung zwischen derWahrheit des Glaubens und den Er-fordernissen der Liebe markiert einWesensmerkmal interreligiöser Be-gegnung: die Unterscheidung zwi-schen Glaubensgewissheit und prak-tischer Sorge um den Mitmenschen.Während der andere Glaube abge-lehnt werden kann, gilt es auf prakti-scher Ebene zusammenzuarbeiten.

Die Schrecken des Dreißigjähri-gen Krieges führten zur Neudefiniti-on der Toleranz während der Aufklä-rung. Kant und Goethe forcierten dieUmdeutung hin zur Akzeptanz desUngleichen. Aufbauend auf ThomasMorus entwickelte sich die Vorstel-lung von der Religionsfreiheit imdreifachen Bezug zwischen Indivi-duum, Religion als System undStaat. Auch heute noch bilden diesedrei Faktoren das Aushandlungster-rain religiöser Selbstbestimmungund zivilgesellschaftlicher Zugehö-rigkeit. Die stoische Bedeutung vonToleranz erfährt indes dort eine Neu-belebung, wo der Toleranzgedankebis an die Schmerzgrenze der Fein-desliebe den Respekt vor dem ande-ren und dessen Anerkennung einfor-dert. Ihre Grenzen findet das To le -rab le im Angriff auf die Prinzipiender Toleranz sowie in der Verantwor-tung für Dritte. Georg Wenz

Martin Luther

führte den

Begriff der

Toleranz in

die deutsche

Sprache ein.

Das Motto der Reformationsdekade der Evangelischen Kirche inDeutschland 2013 lautet „Reformation und Toleranz“. Anlässlich derKonsultation der United Reformed Church of England und der Evangeli-schen Kirche der Pfalz im September in Klingenmünster hielt Studienlei-ter Georg Wenz einen Vortrag zum Thema „Toleranz und Religionen“.Eine Zusammenfassung der zugrunde gelegten Begriffsentwicklung er-folgt in dieser Kolumne.

Hintergrund

ie Wahrung der Grundrechtewie Meinungsfreiheit, Ver-sammlungsfreiheit und De-

monstrationsfreiheit ist ein hohesGut und verlangt oft auch viel Tole-ranz von den Andersdenkenden.Dann hat Toleranz zuweilen etwasmit „dulden“, mit „ertragen“ und„aushalten“ zu tun.

Aber natürlich gibt es Grenzen,auch gegenüber einer Minderheit,nämlich da, wo sie unsere staatlicheVerfasstheit und unser demokrati-sches Selbstverständnis bedroht. An-griffe auf Freiheit und Toleranz erle-ben wir beispielsweise durch das inmeinen Augen verfassungswidrigeAuftreten der NPD. Dort, wo Han-deln rassistisch, antisemitisch, men-schenverachtend ist, kann es keineToleranz geben.

Es ist wichtig, dass Bürgerinnenund Bürger gegenüber Intoleranzaufstehen, dass aus der Politik undder Gesellschaft immer wieder Kam-pagnen zu „null Toleranz“ kommenund wir gemeinsam deutlich ma-chen: Das dulden wir nicht. Auchder Staat muss handeln: Deshalbstrengen die Länder ein erneutesVerbotsverfahren gegen die NPD an.

Der gesellschaftliche Wandel undseine politische Gestaltung bedingeneinander wechselseitig: Manchmalist es die Politik, die Veränderungenzu mehr Toleranz anstößt, sodassgesell schaftlicher Wandel entsteht.Häufig greift aber auch die Politikgesellschaftliche Veränderungen aufund schreibt die Rahmenbedingun-gen unseres Zusammenlebens fort.

Um individuelle Freiheitsrechtezu wahren, gibt es neben demGrundgesetz Vereinbarungen wie dieCharta der Menschenrechte der Ver-einten Nationen, die UN-Behinder-tenrechtskonvention, die europäischeAntidiskriminierungsrichtlinie, diewir in Deutschland in einem Antidis-kriminierungsgesetz umsetzen. Dasswir es heute als selbstverständlichbetrachten, gleichge-schlechtliche Le -benspar tne r schaf t enrechtlich gleichzustel-len, Kinder mit und oh-ne Behinderung ge-meinsam Kindertages-stätten und Schulen be-suchen, anonyme Be-w e r b u n g s v e r f a h r e ndurchgeführt werden,sind Beispiele dafür,dass unsere Gesell-schaft sich öffnet.

Heute wissen wir, dass die Zu-sammenarbeit in gemischten Teamsgut für die Unternehmen ist. Wirwissen, dass beim gemeinsamen Un-terricht von Kindern mit unter-schiedlichem Entwicklungsstandbeide profitieren: das begabte Kind,das gefordert sein will und sozialeKompetenz lernt, und das Kind mitNachholbedarf, das stärker gefördertund auf seinem Leistungsstand abge-

holt wird. Dahinter stehen Verände-rungen im Denken und Handeln, diesich über viele Jahre entwickelt ha-ben und heute sichtbar sind.

Die Integration von Menschenmit Migrationshintergrund ist fürmich ein Beispiel für die demokrati-sche Leistung unserer Gesellschaft.Dass wir in Rheinland-Pfalz enga-

gierte Menschen in denBeiräten für Migrationund Integration habenund dass viele Kommu-nen und GemeindenAktionspläne erarbeitethaben und umsetzen,zeugt von unserem ak-tiven Bemühen um ge-lebte Toleranz.

R h e i n l a n d - P f a l zwar eines der erstenLänder, das damit be-

gonnen hat, Lehrerinnen und Lehrerfür den islamischen Religionsunter-richt auszubilden. „Bildung ist daswirksamste Mittel gegen Intoleranz“,heißt es in der Unesco-Erklärung zuden Prinzipien der Toleranz von1995. Und: „Erziehung zur Toleranzgehört zu den vordringlichsten Er-ziehungszielen.“ Ich teile diese Aus-sagen uneingeschränkt. Der Staatund öffentliche Bildungseinrichtun-gen müssen vom Kleinkindalter an

ihren Beitrag leisten, damit Toleranzgelernt und erfahren werden kann.

Rechtliche Rahmensetzungensind wichtig, aber der Staat kann nurdie Voraussetzungen für ein toleran-tes, friedliches Miteinander schaffen.Die innere Kraft unseres Gemeinwe-sens besteht im konkreten Handelnder Menschen. Ebenso wichtig wiedie Frage, welchen rechtlichenSchutz es vor Intoleranz und Unfrei-heit gibt, ist daher die Frage, wie wirToleranz und Menschlichkeit in un-serer Gesellschaft leben.

Es gibt viele Beispiele von ge-lebter Toleranz. Das Engagement derMenschen fußt auf einem stabilenGrundkonsens in unserer Gesell-schaft, die sich gegen Ausgrenzungund Intoleranz ausspricht. Um diesesFundament haben wir in der Vergan-genheit intensiv gerungen, und ichwünsche mir, dass wir darin nichtnachlassen. Das Ringen um unsergemeinsames Verständnis von Tole-ranz macht gerade unser offenes undfreiheitliches Selbstverständnis alsGesellschaft aus. Hierbei werden wirimmer wieder schwierige Diskussio-nen zu führen haben. Jede Institutionmuss dazu beitragen, Toleranz vor-zuleben und einzufordern.

Die Entwicklung der Gesell-schaft wird uns vor neue Fragen stel-

len, wie wir Toleranz und Respektleben, die Freiheit wahren und nut-zen. Unser tägliches Umfeld wirdkomplexer und macht uns die Ant-worten nicht leichter. Wie schaffenwir es in einer globalisierten Gesell-schaft, Toleranz zu üben und zu le-ben? Scheinbar rücken Völker, Na-tionen und einzelne Menschen in ei-ner globalisierten Welt näher zusam-men. Das führt jedoch nicht vonselbst dazu, dass wir Toleranz ge-genüber anderen kulturellen Prägun-gen lernen und leben.

Wie trägt die zunehmende Digi-talisierung des Alltags und des Ar-beitslebens dazu bei, mit anderenKulturen und Werten tolerant umzu-gehen? Die starke Verbreitung derdigitalen Medien in unserem Alltagwirkt sich sehr deutlich auf unserZusammenleben aus. Wir müssenuns über unsere Vorstellungen vomgesellschaftlichen Miteinander inund mit den digitalen Medien neuverständigen. Wie sichern wir in ei-ner älter gewordenen GesellschaftToleranz zwischen den Generatio-nen? Das wird eines der zentralenThemen in den nächsten Jahren sein.Darüber sollten wir sprechen. DieKirchen und die Politik sind zweider Institutionen, die Orientierunggeben können und müssen.

Grenze des Erträglichen: Rechtsextremistische Parolen der NPD bei einer Versammlung in Frankfurt. (Foto: epd)

Rheinland-Pfalz

bildet Lehrer

für den

islamischen

Religions -

unterricht aus.

D

Toleranz als AufgabeMalu Dreyer: Politik und Kirchen geben Orientierung

Freiheit, Respekt und Toleranz finden ihren Ausdruck in den Grundrechten unserer Verfassung. Sie sind univer-sell und unteilbar. Aber erstens erleben wir immer wieder Anfechtungen dieser Grundrechte und zweitens bedür-fen sie mit dem Wandel der Gesellschaft immer wieder Veränderungen in der Ausgestaltung. Die rheinland-pfäl-zische Ministerpräsidentin Malu Dreyer präsentierte bei der gemeinsam mit der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz veranstalteten Tagung „Wo hört der Spaß auf – Toleranz und ihre Grenzen“ die drei genannten Begriffe alsDimensionen des politischen Handelns. Wir veröffentlichen eine redaktionell gekürzte Fassung ihres Vortrags.

as in Politik und Gesellschaftgeschah und strittig war, bilde-te sich ebenso im Raum von

Kirche und Theologie ab: Ein großesThema war die Neubestimmung desVerhältnisses zum Judentum, der Bruchmit dem tief eingeprägten Antisemitis-mus, aber auch der Bruch mit Obrig-keitsgehorsam und Militarismus. Imwestdeutschen Protestantismus vollzogsich das alles vor dem Hintergrund tiefgreifender Verwerfungen um die Frageder Wiederbewaffnung. Die ohnehinmiteinander zerstrittenen Flügel derBekennenden Kirche, also der „linke“um Martin Niemöller und der „rechte“,für den der bayrische LandesbischofHans Meiser stand, gerieten nicht nurüber diese Frage in eine scharfe Kon-frontation.

Eben darum war die kirchliche Ver-gangenheitsbewältigung strittig: Washatte man aus dem „Kirchenkampf“ zulernen? Waren die Lutheraner mit ihrerstarken Unterscheidung von Geistli-chem und Weltlichem schuld an allem?Musste die Kirche nicht politischerwerden, pazifistischer, kritischer ge-genüber der CDU? Vergangenheitsbe-wältigung hieß im kirchlichen Sinne,den Kirchenkampf zu bewältigen, diehistorisch begründeten Wahrheitsan-sprüche verschiedener Flügel der Be-kennenden Kirche kritisch zu erhellenund damit auch die Deutungsmacht desNiemöller-Flügels der BekennendenKirche zu bestreiten. Es war Niemöl-lers Bruder Wilhelm, der in mehrerenPublikationen nach demKrieg eben diesen Flügelzum eigentlichen Siegerdes Kirchenkampfes er-klärte und damit die „in-takten“ Landeskirchen mitihrer vorsichtigen Politikund ihrem „lutherischenSonderweg“ ins Zwielichtsetzte.

Freilich wurde Nie -möl lers Darstellung schonin den frühen 1950er Jah-ren als „Kirchenkampflegenden“ abge-tan und er selbst als politischer Partei-gänger des Nationalsozialismus diskre-ditiert. In den 1970er Jahren ge -wann eine Kirchengeschichtsschrei-bung Raum, die sich programmatischvom Kirchenkampfbegriff verabschie-dete und stattdessen von „Kirche imNationalsozialismus“ sprach. Dafürsteht insbesondere der Name des Tü-binger Kirchenhistorikers Klaus Schol-der. Dennoch blieb der Kirchenkampfim Sinne des Niemöller-Flügels einIdentifikationsmerkmal für den Protes-tantismus. Bekanntermaßen fehlt in derPfälzischen Landeskirche die hier skiz-zierte Dynamik des Sich-Erinnerns:Die kirchenpolitischen Rahmenbedin-

gungen waren andere, entsprechendeProtagonisten gab es nicht.

Das Jubiläum der Barmer Theologi-schen Erklärung im Jahre 1984 war derHöhe- und Endpunkt eines noch vonder Erlebnisgeneration getragenen Er-innerns, das aber von einer kritischerenBarmen-Geschichtsschreibung begleitetwurde. Aus der Vergangenheitsbewälti-gung wurde in den letzten Jahren undJahrzehnten die Aufarbeitung, wobeidieser Begriff geschichtspolitisch undforschungsstrategisch besonders durchdie Aufarbeitung der SED-Diktatur be-setzt wurde.

Die immer noch nachhallenden De-batten um die Rolle des AuswärtigenAmtes im Dritten Reich zeigen, dassdie Aufarbeitung oder „Vergangenheits-bewältigung“ der Zeit des Nationalso-zialismus keineswegs abgeschlossen istund bei solchen Institutionen, die esvor wie nach 1945 gab, vielleicht auchniemals abgeschlossen sein wird. Ins -titu tio nelle Kontinuität ist auch beievangelischen Landeskirchen gegeben,und so zeigt das Projekt „PfälzischeLandeskirche im Nationalsozialismus“,dass sich im kirchlichen Raum die Auf-arbeitung nicht erledigt hat. Neben die-ses Projekt könnte man andere landes-kirchengeschichtliche, regionalkirchen-geschichtliche, ortskirchengeschichtli-che oder diakoniegeschichtliche Vorha-ben stellen.

Bedarf an Aufarbeitung ist also an-gezeigt, ein Bedarf, der in früherenJahrzehnten häufig von außen an die

Kirchen herangetragenwurde, denkt man etwa andie Frage nach der Rollediakonischer Einrichtun-gen bei Krankenmordenund Zwangssterilisierun-gen. In den letzten Jahrenhaben die Kirchen hier ge-schichtspolitisch ge-schickter agiert, indem siedie Erforschung diesesFeldes ebenso fördertenwie die Erforschung des

Einsatzes von Zwangsarbeitern inkirchlichen Einrichtungen. Die Frageder Aufarbeitung geht nun auf solchenFeldern weit über den klassischen Ho-rizont der Kirchenkampfgeschichts-schreibung aus kirchlicher und kirchen-geschichtlicher Binnensicht hinaus.

Die Frage nach dem Warum derAufarbeitung lässt sich auch damit be-antworten, dass die Sensibilität für ge-schichtspädagogische Fragen im öffent-lichen, aber natürlich auch im kirchli-chen Bildungsbereich stark entwickeltist: Hier kommt dem Religionsunter-richt eine wichtige Funktion zu, be-deutsam ist aber auch ein Aspekt, derinnerhalb der Kirchlichen Zeitgeschich-te durchaus kontrovers diskutiert wur-

de, nämlich die Erinnerung an die Men-schen, die aus Glaubensgründen Opferdes Nationalsozialismus wurden. Hierzeigt sich ein Bedarf an Identifikations-figuren, nicht nur im Blick auf DietrichBonhoeffer, sondern gerade im Blickauf die „kleinen Leute“, die entschlos-sen oder auch aus einer Zwiespältigkeitheraus in den Widerstand aus Glaubenfanden.

Mit diesen Beispielen ist schon an-gedeutet, was die Kirchengeschichtezur Aufarbeitung der nationalsozialisti-schen Vergangenheit beitragen kann.

Ihr Beitrag kann nicht mehr als Kir-chenkampfgeschichtsschreibung geleis-tet werden, sondern muss gesellschaft-liche, politische, mentale und andereAspekte einbeziehen.

Der Sache nach kann die Kirchen-geschichte darum zuerst einmal da-durch zur Aufarbeitung beitragen, dasssie historische Kenntnisse bereitstellt.Jedenfalls besteht eine der Aufgabender Kirchengeschichte in einer Klärungdes Grundverständnisses der Zeit, dieimmer noch gerne mit dem Begriff„Kirchenkampf“ qualifiziert wird, ob-

wohl dieser bis in moderne Lexika hi-nein zumeist durch das neutralere „Kir-chen im Nationalsozialismus“ ersetztworden ist. Die Aufgabe der Kirchen-geschichte besteht also auch darin, zueinem angemessenen Umgang mit Be-griffen anzuleiten und solche, die zeit-bezogen sind, kritisch zu betrachten.

„Welche Rolle spielen moralischeWertmaßstäbe, politische Urteile undBekenntnisfragen für die Erforschungder NS-Kirchengeschichte?“, wird imAusschreibungstext zu dieser Tagunggefragt. Man könnte sagen: am besten

gar keine, denn was hat man davon? Imbesten Fall stellt man fest, dass vieleKirchenvertreter im Nationalsozialis-mus die Maßstäbe des Evangeliumsverletzten – das Stuttgarter Schuldbe-kenntnis hat die entsprechende Er-kenntnis schon früh erfasst: „Nicht mu-tiger bekannt“ zu haben, schließt im-merhin ein, dass man das hätte tun kön-nen. Im schlimmsten Fall geht man denWeg mancher Evangelikaler, die in derAnerkennung homosexueller Partner-schaften den Anlass zu einem neuenKirchenkampf sehen wollen.

Allerdings geht das Handeln undDenken kirchlicher Akteure bekannter-maßen nicht in einem Schwarz-Weiß-Schema auf, und da wird es kirchenge-schichtlich interessant. Spannend wirddie Frage von Moral, Politik und Be-kenntnis da, wo Entscheidungsoptionensichtbar werden und unterschiedlicheWerteorientierungen zum Tragen kom-men. Biografische Prägung, Lebenser-fahrung, theologische Orientierungführten zu unterschiedlichen Lebens-wegen, bei denen die Grautöne deutlichzu machen sind. Das Ziel ist also nichtdas Urteilen über die damaligen Akteu-re, sondern das Verständnis ihrer dama-ligen Beweggründe und Handlungs-möglichkeiten. Ein politisch-morali-sches Urteil kann darum nicht mit demHeute vergleichen, sondern muss sichan die Optionen halten, die für eineKirche und ihre Vertreter nach Kaiser-reich und Weimarer Republik möglichwaren. Nicht aus heutiger Sicht ver-fehlte der Protestantismus – nein: dieProtestanten – seine Aufgabe, sondernaus der Sicht der Weimarer Republikmit ihren demokratischen Möglichkei-ten. Die Abgabe von Urteilen bedarf al-so größter Zurückhaltung. Nichts isteinfacher, als sich aus heutiger Sichtbesser, ja gerechter zu fühlen.

Durch differenzierte Blicke auf ein-zelne Personen ist auf diese Weise inden letzten Jahren und Jahrzehnten dieHaltung manches Kirchenmannes undTheologen in der Zeit des Nationalso-zialismus näher beleuchtet und dif -feren zierter beschriebenworden. Selbst ehemaligeLichtgestalten des Kir-chenkampfes wie der bay-rische LandesbischofHans Meiser kamen aufden Prüfstand, sodass dasLandeskirchenamt inMünchen heutzutage nichtmehr in der Hans-Meiser-Straße residiert, sonderngeschichtspolitisch halb-wegs korrekt in der Ka-tharina-von-Bora-Straße.

Zur Vergangenheitsbewältigung ei-ner evangelischen Kirche könnte frei-lich auch gehören, die Gemeinden unddas Verhalten des Kirchenvolkes aufden Prüfstand zu stellen. Die Begeiste-rung für den Nationalsozialismus warnicht nur inszeniert, und das, was in derpfälzischen Projektskizze Verführbar-keit heißt, war auch eine ideologischeAnfälligkeit für den Nationalsozialis-mus gewesen. Nationaler Aufbruch undevangelischer Aufbruch konnten ja so-gar in eins gesehen werden, wenn Ver-treter der Inneren Mission von einervolksmissionarischen Chance sprachen.Insgesamt ist aus der Sicht der Vergan-genheitsbewältigung also auch die Fra-

ge nach problematischen protestanti-schen Mentalitäten im Kirchenvolk zustellen, die freilich vor 80 Jahren ganzandere waren als heute.

Und das Bekenntnis? Hinzuweisenist darauf, dass die Bekennende Kircheeben Kirche war und nicht nur eineimaginäre Institution. Die Schwierig-keiten der Bekennenden Kirche mit ih-rer Institutionalisierung aber hattenauch mit dem Bekenntnis zu tun: FürReformierte konnte sich die Kirchedurch Bekenntnissynoden legitimieren,was für amtsbewusste Lutheraner sonicht möglich war. Wo es um das Be-kenntnis geht, wäre auch noch einmalkirchengeschichtliche Sorgfalt ange-bracht, nicht zuletzt im Blick auf dielutherische Zwei-Reiche-Lehre, der zu-geschrieben wird, sie habe dem Staateine Kompetenz zugemessen, die diesernur zu gerne für sich beansprucht habe.

Die eben angestellten Erwägungenverweisen auf das, was die Kirchenge-schichte eben nicht darf: vorschnelleUrteile fällen, sich auf Deutungen ein-lassen, die scheinbar selbstverständlichklingen, sich vorschnell denen an-schließen, die in der Geschichte derKirche im Nationalsozialismus nur einvölliges Versagen sehen. Das bedeutetandererseits keinen Rückzug in die ba-nale Argumentation, man müsse ebenalles aus sich selbst heraus verstehen,und dementsprechend sei vieles erklär-bar und verstehbar. Aufarbeitung be-deutet auch, die nicht realisierten Mög-lichkeiten zu sehen und zu beschreiben,

Resistenz, Opposition undWiderstand im Kleinensichtbar zu machen, imBösen auch das Gute zusehen. Damit ist eineschwer auflösbare Span-nung beschrieben.

Das ist freilich keinabschließbarer Prozess.Die Mühen der Aufarbei-tung werden über das ge-plante Handbuch hinaus-gehen; weitere Prozesse

können angestoßen werden. Die Kir-chengeschichte muss also regional undlokal weiter aktiv bleiben, und zwarnicht nur die universitäre, sondern auchdie innerhalb der Kirchen ver anker -te Kir chen ge schichts schrei bung. Manmuss freilich immer sagen, was man ei-gentlich will und wie man die eigeneAufgabe versteht. Die Kirchenge-schichte hat damit letztlich eine kriti-sche Funktion bei der Standortbestim-mung von Landeskirchen und anderenkirchlichen Einheiten. Insofern hat sieauch eine Zukunftsaufgabe. Diese abererfordert vielleicht nicht nur Nüchtern-heit, sondern auch Leidenschaft für dieSache der Kirche, die doch die Sachedes Evangeliums ist. Klaus Fitschen

Dokumentation

Gemeinsames Erinnern: Gedenkweg der evangelischen und katholischen Kirche in Berlin für die Opfer der Reichspogromnacht. (Foto: epd)

Von den Kirchenkampflegenden hin zur wissenschaftlichen AufarbeitungDie Leistung der Kirchengeschichte für die Bewältigung des Nationalsozialismus Was heute Aufarbeitung heißt, hieß in früheren Jahrzehnten Vergangenheits-bewältigung. Sie war Sache der Erlebnisgeneration, die sich ihrer eigenen Ver-gangenheit und damit ihrem eigenen Leben zu stellen hatte. Bis heute ist hochumstritten, ob und in welchem Maße diese Vergangenheitsbewältigung statt-gefunden hat. Der Leipziger Kirchenhistoriker Klaus Fitschen stellte bei derAutorentagung zum Handbuchprojekt „Pfälzische Landeskirche im National-

sozialismus“ am 22. Juni 2012 im Butenschoen-Haus in Landau die einzelnenEtappen der Geschichte der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Kircheund Theologie dar. Er zeigte dabei, dass erst nach dem Tod der wichtigstenVertreter der Erlebnisgeneration, die durch Martin Niemöller und Hans Mei-ser repräsentiert werden, ein realistischer Blick auf die Leistung, aber auchdie Grenze der Bekennenden Kirche möglich wurde.

Sensibilität für

Fragen der

Geschichte hat

sich auch in den

Kirchen stark

entwickelt.

Auch das Verhalten

der Gemeinden

und des

Kirchenvolks

gehört auf den

Prüfstand.

W

Werkstatt

Das Gebot der Feindesliebe ist einerder zentralen christlichen Texte. ImHintergrund steht Jesu Hinwendungzu den Fremden, den Andersartigenund Ausgegrenzten. So verschiedenwir sind, so fremd wir uns zuweilenauch bleiben: Gott sieht uns an, undin seiner Liebe toleriert er uns. AllenMenschen gilt seine Barmherzigkeit,alle sind wir zur Gottesebenbildlich-keit berufen. Und dass der Schöpferwirklich barmherzig und treu ist, er-weist sich in der Menschwerdungund Lebenshingabe seines Sohnes.

Die Theologie der Toleranz ge-hört nicht nur in die Schöpfungsleh-re, sie ist zugleich Kreuzestheologie,ist Christologie. Weil Gott in JesusChristus das Untragbare, das Uner-trägliche wegnimmt (tollit), weil daeiner trägt und erträgt – über allesmenschliche Maß hinaus –, kannauch ich die Widersprüche dieserWelt tragen, ertragen, tolerieren (to-lerare).

Aber auch die Grenzen des Er-träglichen sind vorgezeichnet in ihm,vorgelebt in dem einen: Was demLeben nicht dient, was den anderenentwürdigt, ist nicht tragbar. Zu un-terscheiden ist hier zwischen derPerson und ihrer Gesinnung, ihremVerhalten. Gerade weil Gott sich al-len Menschen vorbehaltlos zuwen-det, kann er Haltungen und Taten,die das Leben einschränken, keines-wegs „tolerieren“ im Sinne von „an-erkennen“ und „gutheißen“. „Tole-ranz hat ihre Grenze dort, wo dasDenken und das Handeln von Men-schen das Leben und die Würde an-derer gefährden und bedrohen“, sodie Synode der Evangelischen Kir-che in Deutschland (EKD) 2005.

Als Kirche wollen wir verlässli-che Anwältin sein für ein Leben allerMenschen in Würde und ein Ort desWiderstands gegen jede Form vonIntoleranz. Deshalb treten wir fürdas Grundrecht auf Religionsfreiheitein. Steinig genug war der Weg derGeschichte zu ihr hin, hart genug istsie erkämpft worden, auch gegen dieKirchen.

Es war Martin Luther, der dieWendung „tolerantia dei“ geprägthat, also von der „Toleranz“ als einerEigenschaft Gottes spricht und damitüberhaupt erst das Wort „Toleranz“ins Deutsche bringt. Gott ist gedul-dig mit seinen Geschöpfen und hatin Jesus von Nazareth sogar die Sün-de und Todverfallenheit der Welt ge-

tragen, stellvertretend für uns erdul-det: Darin besteht seine Toleranz,seine bedingungslose Barmherzig-keit. Das ist der Grund dafür, dasswir einander tragen und ertragen,auch und gerade in unserer Verschie-denheit und Gegensätzlichkeit. DieFeindesliebe als äußerste Zuspitzungder Nächstenliebe hat in der Tole-ranz Gottes ihre Voraussetzung, ih-ren tiefsten Beweggrund.

So sehr sich einerseits gerade beiLuther wegweisende Überlegungenzu einer evangelischen Begründungvon Toleranz finden, so sehr setztuns andererseits die In-toleranz der Reformati-on gegenüber abwei-chenden Positionen undanderen Religionen zu.Zur Schuld- undSchamgeschichte derReformation gehört dieVerfolgung der „Täu-fer“ ebenso wie LuthersPolemik gegen die Ju-den in seiner Schrift:„Von den Juden und ih-ren Lügen“ (1543). Hier macht ersogar den im Licht der Reichs pog -rom nacht erschütternd-bedrückendenVorschlag, die Synagogen anzuzün-den.

„Schatten der Reformation. Derlange Weg zur Toleranz.“ Angemes-sen hat damit die EKD ihr Themen-heft zum „Jahr der Toleranz“ über-

schrieben. Gerade angesichts desReformationsjubiläums gilt es,selbstkritisch die Schuld und Intole-ranz zu benennen und nach Wegender Versöhnung zu suchen mit denNachfahren jener, an deren Verfol-gung die Kirchen der Reformationmit verantwortlich waren.

Es war gerade „unser“ Reichstagvon Speyer 1529, der das ganze poli-tische und theologische Dilemma of-fenkundig macht. Auf der einen Sei-te protestierten sechs Fürsten unddie Vertreter von 14 freien Reichs-städten gegen dessen Beschluss, die

Reichsacht gegen Mar-tin Luther zu vollzie-hen und – nach einerPhase der Duldung –die reformatorische Be-wegung mundtot zumachen.

Es mutet geradezuparadox an, dass nurdrei Tage später, am23. April 1529, dersel-be Reichstag – mit Zu-stimmung der evangeli-

schen Stände – das Mandat erneuer-te, gegen alle sogenannten „Wieder-täufer“ die Todesstrafe zu vollzie-hen. Wer wiedertauft oder sich derWiedertaufe untergezogen hat, soheißt es in der „Konstitution“, diedem Reichsabschied beigefügt wur-de, ob Mann oder Frau, ist mit demTode zu bestrafen, ohne dass vorher

Reformation und ToleranzVersöhnung mit den Mennoniten nach mehr als 400 JahrenKirchenpräsident Christian Schad würdigte bei der Tagung „Wo hört der Spaß auf – Toleranz und ihre Gren-zen“ das seit einigen Jahrzehnten erkennbare Bemühen der evangelischen Kirchen um eine Versöhnung mit denNachfahren der täuferischen Bewegung der Reformationszeit. Gleichzeitig betonte er, dass Toleranz dort ihreGrenzen hat, wo das Leben und die Rechte anderer Menschen missachtet werden. Die „Protexte“ veröffentli-chen einen redaktionell gekürzten Text seines Vortrags.

noch ein geistliches Inquisitionsge-richt tätig zu werden braucht.

Hans-Jürgen Goertz, mennoniti-scher Theologe und Historiker, hates auf den Punkt gebracht: „Derzweite Reichstag zu Speyer 1529,die Geburtsstunde des Protestantis-mus, ist ein Meilenstein auf demWeg zu neuzeitlicher Gewissensfrei-heit. Er ist aber auch eine Wegmarkein der Geschichte der Intoleranz ge-genüber Andersgläubigen.“ Im 16.Jahrhundert fielen ihr Tausende An-hänger der Täuferbewegung zumOpfer.

Es waren vor allem die Kontakt-gespräche zwischen der VereinigtenEvangelisch-Lutherischen KircheDeutschlands und der Arbeitsge-meinschaft Mennonitischer Gemein-den, den Nachfahren der histori-schen Täuferbewegung, die in den1990er Jahren zur wechselseitigenVerständigung, ja zur Ermöglichungeucharistischer Gastbereitschaftführten. Die EKD hat sich dieserVereinbarung 1996 angeschlossen.2010 kam es dann in Stuttgart zu ei-ner öffentlichen Erklärung, als aufder Vollversammlung des Lutheri-schen Weltbundes die Mennonitenum Vergebung gebeten wurden.

Es war mir deshalb ein persönli-ches Anliegen, gerade im „Jahr derToleranz“ das Gespräch mit Vertre-tern der mennonitischen Gemeindenin unserer Region zu suchen. Einerstes Ergebnis war, dass uns unseremennonitischen Glaubensgeschwis-ter zu einem Begegnungstag auf denWeierhof bei Kirchheimbolandeneingeladen haben.

„Tolerare“ heißt: „dulden“, „er-tragen“, „aushalten“. Toleranz im ei-gentlichen Sinn des Wortes meint al-so: das Ertragen oder Erdulden vonetwas, dessen Geltungsanspruch vondem, der sich tolerant zeigt, geradenicht geteilt wird. Toleranz ist eineForm des Umgangs mit Differenz!Zu ihr gehört immer auch, wie derPhilosoph Rainer Forst herausgear-beitet hat, eine „Ablehnungskompo-nente“. Man toleriert nur etwas, wasman für sich selbst ablehnt. „Ohnediese Komponente würde man nichtvon Toleranz sprechen, sondern ent-weder von Indifferenz … oder vonBejahung.“ Religiöse Toleranz be-zeichnet also die Kraft, konkurrie-rende Wahrheitsansprüche auszuhal-ten und respektvoll auszutragen. To-leriert werden kann aber immer nurdas bekannte Fremde; das unbekann-te Fremde bleibt bedrohlich.

Religion lebt vom Bekenntnis.Überzeugungen bilden sich nicht imNiemandsland des „Gleich-Gülti-gen“, sondern in der Begegnung mitbestimmten Glaubensüberzeugungenund -vorstellungen. Indem wir erfah-ren, was Gott uns geschenkt hat, undindem wir darüber Auskunft zu ge-ben vermögen, hat eine überzeugteToleranz nicht trotz, sondern ausGlauben ein tragfähiges Fundament.

Begegnungstag auf dem Weierhof: Kirchenpräsident Christian Schad (Zweiter vonrechts) mit Vertretern mennonitischer Gemeinden. (Foto: Stepan)

Toleriert

werden

kann

immer nur

das bekannte

Fremde.

Menschen

Welche Rolle spielt die Beschäfti-gung mit der NS-Zeit in der Kommis-sion für die Geschichte des LandesRheinland-Pfalz? Sie gehören demwissenschaftlichen Ausschuss an.

Die Kommission hatte in den ers-ten Jahrzehnten ihres Bestehens pri-mär den Auftrag, die Zeitgeschichtedes jungen Bindestrich-Landes auf-zuarbeiten. Erst zu Beginn der2000er Jahre konnten wir erreichen,dass auch die Erforschung der un-mittelbaren Vorgeschichte, also vorallem auch der Nazi-Zeit, und dieGeschichte der Vorläuferregionenund -territorien mit in den Auftragder Kommission aufgenommen wur-den. Die im letzten Jahr erschiene-ne dreibändige Landesgeschichte„Kreuz, Rad, Löwe. Rheinland-Pfalz– Ein Land und seine Geschichte“ istneben dem 2007 publizierten „Bio-graphischen Organisationshandbuchder NSDAP“ das herausragende Er-gebnis dieser neuen Perspektive. Zuihr gehört auch, die „Vorgeschichte“nicht auf die Nazi-Diktatur zu ver-kürzen, sondern auch die langen Li-nien historischer Entwicklungensichtbar werden zu lassen. Wie unterscheidet sich Ihrer Mei-nung nach die Arbeit der KZ-Ge-denkstätten, etwa in Osthofen, vonder eines Museums?

Bei den Gedenkstätten handelt essich im Gegensatz zu Museen um

authentische Orte. Gedenkstättenbieten gerade in Bezug auf jungeMenschen eine große Chance: ihnennicht allein Geschichte an einem„anderen Lernort“ zu vermitteln,sondern die Brücke zur Relevanzdieser geschichtlichen Erfahrung fürihr gegenwärtiges Leben, Erlebenund Handeln zu schlagen. Die päda-gogische Arbeit an und in unserenbeiden staatlichen rheinland-pfälzi-schen Gedenkstätten in Osthofenund Hinzert haben wir deshalb im-mer vorrangig als Menschenrechts-bildung begriffen. Warum hat es so lange gedauert, bisin Deutschland eine echte Erinne-rungskultur entstanden ist?

Da war in den ersten Jahrzehntender Widerstand der Miterlebendenund einer mit ehemaligen NSDAP-Mitgliedern durchsetzten Funktions-elite in Politik, Staat und vielen ge-sellschaftlichen Bereichen, die sichvon den Opfern nicht den Spiegelvorhalten lassen wollte. Da war diegroße kollektive Verdrängung in derZeit des Wiederaufbaus nach dentraumatischen Jahren von Krieg,Zerstörung und Niederlage. Da vielein der Gedenkarbeit Engagierten ausden Opfergruppen der politischenLinken stammten, boten der KalteKrieg und das vorherrschende Tota-litarismuskonzept eine Argumentati-onsschiene zur Abwehr.

Wo sehen Sie Verbindungslinien zwi-schen heutigem Rechtsradikalismusund dem Nationalsozialismus der1920er und 1930er Jahre?

Neben den von den Neonazis ge-pflegten historischen Traditionslini-en zur NSDAP, zur NS-Ideologieund NS-Symbolen, dem Hitler-Kultoder der Holocaust-Leugnung, demKult von Deutschland und den Deut-schen als Opfer sind es schon diegleichen ideologischen Versatzstü-cke: Xenophobie, Rassismus, Antise-mitismus und Anti-Ziganismus (neu-erdings ergänzt um Anti-Islamis-mus), sozialdarwinistisches Men-schen- und Gesellschaftsbild und

übersteigerter Nationalismus (er-gänzt um Europa-Feindlichkeit).Modernisiert wird das eingehüllt mitantikapitalistischen Parolen für Men-schen in prekären Verhältnissen oderauch mit Blut-und-Boden-Parolen,die sich als Natur- und Umwelt-schutz verkleiden.Die Evangelische Kirche der Pfalzwill in einem Handbuch ihre Ge-schichte während der NS-Zeit aufar-beiten. Geht sie mit dieser Initiativemit guten Beispiel voran oder hinktsie der Zeit hinterher?

Sie steht damit beileibe nicht al-lein. Das zeigt ein Blick auf die aucherst in den letzten Jahren in Ganggekommene Befassung großer Wirt-schaftsunternehmen, Ministerien undanderer staatlicher Einrichtungen,großer Forschungseinrichtungen undUniversitäten, Fachgesellschaftenund Verbände oder PsychiatrischerKliniken mit ihrer eigenen NS-Ge-schichte und deren wissenschaftlicheAufarbeitung. Auch hier war ein gro-ßer generationeller Wechsel notwen-dig, um herauszukommen aus frühe-rer bewusster Verdrängung durch dievielen in die Geschehnisse Involvier-ten und dann durch die aus institu-tionellem Eigeninteresse gespeisteAbwehr der nächsten Generation.Welche Konsequenzen kann aus Ih-rer Sicht eine solche historische Aufarbeitung für das gegenwärtigekirchliche Handeln haben?

Da maße ich mir kein Urteil an.Ich denke aber, dass sie hilft, sichkritisch der eigenen Wertvorstellun-gen zu versichern, zu erkennen, woim eigenen Glaubensgebäude Ein-fallstellen für ein Welt- und Men-schenbild waren, die Gemeinschaft,Staat und Nation über das Individu-um stellen, Menschen anderer Her-kunft oder anderen Bekenntnissesausgrenzen und den eigenen Fortbe-stand als zentralen Wert betrachten.

Gegen die VerdrängungDer Historiker Dieter Schiffmann über ErinnerungskulturIm Lebenslauf des promovierten Historikers Dieter Schiffmann verbinden sich wissenschaftliche Beschäftigungmit der Zeit des Nationalsozialismus sowie deren politische Aufarbeitung. Bevor er 1987 Abgeordneter desrheinland-pfälzischen Landtags wurde, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mannheim.Als Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz war Schiffmann zuständig für die KZ-Gedenkstätten Osthofen und Hinzert. Martin Schuck sprach mit ihm über Erinnerungskultur.

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Einladung zur Mitgliedschaft. Wir unterstützen und begleiten

die Arbeit der Akademie. Wir setzen uns mit Fragen der Zeit aus-

einander, am liebsten gemeinsam mit anderen. Mit unseren Akti-

vitäten wollen wir unserer Region neue Impulse geben und einen

Dialog aktueller Themen ermöglichen. Wir engagieren uns nicht

nur persönlich und finanziell , sondern auch ganz bewusst durch

eigene Veranstaltungen wie Vorträge, Ta gungen und Publikationen.

Unser Jahresbeitrag beträgt 30 Euro. Auch über zusätzliche Spenden freuen wir uns

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und des Freundeskreises eingeladen. „ Sie werden bei Veranstaltungen mit begrenzter

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Werner Simon, Vorsitzender

Dieter Schiffmann. (Foto: pv)

Service

Im deutschen Südwesten sind Pro-testantismus, Liberalismus und De-mokratie eng aufeinander bezogen.Als sich 1832 auf dem HambacherSchloss Protagonisten und Anhängerder liberalen Bewegung versammel-ten, um ihren Forderungen nach po-litischer Freiheit und nationaler Ein-heit Ausdruck zu verleihen, warenProtestanten an vorderster Front da-bei. Zu den Hauptrednern gehörteder Seebacher Pfarrer Johann Hein-rich Hochdörfer. Als 1848 der Traumvon der deutschen Republik wahr zuwerden schien, gehörte der nordpfäl-zische Pfarrer Theodor Berkmann zuden Abgeordneten der radikaldemo-kratischen Linken. Auf der anderenSeite kämpfte die Leitung der evan-gelischen Kirche der Pfalz unterKonsistorialpräsident Isaak Rust ent-schlossen gegen Liberalismus undfrühdemokratische Tendenzen. Sostanden sich innerhalb des Protestan-tismus fortschrittliche und restaurati-ve Strömungen gegenüber.

Die Tagung zeichnet die Kon-fliktlinien nach und fragt nach dengeistesgeschichtlichen Zusammen-hängen. Wie demokratisch ist derhistorische Protestantismus – undwelche Rolle spielten christlicheoder protestantische Haltungen fürdie Vor- und Frühgeschichte der De-mokratie? Was bedeutet das für dieprotestantische Identität heute? Wel-chen Beitrag kann der Protestantis-mus aufgrund seiner Traditionen und

Erfahrungen für die Entwicklung derfreiheitlichen Demokratie leisten?Was erwarten Politik und Zivilge-sellschaft von der Kirche? WelcheRolle wollen die Protestanten spie-len: staatsnahe Körperschaft odereher innerlich ausgerichtete Glau-bensgemeinschaft, kritischer Faktoroder neutraler Makler?

Nach historischen und theologi-schen Beiträgen von Karsten Rup-pert, Roland Paul, Hannes Ziegler,Jens Stoecker, Friedrich Schmidt-Roscher und Martin Leiner diskutie-ren wir mit Kirchenpräsident Christi-an Schad, dem PolitikwissenschaftlerUlrich Sarcinelli und der PolitikerinBarbara Schleicher-Rothmund. DasKulturprogramm am Freitagabendverbindet literarische und feuilleto-nistische Lesungen mit politischenLiedern von Reinig, Braun undBöhm. Die Tagung wird in Zusam-menarbeit mit dem Verein für pfälzi-sche Kirchengeschichte und religiöseVolkskunde sowie dem Institut fürpfälzische Geschichte und Volkskun-de Kaiserslautern veranstaltet.

Der Protestantismus und die An-fänge der Demokratie in Deutsch-land – Vom Hambacher Fest biszum Ende der Frankfurter Natio-nalversammlungTermin: 17./18. Januar 2014Ort: Protestantisches Bildungs zent -rum Butenschoen-Haus, LandauGebühr: 90 Euro (ermäßigt 55 Euro)

AkademieprogrammStand Dezember 2013

13. bis 15. Dezember 2013, Tagung in Bad Dürkheim, Jugendbildungsstätte Martin-Butzer-HausDas Sein, das Nein und das Nichts – Eine kleine Kulturgeschichte der NegationIm Rahmen der Tagung wird nach dem praktischen Selbstverhältnisdes modernen Menschen gefragt, der sich entscheiden muss, ob undwas er mit seinem Leben anfangen möchte.Für Jugendliche und junge Erwachsene bis 26 Jahre.

16. Januar 2014, 19 Uhr, Landauer Akademiegespräch, Kulturzentrum Altes KaufhausWofür steht Europa? Deutschland in Europa – Hegemon wider Willen?Referenten: Prof. Jerzy Buzek (Ministerpräsident Polens a.D. und Präsident des Europäischen Parlaments a.D.), Josef Janning (Politik -wissenschaftler und Politikberater, Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen).In Zusammenarbeit mit dem Frank-Loeb-Institut Landau und derStadt Landau.

24. Januar 2014, Tagung in Bern, Theologische Fakultät der Universität Bern, SchweizChristliche und Islamische Seelsorge – Ihre Beiträge in multikulturellen und multireligiösen GesellschaftenDie Tagung gibt Einblicke in Gemeinsamkeiten und Unterschiedechristlicher und islamischer Seelsorge und richtet sich an Seelsorger -Innen in Praxis und Lehre, Studierende und weitere Interessierte.In Kooperation mit der Universität Bern und der sipcc (Gesellschaft für interkulturelle Seelsorge und Beratung e.V.).Im Rahmen der von der Europäischen Kommission gefördertenGrundtvig-Lernpartnerschaften „Programm für lebenslanges Lernen“.

6. Februar 2014, 19 Uhr, Landauer Akademiegespräch, Kulturzentrum Altes KaufhausWofür steht Europa? – Was Europa zusammenhält: Religion – Ethos – InteressenReferenten: Prof. Dr. Gerhard Robbers (Verfassungsjurist, UniversitätTrier und Präsident des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentages),Dr. Rahim Schmidt, MdL (Mitglied der Landtagsfraktion der Grünenin Rheinland-Pfalz und Sprecher des Arbeitskreises Säkulare Grüne).In Zusammenarbeit mit dem Frank-Loeb-Institut Landau und derStadt Landau.

27. Februar 2014, 19 Uhr, Landauer Akademiegespräch, Kulturzentrum Altes KaufhausWofür steht Europa? – Nationaler Interessenausgleich oderpostnationale Solidargemeinschaft?Begrüßung durch Hans-Dieter Schlimmer, Oberbürgermeister der StadtLandau. Referenten: Robert Menasse (Schriftsteller, Wien), Dr. VolkerWissing (Finanzpolitiker, Vorsitzender des FDP-LandesverbandesRheinland-Pfalz). In Zusammenarbeit mit dem Frank-Loeb-InstitutLandau und der Stadt Landau.

5. März 2014, 19 bis 21 Uhr, Aschermittwoch der Wirtschaft in Ludwigshafen, Heinrich-Pesch-HausEthisch erfolgreich wirtschaften Referent: Albrecht Hornbach, Vorsitzender des Vorstands HornbachHolding AG, Neustadt a.d.W.In Zusammenarbeit mit der Katholischen Akademie Rhein-Neckar,dem Heinrich-Pesch-Haus Ludwigshafen und den WirtschaftsjuniorenMannheim-Ludwigshafen.

29. März 2014, Tagung in Mainz, Katholische Hochschule3. Rheinland-Pfälzischer HospiztagIn Zusammenarbeit mit der Ökumenischen Hospizhilfe, der Landesar-beitsgemeinschaft Hospiz und dem Sozialministerium Rheinland-Pfalz.

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Anfänge der DemokratieDas Verhältnis zwischen Christentum und Demokratie ist spannungs-reich. Im Protestantismus sorgte das landesherrliche Kirchenregimentfür eine große Nähe zur Monarchie. Noch 1956 bemerkte der evangeli-sche Sozialethiker Wolfgang Trillhaas, „dass bis zur Stunde die Demo-kratie“ ein „unbewältigtes Thema“ sei. Erst 1985 erfolgte mit der EKD-Denkschrift „Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie“ ein re-flektiertes Bekenntnis zum Staat des Grundgesetzes.

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