54
2 Dann eben mit Gewalt?
Argumentieren und erörtern
Konzeption des Kapitels
Gewalt ist kein wirklich strittiges Thema. Gewalt gilt nicht als legitimes Mittel, um Konflikte zu lösen.
Kontrovers diskutieren kann man allerdings über mögliche Ursachen von Gewalt oder darüber, wie man
mit der Darstellung und den Folgen von Gewalt umgeht. Deshalb werden in diesem Kapitel anhand der
Themen „Computerspiele und Gewalt“, „Soll man sprachliche Gewalt bestrafen?“, „Warnschussarrest
für Jugendliche“ sowie „Graffiti – Kunst oder Krawall?“ das mündliche und schriftliche materialgestützte
Argumentieren geübt, erweitert und vertieft. Wie in den „Deutschbüchern“ für die vorangegangenen
Jahrgangsstufen wird dabei die kommunikative Einbettung der argumentierenden Textformen berück-
sichtigt. Ein schreibdidaktischer Schwerpunkt liegt auf der Erörterung im Anschluss an einen Text. Als
Ausgangsbasis dienen journalistische Sachtexte, Interviews und Leser- sowie Expertenkommentare.
Im ersten Teilkapitel (Gewalt im Alltag und in den Medien – Strittige Themen diskutieren und erör-
tern) werden wesentliche Teilkompetenzen der Texterschließung und des Argumentierens angebahnt
und vertieft: zunächst bei der Planung und Durchführung einer Podiumsdiskussion, danach bei der
schrittweise angeleiteten Erarbeitung einer Pro-und-Kontra-Erörterung in Form eines Online-
Kommentars zu der Frage, ob man verbale Gewalt bestrafen sollte. Der Aufbau einer Argumentation
wird wiederholt und vertieft, die unterschiedlichen Argumenttypen werden neu eingeführt.
Im zweiten Teilkapitel (Warnschussarrest für Jugendliche? – Erörtern im Anschluss an einen
Text) wird das argumentierende Schreiben anhand einer für den Deutschunterricht typischen Textform
nachhaltig geübt. Die Lernenden analysieren detailliert einen komplexen Zeitungskommentar und set-
zen sich anschließend mit den darin dargestellten Positionen erörternd auseinander. Für leistungs-
schwächere Lernende stehen binnendifferenzierende Hilfen zur Verfügung.
Das dritte Teilkapitel (Fit in … – Erörtern im Anschluss an einen Text) dient abschließend dem Trai-
ning für eine Klassenarbeit. Ausgehend von einem Online-Kommentar mit dem Titel „Graffiti – Kunst
oder Krawall?“ können die Schülerinnen und Schüler selbstständig in einem gesteuerten Schreibpro-
zess das Erörtern im Anschluss an einen Text üben.
Literaturhinweise • Argumentieren. Praxis Deutsch 160/2000
• Becker-Mrotzek, Michael / Böttcher, Ingrid: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. Cornelsen, Berlin 2012
• Ludwig, Otto / Spinner, Kaspar H.: Mündlich und schriftlich argumentieren. In: Praxis Deutsch 160/2000, S. 16–22
• Materialgestütztes Schreiben. Praxis Deutsch 251/2015
• Meinungen bilden. Praxis Deutsch 211/2008
• Netzwerk fachliche Unterrichtsentwicklung Deutsch des Schulministeriums NRW. Argumentierendes Schreiben –
lehren und lernen. www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/cms/netzwerk-fachliche-unterrichtsentwicklung/
deutsch/module
• Pohl, Thorsten: Schriftliches Argumentieren. In: Helmut Feilke / Thorsten Pohl: Schriftlicher Sprachgebrauch. Texte
verfassen. Schneider, Baltmannsweiler 2014, S. 287–315
• Schneider, Frank / Tetling, Klaus: Argumentierend schreiben. In: Becker-Mrotzek / Böttcher, a.a.O., S. 216–242
• Schneider, Frank / Tetling, Klaus: Von Nashörnern bis Neurobiologie. Zur Funktion fachüberschreitender Sachtexte im
Deutschunterricht. Der Deutschunterricht 6/2013, S. 62–74
• Spinner, Kaspar H.: Was gehört zu einer guten Argumentation? Von fremden Texten zum eigenen Schreiben.
In: Praxis Deutsch 203/2007, S. 21–24
• Streit und Konflikt. Praxis Deutsch 174/2002
Übungsmaterial im „Deutschbuch 10 Arbeitsheft“ • Eine Pro-und-Kontra-Erörterung verfassen, S. 18–22
• Erörtern im Anschluss an einen Sachtext, S. 23–29
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
55
Inhalte Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler
S. 37 2 Dann eben mit Gewalt? –
Argumentieren und erörtern
– setzen sich anhand von Schlagzeilen und eines
Fotos mit dem Thema „Gewalt“ auseinander
– aktivieren ihr Vorwissen zum Argumentieren
S. 38 2.1 Gewalt im Alltag und in den
Medien – Strittige Themen
diskutieren und erörtern
Soll man Killerspiele verbieten? –
Argumenttypen unterscheiden
Interviews mit Manfred Spitzer und
Jeffrey Wimmer
– fassen zentrale Aussagen und gegensätzliche
Positionen zweier Interviews zusammen
– untersuchen die argumentative Struktur,
benennen die Argumenttypen und prüfen die
Stichhaltigkeit der Argumente
– widerlegen einzelne Argumente
S. 42 Eine Podiumsdiskussion führen – werten die Interviews für eine Podiumsdiskussion
aus
– bereiten eine eigene Positionierung vor
– erarbeiten Argumentationskarten, entwickeln
ein prägnantes Eröffnungsplädoyer
– erarbeiten Moderationskarten, planen
Moderationsimpulse
– führen die Podiumsdiskussion durch
– reflektieren das Diskussionsverhalten und die
Auswirkungen auf die Meinungsbildung
S. 44 Soll man verbale Gewalt bestrafen? –
Das Pro und Kontra erörtern
– erschließen einen Bericht, ein Presse-Echo
und Kommentare, stellen Fakten, Positionen und
Argumentationen dar
– entwickeln eine eigene Position und werten die
Materialien zur argumentativen Stützung aus
– formulieren eine Erörterung
– überarbeiten ihren Text kriterienorientiert
S. 50 Teste dein Wissen! –
Argumentieren und erörtern
– überprüfen ihren Lernfortschritt, indem sie
Argumente klassifizieren und ein Fazit bewerten
und überarbeiten
S. 51 2.2 Warnschussarrest für Jugend-
liche? – Erörtern im Anschluss an
einen Text
Mike Szymanski: Ein Schock, der
nichts bringt
– analysieren einen Zeitungskommentar
– stellen Kernaussagen, Aussageabsicht und
sprachliche Besonderheiten dar
– legen eine Stoffsammlung an
– setzen sich kritisch mit den im Text dargestellten
Positionen auseinander
S. 54 Vertiefen und üben –
Die Erörterung ausformulieren
– formulieren auf der Basis einer Stoffsammlung
prozessgesteuert eine Erörterung im Anschluss
an einen Text
S. 56 2.3 Fit in … – Erörtern im
Anschluss an einen Text
Teresa Bechtold / David Freches:
Graffiti – Kunst oder Krawall?
– verstehen eine komplexe Aufgabenstellung
– werten einen Kommentar aus
– stellen Kernaussagen, Aussageabsicht und
sprachliche Besonderheiten dar
– verfassen auf der Basis ihrer Stoffsammlung eine
Erörterung im Anschluss an einen Text
– überarbeiten ihren Text mithilfe einer Checkliste
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
56
S. 37 2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
Die Auftaktseite des Kapitels mit dem Foto eines gewalttätigen Übergriffs in einer U-Bahn-Station und
Schlagzeilen über verschiedene Formen von Gewalt erfüllt mehrere Funktionen: Einerseits bietet sie
provozierende Gesprächsanlässe für den Unterricht, um mit den Schülerinnen und Schülern über das
Thema „Jugendgewalt“ ins Gespräch zu kommen; andererseits nehmen die (zum Teil fiktiven, aber
realitätsnahen) Headlines Themen vorweg, die in diesem Kapitel eine Rolle spielen.
a Die Schlagzeilen deuten bereits verschiedene Themen bzw. Formen der Gewalt an:
– mögliche Ursachen von Jugendgewalt
– Präsenz von Gewalt in den Medien
– Auswirkungen und mögliche Besonderheiten von Jugendgewalt
– verbale Gewalt als ein Gewaltphänomen
– Umgang der Gesellschaft – etwa der Polizei – mit Gewalt
Es bietet sich an, diese Aspekte von Gewalt verbindlich zu klassifizieren. Im Sinne eines vorentlas-
tenden Themeneinstiegs könnte das einen ersten Rahmen für das Unterrichtsvorhaben bieten.
b Im Unterricht können verschiedene Zugänge zur Definition von Gewalt gewählt werden:
– Eine nicht vorbereitete Auseinandersetzung mit dem Begriff wird wahrscheinlich zunächst den
Aspekt der physischen Gewalt akzentuieren. Mithilfe der Auftaktseite könnten aber auch –
nötigenfalls durch gezielte Lehrerimpulse – Begriffe wie „verbale Gewalt“ oder „Gewalt im Netz“
genannt werden sowie Beispiele und Situationen, die die Lernenden selbst erlebt haben. Um von
einem vorläufigen Verständnis des Begriffs „Gewalt“ zu einer ersten Lernprogression zu kommen,
sind verschiedene methodische Zugriffe denkbar, etwa eine Visualisierung als Wortstern oder
(komplexer) als Mindmap. Ein methodisch interessantes Verfahren könnte darin bestehen, mit
den Lernenden eine Liste von Komposita zu entwickeln, die dann klassifiziert werden. Die zumeist
negative Konnotation von „Gewalt“ ist in Begriffen wie „Vergewaltigung“, „Gewaltverbrechen“,
„Gewalttat“, „Gewalttäter“, „Gewaltverherrlichung“, „emotionale Gewalt“, „strukturelle Gewalt“,
„Gewalt gegenüber Gegenständen“ oder negativ im Wort „Gewaltlosigkeit“ erkennbar.
– Ein gezielter Einstieg in das Leitthema „Gewalt“ über eine vorbereitende Hausaufgabe – etwa
eine Internetrecherche (Wikipedia) – hat den Vorteil, die verschiedenen Dimensionen des
Gewaltbegriffs vertiefend vorwegzunehmen. Die Auswertung der Hausaufgabe im Unterricht
könnte über eine Visualisierung zu einer verbindlichen ersten Systematisierung des Begriffs
„Gewalt“ führen, die die Arbeit mit dem Kapitel metakognitiv und orientierend begleiten kann.
Durch die Aufgabe, zwei der Aussagen in den Schlagzeilen zu begründen oder zu widerlegen, wird das
Vorwissen aktiviert, sie zielt auf eine Anwendung bereits erworbener Kompetenzen beim mündlichen
Argumentieren. Dabei handelt es sich sowohl um prozessbezogene Kompetenzen („Wie kann man
Aussagen stützen bzw. widerlegen?“) als auch um deklaratives Wissen zum Argumentieren („Was ist
ein Argument?“, „Welche Funktionen haben Beispiele?“, „Wie formuliert man eine Position?“ usw.).
Da den Lernenden hier kein Material für die argumentative Auseinandersetzung zur Verfügung gestellt
wird und sie allenfalls auf andernorts erworbenes Wissen zum Thema „Gewalt“ zurückgreifen können,
werden sie erfahrungsgetränkte Vorschläge anbieten. Zur Förderung der Verstehenskompetenz könnte
es sinnvoll sein, vor einer kooperativen Phase einige der Aussagen in den Schlagzeilen gemeinsam im
Plenum zu klären, zum Beispiel im Hinblick auf den Aussagentyp und den möglichen kommunikativen
Zusammenhang, in dem die Aussagen stehen, etwa:
– Bei einer argumentativen Auseinandersetzung mit Schlagzeilen wie „Jugendliche Täter gehen immer
brutaler vor“ oder „‚Generation Bushido‘: durch Rap kriminell“ werden die Lernenden die Frage auf-
werfen, ob überhaupt und in welcher Weise solche Aussagen argumentativ gestützt werden können.
– Die für die Lernenden möglicherweise emotional aufgeladene Aussage „Killerspiele sind aktives
Kriegstraining“ tritt zwar sprachlich als Faktenaussage auf, deren Wahrheitsgehalt sollte aber kritisch
hinterfragt werden: Welche Fakten begründen eine solche Aussage? Daraus lässt sich z. B. eine
Überleitung zum Material der nächsten Sequenz (S. 38–43 im Schülerband) stiften.
2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern
57
– Zu der Forderung der Polizeigewerkschaft „Härtere Strafen für Gewalttäter“ können sich die Lernen-
den zustimmend oder ablehnend verhalten. Stützen lässt sich diese Forderung durch Wertargumen-
te wie „Gewalt muss bestraft werden“. Widerlegen ließe sich diese Forderung durch ein Faktenargu-
ment: Untersuchungen zeigen, dass längere Haftstrafen bei jugendlichen Gewalttätern eher nachtei-
lig wirken. Widerlegen ließe sich die Aussage auch durch den Hinweis, dass härtere Strafen nicht
automatisch eine abschreckende Wirkung haben. Das kann man z. B. an Ländern sehen, in denen
es trotz Todesstrafe zahlreiche Gewalttaten gibt.
S. 38 2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien
Strittige Themen diskutieren und erörtern
S. 38 Soll man Killerspiele verbieten? – Argumenttypen unterscheiden
S. 38 Was Killerspiele im Gehirn auslösen: Interview mit Manfred Spitzer
S. 39 Computerspiele sind ein Kulturgut: Interview mit Jeffrey Wimmer
Die beiden Auszüge aus Interviews greifen ein für Lernende strittiges Thema auf, nämlich die Frage
nach der Problematik und Schädlichkeit von Computerspielen. Der Hirnforscher Spitzer und der Medi-
enwissenschaftler Wimmer vertreten unterschiedliche Positionen zum Zusammenhang von Computer-
spielen und Gewaltbereitschaft. Ihre Positionen sind aber nicht diametral entgegengesetzt, denn auch
Wimmer bestreitet nicht, dass ein großer Teil von Computerspielen gewalttätige Inhalte hat.
Zum einen geht es darum, die Materialien gezielt auszuwerten, um auf eine materialgestützte Podi-
umsdiskussion vorzubereiten. Zum anderen werden die Strukturelemente des Argumentierens ange-
wendet und mit der Unterscheidung verschiedener Argumenttypen weiter ausdifferenziert.
a Themen und Positionen der beiden Texte – knapp zusammengefasst:
– Der Hirnforscher und Lerntheoretiker Manfred Spitzer setzt sich mit der Frage auseinander, wel-
che Auswirkungen der Konsum von Filmen und Computerspielen auf das menschliche Gehirn
habe (vgl. Z. 4–9). Dabei kommt er zu dem Schluss, dass Gewalt in den Medien, etwa in Compu-
terspielen, die Gewaltbereitschaft der Nutzer erhöhe (vgl. Z. 35–41).
– Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Jeffrey Wimmer setzt sich ebenfalls mit dem
Thema auseinander, ob medial vermittelte Gewalt, vor allem in Computerspielen, die Gewaltbe-
reitschaft erhöhe. Kommunikationswissenschaftliche Belege dafür, dass Computerspiele einen
Menschen zu einem Gewalttäter machen würden, gebe es nicht. Im Gegensatz zu Spitzer ver-
deutlicht er auch die positiven Effekte, die Computerspiele für Heranwachsende haben können.
b Zu diesem Zeitpunkt können sich die Lernenden allenfalls vorläufig einer der Positionen anschlie-
ßen. Aus ihrer Sicht könnte Wimmers Position sympathischer erscheinen, weil er Computerspiele
nicht, wie Spitzer, verurteilt. Die Qualität der Begründungen für diese erste Positionierung hängt von
der Intensität der Auseinandersetzung ab. Auf den ersten Blick ist z. B. Wimmers Argument, Com-
puterspiele hätten ein schlechtes Image, leicht rezipierbar. Aber auch Spitzers „Faktenargumente“
lassen sich auf der Basis flüchtigen Lesens zur Begründung einer eigenen Position adaptieren.
Die folgenden Arbeitsaufträge leiten dazu an, ein sicheres Grundverständnis der Interviews zu initiieren.
Dabei kann es sinnvoll sein, dass sich die Lerngruppe im Plenum zunächst nur mit den beiden Über-
schriften beschäftigt und diese erläutert. Lernförderlich wäre es z. B., die beiden Formulierungen an der
Tafel zu präsentieren und von den Schülerinnen und Schülern erläutern zu lassen.
– Spitzers polemische und negative Zuspitzung wird schon durch die Bezeichnung „Killerspiele“ deut-
lich. Zudem gibt die Überschrift durch das Stichwort „Gehirn“ einen Hinweis auf das argumentative
Vorgehen, nämlich auf der Ebene der Neurologie zu argumentieren. Im Text argumentiert Spitzer,
dass sich die massive und dauerhafte Erfahrung medialer Gewalt im Gehirn niederschlage (vgl.
Z. 28–33). In der Folge werde Gewalt für das Gehirn auch in der Realität zu einem Mittel, um Pro-
bleme zu lösen. Daraus leitet Spitzer ab, dass „mediale Gewalt zu mehr realer“ führe (Z. 32 f.).
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
58
Im Vergleich dazu signalisiert bereits die Überschrift von Wimmers Interview durch den Begriff „Kultur-
gut“ eine eindeutig positive Einschätzung, auch wenn er sich im Text durchaus kritisch gegenüber der
Gewalt in Computerspielen äußert (vgl. z. B. Z. 18–24). Wimmer begründet im Text das schlechte
Image von Computerspielen damit, dass dies in der öffentlichen Diskussion durch ältere Personen be-
stimmt werde, die das Faszinierende an den Spielen nicht kennen (vgl. Z. 28–33). Er verweist auf Un-
tersuchungen, die zeigen, dass die erhöhte Aggressivität nach Gewaltkonsum in den Medien nur von
kurzfristiger Dauer sei (vgl. Z. 50–60). Tragfähige Belege dafür, dass Computerspiele einen Menschen
zu einem Gewalttäter machen, gebe es nicht. Auch wenn Wimmer zugibt, dass über 50 % der PC-
Spiele gewalttätige Inhalte haben, werde sich die Ansicht durchsetzen, dass PC-Spiele ein Kulturgut
seien (vgl. Z. 70–74).
a Ein gesichertes Verständnis der verschiedenen Argumenttypen wird dadurch unterstützt, dass man
im Plenum mit den Schülerinnen und Schülern weitere – auch konstruierte – Beispielsätze zur Ver-
anschaulichung entwickelt und diskutiert.
b Die diffizilen Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Argumenttypen erfordern eine intensi-
ve Textarbeit mit einer anschließenden Auseinandersetzung und verbindlichen Sicherung. Aus fach-
licher Perspektive ist es bei den beiden Interviews nicht immer möglich, eindeutig Argumente zu
identifizieren und den Argumenttypen zuzuordnen. Beispielsweise sind in beiden Positionen zwar
Werthaltungen und Wertargumente implizit erkennbar, aber auf der Oberflächenebene der Aussa-
gen nicht eindeutig identifizierbar.
Vorschlag für ein Tafelbild:
Argumenttyp Spitzer: „Was Killerspiele im Gehirn
auslösen“
Wimmer: „Computerspiele sind ein
Kulturgut“
Fakten-
argumente
– Studie zu Gewalt als Mittel der Kon-
fliktlösung in den Medien (Z. 21–25)
– Studie aus den USA, die belegt,
dass Fernsehen die Gewaltbereit-
schaft erhöht (Z. 35–37)
– weitere Studie, die belegt, dass
Menschen nach dem Konsum von
Killerspielen länger brauchen, bis sie
anderen helfen, als Vergleichsgrup-
pe ohne Videospiele (Z. 37–41)
– Schulgewalt in Baden-Württemberg
in 7 Jahren um 40% gestiegen
– Über 50 % der Computerspiele haben
gewalttätige Inhalte (Z. 18–20).
– Empirische Studien belegen zwar
kurzfristige Auswirkungen von Gewalt,
diese dauern aber nicht längerfristig
an (Z. 50–54).
Wertargumente – –
Autoritäts-
argumente
– Selbstauskunft Spitzers als Fach-
mann („Ich beschäftige mich mit
Lernen“, Z. 6) mit anschließendem
analogisierenden Argument (s. u.,
Z. 6–9)
– Entwicklung erster ähnlicher Pro-
gramme durch das US-Militär, um
Tötungshemmung von Soldaten zu
überwinden (Z. 52–57)
– „negatives“ Autoritätsargument: Die
öffentliche Diskussion wird von älteren
Politikern und Journalisten bestimmt,
die Computerspiele nicht kennen
(Z. 30–33).
– Aus mediensoziologischer Sicht sind
Computerspiele nicht die Ursache von
Gewalt, sondern nur ein Symptom für
gesellschaftliche Verhältnisse
(Z. 33–35).
– Kommunikationswissenschaft hat
sich lange damit auseinandergesetzt,
ob Computerspiele zur Gewalttätigkeit
anregen; das sei nicht der Fall
(Z. 42–48).
2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern
59
Argumenttyp Spitzer: „Was Killerspiele im Gehirn
auslösen“
Wimmer: „Computerspiele sind ein
Kulturgut“
analogisierende
Argumente
– „Wenn man begriffen hat, wie wir
lernen, versteht man auch, was Ge-
walt in Videospielen und im Fernse-
hen in uns auslöst.“ (Z. 6–9)
– Vergleich von Informationsverarbei-
tung im Gehirn mit dem Entstehen
von Trampelpfaden in der Natur: Die
ständige Erfahrung von Gewalttaten
in den Medien schlägt sich im Gehirn
nieder. Folge: Das Gehirn bewertet
Gewaltlösungen als reale Konflikt-
lösungsmöglichkeit (Z. 20 f., 28–33).
– Flow-Erlebnis „ähnlich wie bei einem
spannenden Kinofilm – nur viel inten-
siver“ (Z. 8–10)
– Gewalt zur Umsatzförderung – „ein
Phänomen, das wir aus klassischen
Hollywoodfilmen kennen, an denen
sich Computerspiele lange orientier-
ten“ (Z. 22–24)
– Die Annahme, Computerspiele wür-
den Amokläufe verursachen, resultiert
aus dem Wunsch, „einfache Antwor-
ten auf relativ komplexe Phänomene
zu finden“ (Z. 40 f.).
– „Kulturgut wie Kino, Bücher und Fern-
sehen“ (Z. 71 f.)
– Computerspiele vermitteln, was
Kinder und Jugendliche „später im
Arbeitsleben dringend brauchen“
(Z. 88–99, mit Beispielen).
a Eine begründete Prüfung der Stichhaltigkeit der Argumente sollte von einer tabellarischen Gegen-
überstellung wie der zu Aufgabe 3 ausgehen.
Mögliche Prüfkriterien, die die Lehrkraft mit den Lernenden gemeinsam entwickeln kann, ergeben
sich auch aus den „Tipps“ des Merkkastens, z. B.:
– Beziehen sich die Daten und Fakten nur auf Einzelfälle (dann taugen sie nicht als Beleg) oder auf
Studien/Umfragen in relevanten bzw. repräsentativen Gruppen?
– Gibt es auf der Faktenebene Erkenntnisse oder Untersuchungen, die sich in beiden Interviews
widersprechen? Beispiel: Die von Spitzer zitierten Untersuchungen zum Gewaltpotenzial werden
durch Wimmers Hinweise relativiert.
– Gibt es Aussagen, die nicht argumentativ gestützt werden? Beispiele: Nennt Spitzer Argumente,
die seine Aussage stützen, „mediale Gewalt“ führe „zu mehr realer“ Gewalt? Wimmers Hinweis,
dass „die Kommunikationswissenschaft“ Computerspiele umfassend untersuche, wird kaum kon-
kretisiert und belegt. Wie sichert Wimmer sein Bekenntnis, er habe Probleme, „wenn Medien zer-
stört“ würden, argumentativ ab?
– Spitzer wie auch Wimmer verwenden analogisierende Argumente. Überzeugen die Vergleichs-
ebenen? Beispiel: Aus der Analogie mit den Trampelpfaden schließt Spitzer, dass „das Gehirn“
aus der medialen Gewalt folgere, Gewalt sei auch eine reale Möglichkeit zur Konfliktlösung. Wird
begründet, warum „das Gehirn“ und nicht die Person entscheidet?
b Die Gewichtung der Argumente zu einem strittigen Thema ist selbstverständlich auch durch Vorer-
fahrungen und Vorurteile der Lernenden geprägt und deshalb nicht vollständig rational. Daher be-
darf es einer gewissen Offenheit, um mit Unschärfen im Unterricht umzugehen. Das bedeutet jedoch
nicht die Freigabe von Beliebigkeit. Die Förderung der Argumentationskompetenz und einer „Ethik
des Meinens“, an der der Deutschunterricht wesentlichen Anteil hat, erfordert eine deutliche Krite-
rienorientierung. Bei der Widerlegung einzelner Argumente der beiden Wissenschaftler sollten die
zu Aufgabe 4a entwickelten Prüfkriterien ebenso Leitlinie sein wie sprachlich kohärente Formulie-
rungen.
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
60
S. 42 Eine Podiumsdiskussion führen
a/b Die bisher angebahnten Kompetenzschwerpunkte werden in einer Podiumsdiskussion zusammen-
geführt. Den fachlichen Ausgangspunkt bilden die erarbeiteten Positionen von Spitzer und Wimmer
zum Verhältnis von medialer und realer Gewalt. Für die Podiumsdiskussion müssen die bereits er-
schlossenen und bewerteten Standpunkte und Argumente unter der Fragestellung „Soll die Verbrei-
tung so genannter Killer- oder Ballerspiele für Jugendliche verboten werden?“ auf ihre Funktionalität
hin untersucht und neu bewertet werden. Die Positionen und Argumente der Experten Spitzer und
Wimmer liefern zwar das Ausgangsmaterial, werden jedoch erstens in einen neuen Kontext, nämlich
eine zugespitzte Fragestellung, gestellt und zweitens durch das Welt- und Fachwissen der Schüle-
rinnen und Schüler argumentativ angereichert.
Unabhängig von den Erfahrungen der Lerngruppe werden durch das Format der Podiumsdiskussion
die Kommunikations- und Argumentationskompetenz in besonderer Weise gefördert. Die verschie-
denen Rollen unterstützen die Fähigkeit, komplexe Entscheidungsfragen aus unterschiedlichen Per-
spektiven zu betrachten.
Die vorgegebenen Hilfestellungen zur Organisation und zum Ablauf einer Podiumsdiskussion sor-
gen für Transparenz; sie steuern zwar den Ablauf der Diskussion, lassen aber auch individuelle
Ausgestaltungen und Variationen zu.
Mögliche Leerstellen im Ablauf sollte die Lehrperson antizipieren und auf die Besonderheiten der
Lerngruppe abstimmen. Dabei ergeben sich folgende Entscheidungsfelder:
– Erfolgen die Gruppenzusammensetzung und die Entscheidung für bestimmte Rollen nach dem
Zufallsprinzip oder nach Vorlieben? Für die Übernahme von Rollen nach dem Zufallsprinzip
spricht, dass dadurch die oben erwähnte Übernahme unterschiedlicher Perspektiven in besonde-
rer Weise gefördert wird.
– Wer die Moderatorenrolle übernimmt, kann abhängig von der Lerngruppe ganz unterschiedlich
aussehen: Zufallsentscheidungen führen dazu, dass prinzipiell alle Schülerinnen und Schüler un-
abhängig von Vorlieben oder Kompetenzen diese sehr anspruchsvolle Aufgabe übernehmen
können/müssen. Es kann aber durchaus auch Gründe geben, dass die Lehrperson die Moderato-
ren auswählt.
– Alle Gruppen sind gefordert, das Ausgangsmaterial nochmals intensiv zu nutzen und mit eigenen
Erfahrungen anzureichern.
– Die im Schülerband angebotenen Argumentations- und Moderationskarten sowie die Formulie-
rungshilfen steuern und orientieren die Diskussion und die Produkte. Für die arbeitsteilige Grup-
penarbeit könnten die einzelnen Gruppen ausdrücklich verpflichtet werden, die Formulierungshil-
fen zu nutzen. Dies bietet sich vor allem bei der Gestaltung des Eröffnungsplädoyers an.
a Bei der zeitlichen Begrenzung der einzelnen Diskussionsrunden sollte beachtet werden, dass es
sich sowohl vom Ablauf und der Struktur als auch vom Thema her um eine komplexe Diskussion
handelt. Auch die Möglichkeit, dass sich das Publikum abschließend an die Experten wenden kann,
erfordert einen ausreichenden Zeitrahmen pro Durchgang.
b Durch die kriterienorientierte Beobachtung und Auswertung der einzelnen Diskussionsrunden wer-
den die metakognitiven Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler besonders gefördert. Das
Feedback anhand des Bewertungsbogens fördert wesentliche Teilkompetenzen des mündlichen Ar-
gumentierens.
Der abschließende Austausch über mögliche Variationen im Meinungsbild schafft Gesprächsanlässe,
um den argumentativen Diskurs nochmals im Plenum zu gewichten und kontrovers zu beurteilen.
S. 44 Soll man verbale Gewalt bestrafen? – Das Pro und Kontra erörtern
Das erste Teilkapitel wird mit einer schriftlichen Pro-und-Kontra-Erörterung fortgesetzt, die kommunika-
tiv in die Schreibform „Leserkommentar für eine Online-Zeitung“ eingebettet ist. Die Schülerinnen und
Schüler entwickeln die charakteristischen Elemente einer erörternden Stellungnahme in der Auseinan-
dersetzung mit mehreren Zeitungsartikeln und (teilweise fiktiven) Leserkommentaren, darunter ein au-
thentisches Expertenurteil.
2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern
61
Das Thema „verbale Gewalt“ ist umstritten, zugleich aber ein Phänomen, das den Schülerinnen und
Schülern nicht nur aus ihrer Teilhabe an sozialen Netzwerken bekannt ist. Das Thema wird hier an ei-
nem prominenten Fall entwickelt, denn die Auseinandersetzung mit einem fremden, wenn auch spekta-
kulären Beispiel schafft Formen der Distanzierung, die differenziertere Urteile ermöglichen.
Dass den Lernenden das Beispiel – die verbalen Beleidigungen von Marco Materazzi und die aggressi-
ve körperliche Reaktion von Zinédine Zidane im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 – vermut-
lich nicht gegenwärtig ist, wird bei den ersten Zugängen zum Material berücksichtigt. Materazzis Worte,
der Kopfstoß Zidanes, Äußerungen weiterer Beteiligter und internationale Reaktionen lassen sich unter
der Fragestellung betrachten: „Soll man verbale Gewalt bestrafen?“ Interessant ist, dass neben Zidane
auch der Provokateur zur Rechenschaft gezogen wurde. Dass hier verbale Gewalt tatsächlich bestraft
wurde, hat man strittig beurteilt.
Didaktische Schwerpunkte des angeleiteten Schreibprozesses sind die Nutzung von externem Weltwis-
sen, um eine eigene begründete Position zu entwickeln, das sinnvolle Abwägen und Anordnen von
Argumenten sowie die schriftliche Umsetzung in ein kohärentes argumentierendes Schreibprodukt.
Die Aufgabe zielt darauf, wesentliche Elemente des „historischen“ Kopfstoßes zu rekonstruieren. Dabei
ermöglicht z. B. die Beschreibung und Deutung der Bildfolge im Schülerband schüleraktivierende Zu-
gänge.
Die Aufgabe steuert ein erstes globales Verständnis der Lernenden an. Für den Unterricht ist es
wichtig, Verbindlichkeit beim gemeinsamen Textverständnis herzustellen. Dazu bietet es sich an, ge-
meinsam mit den Schülern (unter Nutzung von Tafel, Overheadprojektor oder Beamer) eine Art „News-
board“ zu entwickeln, z. B. in Form einer Tabelle. Am Ende sollte eine Reflexion der Lernenden stehen,
welche grundlegenden (moralischen) Probleme mit dem Fall aufgeworfen werden. Daraus lässt sich
eine Überleitung zu der folgenden Schreibaufgabe entwickeln.
Vorschlag für die Tabelle:
Zidanes Kopfstoß und die Folgen – Die wichtigsten Fakten
Unmittelbar Beteiligte? – Zinédine Zidane (berühmter französischer Fußballspieler, der z. B. bei
Real Madrid gespielt hat); Marco Materazzi (italienischer National-
spieler); Schiedsrichter (Horacio Elizondo aus Argentinien)
Textbelege: z. B. Text 1, Z. 1–5.
– Der Name des Schiedsrichters und der Hinweis auf Real Madrid wur-
den ergänzt.
Wo und wann? – Endspiel der Fußball-WM 2006 in Berlin
Textbelege: z. B. Text 1, Z. 1, 7
Was ist passiert? – Der französische Spieler Zidane versetzte dem italienischen Spieler
in der Verlängerung des Finales einen Kopfstoß, nachdem dieser ihn
offensichtlich provoziert hatte. Zidane wurde daraufhin vom Platz
verwiesen. Italien gewann die WM im folgenden Elfmeterschießen.
Textbelege: z. B. Text 1, Z. 21–27
Motive der Handelnden? – Nach eigener Auskunft hat Materazzi Zidane während der Spiels
provoziert. Ob er das absichtlich getan hat, um einen Platzverweis
zu provozieren, ist Spekulation.
– Zidane fühlte sich offensichtlich durch die Beleidigung zu der Tat
provoziert.
Textbelege: z. B. Text 1, Z. 6–10, 14–21
Mit welchen Folgen? – Zidane wurde in der Verlängerung vom Spielfeld verwiesen und
hinterher vom Weltverband für drei Spiele gesperrt.
– Materazzi wurde wegen seiner Provokationen für zwei Spiele gesperrt.
Textbelege: Text 1, Z. 22–27; Presse-Echo, z. B. Z. 1–5, 14–16
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
62
Zidanes Kopfstoß und die Folgen – Die wichtigsten Fakten
Wie waren die
Reaktionen?
– Aus dem Presse-Echo wird deutlich, dass die Bestrafungen sehr
kontrovers diskutiert wurden – in Italien und Frankreich, aber auch in
anderen Ländern.
Textbelege: vgl. gesamtes Presse-Echo, Leserkommentare
Fazit: Welches grund-
legende Problem wird
hier deutlich?
– Ist es gerecht, dass eine verbale Provokation ähnlich stark bestraft wird
wie der folgende gewalttätige Übergriff?
– Lässt sich verbale Gewalt überhaupt gerecht bestrafen?
Der Vergleich zwischen der Einschätzung der Lernenden und den tatsächlichen Folgen für die beiden
Spieler schafft vermutlich eine kognitive Dissonanz, die den anstehenden Schreibprozess motivieren
kann. Die Schülerinnen und Schülern bewerten an dieser Stelle wahrscheinlich noch stärker intuitiv und
spontan. Ein begründetes Stimmungsbild der Lerngruppe könnte man sichern. Im Folgenden wird die
Meinungsbildung der Lernenden detailliert angeleitet und gesteuert.
S. 46 Schritt 1: Das Thema erschließen
a/b Die Impulse zur Klärung der für den Schreibauftrag notwendigen Schritte und Prozesse dienen der
Selbstvergewisserung. Dabei greifen die Lernenden auf bereits bekanntes deklaratives und pro-
zessbezogenes Wissen zum Argumentieren zurück. Um die Erwartungen an den Schreibprozess
stärker vorzuentlasten, können die Schülerinnen und Schüler auch den Informationskasten auf S. 47
im Schülerband miteinbeziehen.
S. 46 Schritt 2: Stoffsammlung und Gliederung
a/b Beispiellösung für die Auswertung des Presse-Echos und der Kommentare (inkl. Argumenttypen):
Position (These) Argumentation (Begründung)
1. Bestrafung von verbaler Gewalt (Be-
leidigung) problematisch („Marca“,
Spanien, Z. 17–22).
Gerade im Fußball sind Beleidigungen stark verbreitet.
Jeder beleidigte Spieler könnte die Fifa anrufen. (Z. 17–20)
Faktenargument
2. Das Urteil ist ungerecht und fragwür-
dig („Marca“, Spanien, Z. 22 f.; „Cor-
riere della Sera“, Italien, Z. 28 f.).
Zu geringe Bestrafung von körperlicher Gewalt (Kopfstoß)
im Vergleich zum verbalen Angriff (Z. 23–26, 30–34).
Wertargument
3. Urteil als problematischer Musterfall
(„Daily Telegraph“, England, Z. 35 f.)
Spieler, die Regeln missachten, könnten sich mit dem Hin-
weis, sie seien provoziert worden, verteidigen (Z. 35–42).
ähnelt analogisierendem Argument
4. Urteil eher gerecht („L’Equipe“,
Frankreich, Z. 43 f.)
Auch der Anstifter der Gewalt wurde bestraft (Z. 45–48).
Wertargument
5. Um Verhalten zu bewerten, muss
man gesamte Situation betrachten
(EXPerte, Z. 17–20)
Sprache als solche übt keine Gewalt aus. (Z. 21–23)
Autoritätsargument
c Bewertung der verschiedenen Positionen und Argumente:
1. Bestrafung von verbaler Gewalt (Beleidigung) problematisch: Gerade im Fußball sind Beleidi-
gungen stark verbreitet. Jeder beleidigte Spieler könnte die Fifa anrufen. Eher schwierig zu
stützen: Es ist nicht einfach, vorhergehende Provokation nachzuweisen. Provokationen rechtfer-
tigen keine Gewalt.
2. Das Urteil ist ungerecht und fragwürdig: Zu geringe Bestrafung von körperlicher Gewalt (Kopf-
stoß) im Vergleich zum verbalen Angriff. Als intuitives Argument durchaus plausibel.
2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern
63
3. Urteil als problematischer Musterfall: Spieler, die Regeln missachten, könnten sich mit dem Hin-
weis, sie seien provoziert worden, verteidigen. Eher schwierig zu stützen: Argument angreif-
bar, weil es nicht einfach ist, vorhergehende Provokation nachzuweisen.
4. Urteil eher gerecht: Auch der Anstifter der Gewalt wird bestraft. Eher einfach zu stützen:
Wenn man die Anstiftung nachweisen kann, dann gilt z. B. das Beleidigungsverbot.
5. Um Verhalten zu bewerten, muss man gesamte Situation betrachten: Sprache als solche übt
keine Gewalt aus. Argument plausibel, aber nicht einfach zu stützen.
d Beispiel für eine geordnete Stoffsammlung (in der eigene Argumente ergänzt wurden):
Thema: Soll man verbale Gewalt bestrafen?
Gründe für (pro)
Bestrafung von verbaler Gewalt
Gründe gegen (kontra)
Bestrafung von verbaler Gewalt
– Verbale Gewalt kann körperliche Gewalt
hervorrufen ( Eskalation von Gewalt).
– Verbale Gewalt kann die menschliche Würde
verletzen.
– Verbale Beleidigungen sind eine Straftat
(in Deutschland § 185 Strafgesetzbuch).
– verbale Gewalt schwer zu definieren
– verbale Gewalt schwer nachzuweisen
– Beleidigungen kommen (z. B. im Fußball)
sehr häufig vor.
– verbale Gewalt/Beleidigung nicht alleinige
Ursache der folgenden körperlichen Gewalt
– mögliche Folge: ungerecht, wenn Gewalttäter
und Provokateur ähnlich hart bestraft werden
a In der im Schülerband vorgegebenen Gliederung werden Pro- und Kontra-Argumente blockweise
gegenübergestellt. Da der Block mit den Argumenten für eine Bestrafung an zweiter Stelle steht, po-
sitioniert sich diese Gliederung für die Bestrafung verbaler Gewalt.
b Vor- und Nachteile der beiden Gliederungsmöglichkeiten:
– Der Vorteil der blockweisen Gegenüberstellung von Argumenten ist, dass – einem selbst und dem
Leser – die eigene Positionierung sehr schnell klar wird.
– Bei einem laufenden Wechsel der Argumente werden jeweils passende Pro- und Kontra-Argu-
mente aufeinander bezogen. Der Vorteil ist, dass man die Argumente sofort entkräften kann. Der
Nachteil der fortlaufenden Anordnung liegt darin, dass der Schreibende darauf achten muss, dass
sich Pro- und Kontra-Argumente jeweils (sprachlich) aufeinander beziehen lassen.
Von daher kann es leichter sein, die Argumente in Blöcken zu entwickeln.
c Beispiel für eine Fortführung der vorgegebenen Gliederung des Hauptteils:
Soll man verbale Gewalt bestrafen?
l Gründe gegen eine Bestrafung
1. Verbale Gewalt schwer zu definieren
a) Beleidigungen stark verbreitet (z. B. im Fußball)
b) Verbale Gewalt schwer nachzuweisen
2. Verbale Gewalt wird mit realer (physischer) Gewalt gleichgesetzt
a) Verbale Gewalt ist nicht die alleinige Ursache physischer Gewalt
b) Mögliche Folge: ungerecht, wenn verbale Gewalt ähnlich wie physische Gewalt bestraft wird
ll Gründe für eine Bestrafung
1. Verbale Beleidigung ist in vielen Ländern – auch in Deutschland – Straftatbestand
a) Strafgesetzbuch § 185
b) Verbale Beleidigung kann die Würde des Menschen angreifen
2. Verbale Gewalt kann zur Eskalation von Gewalt beitragen
a) Prominentes Beispiel: Fußball-WM 2006, Kopfstoß Zidanes nach Beleidigung durch
Materazzi
b) Eigene Erfahrungen im Freundeskreis
lll Fazit: Verbale Gewalt sollte man daher bestrafen.
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
64
S. 48 Schritt 3: Die Argumentation schreiben
a „Aufhänger“ der vorgegebenen Einleitungen:
A historisches Ereignis
B allgemeine Bedeutung des Problems aufzeigen
C Schlüsselbegriff/Thema klären
D Annäherung über ein Beispiel
b Exemplarische Ausformulierung von zwei Einleitungsvarianten:
B Beleidigungen und verbale Attacken gehören nicht nur im Fußball zum Alltag. Auch in der Kom-
munikation über soziale Netzwerke wie Facebook oder über Whatsapp passiert es immer wieder,
dass Jugendliche heftig beleidigt oder gemobbt werden. Angesichts der starken Präsenz verbaler
Gewalt in der Gesellschaft stellt sich die Frage: Sollte man verbale Gewalt bestrafen – wie in
dem Beispiel Materazzi/Zidane – oder nicht?
D Ein Junge wird von zwei Jugendlichen ständig als „Versager“, „Opfer“, „Loser“ bezeichnet. Er
wird wütend und greift bei einer günstigen Gelegenheit einen der Provokateure an. Das Opfer der
Beleidigungen verpasst dabei dem Jugendlichen, der ihn immer wieder gekränkt hat, ein blaues
Auge. Das Beispiel wirft die Frage auf, ob nicht beide – der Provokateur wie auch der Junge, der
sich mit körperlicher Gewalt gewehrt hat – bestraft werden müssen. Deshalb werde ich im Fol-
genden die Frage erörtern, ob man verbale Gewalt bestrafen sollte oder nicht.
Beispiel für den Hauptteil einer Erörterung, in der für eine Bestrafung verbaler Gewalt argumentiert
wird:
Gegen eine Bestrafung verbaler Gewalt spricht einiges. Die Gegner einer solchen Bestrafung weisen
darauf hin, wie schwierig es ist, verbale Gewalt eindeutig zu definieren. Beleidigungen sind zum Bei-
spiel im Fußball verbreitet, aber auch im Alltag von Schülerinnen und Schülern. Es ist dabei nicht immer
einfach, konkret nachzuweisen, wie stark und intensiv Worte jemanden verletzen können. Beleidigun-
gen im Rahmen eines Fußballspiels sind z. B. ein – wenn auch – unfaires Mittel, einen Gegenspieler zu
provozieren. Aber dieser kennt in der Regel solche Strategien, kann sie durchschauen und sich ent-
sprechend verhalten.
Verbale Gewalt lässt nicht nur schwer nachweisen, es ist zudem zweifelhaft, ob verbale Äußerungen
die alleinige Ursache physischer Gewalt sein können. Der Konfliktforscher Professor Jäger weist darauf
hin, dass Sprache als solche keinerlei Gewalt ausübe und dass immer die jeweilige Situation, in der
Beschimpfungen und Sprachattacken geäußert werden, mit berücksichtigt werden müsse. Das Beispiel
des Fußballspielers Zidane zeigt, dass der Kopfstoß nicht nur Folge der verbalen Entgleisung Materaz-
zis war, sondern dass es durchaus weitere Ursachen, etwa in der Lebensgeschichte Zidanes, gab.
Trotz der nachvollziehbaren Einwände gegen eine konsequente Bestrafung verbaler Angriffe sprechen
wesentliche Argumente dafür. Dass es in Einzelfällen schwierig sein kann, den Anteil verbaler Gewalt
an physischer Gewalt zu bestimmen, lässt nicht den Schluss zu, dass verbale Gewalt nicht bestraft
werden könne. Dazu gibt es zu viele Beispiele, in denen verbale Beleidigungen eine Person in ihrer
Würde und Ehre ernsthaft und dauerhaft beschädigen. Durch verbale Attacken und Beleidigungen kann
das Selbstwertgefühl einer Person – insbesondere bei Jugendlichen und Heranwachsenden – nachhal-
tig gestört, ja zerstört werden. Ich kenne ein tragisches Beispiel aus meiner eigenen Klasse: Ein nicht
ganz schlankes Mädchen wurde wegen seiner Figur direkt und über Facebook derart gemobbt, dass es
an Magersucht erkrankte, therapeutische Betreuung brauchte und schließlich die Schule verließ. In
solchen Fällen sollten die Täter wegen ihres aggressiven Sprachverhaltens bestraft werden.
Daran lässt sich das entscheidende Argument für die Strafwürdigkeit verbaler Gewalt anschließen.
Verbale Beleidigungen sind in vielen Ländern – auch in Deutschland – Straftatbestand. Paragraf 185
des Strafgesetzbuches sieht bei Beleidigung eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe
vor. Die Bestrafung des Provokateurs Materazzi nach dem WM-Finale 2006 in Berlin stützt meine Posi-
tion, zumal dieser im Nachhinein sein sprachlich sehr provozierendes Verhalten zugegeben und sich
entschuldigt hat.
Wenn ich die Argumente pro und kontra abwäge, komme ich zu dem Schluss, dass sprachliche Gewalt
bestraft und unter Umständen sogar strafrechtlich verfolgt werden sollte, sofern sie gravierende Folgen
für das Opfer der verbalen Attacken hat.
2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern
65
Beispiel für einen abrundenden Schluss:
Wenn man sich vor Augen führt, wie stark Mobbing unter Jugendlichen verbreitet ist, dann kann man
hoffen, dass eine konsequente Bestrafung verbaler Gewalt abschreckend wirkt – egal, ob es sich um
Beleidigungen im direkten Kontakt oder bei Netzaktivitäten handelt.
Falls verbale Gewalt zu körperlicher Aggressivität führt, wie im Fall der Fußballspieler Materazzi und
Zidane, sollte das jeweilige Strafmaß allerdings angemessen abgewogen werden. Denn eine gleiche
oder ähnliche Bestrafung von verbaler und körperlicher Gewalt könnte als ungerecht empfunden wer-
den.
Erst mit der Überarbeitung des eigenen Schreibprodukts wird der Schreibprozess abgeschlossen. Die
Schülerinnen und Schüler verfügen durch die orientierenden Aufgaben und den Methodenkasten über
genügend Kriterien dafür.
Die wenig geliebte, aber unverzichtbare Überarbeitung kann durch eine geplante Publikation der Stel-
lungnahmen motiviert werden; in den öffentlichen Bereichen der Schulhomepage oder in sozialen
Netzwerken ist das mit geringem Aufwand möglich.
Die Lehrperson sollte abhängig von den Lernvoraussetzungen entscheiden, ob eine Schreibkonferenz
der angemessene Rahmen für die Lerngruppe sein kann. Unter Umständen müsste dann vor der Über-
arbeitung gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern eine verbindliche Kriterienliste festgelegt
werden. Idealerweise verfassen und überarbeiten die Lernenden ihre Texte digital.
S. 50 Teste dein Wissen! – Argumentieren und erörtern
a Die Schülerinnen und Schüler überprüfen ihren Lernfortschritt, indem sie zunächst Argumente
klassifizieren:
Aussage pro oder kontra „Killerspiele“? Argumenttyp
1 kontra Faktenargument
2 pro Wertargument
3 pro analogisierendes Argument / Wertargument
4 kontra Autoritätsargument
5 pro Autoritätsargument / Faktenargument
b Beispiel für eine Widerlegung von Argument 2 und 3:
Das Wertargument 2 mit dem Hinweis, dass Online-Rollenspiele die sozialen Kompetenzen fördern,
lässt sich nicht als überzeugendes Argument pro gewaltorientierte Computerspiele nutzen. Zwar
sind auch solche Spiele mit kooperativen Elementen versehen, aber diese setzen die Faktenargu-
mente der Aussage 1 über die Einschränkung des Mitgefühls nicht außer Kraft. Auch das Interesse
der Eltern (Argument 3) ändert nichts an den Inhalten und mindert nicht die Gefahren von gewalt-
verherrlichenden Computerspielen.
Mögliche Verbesserung des Fazits:
Wenn ich die Argumente pro und kontra abwäge, komme ich zu dem Schluss, dass ein generelles Ver-
bot gewalthaltiger Computerspiele nicht sinnvoll ist. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Einschrän-
kungen geben sollte. So werden auf dem Spielemarkt durchaus Spiele angeboten, die wegen ihrer
starken Gewaltorientierung eine Altersfreigabe – etwa ab 18 Jahren – benötigen.
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
66
S. 51 2.2 Warnschussarrest für Jugendliche?
Erörtern im Anschluss an einen Text
Das Teilkapitel knüpft mit der Erörterung im Anschluss an einen Text an das korrespondierende Kapitel
im Deutschbuch 9 an. Die Komplexität dieses Schreibprodukts besteht in den vielfachen Anforderun-
gen: Die Schülerinnen und Schüler müssen einen informierenden und argumentierenden Sachtext ver-
stehen und analysieren, die dargestellten Sachverhalte sowie die Darstellungsstrategien schriftlich wie-
dergeben und erläutern und sich davon ausgehend mit einer strittigen Position erörternd auseinander-
setzen. Entsprechend ist die folgende Sequenz angelegt: Der Erwerb bzw. die Vertiefung der Kompe-
tenzen beginnt mit der angeleiteten Untersuchung eines Artikels aus der „Süddeutschen Zeitung“ zum
Warnschussarrest und wird mit einem auf zwei Differenzierungsniveaus angelegten Schreibprozess
weitergeführt.
Die Aussicht auf eine Veröffentlichung (z. B. auf der Schulhomepage oder in sozialen Netzwerken)
könnte die Schreibmotivation fördern.
S. 51 Mike Szymanski: Ein Schock, der nichts bringt
Die Lernenden werden mit ihren ersten kurzen, spontanen Stellungnahmen auf den verschiedensten
Ebenen reagieren: Sie werden sich zum Textverständnis und zu Unklarheiten äußern, auf den Begriff
„Warnschussarrest“ eingehen und evtl. den Text bewerten.
Für die Unterrichtsführung könnte es sinnvoll sein, mit grundlegenden Fragen bzw. Einschätzungen
verbindlich umzugehen. Die folgenden Erschließungsaufgaben müssten z. B. Verständnisfragen be-
antworten.
Mit einer textbezogenen Erläuterung der Überschrift wird das Textverstehen vorentlastet. Mike
Szymanski verfasst zwar einen in wesentlichen Teilen sachlich argumentierenden Text. Die Schlagzeile
(wie auch der Vorspann) nimmt aber die kritische Einschätzung – nämlich die problematische Wirksam-
keit des Warnschussarrests – deutlich vorweg. (Die Verbindung von Argumentation und Meinungs-
äußerung könnten die Lernenden als typisch für die Textsorte Kommentar erkennen.)
Beispiele für prägnante Textstellen, die – neben der Überschrift und dem Vorspann – die Position des
Verfassers verdeutlichen:
– „Ein Jahr nach der Einführung fällt die Bilanz dieser Schocktherapie eher dürftig aus.“ (Z. 17 f.)
– „Und von einer abschreckenden Wirkung des Arrests kann auch dort nicht mehr wirklich die Rede
sein, wo man große Hoffnungen in das Instrument gesetzt hat – wie in Bayern.“ (Z. 52–55)
– „Im Idealfall – so schildert es der Münchner Jugendrichter Gassner – würden die zu Warnschuss-
arresten verurteilten Jugendlichen das erste Mal die Erfahrung machen, eingesperrt zu werden. Und,
so die Hoffnung, dann daraus für die Zukunft lernen. Die Praxis sieht anders aus:“ (Z. 66–71)
– „So konsequent waren dann auch die Bayern nicht.“ (Z. 80 f.)
a Beispiel für eine Erklärung des Begriffs „Warnschussarrest“:
Der Warnschussarrest kann seit 2013 als Ergänzung zu einer Bewährungsstrafe für Jugendliche
verhängt werden. Die bis zu vier Wochen dauernde Haftstrafe soll jugendlichen Straftätern ihr un-
rechtmäßiges Verhalten vor Augen führen (vgl. Z. 84–93) und sie von weiteren kriminellen Taten
abschrecken.
a/b Die beiden orientierenden Aufgaben steuern den Prozess, eine Stoffsammlung anzulegen. Auch
wenn sie nicht explizit als differenziert ausgewiesen sind, bieten sie deutliche Hilfestellungen. Für
die Unterrichtsführung ist es wichtig, auf Verbindlichkeit bei der Bearbeitung zu achten, da der an-
schließende Schreibprozess auf der Stoffsammlung basiert.
2.2 Warnschussarrest für Jugendliche? Erörtern im Anschluss an einen Text
67
Beispiel für die Ergänzung der vorgegebenen Stoffsammlung:
Kerngedanken des Textes
– Ausgangsfrage: Hat sich der Warnschussarrest in der Praxis bewährt? Der Autor zieht ein Jahr
nach dem Beschluss des Warnschussarrests eine Bilanz.
– Es gibt wenig Praxiserfahrung mit dem Warnschussarrest, denn Jugendrichter machen von der
Möglichkeit des Warnschussarrests wenig Gebrauch. Dies belegt z. B. eine Umfrage in den Jus-
tizministerien der Bundesländer, nach der 2013 insgesamt nur wenige Warnschussarreste ver-
hängt worden sind.
Intention des Textes
– Die Meinung des Autors ist dem Text deutlich zu entnehmen: Er steht dem Warnschussarrest
kritisch gegenüber und will die Leser über dessen Anwendung und Auswirkungen aufklären sowie
zur eigenen Meinungsbildung anregen. Schon die Überschrift verdeutlicht, besonders in Kombina-
tion mit dem Vorspann, dass der Verfasser den Warnschussarrest nicht für ein geeignetes Mittel
zur Eindämmung von Jugendkriminalität hält.
Sprachliche Besonderheiten
– abwertende Formulierungen: „Hardlinern“ (Z. 12), „fällt die Bilanz dieser Schocktherapie eher
dürftig aus“ (Z. 17 f.)
– Umgangssprache: „aufzubrummen“ (Z. 22), „Wer mal beim Klauen erwischt wird“ (Z. 31 f.)
– Ironie: „Knast auf Probe – für den Alltag kann man da ja vielleicht noch was lernen“ (Z. 9 f.),
„So konsequent waren dann auch die Bayern nicht.“ (Z. 80 f.)
– Zitate (vgl. Z. 8, 15 f., 43, 57–61)
Beispiel für eine Tabelle mit Argumenten pro und kontra Warnschussarrest:
pro Warnschussarrest kontra Warnschussarrest
Konsequenzen der eigenen Handlungen erfahren,
für die Zukunft lernen (vgl. Z. 66–71; S. 52,
Z. 17–21)
Wertargument
Nur wenige Jugendrichter verhängen bisher
Warnschussarrest (Umfrage der SZ, vgl. Z. 18–29)
Faktenargument
Jugendlichen eigenes Unrecht vor Augen führen
(Zitat des bayer. Justizministers, vgl. Z. 57–61)
Autoritätsargument / Wertargument
abschreckende Wirkung zweifelhaft (Studie zur
Rückfallquote von 2010, vgl. Z. 44–55)
Faktenargument
bloße Bewährungsstrafen von Betroffenen häufig
als Freispruch empfunden (S. 52, Z. 13–17)
Wertargument
Gefahr, dass Jugendliche mit kriminellem Milieu
in Kontakt kommen (vgl. S. 52, Z. 21–25)
Wertargument / Faktenargument?
Gefahr, dass Jugendliche in der eigenen Clique
als „Helden“ gelten (vgl. S. 52, Z. 26–30)
S. 54 Vertiefen und üben – Die Erörterung ausformulieren
Der Steuerung des Schreibauftrags ist auch in der „fordernden“ Variante orientierend. Die Differenzie-
rung wird durch zusätzliche Formulierungshilfen in der Fördervariante realisiert. Bei der Entscheidung,
wer in der Lerngruppe welches Aufgabenset bearbeitet, kann auf die Auswertung des Lernstandstets
(auf S. 82 f. in diesen Handreichungen) zurückgegriffen werden. Je nach Selbstständigkeit und Reflek-
tiertheit der Lerngruppe ist es aber auch denkbar, dass die Schülerinnen und Schüler darüber selbst-
ständig entscheiden.
Die Lehrperson kann die vorgegebene Differenzierung durch einen Wechsel der Sozialformen ergän-
zen: Die Schreibaufgaben können auch kooperativ bearbeitet werden, wobei im Sinne der individuellen
Förderung aber darauf geachtet werden sollte, dass jede/r ein Schreibprodukt formuliert.
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
68
Beispiellösung (die Angaben zur Struktur sind zur Orientierung hier kursiv ergänzt):
Erörterung im Anschluss an den Text „Ein Schock, der nichts bringt“ von Mike Szymanski
(Einleitung) In Deutschland gibt es den Warnschussarrest für Jugendliche seit dem 7. März 2013. Die
vierwöchige Arreststrafe kann als Ergänzung zu einer Bewährungsstrafe verhängt werden. Inwieweit
hat sich der Warnschussarrest in der Praxis bewährt? In dem Artikel „Ein Schock, der nichts bringt“
zieht der Autor Mike Szymanski nach einem Jahr Bilanz. Der Text ist am 7.3.2014 in der überregionalen
„Süddeutschen Zeitung“ erschienen.
(Hauptteil: Kerngedanken des Textes, Intention, sprachliche Auffälligkeiten) Schon die Überschrift „Ein
Schock, der nichts bringt“ lässt vermuten, dass sich der Warnschussarrest in der Praxis nicht bewährt
hat. Die Bilanz sei ernüchternd, so der Autor, noch gebe es wenig Erfahrung mit dieser „Schocktherapie“
(Z. 18). Das zeige eine Umfrage der SZ in den Justizministerien der Bundesländer, nach der 2013 nur
sehr wenige Warnschussarreste verhängt worden sind (vgl. Z. 22–29). Der Verfasser stützt dieses Fak-
tenargument mit Zahlen und Kommentaren aus verschiedenen Bundesländern. Im Folgenden nimmt er
mit einem Zitat des bayerischen Justizministers (vgl. Z. 56–61) und der Paraphrase eines Münchener
Jugendrichters (vgl. Z. 66–71) Autoritäts- und Wertargumente der Befürworter des Warnschussarrests
auf. Diese widerlegt er durch Faktenargumente und Beispiele aus der Praxis (vgl. Z. 61–65 und 71–81).
Die Position des Autors ist dem Text deutlich zu entnehmen: Er steht dem Warnschussarrest kritisch
gegenüber. Das wird nicht nur in der Überschrift deutlich, sondern auch im Vorspann und in wichtigen
Passagen seines Artikels (z. B.: „Ein Jahr nach der Einführung fällt die Bilanz dieser Schocktherapie
eher dürftig aus.“, Z. 17 f.; „Und von einer abschreckenden Wirkung des Arrests […] wie in Bayern.“,
Z. 52–55; „Die Praxis sieht anders aus“, Z. 71). Mit seinem Artikel will der Autor über das Thema
„Warnschussarrest“ aufklären, seine Meinung dazu äußern und die Leserinnen und Leser zur eigenen
Meinungsbildung über diese Maßnahme des Jugendstrafrechts anregen.
Obwohl der Text in weiten Teilen sachlich-argumentativ verfasst ist, belegen abwertende Formulierun-
gen wie „Hardliner“ (Z. 12), „Schocktherapie“ (Z. 18) oder „eher dürftig“ (Z. 18) seine kritische Sicht.
Auch saloppe umgangssprachliche Formulierungen wie „aufzubrummen“ (Z. 22) oder „Wer mal beim
Klauen erwischt wird“ (Z. 31 f.) zeigen, dass Szymanski nicht viel von dieser Vollzugsmaßnahme hält.
Unterstützt wird das durch den ironischen Unterton, der sich etwa in Zeile 9 f. („Knast auf Probe – für
den Alltag kann man da ja vielleicht noch was lernen“) oder im Schlusssatz (Z. 80 f.) zeigt.
(Erörterung, Pro und Kontra) Szymanskis Artikel regt dazu an, sich selbst eine Meinung zum Thema
„Warnschussarrest“ zu bilden. Im Folgenden werde ich erörtern, was dafür und was dagegenspricht,
wobei ich mich auf Befürworter und Gegner beziehe, die in dem Zeitungsbeitrag zu Wort kommen.
Die Befürworter dieser Verschärfung im Jugendstrafrecht setzen große Hoffnung in den Warnschussar-
rest. Jugendrichter, aber auch Politiker argumentieren, der Warnschussarrest könne abschreckende
Wirkung haben. Er soll den Jugendlichen – so der bayerische Justizminister – das eigene Unrecht und
dessen Konsequenzen „spürbar vor Augen führen“ (Z. 60). Ergänzt wird diese Überlegung durch die
Hoffnung, dass die Betroffenen für die Zukunft daraus lernen. Überdies hegen Befürworter Zweifel, ob
eine bloße Bewährungsstrafe von jugendlichen Straffälligen überhaupt als Strafe angesehen wird.
Während sich die Befürworter des Warnschussarrests vor allem auf Wertargumente berufen, argumen-
tiert Szymanski als Kritiker mit Zahlen und Statistiken, also mit Faktenargumenten. Auf dieser Basis
erweist sich die Bilanz des Warnschussarrests als nicht überzeugend. Nur wenige Jugendrichter ver-
hängten diesen z. B. 2013. Das belegt die genannte Umfrage der „Süddeutschen Zeitung“ bei den Jus-
tizministern der Bundesländer (vgl. Z. 22–29). Das zentrale Argument gegen den Warnschussarrest
ergibt sich aus einer Studie von 2010 zur hohen Rückfallquote bei Jugendarrest (vgl. Z. 45–55). Da-
nach ist die abschreckende Wirkung sehr zweifelhaft. Ergänzen lässt sich das durch die Gefahr, dass
Jugendliche im Warnschussarrest überhaupt erst intensiver mit dem kriminellen Milieu in Kontakt kom-
men (S. 52, Z. 21–25) oder nach Verbüßung in ihrer Gruppe als „Helden“ gelten (vgl. S. 52, Z. 26–30).
(Schluss/Fazit) Auch wenn die Hoffnungen der Befürworter dieser Strafmaßnahme einleuchtend klin-
gen, vertrete ich nach Abwägen der Argumente die Meinung, dass mehr gegen als für den Warn-
schussarrest spricht. Das stimmt mit der negativen Bilanz überein, die Mike Szymanski in seinem Arti-
kel zieht. Bei meiner Entscheidung haben mich vor allem die von ihm genannten Zahlen und Fakten
überzeugt, die allerdings aus heutiger Perspektive aktualisiert werden müssten. Ergänzend wäre es
jedoch wichtig, die straffällig gewordenen Jugendlichen pädagogisch zu betreuen und zu unterstützen.
2.3 Fit in … Erörtern im Anschluss an einen Text
69
S. 56 2.3 Fit in … Erörtern im Anschluss an einen Text
Die in den ersten beiden Teilkapiteln angebahnten Kompetenzen im Bereich des Argumentierens wer-
den im Klassenarbeitstraining verdichtet zusammengeführt. Thematisch fügen sich Textvorlage und
Aufgabenstellung in das Leitthema des Kapitels ein: Die Frage „Graffiti – Kunst oder Krawall?“ berührt
mit der Position „Krawall“ das Motiv „Gewalt“. Das immer wieder diskutierte Problem der Sachbeschä-
digung durch Graffiti lässt sich als „Gewalt gegenüber Eigentum“ interpretieren.
Auch wenn die Schülerinnen und Schüler das Klassenarbeitstraining selbstständig durchführen – etwa
als vorbereitende Hausaufgabe –, sollte es ihnen ermöglicht werden, ihre Erfahrungen mit dieser Auf-
gabe im Unterricht zu thematisieren.
S. 56 Teresa Bechtold / David Freches: Graffiti – Kunst oder Krawall?
S. 56 Die Aufgabenstellung verstehen
Der partnerschaftliche Austausch soll sicherstellen, dass den Lernenden alle relevanten Aspekte der
Aufgabenstellung bewusst sind. Unterstützend können die Schülerinnen und Schüler darauf hingewie-
sen werden, die Methoden- und Informationskästen aus den ersten beiden Teilkapiteln zu nutzen.
S. 57 Stoffsammlung und Gliederung erstellen
a/b Mögliche erweiterte Stoffsammlung:
Kerngedanken des Textes
Autoren positionieren sich zur Frage, ob Graffiti Kunst oder Sachbeschädigung sind:
provokanter, ironischer Einstieg: direkte Anrede der Sprayer macht deutlich, dass die Verfasser
Graffiti für Sachbeschädigung halten:
– Einschränkung: Graffiti als Zeichen von Rebellion wären in Ordnung, wenn deren Entfernung
nicht durch Steuern oder Ticketpreise von der Allgemeinheit oder von einzelnen Privatleuten
finanziert werden müsste.
– Einschränkung: Graffiti gehören mittlerweile fast überall zum Stadtbild, eigene Kulturszene –
Aber: Kultur, die den Schaden anderer in Kauf nimmt, kann nicht positiv sein.
– Einschränkung: Graffiti sind in Ordnung, wenn dabei nicht fremdes Eigentum beschädigt wird.
zum Besprühen freigegebene Graffiti-Wände in vielen Städten; denen fehlt aber Reiz des
Verbotenen
– unangemessenes Heischen um Anerkennung: Sprayer zwingen anderen ihre Werke auf.
Intention des Textes
– Autoren sehen in „Graffiti“ Sachbeschädigung, wollen Leser über deren negative Folgen und die
widersprüchlichen Ansprüche der Sprayer aufklären.
Sprachliche Besonderheiten
Diese Haltung wird auch sprachlich deutlich:
– auffällige Überschrift: Antithese, Alliteration, Frage wecken Leserinteresse
– provokanter Einstieg mit direkter Ansprache der Sprayer und rhetorischen Fragen („Ihr traut euch
[…]? Ganz illegal? […] im Dunkeln?“, Z. 1–3) ironisiert die widersprüchlichen Ansprüche der
Sprayer-Kultur
– ironisch-abwertende Bezeichnung der Graffiti-Künstler als „kleine Jungs“, die eine „kleine Rebelli-
onsphase“ durchmachen (Z. 5–11)
– „zitierte“ jugendsprachliche Ausdrücke („krass“, Z. 7; „cooler“, Z. 36), Neologismus („Selbst-
bewusstseins-Kick“, Z. 17) Abwertung der Sprayer als kindische Jugendliche
– im gesamten Text ironischer Unterton
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
70
Beispiel für eine Tabelle mit Argumenten zur Streitfrage „Graffiti – Kunst oder Sachbeschädigung“:
Graffiti
= Kunst = Sachbeschädigung
gehören überall zum Stadtbild, eigene Kultur-
szene
Wertargument
Entfernung müssen die Allgemeinheit
(über Steuern, Tickets) oder Einzelne bezahlen
Faktenargument
Grundrecht der Kunstfreiheit
Wertargument / analogisierendes Argument
Sprayer zwingen anderen ihre Kunstwerke auf
(da an öffentlichen Gebäuden oder Fahrzeugen)
Wertargument / Faktenargument
Kunst war schon immer rebellisch und gegen
den Mainstream
Wertargument
„Kunst“, die anderen schadet, ist anmaßend
Wertargument
S. 58 Die Erörterung schreiben und überarbeiten
Beispiellösung, die Graffiti als Sachbeschädigung einschätzt:
Erörterung im Anschluss an den Sachtext „Graffiti – Kunst oder Krawall?“
(Einleitung) Was für manche Leute eine Verschönerung einer kargen Wand darstellt, ist für andere eine
kriminelle Tat. Sind Graffiti Kunst oder Sachbeschädigung? In dem Artikel „Graffiti – Kunst oder Kra-
wall?“ setzen sich Teresa Bechtold und David Freches kritisch mit der Graffiti-Kultur auseinander.
(Hauptteil: Kerngedanken des Textes, Intention, sprachliche Auffälligkeiten) Die Meinung der Autoren
zur Frage im Titel ihres Artikels wird schon im ersten Absatz klar. Durch einen provokant-ironischen
Einstieg, in dem sie die Sprayer direkt ansprechen, wird schnell deutlich, dass sie die Alternative „Kunst
oder Krawall?“ mit dem zweiten Begriff beantworten. Für sie stehen die Sachbeschädigung fremden
Eigentums und die Kosten, die andere tragen müssen, im Vordergrund. Die Bezeichnung der Graffiti-
Künstler als „kleine Jungs“ (Z. 5 f.), die eine „kleine Rebellionsphase“ (Z. 10 f.) durchmachen, zeigt
deutlich die distanzierte und eher abwertende Haltung der Autoren gegenüber den Sprayern. Rhetori-
sche Fragen („Ihr traut euch […]? Ganz illegal? […] im Dunkeln?“, Z. 1–3) ironisieren die widersprüchli-
chen Ansprüche der Sprayer-Kultur. Dem gesamten Text liegt ein ironischer Unterton zugrunde, der
etwa in dem umgangssprachlichen Kommentar „Wie mutig von euch, ganz große Klasse, ehrlich“
(Z. 3 f.) besonders deutlich zutage tritt. Jugendsprachliche Ausdrücke, die als Zitate in den Text einge-
streut sind („krass“, Z. 7; „cooler“, Z. 36) und ein Neologismus („Selbstbewusstseins-Kick“, Z. 17) tragen
weiter zur Distanzierung und Abwertung der Sprayer als kindische Jugendliche bei.
Daneben bieten Bechtold und Ferches durchaus auch Faktenargumente für ihre Position (z. B. zum
Umfang der Schäden) und Alternativen zum „wilden“ Sprayen. Interessant ist, dass sie ihre Argumenta-
tion mehrmals mit Einschränkungen bzw. Gegenargumenten beginnen, die sie dann widerlegen (Z. 12–
21, 22–29).
Die Position der Autoren ist unmissverständlich: Graffiti als Zeichen von Rebellion wären in Ordnung,
wenn deren Entfernung nicht durch Steuern oder Ticketpreise von anderen finanziert werden müsste.
Als Alternative schlagen sie spezielle Graffitiwände vor, wie sie in den meisten Städten zur Verfügung
stehen (vgl. Z. 30–34). Eine Graffiti-Kultur, die den Schaden anderer Menschen in Kauf nimmt, könne
nicht positiv sein. Eine Kunst, die ihre Werke den Menschen aufzwingt, halten die Autoren für fragwür-
dig.
Die Absicht des Textes liegt auf der Hand: Die Verfasser sehen Graffiti kritisch, sie wollen die Leser
über deren negative Folgen und die widersprüchlichen Ansprüche der Sprayer aufklären und zur
Bildung einer eigenen Meinung anregen. In Ansätzen liegt ihrem Kommentar auch ein Appell an die
Sprayer zugrunde, was beispielsweise in der direkten Anrede zu Beginn des Textes erkennbar wird.
2.3 Fit in … Erörtern im Anschluss an einen Text
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(Erörterung, Pro und Kontra) Bei der Beurteilung von Graffiti als Kunst oder Sachbeschädigung schei-
nen die Positionen sehr weit auseinanderzuliegen.
Die Befürworter der Graffiti-Kultur nennen als ein Argument, dass Graffiti die Tristesse und Ödnis vieler
Städte vertreiben und graue Betonflächen aufwerten. Die East Side Gallery in Berlin oder ähnliche Orte
in anderen Städten sind mittlerweile kulturelle Anziehungspunkte – nicht nur für Städtetouristen, son-
dern auch für Kunstinteressierte aus anderen Ländern. Hier wird das zentrale Argument derjenigen
deutlich, für die Graffiti Kunst sind – und keine Sachbeschädigung. Seit den 1980er Jahren hat sich
weltweit eine vielfältige Kulturbewegung etabliert, in der sich Graffiti-Kunst z. B. mit Hiphop und ande-
ren Kunstformen verbindet. Alle Versuche, diese Kultur und Kunst einzuschränken, wäre – so das Ar-
gument – eine Beschränkung der künstlerischen Freiheit.
Diesen Argumenten kann man im Sinne von Bechtold und Freches entgegenhalten, dass ein Großteil
der Graffiti zwar auf Betonflächen landet, aber häufig mit Kunst wenig zu tun hat. Ein für jedermann
nachvollziehbares Beispiel bietet die Erfahrung, wenn man mit einem Zug in einen Bahnhof einfährt.
Die unzähligen, oft gleichförmigen Graffiti – auch auf Zügen – haben wenig mit Kunst zu tun, sondern
sind eher die Produkte pubertierender Sprayer. Diese Kritzeleien auf öffentlichen und privaten Flächen –
so lautet ein zentrales Argument – erfüllen nicht den Anspruch, authentische Kunst zu sein. Es handelt
sich um Sachbeschädigungen, für deren Behebung die Allgemeinheit oder Privatleute aufkommen
müssen. Deshalb ergibt sich als Schlussfolgerung, dass Kunst, die fremdes Eigentum beschädigt, kei-
nen Schutz beanspruchen kann. Im Gegenteil: Es handelt sich um Gewalt gegenüber fremdem Eigen-
tum, die auch strafrechtlich verfolgt werden muss.
(Schluss/Fazit) Obwohl das Thema „Graffiti – Kunst oder Krawall?“ strittig und eine rationale Positionie-
rung schwierig ist, vertrete ich die Ansicht, dass es sich bei Graffiti in der Regel um Sachbeschädigung
und nicht um einmalige künstlerische Ausdrucksformen handelt. Nach Abwägen der Argumente schlie-
ße ich mich der kritischen Sicht der beiden Autoren an. Dabei habe ich mich vor allem von meiner Be-
obachtung unzähliger Kritzeleien an Hauswänden oder Zügen in unserer Stadt leiten lassen. Für künst-
lerische Graffiti, die es ja durchaus auch gibt, sollten spezielle Wände, zur Verfügung stehen – warum
nicht auch im Museum?
Unabhängig davon, ob die Lernenden ihren Text im Unterricht oder zu Hause verfasst haben, sollte die
Lehrperson darauf achten, dass er wirklich überarbeitet wird. Die Checkliste auf S. 58 im Schülerband
mit den überschaubaren und nachvollziehbaren Kriterien bietet dafür die Basis.
Material zu diesem Kapitel auf den folgenden Seiten und auf der CD-ROM
– Vertiefen und üben – Erörtern im Anschluss an einen Text: Pro und Kontra Warnschussarrest –
Experten im Streitgespräch (auf zwei Differenzierungsniveaus, mit Lösungshinweisen auf der
CD-ROM)
– Klassenarbeit – Erörtern im Anschluss an einen Text: Gordon Wüllner / Niklas Dummer: Zensur in
Kinderbüchern? (mit Erwartungshorizont auf der CD-ROM)
– Klassenarbeit – Erörtern im Anschluss an einen Text: Oliver Trendkamp: Urteil: Mobbingopfer darf
nicht zuschlagen / Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin: Schulordnungsmaßnahme auch
bei Gewalt nach Provokation (mit Erwartungshorizont auf der CD-ROM)
– Lernstandstest – Argumentieren und erörtern (mit Lösungshinweisen und Förderempfehlung auf der
CD-ROM)
2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern Deutschbuch 10
Autor: Klaus Tetling
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Vertiefen und üben – Erörtern im Anschluss an einen Text
Pro und Kontra Warnschussarrest – Experten im Streitgespräch
Über die Verschärfung des Jugendstrafrechts und den Warnschussarrest gab es sehr kontroverse Dis-
kussionen. Unter Warnschussarrest versteht man eine kurze Haftstrafe, die ergänzend zu einer Bewäh-
rungsstrafe verhängt werden kann. Der folgende Text dokumentiert einen Auszug aus einer öffentlichen
Diskussion in Hamburg im Jahr 2011, in der der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer und der
Jugendrichter Andreas Müller vor der Einführung des Warnschussarrests zu Wort kamen.
Pfeiffer: Das Entscheidende ist, dass der Jugend-
arrest höhere Rückfallquoten hat als die zur Be-
währung ausgesetzte Jugendstrafe, obwohl Letzte-
re die gefährlicheren Klienten1 kriegen […] Wa-
rum geht denn eigentlich die Jugendgewalt zu-
rück, aber in der öffentlichen Wahrnehmung
nicht? Die Menschen glauben zu 90 %, so muss-
ten wir feststellen, dass die Jugendgewalt steigt,
obwohl sie sinkt. […] Nein, ich bleibe dabei, den
Jugendarrest verstärkt einzusetzen, ist immer eine
Risikoerhöhung, dass die betroffenen Menschen
durch die Hafterfahrung erst richtig ins Abseits
geraten, ein schlechtes Image bekommen und die
falschen Freunde kennen lernen. […]
Müller: […] Ich will aber sehr wohl die Einfüh-
rung des Warnschussarrestes, der keine Verschär-
fung ist, sondern einfach ein weiteres Mittel, das
eben auch verhindern könnte, dass wir Hundert-
tausende Abiturienten haben, die bei ihren Abi-
feiern irgendeinen Scheiß bauen und dann nach
Erwachsenenstrafrecht beurteilt werden könnten.
Das ist die Wahl. […]
Pfeiffer: Ich möchte eine Frage an Sie stellen:
Warum glauben Sie – was bei Ihnen immer wie-
der zum Ausdruck kommt –, dass ein Mensch, der
für drei Wochen hinter Gittern sitzt, davon ir-
gendwie positiv beeindruckt wird? Ich kann nicht
nachvollziehen, was Sie sich von dem Jugend-
arrest für Heilwirkungen versprechen, wo die
Rückfallquoten doch eindeutig dagegen sprechen,
aber auch der gesunde Menschenverstand das
zweifelhaft erscheinen lässt. Ich selber habe Ju-
gendarrestanten2 interviewt über das, was sie dort
erlebt haben. Das war im Rahmen einer For-
schung, die zwar vor langer Zeit gelaufen ist, aber
Eingesperrtsein bleibt Eingesperrtsein. Wir haben
auch jetzt gerade wieder eine riesige Forschung
abgeschlossen über die Erfahrungen von Men-
schen, die im Gefängnis sitzen. Niemand behaup-
tet ernsthaft, dass er dort zu Läuterung und Besse-
rung gekommen ist.
Müller: Entschuldigen Sie, wenn Theorie auf
Praxis trifft. Ich bin, glaube ich, bei durchschnitt-
lich 700 Verfahren im Jahr über 16 Jahre auf
ca. 11.000 Fälle gekommen. Mit diesen Kindern
rede ich, denen höre ich zu. Darunter gibt es eine
ganze Menge, die sagen: „Gott sei Dank wurde
ich früh genug eingesperrt, sonst hätte ich weiter
geschlagen.“ Das ist das Erste. Das sind aber
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Foto: laif / Andreas Meichsner
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keine wissenschaftlichen Untersuchungen, Herr
Professor Pfeiffer, das ist einfach das Gefühl eines
Jugendrichters, und nicht nur das meinige. Dann
ist es so, dass manche Leute einfach zu schwere
Straftaten begangen haben. […] Normalerweise
soll ja auch die Öffentlichkeit einen gesunden
Menschenverstand haben. Die versteht es nicht,
wenn beispielsweise mehrere Personen brutal
zusammengeschlagen werden und gar nichts pas-
siert. Die Täter gehen raus mit 20 bis 30 Stunden
gemeinnütziger Arbeit und einer Bewährungsstra-
fe. Vielleicht müssen wir irgendwann einmal den
Gedanken wiederfinden, dass Erziehung auch ein
wenig mit Strafen zu tun hat. […] Wir machen –
und das ist ja diese Denke, entschuldigen Sie –
permanent nur ambulante Maßnahmen: Auflagen,
Anti-Gewalt-Trainingskurse, noch ein Sozial-
arbeiter und noch ein Sozialarbeiter usw. Die
unterschiedliche Denke, die wir haben, sieht so
aus: Sie, Herr Professor Pfeiffer, denken: Irgend-
wann wächst es sich raus. Und ich denke:
Irgendwann muss der rein, damit es rauswächst,
und in der Zwischenzeit kann weiter nichts pas-
sieren.
(Auszug aus der Dokumentation des Streitgesprächs
vom 16.06.2011, zitiert nach: Bucerius Law Journal,
Heft 2/2011, Juli 2011, S. 78–89, Zitate S. 83)
1 der Klient: Kunde eines Rechtsanwalts
2 der Arrestant: jemand, der sich im Arrest / im Gefängnis
befindet
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Hier übst du, wie du die folgende Aufgabenstellung bearbeiten kannst:
Stelle die Kerngedanken des Auszugs aus einem Streitgespräch zum Warnschussarrest dar.
Erörtere dann, was für (pro) und was gegen (kontra) den Warnschussarrest spricht.
Formuliere ein Fazit, welche der beiden Positionen zum Warnschussarrest dich mehr überzeugt,
und formuliere einen weiterführenden Gedanken oder sprich eine Empfehlung aus.
Lege zuerst eine Stoffsammlung an. Lies dafür das Streitgespräch genau und analysiere es sorgfältig.
a Kläre, welche Position Jugendrichter Müller und welche der Wissenschaftler Pfeiffer vertritt. Du
kannst dafür auch die folgenden Zitate nutzen. Übernimm die Satzanfänge aus dem Kasten in dein
Heft und ergänze sie.
„Ich kann nicht nachvollziehen, was Sie sich von dem Jugendarrest für Heilwirkungen versprechen
[…].“ (Z. 27–29)
„Ich will aber sehr wohl die Einführung des Warnschussarrestes, der keine Verschärfung ist, sondern
einfach ein weiteres Mittel […].“ (Z. 15–17)
Professor Pfeiffer vertritt die Auffassung, dass …
Im Gegensatz dazu erklärt Jugendrichter Müller, dass …
b Untersuche, wie die beiden Experten jeweils ihre Position begründen. Welche Argumente und Bei-
spiele verwenden sie? Übernimm dazu die Tabelle in dein Heft und ergänze sie.
Argumente pro Warnschussarrest
(Experte ? )
Argumente kontra Warnschussarrest
(Experte ? )
pädagogische Maßnahmen reichen nicht aus
? Wirkung des Warnschussarrests (vgl. Z. ? );
Möglichkeit, ? durch Warnschussarrest zu
erziehen (vgl. Z. ? )
? Rückfallquoten bei Arrest als bei ?
(Z. ? )
Warnschussarrest keine Verschärfung, sondern Mittel,
um Jugendliche vor ? zu bewahren (vgl. Z. ? )
Jugendkriminalität insgesamt rückgängig
(Z. ? )
kein Verständnis der ? , wenn jugendliche Gewalt-
täter nicht angemessen bestraft werden (Z. ? )
Risiko, durch Arrest an „falsche“ Freunde zu
geraten (Z. ? ): ? werden durch Gefängnis
nicht „besser“ (Z. ? )
c Setze dich kritisch mit den Positionen der beiden Experten auseinander: Bewerte ihre Argumente.
Ergänze die Tabelle in deinem Heft nach dem Muster unten.
– Ordne richtig zu, worauf die beiden Experten ihre Argumente stützen:
langjährige Berufserfahrung – Statistiken – eigene Interviews – 11.000 Jugendgerichtsfälle – For-
schungsergebnisse
– Untersuche den jeweiligen Argumenttyp: Entscheide, ob es sich eher um Faktenargumente oder
Wertargumente handelt.
Argumente pro Warnschussarrest Argumente kontra Warnschussarrest
stützen sich auf: ? , ? stützen sich auf: ? , ? , ?
Argumenttyp: eher ? Argumenttyp: eher ?
d Notiere in deiner Tabelle eigene Argumente pro und kontra Warnschussarrest.
Deutschbuch 10 2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
Autor: Klaus Tetling
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Formuliere in Stichpunkten ein Fazit, in dem du deinen Standpunkt zusammenfasst. Schreibe in dein
Heft.
Tipp: Du kannst dich eindeutig pro oder kontra aussprechen oder eine Einschränkung, Bedingung oder
Voraussetzung formulieren, unter der du dich für ein Pro oder ein Kontra entscheidest.
Nutze die Ergebnisse deiner Vorarbeiten und verfasse jetzt eine zusammenhängende Erörterung.
Schreibe sie vollständig in dein Heft. Du kannst die Formulierungshilfen, die unter jeder Teilaufgabe
stehen, verwenden.
a Formuliere eine Einleitung, in der du zum Thema hinführst und Angaben zur Textvorlage machst
(Gesprächspartner, Titel, Thema).
Aufsehen erregende Fälle von Jugendgewalt sorgen immer wieder für –
Einführung des so genannten Warnschussarrests – als Warnschussarrest bezeichnet man –
Beispiel für die kontroverse Diskussion – Dokumentation eines Streitgesprächs zwischen dem
Kriminologen … und dem Jugendrichter …, das im … in … stattfand – unterschiedliche Positionen
b Verfasse mithilfe deiner Stoffsammlung den Hauptteil der Erörterung. Fasse zunächst die Kernge-
danken der Diskussion zusammen.
in dem Streitgespräch wird schnell deutlich, dass der Kriminologe – während sich der Jugendrichter –
Müller sieht darin eine Möglichkeit –
aus seiner Erfahrung reichen dafür pädagogische Maßnahmen –
für ihn bedeutet der Warnschussarrest auch keine Verschärfung des Strafrechts, weil er –
dieser Auffassung widerspricht Professor Pfeiffer – dabei beruft er sich auf … sowie … –
sein Einwand gegenüber der erzieherischen Wirkung des Warnschussarrests lautet –
Einsperren führe nicht – ein weiteres Argument –
in den engagierten und teils zugespitzten Äußerungen beider Experten (vgl. z. B. …) –
Appell an die Zuhörenden
c Erörtere dann, was für den Warnschussarrest spricht und was dagegen. Überlege, wie du die Argu-
mente anordnen willst. Orientierung bieten im Deutschbuch die Methodenkästen auf den Seiten 47
und 49.
werde ich im Folgenden erörtern, welche Vorteile und welche Probleme der Warnschussarrest –
der Befürworter dieser Verschärfung des Jugendstrafrechts führt an, dass –
der Warnschussarrest könne – beruft sich dabei auf …, aber auch auf –
als weiteres wichtiges Argument nennt – dieses Argument kann man weiter zuspitzen –
das wesentliche Argument gegen den Warnschussarrest – diese sprechen gegen –
hinzu kommt, dass die Erfahrung des Eingesperrtseins – im Gegenteil: Während der Jugendhaft –
was die Gefahr einer weiteren kriminellen Karriere berge –
mit seinen Argumenten … stützt sich … neben Statistiken vor allem auf –
beruft sich ausdrücklich auf seine –
die beiden Positionen scheinen auch deshalb so unversöhnlich, weil –
der Befürworter des Warnschussarrests argumentiert eher mit …argumenten, während sich die
Kontraposition auf … beruft
d Ziehe abschließend ein Fazit, in dem du zu dem Thema Stellung beziehst. Formuliere danach einen
weiterführenden Gedanken, einen Wunsch oder eine Empfehlung.
wenn ich die Pro- und Kontra-Argumente abwäge, komme ich zu dem Schluss –
die … überzeugen mich mehr als die –
allerdings – nachdem – fände ich – außerdem würde ich mir wünschen, dass – trotzdem
Tausche deinen Text mit einer Lernpartnerin / einem Lernpartner und überarbeitet eure Texte in Part-
nerarbeit. Nutzt hierzu die Checkliste auf S. 58 des Deutschbuchs.
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Autor: Klaus Tetling
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Hier übst du, wie du die folgende Aufgabenstellung bearbeiten kannst:
Stelle die Kerngedanken des Auszugs aus einem Streitgespräch zum Warnschussarrest dar.
Erörtere dann, was für (pro) und was gegen (kontra) den Warnschussarrest spricht.
Formuliere ein Fazit, welche der beiden Positionen zum Warnschussarrest dich mehr überzeugt,
und formuliere einen weiterführenden Gedanken oder sprich eine Empfehlung aus.
Lege zuerst eine Stoffsammlung an. Lies dafür das Streitgespräch genau und analysiere es sorgfältig.
a Kläre, welche Position Jugendrichter Müller und welche der Wissenschaftler Pfeiffer vertritt. Über-
nimm die Satzanfänge in dein Heft und vervollständige sie.
Professor Pfeiffer vertritt die Auffassung, dass …
Im Gegensatz dazu erklärt Jugendrichter Müller, dass …
b Untersuche, wie die beiden Experten jeweils ihre Position begründen. Welche Argumente und Bei-
spiele verwenden sie? Übernimm dazu die Tabelle in dein Heft und ergänze sie.
Argumente pro Warnschussarrest
(Experte ? )
Argumente kontra Warnschussarrest
(Experte ? )
pädagogische Maßnahmen ?
? Wirkung des Warnschussarrests (vgl. Z. ? );
Möglichkeit, ? zu erziehen (vgl. Z. ? )
? Rückfallquoten bei ? als bei ?
(Z. ? )
Warnschussarrest keine Verschärfung, sondern Mit-
tel, um ? vor ? zu bewahren (vgl. Z. ? )
Jugendkriminalität insgesamt ? (Z. ? )
kein Verständnis der ? und der ? , wenn jugendliche
Gewalttäter ? (Z. ? )
Risiko, durch Arrest an „falsche“ Freunde zu
geraten (Z. ? ): ? werden durch Gefängnis
nicht „besser“ (Z. ? )
c Setze dich kritisch mit den Positionen der beiden Experten auseinander: Bewerte ihre Argumente.
Ergänze die Tabelle in deinem Heft nach dem Muster unten.
– Notiere, worauf die beiden Experten ihre Argumente stützen.
– Untersuche den jeweiligen Argumenttyp: Entscheide, ob es sich eher um Faktenargumente,
Wertargumente oder analogisierende Argumente handelt.
Argumente pro Warnschussarrest Argumente kontra Warnschussarrest
stützen sich auf:
?
stützen sich auf:
?
Argumenttyp:
eher ?
Argumenttyp:
eher ?
d Notiere in deiner Tabelle eigene Argumente pro und kontra Warnschussarrest.
Formuliere in Stichpunkten ein Fazit, in dem du deinen Standpunkt zusammenfasst. Schreibe in dein
Heft.
Tipp: Du kannst auch Alternativen zu einem eindeutigen Pro oder einem eindeutigen Kontra wählen.
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Nutze die Ergebnisse deiner Vorarbeiten und verfasse jetzt eine zusammenhängende Erörterung.
Schreibe sie vollständig in dein Heft. Du kannst die Formulierungshilfen, die unter jeder Teilaufgabe
stehen, verwenden.
a Formuliere eine Einleitung, in der du zum Thema hinführst und Angaben zur Textvorlage machst
(Gesprächspartner, Titel, Thema).
Aufsehen erregende Fälle von Jugendgewalt –
Einführung des so genannten Warnschussarrests – bezeichnet man –
Beispiel für die kontroverse Diskussion –
Dokumentation eines Streitgesprächs zwischen …, das im … in … stattfand –
unterschiedliche Positionen
b Verfasse mithilfe deiner Stoffsammlung den Hauptteil der Erörterung. Fasse zunächst die Kern-
gedanken der Diskussion zusammen.
In dem Streitgespräch wird schnell deutlich, dass …, während –
Müller sieht darin –
aus seiner Erfahrung reichen dafür … nicht –
für ihn bedeutet der Warnschussarrest auch keine …, weil er –
dieser Auffassung widerspricht … – dabei beruft er sich auf … sowie –
sein Einwand gegenüber – Einsperren führe – ein weiteres Argument
in den … Äußerungen beider Experten (vgl. z. B. …) – Appell an die Zuhörenden
c Erörtere dann, was für den Warnschussarrest spricht und was dagegen. Überlege, wie du die Argu-
mente anordnen willst. Orientierung bieten im Deutschbuch die Methodenkästen auf den Seiten 47
und 49.
werde ich im Folgenden erörtern, welche Vorteile und … – der Befürworter … führt an, dass –
der Warnschussarrest könne – beruft sich dabei auf …, aber auch auf –
als weiteres wichtiges Argument nennt – dieses Argument kann man weiter zuspitzen –
das wesentliche Argument gegen – diese sprechen gegen –
hinzu kommt, dass die Erfahrung des Eingesperrtseins – im Gegenteil –
was die Gefahr … berge –
mit seinen Argumenten … stützt sich … neben … vor allem auf –
beruft sich ausdrücklich auf seine – die beiden Positionen scheinen –
der Befürworter … argumentiert eher mit …argumenten, während sich die Kontraposition
d Ziehe abschließend ein Fazit, in dem du zu dem Thema Stellung beziehst. Formuliere danach einen
weiterführenden Gedanken, einen Wunsch oder eine Empfehlung.
wenn ich … abwäge, komme ich zu dem Schluss – überzeugen mich mehr als –
allerdings – nachdem – fände ich – außerdem würde ich – trotzdem
Tausche deinen Text mit einer Lernpartnerin / einem Lernpartner und überarbeitet eure Texte in Part-
nerarbeit. Nutzt hierzu die Checkliste auf S. 58 des Deutschbuchs.
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Klassenarbeit – Erörtern im Anschluss an einen Text
Aufgabenstellung
Stelle die Kerngedanken des Artikels „Zensur in Kinderbüchern?“ dar und erkläre, welche Absicht
(Intention) der Text verfolgt.
Erörtere, was für (pro) und was gegen (kontra) eine Zensur von Kinderbüchern spricht. Berücksichtige
dabei auch die Online-Kommentare zu dem Artikel. Ziehe zum Schluss ein Fazit und formuliere eine
Empfehlung.
Zensur in Kinderbüchern?
Von Gordon Wüllner und Niklas Dummer
In den letzten Jahren entwickelte sich eine kontroverse Debatte über den Zusammenhang von Sprache
und Gewalt. Dies führte auch zur Tilgung bestimmter Wörter und Begriffe in Kinder- und Jugendbü-
chern. Einige Verlage sind dazu übergegangen, beispielsweise in „Klassikern“ von Astrid Lindgren
oder Otfried Preußler diskriminierende Begriffe wie „Neger“ oder „Zigeuner“ durch neutrale zu erset-
zen. Der folgende Text dokumentiert nur den ersten Teil und damit nur eine Position in einem insgesamt
kontroversen Beitrag zum Thema.
Das sechsjährige deutsche Mädchen Anna besucht
zum ersten Mal seine halb nigerianische Freundin
Yamina. Als Anna mit Yaminas Familie am Ess-
tisch sitzt und eine nigerianische Spezialität ser-
viert bekommt, sagt sie: „Voll lecker, das Essen
von euch Negern.“ Yaminas Mutter lässt das Be-
steck auf den Boden klirren. „Was hat die Freun-
din meiner Tochter da gerade gesagt?“, fragt sie
sich völlig entsetzt. Aber was soll schon so
schlimm an einem Wort sein, das Jim Knopf1 auch
für den dunkelhäutigen Helden aus Annas Lieb-
lingsbuch benutzt?
Wenn wir über die Zensur in Kinderbüchern dis-
kutieren, dann geht es primär um die Streichung
des Wortes „Neger“. Klar, in Deutschland trägt
das Wort keine so negative historische Belastung
wie das englische Pendant „negro“ in Amerika,
dennoch empfinden viele dunkelhäutige Deutsche
das Wort heutzutage als pure Beleidigung – das
weiß ich aus meinem Bekanntenkreis.
Nicht mehr als ein kleines Update
Über die heutige, abwertende Kraft des Wortes
kann man aufklären: Wenn das Wort „Neger“ in
Kinderbüchern wie „Pippi Langstrumpf“ vor-
kommt, mag man das als Chance für Eltern be-
trachten, den Begriff mit ihren Kindern kritisch zu
reflektieren. Ich halte es allerdings für eine utopi-
sche Vorstellung, dass die Mehrheit der Eltern
diese Chance nutzen wird. Stattdessen werden die
meisten Kinder im Kindergarten- und Grund-
schulalter den Begriff in ihrem Wortschatz unre-
flektiert übernehmen und nicht über dessen Nut-
zung nachdenken, erst recht nicht, wo der „Ne-
gerkönig“ bei „Pippi Langstrumpf“ so gut gestellt
ist. Bis sie dann irgendwann merken, wie unge-
mütlich ihre dunkelhäutigen Mitmenschen reagie-
ren, wenn man sie „Neger“ nennt.
Warum sollte man vor so einer Begegnung nicht
präventiv schützen, indem man die wenigen, heu-
te als diskriminierend geltenden Wörter in Kin-
derbüchern ersetzt? Dabei geht es meiner Mei-
nung nach zu weit zu behaupten, man verfälsche
dadurch die Kunst als Ganzes oder untergrabe die
Meinungsfreiheit von Astrid Lindgren und ihren
Autorenkollegen. Schließlich bliebe die Wortwahl
zu 99,9 % erhalten. Man gäbe unseren Kinder-
buchklassikern lediglich ein kleines sprachliches
Update und würde sie damit gesellschaftsfähiger
für das Jahr 2013 machen.
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Political Correctness richtig nutzen
Gesellschaft wandelt sich, Sprache wandelt sich.
Auf diesen Wandel sollte man in Kinderbüchern
reagieren. Und zwar ausschließlich in Kinderbü-
chern und nicht in der Literaturwelt im Allgemei-
nen. Denn die meisten Kinder im Grundschulalter
werden den zeitgeschichtlichen Hintergrund und
die damit verbundene antiquierte Sprache eines
Literaturklassikers noch nicht kritisch hinterfra-
gen wie ein Erwachsener. Zwar geht es auch in
Kinderbüchern oft darum, den Kindern eine Welt
der Vergangenheit näherzubringen, diese kann
aber illustriert werden, ohne heute als verpönt
geltende Wörter zu nutzen. Hier darf und sollte
Political Correctness ansetzen.
In einer Gesellschaft, in der von „Krisenbewälti-
gung“ statt „Krieg“ gesprochen wird, hat das
Streben nach Political Correctness selbstverständ-
lich schon ein absurdes Maß angenommen. Ich
bin gegen Political Correctness, die zu solch ei-
nem manipulativen Euphemismus führt. Aber
Political Correctness darf und soll dafür genutzt
werden, Wörter in Kinderbüchern zu „zensieren“,
die bei unreflektierter Übernahme in den Wort-
schatz der Kinder zu echten Problemen führen
können. Kinder sind auf der ständigen Suche nach
Wörtern, mit denen sie ihre Welt beschreiben
können. Da braucht man ihnen ja kein Gift auf
dem Silbertablett kredenzen. [...]
(Aus: pflichtlektüre. Online-Magazin für Studierende,
03.05.2013, Auszug.
Quelle: www.pflichtlektuere.com/03/05/2013/
duell-am-donnerstag-zensur-in-kinderbuechern/, Stand 06.12.2016)
1 Jim Knopf: einer der Helden in zwei sehr bekannten
Kinderbüchern von Michael Ende
Kommentare aus verschiedenen Blogs
PIPPILOTTA (16): Ich bin immer noch ein sehr großer Fan von Astrid Lindgrens Kinder-
büchern. Pippi Langstrumpf hat es mir dabei besonders angetan. Es ist als zeitloses
Kinderbuch ein Kunstwerk, dem Respekt gebührt. Man sollte es nicht ändern, denn es ist
das Werk einer der weltweit bekanntesten Kinderbuchautorinnen.
ULRICH-G (17): Otfried Preußler oder Astrid Lindgren sind international bekannte Auto-
ren, deren Absicht es nicht gewesen ist, bestimmte Menschen zu diskriminieren. Sie
schrieben in der Sprache ihrer Zeit. Deshalb kann ich die Eingriffe der Verlage in den
Text nicht nachvollziehen. Die schwedische Bestsellerautorin Lindgren hat sich selbst
gegen eine Überarbeitung ihrer Bücher gewehrt, während Preußler kurz vor seinem Tod
Änderungen noch zugestimmt hat.
Harry Otter (23): Selbst wenn wir die Sprache in den Kinderbüchern an einigen Stellen
verändern, so ändert sich doch nicht zugleich auch der Umgang mit den diskriminierten
Personengruppen. Die neutralen Bezeichnungen führen nicht automatisch dazu, dass
Menschen nicht diskriminiert werden. Tolerantes Verhalten erfordert mehr, als nur die
Sprache zu ändern.
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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern Deutschbuch 10
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Klassenarbeit – Erörtern im Anschluss an einen Text
Aufgabenstellung
Stelle die Kerngedanken des Artikels „Urteil: Mobbingopfer darf nicht zuschlagen“ von Oliver Trend-
kamp sowie des Auszugs aus der Pressemitteilung des Gerichts dar. Erkläre anschließend, welche
Absicht (Intention) die Texte jeweils verfolgen.
Erörtere am Beispiel des vorliegenden Urteils, was für (pro) und was gegen (kontra) die gleiche Bestra-
fung beider Schüler spricht. Berücksichtige dabei auch die Online-Kommentare. Ziehe zum Schluss ein
Fazit.
Urteil: Mobbingopfer darf nicht zuschlagen
Von Oliver Trendkamp
Er wurde gehänselt, wehrte sich, schlug zu – und
bekam einen Verweis. Dagegen klagten die Eltern
des Berliner Gymnasiasten und unterlagen: Auch
Mobbingopfer dürfen im Konflikt keine körperli-
che Gewalt anwenden, so das Gericht.
Mobbing schützt vor Strafe nicht, so in etwa lässt
sich ein Urteil zusammenfassen, das gerade veröf-
fentlicht wurde. Ein Schüler muss nämlich die
Konsequenzen tragen, wenn er sich mit Gewalt
gegen eine Hänselei wehrt. Das gilt auch, wenn
der Schüler ein Opfer von Mobbing ist, wie das
Verwaltungsgericht Berlin entschied.
Hintergrund ist eine Prügelei, die bereits 2012
stattfand. Zwei Schüler an einem Gymnasium in
Berlin-Charlottenburg waren aneinandergeraten.
Anlass des Streits war die Bemerkung eines Schü-
lers, er habe Läuse in den Haaren des anderen
gesichtet. Der so Gehänselte habe sich hierdurch
provoziert gefühlt, hieß es in einer Mitteilung des
Gerichts. Laut einem Sprecher war die anschlie-
ßende Prügelei nicht mehr rekonstruierbar. Beide
Jungen hätten Prellungen davongetragen. Die
Klassenkonferenz bestrafte beide, sie bekamen
einen Verweis und mussten zur Mediationssit-
zung.
Gegen die Strafe klagten die Eltern des einen
Schülers, sie fanden es ungerecht, ihren Sohn als
Mobbingopfer zu bestrafen. Das Gericht wies die
Klage ab.
Diese Entscheidung bestätigte das Verwaltungs-
gericht. Der Schüler habe durch sein Verhalten
die „ordnungsgemäße Unterrichts- oder Erzie-
hungsarbeit beeinträchtigt“, hieß es in der Ent-
scheidung. Zu den Zielen der Schule gehöre ins-
besondere, „zu lernen, Konflikte vernünftig und
gewaltfrei zu lösen“. Das Gericht ließ einen An-
trag auf Zulassung der Berufung beim Oberver-
waltungsgericht zu.
(Aus: Spiegel-Online, 25.02.2014, otr/AFP.
Quelle: www.spiegel.de/schulspiegel/mobbing-urteil-pruegelei-nicht-
durch-haenselei-zu-rechtfertigen-a-955577.html, Stand 04.07.2016)
Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin
Schulordnungsmaßnahme auch bei Gewalt nach Provokation (Nr. 12/2014)
Ein Schüler, der sich an einer gewalttätigen Prü-
gelei beteiligt, muss Schulordnungsmaßnahmen
auch dann hinnehmen, wenn die Tat von anderen
provoziert wurde. Das hat das Verwaltungsgericht
Berlin entschieden.
[…] Hiergegen wandten sich die Eltern des Ge-
hänselten mit ihrer Klage mit der Begründung, ihr
Sohn werde schon länger gemobbt; daher habe er
sich verteidigen müssen. Es sei ungerecht, ihn als
Mobbingopfer dafür zu bestrafen, dass er sich
gegen einen körperlichen Angriff verteidigt habe.
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Deutschbuch 10 2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
Autor: Klaus Tetling
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Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die
Klage ab. Die Klassenkonferenz habe die ange-
griffene Ordnungsmaßnahme im Einklang mit
dem Berliner Schulgesetz getroffen. Der Schüler
habe durch sein Verhalten die ordnungsgemäße
Unterrichts- oder Erziehungsarbeit beeinträchtigt.
Voraussetzung für eine Ordnungsmaßnahme sei
allein eine objektive Pflichtverletzung des betref-
fenden Schülers, die hier darin liege, dass er durch
sein Verhalten elementare Bildungs- und Erzie-
hungsziele des Berliner Schulgesetzes missachtet
habe. Zu diesen Zielen gehöre insbesondere, zu
lernen, aktives soziales Handeln zu entwickeln
und Konflikte vernünftig und gewaltfrei zu lösen.
Durch sein Verhalten habe der Schüler gezeigt,
dass er nicht bereit gewesen sei, die Eskalation
eines Streits zu einer handgreiflichen Auseinan-
dersetzung zu verhindern. Gerade weil es hier
nicht um die Ahndung strafrechtlich relevanten
Verhaltens gehe, sei ein an einer körperlichen
Auseinandersetzung beteiligter Schüler nicht des-
halb vor schulischen Ordnungsmaßnahmen ge-
schützt, weil er sich möglicherweise auf eine
Notwehrsituation hätte berufen können.
(Auszüge aus der Pressemitteilung Nr. 12/2014 vom 25.02.2014.
Quelle: www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/vg/presse/archiv/
20140225.1005.394724.html, Stand 04.07.2016)
Kommentare aus verschiedenen Blogs
Justice15: Trauriges Urteil für Mobbingopfer
Werden nicht durch dieses Urteil psychische und verbale Gewalt verharmlost? Sollte es
nicht für Mobbingopfer ein Recht auf Notwehr geben, auch mit physischen Mitteln?
Ursula Richter (43): Ziemlich weltfremde Begründung
Die urteilenden Richter haben scheinbar niemals Mobbingfälle an einer Schule erlebt.
Als Mutter weiß ich, wie schwierig es ist, solche „Konflikte vernünftig und gewaltfrei zu
lösen“.
Emre Gundogan (17, Schüler der 10 b): Physische = körperliche Gewalt ≠ Mittel zu
gutem Zusammenleben
Psychische/verbale Gewalt muss mit körperlicher Gewalt gleichgestellt werden. Mobbing
als psychische Gewalt ist nicht so gut sichtbar, aber die Auswirkungen auf die Opfer
können genauso schlimm sein. Dennoch – oder gerade deshalb! – sollte ein Mobbing-
opfer andere Wege als die Gewalt suchen, um sich zu wehren. Körperliche Attacken
verbessern das Sozialverhalten genauso wenig wie sprachliche. Deshalb ist es richtig,
beide „Täter“ zum Nachdenken zu bringen.
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Autor: Klaus Tetling
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Lernstandstest – Argumentieren und erörtern
Haft- und Bewährungsstrafen: Weniger kriminelle Jugendliche
Deutsche Gerichte haben erneut weniger Men-
schen rechtskräftig verurteilt. Rund 773.900 Ju-
gendliche, Heranwachsende und Erwachsene
mussten 2012 eine Haft- oder Bewährungsstrafe
antreten, eine Geldstrafe bezahlen oder eine Ar-
beitsauflage erfüllen. Das waren 4 Prozent weni-
ger als im Vorjahr und 14 Prozent weniger als
2007 – dem ersten Jahr der flächendeckenden
Erhebung. Die größte Gruppe der Straftaten wa-
ren Delikte im Straßenverkehr (22 Prozent), wie
das Statistische Bundesamt in Wiesbaden […]
mitteilte.
Die Geldstrafe ist nach wie vor mit Abstand die
häufigste strafrechtliche Sanktion (72 Prozent).
Nur knapp jeder Fünfte (18 Prozent) wurde zu
einer Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt. Bei
sieben von zehn der Verurteilten wurde diese zur
Bewährung ausgesetzt. Zehn Prozent der Verur-
teilten wurden mit so genannten Zuchtmitteln und
Erziehungsmaßregeln nach dem Jugendstrafrecht
sanktioniert. Dazu gehören etwa Jugendarrest,
Arbeitsauflagen [...].
Die Jugendkriminalität geht nach der Statistik
ebenfalls weiter zurück. Fast 114.800 Jugendliche
und Heranwachsende wurden verurteilt,
26 Prozent weniger als 2007. Dennoch werden
junge Menschen – gemessen an ihrem Bevölke-
rungsanteil – weitaus häufiger verurteilt als Älte-
re: Jugendliche etwa eineinhalbmal so oft wie Er-
wachsene und Heranwachsende (18 bis 20 Jahre)
fast dreimal so häufig.
„Generell gilt, dass die Wahrscheinlichkeit einer
Verurteilung im Alter von Anfang bis Mitte 20
am höchsten ist“, berichten die Statistiker. „Da-
nach geht sie kontinuierlich zurück.“ Die meisten
verurteilten Angeklagten (81 Prozent) sind nach
wie vor Männer.
(Aus: Kölner Stadtanzeiger, 12.02.2014, Auszug.
Quelle: www.ksta.de/panorama/-haft--und-bewaehrungsstrafen-
weniger-kriminelle-jugendliche,15189504,26169136.html,
Stand: 04.07.2016)
Kommentare zu der Zeitungsmeldung
Birdy: Mich hat ein Vortrag des bekannten Kriminologen Christian Pfeiffer beeindruckt,
der die Aussagen aus dem Bericht stützt. Dieser Experte sagte: „90 Prozent der Bun-
desbürger glauben, dass die Kriminalität in den letzten zehn Jahren stark zugenommen
hat, besonders auch Jugendgewalt. [...] Nichts davon stimmt.“
Bavaria: Jugendgewalt darf man nicht verharmlosen wie in dem Artikel, auch wenn die
Jugendkriminalität statistisch zurückgeht. Es reicht nicht aus, nur die Zahlen im Blick zu
haben. Es gibt eine staatliche Verantwortung für die Opfer von Jugendgewalt. Wir sind
moralisch verpflichtet, die Perspektive der Opfer einzunehmen und sie zu schützen. Im-
merhin hat sich die Zahl an gefährlichen Körperverletzungen seit 1992 verdoppelt.
a Lies die Zeitungsmeldung. Kreuze an, um welches Thema es darin geht.
A Die Ursachen von Kriminalität, vor allem von Jugendgewalt
B Die Entwicklung der Wirtschaftskriminalität in Deutschland zwischen 2007 und 2012
C Die Entwicklung von allgemeiner Kriminalität und Jugendkriminalität in Deutschland
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Deutschbuch 10 2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern
Autor: Klaus Tetling
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b Ordne den zentralen Aussagen der Zeitungsmeldung Argumente/Beispiele zu, durch die sie gestützt
werden. Verbinde Zusammengehöriges durch Linien und ergänze jeweils die Zeilenangaben.
zentrale Aussagen stützende Argumente/Beispiele
A Die Kriminalität geht in Deutschland
insgesamt zurück.
(Z. )
1 Nach der Statistik wurden 2012 26 %
weniger Jugendliche verurteilt als 2007.
(Z. )
B Auch die Jugendkriminalität nimmt
weiter ab.
(Z. )
2 Statistiker sagen, dass die Wahrscheinlich-
keit, verurteilt zu werden, im Alter von An-
fang bis Mitte 20 am höchsten ist.
(Z. )
C Junge Menschen werden – gemessen
an ihrem Bevölkerungsanteil –
häufiger verurteilt als ältere.
(Z. )
3 Im Jahr 2012 sind 4 % weniger Menschen
gerichtlich verurteilt worden als 2011 und
14 % weniger als 2007.
(Z. )
Man kann eine Position oder These durch verschiedene Argumenttypen stützen. Zur Begründung
eignen sich Faktenargumente, Wertargumente, Autoritätsargumente und analogisierende Argumente.
Überfliege die Zeitungsmeldung noch einmal und lies außerdem die beiden Kommentare. Überlege,
welche Argumenttypen jeweils schwerpunktmäßig verwendet werden. Ordne die Argumenttypen den
Texten zu.
A Zeitungsmeldung 1 Autoritätsargument
B Kommentar von Birdy 2 Faktenargument
C Kommentar von Bavaria 3 Wertargument
In einer „Erörterung im Anschluss an einen Text“ beziehst du dich auf eine Textvorlage, in der eine oder
mehrere Positionen zu einer strittigen Frage entwickelt werden. Kreuze an, welche der folgenden Aus-
sagen auf diese Aufsatzform zutreffen.
A Die Erörterung im Anschluss an einen Text hat zwei Schwerpunkte: 1. die Analyse der
Textvorlage, 2. eine Erörterung.
B Beim Verfassen einer Erörterung im Anschluss an einen Text braucht man keine Einleitung
und keinen Schlussteil zu formulieren.
C Diese Aufsatzform verlangt eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Text. Erst dann ist
eine Stellungnahme möglich.
D Die Einleitung sollte auf das Thema hinführen sowie Autor, Titel und ggf. die Quelle der
Textvorlage nennen.
E In der Textanalyse fasst man die zentralen Gedanken und Positionen zusammen und stellt
die Intention sowie ggf. die verwendeten sprachlichen Mittel dar.
F In der Textanalyse fasst man die zentralen Gedanken und Positionen zusammen, die Intention
und die verwendeten sprachlichen Mittel spielen jedoch keine Rolle.
G Bei der anschließenden Erörterung nimmt man Stellung zu den zentralen Argumenten des
Ausgangstextes.
H In der eigenen Stellungnahme ist es sinnvoll, den Argumenten aus der Textvorlage grundsätz-
lich zu widersprechen, denn eine Zustimmung schwächt die eigene Argumentation.