Themen zur Tierernährung Fachtagung 2008/2009
Bewertung von Futtermitteln & Milchviehrationen
anhand von NDF, ADF und NFC
Josef Menge
Deutsche Vilomix Tierernährung GmbH
1. Einleitung
Um das Leistungsvermögen der Milchkühe als Folge des Zuchtfortschritts unter Berück-
sichtigung einer wiederkäuergerechten Fütterung nutzen zu können, ist die genaue
Kenntnis der Abläufe im Verdauungssystem des Wiederkäuers und der daraus
resultierenden Anforderungen unerlässlich.
Der Stellenwert einer objektiven Bewertung von Futtermitteln und Milchviehrationen soll
hier anhand der Bedeutung der Strukturbewertung von Futtermitteln und Milchvieh-
rationen mittels NDF, ADF und NFC aufgezeigt werden. Die Bereitstellung einer
angemessenen Strukturversorgung in Milchviehrationen durch angepasste Komponenten-
wahl wird durch den Einfluss der Strukturversorgung auf die Gesundheit und
Leistungsfähigkeit des Pansens und folglich der Milchkühe unterstrichen. Abbildung 1
zeigt die wichtigsten Einflussbereiche der Strukturversorgung auf.
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Bedeutung der Struktur
Entscheidend für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des
oder akute)
Futteraufnahme & -verwertung
Lahmheiten/ Klauenerkrankungen
Milchleistung & -zusammensetzung
Körperverluste & unerklärte Durchfälle
Pansens und folglich der Kühe
Pansenazidose (subakute [SARA]
Abb. 1
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2. Hintergrund Vormagensystem Wiederkäuer
KASKE (2000) schreibt, dass sich Wiederkäuer im Laufe der Evolution zu Spezialisten für
die Verwertung von minderwertigem Futter entwickelt haben und sich ihre
Verdauungsstrategie im Laufe der Evolution als sehr erfolgreich erwiesen hat. Dies
spiegele sich vor allem darin wider, dass Wiederkäuer nahezu alle Klimazonen der Erde
besiedeln. Wiederkäuer sind in der Lage, Gräser als Futtergrundlage besonders effizient zu
nutzen. Dies ist insofern eine beachtenswerte Leistung, da Gräser aufgrund ihres hohen
Anteils an Gerüstsubstanzen (u. a. Cellulose, Hemicellulose und Lignin) und häufig
geringen Proteingehalten ein minderwertiges Futter darstellen (KASKE 2000). Das
Vormagensystem der Wiederkäuer, insbesondere der Pansen, führt zu wesentlichen
Besonderheiten im Hinblick auf deren Verdauungsphysiologie. Die aufgenommene und
wiedergekaute Nahrung gelangt zunächst in den Pansen und unterliegt dort erheblichen
mikrobiellen Ab- und Umbauprozessen (PÜSCHER & SIMON 1998; VAN SOEST 1994).
Das mikrobielle Ökosystem im Pansen und der Wiederkäuer stellen eine Symbiose dar.
Beide Partner sind auf die Leistungen des Anderen angewiesen. Das Wirtstier, der
Wiederkäuer, sichert den Mikroorganismen eine konstante Körpertemperatur, die
Substratbereitstellung aus aufgenommener Nahrung sowie die Aufrechterhaltung des
Fließgleichgewichtes durch Speichelsekretion, Flüssigkeits- sowie Partikelumsatz. Im
Gegenzug werden dem Wiederkäuer, als Wirtstier, durch die Mikroorganismen und deren
Fermentations- und Syntheseleistungen hochwertige Nährstoffe zur Verfügung gestellt
(BREVES & LEONHARD-MAREK 2000).
Bei den im Pansen stattfindenden Um- und Abbauprozessen fallen eine Reihe von
verschiedenen Produkten an. Hierbei handelt es sich vor allem um die kurzkettigen
Fettsäuren, Acetat, Propionat und Butyrat sowie um die Gärgase Kohlenstoffdioxid (CO2)
und Methan (CH4), welche durch Erruktion ausgeschieden werden können
(ENGELHARDT & BREVES 2000).
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Abbildung 2 zeigt schematisch den Aufbau des Vormagensystems des Wiederkäuers.
Bereits hier wird die Komplexität des Verdauungsapparates der Wiederkäuer deutlich.
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Magensystem
Pansen
Pansen
Netzmagen
LabmagenBlättermagen
Dünndarm
Futter
Speiseröhre
flüssige Phase
gasförmige Phase
modifiziert nach ANONYMUS (2008)
Abb. 2
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Durch das Eutergewebefließen täglich
ca. ...... Ltr. Blutfür die Produktionvon ...... kg Milch
16.000
24.000
N. B.: 40 - 45 Ltr. Blut im Tierkörper; ca. 400 Ltr. Blut je kg Milch
40
30
25TIERERNÄHRUNG GmbH
TIERERNÄHRUNG GmbH
TIERERNÄHRUNG GmbH
30.000
3. Stoffwechselleistungen Wiederkäuer
Unter Berücksichtigung der Stoffwechselleistungen, welche täglich von einer Milchkuh
vollbracht werden, wird schnell deutlich, dass die Fütterung neben einem artgerechten
Haltungssystem wohl der wichtigste Mosaikstein der Milchkuhhaltung ist. Diese enorme
Leistung wird am ehesten durch die Betrachtung der Blutmengen deutlich, welche täglich
durch das Euter fließen müssen, um die gewünschte Milchmenge produzieren zu können.
Um ein kg Milch zu produzieren müssen etwa 400 l Blut durch das Eutergewebe strömen.
Bei einer Milchmenge von ca. 40 kg pro Tag entspricht dies 16.000 l Blut.
Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 3 graphisch verdeutlicht.
Abb. 3 Stoffwechselleistung der Wiederkäuer
Themen zur Tierernährung Fachtagung 2008/2009 4. Einflussfaktoren auf die Strukturversorgung
Zu Beginn einer Laktation finden eine Reihe von schnell ablaufenden Veränderungen für
die Milchkuh statt. Die Futteraufnahme geht vor dem Abkalben auf bis zu 30% des
maximalen Trockenmasseaufnahmevermögens zurück. Um den Bedarf mit Nährstoffen
sicherzustellen, muss die Nährstoffkonzentration in der Ration erhöht werden. Dies geht ab
einem gewissen Punkt nur auf Kosten der Strukturversorgung. Hierdurch steigt die Gefahr
einer Strukturunterversorgung stark an. Dieses Risiko bleibt über den Laktationsverlauf in
Abhängigkeit vom Leistungsniveau mehr oder weniger lange bestehen. Bei hohen
Leistungen länger als bei geringeren Leistungen, abhängig von der Rationsgestaltung.
Abbildung 4 gibt einen Überblick über diese Wechselbeziehungen.
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Bedeutung der Struktur
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Steingaß, Zebeli, 2008
TM-Aufnahme
kg/Tag
1871701531361191028568513417
0
Ener
gie
MJ
NEL
/ Tag
Abb. 4
STEINGAß, ZEBELI (2008)
Themen zur Tierernährung Fachtagung 2008/2009 5. Definition Struktur
Der Begriff der Struktur wurde bereits mehrfach benutzt ohne hierauf näher einzugehen.
Unter Struktur, besser Futterstruktur, versteht man allgemein eine mechanisch wirksame
Eigenschaft eines Futtermittels. Diese Eigenschaft beruht auf der Partikellänge sowie der
Partikelhärte, beeinflusst durch natürliche und Erntetechnik abhängige Faktoren des
Futtermittels. Diese mechanische Eigenschaft unterstützt die Pansenmotorik und regt die
Wiederkauaktivität der Milchkuh und folglich die Speichelproduktion an. Der entstehende
Speichel puffert die im Pansen gebildeten Säuren in einem gewissen Rahmen ab. Dieser
Abpufferung sind jedoch Grenzen gesetzt (vgl. Abbildung 5).
Eine unzureichende Bereitstellung an strukturiertem Futter und somit eine ungenügende
Aufnahme hat die Absenkung des ruminalen pH-Wertes unter den physiologischen Bereich
zur Folge. Als Folge hieraus kommt es zu einem Rückgang des Milchfettgehaltes, der
Futteraufnahme sowie der Leistung. Als Begleiterkrankungen können Labmagener-
krankungen, Leberschäden, Klauenerkrankungen und Eutererkrankungen auftreten.
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Säure- und Pufferproduktion
120.000
110.000100.000
90.000
80.00070.000
60.000
50.00040.000
RFOM: Pansen fermentierbare organische Substanz (kg/Tag)
meq/Tag
4 6 8 10 12 14 1630.000
Säure ProduktionPuffer Produktion
Shaver, Universitat Wisconsin, Madison (USA)
Abb. 5
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6. Strukturbewertungssysteme
Die Fülle an verschiedenen Systemen (Abbildung 6) zeigt, dass der Strukturbewertung eine
zentrale Rolle in der wiederkäuergerechten Fütterung von Milchkühen zukommt. Sie zeigt
aber auch, dass bisher noch nicht DAS System gefunden werden konnte. Die GfE stellt
2001 in ihren Empfehlungen fest, dass „gegenwärtig kein ausgereiftes System der
Bewertung der Strukturwirksamkeit der Futtermittel vorliegt und die Richtwerte derzeit
nur zur Orientierung herangezogen werden können“. Dieses wurde 2008 durch
STEINGASS und ZEBELI bestätigt. STEINGASS und ZEBELI (2008) stellten fest, dass
z. B. im System der strukturwirksamen Rohfaser (HOFFMANN, 1990) keine
verbindlichen Werte für verschiedene Futtermittel festgelegt zu sein scheinen, so dass es
schwer falle, einheitliche Zahlen anzugeben. Dies wird mit Beispielen belegt.
Nach LOBSIGER (2008) stellt Südekum fest, dass es auch, wenn man nach bestem Wissen
und Gewissen arbeite und die aktuellsten Methoden anwende, nach wie vor erhebliche
Unsicherheiten betreffend der Empfehlungen für eine optimale Fütterungsplanung gebe
und dass der Weg zu einer neuen, standardisierten und amtlich anerkannten Methode in der
Futtermittelbewertung noch weit sei.
Jedes System hat sicherlich eine Reihe von Vorteilen aber auch Nachteile, welche je nach
Rationstyp mehr oder weniger zum Tragen kommen. Hier sind verschiedene Faktoren wie
z. B. das Leistungsniveau der Herde, die zur Verfügung stehenden Rationskomponenten,
die mechanische Bearbeitung der Rationskomponenten oder die Rationszusammenstellung,
um nur einige zu nennen, von Bedeutung.
Eines ist aber allen Systemen gemein. Alle haben das selbe Ziel: möglichst exakte
(dynamische) Simulation der Vorgänge im Tier.
Abb. 6
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Strukturbewertungssysteme
• Rohfasergehalt (1860)• NDF, ADF (NRC 2001)• „Kohlenhydrate“ (XZ, XS, bXS, NDF, ADF,
NFC)• Kau- und Wiederkauzeiten (Piatkowski, 1977)• Kauindex (Noregaard, 1988)• strukturwirksame Rohfaser (Hoffmann, 1990)• physikalisch effektive NDF (Mertens, 1997)• Strukturwert (De Brabander, 1999)
Jedes System hat seine Berechtigung unter den Bedingungen, für die es entwickelt wurde.
FLACHOWSKY et al. stellten 2004 in einer Untersuchung fest, dass Rationen beurteilt
nach dem Strukturwert kritisch zu sehen waren. Unter Berücksichtigung der
strukturwirksamen Rohfaser lagen hierfür allerdings noch keine Anzeichen vor. Diese
Beobachtung ist auf die Ausgangssituationen zurückzuführen, unter denen die jeweiligen
Systeme entstanden sind. Der Strukturwert nach DE BRABANDER (1999) wurde für
maislastige Rationen entwickelt. Das System der strukturwirksamen Rohfaser
(HOFFMANN, 1990) basiert eher auf einer grassilagebetonten Fütterung.
Die Verwendung der peNDF ist für TMR-Rationen mit hohem Konzentratfutteranteil
ausgelegt. Aus diesen unterschiedlichen Ausgangssituationen heraus ergeben sich bei
paralleler Anwendung der verschiedenen Systeme auf eine Ration unterschiedlichen
Ergebnisse.
Abbildung 7 stellt verschiedene Systeme der Futtermittelanalytik nebeneinander. Je jünger
das System, um so feingliedriger ist es aufgebaut. Dies kann helfen, Rationen unter
schwierigen Bedingungen wiederkäuergerecht zu gestalten. Je „schärfer“ eine Ration
gestaltet wird, umso wichtiger ist die genaue Kenntnis der Zusammensetzung der
jeweiligen Rationskomponenten.
Abb. 7
Abb. 6
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Strukturbewertung
modifiziert nach Kirchgeßner, 2008
* durch Differenz errechnet
Rohfaser
N-freieExtrakt-stoffe*
Rohfett
Rohprotein
Rohasche
organischer Rest
Hemi-cellulose*
Zuckerorg. Rest
Stärke
Cellulose* Cellulose*ADL ADL
Hemi-cellulose*
Kohl
enhy
drat
eRohfett
Rohprotein
Rohasche
Rohfett
Rohprotein
Rohasche
NFC
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Streuung der jeweiligen
Nährstoffgehalte bei den in unseren Breitengraden eingesetzten Grundfuttermitteln sehr
groß ist. Diese Streuung ist dem Vegetationsstadium, den klimatischen Rahmenbe-
dingungen während der Ernte, dem Ernte-, Konservierungsverfahren sowie weiteren
Einflussfaktoren zuzuschreiben. Eine Rationsberechnung auf Basis von Durch-
schnittswerten aus Tabellen ist nur eine grobe Orientierung in der wiederkäuergerechten
Fütterung von Milchkühen. Empfehlenswert ist die Untersuchung der eingesetzten
Grundfuttermittel, um sich vor unerwarteten Überraschungen zu schützen.
Bis zu 80 % der organischen Masse eines pflanzlichen Futtermittels bestehen aus
Kohlenhydraten. In der 1860 in Weende bei Göttingen von Henneberg und Stohmann
entwickelten Weender-Analyse werden die Kohlenhydrate in Rohfasern und
stickstofffreie-Extraktstoffe (NfE) unterteilt. Diese Aufteilung erlaubt allerdings keine
detaillierte Aufschlüsselung der unterschiedlichen Kohlenhydrate. Diese Grenzen haben
Henneberg und Stohmann bereits aufgezeigt. Die Rohfaseranalyse bestimmt nicht nur die
Cellulose, sondern auch einen faserigen Rückstand, der je nach Pflanzenart Hemicellulose,
Lignin und pektinartige Substanzen in unterschiedlichen Anteilen enthält. Daher stammt
auch der Begriff Rohfaser. Auch wenn dieses Verfahren die Zellwandbestandteile nur grob
umschreibt, ist diese Methode dennoch in der Tierernährung für die Nährwert-Bestimmung
modifiziert nach KIRCHGEßNER (2008)
Abb. 7
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unerlässlich. In vielen nicht englischsprachigen Ländern findet die Rohfaseranalyse sowohl
in der täglichen Praxis als auch im Futtermittelrecht Anwendung.
Um eine genauere Planung der Fütterung zu ermöglichen, wurden im Laufe der Zeit
weitere Verfahren zur Analyse von Futtermitteln, im Hinblick auf die
Kohlenhydratfraktionen, entwickelt.
Etwa 100 Jahre nach der Entwicklung der Rohfaseranalyse beschrieben VAN SOEST et al.
1967 in den USA eine Methode, welche eine Unterscheidung der Kohlenhydrate in drei
Fraktionen erlaubt. Die Kohlenhydrate werden dabei dem Zellinhalt (Zucker, Stärke,
organischer Rest, Pektine) sowie der Zellwand (Hemicellulose, Cellulose, Lignin)
zugeteilt. Der analysierte Wert NDF (Neutral Detergent Fiber = in neutralen Detergentien
unlösliche Fasern) beschreibt dabei die gesamten Zellwände. Der analysierte Wert ADF
(Acid Detergent Fiber = in sauren Detergentien unlösliche Fasern) beschreibt den nur
schwer verdaulichen Teil der Zellwände - Cellulose und Lignin. Die Differenz aus NDF
minus ADF ergibt den besser verdaulichen Hemicelluloseanteil. Ist die Differenz zwischen
NDF und ADF gering, ist das Futtermittel folglich schwer verdaulich. Die verbliebenen
leicht löslichen Zellinhalts-Kohlenhydrate des Futtermittels werden wie bei der Weender-
Analyse als Differenz berechnet und sind in diesem System als NFC (Non-Fiber
Carbohydrates) bezeichnet.
Sowohl bei der Rohfaseranalyse als auch bei der Analyse auf NDF und ADF summieren
sich Analysen- und Methodenfehler in den NfE bzw. in den NFC. Mit weiteren zusätz-
lichen Analysemethoden können auch diese Bestandteile (Stärke, Zucker, organischer
Rest, Pektine) der Differenzfraktionen (NfE bzw. NFC) bestimmt werden.
Sowohl die in Deutschland gebräuchliche Rohfaser als auch die aus den USA stammende
NDF/ ADF Bewertung von Futtermitteln stellt lediglich eine chemische Umschreibung der
Futtermittel dar und sagt nichts über den Strukturwert aus. MAHLKOW-NERGE (1999)
stellte fest, dass ein Austausch der bewährten Maßstäbe durch die NDF für die
Rationsberechnung derzeit (1999) keine größere Genauigkeit zu bringen scheine. Dieser
Auffassung kann auch heute, 10 Jahre später, noch gefolgt werden. Zwischen der Rohfaser
und der NDF/ ADF besteht ein enger Zusammenhang (MAHLKOW-NERGE, 1999).
Eine Weiterentwicklung der Bewertung von Futtermitteln und Milchviehrationen anhand
von NDF/ ADF ist die physikalisch effektive NDF (peNDF). Dieses System wurde durch
MERTENS (1997, 2000) vorgestellt. In diesem System wird der chemisch analysierte
NDF-Gehalt mit der Herkunft (Futtermittel) und der physikalischen Eigenschaft der Faser
(der Partikellänge) des Futtermittels verknüpft. Ähnlich wie bei der strukturwirksamen
Rohfaser von HOFFMANN, wird ein Effektivitätsfaktor berücksichtigt, der in erster Linie
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auf der Partikellänge beruht und aufgrund von Untersuchungen zur Kauaktivität unter
Berücksichtigung des Milchfettgehaltes und des Pansen-pH-Wertes hergeleitet wurde.
Ein Vorteil dieses Systems stellt der direkte Bezug zur NDF und die Berücksichtigung der
Partikellänge dar. Diese wurde in den anderen Ansätzen nur z. T. berücksichtigt. Da das
Ausmaß und die Geschwindigkeit der ruminalen Fermentierbarkeit der Futtermittel keinen
Eingang fand, ist es umstritten, ob das System der peNDF einen Fortschritt zu den anderen
Systemen darstellt (DLG, 2001; NRC 2001).
STEINGASS und ZEBELI (2008) führen aus, dass mit der zunächst dilletantisch
erscheinenden Methode der Ermittlung der peNDF mittels „Schüttelbox“, erstaunlich gut
reproduzierbare Ergebnisse zu ermitteln seien. Hierbei wird die Siebfraktion > 1,18 mm
bestimmt und mit dem NDF Gehalt des Futtermittels bzw. Ration verrechnet.
Aus Abbildung 8 wird ersichtlich, welche weiteren Faktoren neben der Struktur den
Pansen-pH beeinflussen und bei der Berechnung von Milchviehrationen berücksichtigt
werden müssen, um eine wiederkäuergerechte Fütterung der Milchkühe sicherzustellen.
Sowohl Stärke als auch Zucker sind für eine detaillierte Bewertung von Milchviehrationen
unentbehrlich. Diese sind maßgeblich an der Gesamt-Säureproduktion im Pansen beteiligt.
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Fazit
Man kann festhalten, dass NDF, ADF und NFC keine zwingend notwendigen Werte für
die Beurteilung von Futtermitteln und Milchviehrationen darstellen.
Gemessen an der Bedeutung, die eine ausreichende Strukturversorgung in der Fütterung
von Milchkühen einnimmt, sind wie bereits bei den genannten Autoren beschrieben, die
zur Verfügung stehenden, in der Praxis zurzeit angewandten Systeme nur bedingt
aussagekräftig. Weder die Rohfaser (HENNEBERG, STOHMANN 1860), die NDF/ ADF
(VAN SOEST, 1963, 1967, 1982, 1987; NRC, 2001), die strukturwirksame Rohfaser
(HOFFMANN 1990), der Strukturwert (DE BRABANDER, 1999, 2002) noch die peNDF
(MERTENS, 1997, 2000) liefern Ergebnisse, die von ihrer Aussagekraft als optimal
bezeichnet werden können. ZEBELI et al. (2008) sehen den pH-Wert im Pansen als
zentrale Größe einer sicheren Charakterisierung der Strukturversorgung für Wiederkäuer.
Dies wurde durch STEINGASS und ZEBELI (2008) genutzt, um das System der peNDF
(MERTENS, 1997, 2000) zu bewerten, welches jedoch in der Praxis einer umfangreichen
Überprüfung unterzogen werden muss.
Unter Berücksichtigung der wiederkäuergerechten Versorgung der Milchkühe mit Stärke,
beständiger Stärke, Zucker sowie einer korrekten Strukturbeurteilung, unabhängig vom
angewandten System, können hervorragende Rationen zusammengestellt werden. Hierfür
ist die Berücksichtigung und Einhaltung von den bekannten Eckwerten der jeweiligen
Bewertungssysteme unerlässlich.
Literaturangaben sind beim Autor erhältlich.
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Auszug aus der anschließenden Diskussion mit dem Autor:
Frage 1: Wenn man für eine Ration alle Strukturdaten/Bewertungssysteme anwendet, ist
die Ration dann in allen Bewertungssystemen gleich gut?
Antwort: Es gibt Ausreißer. Manche Bewertungssysteme sind mehr für grassilagelastige
Rationen, andere mehr für maissilagelastige Rationen geeignet. Ein Berater muss
sich auf ein Bewertungssystem festlegen.
Frage 2: Kann eine Messung von Blutparametern und Speichel auch etwas über die
Versorgung aussagen?
Antwort: Blut, Harn und Milchdaten können weiterhelfen.
Frage 3: Können elektrische Systeme, die die Wiederkauaktivität messen, hilfreich sein?
Antwort: Diese Systeme sind noch in der Evaluierung. Im täglichen Gebrauch sind die
Systeme überflüssig. Sie sind eher für Versuchsbetriebe geeignet.
Frage 4: Inwiefern kann man vom Pansen pH Rückschlüsse auf Harn-pH und Milch-pH
schließen?
Antwort: Die genauen Zusammenhänge kenne ich nicht. Der Pansen pH ist ein Maß für
die Gesundheit des Pansens, das unter Praxisbedingungen allerdings nicht
anwendbar ist. Aus den USA gibt es Ansätze, aus der Ration den Pansen pH zu
berechnen.
Frage 5: Wie gut ist die Reproduzierbarkeit der Analyse von NDF, ADF?
Antwort: Wir haben eine gute Standardisierung über unsere Labore. Bei NDF und ADF ist
die Wiederholbarkeit der Analyse gegeben. Es sei denn, man gibt die Proben in
die Niederlande oder die USA. Dort gibt es teilweise andere Vorgehensweisen.
Eine wichtige Frage bei den Analysen ist, ob der Sandgehalt berücksichtigt wird.
Dieser kann bei Grassilagen sehr stark schwanken.
Bei der NIR muss die Kalibrierung ständig überprüft werden. Sie ist ein
Schnellverfahren. Am genauesten sind die nass-chemischen Verfahren.