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Abenteuersport und Erlebnispädagogik für den spanischen Schulsport - Bezüge zum neuen “Currículo de Educación Física” sowie Überlegungen im Rahmen des Aufbaustudiums “Ocio y Recreación deportiva” Dirk Nasser, Facultad de Ciencias del Deporte de Cáceres, Universidad de Extremadura

Institut für Europäische Sportstudien, Deutsche Sporthochschule Köln

Zusammenfassung:

Abenteuersport und Erlebnispädagogik werden als mögliche Handlungsalternativen des Sportlehrers vor

dem Hintergrund der spanischen Schul-Erziehungsreform vorgestellt. Dabei sollen die Ziele, Inhalte und

methodischen Umsetzungen, wie sie in einem Aufbaustudium in Madrid Verwendung fanden, dem Leser

einen praxisnahen Zugang zur erlebnispädagogisch orientierten Sportlehrerweiterbildung vermitteln.

Problematisch erscheint in Spanien die große Diskrepanz zwischen der traditionell eher

sportartenorientierten Unterrichtspraxis und dem hohen reformpädagogischen Anspruch des neuen

Erziehungssystems zu sein. Das neue Curriculum stellt den ganzheitlichen, persönlichkeitsbildenden und

erzieherischen Auftrag der “Educación Física” in den Vordergrund. Dieser Beitrag versucht eine

Handlungsalternative für den Sportunterricht aufzuzeigen, die dazu beitragen soll, sich besser den

vorgegebenen Lernzielen annähern zu können.

Summary:

Adventure sport and experiential pedagogy will be presented as a posible alternative action for the sport

teacher in relation with the Spanish educational school reform. In this way, the aims, contents and

methodological tranformations, used in a postgraduate course in Madrid, allow the lecturer a practical

approach to the Spanish sport teacher training courses, orientated to experiential pedagogy. In Spain

appears to be problematic the big gap between the more traditionaly orientated sport lecture practise and

the high reformpedagogical ambition of the new educational system. The new curriculum demands

integral, personality forming and educative principles for the physical education. This contribution

intends to develop a possible alternative action for the physical education, which conveys a more

adequate approach to the compulsory educational aims.

0. Einleitung:

Um dem Leser den Einstieg und die Orientierung zu erleichtern, müssen vorab einige Klarstellungen

getroffen werden. Abenteuer- und erlebnisorientierter Sport haben Konjunktur. Dies gilt in Spanien aus

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soziokulturell-historischen, klimatischen und naturbedingten Gründen im besonderen Maße. Dabei sind in

der Abenteuer-Angebotsstruktur -z.B. von Seiten der Sportorganisationen, des Sporttourismus oder in der

universitären Sportlehrerausbildung- eher aktions- und sensationsorientierte Umsetzungen zu finden, die

eindeutig in Richtung Extremsport tendieren. Eine gezielte pädagogische Umsetzung dieser Trends und

Bedürfnisse, d.h. ganz bewußt das Abenteuer und Erlebnis pädagogisch in der Jugendarbeit oder im

Schulunterricht einzusetzen und zu gestalten, stellt in Spanien eher eine Ausnahme dar. Dies würde eine

Zusatzqualifikation erfordern, die als ein Teil des postgraduierten Aufbaustudiums 1993/94 am “Instituto

Nacional de Educación Física/Universidad Politécnica” in Madrid angeboten wurde. Sie kann als ein

konkretes Beispiel der spanischen Sportlehrerweiterbildung angesehen werden und bildet das Thema

dieses Beitrages.

Die Wahl des Schwerpunktes “Abenteuersport und Erlebnispädagogik” wurde im Aufbaustudium

wegen der Attraktivität und des pädagogisch-didaktischen Innovationscharakters für die “Educación

Física” gewählt. Darüberhinaus sprach die leichte Umsetzungsmöglichkeit in der Praxis und im Bezug

auf die neuen Richtlinien des “Currículo Oficial de Educación Física” für deren Verwendung. Daher wird

zu Anfang erst auf die spanische Erziehungsreform, auf die neuen Schulsportlehrpläne und deren

Umsetzungmöglichkeit mit Hilfe abenteuersportlicher und erlebnispädagogischer Ansätze eingegangen.

So ergeben sich dem Leser Bezughilfen. Es folgt eine Zusammenfassung der charakteristischen

Merkmale dieser Handlungsalternative für den Schulsport. Zusätzlich ist ersichtlich, wie in der

Lehrerweiterbildung die Inhalte dieses Themenblockes im Aufbaustudium umgesetzt wurden, wobei auch

ein methodisch-strukturiertes Vermittlungkonzept vorgeschlagen wird. Diese methodisch abgestimmten

Lerneinheiten mit ihren spezifischen Zielen sind als Anhaltspunkte für eine praktische,

schulsportbezogene Umsetzung der Erlebnis - und Abenteuerpädagogik gedacht. Abschließende

Bemerkungen sollen diesen Beitrag beenden.

1. Spanische Erziehungsreform

Im folgenden ist beabsichtigt, den normativen Rahmen der spanischen Erziehungsreform L.O.G.S.E. (Ley

Orgánica de Ordenación General del Sistema Educativo) vorzustellen. Dabei beschränken wir uns auf die

E.S.O. (Educación Secundaria Obligatoria = 12 bis 16 Jahre) und deren neue Richtlinien des “Currículo

Oficial de Educación Física”. Absicht ist dabei eine detallierte Zusammenfassung der

reformpädagogischen Ziele, die als direkte Konsequenz Auswirkung auf die Inhaltsauswahl des

Sportunterricht haben dürften. Dieser Kontext ist notwendig, um einerseits den hohen

reformpädagogischen Anspruch dieser Gesetzgebung herauszustellen sowie andererseits geeignete

inhaltliche Schlußfolgerungen ziehen zu können bzw. sie zu rechtfertigen. Wir konzentrieren uns bei der

Vorstellung der allgemeinen Richtlinien dieser Erziehungsreform und ihrer spezifischen

Lernzielvorgaben für die “Educación Física” nur auf Bereiche, für die die Anwendung der

Handlungsalternative “Abenteuersport und Erlebnispädagogik” geeigneter erscheint, als ein

sportartenorientierter Unterricht. D.h. es werden nur diejenigen Richtlinien und Vorgaben berücksichtigt,

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die thematisch direkt von diesem neuen Inhaltsbereich aufgearbeitet werden können. Der Autor ist

nämlich der Überzeugung, daß sich mit dieser Handlungsalternative besser der hohe reformpädagogische

Anspruch der neuen Erziehungsrichtlinien und -ziele der “Educación Física” verwirklichen lassen. Sie ist

dabei auch nur als Ergänzung und nicht als vollständige Ablösung gedacht.

1.1. Struktur des spanischen Erziehungssystems

Tab. 1: Die Unterrichtsstruktur des spanischen Erziehungssystems (MEC 1994, 24)

In der Grafik ist eine Gegenüberstellung der alten Erziehungsstruktur von 1970 (linke Hälfte) und der

aktuellen Erziehungsreform L.O.G.S.E. von 1990 (rechte Hälfte) zu erkennen. Die Säule in der Mitte

stellt den Bezug zu den Altersstufen (Edad) her. Nach dem jetzt gültigen System L.O.G.S.E. von 1990 ist

die Schulpflicht von 14 auf nun 16 Jahre angehoben worden, zu erkennen an der Bezeichnung E.S.O.

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(Educación Secundaria Obligatoria). Sie deckt den Altersbereich von 12 bis 16 Jahre ab. Wie eingangs

erwähnt, konzentrierten wir uns in der Sportlehrerweiterbildung auf diesen Altersbereich. Das gleiche gilt

für den Methodikvorschlag der Erlebnispädagogik sowie die folgende Darstellung des

Curriculumkontextes. Diese E.S.O. ist in einen “Primer Ciclo” und einen “Segundo Ciclo” unterteilt. Da

kein mehrgliedriges Schulsystem existiert, ist eine große Sorge vieler Lehrer die enorme Heterogenität

der Schüler. Im alten System war, wie erwähnt, die Schulpflicht schon mit 14 Jahren beendet und eine

Aufteilung ab diesem Alter in “Formación Profesional I (F.P. I)”, der Berufausbildung, und “Bachillerato

Unificado Polivalente (B.U.P.)”, dem spanischen Gymnasium, vorhanden. Diese duale System wird nun

durch die Reform erst ab 16 Jahren möglich. Die gesamten Schulen in Spanien befinden sich in

unterschiedlichen Übergangsstadien, in denen die L.O.G.S.E. mit ihrer neuen Struktur und Inhalten

umgesetzt wird.

1.2. “Educación Secundaria Obligatoria” (E.S.O.) der Erziehungsreform

L.O.G.S.E.

Die erwähnte Gesetzesgebung der L.O.G.S.E./E.S.O. von 1/1990 ist im “Real Decreto” 1007/1991 vom

14. Juni konkretisiert worden. Danach wird die für unser Beispiel interesante obligatorische sekundäre

Erziehungsstufe folgendermaßen definiert (L.O.G.S.E. 1990, 31/32; MEC 1994, 66):

“Allen Schülern die Grundelemente der Kultur zu vermitteln, sie so auszubilden, daß sie ihre Pflichten ausüben und ihre Rechte wahrnehmen können sowie auf die Eingliederung in das aktive Leben vorbereitet werden...”.

Als konkrete Lernziele werden dabei angegeben (L.O.G.S.E. 1990, 32; MEC 1994, 66):

“c) verschiedene Inhalte und Informationsquellen im kritischen Sinne zu nutzen und neue Erkenntnisse durch eigene Anstrengung zu erlangen; d) sich im Geist der Kooperation, der moralischen Verantwortung, der Solidarität und Toleranz zu verhalten und dabei das Prinzip der Nicht-Diskriminierung untereinander zu respektieren; e) die artistischen und kulturellen Güter kennen, bewerten und respektieren zu lernen; f) die Hauptfaktoren analysieren zu können, die die sozialen Gegebenheiten beeinflussen, sowie die grundlegenden Naturgesetze kennenzulernen; g) die praktische Dimension der erhaltenden Erkenntnisse zu verstehen...; h) das Kennenlernen der Überlieferungen, Verhaltensweisen und Grundwerte unserer Tradition und des Kulturerbes, sie kritisch bewerten zu können und jene Optionen zu wählen, die am besten die integrale Persönlichkeitsentwicklung begünstigen; i) kritisch die sozialen Gewohnheiten bewerten zu können, die in Beziehung zu Gesundheit, Konsum und Umwelt stehen; j) die soziale, natürliche und kulturelle Umwelt kennenzulernen, in der sie handeln, und sie als Instrumente für die eigenen Bildung nutzen zu können. k) die ‘Educación Física’ und den Sport zu nutzen, um die Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.”

Für die “Educación Física” als obligatorisches Unterrichtsfach sind sowohl im “Primer Ciclo” als auch im

“Segundo Ciclo” jeweils 70 Zeitstunden vorgesehen. Die Methodik soll schülerorientiert verwirklicht,

den Realitätssinn fördern, das selbständige Lernen sowie die Gruppenarbeit begünstigen (MEC 1994,

67). Der Unterrichtslehrplan hat sich darüberhinaus an den individuellen Bedürfnissen der Schüler zu

orientieren (MEC 1994, 68).

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2. Richtlinien und Konsequenzen der Erziehungsreform für den spanischen Schulsport (Reform der “Educación Física”)

Die folgende Zusammenfassung des modernen “Currículo Oficial de Educación Física” macht dessen

erziehungsorientierten und interdisziplinären Anspruch deutlich. Diese “holistische Vision” (Medina

1993, 18) der neuen “Educación Física” läßt die vielfältigen und ganzheitlichen Möglichkeiten einer

Körper- und Bewegungserziehung durch den Schulsport zumindest theoretisch zur Geltung kommen. So

heißt es in der Einführung, in deutlicher Distanz zum traditionell sportartenorientierten Konzept, daß sich

“die Erziehung durch den Körper und die Bewegung nicht auf perzeptive und motorische Aspekte reduzieren läßt, sondern weitere expressive, kommunikative, affektive und kognitive Aspekte impliziert sein müssen” (MEC 1992, 13).

Körper und Bewegung bilden nach dem reformierten Konzept die Grundpfeiler für die

Erziehungsaktionen in diesem Unterrichtsfach. Von daher verdiene die Körpererkenntnis mit den daraus

resultierenden spielerischen, expressiven und kommunikativen Möglichkeiten besondere Beachtung.

Ausdrücklich erwähnt wird dabei die Wichtigkeit der eigenen Körperakzeptanz, sich wohl in seinem

eigenen Körper zu fühlen, ihn weiterzuentwickeln und leistungsfähiger zu machen (MEC 1992, 14). Die

Bewegung habe, neben dem funktionalen instrumentellen Wert, einen sozialen Charakter hinsichtlich

expressiver Eigenschaften und sozialer Bezugsbedeutungen. Je nach dominierender Erziehungsabsicht

würden von daher die Funktionen der Bewegung in der “Educación Física” variieren, die da sind (MEC

1992, 14/15):

- Funktion der Erkenntnis und Bewußtmachung als grundlegendes kognitives Instrument, sich selbst und seine Umwelt kennenzulernen

- funktionale, anatomische Funktion; Verbesserung der eigenen motorischen Fähigkeiten mittels Bewegung

- Ästhetische und expressive Funktion durch künstlerische Bewegungsformen, die durch Körperaus-druck möglich sind

- kommunikative Beziehungsfunktion; Nutzen von Körper und Bewegung, um soziale Beziehungen herzustellen, nicht nur durch Spiel und Sport, sondern durch jegliche Art physischer Aktivität

- hygienische Funktion bezüglich der Erhaltung und Verbesserung von Fitness und Gesundheit sowie Vorbeugung von Krankheiten und Disfunktionen

- agonis tische Funktion im Hinblick auf die Möglichkeiten, sein Können zu demonstrieren, wettzukämpfen und Schwierigkeiten überwinden zu können

- hedonistische und kartharsische Funktion; Streßbewältigung, Wiederherstellung eines psychischen Gleichgewichts, Realisierung von Freizeitaktivitäten und Genuß der eigenen Körper- und Bewegungseffizienz

- Kompensationsfunktion; Restriktionsausgleich der Umwelt; Kompensation der Sitzgewohnheiten der aktuellen Gesellschaft

“Das Fach ‘Educación Física’ hat diese Vielfalt anzuerkennen und durch sie zu der Verwirklichung der allgemeinen Lernziele der obligatorischen Erziehung beizutragen. Sie muß diese Vielfalt des Körperumgangs, und nicht nur Teilaspekte davon, aufgreifen und versuchen, bei den Schülern und Schülerinnen psycho- und soziomotorische Verhaltensweisen und Fähigkeiten zu entwickeln” (MEC 1992, 15).

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Dieser umfassende Anspruch spricht für sich und verlangt eine Umsetzung, die die mögliche

Vielseitigkeit von Körper- und Bewegungserfahrungen beinhaltet.

Sport sei, besonders in der letzten Etappe der E.S.O., eine der akzeptiertesten Formen der physischen

Aktivität in der Gesellschaft. Die Sportpraxis, so wie sie sozial geschätzt wird, korrespondiere jedoch mit

kompetitiven, selektiven und restriktiven Konzepten einer häufig nur einzigen Disziplin. Dies könne nicht

mit den Absichten des Curriculums in Einklang gebracht werden. Damit diese Erziehungsabsichten zum

tragen kommen, habe der Sport einen offenen Charakter vorzuweisen, ohne daß die Teilnahme vom

Geschlecht, Leistungssniveau oder anderen Kriterien der Diskriminierung abhänge. Die “Educación

Física” soll mit edukativen Intentionen realisiert werden und nicht mit dem Endziel, ein bestimmtes

Wettkampfresultat zu erreichen (MEC 1992, 15).

Der Sportunterricht müsse von daher erreichen, daß jeder Schüler seinen Körper und dessen

Möglichkeiten verstehen lernt. Er solle verschiedene Körper-, Bewegungs- und Sportaktivitäten be-

herrschen, damit er zukünftig die geeignetesten Formen für seine persönliche Entwicklung aussuchen

kann. “Die Konsolidierung von Gewohnheiten einer Erziehung durch den Körper ist eine der Prioritäten der E.S.O. Um dies zu erreichen, reicht es nicht aus, die Schüler und Schülerinnen an eine kontinuierliche Praxis von physischen Aktivitäten zu gewöhnen. Es ist außerdem notwendig, diese Praxis mit einer Skala von Verhaltensweisen, Werten und Normen zu verbinden. Dazu gehört auch die Erkenntnis über die Auswirkungen dieser Praxis auf die Persönlichkeitsentwicklung, bzw. dessen negativen Seiten bei Bewegungsmangel. Definitiv handelt es sich darum, daß die Bürger mit einer reflexiv kritischen Haltung selbstverantwortlich zu ihrem Körper stehen, anspruchsvoll mit sich selbst und der Gesellschaft umgehen, und somit ein höheres Niveau an Lebensqualität erreichen.” (MEC 1992, 15)

Die 12 bis 16jährigen Schüler, die die spielorientierte “Eduación Física” der “Eduación Primaria” hinter

sich gelassen haben, praktizierten physische Aktivitäten aus den folgenden Gründen: Spaß und

Wohlbefinden, der Gesundheit wegen, um ihr Image vor sich selbst und anderen zu verbessern, um

geschickter und effizienter zu werden, besser spielen und Herausforderungen meistern zu können, um

sich zu integrieren und Gruppenakzeptanz zu finden (MEC 1992, 16). Da das Spaßmotiv nicht mehr das

allein vorherrschende sei, wäre es möglich, die Schüler so zu erziehen, das sie erkennen, warum und

wofür sie eine bestimmte Aktivität ausüben. Sie sollen Aktivitäten selbst programmieren, sie in Funktion

ihrer Fähigkeiten, Interessen und Ziele selektieren und die erhaltene Leistung bewerten können (MEC

1992, 16).

Ausdrücklich wird die Notwendigkeit der Vermeidung jeglicher Geschlechterdiskriminierung

erwähnt. Es wäre jenen Stereotypen entgegenzuwirken, die die “Educación Física” einseitig mit einem

maskulinen Körpermodell und seinen assoziierten Attributen Wettbewerbsfähigkeit, Kraft etc.

identifizieren würden. (MEC 1992, 17) Im Lehrplan werden folgende allgemeine Ziele aufgeführt:

“1) Auswirkungen kennen und bewerten, die die gewohnte, systematische Praxis von physischen Aktivitäten auf die Persönlichkeitsentwicklung und auf die Verbesserung der Lebensqualitäts- und Gesundheitsbedingungen hat.

2) Aktivitäten planen und verwirklichen, die erlauben, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen...

3) Verbesserung der eigenen motorischen Leistungsmöglichkeiten...und die Perfektionierung der körperlichen Koordinierungs-, Dominierungs- und Kontrollfunktionen sowie die Entwicklung von Einstellungen, die hohe Selbstanforderungen und Selbstüberwindungen beinhalten.

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4) Entwicklung einer Konsequenz hinsichtlich Körpererkenntnis und Bedürfnisbefriedigung; Adoption einer kritischen Haltung gegenüber Praktiken, die negative Auswirkungen auf die individuelle und kollektive Gesundheit haben; Respekt und Förderung des Umweltschutzes.

5) Teilnahme an physischen und sportlichen Aktivitäten, unabhängig vom erreichten Fertigkeits-niveau; dabei sind Kooperations- und Respekteinstellungen zu entwickeln, Bezugsaspekte der physischen Aktivitäten zu bewerten und der eigene kulturelle Wert der autochtonen Spiele und Sportarten anzuerkennen...

6) Ausdrucksreichtum des Körpers und der Bewegung als Komunikations- und kreatives Ausdrucksmedium soll anerkannt, bewertet und in diversen kulturellen und künstlerischen Aktivitäten und Manifestationen genutzt werden” (MEC 1992, 18).

2.1. Umsetzung und Inhalte

Die erwähnten Richtlinien des “Currículo Oficial de Educación Física” sollen von den Sportlehrern mit

den folgenden inhaltlichen Schwerpunkten umgesetzt werden (MEC 1992, 18-24):

1) physische Kondition 2) motorische Qualitäten 3) Spiele und Sportarten 4) Körperausdruck 5) Aktivitäten in der Natur

Im Curiculum werden weiterhin eher allgemeine als konkrete Gedankenhilfen bezüglich einer möglichen

Sequenz der Inhalte gegeben. Das gleiche gilt für die Evaluierung. Es ist Aufgabe des

Sportlehrerkollegiums auf dieser Basis konkretere Lehrpläne zu erstellen, die dann vom einzelnen

Sportlehrer für seine Unterrichtsstunden konkretisiert werden müssen.

3. Umsetzung mit Hilfe abenteuersportlicher und erlebnispädagogischer Ansätze

Folgende Thesen sind für das Verständnis wichtig:

a) Abenteuer, Entdeckung und Erlebnis sind in der “cultura latina” sozial sehr positiv belegte Begriffe

und Inhalte. Man denke dabei nur an die Entdeckungs- bzw. Eroberungsgeschichte Lateinmerikas

durch die Spanier und die Bedeutung, die die 500 Jahresfeier 1992 auf der iberischen Halbinsel hatte.

Sie bilden Teil der spanischen Identität und Selbstverständnisses. Weitere Beispiele bzw. Belege

wären die fast täglich im spanischen Fernsehen übertragenen Expeditionen, Abenteuerfahrten, Camel

Trophies etc. Besonders hervorzuheben ist in diesem Kontext die “Ruta Quetzal” mit ihrem

erlebnispädagogischen Konzept, bei dem sich jedes Jahr ca. 400 sechszehnjährige Jugendliche in

Lateinamerika auf die Spuren spanischer Geschichte und vergangener Indianerkulturen begeben. Die

Auswahl dazu findet unter tausenden von spanischen Jugendlichen nach literarischen, künstlerischen,

sportlichen und Bildungskriterien statt. Die zweite Stufe dieser Selektion beinhaltet Quizformen und

Abenteuersport-Mannschaftswettkämpfe, die täglich mehrere Wochen im Fernsehen übertragen

werden. Schon aus Gründen der Attraktivität liegt es daher nahe, diese Lebensinhaltsbereiche

Abenteuer, Entdeckung und Erlebnis in das Erziehungssystem zu integrieren und sie als Medium

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pädagogisch aufzuarbeiten. Der Sportunterricht bietet sich hierbei geradezu an. Inspiration und

Erfahrungen für die pädagogische Aufarbeitung des Abenteuers und Erlebnisses für die Schule

könnten dabei Erkenntnisse aus Deutschland und der USA, ganz konkret “Project Adventure” (1),

liefern.

b) Nach den neuen Lehrplänen ist eine stärkere Betonung der persönlichkeitsbildenden, erzieherischen

Aufgaben des Sportunterrichts nötig. Stichworte bzw. Schwerpunkte sind, wir hatten es im

vorangegangenen Kapitel zusammengefaßt, Vielfalt an Körper- Bewegungs- und Sportformen,

Erziehung durch den Körper sowie umfassende Berücksichtigung der Ganzheitlichkeit des Menschen.

Dies macht unseres Erachtens ein Umdenken erforderlich, da die traditionelle Praxis, wie erwähnt, zu

einseitig sportartenzentriert gestaltet wurde und noch wird. Dies wirft die Frage nach den

Umsetzungsmöglichkeiten bezüglich der Befähigung der Sportlehrer und der normativen, sozialen

und räumlichen Voraussetzungen auf, in denen der Unterricht stattfinden soll. Hier besteht noch eine

große Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Erziehungsreform im allgemeinen, dem neuen

Sportcurriculum im speziellen und der Unterrichtswirklichkeit. Erforderlich sind daher geeignete

didaktische Maßnahmen, wie z.B. die Integration von Abenteuersport und Erlebnispädagogik, um

sich besser den vorgegebenen Lernzielen annähern zu können.

c) Der Schwerpunkt Abenteuersport und Erlebnispädagogik ist als wertvolle Ergänzung und nicht als

Ablösung gedacht. Er repräsentiert auch nur einen Ausschnitt aus dem vielfältigen Repertoire eines

körper- und bewegungsorientierten Sport-Erziehungskonzeptes, mit dem der edukative Auftrag des

Sportunterricht wahrgenommen werden kann.

d) Die Ausdifferenzierung des Sports in Spanien -im organisatorischen Bereich kann als aktuelles

Beispiel die im Januar '95 erfolgte Gründung des nationalen Breitensportverbandes genannt werden-

ermöglichen für den Sportunterricht die Identifizierung und Nutzung von Bewegungsalternativen, wie

z.B. den populären Abenteuersport. Wenn diese Bewegungsalternativen unter konkreten

Lernzielmaximen ausgesucht und zusammengestellt werden, d.h. daß sie diese begünstigen, tragen sie

dazu bei, den modernen Erziehungsauftrag des Sportunterrichts stärker als bisher Rechnung zu tragen.

e) Für die aktuelle spanische Sportunterrichtswirklichkeit gilt zudem, daß nur wenige Schulen über

ausreichende Sportstätten und -geräte verfügen. Die leichte Umsetzung von Abenteuersport und

Erlebnispädagogik in der freien Natur, unabhängig von aufwendigen Sportstätten, spricht daher

besonders in Spanien für deren Berücksichtigung. Wie bei den Sportlehrplänen vorgesehen, hat der

Sportlehrer einen Teil des Unterrichts als “Aktivitäten in der Natur” durchzuführen. Dies ist alleine

schon wegen der idealen Prädisposition Spaniens bezüglich Klima und freien, ungenutzten

Naturlandschaften sinnvoll. Die meisten benötigten Materialien für die Aktivitäten, wie Seile,

Karabiner, Gurte, Holzbalken und -stäbe etc., sind preislich erschwinglich, von den für

Schulsportzwecke fraglichen “High-Tech”-Ausrüstungen extremer Abenteuersportarten einmal

abgesehen. Die Abenteuerelemente, wie Strickleitern, schwingende Balken, Seilbrücken etc., können,

wie im nachfolgend erwähnten Aufbaustudium geschehen, mit den Schülern zusammen selbst

hergestellt werden.

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Abb.1 : Bewegungserfahrungen an selbstgebauten Strickleitern und Seilbrücken (2)

f) Abenteuersportliche und erlebnispädagogische Maßnahmen im Schuls port erfordern aus pädagogisch-

didaktischen, aus Verantwortungs- und technischen Gründen (Seil- und Knotenhandhabung, der

erwähnte Eigenbau von Abenteuerelementen sowie Sicherheitsaspekten etc.) eine gezielte

Sportlehrerweiterbildung. Nur dadurch läßt sich eine adequate und lernerfolgsversprechende

Anwendung gewährleisten.

So eine spezialisierte Lehrerfortbildung fand im Rahmen eines postgraduierten Aufbaustudiums im

Studienjahr 1993/94, “Ocio y Recreación deportiva” (Freizeit und Rekreationsport) genannt, am

“Instituto Nacional de Educación Física/Universidad Politécnica de Madrid” statt. Das Thema

Abenteuersport und Erlebnispädagogik wurden dabei als ein Hauptschwerpunkt thematisiert. Bei der

Konzipierung spielten folgende Überlegungen eine Rolle: Es sollte eine Weiterbildungs- bzw.

Spezialisierungsmöglichkeit im Bereich Freizeit und Rekreationssport angeboten werden, die es bis dato

in dieser umfassenden Form als “Curso de Especialización” in Spanien noch nicht gab. Sie umfaßte

insgesamt 320 Zeitstunden Inhalt, die über ein ganzes Jahr verteilt wurden. Für die Themenauswahl war

auch die genannte vorzügliche Prädisposition Spaniens von Bedeutung. Diese alternative, sportlich-

rekreative und edukative Nutzung würde zum einen die Abhängigkeit gegenüber normierten Sportstätten

verringern helfen, zum anderen aber eine spezifische Kompetenz benötigen. Zwei Hauptabsichten

standen dabei im Vordergrund: Erstens: Für die sich abzeichnende Sportlehrerarbeitslosigkeit sollte eine

verbesserte Handlungskompetenz für die eigene Berufsfeldschaffung im Bereich Freizeitsport anvisiert

werden. Zweitens: Für die zu erwartenden Teilnehmer -in der Mehrzahl im Beruf stehende Sportlehrer

der “Educación Física de la Enseñanza Secundaria”- wurden andererseits viele Inhalte als edukative

Kompetenzerweiterung für ihren reformierten und innovativen Sportunterrichts konzipiert.

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Im folgenden konzentrieren wir uns nur auf die Realisierung der abenteuersportlichen und

erlebnispädagogischen Inhalten dieser Sportlehrerweiterbildung, die in Bezug auf die Lehrplan-

Richtlinien der E.S.O konzipiert worden waren.

3.1. Abenteuersport und Erlebnispädagogik im Aufbaustudium “Ocio y Recreación deportiva”

Im folgenden erlaubt uns die zusammengefaßte Darstellung dieses Inhaltsbereiches einen Einblick in die

Wissens- und Erfahrungsvermittlung während des Aufbaustudiums. Zum besseren Verständnis muß

berücksichtigt werden, daß die Inhalte von der Konzipierung her als eine Ausbildung für

Ausbilder/Erzieher angelegt wurden, d.h. die nachfolgende Umsetzung in den Sportunterricht einer

sozialen und räumlichen Anpassung bedarf.

Der erwähnte Themenbereich “Abenteuersport und Erlebnispädagogik” wurde mit zwei

Schwerpunkten -teils stärker rekreativ, teil stärker pädagogisch akzentuiert- in unterschiedlicher

Umgebung umgesetzt. Z.B. fanden 3 verschiedene Exkursionen -jeweils von Freitag bis Sonntag- statt

und zwar in Form von:

a) Abenteuer- und Natursport in den Bergen von Madrid (Orientierungslauf, Bergwandern, Zelten,

Klettern, Abseilen, “Puenting” (Brückenspringen - siehe Abb. 7) sowie der theoretischen Vorstellung

von Aerosportarten wie Paragliding mit Motor etc.).

Abb.2: Abenteuersport in freier Natur: Station “Tirolina” mit Bremssicherung durch Mitschüler

b) Strandanimationssport am “Mar Menor”/Murcia

c) Flußabfahrt mit Kanus und Kayaks im “Alto Tajo”

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Abb. 3: Abenteuersport in freier Natur: mit Kanus und Kayaks im “Alto Tajo”

Hierbei ging es um die eher rekreativen Nutzungsmöglichkeiten der verschiedenen Naturgegebenheiten

wie Berg, Strand/Meer und Fluß. Erlebnispädagogische Effekte, wie z.B. Gemeinschaftsfähigkeit,

effektive Handlungskompetenz oder Erlernen von Konfliktbewältigungsmechanismen, ergaben sich dabei

aus der direkten Auseinandersetzung mit dem natürlichen Medium, den Mitmenschen sowie der

Bewegungs- und Handlungsform.

d) Eine weitere erlebnispädagogische Vermittlungsart stellten die Spielfest-Praktika der Teilnehmer dar.

Das Erlernte sollte in einem frei gewähltem Spielfest, das in Gruppenarbeit selbständig geplant und

eigenverantwortlich durchgeführt wurde, umgesetzt werden. Eine Gruppe führte ihr Spielfest im

größten Spaßbad “Aquapalace” von Madrid in Form von verschiedenen Sport- und Spielanimations-

Stationen durch. Das zweite Spielfest fand in Getafe/Madrid mit ca. 500 Hausfrauen, ebenso mit

Sport-, Tanz- und Spielanimations-Stationen, statt:

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Abb. 4: Von den Studenten in Eigenverantwortung organisiertes Spielfest

e) Im theoretischen Teil des Inhaltsbereiches Erlebnispädagogik wurde auf die Vorstellungen und Ziele

des nordamerikanischen “Project Adventure” zurückgegriffen (siehe u.a. Schoel u.a. 1988; Nasser

1993; Rohnke 1989). Desweiteren ergänzte die Einladung von Prof. Dr. Jörg Ziegenspeck von der

Universität Lüneburg das Konzept auf zweierlei Weise: zum einen erfolgte ein Wissenstransfer von

Konzepten und Erfahrungen, die in Deutschland mit Erlebnispädagogik gemacht wurden, zum

anderen lieferten die sozialpädagogischen und -therapeutischen Reflexionen über geschichtlichen

Entwicklungslinien, Prinzipien der Erlebnispädagogik sowie Anwendungmöglichkeiten ein

theoretisches Fundament, in dem häufig zu einseitig aktionsorientiertem Handlungsfeld. Auch in

diesem theoretischen Teil wurde, wie in der folgenden Abbildung vom Unterricht des Kollegen

Vicente Gómez Encinas, Dozent für Aktivitäten in der Natur am I.N.E.F. Madrid zu sehen, selbst im

Hörsaal das erlebnispädagogische Prinzip der Authenzität der Vermittlung umgesetzt.

Abb. 5: Unterricht im Hörsaal nach erlebnispädagogischen Prinzipien

f) Abgerundet wurde der angesprochene Inhaltsbereich durch einen konkret für die spanische Schule

entwickelten erlebnispädagogischen Teil, der sich direkt auf die reformpädagogischen Inhalte der

neuen Lehrpläne bezieht. Dieser Teil wurde ausführlich theoretisch behandelt und konnte in allen

seinen methodisch-strukturierten Lerneinheiten durch die Sportlehrer praktisch nacherlebt werden

(siehe 3.4). Dafür waren insgesamt 20 Zeitstunden vorgesehen, deren erlebnispädagogische

Vorstellungen und Inhalte in den folgenden Abschnitten (3.2.; 3.3.; 3.4.) berücksichtigt werden.

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3.2. Allgemeine Merkmale und Vorstellungen der Erlebnispädagogik im Aufbaustudium, gedacht für den Schulsport:

Die folgenden allgemeinen erlebnispädagogischen Vorstellungen wurden sowohl in der Theorie wie auch

in der Praxis im Aufbaustudium aufgearbeitet. Die ausführliche Begründung der pädagogischen

Verwendung und Bedeutung von Abenteuer und Erlebnis kann in der angegebenen Literatur nachgelesen

werden (Schleske 1977; Ziegenspeck 1994; Schoel u.a. 1988; Nasser 1993; Rohnke 1989;

Sportpädagogik 5/94; Gilsdorf u.a. 1994) Ein wesentliches Merkmal dieser reformpädagogischen Erziehungskonzeption besteht aus der

pädagogischen Aufarbeitung des Mediums Erlebnis und Abenteuer, das den emotionalen Hintergrund

bzw. einen Bezug bildet. In der amerikanischen “Adventure Education” wird das Abenteuer als ein

“Bewußtseinszustand” definiert, der personale und soziale Resourcen stimulieren hilft. Es soll dazu

beitragen, “Selbstvertrauen, Vertrauen in andere sowie eine interpersonale Efektivität und Reife” zu

entwickeln (Jensen 1981, 64). Karl Rohnke, einer der Gründer der angesprochenen Organisation “Project

Adventure”, charakterisiert diesen Verwendungsbereich als ein “programmiertes Abenteuer”, das ein

vorhersehbares physisches und emotionelles Resultat anbieten würde (Jensen 1981, 68). Auch wird es mit

seinen Herausforderungselementen als ein kalkuliertes “Sich-Selbst-Überlassen-Sein” angesehen, das die

Möglichkeit von Bewährungsproben durch Selbstüberwindung bietet. Dabei läßt sich dieses stimulierende

Medium nicht exakt definieren, zu unterschiedlich sind die individuellen Wahrnehmungen,

Interpretationen und psycho-physischen Fähigkeiten. Allen gemeinsam ist nur das persönliche Empfinden

des “Unbekannten und Herausfordernden”. Kommerzielle Versuche wie in der Zigarettenwerbung,

Urwaldexpeditionen mit allradangetriebenen Fahrzeugen oder der populäre Abenteuersport wie Rafting,

Bungeespringen oder Eisklettern repräsentieren nur einen kleinen Ausschnitt. Sie sind ohnehin häufig zu

extrem, zu spektakulär, ökologisch bedenklich, mit erheblichen Sicherheitsbedenken zu betrachten und

nur für Experten geeignet. Dieser extreme Abenteuersport ist daher für unsere Absicht, die

schulpädagogische Aufarbeitung und Nutzung von Erlebnis und Abenteuer, wenig geeignet. Für unseren

Zweck lassen sich, mit Phantasie und Kreativität, weniger spektakuläre, doch trotzdem sehr attraktive und

herausfordernde Aktivitäten gestalten, die die Schüler ermutigen können, sich jenseits ihrer subjektiv

wahrgenommenen Grenzen zu wagen. Sie lernen dabei, Hindernisse als eine Chance der Herausforderung

und der persönlichen Weiterentwicklung zu sehen.

Die Erlebnispädagogik zielt weiterhin auf eine Zuwendungstendenz des Lernenden, eine Erhöhung

seines Aufmerksamkeitsgrades und seiner Lernmotivation ab. Dies soll durch eine verbesserte

Attraktivität der Inhalte erreicht werden. Dabei werden die Erziehungsziele so authentisch, einsichtig und

bewußt nachvollziehbar wie möglich gestaltet, ohne belehrend zu wirken. Im Vordergrund steht die

Absicht, die vorgegebenen Erziehungsziele der “Educación Física” so gut wie möglich umsetzen zu

können. Diese sollen von den Schülern vor allem wertvoll in konkreten Situationen erlebt werden können.

Die gewählte Vermittlungsform folgt dabei dem Grundprinzip des “Learnig by Doing”.

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Die Erlebnispädagogik konzentriert sich besonders auf die Lernziele Persönlichkeitsbildung und

Gemeinschaftsfähigkeit, d.h. der sozialen Kompetenz. Sie möchte zudem mit ihren speziellen Inhalten

den Schüler, der sich nicht von der traditionellen Sportunterrichtsstruktur angesprochen fühlt, erreichen.

Sie stellt sich der Herausforderung, Probleme im gruppendynamischen Prozeß mit ihren spezifischen

Konfliktlösungsstrategien aufzuarbeiten. Dabei spielt besonders die Aktivitätennacharbeitung (von der

Aktion zur Reflexion) eine große Rolle, die die gruppendynamischen Abläufe und verhaltensändernden

Ziele aufarbeitet und damit bewußter macht.

Das Selbstverständnis dieser Erziehungsform schließt aus Gründen der Integrations-, effektiven

Kooperations- und vertrauensbildenden Absicht eher aus, daß ein Wettbewerb sich gegen andere richtet.

Im Vordergrund steht, z.B. bei den kreativen Problemlösungsaktivitäten, das selbständige Finden des

geeigneten Weges zum Ziel. Dies geschieht häufig durch Ausprobieren und demokratischer

Entscheidungsfindung. Dadurch entsteht zwangsläufig ein Prozeß- und Produktcharakter, der Zeit

braucht. Beim direkten Wettbewerbsvergleich entstünde sofort ein Gruppen- und Situationszwang, bei

dem die Stärksten, nicht unbedingt die Fähigsten dominieren würden. Der Wettbewerb findet daher

entweder in sich selber statt, in Form von Selbstüberwindung, d.h. “Dem-Sich-Stellen” einer

Herausforderung, oder richtet sich gegen die Zeit, gegen natürliche Hindernisse wie die Höhe von Bäume

etc. oder mit der ganzen Gruppe gegen einen früher aufgestellten Rekord. Daher ist der Sieg

gleichzusetzen mit dem Versuch, eine schwierige Aufgabe zu meistern und nicht mit der Niederlage eines

Gegners.

Die erlebnispädagogische Arbeit läßt zielorientiertes, selbständiges Arbeiten der Schüler zu, fördert

ihre kreative Entfaltung bei attraktiven Problemlösungsaufgaben und trägt, wie Untersuchungsergebnisse

aus den USA über Project Adventure aufzeigen, zum verbesserten Selbstkonzept und zur höheren

Lernmotivation bei (Nasser 1993, 189-207).

Sie integriert die ganzheitlichen, interdisziplinären Möglichkeiten des Sportunterrichts. Die

Erlebnispädagogik beansprucht, um Einseitigkeit entgegenzuwirken, die physisch-instrumentellen,

intellektuellen, emotionalen, praktischen, sozialen und sogar ästhetischen Aspekte des menschlichen

Wesens zusammenzubringen. Kopf. Herz und Hand sollen auch oder gerade beim Lernen eine Einheit

bilden.

3.3. Lernziele der Erlebnispädagogik im Aufbaustudium, gedacht für den

Schulsport

In Kapitel 2 wurde ausführlich auf die Vorgaben und Ziele der neuen Sportlehrpläne in direktem

Bezug zur Erlebnispädagogik eingegangen. Daher konzentrieren wir uns im folgenden nur auf die

Ergänzung von einigen ganz konkreten und wesentlichen Lernziele.

15

Die Entwicklung der Lernziele wurde von den nordamerikanischen Sport-Curricula von Project

Adventure inspiriert. (Rohnke 1989, 153; Nasser 1993, 170). Diese fünf Lernziele sind:

a. Meistern von emotionalen und physischen Herausforderungen = Steigerung des Selbstvertrauens

b. Intensivierung der Gruppenunterstützung, Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen und Verantwortung, effektive Gruppenarbeit

c. verbesserte motorische Grundeigenschaften, besonders Gewandtheit und Koordination

d. Entwicklung von größerer Bewegungsfreude und Spaß im Umgang mit seinem Körper und Bewegung sowie mit anderen gemeinsam etwas zu unternehmen

e. Entwicklung einer gesteigerten Vertrautheit und Identifikation mit der Natur

Punkt a. zielt auf die Verbesserung des Selbstkonzepts ab. Dies ist ein wichtiger Aspekt bei der

Verwirklichung des vom Curriculum vorgegebenen Lernziels Persönlichkeitsbildung im Sportunterricht.

Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn zum einen vertrauensbildende Maßnahmen und zum anderen

das Sich-Bewähren an herausfordernden Zielen ermöglicht wird. Gleichzeitig begünstigt ein “Lernen an

selbstgesteckten Zielen” die realistische Selbsteinschätzung.

Der zweite Punkt berücksichtigt die Kooperation, um den Wert einer gegenseitigen Unterstützung und

einer effektiven Zusammenarbeit erfahren zu können. Nur durch Kooperation kann die vom Lehrer

vorgegebene, bzw. gemeinsam vorgeschlagene, abenteuerliche Situation gemeistert werden. Dieses Ziel

liefert zudem das Fundament für gemeinsame Sicherheit, Gruppenzugehörigkeit und Vertrauen, von der

aus die individuelle Selbstentfaltung durch Zuwendung zum Wagnis und Risiko erst möglich wird. Das

erwünschte Erlangen an sozialer Kompetenz soll als wertvoll und unabdingbar erfahren werden.

Punkt c. konzentriert sich auf die Verbesserung der motorischen Fähigkeiten (Kraft, Ausdauer,

Schnelligkeit, Koordination, Gewandheit/Geschicklichkeit). Dabei erlangt speziell die Psychomotorik

durch das Angebot von alternativen Bewegungserfahrungen eine besondere Bedeutung. Der folgende

Punkt spricht für sich selbst und zielt auf Spaß und Freude im Umgang mit Körper und Bewegung ab.

Der letzte Punkt hat ökologische Bedeutung und soll den direkten Bezug zur Natur herstellen und sie

als wertvoll erscheinen lassen. Ziel sollte die geeignete “Outdoor” Umsetzung sein, um dem Schüler mit

einfachen Mitteln eine Handlungskompetenz für seine Freizeitgestaltung in freier Natur zu vermitteln.

Allgemeines Ziel in der Erlebnispädagogik muß die Vermittlung von direkten Erfahrungen sein, die

den Erziehungszielen eine Unmittelbarkeit, Authenzität und Wert verleihen sollen. Dies ist als Gegenpol

zur Abstraktheit, einseitig intelektuell ausgerichteten und häufig von den Schülern als sinnlos

empfundenen Wissensvermittlung gedacht. Die Umsetzung der Lernziele ist dabei so zu gestalten, daß sie

als direkter Wert erlebt und anerkannt werden können.

16

3.4. Methodik der Erlebnispädagogik im Aufbaustudium, gedacht für den Schulsport

Bei den methodisch-strukturierten Lernstufen ist eine zweckmäßige und logische Einteilung zu

erkennen. Mit jeder Stufe soll ein höherer Grad an kalkuliertem Wagnis und Risiko angeboten werden. So

ergibt sich z.B. die Notwendigkeit, die herausfordernden Seilkursaktivitäten vorzubereiten, da diese ein

hohes Maß an Selbstüberwindung, Risikobereitschaft und Vertrauen in sich selbst und in andere

erfordern. Daher muß in den ersten Lernstufen Vertrauen, Initiativbereitschaft, Sicherheit und

Verantwortung nach überzeugenden Sportanimations- und Erziehungsprinzipien und nicht nach

Trainingsprinzipien erarbeitet werden. Die inhaltliche Gliederung, in Anlehnung an “Project Adventure”,

sieht folgendes vor (Rohnke 1977, 1989 u.1984 ):

- Kooperative Aufwärmformen bzw. -spiele ,

a) Kooperations- und Vertrauensspiele (z.B. New Games),

b) Lösen von Initiativ-Problemen

c) Bewegungserfahrungen an niedrigen und hohen Seilkurselementen.

Die Gruppenspiele orientieren sich an den New Games mit ihrem integrativen, nicht

wettkampfbezogenen Spielcharakter (vgl. Fluegelmann 1991). Sie dienen dem Aufbau von Vertrauen,

Kooperation, einer Gruppenkohäsion und natürlich dem Spaß an der Bewegung.

Die Initiativ-Probleme stellen vom Lehrer und der Gruppe vorgegebene, unbekannte und

phantasievolle Situationen dar, deren komplexe Problemlösung der Eigeninitiative der Gruppe

vorbehalten bleibt. Sie provozieren Gruppenabsprachen über den besten Weg, gegenseitige

Unterstützung, zu erlernende Konfliktregelungen und erzwingen die Berücksichtigung der vielfältigen

Resourcen der Gruppe. Der Erfolg hängt zudem von Phantasie und Kreativität ab. Bei diesen Aktivitäten

kann der Wert einer effektiven, demokratischen und selbständigen Zusammenarbeit durch die Schüler

direkt erfahren werden, genauso wie eine unabdingbare situative Handlungsorientierung. Durch die

notwendige Nachbesprechung ist beabsichtigt, Konflikte und Probleme aufzuarbeiten und nötige

Verhaltensänderungen durch Bewußtmachung und Thematisierung zu betonen.

Im folgenden, exemplarischen Beispiel kam es darauf an, jedes Mitglied der Gruppe durch das

“Spinnennetz” zu reichen, ohne dies zu berühren. Die Aufgabe war erst gelöst, wenn sich alle Schüler auf

der anderen Seite befanden, wobei jeder Ausschnitt des “Spinnennetzes” nur einmal benutzt werden

durfte. Von einem Teilnehmer alleine war dies logischerweise nicht zu schaffen. Er war aufgrund der

Aufgabenstellung auf eine effektive Zusammenarbeit mit den anderen Gruppenmitgliedern angewiesen.

Der Lehrer sollte dabei nur eingreifen, wenn Sicherheitsbedenken bestehen oder, Frustrationen

vorbeugend, nach langen vergeblichen Bemühungen kein geeigneter Lösungsweg gefunden werden

konnte. In der folgenden Abbildung ist, neben der elementaren Naturerfahrung, die notwendige

Kooperation sowie das beschriebene didaktische Prinzip erkennbar.

17

Abb. 6: Das Initiativ-Problem “Spinnennetz”

In der folgenden methodischen Stufe konnten Bewegungserfahrungen an niedrigen und hohen

Seilkurselementen (Klettern, Abseilen etc.) gesammelt werden. Die erstgenannten kamen wegen ihrer

niedrigen Höhe ohne Seilsicherung aus, während für die letztgenannten die komplette Sicherungs-

ausrüstung zwingend vorgeschrieben war. Um den Teilnehmern den Eigenbau dieser herausfordernden

Seilkonstruktionen zu ermöglichen, mußten in die Methodik Knotenkunde und Seilhandhabungen

integriert werden. Das gleiche gilt für das Erlernen der Sicherungstechniken. Beides sind notwendige

Lernschritte, damit die Teilnehmer nachfolgend selbständig in Kleingruppen operieren konnten.

Auf der Basis dieser allgemeinen Grundlagen wird im folgenden ein methodisches Vorgehen

vorgeschlagen, wie es im Aufbaustudium verwirklicht wurde. Zu jeder Lerneinheit wurden mehrere

Aktivitäten vorgestellt, die mit den jeweiligen Ausbildungs- und Erziehungsabsichten korrespondierten.

Um ein praktisches Beispiel zu nennen : die in Abb. 6 vorgestellte Aktivität “Spinnennetz” wurde in der

6. Lerneinheit “Entscheidungsfindungs- und Problemlösungsaktivitäten” durchgeführt. Mögliche

Aktivitäten hängen von der Kreativität des Lehrers und der Schüler ab oder können in der Literatur

nachgelesen werden (z.B. Project Adventure 1986; Fluegelmann 1991 ; Rohnke 1977/1985/1989; ZfE

4/94; Gilsdorf u.a. 1994 etc.)

Wie eingangs schon erwähnt, war das gesamte Aufbaustudium als eine Weiterbildung für

Ausbilder/Erzieher konzipiert. So soll auch dieser methodische Vorschlag nur als Anregung für den

Schulsport dienen und muß je nach räumlichen Umsetzungsmöglichkeiten und sozialen Erfordernissen

modifiziert werden. Innerhalb des Umsetzungsprozesses der Lerneinheiten ist es ohne weiteres denkbar,

je nach Entwicklungsstufe der Gruppe, auch wieder zurückgehen zu müssen, um z.B. Vertrauen unter den

Schülern erneut aufzubauen oder zu versichern.

Methodisch aufgebaute Aktivitäten/Lerneinheiten

Ausbildungs- und Erziehungsabsichten

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1) Aktivitäten zur Einstimmung und Vertrautmachung

2) Sensibilisierungs- und Bewußtmachungsaktivitäten

3) Hemmschwellen abbauende Aktivitäten

4) Kommunikationsaktivitäten

5) Vertrauens und Einfühlungsvermögen

steigernde Aktivitäten

6) Entscheidungsfindungs- und Problemlösungsaktivitäten

7) Knotenkunde; Seilhandhabung und Bau von Abenteuerelementen

8) Geschicklichkeitsaktivitäten mit gegensei-tiger Unterstützung

9) Erlernen der Sicherungstechniken

10) Kletter-, kalkulierte Risiko- und Abseil-aktivitäten

11) Exkursionen in die Natur

Begünstigung der Gruppenformation/Interaktionen/Wohlbefinden

bewußt erlebter Umgang, Entfaltung und Wertanerkennung der Sinne

Abbau von Barrieren/”aus sich heraus gehen können”

gemeinsame “Sprache”/Austausch” finden; Kommunikation, um ein Spiel aufrecht zu halten, Aufgaben zu lösen oder Konflikte zu bewältigen

Vertrauen und Sicherheit in sich selbst und in andere finden

Begünstigung von Eigeninitiative; Nutzung der viel-schichtigen Gruppenresourcen; effektive Entschei-dungsfindung; Projekte

Erlernen der notwendigen Mittel für die selbständige Anwendung

Herausforderungen an niedrigen Elementen, die psycho-motorische Fertigkeiten verbessern, jedoch Unterstützung erfordern

unverzichtbare Voraussetzung für das weitere Vorgehen; Vertrautmachung mit der Ausrüstung und Automatisierung der Handhabung für die selbständige Anwendung; Bewußtmachung der möglichen Fehler

soziale und personale Verantwortung; Selbstüberwindung; realistische Selbsteinschätzung; Steigerung der Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten; selbständige Durchführung in Kleingruppen

Anwendung des Erlernten in anderer Umgebung; inten-sives Zusammenleben

4. Schlußbemerkungen

Im ersten Teil dieses Beitrags wurde die spanische Erziehungsreform, insbesondere die neuen Lehrpläne

der “Educación Física” vorgestellt. Wir konzentrierten uns dabei auf die ganzheitlichen, innovativen As-

pekte, die sich deutlich von einem traditionell sportartenorientierten Konzept distanzieren und deshalb für

den vorgeschlagenen Inhaltsbereich “Abenteuersport und Erlebnispädagogik” relevant sein können.

Gerade in dieser momentanen Übergangssituation -gemeint ist die vollständige Umsetzung der

L.O.G.S.E. in den spanischen “Colegios” (Grundschulen) und “Institutos” (Gymnasien)- besteht noch

eine große Diskrepanz zwischen dem beschriebenen hohen reformpädagogischen Anspruch der

Erziehungsreform und der Sportunterrichtswirklichkeit. So kann eine Berücksichtigung von innovativen

didaktischen Unterrichtsalternativen sinnvoll sein, die beanspruchen, die vorgegebenen pädagogischen

Ziele besser thematisieren und verwirklichen zu können. Zudem handelt es sich bei der vorgestellten

Unterrichtsalternative um eine sich schon in vielen nordamerikanischen Sportcurricula bewährte

Erziehungsform.

Um nur einige in den vorangegangenen Kapiteln erwähnten Absichten aufzugreifen, der

vorgeschlagenen Inhaltsbereich “Abenteuersport und Erlebnispädagogik” bietet die Möglichkeit,

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wirkungsvoll erziehungsorientierten und persönlichkeitsbildenden Sportunterricht zu offerieren, der

beansprucht, alle Schüler anzusprechen. Er ermöglicht einen großen, durch die Erziehungsreform nötig

gewordenen, inneren Differenzierungsgrad des Unterrrichts als didaktisches Grundprinzip, mit der

gleichzeitig die abzusehende problematische Heterogenität der Schüler z.T. aufgefangen werden könnte

(siehe Tab. 1). Koedukativer Unterricht mit vielfältigen neuen Bewegungserfahrungen ist dabei die

Regel. Die in den amerikanischen Untersuchungen bestätigte Selbstkonzeptverbesserung und erhöhte

Lernmotivation sind auch im spanischen Erziehungskontext angestrebte Ziele. Abschließend sei noch

einmal auf die spezifische Lernphilosophie der Erlebnispädagogik, das bewußte Erleben bzw. das erlebte

Bewußtmachen der Lernziele hingewiesen.

Bezüglich der beschriebenen Lehrerweiterbildung hat sich der Autor vorgenommen, bei den

folgenden Sportlehrerweiterbildungen besonders die Nacharbeitung zu vertiefen. Es entstand der

Eindruck, obwohl im Curriculum eindeutig die Verständniswichtigkeit des Sinns und Absicht von

physischen Aktivitäten vorgegeben wird, hier selbst bei vielen Sportlehrern Mängel vorhanden sind. Es

wird im spanischen Schulsport, nach Auffassung des Autors, zu einseitig aktionsorientiert gearbeitet.

Dieser Aktionismus geht machmal auf Kosten eines zielgerichteten Handelns, sowie der Reflexion und

Erkenntnis, warum und wofür ich eine bestimmte Aktivität ausübe. Die gedankliche Auseinandersetzung,

“ist sie Mittel zu einem bestimmten Zweck oder einfach Selbstzweck” ist besonders bei diesem

Inhaltsbereich “Abenteuersport und Erlebnispädagogik” von Bedeutung. Der Grund dafür ist die

eindeutige erziehungsorientierte Verwendung, die, wie in den Lehrplänen vorgeschrieben, nach

bestimmten Menschenbildern ausgerichtet sein muß. Nur so läßt sich vermeiden, daß eine Sozialisierung

zum Abenteurer bewußt oder unbewußt gefördert wird!

Abb. 7 : “El Puenting” - Sprung von der 90 hohen Brücke

Eine weitere Dimension sei zum Abschluß hinzugefügt. Es sind die kulturellen Unterschiede bei der

Interpretation der Aktivitäten und Aufgaben der Erlebnispädagogik, die sich sehr gut in der

Nacharbeitung sowohl in der spanischen Lehrerweiterbildung wie auch mit den Studenten der Deutschen

Sporthochschule Köln thematisieren ließen. Das erwähnte Prinzip der Erlebnispädagogik “Learning by

Doing” oder “gedankliche Vorstellungen von einer Sache zu entwickeln”, kommt sehr gut bei der

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folgenden praktischen Aufgabe zum tragen: Eine Gruppe von 10-15 Personen soll mit verbundenen

Augen ein mit den Händen gefaßtes Seil, dessen Enden zusammengeknotet sind, zu einem möglichst

großen Quadrat formen. Während bei den spanischen Sportlehrern, fast klischeehaft, die

Prozeßorientierung stärker betont wurde, war den deutschen Studenten das Endprodukt oder das Ergebnis

wichtiger. Bei den Ersteren war eine Einigung untereinander über den geeigneten Weg fast unmöglich,

Spontanität, Spaß und Genuß des Augenblicks waren riesengroß, das Ergebnis erschien zweitrangig. Bei

den Zweitgenannten war schon die Komunikationsform viel zielgerichteter, nach strategischen und

rationellen Kriterien ablaufend. Das Ziel wurde mit größerer Ernsthaftigkeit verfolgt. Man merkte, daß

das Ergebnis im Vordergrund stand. Zumindest in diese Situation bewahrheitete sich ein vergleichendes

Urteil von Lothar Labusch, Korrespondent in Madrid, daß “der” Spanier einfach losgehen würde, in der

Hoffnung sein Ziel irgendwie schon zu erreichen, während “der” Deutsche sich erst in Bewegung setzen

würde, wenn er den Weg zu seinem Ziel nach ökonomischen Kriterien definiert und vorprogrammiert

hätte. Ein interesantes, interkulturelles Thema, auch oder gerade in der Erlebnispädagogik.

Anmerkungen (1) Diese nordamerikanischen Abenteuerprogramme betonen neben “Personal Growth” und

“Environmental Awarness” (Jensen et al. 1981, 65) eine alternative, erziehungsorientierte Sportunterrichts- und Lehrplangestaltung. Sie werden in den Schuljahrgängen 6 - 12 angeboten, doch durch die Möglichkeiten der inneren Differenzierung und Flexibilität soll eine Ausdehnung auch auf niedrigere Klassen vermittelt werden. Diese Abenteuerpädagogik ist mit ihren innovativen Lehrplänen an Universitäten, Colleges, Schulen, in Rekreationszentren und in Camps der American Youth Foundation zu finden. Als besondere Variante ist UMPA , die städtische Modifikation von Project Adventure, erwähnenswert, da sie die natursportlich angelegte Philosophie auf die Großstadtbedingungen überträgt.

(2) Alle Fotos stammen vom beschriebenen Aufbaustudium “Ocio y Recreación deportiva”

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