Transcript
Page 1: „Grieser Weg der Kontemplation“ - Haus Gries vielmehr erleben wir, dass ein eigener klarer standpunkt Grundlage für die Weite des Dialoges mit anderen ist. es hat sich als sehr

11

„Wenige�Menschen�ahnen,�was�Gott�ausihnen�machen�würde,�wenn�sie�sich�derFührung�seiner�Gnade�rückhaltlos�über-ließen“,� sagt�der�Mystiker�und�Gründerdes� Jesuitenordens� ignatius� von� loyola(1491–1556).�in�seinem�Buch�über�exer-zitien�hat�er�einen�geistlichen�Weg�undeine� Methodik� beschrieben,� Menschen

einen�Weg�nach�innen�zur�eigenen�Mitte,zur�neuordnung�des�eigenen�lebens�undzur�tieferen�Begegnung�mit�Jesus�christuszu�weisen.� in� dieser�tradition� steht� dasexerzitienhaus�Gries,�ca.�60�km�nordöst-lich� von� Bamberg� in� Oberfranken� ge�-legen.

1. EntstehungDas� haus� wurde� 1984� vom� Je-suiten-Pater� Franz� Jalics� sJ� ge-gründet.�er�gilt�als�ein�Pionier�fürdie�aktualisierung�der�exerzitiendes� ignatius� von� loyola� in� dieheutige�zeit.�in�seinem�Buch�undBestseller� „Kontemplative� exer-zitien� –� eine� einführung� in� dasJesus-Gebet�und�in�eine�kontem-plative�lebenshaltung“�beschreibter� den� „Grieser�Weg“� der� Kon-templation.� Das� Buch� ist� in-zwischen� in� mindestens� 15sprachen�übersetzt�worden.

nachdem�Franz�Jalics�in�seinemhaus� viele� Jahre� lang� die� Kurseallein� begleitet� hatte,� begannen

„Grieser Weg der Kontemplation“

P.�Franz�Jalics�sJ

Dr.�annette�claraUnkelhäußer

P.�Joachim�hartmann�sJ

Das�haus�Gries�in�Mittelfranken�wurde�von�Pater�Franz�Jalics�sJ�gegründet�und�ist�in�derröm.-kath.�Kirche�mit�ökumenischer�Offenheit�verankert.�Pater�Jalics�entwickelte�den„Grieser�Weg�der�Kontemplation“.�er�hat�wesentliche�elemente�der�ignatianischen�exer-zitien�und�der�leibarbeit�aufgenommen.�alle�Kurse�im�haus�Gries�finden�in�einer�klaren,einheitlichen�Methode�statt. G.�e.

Haus Gries

Page 2: „Grieser Weg der Kontemplation“ - Haus Gries vielmehr erleben wir, dass ein eigener klarer standpunkt Grundlage für die Weite des Dialoges mit anderen ist. es hat sich als sehr

„Grieser�WeG�Der�KOnteMPlatiOn“12

ende�der�1990er�Jahre�zunehmend�schüle-rinnen�von�ihm�in�der�Kursbegleitung�mit-zuwirken.�allen�schülerinnen�dieser�Weg-gemeinschaft�gemeinsam�ist�die�klare�undeinheitliche�Methodik�der�Kurse.�sie�stiftetidentität�in�der�vermittlung�des�geistlichenWeges.�Derzeit�wirken�ca.�30�externe�Kurs-begleiterinnen�im�haus�Gries�mit.�im�Jahr2004�gab�Franz�Jalics�die�hausleitung�ab.Der� Jesuitenorden� beschloss,� das� exer-zitienhaus�weiter�zu�führen�und�ernannteP.�Bernhard�Bürgler�sJ�als�neuen�leiter�deshauses� (2004� -�2008).�von�2008–2016war� P.� anton� altnöder� sJhausleiter,� seit� 2014� zu-sammen� mit� P.� Joachimhartmann�sJ.�seit�Juli�2016bilden� P.� Joachimhartmann�sJ�und�Frau�Dr.annette�clara�Unkelhäußerdie� hausleitung.� P.� FranzJalics�–�inzwischen�fast�90Jahr�alt�-�lebt�nach�wie�vorim� haus� und� wirkt� beiKursen� in� der� einzel-begleitung�mit.�

2. Profil des Hauseses� gibt� nur� ein� einzigesKursformat�im�haus�mit�22zehntägigen� Kursen� proJahr.�neben�vielen�haupt-amtlichen� aus� der� katho-lischen�oder�evangelischenKirche�kommen�vor�allemMenschen� aus� helfendenBerufen� zu� uns:� Psycho-therapeutinnen,� Pädago�-ginnen,� Menschen� inheilenden�Berufen...�Unserhaus�versteht�sich�als�ver-ankert�in�der�katholischenKirche� und� offen� für� alleMenschen,�die�bereit�sind,

den� inneren�Weg� kennenzulernen,� denwir� zeigen.� eine� klare� kirchlichePositionie�rung� und� die� Begrenzung� aufein�Kursformat�einerseits�und�die�Weite�fürdie� vielen�Wege� und� die�verschieden-artigkeit� von� Menschen� andererseitsbilden� für� uns� dabei� keine� Gegensätze.vielmehr� erleben� wir,� dass� ein� eigenerklarer�standpunkt�Grundlage�für�die�Weitedes�Dialoges�mit�anderen�ist.�

es�hat�sich�als�sehr�gut�und�bereichernderwiesen,�dass�jeweils�ein�Mann�und�eineFrau�zusammen�die�Kurse�begleiten.�Die

Kapelle Haus Gries

Page 3: „Grieser Weg der Kontemplation“ - Haus Gries vielmehr erleben wir, dass ein eigener klarer standpunkt Grundlage für die Weite des Dialoges mit anderen ist. es hat sich als sehr

„Grieser�WeG�Der�KOnteMPlatiOn“ 13

Kursgröße�liegt�bei�26�teilnehmern.�hausGries�ist�kein�Beleg-�oder�Bildungshaus,das�auch�von�externen�Gruppen�genutztwerden�könnte.�vielmehr�versteht�es�sichals�ein�Geistliches�zentrum,�in�dem�die�vorOrt�lebende�Kerngemeinschaft,�die�Kurs-begleiterinnen� und� die� Kursteilnehme-rinnen�eine�geistliche�lebens-�und�lern-gemeinschaft�bilden.

im�haus�Gries�gibt�es�seit�Beginn�immerwieder�Personen,�die�eine�längere�geistlicheauszeit�ausüben,�die�zwischen�3�Monatenund�2�Jahren�dauern�kann.�4–6�Personenbilden� dabei� die� sogenannte� haus-gemeinschaft.�sie�sind�zusammen�mit�demGründer�und�der�hausleitung�eine�geist-liche�Kerngemeinschaft�vor�Ort.�Wer�in�derhausgemeinschaft�mit�lebt,�bringt�die�Be-reitschaft�auf,�einen�intensiven�geistlichenWeg�zu�gehen:�4–5�stunden�Mitarbeit�imhaus,�3– 4�stunden�Meditation,�geistlicheBegleitung�und�Gemeinschaftsleben.�

3. Elemente der KurseDie� Basis� der� Kurse� ist� durchgängigesschweigen.�ein�tägliches�Begleitgesprächbietet� raum,� erfahrungen� des� innerenWeges�mitzuteilen�und�geistlich�begleitetzu� werden.� Den� abschluss� des� tagesbildet�eine�eucharistiefeier�mit�ansprachenzu� zentralen� themen� des� geistlichenWeges,�die�ausgehend�von�der�heiligenschrift� entfaltet� werden:� Gebet� alsBeziehungsgeschehen,�die�Bedeutung�desleer�werdens,� der� du-bezogenen� aus-richtung�und�der�versöhnungsbereitschaftsind� Beispiele� solcher�themen.� in� denersten�tagen�eines�Kurses�gibt�es�eine�aus-tauschrunde�in�der�Gruppe.�es�geht�darummitzuteilen,�wie�es�mit�den�Meditations-übungen�gegangen�ist.�Der�Kursbegleiteroder�die�Kursbegleiterin�greifen�die�mit-geteilten�erfahrungen�auf�und�weisen�aufkontemplative� Grundhaltungen� hin� und

wie� mit� einzelnen� erfahrungen� umge-gangen� werden� kann.� Beispiele� hierfürsind:�Wie� gehe� ich� mit� Gedanken� undGefühlen�um,�wie�mit�zerstreuungen�oderKörperschmerzen,�wie�mit�schmerzhaftenerinnerungen�oder�mit�leistungsdruck?�

Die�Kursbegleiterinnen� führen�schritt-weise�in�den�sogenannten�Grieser�Weg�derKontemplation�ein,�der�von�Franz�Jalics�ent-wickelt�wurde�und�eine�klare�Methodikaufweist,�basierend�auf�seinen�erfahrungenin� der� geistlichen� Begleitung� vonMenschen.� alle� Kursteilnehmerinnenwerden�gebeten,�sich�je�neu�auf�die�ver-schiedenen� Übungsschritte� einzulassen.Das�bedeutet,�dass�es�in�haus�Gries�keineaufteilung� der� Kursteilnehmerinnen� inanfänger�oder�Fortgeschrittene�gibt.�auchMenschen,�die�sehr�vertraut�sind�mit�demkontemplativen� Gebet,� machen� immerwieder�erstaunliche�entdeckungen,�wennsie�sich�auf�alle�Übungsschritte�einlassen.Die�Übungsschritte�auf�dem�Grieser�Wegenthalten� folgende� elemente:� Wir� be-ginnen� mit� Wahrnehmungsübungen� inder�natur�und�mit�Körperwahrnehmungs-übungen,�indem�wir�den�atem�auf�seinemWeg�durch�den�Körper�begleiten.�es�folgtdie�erkundung�der�hände�und�das�spürender�handmitte�als�ein�tor,�das�uns�in�dieGegenwart�bringen�kann.�Dann�führen�wirmit�einem�inneren�Wort�in�die�Meditation.es� sind� die� Worte:� Ja,� Maria� und� Jesuschristus.�

ein�weiteres�element�unserer�Kurse�istdie�leibarbeit.�Wir�bieten�am�Morgen�vordem� Frühstück�Yoga� oder� Qi� Gong� an.außerdem� arbeiten� die� Kursteilnehme-rinnen� während� des� Kurses� täglich� einestunde�im�haus�mit.�

4. Kontemplative GrundhaltungenBei� den� kontemplativen� exerzitien� gehtes�um�die�einübung�des�Wahrnehmens.

Page 4: „Grieser Weg der Kontemplation“ - Haus Gries vielmehr erleben wir, dass ein eigener klarer standpunkt Grundlage für die Weite des Dialoges mit anderen ist. es hat sich als sehr

„Grieser�WeG�Der�KOnteMPlatiOn“14

ignatius� von� loyola� schreibt� in� seinemexerzitienbuch:� „nicht� das�vielwissensättigt�die�seele,�sondern�das�spüren�undschmecken�der�Dinge�von�innen�her.“�

zentrale�elemente�einer�kontemplativenGrundhaltung�sind:

a) Wahrnehmen – statt denken undhandeln

innerhalb�und�auch�außerhalb�der�Ge-betszeiten�wie�bei�der�Mitarbeit�im�haus,bei� den� Mahlzeiten� und� den� Körper-übungen� gehen� wir� nicht� ins� Denkenoder�Machen.�Wenn�wir�uns�ins�Denkenoder�Machen�verlieren,�kehren�wir�wiedermit�der�aufmerksamkeit�zur�Wahrnehmungzurück.�

b) Da sein lassen – statt verändernWir� nehmen� wahr,� wie� es� ist,� und

gehen�nicht�mit�unseren�vorstellungen�undBewertungen,�die�vorgeben,�wie�es�seinsollte.�es�ist�ein�Weg�vom�sollen�zum�sein.Das� Wort� „wahr-nehmen“� besteht� ausWahrheit�und�nehmen.�es�bedeutet,�dasals� meine� Wahrheit� ernst� -� und� an-zunehmen,�was�sich�in�der�ruhe�und�stillezeigt.

c) Geschehen lassen und vertrauen – stattsteuern

Wir�übergeben�Gott�die�regie�für�diezeit�der�exerzitien.�Franz�Jalics�hat�dafürdas�Bild�gebraucht:�vom�Fah�rersitz�auf�denBeifahrersitz�zu�wechseln.

d) Ausrichtung auf die Gegenwart Gottes– statt drehen um mich selbst

vor�jeder�Meditationseinheit�erneuernwir� die� Bereitschaft,� die� zeit� Gott� zuschenken�und�sie�ihM�zu�überlassen,�waser� wirken� will.� Wir� steuern� also� keineergebnisse�an,�wie�z.B.�ein�Mehr�an�ruheund� Gelassenheit� oder� an� Klarheit� und

erkenntnis,�sondern�wir�üben�uns�ein,�ab-sichtslos�vor�Gott�zu�verweilen�in�stille�undaufmerksamkeit.� am� ende� der� Medita�-tionseinheit� machen� wir� den� „Griesertest“.�Wir�prüfen�uns�innerlich�und�spürennach:� Kann� ich� diese� zeit� –� wie� auchimmer�sie�war�-�so�stehen�lassen�und�sieGott�schenken,�oder�bin�ich�unzufrieden,weil�ich�etwas�erreichen�wollte?

e) Verweilen im Einfachen – statt kom-plexer Erwägungen

Wir� bewegen� und� orientieren� uns� inunserer�Welt�mit�einem�Dreischritt:�Wahr-nehmen,�Denken�und�handeln.�

in�unserer�modernen�analytischen�undleistungsorientierten�Welt�sind�das�Denkenund� handeln� überdimensioniert.� Kaumkommt�etwas�in�die�Wahrnehmung,�springtschon�das�Denken�an,�und�wir�entwickelnhandlungskonzepte� für� oder� gegen� dasWahrgenommene.� es� fällt� uns� schwer,wahrzunehmen�und�im�einfachen�Wahr-nehmen�zu�bleiben�und�etwas�wirken�zulassen.�

5. Wachstum der Grieser Wegge -meinschaftim� Jahr�2009�wurde�die� initiative�„Kon-templation� in� aktion“� von� P.� Joachimhartmann� s� J,� elisa�beth� huber,� MartinaKlenk�und�sr.�Johanna�schulenburg�c�J�insleben� gerufen.� Diese� internetplattformweist�auf�häuser,�Gruppen�und�Kurse�zum„Grieser�Weg“�hin.�es�handelt�sich�dabeium� einen� internetauftritt� www.kontem-plation-in-aktion.de�,�der�den�Grieser�Wegnach�außen�einer�breiteren�Öffentlichkeitvorstellen�und�nach�innen�Gruppen�undPersonen� vernetzen� möchte.� aktuellfinden� sich� darauf� ca.� 120� Kontem-plationsgruppen� im� deutschsprachigenraum.� es� gibt� inzwischen� eine� ganzereihe� von� exerzitienhäusern,� die� über-

Page 5: „Grieser Weg der Kontemplation“ - Haus Gries vielmehr erleben wir, dass ein eigener klarer standpunkt Grundlage für die Weite des Dialoges mit anderen ist. es hat sich als sehr

„Grieser�WeG�Der�KOnteMPlatiOn“ 15

wiegend� oder� teilweise� kontemplativeexerzitien� im� Programm� haben.� auchschreitet� inzwischen� die� internationalevernetzung�voran.�es�gibt�angebote�zum„Grieser�Weg“�u.a.� in� lateinamerika,� inUngarn,�Polen,�spanien,�Großbritannienund�indien.

seit�dem�Jahr�2013�gibt�es�Online-exer-zitien�zum�„Grieser�Weg“.�es�handelt�sichdabei�um�einen�Kurs�über�5�Wochen,�dermitten� im� alltag� stattfinden� kann.� Fürjeden�tag�nimmt�man�sich�30�Minuten�fürdie�Meditation.�Für�jede�Woche�erhält�maneine�Meditationsübung�und�einen�geist-lichen� impuls.� am� ende� jeder� Wochesenden�die�teilnehmenden�per�Mail�einenWochenrückblick�und�erhalten�eine�ant-wort�darauf,�ebenfalls�per�Mail,�von�derPerson,�die�die�Online-exerzitien�begleitet.Der�Kurs�hat�sehr�gute�resonanz�gefunden.

im�Jahr�2016�haben�wir�vom�haus�Griesdas�Projekt�„Kontemplation�und�sendung“gestartet.�Die�„Komm-struktur“�(Personenkommen�zu�unseren�Kursen�ins�haus)�wird

mit� einer� „Geh-struktur“� ergänzt.� Wirgehen� auf� anfrage� mit� verschiedenenkleineren�Kursformaten�zu�Menschen�vorOrt� in� deren� Berufs-� oder� lebensalltag.Kontakt�zu�jungen�Menschen�zu�finden,�istuns�dabei�besonders�wichtig.�so�wird�esmöglich,� auch� Menschen� für� den� kon-templativen�Weg�zu�interessieren,�die�vonsich� aus� nicht� gleich� für� einen� zehn-tägigen� Kurs� in� unser� haus� kommenwürden.� auch� eine� gezielte� Öffentlich-keitsarbeit� und� Publikationen� sowie� dieteilnahme�an�diesem�symposium�sind�teildes� Projektes� „Kontemplation� undsendung“.�Weitere�informationen�zu�„Kon-templation�und�sendung“-�unter�anderemauch�ein�skype-interview�-�finden�sich�aufder�seite�www.haus-gries.de.

P.�Franz�Jalics�sJDr.�annette�clara�UnkelhäußerP.�Joachim�hartmann�sJ


Recommended