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Page 1: Analytik, Ãffentlichkeit und europäische Netzwerke

�� Information ist heute eine all-tägliche Selbstverständlichkeit, die uns (fast) kostenfrei immer und überall zur Verfügung steht. Es bedarf auch nur weniger Maus-klicks, um an Details des jüngsten „Dioxinskandals“ zu kommen. Man liest zum Beispiel auf einer Seite für Konsumenteninformati-on, dass Proben von Schweine-fleisch aus dem Betrieb XY im Schnitt 0,3 Pikogramm Dioxin pro Gramm Fett enthielten und in diesem Fall unter dem Grenzwert lagen – eine perfekte Information für ein geruhsames Abendessen.

Trotzdem hat solche Information einen Schönheitsfehler. Als Zuseher diverser Quizsendungen bezweifle ich, dass die allgemein gebildeten Bürgerinnen und Bürger eine aus-reichende Vorstellung davon haben, was 1 Pikogramm bedeutet. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es nicht um „Dioxin“ alleine geht.

Dies führt dazu, dass die Ver-fügbarkeit von Methoden für eine derartige Spurenanalytik als selbst-verständlich angesehen wird. Tat-sächlich sind die organische und auch die anorganische Spurenana-lytik in vielen Bereichen eine Rou-tineangelegenheit geworden, bei

welcher Nachweisgrenzen erreicht werden, die noch vor wenigen Jah-ren als reines Wunschdenken abge-tan worden wären. Dass derartige Leistungen der analytischen Chemie in der Öffentlichkeit kaum entspre-chend wahrgenommen werden, ist die andere Seite der Medaille.

Ob Life Sciences oder Material-wissenschaften, nirgendwo käme man ohne Analytik aus – doch der Begriff „analytische Chemie“, von manchen lieber als Analytical Sci-ences bezeichnet, taucht kaum auf, da man Analytik eben betreibt, oh-ne viel darüber zu reden. Daraus würde man messerscharf schlie-ßen, dass die analytische Chemie ein erhebliches Imageproblem be-kommen hat und nicht nur von der

Öffentlichkeit unzureichend wahr-genommen wird, sondern auch un-ter mangelnder wissenschaftlicher Anerkennung durch die anderen Fachbereiche leidet.

Doch stört es uns wirklich, wenn sich z.B. Biologen ein Ana-lysengerät der jüngsten Generation anschaffen und damit – hoffentlich richtige – Daten für ihre Probleme generieren?

Die Innovation der analytischen Chemie liegt wohl kaum im Benüt-zen kommerzieller Geräte als viel-mehr in der Entwicklung von neu-en Techniken, die bestehende Pro-bleme besser lösen und vielleicht in einigen Jahren Einzug in das La-bor halten. So gesehen sind be-nachbarte Disziplinen wohl keine Konkurrenten, welche uns das Wasser abgraben, sondern wertvol-le Lieferanten von Fragen, die zu

neuen Ansätzen in der analyti-schen Chemie führen.

Eine Wissenschaftsdisziplin kann wesentlich erfolgreicher agie-ren, wenn sie es schafft, sich der Öffentlichkeit und den benachbar-ten Fachbereichen in optimaler Weise zu präsentieren. Dafür ist das Internationale Jahr der Chemie 2011 eine der besten Gelegenhei-ten für die Chemie insgesamt wie auch für die einzelnen Spezial-gebiete. Wenn das Jahr 2011 gleichzeitig auch zum Internatio-nalen Jahr des Waldes erklärt wur-de, so sollte man die Chance er-greifen, um einige alte Denksche-mata wie „umweltfeindliche Che-mie“ auf der einen Seite und „heile Natur“ auf der anderen Seite aus der Welt zu schaffen und die Pho-tosynthese des Baumes als das hin-stellen, was sie ist – nämlich als chemische Reaktion.

Innovationen im Internationa-len Jahr der Chemie aufzuzeigen, ist auch das Ziel der Österrei-chischen Chemietage vom 26. bis 29. September, zu denen die Ge-sellschaft Österreichischer Che-miker mit diesem Heft der Nach-richten nach Linz einlädt. Sie wer-den wieder eine ausgezeichnete und zentrale Möglichkeit sein zur Netzwerkbildung zwischen Che-mikerinnen und Chemikern aus Österreich und seinen Nachbarlän-dern und darüber hinaus. Ähnliches entsteht im Übrigen auch beim GDCh-Wissenschaftsforum in Bremen 2011 und beim 3. Euchems-Kongress 2012 in Prag.

Professor Wolfgang Buchberger, Linz

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Analytische Chemie –

eine Selbstverständlichkeit ?

Analytik, Öffentlichkeit und europäische Netzwerke

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Nachrichten aus der Chemie | 59 | Mai 2011 | www.gdch.de/nachrichten

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