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Page 1: Artisolierende Parameter des Revierrufs der Türkentaube(Streptopelia decaocto)

Heft 3 1973 305

]. Orn. 114, 1973: S. 305--316

Aus dem I. Zoologischen Institut der UniversitSt Erlangen-N~irnberg und dem Fachbereich Biologie der Universit~it Trier-Kaiserslautern

Ar t i so l ie rende P a r a m e t e r des Rev ie r ru fs der T i i rken taube

( S tr eptopel ia decaocto )

Von Wilfried Giirtler

Das Problem der Zeichenerkennung allgemein ist heute besonders auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik in den Vordergrund des Interesses ger~ickt. Auch in der Bio- akustik wurde der speziellen Frage der Arterkennung besondere Beachtung geschenkt. So sind in den letzten Jahren eine Reihe yon Untersuchungen an verschiedenen Vo- gelarten durchgef~ihrt women (L~teratur~ibersicht bei HEns 1973).

Ich w~ihlte als Untersuchungsobjekt die Tiirkentaube (TT), in der Hoffnung, die artisolierenden Parameter ihrer Lau6iugerungen noch besser in den Griff bekommen zu k/Snnen, weil ihre Rule obertonarm und wenig frequenzmoduliert, auf~erdem klar gegliedert, in besonderer Weise betont und deshalb wegen ihrer relativ leichten Nach- bildungsm6glichkeit fiJr eine Parameteranalyse gut geeignet find.

Vorliegende Mitteilung ist die erste Zusammenfassung der Ergebnisse einer Dissertation tiber dieses Thema.

Danken m/Schte ich Herrn Prof. Dr. E. TRETZEL fiir die I~berlassung des Themas, fl.ir die Bereitstellung yon Tonbandaufnahmen und Anfertigung von Sonagrammen sowie ffir die jederzeit gerne gew~ihrte Unterstikzung.

1. Versuchsmethode

Die nachfolgenden Ergebnisse stiitzen sich auf rund 1100 Versuche, die ich an mindestens 200 Individuen yon Februar bis Juli 1971 in Regensburg und Eriangen durchfi~hrte. Dabei priifte ich die Reaktion der Ti~rkentaube auf eine Reihe yon Klangattrappen, die mehr oder weniger von ihrem Ruf abwichen, um feststellen zu k/Snnen, welche Parameter des Rules fiir die Arterkennung wichtig find. Als Versuchstiere w~ihlte ich nur Alttiere, die einzeln oder zu zweit waren und nicht yon Nachbartauben gest6rt wurden.

In einem Versuch wurde immer nur die reaktionsausl~Ssende Wirkung e i n e r Klang- attrappe gepriift. Um eine Gew~Shnung der TT m/Sglichst zu vermeiden, liel~ ich mindestens eine Woche verstreichen, bis ich wieder zum gleichen Platz kam. Die KIangattrappen wurden z. T. durch Tonbandmontagen des TT-Rufes oder mit einem Tongenerator hergestellt. Attrap- pen mit Zeitdehnung bzw. -kompression bei gleichbleibender Tonh6he und Attrappen mit Ton- hiShenveriinderung bei gleichbleibendem Tempo stellte die Firma BASF AUTOMATION HEIDELBERG mit ihrem Get,it BASF system 2002 her. Die Wiedergabe der Klangattrappen erfolgte mit Hilfe eines profess~onellen Miniaturtonbandger~ites STELLAVOX Sm 5 i~ber den dazugehiSrigen Lautsprecherkoffer mit eingebautem Verst~irker. Der Lautsprecher strahlte den Frequenzbereich der Rufe bzw. Klangattrappen gut, natiirlich und mit der n~Stigen Laut- st~irke ab.

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306 WILFRIED GURTLER lJ 'O~ n"

Hz

500 t l • Element m

2, Element 3. Element I I 0,5 1

Abb. 1. Grundschema des Revierrufes einer TT.

I 1,5 s

2. D e r Rev ierruf , Prahlruf u n d das Girren

Die Laudiuf~erungen der TT bestehen aus den rucksenden Rufen, zu denen der Revierruf geh6rt, und dem sog. Girren (HoFsTETTER 1954). Im folgenden werden Revierruf, Prahlruf und das Girren, yon denen erstmals Sonagramme ver6ffentlicht werden, besprochen.

2.1. D e r R e v i e r r u f :

Das Grundschema (Abb. 1) einer Strophe besteht aus 3 Lauten - Elementen (E 1- 3) mit einer Grundfrequenz zwischen 500 und 550 Hz. (Selten h6rt man auch Strophen mit nut einem oder zwei Elementen). Die durchschnittliche Strophenl~inge betr~igt 1,2 bis 1,3 s. Das 2. Element (E 2) ist etwa dreimal so lang wie das erste, das yon der TT in knapp 200 ms vorgetragen wird. E 3 ist nur wenig i/inger als E 1. Die Pause zwischen E 2 und E 3 ist wiederum dreimal so ]ang wie die zwischen E 1 und E 2 mit 100 ms. Daraus ergibt sich der eigenartige Rhythmus des Revierrufs. Die Strophen werden yon den TT einzeln vorgetragen oder zu Strophenfolgen mit z.T. grof~er Strophenzahl (iiber 15) aneinandergereiht. Unabh/ingig yon ihrer Ste]lung in der Strophenfolge tritt bei einzelnen oder allen Elementen einer Strophe zu der Frequenz

kHz

a)

1,0 f 0,5 . . . . , .

1,0 b)

0,5 I ~ . ~ :.:~.,,.~ ......... ~ : :

I i i i F [ 1 1 i i I , f , , I 0,5 1 1,5 s

Abb. 2 a--c. Sonagrammbeispiele yon Stro- phen des Revierrufes verschiedener TT.

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Heft 3 1973

kHz

Revierruf der Tiirkentaube 307

10[

I I r r I I I 1 I * I i i i i I Abb . 3. S o n a g r a m m e iner S t rophe des 0,5 1 1,5 s P rah l ru fes e iner TT.

von ca. 500 I--Iz (F1) noch eine zweite (F2), die bei 650 Hz beginnt und anfangs langsam, gegen Schlutl des Elements jedoch rasch auf F 1 oder etwas darunter absinkt (Abb. 2 a--c). F~ l~iuft nicht mit F1 synchron, sondern setzt erst 50-100 ms sp~iter ein. Dadurch entsteht der dem TT-Ruf eigene, glucksende Laut. In Abb. 2 a wird E 3 der Strophe mit F~ versehen, welche rasch auf 500 Hz absinkt. In Abb. 2 b be- sitzen alle drei Elemente diese F2, in Abb. 2 c nur E 1. Die Strophenvcahl und die Art der Aneinanderreihung innerhalb einer Strophenfolge sind sehr variabel.

2.2. D e r P r a h l r u f :

Vom Prahlruf, dem Ruf eines Taubers, der sein Weibchen umbalzt, ist bisher nur eine gute Tonbandaufnahme aus geringem Mikrophonabstand gelungen, aus der Abb. 3 das Sonagramm einer Strophe wiedergibt. Prinzipielle Unterschiede zum Revierruf (vg]. Abb. 2 b) zeigt das Sonagramm nicht. Es fiilit jedoch auf, daf~ der Prahlruf ge- wissermat~en steifer vorgetragen wird: F~ ist im Sonagramm gestreckter angelegt. Der l]bergang von F~ zu F, in E 2 vollzieht sich rasch, ohne die beim Revierruf h~Srbar und sichtbar weichere Modulation, die in Abb. 2 b bei E 2 an dem langsamen, bogen- f/Srmigen Abfall yon F~ nach F i zu sehen ist.

2.3. D a s sog. G i r r e n :

Obwohl diese stimmlichen i~ullerungen der TT, die haupts~ichlich im Flug, manch- real auch nach der Kopulation zu h/Sren sind, oftmals recht verschieden klingen, sind sie doch sehr charakteristisch und haben mehrere gemeinsame Merkmale. Abb. 4 a, b

kHz

5 -

4

3

2

I

a) b) . :.: ~'.~ii,.'.~;~<":~:~t;~.:.,~:..

I I i r i J

0,5 s

Abb. 4 a - - b . S o n a g r a m m e von G i r r l a u t e n verschiedener TT.

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308

kHz

1,0 f 0,5

1,0

0,5

ct)

b)

i m

WILFRIED GURTLER

m i

j. Orn, 114

',° I 0,5

1,0 f 0,5

1,0 O,5

c)

i m

d)

a'. ~ I III IIIII L~

I f , i I r , i I , I , p l 0,5 I 1,5 s Abb, 5 a--e. Sonagramme vorgespielter Klangattrappen.

zeigen Sonagramme verschiedener Girrlaute. Der Grundton liegt etwa bei 500 Hz (vgl. F, des Revierrufes). Ober dem Grundton liegt jedoch eine Vielzahl yon Ober- tonblindern wechselnder Frequenz und Intensit~it, welche die verschiedene Klangfarbe dieses Lautes bewirken. Ihre obere Grenze liegt im Sonagramm bei 6-6,5 kI-Iz. Im ersten Drittel des Rules er£olgt ein Frequenzanstieg aller PartialtSne um ca. 30 Hz und dann wieder ein allm~ihlicher Abfall auf die Ausgangsfrequenz (vgl. F= des Re- vierrufes). Die Dauer des Lautes betr~igt nach den Sonagrammen (Abb. 4 a, b) etwa 500 ms.

3. Verwendete Klangattrappen

In Tab. 1 sind die wichtigsten Klangattrappen aufgeftihrt uncl dur& Kurzbeschrei- bungen erl~iutert. Abb. 5 a--e zeigt die entsprechenden Sonagramme.

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4. Auswertungsmodus W~ihrend eines Versuches spielte ich dem jeweiligen Versuchstier im Freiland in der Regel

8 Strophenfolgen einer Klangattrappe vor. Bei der Auswertung beriicksichtigte ich nur sein Verhalten bis zur 5. Strophenfolge; denn nach 5 Strophenfolgen waren auch beim Vorspiel des unver~inderten Rufes bereits alle wichtigen Reaktionen des TT festzustellen. Je nach Beschaffenheit der Klangattrappen waren dann die Reaktionen der TT gleich gut oder nahmen ab, bis schliefllich einige Attrappen v511ig nnbeachtet blieben, die TT also keine Reaktionen zeigte. Die wichtigsten Reaktionsarten waren:

1. B e w e g u n g s r e a k t i o n e n mit keiner oder nut geringer Standort~nderung: Putz- bewegungen, Zuwendung zur Schallquelle, Umhertrippeln;

2. V e r s t u m m e n oder R u f r e a k t i o n e n : .Kuflerung des Revierrufes oder Girrens;

3. F 1 u g r e a k t i o n e n : Achtungsflug (die TT fliegt dabei steil in die HShe und segelt dann oft in weitem Bogen zum Ausgangspunkt oder in dessen N~ihe zurtick; HOFSTETTEIt 1954); Ann~iherung an die Schallquelle oder Entfernung yon ihr; Uberfliegen des Laut- sprechers; Flug auf einen erh6hten Punkt; Attackieren anderer TT.

Tab. Klangattrappen mit Leitzahlangabe, Sonagrammen und Kurzbeschreibungen; n = dutch Tonbandmontage aus Aufnahmen natiirlicher Rufe yon TT hergestellt, k = mittels eines Ton- generators hergestelit, b = mit einer Altblockfl6te gespielt, LZ = Leitzahl (Erkl~rung S. 310).

Attrappe LZ Herstellung Eigenschaft

A 112,2 n vgI. Abb. 2 a, b, c Tp X 1,3 110,6 n wie Abb. 2 a, b, c,

jedoch B 94,2 n Abb. 5 a

Tp × 1,5 89,2 n wie Abb. 2 a, b, c, jedoch

Hi 88,2 k Abb. 5 b

kTp X 1,5 80,5 k wie H1, jedoch

K 73,6 k Abb. 5 c

B1 1 63,7 b wie Abb. I, jedoch

EE 62,5 k wie Abb. 1 Th X 1,3 55 n wie Abb. 2 a, b, c,

jedoch D 52 n Abb. 5 d He 50,2 k wie H1, jedoch

C 44,3 n wie B, jedoch Th X 0,3 28,6 n wie Abb. 2 a, b, c,

jedoch B1 II 13,3 b Abb. 5 e

Th × 1,5 11,5 n wie Abb. 2 a, b, c, jedoch

nattirlicher, unver~tnderter Ruf Zeitkompression um 30 % bei gleichbleibender Tonh~She E i und E 3 auf 500 ms ver- l~ingert, E 2 auf 250 ms ver- ktirzt Zeitkompression um 50 % bei gleichbleibender TonhShe F2 verl~iuft im Sonagramm parallel zu F1, gleichlang und ohne Frequenzmodulation Zeitkompression um 50 % bei gleichbleibender Tonh/She F~ ktirzer als F1; Pausen zwischen den Elementen vertauscht Strophe etwas l~tnger

Tonlageerh6hung um 30 % bei unver~indertem Tempo F.2 fehlt; nur 2 Elemente Pausen zwischen den Elementen vertauscht F2 fehlt Tonlageerniedrigung um 30 % bei unver~indertem Tempo Fg fehlt; Rhythmus wie B; Strophenl~inge 2,30 Tonlageerhtihung um 50 % bei unver~ndertem Tempo

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[ J. Orn. 310 WILFRIED GURTLER [ 114

Fiir die Wertung der reaktionsausl/Ssenden Wirkung der einzelnen Klangattrappen auf die TT verwendete ich 2 Methoden, die ich dann kombinierte.

a) P r o z e n t u a l e E r f a s s u n g d e r TT , d i e a u f V o r s p i e l e i n e r b e - s t i m m t e n K l a n g a t t r a p p e k e i n e R e a k t i o n z e i g t e n . Die Prozentzahlen wurden sowoht fiir Einzeltauben als auch fllr Tauben, die zu zweit beisammensai~en, getrennt berechnet und dann gemittelt. Diese Art der Berechnung war deswegen notwendig, weil TT, die zu zweit beisammensal3en, um durchschnittlich 23 °/0 weniger reagierten als Einzeltauben, und weil das Verh~.ltnis zwischen der Zahl der untersuchten Einzeltauben und der Zahl der paarweise sitzenden Tauben infolge zuf{illigen Vorhandenseins yon Versuchstieren nicht kon- stant war. In Abb. 6 sind die Ergebnisse nach Methode a zusammengefal~t.

b) P r o z e n t u a l e E r f a s s u n g d e r TT , d i e w ~ i h r e n d d e r V e r s u c h e g i r r t e n : Diese Reaktion konnte ich nur durch Vorspiel yon Originalrufen oder Klang- attrappen mit starker Wirkung ausl/Ssen. W{ihrend der Vorteil der ersten Methode vor allem darin besteht, daf~ mit ihr der Wirkungsgrad der verschledenen Klangattrappen in recht feiner Abstufung erkennbar wird, I~it~t die zweite Methode im wesentlichen nur zwischen Klang- attrappen mit gutem und schlechtem Wirkungsgrad unterscheiden und verdeutlicht dadurch den gesuchten Unterschied in ihrer reaktionsauslSsenden Wirkung. (In Abb. 7 wurden {ihnlich wie in Abb. 6 die Ergebnisse nach dieser Methode zusammengefaf~t.)

c) K o m b i n a t i o n b e i d e r M e t h o d e n : Dazu addierte ich die nach Methode a und b erhaltenen prozentualen Mittelwerte fi~r jede Klangattrappe. Da die Werte nach Methode a i m Unterschied zu denen yon b negative Zahlen darstellen - - sie geben an, wievieI °/0 nicht reagieren --, mul3te ich zur Addition die Differenz dieser Zahlen yon 100 °/0 verwenden. Dabei erhielt ich Zahlen, die ich Leitzahlen (= LZ) der Klangattrappen nennen mSchte (vgl. Tab.). Sie sind direkt proportional der reaktionsausl/isenden Wirkung der be- treffenden Klangattrappen. Abb. 8 gibt eine Obersicht iiber die reaktionsausl6sende Wirkung der Klangattrappen. Auf der Ordinate werden ihre LZ vermerkt, auf der Abszisse ihre Reihenfolge gem{it~ der reaktionsausl/Ssenden Wirkung. Die Klangattrappe mit dem schlechte- sten Wirkungsgrad in dieser Reihe ist also Th X 1,5 (LZ = 11,5).

5. Diskussion

Ein Vergleich zwischen Aufbau und Wirkung der einzelnen Klangattrappen er- m~Jglicht differentialdiagnostische Schliisse auf die reaktionsausl/Jsenden Parameter des TT-Rufes.

5.1. Z e i t k o m p r e s s i o n

Bei Tp X 1,3 und Tp × 1,5 wurden die Strophen bei gleichbleibender Tonh~She um 30 bzw. 50 °/0 schneller vorgespielt als beim natiirlichen, unver~inderten Ruf (A). Bei der mit einem Tongenerator hergestellten Klangattrappe kTp X 1,5 ist das Tempo ebenfalls um 50 0/o verschnellt. Tab. 1 zeigt, dal3 Tp X 1,3 mit LZ -- 110,6 der yon A (LZ = 112,2) nicht nachsteht. Auch Tp X 1,5 (LZ -- 89,2) wirkte noch recht gut reaktionsausl6send, obwohl sie den Ruf der TT bereits doppelt so schnell wiedergab. Der geringe LZ-Unterschied yon kTp X 1,5, die aus Sinust6nen zusammengesetzt war, besfiitigt dieses Resultat und erm~Sglicht wichtige Schliisse £ir sp{itere Unter- suchungen. Strophenverschnellungen um 30 o/0 wirken also noch gleichstark reaktions- ausl~Ssend wie der unver~inderte Ruf, und sogar eine Kompression auf 50 °/0 hat nur einen sehr geringen Reaktionsabfall zur Folge. Das Vortragstempo in diesem Bereich stellt demnach kein wichtiges Artkennzeichen dar.

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5.2. A n d e r u n g d e r E i n - u n d A u s s c h w i n g v o r g ~ i n g e d e r FI

In Abb. 2 a, b, c ist zu sehen, daf~ die TT ihre Laute in etwas tieferer Frequenz und geringerer Intensit~it ansetzt und am Ende z.T. recht lange ausschwingen l~if~t. Bei den mit einem Tongenerator hergestellten Klangattrappen (kTp × 1,5) jedoch sind Ein- und Ausschwingvorg~inge stark ver~indert. Trotzdem erreichte kTp X 1,5 fast dieselbe LZ wie Tp × 1,5 (vgl. Abb. 5 c). Mit der gleichen Hnderung hat Hi, bestehend aus F 1 und F 2, im gleichen Rhythmus und in gleicher L~inge wie A, noch die recht gute LZ yon 88,2. Diese Hnderung der Strophe ist also ebenfalls ohne nen- nenswerte Wirkung.

5.3. T o n h 6 h e n ~ i n d e r u n g

Gepriift wurden hierzu Th × 1,3 und Th × 1,5 mit einer Tonlageerh6hung der Elemente um 30 bzw. 50 0/0 und Th × 0,3 mit einer Erniedrigung um 30 % bei un-

O/o

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

Th x 0~/j~--4) Th x 1,5

BI I y /Th xl ,5

. I

.2 J .

Tpx13 ~ I

A J Tpxl,5

A~ Tpxl~

I I I I 5 10 15 2 0

Abb. 6. Verh~iltnis zwischen Zahl der TT in o/o, die keine Reaktion zelgten, und ][(eihenfoige der Klangattrappen, geordnet nach ihrer reaktlonsauslSsenden Wirkung; obere Kurve: Werte yon TT zu

zweit, untere Kurve: Werte yon Einzeltauben, mittlere Kurve: Mittelwerte.

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veriindertem Tempo. Die Reaktion der TT auf diese Klangattrappen war sehr gering (LZ: 50; 11,5; 28,6). Wenn iiberhaupt, dann reagierten die TT nut kurz und wenig intensiv. Da bei diesen 3 Klangattrappen die einzige Anderung in einer Tonh/Shen- iinderung bestand, waren die Ergebnisse recht eindeutig. Bereits Abweichungen um 30 °/0 schw~ichen die Reaktionsstiirke der TT um mehr als die H~ilfte. Bei einer Tonla- geerh~Shung um 50 0/0 reagierten die Versuchstiere nur noch vereinzelt auf die Klang- attrappe. In der Tonh6he liegt also ein wichtiger artisolierender Parameter des TT- Rufes.

5.4. V e r i i n d e r u n g d e r K l a n g f a r b e d u r c h A n d e r u n g d e r Fe

Zu F1 ~-~ 500 Hz eines Elements tritt je nach Stellung in der Strophenfolge F~ 650 Hz. Ihre Bedeutung als Artkennzeichen priifte ich durch einen Vergleich yon erstens B und C, zweitens H 1 und EE bzw. B1 I. C unterscheidet sich yon B nur durch das Fehlen der F2, was einen starken LZ-Abfall zur Folge hat: C (LZ = 44,3), B (LZ = 94,2). EE und B1 I, beide ohne Fe, besitzen ebenfalls eine schlechtere LZ als entsprechende Klangattrappen mit F 2 (z. B. A und Hi). Die geringe Strophendeh- hung der B1 I um 120/0 kann wegen der grogenToleranz derTT hinsichtlich Strophen- liinge vernachl~issigt werden. Diese Klangattrappen zeigen, dag das Vorhandensein der F2 ein wichtiger artisolierender Parameter des TT-Rufes ist. Die Anzahl der F~, 2 oder 3 je Strophe, und deren Verteilung auf die Elemente hat wenig Einflug auf die Ansprache der TT. So sind bei B die Elemente 2 und 3 mit F~ versehen, bei Hi alle 3 Elemente. Beide sind Attrappen mit hohem Wirkungsgrad.

5.5. R h y t h m u s i i n d e r u n g e n

a) Pausenllinge zwischen den Elernenten: Bei I-12 und K wurden die Pausen zwischen den Elementen vertauscht, was zu

einer Rhythmus~inderung der Strophe fiihrte. H2 stimrnt im iibrigen Aufbau vSllig mit I-I2 iiberein. Vergleicht man die LZ beider Klangattrappen, so erkennt man, dag H2 mit LZ = 50,2 gegeniiber H 1 (LZ = 88,2) abf~illt. Auch auf K reagierten die TT schw~icher (LZ = 73,6). Eine zus~itzliche Anderung der F~ (vgl. Tab.) lieg die LZ nicht so tier sinken wie bei H2. Beide Beispiele zeigen, dai~ eine Anderung der Pau- senl~inge zwischen den Elementen die Reaktion der TT verringert. Die Ergebnisse lassen jedoch auf keinen so ausschlaggebenden Parameter schliegen, wie man das ~in Anbetracht des ausgep~igten Rhythmus erwarten k/Snnte. Versuche mit AttrappCn, bei denen die Pausen zwischen den Strophen und den Strophenfolgen yon A geiindert wurden, fiihrten zu keiner Abnahme der reaktionsauslSsenden Wirkung. Die Pausen- lilngen werden yon den TT selbst stark variiert.

b) L~nge der Elemente: Die L~inge der Elemente wurde in B (LZ = 94,2), C (LZ = 44,3) und B1 II (LZ =

13,3) in gleicher Weise ge~indert: Verdoppelung yon E 1 und 3 und Verkiirzung yon E 2 auf die H~il£te. Bmi t seiner guten LZ = 94,2 beweist, dag die vorgenommene Anderung der Elemente wenig Einflui~ auf die Wirksamkeit der Klangattrappe hat.

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°/o

Revierruf der Tiirkentaube 313

100

90

80

70

60

50 A

Tp x 1,3.

1,5 E 3 ~ x 1,3

20 ~ \ \ E E . - " ~ E . ~ k r p , , , 5

, o - o \

B 1~ ~ h xl ,5

5 10 15 :20 Abb. 7. Prozentsatz der TT, die den Girrlaut ausstiel%n, in Abhangigkelt yon der Reihenfolge der Klangattrappen, geordnet nach ihrer reaktionsausl6senden Wirkung; obere Kurve: Werte yon Einzel-

tauben, untere Kurve: Werte yon TT zu zweit, mittlere Kurve: Mittelwerte.

Die schlechte Ansprache auf die zwei anderen Attrappen beruht auf dem Fehlen der F~.

c) Zabl der Elemente:

D besteht nur aus 2 Elementen. Hier liegt der Grund ftir die relativ geringe LZ = 52 mehr im Fehlen der F.~ als in der Verkiirzung der Elementzahl; denn ich konnte gelegentlich TT htiren, deren letzte Strophe einer Strophenfolge nur aus 2 Elementen bestand. Die TT besitzen also auch in ihrem natErlichen Rufrepertoire Strophen mit nut 2 Elementen. "~¢eitere Untersuchungen bez. der Elementzahlvergr6t~erung und -verringerung mut~ten abgebrochen werden, da zu dieser Zeit die Jungtauben nicht rnehr yon den Alttauben unterschieden werden konnten und friihere Versuche ge- zeigt hatten, dal~ Jungtauben nur undeutlich auf Klangattrappenvorspiel reagierten.

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I.J' Orn 314 WXLrRIrD GORTI.ER [ 114

L Z

120

1 0 0

• 80

60

40

20

~ 1 , 3 ,

~ l ~ x 3,5

Th x 0,3

~LI[ -,OTh x 1~5

I 1 I I

5 10 15 20

Abb. 8. Leitzahlen (LZ) der Klangattrappen und Reihenfolge der Klangattrappen nach ihrer reaktions- auslSsenden Wirkung.

Zusammenfassung

Die Analyse der artisollerenden Parameter in den Laut~iuf~erungen der Tiirkentaube (= TT) wurde in zahlreichen Versuchen durch Tonbandvorsplel einer Reihe yon Klangattrappen durchgefiihrt. Sonagramme des Prahl- und Revierrufes sowie des sog. Girrens werden erstma!s ver~Sffentlicht und geben elne genaue Analyse dieser Laut/iu~erungen. So zeigte slch z.B. im Gegensatz zum Revierruf fiber dem Grundton des Girrens eine Vielzahl yon Obertonb/indern wechselnder Frequenz und Intensit~t, welche die verschiedene Klangfarbe dleses Lautes bewirken.

Die Analyse der artisolierenden Parameter konzentrierte sich zun~chst auf den Revierruf mit seinen eigenartig glucksenden Lauten, die durch eine zweite, hShere Frequenz (F~ 650 Hz) hervorgerufen werden. Die Grundfrequenz (F1) llegt zwischen 500 und 550 Hz. Fiir

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die Wertung der Reaktionsstlirke der TT auf die einzelnen Klangattrappen verwendete ich 2 Methoden. Erstens stellte ich fest, wieviel °/0 der TT auf das Vorspiel keine, Reaktion zeigten, zweitens erfaf~te ich den Prozentsatz der TT, die das Vorspiel mit dem Girrlaut be- antworteten. Durch Kombination beider Methoden erhielt ich die Leitzahlen der Klang- attrappen, die ihrem Wirkungsgrad direkt proportional sind und ihren unmittelbaren Ver- gleich erlauben. Dabei zeigten sich bis jetzt folgende Ergebnisse:

1. Einer der wichtigsten artisolierenden Parameter des TT-Rufes ist die Tonh6he; denn so- wohl bei FrequenzerhShung bis 50 % als auch bei Frequenzerniedrigung um 30 % lief~ die Ansprache der TT stark nach.

2. Das Vorhandensein yon F-) ist ebenfalls ein wichtiges Artkennzeichen. Die Verteilung dieser F2 auf die einzelnen Elemente eines Revierrufes hingegen ist weniger bedeutungs- volI.

3. Eine Anderung der Ein- und Ausschwingvorg~inge yon F1 beeinfluf~te die Reaktion der TT nicht wesentlich.

4. Auch bei einer Zeitkompression des Rufes um 30--50 % ohne Veriinderung der Tonh/She reagierten die TT noch gut auf die Klangattrappe.

5. Eine An&rung der Pausenl~.nge zwischen den Elementen verrninderte die Reaktion; die Ergebnisse zeigen jedoch, daft es sich hier um kein ausschlaggebendes Artkennzeichen han- delt. Eine Ver~inderung der Pausenl~inge zwiscben den Strophen und zwischen den Strophenfolgen ftihrte zu keiner Abnahme der reaktionsauslSsenden Wirkung.

6. Als ebenso unwichtiges Kennzeichen erwies sich die Elementdauer; denn Elementver- kfirzungen oder -verl~ingerungen beeinflu~ten die Reizwirkung nur wenig.

7. lJber Elementzahlverminderung und -vermehrung liegen noch keine eindeutigen Ergeb- nisse vor.

Summary T h e s p e c i e s - i s o l a t i n g p a r a m e t e r s i n t h e v o c a l l s a t i o n s

of t h e C o l l a r e d T u r t l e D o v e

An analysis of the species-isolating parameters in the vocalisations of the Collared Turtle Dove (CTD) has been carried out in a number of experiments using recordings of several tone-displays. Sonagramms of the different calls especially the "Revierruf" (territorial call) and the "Girren" (flying or exciting call) are presented here for the first time.

Two methods have been employed to evaluate the extend of the reaction of CTD to the individual tone-displays. The percentage of CTD which showed no reaction to the recorded call, as well as the percentage of those which answered with the "Girren'. From these values a response number (Leitzahl) for each tone-display was determined. This Leitzahl is directly proportional to the efficiency of the tone-displays and allows a direct comparison of the responses of CTD to the calls. From these studies the following conclusions have been drawn.

1. One of the most important species-isolating parameters in the CTD calls is the pitch; since frequencies 50 0/0 higher or 30 °/0 lower caused a greatly decreased response.

2. The presence of a higher frequency (F2), regardless of its distribution among the indi- vidual elements, is also important for species recognition.

3. A change of the transient period at the beginning or the end of the lower tone (F1) had only a small influence on the CTD response,

4-. Even when the duration of the call was reduced by 30 to 50°/0 without a change in frequency, the CTD still responded well to the tone-display.

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5. Changing the length of the pause between the elements decreased the response; the results however, showed that this was not a definitive indication of species recognition.

6. Of as little importance in recognition was the duration of the individual elements; since shortening or lengthening the duration only slightly influenced the response.

7. Decreasing or increasing the number of elements produced no lear result.

Literatur

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Anschrift des Verfassers: 84 Regensburg, Jannerstr. 5.


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