Universität Basel, Deutsches Seminar
HS 2014
Masterarbeit
Dozent: Prof. Dr. Hans Bickel
„Velo, Trottoir, zügeln – wie schweizerisch
darf es tönen?“
Das Plurizentrizitätsbewusstsein Deutschschweizer
Journalisten, Redaktoren und Korrektoren
Abgabedatum: 01.09.2014
Isabel Brumann
Studienfächer: Deutsch/Englisch
Gerbergässlein 28
4051 Basel
Tel. 079 580 98 52
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Die deutsche Sprache aus soziolinguistischer Sicht 4
2.1 Die Soziolinguistik – Sprache als Konglomerat vieler Subsysteme 4 2.2 Grundbegriffe: Variablen, nationale Varianten, nationale Varietäten 5 2.3 Deutsch als Varietätenbündel 6 2.4 Die Schwierigkeit der Abgrenzung Standard – Nonstandard 7 2.5 Von Nonstandard zu Standard und die Klassifizierung nationaler Varianten 9 2.6 Das plurizentrische Sprachkonzept 12 2.7 Die nationale Standardvarietät der Schweiz – das Schweizerhochdeutsch 14 2.7.1 Sprachgeschichte in der Deutschschweiz 14 2.7.2 Von schweizerischen Besonderheiten zur eigenen Varietät 16 2.7.3 Diglossie – eine Frage der Identität 18 2.7.4 Schweizerhochdeutsch 20 2.7.5 Asymmetrie – Verhältnis und Wahrnehmung der Standardvarietäten 22 2.7.6 Hochdeutsch in der Deutschschweiz – Wahrnehmung und Stellung 24
3 Das Plurizentrizitätsbewusstsein Deutschschweizer Zeitungsleute 27
3.1 Die Erforschung des Schweizerhochdeutschen in Zeitungen 27 3.2 Die Erforschung von Spracheinstellungen 29 3.3 Eigene Erhebung der plurizentrischen Spracheinstellungen 32 3.3.1 Ausgangslage 32 3.3.2 Zielsetzung 33 3.3.3 Methodisches Vorgehen 34 3.4 Auswertung und Darstellung der Resultate allgemein 39 3.4.1 Vorgehen 39 3.4.2 Die Probanden 39 3.5 Die verbal geäusserten Spracheinstellungen und das Sprach-‐ und
Schreibverhalten 41 3.5.1 Vorbemerkungen 41 3.5.2 Das Hochdeutsch der Schweizer: schlechtes Hochdeutsch? 42 3.5.3 Gibt es einen einzigen Standard, nach dem sich die Schweizer richten sollen? 45 3.5.4 Die eigene Standardsprachkompetenz im Vergleich mit deutschen Kollegen 49 3.5.5 Definitionen – Schweizerhochdeutsch und Helvetismen 50
3.5.6 Schreiben in der diglossischen Sprachsituation resp. als Deutscher in der
Deutschschweiz 53 3.5.7 Wie schweizerisch darf ein Text sein? 56 3.5.8 Sprachliche Überarbeitung und Nachschlagewerke 58 3.5.9 Über diachronische Veränderungen des Hochdeutschen in Schweizer Zeitungen 59 3.5.10 Schweizer Zeitungen als sprachliches Vorbild für Laien 60 3.5.11 Das Konzept der Plurizentrik aus Sicht der Befragten 61 3.6 Das Plurizentrizitätsbewusstsein anhand der gemachten Aussagen 63 3.6.1 Drei Abstufungen/Gruppen 63 3.6.2 Das Plurizentrizitätsbewusstsein nach aussersprachlichen Faktoren 65 3.7 Das Korrekturverhalten 66 3.7.1 Vorbemerkungen 66 3.7.2 Die Markierung der nationalen Varianten allgemein 66 3.7.3 Die Häufigkeit der Markierungen von nationalen Varianten im Detail 68 3.7.4 Die Häufigkeit der Nichtakzeptanz von markierten nationalen Varianten im Detail 69 3.7.5 Der Ersatz von Helvetismen durch Teutonismen resp. Teutonismen durch
Helvetismen 71 3.7.6 Vergleich mit dem Korrekturverhalten von Schweizer Lehrpersonen (Ammon 1995) 72 3.8 Der Zusammenhang zwischen Plurizentrizitätsbewusstsein und
Korrekturverhalten 72 3.8.1 Einleitung 72 3.8.2 Das Korrekturverhalten der drei Gruppen 72 3.8.3 Ersichtliche Tendenzen 75 3.8.4 Der Einfluss aussersprachlicher Faktoren 76 3.9 Fazit 77
4 Schlusswort 79
Literaturverzeichnis 81
Anhang I
A Korrekturauftrag I B Quellenliste der nationalen Varianten und Sätze im Korrekturauftrag IV C Das halboffene Interview VII D Die Korrekturen der Helvetismen und Teutonismen im Detail VIII E Zusätzliche Markierungen im Korrekturauftrag X
1
1 Einleitung Die deutsche Standardsprache ist nicht einheitlich. Sie wird täglich in sieben Ländern
mit Unterschieden in der Lexik, Phonetik und Grammatik verwendet. In drei dieser
Länder, Deutschland, Österreich und Schweiz, besitzen die Unterschiede gültigen Status.
Sie sind in Wörterbüchern festgehalten und werden von amtlicher Seite gestützt (vgl.
Ammon 2005). Standarddeutsch beschreibt somit keine monozentrische, sondern eine
plurizentrische Sprache, deren Zentren Deutschland, Österreich und die Schweiz sind.
So sieht es zumindest in der Theorie aus. Verschiedene Studien zeigen, dass sich die
Plurizentrik in der deutschsprachigen Sprachgemeinschaft noch nicht durchsetzen
konnte (vgl. Muhr 1982; Pollak 1992; Ammon 1995; Scharloth 2005; Baigger/Sutter
2006; Di Paolo/Glauser 2006; Schmidlin 2011). Die befragten Personen glauben an die
monozentrische und überregionale Einheit und stufen, teils unbewusst, die regionalen
und nationalen Unterschiede als Abweichungen der Normvarietät, dem
deutschländischen1 Standard, ein. Der eigenen Standardvarietät wird nicht nur die
rechtmässige Gültigkeit verweigert; sie wird auch als „schlechtes Hochdeutsch“
(Scharloth 2006: 81) abgewertet.
Der Ursprung dieser Abwertung sowie die Beständigkeit der monozentrischen
Sichtweise fusst im asymmetrischen Verhältnis zwischen den nationalen Varietäten (vgl.
Ammon 1995). Die deutsche Standardvarietät dominiert die österreichische und
schweizerische nicht nur aus geschichtlichen, sondern auch aus wirtschaftlichen und
sprachkulturellen Gründen: Aus Deutschland kommt die Normierung; das Land überragt
die anderen deutschsprachigen Nationen flächen-‐ und einwohnermässig; kulturelles
Sprachgut wie Fernsehsendungen und Bücher fliessen öfters aus Deutschland in die
Schweiz oder nach Österreich als umgekehrt. Für die Schweiz kommt hinzu, dass der
Anwendungsbereich der Standardsprache medial und funktional begrenzt ist.
Hochdeutsch2 stellt in erster Linie Schrift-‐ und Amtssprache dar und findet im
1 Die Bezeichnung deutschländisch beschreibt die sprachlichen Aspekte, die spezifisch deutsch, d.h. in Deutschland gebräuchlich, sind (vgl. Ammon 1995: 319; Meyer 2006: 21-‐22). 2 Die Bezeichnung Hochdeutsch wird synonym zu den Begriffen Standarddeutsch und Standardsprache verwendet. Die negative Konnotation des Wortes wird im Gebrauch des Begriffs nicht impliziert. Etymologisch gesehen besitzt Hochdeutsch keine Wertung, sondern beschreibt den Gegenbegriff zu Niederdeutsch (Haas 2000: 114). Zudem ist Hochdeutsch der in der Schweiz gebräuchliche Ausdruck.
2
mündlichen privaten Bereich kaum Verwendung. Deutschschweizer3 identifizieren sich
in erster Linie mit dem Schweizer Dialekt und betrachten die deutsche Standardsprache
als „Importsprache“ (Schmidlin 2011: 104). Sie wird deshalb nicht selten als die erste
Fremdsprache der Deutschschweizer aufgefasst (vgl. Hägi/Scharloth 2005).
Die bisherigen Studien haben das Plurizentrizitätsbewusstsein von Schweizer
Lehrpersonen, Sprachlaien, Schriftsteller und einer Handvoll Linguisten untersucht.
Dabei fehlt noch eine Berufsgruppe, die in der Schweizer Sprachlandschaft ebenfalls
eine massgebende Stellung einnimmt: die Deutschschweizer Zeitungsleute4. Ihre Texte
dienen nicht nur der Informationsvermittlung, sondern sind gleichzeitig auch
standardsprachliches Vorbild, so genannte „Modelltexte“ (vgl. Ammon 1995: 79). Durch
ihre öffentliche Verbreitung erlangen sie sprachliche Autorität, an der sich
gleichermassen andere Sprachautoritäten, zum Beispiel Lehrpersonen, wie auch Laien
orientieren. Da Zeitungen den täglichen Gebrauch der Standardsprache wiederspiegeln,
sind sie zudem die Forschungsgrundlage für Kodifizierer, die den zeitgenössischen
Sprachgebrauch verfolgen. In Wörterbüchern neu erscheinende, standardsprachliche
Ausdrücke stammen oftmals aus Zeitungen (vgl. Baigger/Sutter 2006). In dieser
Doppelfunktion haben sich Deutschschweizer Zeitungsleute dem
Schweizerhochdeutschen entgegenkommend gezeigt. Je nach Zeitung und Themengebiet
kommen in ihren Texten mehr oder weniger schweizerische Varianten vor (vgl. Ehrsam-‐
Neff 2006; Walser 2006; Schmidlin 2011). Dies lässt die Vermutung zu, dass die
Plurizentrik der deutschen Sprache den Deutschschweizer Zeitungsleuten, anders als
den bisher untersuchten Berufsgruppen, bewusster ist. Indem sie ihre Texte in
schweizerisch gefärbtem Standarddeutsch schreiben, scheinen sie dem
Schweizerhochdeutschen die gebührende Berechtigung zuzuschreiben. Die vorliegende
Arbeit untersucht diese Annahmen anhand einer qualitativen Untersuchung.
Die Arbeit umfasst zwei Teile. Der erste Teil, Kapitel 2, liefert die Grundlagen für die
Erhebung. In den Kapiteln 2.1 – 2.6 werden Konzepte und Begriffe der Soziolinguistik im
Hinblick auf die Varietätenforschung und die Plurizentrik der deutschen Sprache
erläutert. Kapitel 2.7 grenzt die Thematik auf die Erforschung der schweizerischen
3 Für eine leserfreundliche Lektüre wird in der vorliegenden Arbeit nur die männliche Bezeichnung von Personen verwendet. Sie schliesst die weibliche Form stets mit ein. 4 Der Begriff Zeitungsleute umfasst die drei wichtigsten Berufsgruppen in Zeitungshäusern: Journalisten, Redaktoren und Korrektoren. Sie sind nicht unter den Begriff Zeitungsschreiber zu fassen, da Korrektoren Zeitungstexte korrigieren und keine eigenen verfassen.
3
Standardvarietät ein. Es werden die Herausbildung des Schweizerhochdeutschen
(Kapitel 2.7.1 – 3.7.2) und dessen Stellung und Wahrnehmung dargestellt (2.7.3 – 2.7.6).
Der zweite Teil, Kapitel 3, befasst sich mit der empirischen Untersuchung. Auf die
Kapitel 3.1 und 3.2 mit den Forschungsgrundlagen folgen in Kapitel 3.3 die konkrete
Ausgangslage (3.3.1), die Zielsetzung (3.3.2) und das methodische Vorgehen der
Erhebung (3.3.3). In Kapitel 3.4 werden allgemeine Aussagen zur Auswertung gemacht.
Zunächst wird das Vorgehen der Auswertung (3.4.1), danach werden die Probanden
(3.4.2) vorgestellt. Die Auswertung und Diskussion der Resultate gestaltet sich nach
dem zweistufigen methodischen Vorgehen und erfolgt somit in zwei Schritten: Im ersten
Schritt wird das mündliche Gespräch mit den Probanden in Kapitel 3.5 in der
Reihenfolge der gestellten Fragen (3.5.2 – 3.5.11) ausgewertet und diskutiert. Das
Kapitel 3.6 ist dem Plurizentrizitätsbewusstsein der befragten Zeitungsleute gewidmet
(3.6.1 – 3.6.2). Darin werden anhand der im Interview ermittelten Aussagen Schlüsse auf
das Bewusstsein der Plurizentrik der deutschen Sprache gezogen. Schritt zwei der
Auswertung folgt in Kapitel 3.7 und befasst sich mit dem Korrekturauftrag. Das
Korrekturverhalten der Befragten wird zunächst allgemein (3.7.2), danach im Detail
(3.7.3 – 3.7.6) ausgewertet und diskutiert. Schliesslich wird versucht, einen
Zusammenhang zwischen dem verbal geäusserten Plurizentrizitätsbewusstsein und
dem Korrekturverhalten zu finden (3.8). Dazu werden die Resultate aus Kapitel 3.6
herangezogen, um nach Tendenzen zu suchen (3.8.2 – 3.8.4). Die wichtigsten
Erkenntnisse der gesamten Erhebung werden letztlich im Fazit (3.9) zusammengefasst.
4
2 Die deutsche Sprache aus soziolinguistischer Sicht
2.1 Die Soziolinguistik – Sprache als Konglomerat vieler Subsysteme Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Varietätenforschung, ein Begriff der
zunehmend als Synonym zur Soziolinguistik verwendet wird (Löffler 2010: 19). Wie das
Wort schon suggeriert, befasst sich Soziolinguistik mit dem Menschen und der Sprache.
Sprache wird nicht mehr wie zu Zeiten der Strukturalisten5 als ein vom Menschen
unabhängiges System betrachtet. Laut der Soziolinguistik steht die Sprache in direkter
Verbindung mit dem Menschen, der sie massgeblich formt. So wird der Sprachgebrauch
durch das soziale, ökonomische, politische Umfeld, in dem ein Mensch aufwächst und
lebt, bestimmt. Ein Beispiel: Man stelle sich zwei Jugendliche aus unterschiedlichen
Elternhäusern vor. Selbst wenn beide Deutsch sprechen, so wird das Mädchen, das in
einer bildungsfernen und schlecht integrierten Migrantenfamilie aufwächst, nicht gleich
sprechen wie das Mädchen aus einer akademisch ausgebildeten Schweizerfamilie.
Handelt es sich bei den beiden Jugendlichen um ein ausländisches Mädchen und einen
Schweizer Jungen, sieht der Sprachgebrauch nochmals anders aus. Sind es nicht
Jugendliche, sondern Erwachsene, sind wieder andere Unterschiede zu erkennen. Die
verschiedenen Personen unterscheiden sich sowohl in ihrer Wortwahl als auch in ihrer
Aussprache und dem Satzbau. Systematisch offengelegte Zusammenhänge zwischen
sozialen, ökonomischen, altersbedingten u.a. Faktoren und der Sprache bezeichnet die
Soziolinguistik als Varietäten oder Lekte. Neben unterschiedlichen Soziolekten, die sich
aus unterschiedlichen sozialen Faktoren ergeben, finden sich auch Genderlekte, die
durch das Geschlecht bestimmt werden, oder verschiedene altersbedingte Stile wie
beispielsweise Jugendsprache.6
Es wäre falsch, auf dieser Grundlage verschiedener aussersprachlichen Einflüsse,
Sprache als ein einheitliches, singuläres Konstrukt aufzufassen. Die Soziolinguistik geht
daher beim Terminus von einem „Konglomerat verschiedener Subsysteme und
Äusserungsvarianten“ (Löffler 2010: 21) aus. Die Subsysteme sind Varietäten, die durch 5 Ferdinand De Saussure unterteilte die Sprache in langue und parole. Er wandte sich vor allem der Untersuchung von langue als ein vom sozialen Umfeld unabhängiges Zeichensystem zu. 6 Löffler (2010: 79) zählt folgende Lekte auf, die auf aussersprachlichen Faktoren fussen: Dialekte (regionale Faktoren), Funktiolekte (funktionale Faktoren), Idiolekte (individuelle Faktoren), Mediolekte (mediale Faktoren), Soziolekte (gesellschaftliche Faktoren), Situolekte/Stile/Textsorten (interaktionale und situelle Faktoren), Genderlekte (geschlechtliche Faktoren) und Alterssprachen (altersbedingte Faktoren).
5
soziale, regionale, geschlechtliche etc. Faktoren bestimmt werden. Es ist die Aufgabe der
Sozio-‐ bzw. Varietätenlinguistik, die Vielfalt der Varietäten zu erforschen, um zu
erklären, wer, wann, wie und mit wem spricht (ebd.).
2.2 Grundbegriffe: Variablen, nationale Varianten, nationale Varietäten Die sprachliche Variation im sozio-‐kulturellen und ökonomischen Leben
deutschsprachiger Menschen bildet die Ausgangslage für die deutsche Soziolinguistik.
Sie befasst sich mit sprachlichen Unterschieden, so genannten Variablen, Varianten und
Varietäten. Die Begriffe lassen sich am besten anhand eines Beispiels erklären: Die
kleine orange Frucht heisst in Deutschland und der Schweiz Aprikose, in Österreich aber
Marille (vgl. Ammon 1995: 64-‐65). Die Bezeichnung ist eine sprachliche Variable, die
zwei Varianten – Aprikose und Marille – besitzt. Variablen und Varianten werden nach
verschiedenen Faktoren erforscht und in Systeme, Varietäten, zusammengefasst. Nicht
alle Varianten einer Varietät sind Variablen. Der Zugang zur Wohnung wird sowohl in
Österreich auch als in der Schweiz und in Deutschland als Tür bezeichnet.7 Es ist gar so,
dass Varietäten einer Sprache „in der Regel mehr Konstanten als Varianten“ (Ammon
1995: 66) enthalten.
Im vorliegenden Beispiel handelt es sich um regionale Faktoren, die
unterschiedliche Varianten bedingen. Aprikose und Marille sind so genannte nationale
Varianten, denn die Bezeichnung variiert mit der Landesgrenze. Nationale Varianten
sind „eine für eine Nation spezifische einzelne Sprachform“ (Ammon 2005: 30). Marille
stellt eine spezifische nationale Variante dar, denn sie ist nur in Österreich gebräuchlich.
Aprikose ist eine unspezifische nationale Variante, denn sie wird sowohl von Deutschen
als auch von Schweizern verwendet (vgl. Ammon 1995: 106-‐108). Spezifische nationale
Varianten werden Helvetismen, Austriazismen und Teutonismen8 genannt, unspezifische
nationale Varianten erhalten die Bezeichnungen Austro-‐Helvetismen und Teuto-‐
Austriazismen sowie Helveto-‐Teutonismen (vgl. Ammon 1995: 425).9
7 In der Deutschschweiz trifft man gelegentlich auch auf die Bezeichnung Türe. Diese Variante nennt Hägi (2006: 55) einen hyperkorrekten Zentrismus. 8 Ammon (1995: 99) verweist auf die Schwierigkeit, eine treffende Bezeichnung für die in Deutschland spezifischen nationalen Varianten zu finden. Trotz Vorbehalten entscheidet er sich für den Begriff Teutonismus. Auch Schmidlin (2011: 75-‐76) diskutiert die Problematik des Begriffs und kommt zum selben Schluss wie Ammon. 9 Es gibt noch eine dritte Kategorie, die so genannten sehr unspezifischen nationalen Varianten (Ammon 1995: 108-‐109). Ein Beispiel dafür ist Orange. Die Variante wird nicht nur in der Schweiz und Österreich gebraucht, sondern auch im Süden Deutschlands. Der Vollständigkeit halber soll hier auch der Begriff nationale Variable erläutert werden. Ammon (2005: 30) definiert die nationale Variable als „eine Menge einander entsprechender einzelner Sprachformen, die
6
Nationale Varianten zeichnen sich dadurch aus, dass sie in den verschiedenen
deutschsprachigen Nationen allgemeine Gültigkeit besitzen. In der Schweizer Politik von
Bundeskanzler zu reden, wäre schlichtweg falsch; es gilt Bundesrat. Die Gesamtheit aller
nationalen Varianten fällt unter den Begriff nationale Varietät. Sie umfasst alle
Varianten, die für die Sprachgemeinde einer bestimmten Nation gültig sind. Ammon
(1995: 68) nennt diese Varianten auch Geltungsvarianten, die so heissen, weil sie
Bestandteil der „für die unterschiedlichen Nationen der deutschen Sprachgemeinschaft
(Deutschland, Österreich, Schweiz und andere) geltende Varietäten des Deutschen“ sind.
Die geltenden Varietäten des Deutschen sind die deutschländische, österreichische und
schweizerische Standardvarietät.
2.3 Deutsch als Varietätenbündel Die deutsche Sprache umfasst eine Vielzahl verschiedener Sprachsysteme: Dialekte,
Umgangssprachen und nationale Standardvarietäten. Sie stehen in einem hierarchischen
Verhältnis zueinander, das am besten anhand eines Zylinders veranschaulicht werden
kann.10 Am Boden des Zylinders befinden sich die Dialekte, so genannte
Nonstandardvarietäten. Über ihnen, auf mittlerer Ebene, sind die Umgangssprachen, so
genannte Substandards. Zuoberst siedeln die Standardvarietäten. Der Zylinder illustriert
die asymmetrische Beziehung zwischen den Varietäten: Die Standardvarietäten
überdachen die Sub-‐ und Nonstandardvarietäten (Ammon 1995: 2). Von einer
Überdachung spricht man, wenn Non-‐/Substandardformen regelmässig in Richtung
Standardsprache korrigiert werden. Dies geschieht beispielsweise in der Schule, in der
Schüler lernen, die Standardvarietät als die „korrekte Sprech-‐ und Schreibweise“ zu
akzeptieren (ebd.: 3).11
in verschiedenen Nationen gelten.“ Als Beispiel nennt er der Tacker, die Klammermaschine und der Bostitch. Die drei Sprachformen beschreiben denselben Gegenstand, werden aber jeweils nur in einer deutschsprachigen Nation verwendet. 10 Vgl. dazu die Graphik in Löffler (2005: 12). 11 Eine andere Darstellungsform der Beziehungen zwischen Standard, Substandard und Nonstandard wählt Hägi (2006: 36). In einem liegenden, sehr spitz zulaufenden Dreieck befinden sich die Dialekte auf dessen Basisachse. In der Mitte des Dreiecks und in Richtung der Spitze liegen zunächst die Regionalsprachen, gefolgt von regionalen Standards. Weiter oben noch, kurz vor der Spitze sind die nationalen Standards verortet. In der Spitze liegt schliesslich der Standard, der allerdings nur ein mentales Konstrukt darstellt. In der Sprachwirklichkeit existiert er nicht; die höchst erreichbare Form des Standards sind die nationalen Standards (ebd.: 37).
7
2.4 Die Schwierigkeit der Abgrenzung Standard – Nonstandard Das Varietätenbündel Deutsch umfasst zwei Arten des Standards: Standard und
Nonstandard. Diese Kategorien sind, laut Löffler (2005), durchaus problematisch. In
Nachschlagewerken findet er Definitionen der deutschen Standardsprache wie
beispielsweise, die Standardsprache sei die Sprache der gebildeten Leute, die
traditionelle Schul-‐ und Schriftsprache oder einfach die überregionale Sprache (ebd.: 13-‐
15). Dass diese Bezeichnungen allesamt unbefriedigend sind, lässt sich daran erkennen,
dass sie keine Auskunft darüber geben, ob der oder das Radio und Tomate oder
Paradeiser standardsprachlich korrekt sind (ebd.: 16). Auch das aus dem Dialekt
stammende zumachen als Synonym zu schliessen wird mit den vorliegenden Definitionen
nicht geregelt. Die Sache wird noch komplexer, wenn man bedenkt, dass weitere
Varietäten wie Soziolekte, Genderlekte, Mediolekte u.a. ebenfalls Teil des
Varietätenbündels Deutsch sind (ebd.: 19-‐20). Sie befinden sich je nach
Gebrauchskontext auf der Ebene der Standardvarietäten oder der Umgangssprachen,
also zwischen Standard und Nonstandard. Die Grenzen zwischen den Standardarten
sind, wie die Beispiele veranschaulichen, unscharf und variabel; ob und welchem
Standard eine Variante zuzuordnen ist, variiert je nach Kontext. Auf die
Kontextabhängigkeit der Kategorien verweist auch Kellermeier-‐Rehbein (2013: 18-‐20)
und unterscheidet verschiedene Funktionen der Standardsprache. Nebst der
überregionalen Kommunikation dient die Standardsprache auch der Repräsentation,
Identifikation und Abgrenzung. Je nachdem, welche Funktion die Standardsprache
einnimmt, umfasst sie andere Sprachformen.
Auch Ammon (1995: 82-‐88) spricht über die Schwierigkeiten der Grenze
zwischen Standard und Nonstandard. Er nennt regionale, soziale und stilistische
Kriterien, die eine eindeutige Zuordnung und Definition der Kategorien unterbinden.
Zum einen existieren regional begrenzte Geltungsbereiche, in denen eine Variante
allgemein gültig ist. So etwa das Beispiel Bundesrat; die Bezeichnung gilt nur für die
Schweiz. Für Deutschland und Österreich hingegen gilt an gleicher Stelle Bundeskanzler.
Auf der Ebene der sozialen Kriterien finden sich verschiedene Umgangssprachen und
Stilebenen. In Wörterbüchern werden diese Varianten meistens mit Markierungen wie
beispielsweise Jugend-‐, Gaunersprache, derb, vulgär etc. versehen (ebd.: 85-‐86). Ammon
(ebd.: 85) nennt die sozial bedingten Sprachformen auch kolloquialer Standard. Sie
befinden sich auf der Ebene des Substandards und werden nach stilistischen Kriterien
entweder dem Standard oder Nonstandard zugeschrieben.
8
Die Vorstellung einer einheitlichen und klar abgegrenzten deutschen
Standardsprache ist ein weit verbreiteter Mythos. Er geht auf das Streben nach einer
überregionalen, neuhochdeutschen Standardsprache zurück. Bis ins Spätmittelalter
existierten nur regionale Schreibsprachen, die nicht normiert waren. Geschrieben
wurde je nach Region und Person anders. Aufgrund des Buchdrucks und zunehmend
überregionaler Kommunikation wurde in der frühen Neuzeit die Forderung nach einer
einheitlicheren deutschen Schriftsprache laut.12 Die Standardsprache(n), wie sie heute
existieren, sind das Produkt eines jahrhundertelangen Prozesses, in dem sich
verschiedene regionale Schreibsprachen zusammenschlossen (Schmidlin 2011: 61). Im
16. Jahrhundert übernahm in diesem Ausgleichsprozess die obersächsische Varietät
eine führende Position. Dies hatte sie unter anderem Luthers Bibel zu verdanken, die in
obersächsischer Sprache verfasst worden war und somit als Sprachvorbild galt
(Elmentaler 2012: 102).13 Im 18. Jahrhundert wurde die neuhochdeutsche
Standardsprache von zwei in der obersächsischen Region tätigen und bedeutenden
Personen kodifiziert: Johann C. Gottsched und Johann C. Adelung (Ammon 1995: 320).
Die Festigung des Obersächsischen als standardsprachliche „Leitvarietät“ (Elmentaler
2012: 103) vollzog sich schliesslich in der Weimarer Klassik. In dieser Zeit entstanden
einige wichtige und sprachvorbildliche Texte.14 Eine grösstenteils einheitlich normierte,
deutsche Orthographie fand sich aber erst zu Beginn des 20. Jahrhundert. Im Rahmen
der zweiten Orthographiekonferenz wurde Konrad Duden beauftragt, die während der
Tagung beschlossenen Regelungen in seinem Werk Orthographisches Wörterbuch der
deutschen Sprache 1902 festzuhalten (Ammon 1995: 320-‐321).
Trotz der Bemühungen um die Normierung und Kodifizierung der
neuhochdeutschen Sprache kam es nie zu einem vollständigen Ausgleich aller deutschen
Schreibsprachen, wie Schmidlin (2011: 61-‐62) bemerkt. Die „überregionalen
Schreiblandschaften“, die als Basis der kodifizierten Standardsprache dienten, blieben
12 Über den Auslöser der Vereinheitlichung besteht in der Forschung Uneinigkeit. Vgl. Elmentaler (2012), Schmidlin (2011: 53-‐63), Mattheier (2008), Ammon (1995: 319-‐321). 13 Ein weiterer Grund für die Führungsrolle des ostmitteldeutschen Sprachraums war die aktive Sprachgesellschaft mit einer Vielzahl von Dichtern und Schriftstellern, die Interesse an einer einheitlichen Sprache zeigten. Der Süden Deutschlands erschien im Vergleich dazu ohne diesen „künstlerischen Ehrgeiz“ eher passiv (Haas 2000: 126). Zudem schloss sich dem obersächsischen Gebiet die gesamte niederdeutsche Sprachgesellschaft an, was der Varietät zusätzliches Gewicht verlieh (ebd.). 14 Elmentaler (2012) sieht vor allem zwei Gründe für den Mythos „In Hannover wird das beste Hochdeutsch gesprochen“. Zum einen schwanden die regionale Sprachformen in und um Hannover nach und nach und wurden durch die neuhochdeutschen Formen ersetzt. Zum anderen setzte sich die norddeutsche Aussprache als Vorbild zur Aussprache der neuhochdeutschen Sprache bereits um 1800 durch.
9
auch nach der Kodifizierung der neuhochdeutschen Standardsprache bestehen (ebd.:
62). Diese Gegebenheit sieht Schmidlin als „wichtige Voraussetzung für die Entwicklung
plurizentrischer Standardvarietäten“ (ebd.).15
2.5 Von Nonstandard zu Standard und die Klassifizierung nationaler
Varianten
Die Hauptunterschiede zwischen Standard-‐ und Nonstandardvarietäten sind die
Kodifizierung und die amtliche Gültigkeit (Ammon 2005: 32). Ungeachtet der im Kapitel
2.4 beschriebenen Abgrenzungsschwierigkeiten gilt eine Sprachform dann als
standardsprachlich, wenn sie in einem Wörterbuch verzeichnet ist und von amtlicher
Seite, zum Beispiel der Schule, gestützt wird. Wie genau über Standard und Nonstandard
geurteilt wird, erklärt Ammon (1995: 73-‐82) anhand des von ihm entworfenen sozialen
Kräftefeldes. Das Kräftefeld bildet sich aus vier normsetzenden Instanzen, die im
Zusammenspiel über Standard-‐ und Nonstandardformen bestimmen. Die erste
Norminstanz stellen Modellsprecher/-‐schreiber und ihre Modelltexte dar. Sie sind
normsetzend, weil ihre öffentlichen Texte der Bevölkerungsmehrheit sowie anderen
Norminstanzen als sprachliches Vorbild dienen. Die sprachliche Autorität liegt im
sozialen Status der Modellschreiber und -‐sprecher. Als Verfasser öffentlicher und teils
weitreichenden Texten werden sie als sprachliche Meister wahrgenommen (Ammon
2005: 34). Eine Variante gilt demnach als normgerecht, wenn sie Nachrichtensprecher,
Journalisten, Schauspieler und Schriftsteller wiederholt verwenden. Die zweite
Norminstanz, die gleichermassen für Modelltexte präskriptiv wie deskriptiv ist, sind
Nachschlagewerke, so genannte Kodizes. Sie sind sprachlich autoritativ, denn sie zeigen
der Bevölkerungsmehrheit, auch Normsubjekte genannt, die Formen für einen korrekten
standardsprachlichen Gebrauch. Die dritte Norminstanz bilden Sprachexperten,
meistens Fach-‐ und Laienlinguisten. Sie sind nicht mit den Kodifizierern von
Nachschlagewerken gleichzusetzen. Sprachexperten können in Konfliktfällen und bei
Fragen, die Kodizes nicht beantworten, weiterhelfen. Die letzte Sprachnorminstanz
bilden die Sprachnormautoritäten. Diese sind autorisiert, den sprachlichen Gebrauch der
Normsubjekte zu überwachen und in Richtung der vorgegebenen Norm zu korrigieren.
15 Ammon (2005: 29) hält allerdings fest, dass die „Einheitsidee [...] insofern richtig [ist], als dass auf standardsprachlicher Ebene die Regionen, zwischen denen variiert wird, durchschnittlich grösser sind als im Dialekt“. Selbst wenn es keine einheitliche Standardsprache gibt, so besteht in den vorhandenen Standardsprachen zumindest mehr Einheit als in den Dialekten.
10
Sprachnormautoritäten sind in erster Linie Lehrer, aber auch Sekretären,
Verlagslektoren und Redaktoren (Ammon 2005: 36).
In der Beschreibung des Standards arbeiten diese vier Instanzen zusammen;
keine der Instanzen kann alleine über die Standardsprachlichkeit von Varianten
entscheiden. Sie müssen sich aber auch nicht immer einig sein. Wie Ammon (2005: 37-‐
38) zeigt, sind sie dies in vielen Fällen nämlich nicht. Die Unstimmigkeiten zwischen den
Norminstanzen stehen in direkter Verbindung mit den Abgrenzungsschwierigkeiten von
Standard und Nonstandard. Wie im Kapitel 2.4 beschrieben, liegen die Grenzen
zwischen den einzelnen Komponenten je nach Kontext und Situation ein wenig anders.
Die Norminstanzen stehen vor demselben Problem, dass keine allgemeingültigen
Kriterien für eine klare Trennung von Standardsprache und Dialekt bestehen (vgl. das
Variantenwörterbuch von Ammon et al. (2004: XLI); im Folgenden als VWB abgekürzt).
In Wörterbüchern verzeichnete Varianten beziehen sich in der Regel auf
Standardvarianten. Es werden aber auch teilweise Nonstandardvarianten und
Grenzfälle des Standards verzeichnet. Sie sind stilistisch begrenzt und nicht von allen
Norminstanzen als standardsprachlich akzeptiert. Dies ist beispielsweise beim
mundartlichen Rüebli der Fall. Die Sprachform ist zwar im Duden (2013) mit dem
Vermerk schweizerisch verzeichnet und kommt in Modelltexten vor (vgl. VWB 2004),
wird aber von Lehrpersonen öfters als nicht standardkonform wahrgenommen
(Baigger/Sutter 2006: 76-‐77). Ein anderes Beispiel ist die mundartnahe Schoggi. Die
Variante ist im Duden (2013) nicht aufgeführt, findet sich aber im VWB (2004) mit dem
Eintrag Grenzfall des Standards. Die Standardsprachlichkeit dieser Variante ist nicht
gesichert, aber je nach Kontext und Situation bzw. Stil angemessen.
In Wörterbüchern verzeichnete Grenzfälle des Standards beschreiben den
Versuch, der Sprachwirklichkeit, resp. der von De Saussure benannten parole, gerecht zu
werden. Gleichwohl weist Ammon (1995: 87) darauf hin, dass eine „vollständige
Beschreibung irgendeines funktionsfähigen (‚natürlichen’) Sprachsystems“ bisher nicht
gelungen ist und folglich „jede Kodifizierung einer Standardvarietät gewisse Lücken
aufweist“. Auch wenn Wörterbücher Grenzfälle verzeichnen, so können sie nicht alle
Varianten erfassen, die im tatsächlichen Sprachgebrauch der deutschen
Sprachgemeinschaft in irgendeinem Kontext standardsprachlich vorkommen. Die nicht
kodifizierten standardsprachlichen Varianten nennt Ammon (ebd.: 88)
Gebrauchsstandard, denn sie werden in einem standardsprachlichen Kontext,
gewöhnlich in Modelltexten, gebraucht. Hägi (2006: 54) bemerkt, dass „die Grenze
11
zwischen Gebrauchsstandard und Nonstandard [...] eine hypothetische ist“. Sie
unterscheidet zwischen kodifizierten und nicht kodifizierten Zentrismen, wobei letztere
Kategorie die ganze Bandbreite von Gebrauchsstandard bis Nonstandard abdeckt. Die in
dieser Kategorie enthaltenen nationale Varianten nennt Hägi Dialekt-‐Zentrismen (ebd.:
57). Die Verwendung dieser Zentrismen in standardsprachlichem Kontext sind
weitgehend absichtliche Normverstösse, denn sie verfolgen einen bestimmten Zweck
wie beispielsweise das Signalisieren nationaler Zugehörigkeit oder das Anzeigen der
Mündlichkeit.
Kodifizierte, standardsprachliche nationale Varianten wie beispielsweise Matura
oder Bundesrat bezeichnet Hägi (2006: 58) als Kultur-‐Zentrismen, denn sie sind mit
„landesspezifischen politischen Institutionen und kulturellen Traditionen verbunden“.
Diese Kategorie beinhaltet die auffälligsten nationalen Varianten, die lexikalischen. Die
nationalen Varianten sind auch auf allen anderen Sprachebenen zu finden. Zum Beispiel
in der Orthographie: Das schweizerische Müesli schreibt man in Deutschland Müsli (Hägi
2006: 67).16 In der Phonetik unterscheiden sich die Deutschschweizer von den
Deutschen und Österreichern nicht nur durch das langsamere Sprechtempo, sondern
auch durch die Silbenbetonung. Die Betonung der Abkürzung CD liegt in der Schweiz auf
dem ersten Buchstaben, in Deutschland und Österreich auf dem zweiten (vgl. VWB
2004: LIV). In der Grammatik finden sich beispielsweise Unterschiede im
Substantivgenus: der Bikini in Österreich und Deutschland heisst in der Schweiz das
Bikini (vgl. Ammon 1995: 279). Einen semantischen Unterschied beinhaltet das Lexem
Ferien (Hägi 2006: 63). In Österreich und Deutschland, mit Ausnahme des Südwestens,
wird zwischen Urlaub, freie Tage zur Erholung, und Ferien, Tage, an denen Schulen und
amtliche Institutionen geschlossen sind, unterschieden. In der Schweiz und in
Südwestdeutschland beschreibt Ferien beide Bedeutungen. Selbst auf pragmatischer
Ebene finden sich Unterschiede. In der Schweiz antwortet man auf eine Frage höflich mit
ja, gern in Deutschland mit ja, bitte (ebd.: 65).17
16 Die deutsche Version ist für Schweizer sinnverändernd: Müsli bedeutet in den Schweizer Dialekten Mäuschen. 17 Ferner unterscheidet man auch austauschbare und nicht austauschbare Zentrismen (Hägi 2006: 68). Austauschbare Varianten sind innerhalb eines sprachlichen Zentrums austauschbar. So kann innerhalb der Schweiz Tram durch Strassenbahn ersetzt werden. Nicht austauschbare Varianten sind hingegen Bundesrat und Bundeskanzler. In der Schweiz kann man nicht vom Bundeskanzler sprechen, wenn ein Bundesrat gemeint ist. Umgekehrt kann in Deutschland der deutsche Bundeskanzler nicht Bundesrat heissen.
12
Die Schwierigkeit, nationale Varianten in standardsprachliche und
nonstandardsprachliche einzuteilen, geht auf ihre unterschiedlichen Funktionen und
Wirkungsweisen zurück (vgl. Hägi 2006: 70-‐100). Folgende Funktionen und
beabsichtigte Wirkungen bestimmen, ob und wann eine nationale Variante
standardsprachlich gebraucht wird: a) Signalstärke. Nationale Varianten signalisieren
die Zugehörigkeit zu einem sprachlichen Zentrum. Der schweizerische
Demonstrationszentrismus Grüezi ist besonders signalstark. b) Bewertung und
Verständnis. Einige nationale Varianten werden als weniger korrekt wahrgenommen, da
eine andere Variante besteht, die als prestigeträchtiger gewertet wird und zudem auch
für fremdnationale Deutschsprecher verständlich ist. c) Nationale Identifikation.
Nationalen Zentrismen ist allgemein der Bezug zur „Nation“ innewohnend; nationale
Sprachformen beziehen sich auf geographische, kulturelle, geschichtliche, politische und
kulinarische Besonderheiten eines Landes. d) Zeitkolorit. Einige österreichische und
schweizerische Varianten erscheinen wegen ihrer Dialekt-‐Herkunft als altertümlich und
unmodern. Deutschländische Varianten hingegen wirken öfters modern. e) Kultureller
Hintergrund. Gewisse nationale Varianten bekommen durch den kulturellen Kontext, in
dem sie verwendet werden eine andere Bedeutung. Hägi (ebd.: 93) verweist auf das
Wort Fondue, das sich im schweizerischen Kontext grundsätzlich auf Käsefondue bezieht,
in Deutschland und Österreich aber auf Fleischfondue. f) Mündlichkeit. In mündlichem
Gebrauch sowie in Texten mit mündlichem Kolorit werden nonstandardliche Varianten
als Stilmittel eingesetzt. g) Nähe, Wärme, Vertrautheit. Standardsprachliche Varianten
werden in der Regel weniger mit Nähe und Vertrautheit assoziiert als nonstandardliche
Dialekt-‐Zentrismen. h) Ausdrucksstärke. Nonstandardsprachliche Varianten haben eine
grössere Ausdrucksstärke als standardsprachliche und können als Stilmittel fungieren.
2.6 Das plurizentrische Sprachkonzept Die Variation innerhalb der deutschen Sprache fand zugunsten der Bemühungen um
eine einheitlich normierte Hochsprache lange Zeit kaum sprachwissenschaftliche
Beachtung (vgl. Löffler 2010: 26-‐29).18 Erst mit der Ausbreitung der Soziolinguistik nach
angelsächsischem Vorbild wandte man sich in den 1960er-‐Jahren der Erforschung
deutscher Varietäten zu. Die ersten Ansätze deutscher Plurizentrik-‐Forschung sind in
diversen Abhandlungen Elise Riesels in den 1960er-‐Jahren zu finden (vgl. Ammon 1995:
44-‐45). Sie untersucht nationale Besonderheiten der deutschen Literatursprache und 18 Die Vorgeschichte der soziolinguistischen Varietätenforschung fasst Ammon (1995: 35-‐42) zusammen.
13
nennt drei nationale Varianten, die eigentlich Varietäten beschreiben: BRD und DDR,
Österreich und Schweiz. Riesel gibt keine spezifischen, d.h. sprachwissenschaftlichen
Definitionen der verwendeten Terminologie und unterscheidet nicht zwischen Variante
und Varietät. Erst 1968 führt William A. Stewart, ein US-‐amerikanischer Soziolinguist,
die Termini Monozentrik und Polyzentrik ein (Ammon 1995: 45-‐46). Als Beispiele
polyzentrischer Standardsprachen nennt Stewart Englisch und Portugiesisch. Die
Unterschiede innerhalb dieser Sprachen führt er auf politische, religiöse und
geographische Differenzen zurück. Von Plurizentrik spricht erstmals Heinz Kloss im
Jahre 1976 (Ammon 1995: 47). Er schlägt das Präfix pluri-‐ (lateinisch, mit der
Bedeutung mehrere bzw. mehr als 1) als Alternative zu poly-‐ (griechisch, mit der
Bedeutung viele bzw. mehr als 2) vor. Der Terminus wird von Michael Clyne aufgegriffen
und als Grundstein der heutigen Plurizentrik-‐Forschung gelegt (Ammon 1995: 48).
Clyne verbindet den Begriff nationale Varietät und plurizentrische Standardsprache und
hält fest, dass eine plurizentrische Sprache mehrere nationale Standardvarietäten mit
jeweils eigenen Normen besitzen muss (Clyne 1984: 1). Eine plurizentrische Sprache ist
demnach „eine Gesamtsprache mit mindestens 2 Standardvarietäten in verschiedenen
Regionen (Zentren)“ [Hervorhebung U.A.] (Ammon 2005: 31). Da es sich in der
Plurizentrik um nationale Unterschiede in der Sprache handelt, wird teilweise auch der
Begriff plurinationale Sprache verwendet (Ammon 1995: 49). Dieser Terminus passt
besonders gut zu den Begriffen nationale Variante resp. nationale Varietät. Eine
plurinationale Sprache beschreibt demnach „eine plurizentrische Sprache, zu deren
Zentren mindestens zwei Nationen zählen“ (Ammon 2005: 31).19
Die deutsche Sprache ist Amtssprache in sieben Ländern: Deutschland,
Österreich, Liechtenstein, Schweiz, Belgien, Italien und Luxemburg (VWB 2004: XXI). In
diesen Ländern wird sie in unterschiedlichen Ausprägungen und mit unterschiedlichen
Besonderheiten verwendet. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind die
nationalen Eigenheiten schriftlich festgehalten. Diese Länder gelten deshalb als
Vollzentren, weil sie über Wörterbücher verfügen, die ihre eigene Standardvarietät – das
deutschländische, österreichische und schweizerische Standarddeutsch – kodifizieren.
Halbzentren sind die übrigen vier deutschsprachigen Regionen, Liechtenstein, Belgien,
Luxemburg und Italien, die ihre Besonderheiten in der deutschen Standardsprache nicht
19 Die „vollständige Ersetzung der Zentrums-‐Termini durch Nations-‐Termini“ ist allerdings nicht möglich, wie Ammon (1995: 49) bemerkt. Sprachzentrum ist nicht gleichbedeutend mit Sprachnation, denn im Wort Nation schwingt eine politische Dimension mit, die mit den Zentrums-‐Termini vermieden wird.
14
in einem Nachschlagewerk verzeichnen. Die deutsche Sprache ist eine plurizentrische
Sprache, weil sie zurzeit drei Standardvarietäten umfasst, die kodifiziert sind und
amtlichen Status besitzen.
Das plurizentrische Sprachkonzept scheint dem geschichtlichen
Standardisierungsprozess gegenüber zu stehen. Die Standardisierung der deutschen
Sprache bedeutete das Streben nach Einheit; die Plurizentrik hingegen unterstützt
sprachliche Variation und Vielfalt. Nichtsdestotrotz stellt die Plurizentrik keine Form
der Destandardisierung dar. Sie befürwortet nicht die Abkehr von Normen, sondern
macht „auf dezentralisierte Normen [aufmerksam], die als solche schon immer existiert
haben, jedoch [...] nicht immer als solche anerkannt worden sind“ (Schmidlin 2011: 69).
Die plurizentrische Varietätenforschung sorgt dafür, dass die österreichische und
schweizerische Standardvarietät ihre berechtigte Beachtung und Gültigkeit neben der
dominierenden deutschländischen erlangen (vgl. dazu Kapitel 2.7.5).
2.7 Die nationale Standardvarietät der Schweiz – das
Schweizerhochdeutsch
2.7.1 Sprachgeschichte in der Deutschschweiz
In der Deutschschweiz gibt es zwei koexistierende deutsche Varietäten:
Schweizerdeutsch und Hochdeutsch. Schweizerdeutsch ist ein Sammelbegriff für die in
der Deutschschweiz vorkommenden deutschsprachigen Dialekte. Als
Nonstandardvarietät ist Schweizerdeutsch nicht kodifiziert und wird fast ausschliesslich
mündlich verwendet.20 Hochdeutsch beschreibt die schweizerische Varietät der
deutschen Standardsprache und findet vorwiegend als Schriftsprache Gebrauch. Die
Funktionsbereiche der beiden Varietäten sind mehr oder weniger deutlich voneinander
getrennt; Dialekt wird gesprochen und Hochdeutsch geschrieben. Die mediale Trennung
der Varietäten geht auf das Spätmittelalter mit der Erfindung des Buchdrucks und den
sprachlichen Entwicklungen im deutschen Reich zurück. Im 16. Jahrhundert war noch
die „eidgenössische[...] Landsprach“ (Haas 2000: 115) die im Deutschschweizer
Sprachraum geläufige Schriftsprache. Dabei handelte es sich um eine annähernd
einheitliche Schreibsprache, die vor allem deshalb bestehen konnte, weil sich die
20 Wie Schmidlin (2011: 101) darauf hinweist, ist der Begriff Schweizerdeutsch linguistisch unbrauchbar, da er hochalemannische, niederalemanische, eine Mischung beider sowie höchstalemannische Dialekte umfasst. In Samnaun wird gar ein bayrischer Dialekt gesprochen. Schweizerdeutsch ist ein abstraktes Konstrukt, das allenfalls als plurizentrischer Dialekt bezeichnet werden könnte (vgl. auch Clyne 1989: 358).
15
Eidgenossen vehement gegen die standardsprachlichen Entwicklungen im deutschen
Reich wehrten (ebd.). Das Schweizer Volk suchte nicht nur politische, sondern auch
sprachliche Distanz zu den kulturell sehr ähnlichen Deutschen. Die Eidgenossen
schlossen sich der neuhochdeutschen Lautverschiebung zunächst nicht an und
beharrten auf einer Reihe altertümlicher und „schriftunwürdige[r]
Mundarteigentümlichkeiten“ (ebd.: 117), die schon längst nicht mehr in den
schweizerdeutschen Dialekten verwendet wurden. Es bestand zwar eine gewisse
Einheitlichkeit in der Landsprach, doch fehlte es an klaren Regeln, so dass jeder
Eidgenosse mit grosser orthographischer Freiheit schreiben konnte (ebd.: 119). Die Zeit
Luthers und die Erfindung des Buchdrucks brachte das Ende der eidgenössischen
Landsprach. Um den Anschluss im Buchgeschäft nicht zu verlieren, wurde in der
Schweiz zunehmend auch nach deutscher Manier geschrieben und gedruckt. Die
Orientierung an den sprachlichen Entwicklungen in Deutschland wuchs, bis sich die
eidgenössische Schriftsprache schliesslich um 1800 kaum noch von der deutschen
unterschied (ebd.: 125).
In Deutschland bestand bereits um 1700 eine „formal recht einheitliche[...]
Haubtsprache“ [Hervorhebung W.H.] (Haas 2000: 132), die zunächst nur schriftlich
verwendet wurde. Erst mit der Pädagogisierung des Bürgertums während des 18.
Jahrhunderts fand sie innerhalb Deutschlands allmählich auch Sprecher (ebd.). In der
Schweiz blieb diese Entwicklung jedoch aus. Die neuhochdeutsche Standardsprache
setzte sich gegen die Schweizer Dialekte im mündlichen Bereich nicht durch. Dies nicht
zuletzt auch wegen literarischen Protesten innerhalb der Deutschschweiz. Der Zürcher
Literaturtheoretiker Johann J. Bodmer lehnte sich Mitte des 18. Jahrhunderts sowohl
gegen die Vereinheitlichung der deutschen Sprache als auch gegen die zunehmende
Orientierung der Deutschschweiz an Deutschland auf (vgl. Ammon 1995: 230; Haas
2000: 134). Er bezeichnete die Vorgänge als Verarmung der Sprache und forderte (im
Hinblick auf Lyrik) eine authentische und vielfältige, d.h. regionale und variantenreiche
Sprache. Das „Sich-‐nicht-‐anpassen-‐Wollen“ (Ammon 1995: 231) förderte nicht nur die
mediale Trennung von Dialekt und Hochsprache in der Schweiz, sondern bildete
gleichzeitig auch den Nährboden für schweizerische Besonderheiten in der deutschen
Standardsprache (ebd.).21
21 Haas (2000: 132) findet, „es ist ja gerade das wichtigste Charakteristikum der deutschschweizerischen Sprachsituation, dass hier die Schriftsprache sich keine Sprecher erworben hat.“
16
2.7.2 Von schweizerischen Besonderheiten zur eigenen Varietät Durch die Abwendung der Deutschschweizer von der eidgenössischen Landsprach und
der Hinwendung zur neuhochdeutschen Standardsprache büsste die Schriftsprache in
der Schweiz an schweizerischem Eigenklang ein. Von einem totalen Verlust
schweizerischer Besonderheiten kann allerdings nicht die Rede sein. Die Orientierung
an der neuhochdeutschen Standardsprache bedeutete nicht die Übernahme einer
variantenlosen Varietät. Zwar wurden regionale Charakteristika für den überregionalen
Standard aussortiert, einzelne regionale Varianten aber nicht per se verbannt.22 So stand
es auch den Schweizern frei, ob und wie viele Schweizer Ausdrücke sie in ihren Texten
und Werken verwenden mochten. Ammon (1995: 231) nennt Gottfried Keller, der
Helvetismen in seinen Texten rege einbaute und Conrad F. Meyer, der eine
schweizerische Färbung zu vermeiden suchte.
Divergierende Meinungen bezüglich der Übernahme der neuhochdeutschen
Standardsprache inspirierten die Gründung diverser Schweizer Sprachvereine, deren
Mitglieder sich zu unterschiedlichen Weisen entweder für die Standardsprache oder die
Schweizer Dialekte einsetzten (vgl. Ammon 1995: 240-‐241). Heinrich Stickelberger,
Mitglied des Deutschschweizer Sprachvereins, spricht sich in seinem Text
Schweizerhochdeutsch und Reines Hochdeutsch (1914) für eine eigene, schweizerische
Art der Standardsprache aus. Sein Ratgeber für sprachliche Zweifelsfälle weist Ansätze
eines plurizentrischen Sprachbewusstseins auf (Ammon 1995: 233).23 Er macht auf
regionale Differenzen in der neuhochdeutschen Schriftsprache innerhalb von
Deutschland aufmerksam und ermutigt Schweizer, der Standardsprache ein „bisschen
[regionale] Buntheit“ (Stickelberger 1914: 2) zuzugestehen. Dazu erstellt er Listen mit
Helvetismen und Teutonismen, die entweder wegen ihrer Nähe zum Dialekt oder ihres
„zu deutschen“ Charakters zu vermeiden seien. Ebenfalls nennenswert ist August
Steigers Abhandlung (1941). Wie Stickelberger ist auch Steiger Mitglied des
Deutschschweizer Sprachvereins. In seinem Text (Steiger 1941: 67-‐68) ruft er zur
Gleichberechtigung von Helvetismen auf: „Im Wortschatz aber dürfen wir gewisse
Sonderrechte behalten [...] vor allem, wenn wir für deutsch-‐schweizer Leser schreiben
[...] aber auch dann, wenn wir über die Grenze hinaus schreiben, sobald uns ein deutsch-‐
22 Das Normierungsbestreben betraf weniger die Einigung auf Varianten im Wortschatz als vielmehr die Vereinheitlichung von Grammatik und Orthographie. 23 Dies ist besonders beachtenswert, da sein Verein Deutschschweizer Sprachverein in erster Linie nicht nach einer spezifisch schweizerischen Varietät strebte, sondern ein nationsübergreifendes Einheitsdeutsch befürwortete.
17
schweizerisches Wort aus einem guten Grund (wozu die blosse Bequemlichkeit freilich
nicht gehört!) besser passt als das gemeindeutsche.“ Interessant ist auch Hannes
Maeders Arbeit (1948) (vgl. Ammon 1995: 59). Er definiert den Begriff
Schweizerhochdeutsch in zweifachem Sinn: Im weiteren Sinn umfasst
Schweizerhochdeutsch diejenigen Ausdrücke, die sich vom Standarddeutsch der
Deutschen unterscheiden; im engeren Sinn sind es diejenigen Begriffe, die
Deutschschweizer als mundartlich empfinden (Maeder 1948: 5). Weitere und
detailliertere sprachwissenschaftliche Erforschung der schweizerischen
Standardvarietät fehlen bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie Ammon (1995:
242) vermutet, wegen der nationalsprachlichen Identifikation der Deutschschweizer mit
ihrem Dialekt. Zwar wurde auf Berufung der deutschen Dudenredaktion Ende der
1930er-‐Jahre der Schweizerische Dudenausschuss gegründet, der für die 12. Auflage des
Rechtschreib-‐Dudens im Jahr 1941 Helvetismen sammelte. Es dauerte aber noch über
15 Jahre, bis in der Schweiz die ersten Binnenkodizes die eigene Schweizer
Standardvarietät ins rechte Licht rückten.
Zu den schweizerischen Binnenkodizes zählen Boeschs Aussprache des
Hochdeutschen in der Schweiz. Eine Wegleitung (1957), allerdings ohne amtlichen Status,
Kaisers Die Besonderheiten der deutschen Schriftsprache in der Schweiz (1969/70),
Schweizer Schülerduden (1970, neuste Auflage 2013), Unser Wortschatz (Bigler et al.
1987) und Meyers Wie sagt man in der Schweiz? Wörterbuch der schweizerischen
Besonderheiten (1989, neuste Auflage 2006).24 Schmidlin (2011: 108; 128) ergänzt die
Liste mit Dürscheid/Heftis Syntaktische Merkmale des Schweizer Standarddeutsch (2006)
und Hoves Die Aussprache der Standardsprache in der deutschen Schweiz (2002). Ferner
ist auch Bickel/Landolts Schweizerhochdeutsch (2012) zu nennen.
Trotz dieser beachtlichen Liste erreicht keines der Werke auch nur annähernd
die Ausführlichkeit des Duden (2013). Die Binnenkodizes der Schweiz konzentrieren
sich fast ausschliesslich auf die vom deutschländischen Standard abweichenden
Varianten und stellen nicht den Anspruch an eine vollumfängliche Darstellung der
Standardvarietät (vgl. Schmidlin 2011: 125). Die Deutschschweizer bleiben deshalb bei
„kniffligeren Fragen“ (Ammon 1995: 250) weiterhin auf umfassendere
Nachschlagewerke aus Deutschland – sprich den Duden – angewiesen.
24 Für eine ausführliche Beschreibung der Inhalte dieser vier Werke siehe Ammon (1995: 246-‐250).
18
2.7.3 Diglossie – eine Frage der Identität Aufgrund der Diglossie (vgl. Ferguson 1959) wurde die Binnenkodifizierung in der
Schweiz im Vergleich mit Deutschland und Österreich erst spät in Angriff genommen
(Ammon 1995: 242). Denn die Deutschschweizer identifizieren sich vor allem mit dem
im privaten und mündlichen Raum vorherrschenden Dialekt. Die vorwiegend schriftlich
verwendete und in formellen Anlässen gesprochene Standardsprache ist indes mit
Distanz und Fremdheit verbunden (vgl. Haas 2000: 86-‐88; Schlobinski 2005). Die
sprachliche Identifikation mit dem Dialekt geht auf die Abwendung von der
eidgenössischen Landsprach zurück. Mit dem Anschluss an die deutsche
Standardsprache im 18. Jahrhundert wurde in der Deutschschweiz die Sorge gross, die
schweizerdeutschen Dialekte würde eines Tages vollends schwinden
(Siebenhaar/Wyler 1997: 37).25 Die Sorge löste drei grössere Sprachbewegungen in der
Schweiz aus, die so genannten Mundartwellen (Schmidlin 2011: 102; Siebenhaar/Wyler
1997: 37-‐38) oder auch Dialektrenaissancen (Polenz 1990: 16). Die ersten beiden
fanden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angesichts des ersten Weltkrieges und
des aufstrebenden Nationalsozialismus statt. Die Deutschschweizer forderten eine
eigenständige schweizerische Nationalsprache und die „politische Würdigung des
Schweizerdeutschen“ (Schwarzenbach 1969: 144). Dieser Forderung wurde jedoch
nicht nachgegeben, denn sie hätte, wie zu vorreformatorischen Zeiten, eine sprachliche
Isolation der Schweiz im deutschsprachigen Raum bedeutet (Siebenhaar/Wyler 1997:
38). Die dritte Mundartwelle brachte in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg
einen Aufschwung in der Mundartliteratur und die zunehmende Verwendung der
Mundart in den Medien (Polenz 1999: 448-‐449).
Diglossie bedeutet Zweisprachigkeit und ist dementsprechend irreführend.
Schweizerdeutsch und Hochdeutsch sind nicht zwei verschiedene Sprachen, sondern
zwei Varietäten derselben Sprache.26 Ammon (1995: 296-‐300) weist darauf hin, dass
25 Aus dieser Angst wurde im Jahr 1862 das Projekt Schweizerdeutsches Wörterbuch ins Leben gerufen. Heute ist es unter dem Namen Schweizer Idiotikon bekannt. Noch immer werden im Rahmen des Projektes Schweizer Dialektwörter gesammelt und dokumentiert. Die Vollendung ist in Sicht, aktuell wird am letzten Band gearbeitet. Das Schweizerische Idiotikon ist öffentlich zugänglich unter www.idiotikon.ch (konsultiert am 25.05.2014). Wie Schwarzenbach (1969: 141) anmerkt, entspringt das Projekt einer national-‐politischen Motivation zum sprachlichen Heimatschutz. 26 Zweisprachigkeit kann auch eine bilinguale Sprachsituation beschreiben, wie sie in der Schweizer Stadt Fribourg anzutreffen ist. Dort wird sowohl Deutsch als auch Französisch verwendet. Bilingualismus unterscheidet sich von der Diglossie darin, dass die zwei Varietäten unterschiedlichen Sprachen angehören. Allerdings mahnen Hägi/Scharloth (2005: 36-‐37) zur Vorsicht. In jüngeren Verwendungen des Wortes beschreibt Bilingualismus nicht mehr zwingend zwei unterschiedliche Sprachen. Der Unterschied zur Diglossie ist dann der, dass in einer diglossischen Sprachsituation zwei Varietäten nebeneinander
19
Dialekte per definitionem nicht standardisiert sind, sondern von einer Standardvarietät
überdacht werden. Zudem sind die sprachlichen Unterschiede zwischen der deutschen
Standardsprache und den Schweizer Dialekten zu gering, als dass das Schweizerdeutsch
den Status einer eigenen Sprache für sich beanspruchen könnte (ebd.: 297).
Hägi/Scharloth (2005: 21) vergleichen den Stand des Standarddeutsches in der Schweiz
mit dem einer Fremdsprache. Es zeigen sich eindeutige Unterschiede zwischen dem
Erlernen einer Fremdsprache, wie beispielsweise dem Französischen, und dem Erwerb
des Standarddeutschen in der Schweiz. Deutschschweizer Kinder lernen zwar zunächst
nur Schweizerdeutsch, verfügen aber bereits vor der offiziellen Schulung über „eine
relativ weitreichende [standardsprachliche] Kompetenz“ (ebd.: 33), da sie durch Medien
schon früh in Kontakt mit der Standardsprache kommen. Zudem sind die Unterschiede
zwischen den beiden Varietäten nicht sehr gross, so dass ein Deutschschweizer, der sehr
schlechtes und mundartnahes Standarddeutsch spricht, für einen anderen
Deutschsprachigen noch immer verständlich ist. Standarddeutsch ist demnach keine
Fremdsprache, sie ist aber auch nicht Muttersprache (ebd.: 39). Da Hochdeutsch in der
Schweiz fast ausschliesslich als Schriftsprache fungiert, fehlt der lebendige, alltägliche
und mündliche Umgang mit der Standardsprache. Hägi/Scharloth (ebd.) schlagen
deshalb vor, die Standardsprache als Sekundärsprache zu bezeichnen. Sie ist mit der
Primärsprache, dem Schweizerdeutschen, verbunden, aber eben nicht identisch (ebd.:
41). Primärsprache ist die Muttersprache, die als erste gelernt wird und deren
Erwerbung ungesteuert ist. Der Erwerb der Sekundärsprache erfolgt erst später und
wird in der Schule teilgesteuert. Das Erlernen einer Fremdsprache ist dagegen im
Schulunterricht gänzlich gesteuert. An der Primärsprache haftet prinzipiell eine stärkere
Identifikation als an der Sekundärsprache; die Sekundärsprache zeichnet sich indes
durch eine grössere Kommunikationsreichweite aus (ebd.). Diese unterschiedlichen
Funktionen erzeugen eine relativ stabile Sprachsituation. Die Distanzierung von einer
der beiden Varietäten würde entweder den Verlust der sprachlichen Identität oder des
internationalen Anschlusses an die übrige deutsche Sprachgemeinschaft bedeuten.
Die Standardsprache gilt als die Sprache der Deutschen, die als Schriftsprache in
die Schweiz importiert wird (Polenz 1990: 18).27 Die distanzierte Haltung wurde nicht
bestehen, die funktional voneinander getrennt sind, während an den Varietäten in einer bilingualen Sprachsituation keine unterschiedlichen Funktionen haften. 27 Es wird dabei übersehen, dass zur Zeit des Anschlusses der Schweiz an die neuhochdeutsche Standardsprache die Formierung der selbigen noch in vollem Gang war. Die Schweizer halfen sogar bei deren Ausformung mit, wenn auch nur begrenzt (Haas 2000: 125). Namentlich zu nennen ist Albrecht von
20
zuletzt durch den Bundesratsbeschlusses von 1892 untermauert. Darin heisst es, dass
sich die Deutschschweizer sprachlich fortan am deutschen Wörterbuch Konrad Dudens
zu richten haben. Ammon (1995: 301-‐307) zeigt allerdings, dass Deutschschweizer sehr
wohl nationalsymbolische Ansprüche an die deutsche Standardsprache stellen. Als
Beispiel führt er die Reaktionen der Radiohörer auf, die sich für ein schweizerisch
geprägtes Standarddeutsch der Nachrichtensprecher einsetzen. Auch Bickel/Hofer
(2013: 84-‐85) weisen auf Deutschschweizer Radiohörer hin, die sich über eine deutsche
Nachrichtensprecherin empören. Ferner sind auch die schweizerischen Binnenkodizes
Hinweise dafür, dass sich Deutschschweizer zumindest teilweise mit der
Standardsprache identifizieren und eine eigene, standardsprachlich akzeptierte Varietät
nicht missen wollen. Diesen Wunsch nach standardsprachlicher Eigenständigkeit finden
auch Scharloth (2005) und Schmidlin (2011) in ihren Umfragen unter
Deutschschweizern (mehr dazu in Kapitel 3.2).
2.7.4 Schweizerhochdeutsch
Im mündlichen Standardgebrauch fällt der Deutschschweizer in erster Linie durch seine
Aussprache und Betonung auf.28 So betonen Schweizer beispielsweise in Abkürzungen
wie HIV die erste Silbe, Deutsche und Österreicher die letzte. Zudem sprechen
Deutschschweizer im Allgemeinen langsamer als Deutsche und Österreicher.
Helvetismen im Wortschatz sind ebenfalls ein leicht erkennbares Merkmal.
Mundartnahe Helvetismen wie Rüebli, Cheib und Beiz fallen schneller auf als
standardsprachliche wie Vernehmlassung, koffeinfrei und künden. Lexikalische
Helvetismen stammen teils direkt aus dem Dialekt, wie zum Beispiel Müesli. Sie kommen
teilweise aber auch indirekt über Fremdsprachen in den Dialekt. Beispiele hierzu sind
das französische Trottoir oder Velo, die italienische Zucchetti und das lateinische Matura
Haller, der im 18. Jahrhundert mit seinem Schreibstil den wichtigen Kodifizierer Johann C. Gottsched inspirierte. Gottsched lobte Hallers verständlichen und nüchternen Sprachgebrauch. Der Schweizer trug damit zum Schliff der deutschen Sprache bei, denn veraltete, zu mundartliche und fachsprachliche Wörter wurden aus der deutschen Schriftsprache verwiesen (ebd.: 134). 28 Die folgende Übersicht der schweizerischen Besonderheiten ist aus folgenden Werken zusammengetragen: Ammon (1995: 254-‐282), VWB (2004), Meyer (2006), Bickel/Landolt (2012) und Dürscheid/Hefti (2006). Die Werke gehen unterschiedlich detailliert auf Helvetismen ein. Bickel/Landolt (2012) ist der aktuellste Binnenkodex der Schweiz. Er listet viele lexikalische Helvetismen auf, geht aber auch sehr kurz auf weitere Sprachebenen ein. Meyer (2006) besteht ebenfalls überwiegend aus einem Wörterbuchteil, beschreibt aber ausführlicher als Bickel/Landolt (2012) auch grammatikalische, lautliche und orthographische Differenzen. Das VWB (2004) weist ebenfalls auf Schweizer Besonderheiten in mehreren sprachlichen Bereichen hin. Dies geschieht meistens in direktem Vergleich mit österreichischen und deutschländischen Varianten. Ammon (1995) liefert ebenfalls eine Darstellung schweizerischer Besonderheiten auf mehreren Sprachebenen. Dürscheid/Hefti (2006) legen den Schwerpunkt auf syntaktische Helvetismen.
21
(vgl. Ammon 1995: 281-‐281). Es gibt auch semantische Helvetismen wie das Verb
wischen. In der Schweiz wischt man mit einem Besen den Boden, in Deutschland und
Österreich wird mit einem Tuch Staub gewischt. Auf den Stockzähnen lachen ist ein
schweizerischer Phraseologismus, der so in Deutschland und Österreich nicht existiert.
Die Redewendung beschreibt eine Person, die in sich hinein lacht. Haas (2000: 101)
spricht zudem von Frequenzhelvetismen; das sind Wörter, die zwar nicht spezifisch
schweizerisch sind, aber in der Schweiz besonders oft gebraucht werden. So das Wort
Entscheid, das in der Schweiz oft anstelle von Entscheidung verwendet wird (vgl. auch
Walser 2006).
Helvetismen stammen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Sie
beschreiben sowohl kulturelle, soziale, historische als auch politische Eigenheiten der
Schweizer. Ammon (1995: 260-‐274) teilt Helvetismen in folgende Kategorien ein:
Haushalt und Kleidung, Speisen und Mahlzeiten, Verwaltung, Justiz, Gesundheitswesen,
Schule und Militär etc. Hägi (2006: 58) fasst diese Helvetismen unter dem Begriff Kultur-‐
Zentrismen zusammen (vgl. Kapitel 2.5). Die schweizerischen Besonderheiten aus den
politischen und institutionellen Bereichen wie Schule und Politik, werden auch
Sachspezifika genannt (Haas 2000: 103). Es handelt sich dabei um Wörter, die aufgrund
des politischen und institutionellen Systems der Schweiz spezifisch schweizerisch sind,
wie zum Beispiel Referendum und Einzahlungsschein. Sie besitzen kein exakt
gleichbedeutendes, deutsches und österreichisches Pendant. Nebst lautlichen und
lexikalischen Helvetismen finden sich schweizerische Besonderheiten auch auf anderen
Sprachebenen: in der Orthographie (ss anstelle von ß), Morphologie (Redaktor anstelle
von Redakteur), Grammatik (jemanden anrufen anstelle von bei jemandem anrufen; das
E-‐Mail anstelle von die E-‐Mail), Stilistik (mich dünkt anstelle von ich habe den Eindruck,
dass) und Pragmatik (Grüezi anstelle von Tag oder Servus) (vgl. auch Kapitel 2.5).
Wegen der Diglossie steht der Deutschschweizer vor dem Problem, stets
abwägen zu müssen, ob es sich beim Helvetismus um ein standardsprachliches Wort
oder ein Dialekt-‐Helvetismus handelt und ob er ihn standardsprachlich verwenden darf.
Wörterbücher sind dabei, wie anhand des Wortes Cheib ersichtlich, nicht immer sehr
hilfreich. Cheib wird im Duden (2013) als schweiz. mdal. markiert. Das VWB (2004) führt
das Wort als Grenzfall des Standards auf, Bickel/Landolt (2012) vermerken es mit
mundartnah. Die Bezeichnung hilft dem Schweizer Sprachlaien nicht weiter und die
Anwendung bleibt der persönlichen Abwägung überlassen. Wie Baigger/Sutter (2006:
77-‐78) zeigen, wird Cheib von Schweizer Lehrpersonen oftmals nicht als
22
standardsprachlich akzeptiert. Deutschschweizer Zeitungen hingegen verwenden das
Wort hin und wieder. Die unbeständige Kodifizierung und Verwendung vieler
Helvetismen resultiert in einer „Helvetismen-‐Furcht“, wie Haas (2000: 107) feststellt. Da
Deutschschweizer öfters unsicher sind, ob eine Variante standardsprachlich
gebräuchlich ist, vermeiden sie sie im Allgemeinen. So werden auch wiederholt
standardsprachliche Helvetismen, die lediglich mundartlich aussehen, gemieden. Haas
(ebd.) nennt als Beispiele gang und gäbe und rechts von der Strasse.
2.7.5 Asymmetrie – Verhältnis und Wahrnehmung der Standardvarietäten Ein ungleiches Verhältnis zwischen den nationalen Varietäten ist sprachpolitisch und
geschichtlich nicht erstaunlich. Bei der Ausschaffung der neuhochdeutschen
Standardsprache spielte das Deutsche Reich eine prägende Rolle (vgl. Haas 2000: 109-‐
138). Die Normierung und Regelung der Standardsprache wurde nach dessen Gründung
1871 mit zentralstaatlichen Absichten stark vorangetrieben. Gefordert wurde nicht nur
ein macht-‐, sondern auch ein sprachpolitisches Zentrum. Der Hegemonieanspruch des
deutschen Reiches an die deutsche Standardsprache bedeutete für die übrigen
deutschsprachigen Nationen neben sprachlicher Anpassung auch deren Unterordnung
(Polenz 1999: 413). Um den Anschluss an die deutsche Sprachgemeinschaft nicht zu
verlieren, waren die Schweizer und Österreicher faktisch gezwungen, sich den
reichsdeutschen Entwicklungen anzuschliessen. Die Festlegung des deutschen Dudens
als offizielles standardsprachliches Referenzwerk 1901 sicherte die deutschländische
Standardvarietät als Leitvarietät noch zusätzlich. Schweizerische und österreichische
Varianten wurden in diesen Bemühungen an den Rand gedrängt. Dies hatte zur Folge,
dass bis heute fremdnationale Varianten als regional beschränkt und im internationalen
Kontext als unangebracht aufgefasst werden.29 So steht beispielsweise im Schweizer
Lehrbuch und Nachschlagewerk Richtiges Deutsch von Walter Heuer et al. (2013: 454): Allen Helvetismen ist gemeinsam, dass sie in der Schweiz schriftsprachlich anerkannt sind, ausserhalb der Schweiz aber nicht gebraucht und zum Teil sogar nicht einmal verstanden werden. [...] In Texten, die sich vornehmlich an Deutschschweizer richten, können sie ohne weiteres verwendet werden; in Texten, die sich an den gesamten deutschen Sprachraum wenden, sind sie nicht zu empfehlen.
Heuer et al. unterscheiden zwischen einem Standard nach innen und einem Standard
nach aussen. Innerhalb der Schweiz gilt der Standard nach innen, d.h. das 29 Ammon (1995: 464-‐475) untersucht diese Annahme in einer Umfrage mit deutschen Verlagshäusern. Sie bestätigt, dass deutsche Verlage Helvetismen und Austriazismen in Texten von Schweizer und Österreicher Autoren nur dann nicht korrigieren, wenn sie in einer Geschichte mit regionalem Bezug auftreten.
23
Schweizerhochdeutsch. Wird jedoch mit der deutschsprachigen Aussenwelt
kommuniziert, soll auf den Standard nach aussen, d.h. den deutschländischen Standard,
zurückgegriffen werden (Hägi 2006: 45). Die deutschländische Standardvarietät
signalisiert im Gegensatz zur österreichischen und schweizerischen Überregionalität
und Neutralität. Dabei wird weniger zwischen der gemeindeutschen30 und
deutschländischen Variante unterschieden, als zwischen der deutschen (im Sinne von
deutschländisch und gemeindeutsch), schweizerischen und österreichischen. Die
deutschländische Varietät besitzt kaum regionalen Charakter und gilt als universell, d.h.
für die Kommunikation mit Deutschsprachigen jeglicher Herkunft, anwendbar (Ammon
1995: 473; Hägi 2006: 45).31
Die dominante, deutschländische Standardvarietät wird von den Österreichern
und Schweizern oft als korrekter und „prestigehafter“ (Polenz 1999: 416) als die eigene
bewertet. Dies zeigen diverse Studien, zum Beispiel Schläpfer/Gutzwiller/Schmid
(1991), Pollak (1992), Ammon (1995: 423-‐447), Muhr (1995), Scharloth (2005) und
Schmidlin (2011). Die in den Studien befragten Österreicher und Deutschschweizer
ziehen, im Bemühen um ein möglichst gutes, d.h. korrektes Standarddeutsch, die
deutschländischen Varianten den eigennationalen vor. Die Gründe für dieses sprachliche
Minderwertigkeitsgefühl sind, laut Ammon (1995: 486-‐499), vielfältig und für
plurizentrische Sprachen nichts Ungewöhnliches. Asymmetrische Verhältnisse zwischen
verschiedenen Varietäten einer Sprache sind sogar unvermeidlich (Polenz 1999: 416).
Neben den sprachgeschichtlichen Faktoren sind auch aussersprachliche Sachverhalte
wie politische und wirtschaftliche Grösse ausschlaggebend (vgl. Clyne 1992; Ammon
1995: 496-‐499). Je mehr Sprecher einer Varietät es gibt, desto grösser ist der
sprachliche Einfluss dieser Varietät auf die anderen (Ammon 1995: 494). Deutschland
schafft viel mehr sprachliche Kulturgüter wie Zeitungen, Zeitschriften, Bücher,
Hörspiele, Filme etc. als Österreich und die Schweiz, die es in diese Länder auch
ausführt. Österreich und die Schweiz können verhältnismässig wenig nach Deutschland
30 Zum Begriff gemeindeutsch siehe Meyer (2006: 22). 31 Die Neutralität und Universalität der deutschländischen Standardvarietät geht auch darauf zurück, dass sich Deutsche nicht im gleichen Ausmass wie Österreicher oder Schweizer mit der eigennationalen Varietät identifizieren. Wie Ammon (1995: 494) feststellt, besteht für Deutsche „kaum ein kommunikationspraktischer Bedarf an der Identifizierung und gesonderten Kenntnis der Teutonismen“. Anders als Österreicher und Schweizer sahen die Deutschen ihre sprachliche Eigenständigkeit nie durch einen grösseren deutschen Nachbarn bedroht. Somit trägt die deutschländische Varietät für Deutsche nicht dieselbe Nationalsymbolik wie für Österreicher und Schweizer.
24
exportieren.32 Die deutschländische Standardvarietät ist daher in Österreich und der
Schweiz sehr präsent und die Orientierung an ihr bringt für bestimmte Berufsgruppen
sogar Vorteile: Ein Schweizer Schriftsteller muss sich nicht nur in der Schweiz, sondern
auch in Deutschland etablieren können, um erfolgreich zu werden.
2.7.6 Hochdeutsch in der Deutschschweiz – Wahrnehmung und Stellung
Wie Polenz (1999: 413) bemerkt, hatte der „Hegemonieanspruch des Reichsdeutschen“
nicht nur die sprachliche Anpassung der Deutschschweizer zur Folge, sondern auch ein
„distanzierendes Verhalten“. Dies ist noch sehr gelinde ausgedrückt, denn die Abneigung
der Deutschschweizer gegen das Hochdeutsch ist bemerkenswert. Siebenhaar/Wyler
(1997: 14-‐15) sehen dafür zwei Gründe. Der erste ist die mediale und funktionale
Diglossie. Die Standardsprache wird in erster Linie schriftlich und an formellen Anlässen
gebraucht. Sie ist somit die Sprache der Leistung, der Schule und der Arbeit. Im
Hochdeutschen wird korrigiert und bewertet.33 Die Standardsprache steht für
Ernsthaftigkeit, Strenge und Steifheit. Durch die Extranormativität erscheint sie den
Schweizern fremder und distanzierter als das direkte Schweizerdeutsch. Der Schweizer
Dialekt ist die Sprache des Alltags, in dem spontane Gedanken und Gefühle ausgedrückt
werden. Mit ihm assoziieren Deutschschweizer Nähe, Wärme und Vertrautheit.34 Der
zweite Grund für die Abneigung der Schweizer gegen die Standardsprache ist laut
Siebenhaar/Wyler (ebd.) die Antipathie, mit der Deutschschweizer Deutschen begegnen.
Dazu gehören nationale, politische und kulturelle Gegebenheiten und Unterschiede,
stereotypische Vorstellungen, Vorurteile und Klischees. Siebenhaar/Wyler (ebd.)
nennen als Beispiele den deutschen Nationalsozialismus, die politische und
wirtschaftliche Grösse Deutschlands, die machtvolle EU und den stereotypischen
deutschen Urlauber.
1991 stellten Robert Schläpfer, Jürg Gutzwiller und Beat Schmid eine Korrelation
zwischen den negativen Einstellungen zu Deutschen und der ablehnenden Haltung
gegenüber der Standardsprache fest. Wer die Deutschen nicht mag, kann sich in der
Regel auch nicht mit der Standardsprache anfreunden (Schläpfer/Gutzwiller/Schmid
32 Der Variantenimport geschieht nicht nur durch Medien wie Bücher, Fernsehen und Radio, sondern auch durch Tourismus und Migration (Bickel/Hofer 2013: 80). 33 Hägi/Scharloth (2005: 33) halten fest, dass sich die negativen Einstellungen bezüglich der Standardsprache in der Schule bilden, insbesondere während des Übertritts vom 7. ins 8. Schuljahr. 34 Die unterschiedlichen Assoziationen hängen teilweise auch mit dem Medium Mündlichkeit und Schriftlichkeit zusammen. Mehr dazu vgl. Schlobinski (2005: 131).
25
1991: 154-‐157).35 So wirkt zum Beispiel die Aussprache der Deutschen auf die
Schweizer befremdend, zackig und unfreundlich. Rohr (2010: 39) stellt fest, dass ein
Deutscher in der Deutschschweiz allein seiner Aussprache wegen ein „arroganter
Deutscher“ ist. Doch nicht nur die Aussprache erscheint unsympathisch. Es ist auch die
unverblümte Art zu kommunizieren. Huonder (2010: 111) zitiert dazu beispielhaft seine
Cousine Heidi, die erstaunt fragt, ob es denn ruhige und bescheidene Deutsche gebe.
Ammon (1995: 487) spricht in diesem Zusammenhang vom Stereotyp des
„‚grossschnauzigen’, zungengewandten (Nord) Deutschen“, dessen Gegenstück
interessanterweise „das des kleinlauten, auf den Mund gefallenen Schweizers“ (ebd.) ist.
Die ablehnende Haltung der Deutschschweizer lässt sich mit dem sprachlichen
Minderwertigkeitskomplex erklären. Sie beneiden Deutsche um ihre geschliffene
Aussprache und sprachliche Eloquenz, neben dem ihr schweizerischer
Standardsprachgebrauch tollpatschig und lahm wirkt. Deshalb beharren die
Deutschschweizer auf sprachliche Distanz. Rohr (2010: 44) bezeichnet die Haltung der
Deutschschweizer als einen „Fall für den Psychiater“. Aus persönlicher Erfahrung
berichtet er, wie er als Auslandschweizer bei Interviews in Schweizer Radiosendungen
„vor der absurden Wahl stehe, wie ein ‚arroganter Deutscher’ zu klingen oder absichtlich
mit Schweizer Akzent zu sprechen, nur um diesen Eindruck zu vermeiden.“ (ebd.: 39)
Denn am „schlechten Hochdeutsch“ des Deutschschweizers haftet Identität: „Ein
Schweizer, der wie ein Deutscher spricht, setzt sich dem Verdacht aus, sich seiner
Herkunft zu schämen, ein Posierer zu sein.“ (ebd.) Das Bedürfnis nach Abgrenzung
zwingt Schweizer „schlecht Deutsch [=Hochdeutsch]“ (ebd.: 46) zu sprechen. Dass die
loyale Haltung gegenüber dem schweizerischen und somit inkorrekten Hochdeutsch die
Ausgeburt des schweizerischen Minderwertigkeitskomplexes ist, zeigen die Studien von
Scharloth (2005: 39) und Schmidlin (2011: 283). Die befragten Deutschschweizer geben
zunächst an, Schweizer sollten zu ihren sprachlichen Eigenheiten stehen und sie
anwenden. Doch bei konkreten Beispielen ziehen sie deutschländische Varianten den
schweizerischen vor. Obendrein zeigt sich, dass die Befragten mit, nach eigener
Einschätzung, guten Hochdeutschkompetenzen die deutschländische Varietät häufiger
vorziehen als diejenigen mit geringeren Kompetenzen (Scharloth 2005: 37).36
35 Zum gleichen Resultat gelangen auch die Untersuchungen von Sieber/Sitta (1986) und Koller (1992). 36 Scharloth (2005: 39) schliesst daraus: „Gutes Standarddeutsch beherrschen heisst deutschländisches Standarddeutsch beherrschen.“
26
Die Frage, ob man sich sprachlich am deutschen Vorbild orientiert oder sich zur
eigenen Standardvarietät bekennt, ist, wie oben bereits angedeutet, für Schweizer
Schriftsteller von zentraler Bedeutung.37 Will ein Schweizer Autor erfolgreich sein, muss
er auch in Deutschland, und bestenfalls in Österreich, Anerkennung finden. Er soll ja
nicht nur für die Schweiz schreiben, sondern auch für übrige Deutschsprachige. Wie
Schmidlin (2011: 165-‐166) feststellt, könnte dies der Grund sein, weshalb vor allem
jüngere Deutschschweizer Autoren Helvetismen zunehmend meiden. Sie nennt als
Beispiel Peter Stamm, der angibt, „der Leser solle [...] nicht über Wörter stolpern“ (ebd.:
173) und die Variantenverwendung sei „neutral“ zu halten, was gleichbedeutend mit
der Vermeidung von Helvetismen ist. Loetscher (1986: 34-‐36), ein Schweizer Autor
älteren Semesters, ist allerdings anderer Meinung. Er befürwortet schweizerische
Besonderheiten38 und sieht sie im internationalen Kontext als stilistische Bereicherung.
Er (ebd.: 33) sagt: Unser [Deutschschweizer] Verhältnis gegenüber dem Hochdeutschen steckt eine ganze Skala ab: sie reicht vom unbewussten oder bekenntnishaften Stallgeruch [= Helvetismen] über den neutralisierenden Spray eines Lektors bis zu jenem Parfum, von dem wir den Duft der grossen weiten Welt erhoffen [= deutschländischer Standard], wobei es auch ein Parfum gibt, das exquisit nach Heu riecht [= Schweizerhochdeutsch].
Schweizer Autoren stehen vor der Entscheidung, ihre nationale Zugehörigkeit zu
offenbaren, wenn sie Helvetismen bzw. Schweizerhochdeutsch verwenden. Das scheint
einigen wünschenswert (Loetscher), anderen unzweckmässig (Stamm).39 Aus dem
Diskurs über die „Schweizer Literatursprache“, wie in Schmidlin (2011: 173-‐177)
darstellt, lässt sich schliessen, dass sich Schweizer Autoren über die Plurizentrizität der
deutschen Standardsprache nicht bewusst sind und von einer gleichberechtigten
schweizerhochdeutschen Literatursprache nicht die Rede sein kann: Der
Minderwertigkeitskomplex zieht sich auch durch die Reihen der Schweizer Autoren.
Das Standarddeutsch mit seinen unterschiedlichen „Parfums“ ist nicht nur für
Schriftsteller ein berufsalltägliches Thema. Auch andere Berufsschreiber wie
Zeitungsleute setzen sich mit den schweizerischen Besonderheiten und dem
37 Wie Schmidlin (2011: 173-‐177) in ihrem Kapitel „Suche nach der eigenen Sprache“ illustriert, stellen sich Schweizer Autoren diese Frage seit dem Anschluss der Schweizer an die neuhochdeutsche Standardsprache im 18. Jahrhundert. Allerdings findet sich kein übergreifender Konsens, so dass von einer übergreifenden Schweizer Literatursprache nicht ausgegangen werden kann. 38 „Was heisst schon ‚Besonderheiten’? Statt ‚Perron’ fällt es mir schwer, ‚Bahnsteig’ zu sagen [...]. Vielleicht brauchte man einen schweizerischen Duden, aber nicht unter dem Zeichen von Besonderheiten, sondern von Üblichkeiten.“ (Loetscher 1986: 32) 39 Eine umfassende Untersuchung zu Helvetismen in Schweizer Literaturtexten führt Hägi (2000) durch.
27
Schweizerhochdeutschen auseinander. In der folgenden Abhandlung soll darauf
eingegangen werden.
3 Das Plurizentrizitätsbewusstsein Deutschschweizer
Zeitungsleute
3.1 Die Erforschung des Schweizerhochdeutschen in Zeitungen Zum Erscheinungsbild der schweizerischen Standardvarietät in Schweizer Zeitungen
bestehen bereits einige Untersuchungen. Zu den frühesten gehören die Abhandlungen
Götzes (1918) und Orthners (1936) (vgl. Ammon 1995: 236-‐237). Beide Autoren, ein
Deutscher und ein Österreicher, dokumentieren schweizerische Besonderheiten der
geschriebenen Standardsprache in Schweizer Tageszeitungen. Während Götze sich vor
allem auf den Wortschatz konzentriert, listet Orthner zusätzlich Unterschiede in der
Rechtschreibung und Wortbildung auf. Eine jüngere Untersuchung der schweizerischen
Mediensprache findet sich bei Ammon (1995: 464-‐466). Er ermittelt die sprachliche
Überarbeitung von Medientexten in Presseagenturen aus Deutschland, Österreich und
der Schweiz. Berichte, die zwischen den Presseagenturen ausgetauscht werden, werden
vor der Publikation im eigenen Land sprachlich umgeschrieben. Dabei werden
fremdnationale Varianten durch eigennationale ersetzt. Die schweizerischen
Identitätspapiere, beispielsweise, heissen im gleichen Beitrag für Österreich Ausweise
(ebd.: 465). Mit Helvetismen in Deutschschweizer Zeitungen befasst sich ebenso das
2004 erschienene Variantenwörterbuch. In den Vorarbeiten des Nachschlagewerks
wurde eine Reihe von 50 deutschsprachigen Tages-‐ und Wochenzeitungen auf ihre
regionalen und nationalen Varianten hin untersucht (vgl. Schmidlin 2011: 144-‐150). Die
Auswertung zeigt: Schweizer Zeitungen weisen im Schnitt mehr Varianten auf als
deutsche und österreichische.40 Ferner finden sich Unterschiede in der Variantendichte
je nach der regionalen Herkunft der Texte, der Themenwahl und des
Erscheinungsjahres. Zeitungen mit kleiner Reichweite, z.B. Lokalblätter sind
variantenreicher als überregionale Zeitungen. Auch der Qualitätsanspruch der Zeitung
40 Die im Vergleich hohe Variantendichte in Schweizer Zeitungen führt Schmidlin (2011: 154) auf die diglossische Sprachsituation zurück. Der Schweizer Dialekt ist ein produktiver Wortspender für die schweizerische Standardvarietät. Anders als in den anderen deutschsprachigen Nationen finden in der Schweiz mehrheitlich Dialektwörter Eingang in die Standardsprache, da es keine schweizerhochdeutsche Umgangssprache gibt. In Deutschland und Österreich sind es in der Regel nicht Dialektismen, sondern vor allem Varianten aus der Umgangssprache, die in die Standardsprache aufgenommen werden.
28
beeinflusst den Variantenreichtum. Deutschschweizer Zeitungen mittleren alltäglich
gepflegten Levels, wie z.B. der Tages-‐Anzeiger, enthalten mehr Varianten als Zeitungen
anspruchsvollen Niveaus, wie z.B. die Neue Zürcher Zeitung (Schmidlin 2011: 161-‐162).
Eine zusätzliche Rolle spielt das Ressort. Im Lokalteil einer Zeitung sind häufiger
Helvetismen anzutreffen als im Feuilleton. Schmidlin (2011: 163) unterscheidet
zwischen folgenden variantenreichen Themenbereichen, die im Inland-‐ oder
Lokalressort erscheinen: Bildung, Brauchtum, Geschäftsleben, Institutionen, Kochkunst,
Landwirtschaft, Verkehrswesen und Religion. Der Variantenreichtum weist auf die enge
Verbundenheit mit der Landeskultur und Lebensart hin.41 Nebst der unterschiedlichen
Variantendichte innerhalb einer Zeitung stellt Schmidlin (2011: 164) auch diachrone
Unterschiede fest. Dabei lässt sich eine rückläufige Tendenz erkennen: je jünger die
Zeitung, desto weniger Varianten.
Weitere kleinere Untersuchungen zur schweizerischen Standardvarietät in
Deutschschweizer Zeitungen liefern Ehrsam-‐Neff (2006), Walser (2006) und Zacheo
(2006). Ehrsam-‐Neff untersucht Helvetismen in der Schweizer Boulevardzeitung Blick
und findet dort eine vielfache Verwendung mundartlicher Varianten. Sie erklärt dies
damit, dass sich der Blick stärker als andere Schweizer Zeitungen am mündlichen
Sprachgebrauch der Leserschaft orientiert. Walser sucht in sechs Zeitungsarchiven
schweizerischer, österreichischer und deutscher Tageszeitungen nach
Frequenzhelvetismen. Er findet, dass die Wörter innert, allfällig, Helikopter und Trottoir
weit häufiger in den untersuchten Schweizer Zeitungen auftreten als in den deutschen
und österreichischen. Zacheo vergleicht schliesslich die Hausorthographien diverser
Schweizer Zeitungen und stellt zahlreiche Differenzen in den Normvorgaben fest. Sie
schliesst daraus: „Es gibt [...] keine Garantie, dass [orthographisch] stimmt, was in der
Zeitung steht.“ (Zacheo 2006: 210)
41 Ehrsam-‐Neff (2006) erforscht Unterschiede in der Variantendichte nicht nach verschiedenen Themenbereichen bzw. Ressorts, sondern nach den Absichten der Texte. Zeitungsartikel können in folgende fünf Kategorien unterteilt werden: informationsbetonte Texte wie Nachrichten und Meldungen, meinungsbetonte Texte wie Kommentare und Glossen, instruierend-‐anweisende Texte wie Ratgeber, bizentrische Texte wie Interviews und kontaktherstellende Texte wie beispielsweise Fotos und Schlagzeilen. Ehrsam-‐Neffs Resultate (Ehrsam-‐Neff 2006: 173-‐175) zeigen, dass meinungsbetonte Texte die meisten Helvetismen aufweisen, gefolgt von bizentrischen und informationsbetonten Texten. Instruierend-‐anweisende Texte enthalten die wenigsten Helvetismen.
29
3.2 Die Erforschung von Spracheinstellungen Die bisherigen Untersuchungen Deutschschweizer Zeitungen beschränken sich auf das
textuelle Erscheinungsbild des Schweizerhochdeutschen. Die Ebene der individuellen
Sprachverwendung blieb bislang in diesem Berufsgebiet unbeachtet. Wie Schmidlin
(2011: 7) festhält, bestehen allgemeine Lücken im Bereich der psycholinguistischen-‐
kognitiven Erforschung der Plurizentrik; es fehlt an empirischen Erhebungen des
individuellen Plurizentrizitätsbewusstseins, der persönlichen Einstellungen und des
Zusammenhangs zwischen Spracheinstellung und Sprachgebrauch. Die
Forschungsmankos befinden sich an der Schnittstelle der Soziolinguistik und der
Sozialpsychologie. Aus letzterer stammt das Konzept der Einstellung, auch Attitüde
genannt (Hofer 2002: 215). Bereits seit den 1930er-‐Jahren untersucht man dort den
Zusammenhang von verbal geäusserten Einstellungen und nonverbalem Verhalten (vgl.
Vandermeeren 2005). Die Erforschung der Haltungen hinsichtlich einer Sprache wird in
der Soziolinguistik seit den 1960er-‐Jahren praktiziert (Vandermeeren 2005: 1318).
Dazu wird der Begriff Spracheinstellung verwendet, der beschreibt: „A language attitude
is an idea charged with emotion with respect to language behaviour and predisposes a
type of (language) behaviour to a particular class of language situations.“ (ebd.: 1319)
Eine Spracheinstellung beinhaltet drei Komponenten: die Wahrnehmung eines zu
bewertenden Ereignisses (kognitive Komponente), die positive oder negative
Bewertung des Ereignisses (affektiv-‐evaluative Komponente) und die auf der Bewertung
basierende Neigung zu einem bestimmten Verhalten und Handeln (konative
Komponente) (vgl. Schmidlin 2011: 181; Schmidlin 2013: 33). Spracheinstellungen
können verbal geäussert werden und finden im Sprachgebrauch Ausdruck. Wie
zahlreiche Studien im internationalen Kontext bekunden, müssen sich verbal geäusserte
Einstellungen nicht zwingendermassen mit dem tatsächlichen sprachlichen Verhalten
decken (Vandermeeren 2005: 1321-‐1322). Dies zeigen auch die zwei bislang
bedeutendsten Untersuchungen zu Spracheinstellungen in der Deutschschweiz. Sowohl
Scharloth (2005) wie auch Schmidlin (2011) stossen in ihren Studien auf eine
Diskrepanz zwischen den geäusserten Spracheinstellungen und der tatsächlichen
sprachlichen Handlung.
Scharloth (2005) benutzt für seine Erhebung des Sprachbewusstseins
Deutschschweizer Laien eine zweistufige Methode. Im ersten Teil befragt er 98
Personen nach ihren Spracheinstellungen. Dadurch ermittelt er die kognitiven und
affektiven Aspekte der Spracheinstellung. Es zeigt sich, dass 75% der Befragten das
30
Hochdeutsch als Fremdsprache empfinden und 97% der Ansicht sind, in Deutschland
spreche man das beste Hochdeutsch (Scharloth 2005: 36). Trotz der negativen
Einstellung geben 58% an, Schweizer sollten im Gespräch mit Deutschen nicht auf ihre
schweizerischen Besonderheiten verzichten (ebd.: 30). Im zweiten Teil seiner
Untersuchung überprüft er die verbal geäusserten Spracheinstellungen. Er verwendet
dazu so genannte subjective-‐evaluation-‐tests: Die Probanden hören verschiedene Sätze
abwechselnd mit deutschen und schweizerischen Varianten und beurteilen deren
Korrektheit. In dieser Aufgabe, die die konative Komponente der Spracheinstellung
untersucht, findet Scharloth die zuvor verbalisierte loyale Einstellung zu Helvetismen
nicht mehr. Die Probanden ziehen vermehrt deutschländische Varianten den
schweizerischen vor (ebd.: 30-‐35).42 Das gleiche Verhalten wurde bereits vor Scharloth
in Österreich empirisch erfasst (vgl. Muhr 1982; Pollak 1992) und mit dem Begriff
linguistische Schizophrenie bezeichnet. Linguistisch schizophren ist, „wer sich zu den
Sprechern einer weniger prestigeträchtigen Varietät zählt, [und] sich sprachlich trotz
Loyalität gegenüber der eigenen Varietät unsicher“ zeigt (Schmidlin 2011: 207).
Schmidlins Studie (2011: 201-‐287) führt zu vergleichbaren Resultaten. Anhand
einer Online-‐Umfrage untersucht sie die Spracheinstellungen und das sprachliche
Handeln von 908 Personen, die vorwiegend aus der Schweiz, aber auch aus Deutschland
und Österreich stammen. Sie wählt eine ähnliche Methode wie Scharloth (2005) und
ermittelt einerseits die verbalisierten Spracheinstellungen, andererseits das tatsächliche
sprachliche Verhalten. Wie bei Scharloth geben die befragten Deutschschweizer an,
eigennationale Varianten zu kennen und anzuwenden. In konkreten Sprechsituationen
wählen sie aber ebenfalls Teutonismen vor Helvetismen (ebd.: 226-‐228). Ausserdem
geht fast die Hälfte der Befragten davon aus, in Deutschland werde das beste
Hochdeutsch geschrieben. Aus ihren Resultaten schliessen sowohl Schmidlin (2011:
287) als auch Scharloth (2005: 39), dass bei den befragten Deutschschweizern kein
Bewusstsein der Plurizentrizität der deutschen Sprache besteht.
Das Plurizentrizitätsbewusstsein der Deutschschweizer ermitteln ferner auch die
Studien Ammons (1995: 425-‐447), Baigger/Sutters (2006) und Läublis (2006). Ihre
Zielpersonen sind allerdings Lehrer und nicht wie bei Scharloth und Schmidlin Laien.
42 Eine ähnliche Methode, die das individuelle sprachliche Verhalten erfasst, ohne dass sich die untersuchte Person dessen bewusst ist, ist die matched-‐guise Technik (vgl. Vandermeeren 2005: 1322). Dabei müssen Probanden aufgrund von Hörproben Urteile über die Eigenschaften des Sprechers fällen. Die Bewertung geschieht allein aufgrund des Gehörten und widerspiegelt somit Einstellungen, die mit der gehörten Sprache verbunden sind (Schmidlin 2011: 180).
31
Ammon (1995: 425-‐447) untersucht das Korrekturverhalten von deutschen,
österreichischen und Schweizer Lehrpersonen. Er entdeckt, dass Schweizer Lehrer ihre
eigene Standardvarietät öfter als ihre Kollegen in Österreich und Deutschland als
defizitär betrachten und eigennationale Varianten als falsch bewerten. Die Studien von
Baigger/Sutter (2006) und Läubli (2006) stellen ähnliche Verhaltensweisen fest. Sie
dokumentieren, dass Schweizer Lehrer Helvetismen mehrfach nicht akzeptieren und
somit kein Plurizentrizitätsbewusstsein aufweisen.43
Zwar kein konkretes Plurizentrizitätsbewusstsein, jedoch Ansätze eines solchen
findet Ulbrich (2003). Sie untersucht, wie 22 deutschsprachige Linguisten und
Phonetiker die Aussprache verschiedene Mediensprecher bewerten. Die Resultate
erstaunen: Deutschschweizer Mediensprecher mit schweizerisch gefärbter Aussprache
werden nicht schlechter gewertet als Nachrichtensprecher mit deutschem und
österreichischem Kolorit (Ulbrich 2003: 157). Auch Ammon (1995: 303) weist darauf
hin, dass eine schweizerisch gefärbte Aussprache der Mediensprecher in der
Deutschschweiz keinesfalls als Manko aufgefasst wird. Im Gegenteil, Hörer und
Zuschauer wünschen sich im Schweizer Radio und Fernsehen eine schweizerische
Färbung der Standardsprache.44 Es scheint, die Plurizentrizität der deutschen
Standardsprache ist den Schweizern im mündlichen Bereich bewusster als im
schriftlichen.
43 Da es sich bei Lehrpersonen um Normautoritäten handelt, kann ein fehlendes Plurizentrizitätsbewusstsein Auswirkungen auf die übrigen Normsubjekte haben. Wie Häcki Buhofer (1993) zeigt, werden Spracheinstellungen im Schulunterricht von den Lehrpersonen auf ihre Schüler übertragen. Dadurch, dass Lehrer sich der Plurizentrik nicht bewusst sind und in ihrer „Tendenz zur stark normativen Beurteilung“ (Häcki Buhofer 1993: 211) Helvetismen als falsch bewerten, lehren sie den Schülern eine monozentrische Sichtweise auf die deutsche Sprache, nach der schweizerische Varianten weniger korrekt sind als deutsche. 44 Löffler wendet bereits Ende der 1980er-‐Jahre ein, dass sich Schweizer zwar schriftsprachlich an der deutschländischen Varietät orientieren, sie aber nicht in allen Bereichen imitieren: Insbesondere in der Schweizer Mediensprache erscheinen bundesdeutsche Jargonismen, die meist aus der Umgangssprache stammen, besonders fremd und fehl am Platz. An Stellen, an denen die deutschen Medien Umgangssprache benutzen, brauchen die Schweizer Dialekt (Löffler 1988: 164). Bickel/Hofer (2013: 84-‐85) verweisen auf eine jüngere Debatte, in der sich Schweizer Hörer über eine deutsche Nachrichtensprecherin im Schweizer Radio empören.
32
3.3 Eigene Erhebung der plurizentrischen Spracheinstellungen
3.3.1 Ausgangslage
Die vorliegende Studie basiert auf dem Befund Schmidlins (2011: 280-‐281), dass
befragte Deutschschweizer die höchste schriftliche Hochdeutschkompetenz den
Schweizer Medienschaffenden zuschreiben.45 Journalisten, Redaktoren und Korrektoren
beschäftigen sich täglich mit der hochdeutschen Sprache, so dass eine gute schriftliche
Standardsprachkompetenz Voraussetzung für ihren Beruf sein muss. Bereits Ammon
(1995: 79-‐80) hat auf den normativen Vorbildcharakter der standardsprachlichen
Medien hingewiesen (vgl. Kapitel 2.5). Printmedien wie Zeitungen und Zeitschriften
liefern Modelltexte, an denen sich ebenso Sprachlaien, Lehrpersonen, Berufsschreiber/-‐
sprecher wie Sprachexperten orientieren. Baigger/Sutter (2006: 68-‐71) erfahren in
einem Interview mit dem Vorstand des Schweizerischen Dudenausschusses, dass
Schweizer Tageszeitungen zudem vielfach die Ausgangslage für die Entdeckung neuer
Helvetismen bilden. Dabei werden auffallende, schweizerische Varianten aus
Zeitungstexten gesammelt und im Gremium auf ihre Standardsprachlichkeit hin
besprochen. Im Anschluss werden sie an die deutsche Duden-‐Redaktion weitergeleitet
und erscheinen in der nächsten Auflage. Zeitungsleute orientieren sich wiederum an den
neuen Wörterbüchern, so dass ein zirkulärer Prozess entsteht. Aus diesem Grund fällt
den Zeitungen eine Doppelrolle zu. Sie sind hinsichtlich der eigennationalen
Standardvarietät, dem Schweizerhochdeutschen, nicht nur deskriptiv, sondern
gewissermassen auch präskriptiv.
Zeitungen sind ein Produkt aus vielen, individuell verfassten Zeitungsbeiträgen.
Jeder Journalist, Redaktor und Korrektor wirkt persönlich im sprachlichen Gesamtbild
mit. Selbst ein veröffentlichter Zeitungsartikel ist nicht das Werk eines Einzelnen. Bis
zur Publikation arbeiten mehrere Personen, nämlich Redaktoren und Korrektoren, mit.
Sie alle folgen einer vorgegeben Norm, der Hausorthographie.46 Auf
45 In Deutschland und Österreich werden an gleicher Stelle Gebildete genannt. Der Grund für diesen Unterschied liegt in der Deutschschweizer Diglossie. Durch die mediale und funktionale Trennung von Dialekt und Standardsprache wird Hochdeutsch vorwiegend in schriftlichen und formellen Anlässen angewendet; im Alltag wird unter Deutschschweizern ausschliesslich und ungeachtet der Bildung Dialekt gesprochen. Anders verhält es sich in Deutschland und Österreich. Dort findet die Standardsprache auch in alltäglichen und mündlichen Domänen Einsatz, so dass eine gute Standardsprachkompetenz nebst beruflicher Fähigkeit auch eine Bildungsfrage darstellt. Ersteres schliesst in gewissem Masse letzteres mit ein, wird in der Schweiz aber nicht so sehr wahrgenommen. 46 Wie Zacheo (2006) zeigen konnte, divergieren die Hausorthographien der einzelnen Deutschschweizer Zeitungen, so dass von einer einzelnen Norm, der alle Zeitungsschreibenden in der Schweiz folgen, nicht gesprochen werden kann.
33
psycholinguistischer Ebene prägen jedoch individuelle Spracheinstellungen die
Handschrift des einzelnen Mitarbeiters. Wie ein Journalist, Redaktor oder Korrektor
schreibt, redigiert oder korrigiert, hängt davon ab, welche Einstellung er zur Sprache
einnimmt. Wie Schmidlin (2011: 188) bemerkt, führt eine „präskriptive normative
Haltung gegenüber der Standardsprache [...] nicht nur dazu, Stilvarianten oder regionale
Varianten als Fehler einzuordnen, sondern auch dazu, dass sich Gewährspersonen vom
eigenen Gebrauch solcher Varianten distanzieren“. Zeigt sich ein Journalist, Redaktor
oder Korrektor, der schweizerischen Standardvarietät abgeneigt, meidet er in seinen
Texten schweizerische Besonderheiten. Ein derartiges sprachliches Verhalten auf alle
Deutschschweizer Zeitungsleute angewendet, würde eine Deutschschweizer Zeitung mit
wenigen schweizerischen Varianten hervorbringen. In den Arbeiten am VWB zeigten
sich Deutschschweizer Zeitungen jedoch als besonders variantenreich (Schmidlin 2011:
153). Es kann deshalb angenommen werden, dass Deutschschweizer Zeitungsleute eine
bewusste und der Plurizentrik Rechnung tragende Spracheinstellung aufweisen, nach
der sie das Schweizerhochdeutsch als eigenständige Standardvarietät auffassen und sie
gegenüber der sonst dominanten deutschländischen Varietät verteidigen. Ob diese
Spekulation zutrifft, gilt es mittels einer gezielten Erhebung zu überprüfen.
3.3.2 Zielsetzung
Die vorliegende Untersuchung soll einen Beitrag zur subjektiven Sprachforschung der
deutschen Standardsprache leisten. Sie knüpft an die bereits existierenden Studien zu
Spracheinstellungen und Plurizentrizitätsbewusstsein von Deutschschweizer Laien
(Scharloth 2005, Schmidlin 2011), Lehrpersonen (Ammon 1995, Baigger/Sutter 2006,
Läubli 2006) und Sprachexperten (Ulbrich 2003) an. Mit einer Umfrage soll das
Plurizentrizitätsbewusstsein der Deutschschweizer Zeitungsleute untersucht werden.
Dazu werden sowohl die Spracheinstellungen als auch das sprachliche Verhalten der
Personen erforscht. Es sollen Antworten auf folgende Fragen gefunden werden: Welches
Sprachprestige wird dem Schweizerhochdeutsch zugeschrieben? Wie selbstbewusst
sind die Befragten im eigenen Standardsprachgebrauch? Wie gut sind die Kenntnisse
der Begriffe Schweizerhochdeutsch und Helvetismen? Wie sehr sind sich die Befragten
der eigenen Standardvarietät bewusst? Inwieweit variieren die Ansichten und
Einstellungen zu medialen Faktoren (Mündlichkeit und Schriftlichkeit)? Wie
schweizerisch darf ein Text sein? Wie wird mit nationalen Varianten im Schreiballtag
umgegangen? Inwieweit akzeptieren die befragten Personen Helvetismen bzw.
34
Teutonismen? Wie kongruieren verbal geäusserte Spracheinstellungen und sprachliches
Verhalten?
3.3.3 Methodisches Vorgehen
Um die verschiedenen Bewusstseinsstufen der Spracheinstellung – die kognitiven,
affektiv-‐evaluativen und konativen Komponenten – zu erfassen, wird wie bei Scharloth
(2005) eine zweistufige Vorgehensweise gewählt. In einem ersten Schritt soll das
sprachliche Verhalten der Befragten in ihrem Alltag erfasst werden. Hierzu werden 28
Sätze schriftlich mit der Bitte vorgelegt, sie auf ihre Publizierfähigkeit zu beurteilen
(siehe Anhang A). 14 der Sätze stammen aus Schweizer Zeitungen, sechs aus dem VWB
(2004), weitere sechs aus Deutschen Zeitungen und zwei Sätze sind frei erfunden. Die
Sätze aus dem VWB stammen aus verschieden Quellen; einer Werbung für Carreisen,
einer Frauenzeitschrift und aus Richtlinien für Fachärzte. Es werden unterschiedliche
Themenbereiche berücksichtigt: In-‐/Ausland, Region, Kultur, Feuilleton, Reisen. Pro Satz
ist mindestens ein Helvetismus oder Teutonismus verzeichnet. Tabelle 1 zeigt die
konkrete Verteilung der Varianten in den Sätzen. Tabelle 1: Die Verteilung der nationalen Varianten in den Sätzen des Korrekturauftrags. Anzahl Varianten pro Satz Anzahl Sätze Nummer des Satzes im Korrekturauftrag 1 Helvetismus 10 2, 9, 11, 12, 15, 17, 20, 21, 24, 28 1 Teutonismus 11 1, 3, 4, 6, 7, 10, 16, 18, 22, 23, 27 1 Helvetismus + 1 Teutonismus 1 5 2 Helvetismen 4 8, 13, 19, 26 2 Teutonismen 2 14, 25 Total 28 Schlüssel: Die formulierten Sätze können dem Anhang A entnommen werden.
Die Sätze sind im Korrekturauftrag so aufgelistet, dass sich deutschländische und
schweizerische Varianten möglichst abwechseln. Tabelle 2 führt die einzelnen Varianten
auf.
35
Tabelle 2: Die nationalen Varianten im Korrekturauftrag. Wortart Helvetismus Teutonismus Substantiv Abwart Fahrradfahrer (A, CH)
Autolenker (A) Klassenfahrt
Plache (A, süd-‐D) Gehalt (A)
Quai (A) Gehsteig (A)
Spital (A) Parks (A, CH)
Trottoir (süd-‐D) Vorfahrt
Velofahrer
Verb antönen hinzuziehen
beiziehen (A) grummeln
verunfallen veräppeln
zügeln
Präposition an + Lage bei + anfragen (A)
innert (west-‐A)
Adverb allenfalls durchweg
innerorts (west-‐A) vorab
Adjektiv allfällig (A) hellhörig (A)
diskussionslos lilafarben
Artikel die Limite der Bikini
entlang + Dativ die E-‐Mail
Total Anzahl Varianten 19 1647 Schlüssel: In den Klammern ist angegeben, in welchen nationalen Zentren die Variante ebenfalls
gebräuchlich ist: A = Österreich, D = Deutschland, CH = Schweiz.
Bei einigen Helvetismen und Teutonismen handelt es sich um unspezifische nationale
Varianten. Sie sind auch über die Landesgrenze hinaus gebräuchlich und müssten
deshalb streng genommen als Austro-‐Helvetismen (z.B. allfällig) oder Teuto-‐
Austriazismen (z.B. hellhörig) bezeichnet werden. Manche sind gar sehr unspezifische
nationale Varianten und kommen in allen drei Zentren vor (z.B. Plache). Zur
Bestimmung der nationalen Zugehörigkeit der Varianten dienten folgende vier
Wörterbücher: das VWB (2004), Meyer (2006), Bickel/Landolt (2012) und der Duden
(2013). Die schweizerischen Varianten werden in mindestens zwei Nachschlagewerken
aufgeführt und national markiert (siehe Tabelle 14 in Anhang B). Für die Teutonismen
gilt, dass sie im VWB (2004) unter der Bezeichnung deutschländisch aufgeführt, im
Duden aber nicht national gekennzeichnet werden (siehe Tabelle 15 in Anhang B).48
47 Der Korrekturauftrag enthält leicht mehr Helvetismen als Teutonismen. Das liegt einerseits daran, dass Teutonismen in Nachschlagewerken weitgehend unmarkiert aufgeführt werden. Es ist deshalb schwieriger, spezifisch deutsche Ausdrücke ausfindig zu machen. Andererseits musste bei der Auswahl darauf geachtet werden, dass die deutschen Varianten im Deutschschweizer Sprachgebrauch nicht allzu fremd klingen. 48 Es gibt zwei Ausnahmen: den Helvetismus allenfalls und den „Teutonismus“ Fahrradfahrer. Bei Bickel/Landolt (2012) ist das Adverb allenfalls als Helvetismus verzeichnet, im Duden (2013) wird es
36
Zu den Sätzen gibt es keine vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, denn der
Korrekturauftrag soll die Situation des Redigierens bzw. Korrigierens nachstellen. Die
Probanden sollen die Sätze auf ihre Angemessenheit beurteilen und gegebenenfalls
korrigieren. Zuvor werden sie informiert, dass es sich bei den 28 Sätzen um bereits in
Deutschschweizer Zeitungen publizierte Sätze handelt. Ähnlich wie in Scharloths
subjective-‐evalutation-‐tests wird die volle Absicht des Auftrages nicht bekannt gegeben.
Die Probanden sind im Unklaren darüber, dass die Hälfte der 28 Sätze Teutonismen
enthalten und sechs Sätze deutschen Zeitungen entstammen. Die Information wird
vorenthalten, um die Befragten auf ihre Akzeptanz deutschländischer Varianten zu
testen. Um einen Einblick in den individuellen Entscheidungsprozess zu erhalten,
werden die Probanden gebeten, ihre Arbeit mündlich zu kommentieren.
Der zweite Schritt der Untersuchung besteht aus einem halboffenen Interview.
Das halboffene Interview ist eine abgeänderte Form des offenen Interviews und wird in
qualitativen Erhebungen verwendet. Im offenen Interview wird darauf geachtet, „dass
der Interviewte die Chance hat, eigene thematische Relevanzsetzungen einzubringen
und seine Perspektive darzustellen“ (Kallmeyer 2005: 984). Da der Interviewer stets
eine bestimmte Absicht verfolgt, kann im offenen Interview ein thematischer Leitfaden
formuliert werden. Weicht der Interviewte zu stark von diesem Leitfaden ab, stellt der
Interviewer zusätzliche Fragen, die den Interviewten wieder auf die Thematik lenken
(ebd.). Im halboffenen Interview wird der Interviewte dagegen mit konkreten Fragen
konfrontiert, die offen formuliert sind. Dies gewährt den Befragten Handlungsspielraum
für die persönliche Ausführung der Perspektive. Das Verfahren zeichnet sich dadurch
aus, dass allen Interviewten die gleichen Fragen gestellt werden, wodurch, wie bei
quantitativen Erhebungen, Vergleiche zwischen den einzelnen Befragten gezogen
werden können. Das halboffene Interview gewährt neben den Vergleichen auch den
Einblick in die Spracheinstellung – oder soziale Realität, wie Kallmeyer (2005: 979) sie
bezeichnet – der Befragten.
Die Fragen sind auf eine Weise formuliert, die den Befragten möglichst viele
metasprachliche Äusserungen entlockt. Auf deren Wichtigkeit für die Erfassung der
Spracheinstellung weist bereits Hofer (2002: 224-‐225) hin. In spontanen Gesprächen
sucht er nach Kommentaren, „in denen die SprecherInnen in irgendeiner Weise über
nicht national markiert. Auch Meyer (2006) und das VWB (2004) führen allenfalls nicht auf. Die Variante Fahrrad wird nur von Meyer (2006) als deutschländisches Synonym für Velo aufgeführt. Das VWB (2004) und Bickel/Landolt (2012) verzeichnen Fahrrad mit dem Vermerk gemeindeutsch.
37
Merkmale und über deren Einschätzung, Gebrauch und Verortung ihrer eigenen
Sprachvarietät oder über Merkmale anderer [...] Varietäten“ (ebd.: 225) sprechen.
Für das halboffene Interview werden drei Themenbereiche mit jeweils drei bis
fünf Leitfragen definiert (siehe Anhang C). Vor dem Gespräch werden die Interviewten
informiert, dass sie nun einige Fragen zu ihrer Einstellung zum Hochdeutsch in der
Schweiz sowie ihrem Sprach-‐ und Schreibgebrauch beantworten sollen. Die Fragen sind
in folgende Themenblöcke eingeteilt:
Themenblock 1: Spracheinstellung und Plurizentrizitätsbewusstsein
Die Befragten sollen zu Beginn das Standarddeutsch der Schweizer mit dem
Hochdeutsch der Deutschen vergleichen und bewerten. Die Befragten geben dabei an,
wie sie die schweizerische Standardvarietät im Vergleich mit der deutschen einstufen.
Die Frage lehnt an Scharloths (2005: 39) Schlussfolgerung an, dass Deutschschweizer
die schweizerische Varietät mit weniger Prestige versehen als die deutsche.
Die zweite Frage spricht die monozentrische Sichtweise der Probanden an und
geht auf Schmidlins Studie (2011:287) zurück, aus der hervorgeht, dass befragte
Deutschschweizer die deutsche Standardsprache als eine Einheit auffassen und sie mit
der deutschländischen Standardvarietät gleichsetzen. Darüber hinaus sollen die
Probanden die deutsche Standardsprache verorten.
Mit der nächsten Frage beurteilen die Personen ihre eigene
Standardsprachkompetenz im Vergleich mit Deutschen.
Die oben genannten Fragen werden allesamt mit der Bitte gestellt, zwischen
mündlichen und schriftlichen Werturteilen zu unterscheiden. Siebenhaar/Wyler (1997:
17) haben bereits darauf hingewiesen, dass trotz „der Abwehrhaltung gegenüber der
gesprochenen Standardsprache die schriftliche Form des Hochdeutschen nicht in Frage
gestellt“ wird. Um in Erfahrung zu bringen, ob die geäusserten Werturteile nach
medialen Faktoren divergieren, werden die Probanden durch Rückfragen gebeten, ihre
Aussagen zu spezifizieren.
Die zwei letzten Fragen des ersten Themenblocks ergründen die
sprachtheoretischen Kenntnisse: Die Begriffe Schweizerhochdeutsch und Helvetismen
sollen definiert werden.
38
Themenblock 2: Sprach-‐/Schreibgebrauch
Der zweite Themenblock umfasst Fragen nach dem schriftsprachlichen Verhalten der
Zeitungsschaffenden.
Die erste Frage soll in Erfahrung bringen, ob und wo die diglossische
Sprachsituation für die Befragten ein Hindernis im Schreiballtag darstellt.
Einen besonders wichtigen Schwerpunkt der Erhebung betrifft hierzu die zweite
Frage: „Wie schweizerisch darf ein Zeitungsartikel sein?“. Schmidlin (2011: 176; 283)
und Scharloth (2005: 39) haben festgestellt, dass die Probanden den Helvetismen zwar
Berechtigung zuteilen, sie in konkreten Situationen aber dennoch vermeiden. Schweizer
Zeitungstexte erwiesen sich bei der Erarbeitung des VWB als eine wahre Fundgrube für
schweizerische Besonderheiten. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass die Antworten
zu diesem Thema aufschlussreich ausfallen werden und den Variantenreichtum
erklären.
Die dritte Frage des Themenblocks bezieht sich auf die sprachliche Überarbeitung
der verfassten Zeitungstexte. Probanden sollen ihre Vorgehensweise bei
Sprachunsicherheiten oder -‐schwierigkeiten erläutern und konsultierte
Nachschlagewerke angeben.
Themenblock 3: Zusätzliches
Im letzten, dritten Teil des Gesprächs stehen vier Zusatzfragen. Die erste betrifft
deutsche Zeitungsleute in der Deutschschweiz und ihre sprachlichen Schwierigkeiten
mit dem Schweizerhochdeutschen. Die Frage ermittelt, wie die Befragten ihre deutschen
Kollegen sprachlich einschätzen.
In der zweiten Frage sollen die Probanden, die zum Zeitpunkt der Befragung
länger als fünf Jahre journalistisch tätig sind, zu diachronischen Veränderungen in der
Zeitungssprache Stellung nehmen. Schmidlin (2011: 164) stellt fest, dass in jüngeren
Zeitungen Helvetismen abnehmen. Die Frage ermittelt, ob die Probanden diese
Entwicklung auch registrieren.
Die letzten zwei Fragen des Gesprächs sind Ja/Nein-‐Fragen: Sind sich die
Befragten einer standardsprachlichen Vorbildrolle, wie Ammon (1995: 73-‐82) sie
beschreibt, bewusst und sehen sich als Modellschreiber? Und, ist das plurizentrische
Sprachkonzept den Befragten bekannt?
39
3.4 Auswertung und Darstellung der Resultate allgemein
3.4.1 Vorgehen
In Kapitel 3.4.2 werden zunächst die Probanden vorgestellt. Kapitel 3.5 ist der
Auswertung und Diskussion des halboffenen Interviews gewidmet: Nach
Vorbemerkungen zu den Resultaten (3.5.1) folgt die Darstellung der im Interview
gestellten Fragen. Der Aufbau der Auswertung entspricht der Reihenfolge der
Interviewfragen: Kapitel 3.5.2 – 3.5.5 behandeln Fragen zu Spracheinstellungen und
Plurizentrizitätsbewusstsein; Kapitel 3.5.6 – 3.5.8 Äusserungen zum individuellen
Sprach-‐ und Schreibgebrauch; Kapitel 3.5.9 – 3.5.11 Antworten auf die Zusatzfragen,
wobei die Schwierigkeiten der in der Deutschschweiz arbeitenden deutschen
Journalisten (= die erste Zusatzfrage) im Kapitel 3.5.6 mit den Schwierigkeiten der
Deutschschweizer Journalisten ausgewertet werden. Kapitel 3.6 geht auf das
Plurizentrizitätsbewusstsein der Probanden ein, das anhand der im Interview
geäusserten Spracheinstellungen und dem ausgedrückten Schreib-‐/Sprachgebrauch
ermittelt wird. Der Korrekturauftrag wird in Kapitel 3.7 ausgewertet und diskutiert.
Dabei werden die Resultate auch mit Ammons Erhebung (1995: 436-‐447) des
Korrekturverhaltens von Schweizer Lehrpersonen verglichen. Den Abschluss der
durchgeführten Erhebung bildet Kapitel 3.8. Darin wird das im Interview ermittelte
Plurizentrizitätsbewusstsein mit dem im Korrekturauftrag gefundenen Verhalten in
Verbindung gesetzt. Das Fazit in Kapitel 3.9 rundet die Erhebung letztlich ab.
Es soll hier angemerkt werden, dass es sich bei der vorliegenden Erhebung um
eine Fallstudie handelt. Die gemachten Aussagen sind deshalb als Tendenzen zu werten.
Es werden keine Rückschlüsse auf die gesamte Deutschschweizer Zeitungslandschaft
gezogen.
Die folgende Auswertung wurde mit Microsoft Excel 2011 durchgeführt.
3.4.2 Die Probanden
Die Kriterien in der Wahl der Probanden waren die Anstellung bei einer
Deutschschweizer Zeitung sowie die überregionale Reichweite und der sprachliche
Qualitätsanspruch der Zeitung. Die befragten Zeitungsleute schreiben für Basler Zeitung
(BaZ), bz Basel, Tages-‐Anzeiger (TA), Neue Zürcher Zeitung (NZZ), NZZ am Sonntag
(NZZaS), NZZ Folio, der Bund, Freiburger Nachrichten und Berner Zeitung. Die Freiburger
Nachrichten sind zwar keine überregionale Qualitätszeitung wie die NZZ oder der TA,
stellen aber als einzige deutschsprachige Zeitung der Stadt Fribourg eine wichtige
40
Sprachquelle für die dort wohnhafte deutschsprachige Bevölkerung dar. Die
standardsprachliche Vorbildrolle dieser Zeitung dürfte deshalb im Stil der übrigen
Zeitungen sein.
Tabelle 3 gliedert die befragten Personen nach Zeitungsnamen und Berufsfeld.
Tabelle 3: Befragte Zeitungsleute aufgeteilt nach Zeitungsnamen und Berufsfeld. Zeitung Anzahl befragter
Personen Schreiben eigene Texte
Arbeiten in der Redaktion
Arbeiten im Korrektorat
BaZ 6 5 2 1 bz Basel 4 4 3 NZZ am Sonntag 2 2 2 NZZ 3 2 2 1 NZZ Folio 1 1 1 TA 6 5 1 der Bund 5 5 1 Freiburger Nachrichten
2 2 1
Berner Zeitung 2 2 Selbstständige/ Ehemalige
3 3 2
Total 34 31 14 3
Insgesamt wurden 34 Zeitungsleute befragt. Darunter befinden sich drei deutsche
Journalisten aus den Zeitungshäusern der BaZ und NZZaS. Von den 34 Befragten
schreiben 31 eigene Texte. Drei Personen arbeiten auf dem Korrektorat und verfassen
somit keine Zeitungstexte, sondern korrigieren die der anderen. Von den 31 Journalisten
sind 14 in der Redaktion tätig. Drei der 34 Befragten arbeiten nicht (mehr) für eine
bestimmte Zeitung: eine Person arbeitet selbstständig für diverse Zeitungen, darunter
auch TA und NZZ; eine weitere hat nach jahrelanger Anstellung in der BaZ eine eigene
PR Firma; ein pensionierter Journalist und Redaktor von der Bund hat sich während
seiner journalistischen Tätigkeit für sprachpflegerische Aspekte eingesetzt und ist nun
sprachwissenschaftlich tätig.
Wie folgende Tabelle zeigt, stammen die 34 befragten Personen aus
unterschiedlichen Ressorts.
41
Tabelle 4: Auflistung der Befragten nach Ressort (n=34). Ressort Anzahl befragter Personen Ausland 3
Lokal 12
Politik 2
Wirtschaft 4
Kultur 3
Online-‐Nachrichten 3
Korrektorat 3
diverse Themen 4
Total 34
Die Auswahl der Befragten konnte nur teilweise gesteuert werden, da willige Probanden
nicht leicht zu finden waren. 45 Minuten im journalistischen Alltag sind wertvolle Zeit,
die nur wenige bereit sind in ein Interview mit Korrekturauftrag zu investieren. Deshalb
wurde bei der Suche nach den Probanden auf Beziehungen und persönliche Kontakte
gesetzt. Dementsprechend ist die Verteilung der Befragten auf die Ressorts weitgehend
zufällig entstanden.
Neben dem Ressort sind Geschlecht und Berufserfahrung die einzigen zusätzlich
erhobenen demographischen Daten. 14 der Befragten sind weiblich, 20 männlich. Die
Berufserfahrung reicht von 1,5 bis mehr als 40 Jahren mit einem Mittelwert von 17,4
Jahren.
3.5 Die verbal geäusserten Spracheinstellungen und das Sprach-‐ und
Schreibverhalten
3.5.1 Vorbemerkungen Damit die Befragten ihren eigenen Standpunkt möglichst breit ausführen konnten,
wurden die Fragen offen formuliert. Das bedeutet, dass vorweg keine
Auswertungskriterien angesetzt waren, sondern aus den erhobenen Daten hergeleitet
wurden. Die gewählte Methode generierte zudem einen grossen Korpus an
metasprachlichen Kommentaren. Die folgenden Kreisdiagramme und Tabellen sollen die
grosse und vielfältige Menge der Resultate überschaubar halten.
42
3.5.2 Das Hochdeutsch der Schweizer: schlechtes Hochdeutsch? Die Frage nach der Prestige des Schweizerhochdeutschen lautete: „Sprechen und
schreiben Deutschschweizer im Vergleich mit Deutschen ein schlechteres
Hochdeutsch?“
Abbildung 1: Antworten auf die Frage „Sprechen und schreiben
Deutschschweizer im Vergleich mit Deutschen ein schlechteres Hochdeutsch?“ (n=34).
Den Befund Scharloths (2005: 39), gutes Standarddeutsch bedeute für
Deutschschweizer deutschländisches Standarddeutsch, unterstützen nur sieben der
befragten Zeitungsleuten (20%). Sie beantworten die Frage mit Ja. Das Hochdeutsch der
Schweizer sei eine Abart (1)49 oder primitive Version (1) der deutschländischen
Standardsprache. Eine Person meint abwertend, die Schweizer versuchten ein eigenes
Hochdeutsch zu erfinden, das schlechter und weniger geschliffen sei und in der Schule
vermittelt werde. Die Personen beziehen sich in ihren Aussagen sowohl auf das
Mündliche als auch auf das Schriftliche – der Satzbau der Schweizer erscheint den
Personen umständlicher, uneinheitlicher und stilistisch nicht so gut wie der der
Deutschen.
16 Personen (48%) werten das Hochdeutsch der Schweizer nicht per se als
schlechtes Hochdeutsch, finden aber, eine gute Standardsprachkompetenz sei
Übungssache. Ein Schweizer beherrsche gleichermassen gutes Hochdeutsch wie ein
Deutscher, wenn er im Standardsprachgebrauch geübt sei. Aufgrund der Diglossie
verinnerlichten Schweizer jedoch die mündliche Standardsprache seltener als Deutsche 49 Die Zahlen in Klammern geben die Anzahl Nennungen an.
20%
48%
20%
12%
Ja
Nein, Übungssache
Nein
Nicht zu werten
43
und treten somit vermehrt weniger kompetent auf, meinen einige. Das (ungeübte)
Schweizerhochdeutsch wird von den Befragten als umständlich formuliert (2),
unbeholfen (3), weniger geschmeidig (1), dümmlich (1), hässlich (1), rau (2), langsamer
(1), holprig (1), weniger souverän (1), bäuerisch (2) oder gar peinlich (1) bezeichnet. Vier
Mal werden Schweizer Politiker als Beispiel für Sprecher eines typisch schweizerischen
Hochdeutschs genannt. Für eine Person beabsichtigen Politiker mit übermässig
gefärbtem Standardsprachgebrauch und wiederholt wörtlichen Übersetzungen aus der
Mundart Volksnähe. Eine Person meint, das schlechtere Hochdeutsch der Schweizer
entspringe sprachlicher Faulheit. Zwei weitere Personen führen die unbeholfene Art, mit
der Schweizer Hochdeutsch sprechen, auf die Schweizer Mentalität zurück. Es sei des
Schweizers Eigenart, alles richtig machen zu wollen. Dies schlage sich auch in
schwerfälligen Formulierungen nieder. Im Vergleich mit dem Schweizerhochdeutschen
erhält das Hochdeutsch der Deutschen Bezeichnungen wie eloquenter (5), eleganter (2),
rhetorisch geschliffener (3), präziser (2), bewandter (1), fliessender (1), runder (1) und
schöner (1). Die sprachliche Eloquenz der Deutschen wird ebenfalls als Teil der
Mentalität gesehen (3). Deutsche und Schweizer unterschieden sich, unabhängig davon,
ob sie Standardsprache oder Dialekt sprechen, in ihrer Art, Gespräche zu führen:
Deutsche reden spontaner und unüberlegter, während Schweizer ihre Worte
besonnener und kontrollierter wählen. Das „Stereotyp vom deutschen
Schnellschwätzer“ (Ammon 1995: 487) wird von acht Befragten angesprochen. Fünf
bezeichnen den daraus entspringenden Minderwertigkeitskomplex der Schweizer als
unberechtigt.
Für sieben Personen (20%) ist das Hochdeutsch der Schweizer nicht schlechter,
sondern einfach anders (4). Es wird darauf hingewiesen, dass auch innerhalb
Deutschlands soziale und regionale Unterschiede bestehen (2), dass auch
österreichisches Deutsch anders sei (1), dass es sowohl in der Schweiz wie in
Deutschland schlechte Sprecher und Schreiber gebe (3) und dass gutes Hochdeutsch
nicht vom Akzent abhängig (7) oder variantenbedingt (1) sei. Vielmehr komme es
darauf an, grammatikalisch richtig zu schreiben und zu sprechen, bemerken zwei
Befragte. Insgesamt wehren sich die sieben Personen gegen die Auffassung, Deutsche
könnten wegen ihrer nationalen Zugehörigkeit besser Hochdeutsch als Schweizer.
Vier Personen (12%) äussern sich kurz und knapp: Die unterschiedlichen Arten
des Hochdeutschen seien nicht zu werten.
44
Die Befragten kritisieren öfters die mündliche als die schriftliche
Standardsprachkompetenz der Schweizer. Drei Personen empfinden die schriftliche
Sprachkompetenz der Schweizer besser als diejenige der Deutschen. Grund dafür sehen
sie in der deutlicheren Trennung von Dialekt und Standard. Schweizer pflegten durch
die Diglossie einen bewussteren und bedachteren Umgang mit dem Hochdeutschen und
schrieben seltener als Deutsche in saloppem Stil. Zwei Befragte nehmen allerdings das
genaue Gegenteil wahr. Sie finden, Deutsche schrieben in besserem Stil als Schweizer.
Insgesamt 27 der 34 Personen wehren sich gegen eine pauschale Abwertung des
Schweizerhochdeutschen; die schweizerische Standardvarietät geniesst somit bei den
meisten befragten Zeitungsleuten ein hohes Prestige. Schlechtes Hochdeutsch ist kein
nationales Merkmal, wie Rohr (2010: 47) es behauptet. Ein Schweizer muss kein
schlechtes Hochdeutsch sprechen, nur weil er ein Schweizer ist.
Die Frage nach dem Sprachprestige des Schweizerhochdeutschen bewegte
22 Befragte, sich zum Fremdsprachencharakter der Standardsprache zu äussern. 12
davon empfinden die Standardsprache als halbe Fremdsprache (3), als eine
Fremdsprache im Mündlichen (3) und für Ungeübte (2) oder als eine Sprache, die
zwischen Mutter-‐ und Fremdsprache fällt (4). Eine dieser Personen bezeichnet
Standarddeutsch als Zwittersprache. Die eindeutige Zuordnung der Standardsprache
fällt diesen Befragten erwartungsmässig schwer, da, wie bereits Hägi/Scharloth (2005)
belegen, Hochdeutsch weder des Schweizers Mutter-‐ noch Fremdsprache ist. Die
Unsicherheit der Zuordnung führt dazu, dass sechs weitere Personen Hochdeutsch als
Fremdsprache, vier andere aber als Muttersprache bezeichnen. Im Vergleich mit
Scharloths (2005: 36) Umfrage, in der beinahe 75% der Befragten Hochdeutsch als
Fremdsprache erachten, sind dies in der vorliegenden Erhebung bedeutend weniger,
nämlich nur gerade 18% (sechs Personen).
Die Stellung der Standardsprache in der Schweiz lässt sich auch anhand den
Termini Abstandssprache und Ausbausprache erklären (vgl. Löffler 2010: 59-‐60).
Fremdsprachen sind typische Abstandssprachen. Sie stehen in einem sprachlichen
Abstand zueinander und unterscheiden sich auf diversen sprachlichen Ebenen
voneinander, so dass das Beherrschen der einen nicht das Verständnis der anderen
garantiert. Im Gegensatz zu Abstandssprachen stehen Ausbausprachen in keinem so
grossen linguistischen Abstand zueinander. Sie sind Dialekte oder Umgangssprachen,
die sprachlich miteinander verwandt, aber unterschiedlich ausgebaut sind. Sowohl die
Schweizer Dialekte als auch die deutsche Standardsprache sind deutschen Ursprungs
45
und die Unterschiede zwischen ihnen sind nicht so markant wie die der
Abstandssprachen. Anders als bei Fremdsprachen gewährt das Beherrschen der einen
Varietät (Dialekt) mit gewissen Einschränkungen auch das Verständnis der anderen
(Standardsprache). Es gibt nun aber Situationen, in denen Ausbausprachen in die Nähe
von Abstandssprachen rücken. Dies trifft zu, wenn Dialekte „in allen Bereichen der
Sprachverwendung die ‚Übersprache’ [=Standarddeutsch] ersetzen können, wie dies z.B.
beim Schweizerdeutschen der Fall ist und was zu einer Art innersprachlichem
Bilingualismus führt“ (ebd.). In der Tat, alles, was in Standardsprache geschrieben wird,
kann mündlich ins Schweizerdeutsche „übersetzt“ werden. Eine befragte Person beruft
sich auf diese Gegebenheit und bezeichnet sich als in der deutschen Sprache bilingual.
3.5.3 Gibt es einen einzigen Standard, nach dem sich die Schweizer richten
sollen?
Abbildung 2: Antworten auf die Frage „Gibt es ein einziges, „wahres“
Standarddeutsch?“ (n= 34).
In dieser Hinsicht scheiden sich die Geister. Die Frage nach einem einzig wahren
deutschen Standard wird von beinahe der Hälfte der Befragten (15 Personen, 44%)
verneint. Es wird gekontert, dass Schweizer Ausdrücke die gleiche standardsprachliche
Berechtigung geniessen wie deutsche (5). Eine Person zieht den Vergleich mit der
französischen Sprache bei. Anders als Französisch sei Deutsch nicht zentralisiert, so
dass mehrere deutsche Varianten zulässig seien. Drei Personen sehen die lokalen
Unterschiede als Bereicherung und die Vermeidung regionaler Besonderheiten als
sprachliche Verarmung an. Eine Person verweist auf den Kunstcharakter der deutschen
Standardsprache. Man strebe zwar nach einem einzig wahren Standard, doch selbst in
32%
21%
44%
3%
Ja
keine klare Aussage
Nein
weiss nicht
46
Deutschland werde dieser nie erreicht. Eine andere Person bemerkt, dass die
einheitliche Standardsprache eine gängige Vorstellung sei, die dadurch entlarvt werde,
dass nach wie vor keine eindeutigen Zuordnungskriterien gefunden werden konnten.
Gleiches wird von einem deutschen Journalisten bemerkt, der anhand der Varianten
Hubschrauber und Helikopter erklärt, nationale Varianten seien nicht in korrektere und
weniger korrekte einzuteilen. Folglich könne man nicht von einem einzig wahren
Standard sprechen. Zwei Personen bedauern allerdings den Verlust des wahren
Standards, der ihrer Meinung nach bis vor der Rechtschreibreform 1998 vom Duden
gewährleistet wurde.
Weitere elf Personen (32%) vertreten eine monozentrische Sichtweise. Sie
bejahen die Frage, wobei sechs der Ansicht sind, die normierte Einheit lasse Spielraum
für nationale Eigenheiten. Drei der Befürworter definieren Standarddeutsch als die
gemeinsame Sprache aller Deutschsprachigen. Eine Person beschränkt ihre Aussage auf
die Schriftlichkeit; einen mündlichen Standard gebe es nicht.
Erstaunlich ist, dass sieben Personen (21%) keine eindeutige Stellung zur Frage
einnehmen. Ihre Aussagen sind ausweichend und unstimmig. Eine Person bemerkt die
Widersprüchlichkeit ihrer Ausführungen, als sie die Frage zuerst bejaht, sich dann aber
in der Definition des einheitlichen Standards verstrickt. Das Beispiel verdeutlicht die
fehlende Definition des Begriffs Standardsprache (vgl. Löffler 2005). Um die Frage, ob es
einen einzigen Standard gebe, beantworten zu können, mussten sich die Personen
zunächst der Definition von Standardsprache bewusst werden. Da es dafür keine
befriedigende Auslegung gibt, fallen Antworten darauf schwer. Die Personen sind
dadurch unentschlossen, ob Schweizer Varianten eine eigene Standardvarietät
beschreiben können oder ob sie dem deutschländischen Standard zuzuordnen sind.
Schon Hägi/Scharloth (2005) verweisen auf diese Problematik. Deutschschweizer
hätten generell zwar keine Mühe, den Unterschied zwischen dem deutschen und
schweizerischen Standarddeutsch wahrzunehmen, könnten ihn aber nicht mit dem
„Idiom ‚Standarddeutsch’“ (ebd.: 43) verbinden. Der Begriff Standardsprache tritt
gewohnheitsmässig nur im Singular auf und umschliesst beide Varietäten. Die Mehrzahl
des Begriffs ist nicht üblich und somit vielen nicht bewusst. Die Antworten auf die Frage
nach einem einzigen Standard zeigen ausserdem, dass unter den Befragten grösstenteils
„kein Bedürfnis [besteht], den Begriff [Standarddeutsch] zu hinterfragen oder
terminologisch zu schärfen“ (Kellermeier-‐Rehbein 2013: 3). Es wird stattdessen meist
„intuitiv für sich entsch[ie]den, was als ‚richtiges und gutes Deutsch’ gelten kann“ (ebd.).
47
Dieses mangelnde Bedürfnis ist, nach Kellermeier-‐Rehbein, die Ursache für die
anhaltende monozentrische Sichtweise auf die Standardsprache.
Abbildung 3 zeigt die Antworten auf die in diesem Zusammenhang gestellte
Zweitfrage, ob sich Schweizer schriftlich und mündlich nach den Deutschen richten
sollen.
Abbildung 3: Antworten auf die Frage „Sollen sich Schweizer
mündlich und schriftlich am Hochdeutsch der Deutschen bzw. an Deutschland orientieren?“ (n= 34).
Die knappe Mehrheit (18 Personen; 53%) ist dagegen, dass sich die Deutschschweizer
sprachlich an den Deutschen orientieren. Als Orientierungspunkte für den
hochdeutschen Sprachgebrauch werden die Schweizer Leserschaft (8), das Schweizer
Radio und Fernsehen (2), die Schweizer Literatur (3), die Regierung (1) und die NZZ (3)
genannt. Die standardsprachliche Ausrichtung nach der (Schweizer) Presse sei
allerdings heikel, gibt eine Person zu bedenken, da nicht alles Gedruckte sprachlich auch
gut und somit korrekt, sei. Sieben Personen erinnern daran, dass auch in Deutschland
keine sprachliche Einigkeit herrscht, nach der man sich richten könnte. Für zwei Person
ist der Duden normvorgebend, während eine befragte Journalistin einwendet, es sei
letztendlich jedem Einzelnen überlassen, woran er sich sprachlich orientieren wolle und
das sei auch gut so.
Neun Personen (26%) befürworten die sprachliche Ausrichtung nach
Deutschland unter gewissen Umständen. Fünf dieser Personen finden, Eigenheiten
sollten nur innerhalb der Schweiz und im Austausch mit Schweizern gepflegt werden.
18%
26% 53%
3%
Ja
Ja, unter Bedingungen
Nein
keine Aussage
48
Werde über die Grenze hinaus kommuniziert oder im eigenen Land mit
Anderssprachigen, sollte der Sprachgebrauch angepasst und auf schweizerische
Eigenheiten zugunsten von deutschländischen Ausdrücken verzichtet werden.
Verständlichkeit sei wichtiger als das Festhalten an Eigenheiten, meinen diese Personen.
Ein deutscher Redaktor gibt an, die Orientierung am deutschländischen Standard sei im
Austausch mit Deutschen vorteilhaft, da die Standardsprachkompetenz in Deutschland
sozial markiert ist. Spricht ein Deutscher schlechtes Hochdeutsch, bedeutet dies eine
schlechte Bildung. Für Schweizer, die sich in Deutschland aufhalten, gelte dasselbe. Eine
andere Person meint, man solle sich nur schriftlich an Deutschland orientieren, denn die
Deutschen pflegten eine mündliche Vielfalt, wonach man sich nicht richten könne. Eine
andere Person behauptet das Gegenteil: Deutschland sei vor allem im mündlichen
Bereich uneingeschränkter Referenzpunkt für die Schweizer. Eine weitere Person findet,
das Hochdeutsch in der Schweiz sei primär in der Schule verortet und die sprachliche
Orientierung geschehe nicht an Deutschland, sondern an der allgemeinen, guten, d.h.
geschmeidigen und unmittelbaren, deutschen Sprache.
Sechs Personen (18%) bejahen die Frage und empfinden Deutsche als
standardsprachliche Vorbilder für Schweizer. Nur eine Person (3%) nimmt keine
Stellung zur Frage.
49
3.5.4 Die eigene Standardsprachkompetenz im Vergleich mit deutschen Kollegen Die Schweizer unter den Befragten wurden gebeten, ihre Standardsprachkompetenz mit
deutschen Kollegen zu vergleichen.
Abbildung 4: Antworten auf die Frage: „Wie gut stufen Sie Ihre eigene
Standardsprachkompetenz im Vergleich mit deutschen Kollegen ein?“ (n=31).
Die Befragten schätzen ihre Kompetenz im Hochdeutschen grösstenteils gut ein. Nur
zwei Personen (6%) geben an, sich nicht routiniert zu fühlen. Von den 21 Personen
(68%), die ihre standardsprachliche Kompetenz im Vergleich mit Deutschen gut
einschätzen, passen sich neun entweder in der Aussprache oder in der Wortwahl an ihr
deutsches Gegenüber an. Diese Personen unterscheiden zwischen einem Standard nach
innen und einem Standard nach aussen (vgl. Hägi 2006: 45). Mit Deutschschweizern wird
ein schweizerisches Standarddeutsch gepflegt, mit Nicht-‐Schweizern hingegen ein
neutraleres, der deutschländischen Varietät angeglichenes Hochdeutsch. Eine Person
gibt an, sie wolle nicht wie ein Trampel dastehen und vermeide deshalb einen allzu
schweizerischen Akzent. Eine weitere meint, die Anpassung an die deutschländische
Standardvarietät geschehe meist unbewusst. Weniger Anpassung wird in Bezug auf den
schriftlichen Sprachgebrauch registriert. Solange aus dem Kontext erschlossen werden
könne, was gemeint ist, befürworten beinahe alle diese Befragten schweizerische
Eigenheiten. Das finden auch drei weitere Befragte (10%), die sich schriftlich den
Deutschen ebenbürtig fühlen, im mündlichen Gespräch aber unterlegen und von der
68%
16%
10%
3% 3%
gut
gut, aber schlechter als Deutsche
schriftlich gut, mündlich schlechter als Deutsche
es geht
nicht so gut
50
deutschen Rhetorik überwältigt. Fünf weitere Personen (16%) schätzen ihre Kompetenz
zwar gut ein, aber schlechter als die der Deutschen.
Im Vergleich mit Scharloths (2005) Probanden zeigen sich die befragten
Zeitungsleute selbstbewusster. Nur zwei Personen (6%) zweifeln an ihrer
Standardsprachkompetenz; bei Scharloth (ebd.: 37) sind es rund ein Drittel der
Probanden.
3.5.5 Definitionen – Schweizerhochdeutsch und Helvetismen Obschon sich sämtliche Befragte gegen die grundlegende Abwertung des
Schweizerhochdeutschen wehren (vgl. Kapitel 3.5.2), fallen die Antworten auf die Frage
„Was ist Schweizerhochdeutsch?“ erstaunlich negativ aus. 15 Personen (44%) finden,
Schweizerhochdeutsch sei eine schlechtere Variante des deutschländischen
Hochdeutschs. Sie beschreiben es als langsamer (6), grob (1), rauer (2), behäbig (1),
umständlich und unglaubwürdig (3), weniger präzis (1), beschwerlich (1). Vier Personen
definieren das Schweizerhochdeutsch als ein Hochdeutsch mit übermässigem Akzent,
der einmal die Bezeichnung bäuerisch und ein andermal schrecklich erhält. Für weitere
vier Personen bedeutet Schweizerhochdeutsch fehlerhaftes Deutsch. Drei Personen
sehen es als die wörtliche Übersetzung der Mundart. Eine andere definiert
Schweizerhochdeutsch als ein Zwischending zwischen Schweizer Mundart und
Hochdeutsch, das Inkompetenz erkennen lasse. Die schweizerische Standardvarietät
wird von fünf Personen mit Schweizer Politikern in Verbindung gebracht: Zwei
Personen finden, der Standardsprachgebrauch des Altbundesrats Adolf Ogi sei typisches
Schweizerhochdeutsch; jemand anders meint, vor allem SVP Politiker würden ein
übertriebenes Schweizerhochdeutsch sprechen; zwei weitere Person bezeichnen Ueli
Maurers und Doris Leuthards Schweizerhochdeutsch als holprig und unglaubwürdig.
Acht Probanden fallen mit ihren Antworten besonders auf. Sie widersprechen
sich in der Definition des Begriffs Schweizerhochdeutsch und der Antwort bezüglich des
Sprachprestiges der Varietät: In der Frage, ob das Hochdeutsch der Schweizer generell
schlechter sei als das der Deutschen, bezeichnen sie das Schweizerhochdeutsch nicht als
defizitär, in der Frage nach der Definition allerdings schon. Der Widerspruch entsteht
dadurch, dass der Begriff Schweizerhochdeutsch nicht als das Synonym zu schweizerische
Standardvarietät aufgefasst wird, sondern als eine sprachliche Sonderart, die negativ
konnotiert ist. Hierauf verweist ein pensionierter Journalist und zieht den Vergleich mit
Österreich bei. In Österreich spreche man österreichisches Hochdeutsch und nicht
51
Österreicherhochdeutsch. Letzteres existiere als Terminus deshalb nicht, weil an ihm
eine negative Bedeutung hafte. Im Falle des Schweizerhochdeutsch verhalte sich das
nicht anders. Schweizerhochdeutsch bezeichne eine übermässig schweizerisch gefärbte
Variante des neutral zu wertenden schweizerischen Hochdeutschs. Auf die doppelte
Bedeutung des Begriffs Schweizerhochdeutsch hat bereits Maeder (1948: 5) hingewiesen
(vgl. Kapitel 2.7.2). Er unterscheidet zwischen einer im weiteren Sinne neutralen und
einer im engeren Sinne negativen Definition. Eine befragte Chefredaktorin äussert
denselben Unterschied. Allerdings fasst sie Schweizerhochdeutsch im engeren Sinne
merklich negativer auf: Es umschreibe ein sehr schlechtes und fehlerhaftes
Hochdeutsch.
15 Befragte (44%) beziehen sich in ihren Aussagen auf Maeders Definition im
weiteren Sinne. Sie zählen folgende wertneutrale Unterschiede zwischen der
schweizerischen und deutschländischen Standardvarietät auf: Wortwahl (11),
Helvetismen (7), Aussprache und Akzent (8), regionale Besonderheiten (3), Satzstellung
(4), Redewendungen/Formulierungen (3), Silbenbetonung (3), französische Fremdwörter
(2), grammatikalische Unterschiede wie Genus (2), Präpositionen (2) und Tempus (3).
Vier dieser Personen bemerken zudem, dass Schweizerhochdeutsch auch Dialektwörter
resp. Dialekt-‐Helvetismen umfasse.
Drei Personen (9%) werten das schweizerische Hochdeutsch positiv. Es sei
bodenständiger (2), weniger harsch (1), sympathischer (1), einfacher (1) und herzig (1).
Eine Person meint, Schweizerhochdeutsch sei die nicht ganz private Variante der
Muttersprache (=Dialekt); sie sei wie eine Beiz. Man ist dort nicht zu Hause, fühlt sich
aber auch nicht unwohl. Eine Person (3%) meint, sie könne Schweizerhochdeutsch nicht
definieren.
52
Auf die Frage „Was sind Helvetismen?“ zeigen sich die meisten Befragten kundig:
Tabelle 5: Antworten auf die Frage „Was sind Helvetismen?“. Aussagen Anzahl Nennungen in der Schweiz verwendete Wörter 12 Wörter wie Velo 11 Als Beispiel Trottoir 10 Mundartwörter 8 standardsprachliche Mundartwörter 5 Schweizer Wörter ohne deutsches Pendant 5 Es gibt zwei Arten: mundartliche und standardsprachliche 4 Schweizer Wörter, die für Deutsche unverständlich 4 nicht standardsprachliche Mundartwörter 3 Schweizerische Formulierungen 3 Als Beispiel zügeln 3 im Duden als schweizerisch markiert 2 Als Beispiel Spital 2 französische Wörter 2 Schweizerische Aussprache 1 Schweizerische Satzstellung 1 Total 76
Viele Befragte wissen gut bis sehr gut über Helvetismen Bescheid. Die Bezeichnung ist
ihnen geläufig und sie äussern sich differenziert. Helvetismen werden meistens mit dem
Schweizer Dialekt in Verbindung gesetzt und als Mundartwörter (8) oder
standardsprachlichen Mundartwörtern (5) umschrieben. Eine Person bezeichnet
Helvetismen als Versteinerungen der Mundart. Das Gleichsetzen der Helvetismen mit
Dialektwörtern entspringt der Erfahrung, dass die meisten Helvetismen aus dem
mündlichen Sprachgebrauch der Schweizer, also aus dem Dialekt, stammen. Dazu zählen
auch Wörter, die ihren Ursprung nicht im Schweizerdeutschen haben, sondern
beispielsweise im Französischen. So etwa Velo und Trottoir. Sie werden besonders
häufig (11 resp. 12 Mal) als Beispiele für Helvetismen genannt. Ammon (1995: 100) gibt
zu bedenken, dass Sachspezifika wie Kanton und Bundesrat streng genommen keine
nationalen Varianten, also Helvetismen, darstellen, da sie nicht variabel sind; ein Kanton
ist nicht dasselbe wie ein Bundesland. Die Befragten zählen solche Sachspezifika – oder
Kultur-‐Zentrismen (Hägi 2006: 58) – ebenfalls nicht zu Helvetismen; für sie sind
Helvetismen in erster Linie Wörter aus der Mundart, die ein gemeindeutsches oder
fremdnationales Pendant haben, wie beispielsweise zügeln (umziehen), Velo (Fahrrad),
Trottoir (Gehsteig).
53
Vier Personen unterscheiden, wie bei der Definition von Schweizerhochdeutsch,
zwei Arten von Helvetismen: gröbere Helvetismen, die mundartlich sind und nur für
bestimmte Zwecke standardsprachlich eingesetzt werden dürfen und weniger grobe
Helvetismen, die standardsprachlich akzeptiert sind und bedenkenlos in Texte
eingeflochten werden können. Drei Personen definieren Helvetismen schliesslich als
nicht standardsprachliche Mundartwörter, die es in standardsprachlichen Texten zu
vermeiden gilt.
3.5.6 Schreiben in der diglossischen Sprachsituation resp. als Deutscher in der Deutschschweiz
Die 31 Schweizer unter den Befragten wurden gefragt, ob ihnen die diglossische
Sprachsituation im Schreiballtag Schwierigkeiten bereite.
Abbildung 5: Antworten auf die Frage: „Ergeben sich für Sie aus
der diglossischen Sprachsituation standardsprachliche Schwierigkeiten beim Schreiben?“ (n=31).
28 der Befragten (90%) verneinen die Frage. Fünf bemerken gar das Gegenteil: Die
Diglossie wirke sich positiv auf ihr Schreiben aus, denn durch die strikte Trennung von
Mundart und Schriftsprache würden sie ihre Tätigkeit aufmerksamer und bewusster
ausführen. In diesem Zusammenhang bemerkt eine Korrektorin, dass sie häufiger
Deutsche als Deutschschweizer sprachlich unreflektiert erlebe. Deutsche Bewerber
gingen des Öfteren ihrer Herkunft wegen davon aus, sie schrieben gutes Hochdeutsch.
Bei Schweizern habe sie diese Selbstüberzeugung bisher nicht angetroffen. Sechs der
Befragten wechseln während des Verfassens eines Textes in einen anderen Modus. Vier
weiteren Personen bereitet die Diglossie nur Schwierigkeiten in der Transkription von
90%
10%
Nein
Ja
54
Interviews oder Gesprächen, die in Mundart durchgeführt wurden. Es sei zeitweise
schwierig, den in Mundart ausgedrückten Sachverhalt inhaltsgetreu in die
Standardsprache zu übertragen, meint eine Person. Auswirkungen der Diglossie stellen
drei weitere Personen ausserdem nicht bei sich fest, sondern bei Mitarbeitenden. Vor
allem jüngere, unerfahrene Kollegen seien sprachlich noch nicht gefestigt und schrieben
fehlerhaft. Sie wagen nicht, mit schweizerischen Besonderheiten zu spielen, meint ein
Redaktor, der junge Journalisten betreut.
Nur drei der 31 Befragten (10%) geben an, die Diglossie wirke sich negativ auf
ihre Schreibpraxis aus. Für eine Person bedeutet Hochdeutsch den Verlust der
sprachlichen Seele, die der Mundart innewohnt. Eine andere vergleicht das Schreiben im
Standarddeutsch mit dem Schreiben in einer Fremdsprache. Die dritte Person sieht die
Schweizer Mundart als Handikap, denn sie beschere den Schweizern einen kleinen
Wortschatz. Dies äussere sich im Schreiben dadurch, dass wiederholt nach Worten
gerungen werden müsse.
Die drei deutschen Journalisten wurden an dieser Stelle gefragt, ob sie beim
Verfassen von Texten für eine Deutschschweizer Zeitung auf sprachliche
Schwierigkeiten treffen. Bis auf ein paar Fälle, in denen sie von einem Schweizer
Kollegen wegen zu deutscher Formulierung korrigiert werden, fallen den Befragten
keine sprachlichen Hürden auf. Ein Journalist meint, der schweizerische Fachjargon in
der Wirtschaft unterscheide sich vom deutschen. Die gängigen Bezeichnungen seien
anders und daran habe er sich zuerst gewöhnen müssen.
Die Frage, ob das journalistische Schreiben deutschen Zeitungsleuten in der
Schweiz Schwierigkeiten bereite, wurde auch den 31 Deutschschweizern gestellt.
55
Abbildung 6: Antworten auf die Frage „Haben deutsche
Journalisten, die für Deutschschweizer Zeitungen schreiben, irgendwelche sprachlichen Schwierigkeiten?“ (n=34).
15 Personen (48%) antworten auf die Frage mit Nein. Nur ganz selten und wenn
überhaupt müssten einzelne Formulierungen an den Schweizer Sprachgebrauch
angepasst werden (6). Drei Deutschschweizer vertreten die Meinung, Deutsche
schrieben besser als Schweizer. Deutsche seien sprachlich gewandter, behauptet eine
Person, während die beiden anderen finden, Deutsche schrieben deshalb besser, weil sie
sich den schweizerischen Eigenheiten bewusster seien als Schweizer. Ausserdem
wollten sie mehr mit dem Dialekt spielen als die Schweizer, bemerkt eine Korrektorin.
Zwei Personen stellen Schwierigkeiten lediglich bei journalistischen Recherchearbeiten
fest. Deutsche hätten häufiger als Schweizer mit den Vorurteilen der ländlichen
Bevölkerung zu kämpfen.
13 Personen (42%) beantworten die Frage mit Ja. Deutsche hätten mit
schweizerischen Bezeichnungen oder lokalen Feinheiten Mühe, wie beispielsweise Im
Kleinbasel anstatt In Kleinbasel50. Drei Personen geben an, nicht zu wissen, welche
sprachlichen Schwierigkeiten deutsche Journalisten in der Schweiz antreffen könnten.
Insgesamt scheint sowohl die Diglossie als auch die nationale Herkunft den
befragten Zeitungsleuten keine nennenswerten sprachlichen Hindernisse zu bereiten.
50 Kleinbasel ist ein Stadtteil von Basel und wird als Lokalobjekt im Dialekt mit bestimmtem Artikel verwendet. Die schriftliche Verwendung Im Kleinbasel ist ein Dialekt-‐Zentrismus (vgl. Kapitel 2.5).
42%
48%
10%
Ja
Nein
weiss nicht
56
3.5.7 Wie schweizerisch darf ein Text sein? Aus den Antworten auf die Frage „Wie schweizerisch darf ein Text sein?“ geht hervor,
dass die Mehrheit der Befragten Schweizerhochdeutsch als selbstverständliche
Zeitungssprache erachten. Die Frage zielte darauf ab, den Umgang mit Helvetismen zu
ermitteln, hätte aber ebenso gut lauten können: „Wie viel Dialekt verträgt ein Text?“ In
gelegentlichen Rückfragen wurde klar, dass der standardsprachliche Gebrauch gut
eingebürgerter Helvetismen wie Velo und Trottoir für die meisten Befragten nicht zur
Debatte steht. Vielmehr wird über Mundartwörter diskutiert.
Folgende drei Kriterien werden genannt, die den Grad der schweizerischen Färbung, d.h.
den Gebrauch Schweizer (Mundart)Wörtern, in der Zeitungssprache bestimmen:
Abbildung 7: Die Kriterien, die das schweizerische Kolorit in Zeitungstexten
bestimmen (n=34).
Da man sich am Sprachgebrauch der Schweizer orientiert, ist das Einflechten von
mundartlichen Ausdrücken je nach Textsorte und Schreibanlass für 12 Personen (35%)
nicht nur akzeptabel, sondern gar empfehlenswert. Eine Journalistin berichtet hierzu
über einen amüsanten Vorfall. Sie sei in einem Leserbrief darauf aufmerksam gemacht
worden, dass der Ausdruck Sahne in ihrem Artikel über eine 1.-‐August-‐Feier unpassend
sei. Nidlä51 wäre wohl die richtige Variante gewesen, bemerkt die Bernerin im
Nachhinein. Ähnliche Bemerkungen bringen auch andere Befragte vor. Die Berichte
51 Nidlä ist ein Dialektwort. Die der deutschen Sahne entsprechende schweizerhochdeutsche Variante lautet Rahm. Bickel/Landolt (2012) führen allerdings auch Nidel mit dem Vermerk mundartnah auf.
53% 35%
12% Wirkung des Textes (Authentizität, Natürlichkeit, Lokalkolorit)
Sprachgebrauch der Schweizer Leserschaft
Verständlichkeit der deutschen resp. Nichtschweizer Leserschaft
57
lassen auf eine Identifikation mit einer schweizerisch gefärbten Zeitungssprache unter
Schweizer Zeitungslesern schliessen. Die Identifikation der Deutschschweizer mit der
Standardsprache wurde bislang nur im mündlichen Bereich empirisch festgestellt (vgl.
Ulbrich 2003; Ammon 1995: 303; und Bickel/Hofer 2013: 84-‐85); Hörer und Zuschauer
wünschen im Radio und Fernsehen ein schweizerisch gefärbtes Standarddeutsch.
Dieselbe Forderung in schriftlichen Medien, sprich Schweizer Zeitungen, wurde
sprachwissenschaftlich noch nicht verzeichnet. In einer Umfrage mit Deutschschweizer
Zeitungslesern könnte diesem Hinweis nachgegangen werden.
18 Befragte (53%) setzen sich für spezifisch schweizerische Formulierungen ein,
wenn sie eine bestimmte Absicht verfolgen. Ein Text über Schweizer Sennen ohne
Dialekt-‐Helvetismen sei unglaubwürdig, erklärt eine Person beispielhaft. Eine
Korrektorin meint ebenfalls, es sei undenkbar, die Badi in Zürich Schwimmbad oder gar
Freibad zu nennen und für eine Berner Journalistin heisst der tägliche Markt in Bern
selbstverständlich Märit; Markt klinge zu fremd. Auch andere Dialektwörter wie Rüebli
oder bügle sind für viele je nach Zusammenhang akzeptabel. Sie sollten allerdings in
Anführungszeichen gesetzt werden. Für einen deutschen Journalisten macht der
Schreibanlass die Kriterien aus: In einem Bericht über die Schweizer Garde des Papstes
könnten Helvetismen bedenkenlos gebraucht werden. Werde jedoch ein päpstliches
Anliegen präsentiert, so dürfe der Text nicht durch schweizerische Bezeichnungen
auffallen. Die Personen zählen verschiedene Wirkungsweisen und Funktionen der
nationalen Varianten auf (vgl. Hägi 2006: 70-‐100 resp. Kapitel 2.5), um den Gebrauch
von Dialekt-‐Zentrismen in ihren Texten zu rechtfertigen: Signalstärke (sie signalisieren
nationale Zugehörigkeit), nationale Identifikation (sie sind die in der Schweiz
gebräuchlichen Ausdrücke), Mündlichkeit (ein Text, dem mündliche Aussagen zugrunde
liegen, verwendet Dialektzitate), Ausdrucksstärke (Dialekt-‐Helvetismen intensivieren
die Aussage) und das Schaffen von Wärme, Nähe und Vertrautheit.
Nur vier Befragte (12%) richten sich in ihrem Sprachgebrauch nach der
Bewertung und dem Verständnis nationaler Varianten und schreiben stilistisch schön
und für alle Deutschsprachigen verständlich. Zu ihnen zählen die drei befragten
Journalisten der NZZ und der Chefredaktor des NZZ Folio. Sie geben an, ein grosses
deutschländisches Leserpublikum zu bedienen, das sich an einer schweizerisch
geprägten Lektüre nicht gestört fühlen sollte.
Die überwiegende Befürwortung des Schweizerhochdeutschen, inklusive Dialekt-‐
Helvetismen, als schweizerische Zeitungssprache steht im Kontrast zur schweizerischen
58
Literatursprache, die, laut Schmidlin (2011: 176), in ihrer Form nicht existiert. Der
Unterschied zwischen Deutschschweizer Zeitungsleuten und Schriftstellern besteht
darin, dass Schriftsteller in der Regel für die gesamte deutschsprachige Gemeinschaft
schreiben (vgl. auch Hägi 2000), während Zeitungsleute mit ihren Texten vorwiegend
Deutschschweizer ansprechen. Der Gebrauch einer schweizerisch gefärbten
Zeitungssprache ist bedenkenloser und ihre Berechtigung wird deshalb weniger
beanstandet als eine schweizerische Literatursprache.
3.5.8 Sprachliche Überarbeitung und Nachschlagewerke Die Vorgehensweise der Zeitungsleute in der Überarbeitung ihrer Texte befürwortet die
schweizerisch gefärbte Zeitungssprache. Zweifeln die Befragten an einer sprachlichen
Formulierung, konsultieren sie gewöhnlich den Rat eines mitarbeitenden Kollegen. Erst
im zweiten Schritt werden andere Sprachhilfen herbeigezogen. Diese Methode zeigt,
dass das eigene Sprachgefühl und dasjenige eines Kollegen stärker gewichtet werden als
die Konsultation der vorwiegend aus Deutschland stammenden Wörterbücher. 26
Personen geben an, hin und wieder den Rechtschreib-‐Duden zurate zu ziehen. Dabei
bevorzugen die meistens Varianten mit dem Vermerk schweizerisch. Sechs Personen
benutzen zusätzlich den Stil-‐, Synonym-‐ und Etymologie-‐Duden, während 14 Personen,
teilweise auch bei Google nach Rat suchen. Elf nennen zudem folgende Webseiten:
www.woxikon.de (1), www.wortschatz.uni-‐leipzig.de (2), www.wort.de (1), das Archiv
der NZZ (1), der Frankfurter Allgemeine (1) und des Spiegel (1), OpenThesaurus (2),
www.smd.ch (1), Wikipedia (1). Zwei weitere Personen schlagen hin und wieder im
Wahrig (2011) nach, drei andere konsultieren zeitweise das VWB (2004).
Was letztendlich geschrieben wird, entscheidet allerdings stets das subjektive
Sprachgefühl der Befragten; Varianten werden danach gewählt, ob sie ins Charakterbild
der Zeitung passen. Die deutschländische Herkunft der Nachschlagewerke spielt deshalb
eine sekundäre Rolle. Die extranormative Orientierung ist, wie eine Korrektorin treffend
bemerkt, auf die fehlenden ausführlichen Schweizer Wörterbücher zurückzuführen.
Schon Ammon (1995: 490) stellt fest, dass den „schmalen Binnenkodizes der Schweiz
[...] ein ausserordentlich breit gefächerter, materialreicher [deutschländischer]
Binnenkodex [=Duden]“ gegenüber steht. Wenn sie auch nicht derartig umfassend wie
der Duden sind; einige der Befragen konsultieren regelmässig auch Schweizer
Nachschlagewerke: Vier Personen schlagen im Heuer et al. (2013) nach, jeweils drei im
Vademecum (2013) und Meyer (2006). In Bickel/Landolt (2012) schlagen zwei
59
Personen bisweilen nach. Auch die eigene Hausorthographie wird von vier Personen
beigezogen. Eine Korrektorin merkt zudem an, dass allen Tamedia52 Mitarbeitenden ein
internes Glossar mit diversen Schreibweisen zur Verfügung stehe.
3.5.9 Über diachronische Veränderungen des Hochdeutschen in Schweizer
Zeitungen
Die Frage, ob sich die Schweizer Zeitungssprache im Hinblick auf schweizerische
Besonderheiten über die Jahre hin verändert habe, wurde nur Personen mit fünf oder
mehr Jahren Berufserfahrung gestellt. Betroffen waren somit 29 Probanden, die
folgendermassen darauf antworteten:
Abbildung 8: Antworten auf die Frage: „Sehen Sie eine zeitliche Veränderung im
Umgang mit Helvetismen in den Schweizer Zeitungen?“ (n=29).
Von den 29 befragten Personen können 14 Personen (48%) die Frage nicht
beantworten. Sechs weitere (21%) sehen keine Veränderung. Drei davon fügen an, der
Unterschied im Gebrauch von schweizerischen Besonderheiten sei weniger im
Zeitverlauf als in verschiedenen Zeitungen zu suchen. Die NZZ sei schon immer
sprachlich restriktiver und Helvetismen gegenüber weniger tolerant gewesen als der
Blick.
52 Die Tamedia ist ein Schweizer Medienunternehmen. Sie verlegt u. A. Tages-‐Anzeiger, Berner Zeitung und der Bund. Vgl. auch www.tamedia.ch (konsultiert am 10.07.2014).
17%
14%
21%
48%
Ja, weniger Helvetismen
Ja, mehr Helvetismen
keine Veränderung
keine Angaben/weiss nicht
60
Fünf Personen (17%) sehen eine Abnahme der Helvetismen. Gründe dafür seien
einerseits in die zunehmende Migration der Deutschen in die Schweiz (2), andererseits
die Globalisierung (1). Letzteres bewirke den zunehmenden Gebrauch von Anglizismen
auf Kosten von Helvetismen.
Vier Personen (14%) stellen das exakte Gegenteil fest. Sie finden, die
Standardsprache sei schweizerischen Ausdrücken gegenüber toleranter geworden. Eine
Redaktorin beschwert sich über den zunehmend saloppen Schreibstil in der BaZ. Früher
hätte man das Wort Gof nicht gedruckt, meint sie.
Insgesamt elf der 29 befragten Personen stellen hauptsächlich andere
sprachliche Veränderungen fest. Für fünf Befragte leidet das Sprachniveau in Schweizer
Zeitungen unter Sparmassnahmen. Die gewissenhafte Sprachpflege, wie sie früher
betrieben wurde, sei heute undenkbar geworden. Ausserdem fänden sich in Zeitungen
neben Anglizismen auch zunehmend andere, teils saloppere Schreibstile (2). Zwei
Personen kritisieren elektronische Medien und Gratiszeitungen, die den Trend einer
stilistisch und orthografisch fragwürdigen Kurzfuttersprache zu fördern scheinen. Eine
Person bemerkt, dass der Duden verschiedenen Varianten gegenüber toleranter
geworden sei und sich diese Entwicklung wohl auch auf Zeitungen auswirke.
3.5.10 Schweizer Zeitungen als sprachliches Vorbild für Laien
Abbildung 9: Antworten auf die Frage „Sind Sie sich als
Zeitungsmitarbeitender einer sprachlichen Vorbildfunktion bewusst?“ (n=34).
47%
53%
Ja
Nein
61
Die knappe Mehrheit der Befragten (18 Personen, 53%) sieht sich nicht als sprachliches
Vorbild für die Schweizer Leserschaft. Gratis-‐ und Boulevardzeitungen hätten einen
grösseren Einfluss als die gehobenen, finden drei dieser Personen. Eine Journalistin
meint, das Fernsehen präge in erster Linie den Standardsprachgebrauch der Schweizer.
Vier sagen, sie vermitteln lediglich Wissen und Inhalt in gutem Deutsch und keine
sprachlichen Normen.
Zwar nicht normvorgebend, aber sprachpflegerisch beauftragt, sehen sich die
übrigen 16 Personen (47%). Ein Journalist gibt zu bedenken, dass Sprache nicht nur
Inhalt, sondern auch Einstellungen transportiert. Als Beispiel nennt er die
Genderproblematik. Bis zur Einführung weiblicher Bezeichnungen habe es in der
Sprache nur männliche Akteure gegeben. Nun würden auch Frauen angesprochen.
Die Resultate zeigen, dass sich die Mehrheit der Befragten nicht als Norminstanz,
wie Ammon (1995: 79) sie beschreibt, wahrnehmen. Lediglich vier Personen, die für die
NZZ tätig sind, sehen ihren Schriftsprachgebrauch als richtungsweisend. Die Personen
geben an zu wissen, dass sich Lehrpersonen wiederholt auf die Zeitung berufen.
3.5.11 Das Konzept der Plurizentrik aus Sicht der Befragten
Abbildung 10: Antworten auf die Frage: „Ist Ihnen das sprachliche Konzept
der Plurizentrik bekannt?“ (n=34).
Der Begriff resp. das sprachliche Konzept Plurizentrik ist nur vier Personen (12%)
bekannt. Drei dieser Personen kennen es im Zusammenhang mit Englisch oder Spanisch.
Ein Redaktor hat das Konzept erst nach der Pensionierung und während der
12%
88%
Ja
Nein
62
darauffolgenden sprachwissenschaftlichen Arbeit kennengelernt. Davor habe er zwar
das Phänomen, nicht aber die Bezeichnung gekannt.
Den übrigen 30 Personen (88%) ist die Bezeichnung neu, obschon einige angeben,
sich bereits Gedanken zur (gesamt)deutschen Sprachsituation gemacht zu haben. Eine
Person hat sich das Konzept in Bezug auf Österreich überlegt, es aber bisher nicht auf
die Schweiz angewendet. Vier Personen stellen nüchtern fest, die Plurizentrik der
deutschen Sprache sei eine Tatsache: Viele schweizerische Eigenheiten würden nicht
auffallen und selbstverständlich gebraucht. Ein deutscher Journalist findet die
Plurizentrik logisch, man müsse sich bloss die deutsche Sprachgeschichte anschauen.
Sechs Personen befürworten die Plurizentrik mit den Aussagen sehr gute Idee (2), völlig
einleuchtend (2) und cool (1). Sie begrüssen die Plurizentrik und bezeichnen sie als
schönen Gedanken. Diese Personen bekunden, wie Schmidlins Probanden (2011: 283),
ein „plurizentrisches Wunschbild“; sie sehen einer eigenständigen Schweizer
Standardvarietät entgegen, unwissend darüber, dass diese bereits besteht.
Nicht alle Befragten stimmen dem plurizentrischen Sprachkonzept zu. Insgesamt
sieben Personen sprechen sich gegen mehrere, gleichberechtigte nationale
Standardvarietäten aus. Sie verweisen auf die asymmetrischen Verhältnisse zwischen
der Schweiz und Deutschland (vgl. Ammon 1995: 494-‐499). Zwei Personen finden, man
könne nicht von Gleichberechtigung sprechen, da es viel weniger Deutschschweizer als
Deutsche gebe. Ausserdem seien die Differenzen zwischen den einzelnen Zentren so
gering, dass sie vernachlässigbar wären, finden drei weitere Personen. Diese Kritik am
plurizentrischen Sprachkonzept wurde bereits an anderer Stelle festgestellt: Schmidlin
(2011: 81-‐83) beschreibt die Behauptung der Plurizentrikgegnern, dass lexikalische und
semantische Unterschiede die „Schrifteinheit“ (ebd.: 82), gemeint ist das einheitliche
Standarddeutsch, nicht beeinflussen. Eine sprachlich eigenständige Entwicklung sei
aufgrund der geographischen Nähe der Zentren nicht möglich, meint eine andere
Person. Die siebte Person äussert sich nicht eindeutig. Sie findet das
Schweizerhochdeutsch sei mit dem deutschen Standard einfach nicht gleichwertig.
Interessant sind auch die Aussagen dreier Personen. Sie sehen in der Plurizentrik
die Gefahr, die Mundart könnte sich in der Standardsprache breit machen. Der Beweis
dafür sei die zunehmende Aufnahme von Helvetismen im Duden, bemerkt eine Person.
63
3.6 Das Plurizentrizitätsbewusstsein anhand der gemachten Aussagen
3.6.1 Drei Abstufungen/Gruppen
Die Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Standardvarietät ist bei den Befragten
unterschiedlich ausgeprägt. Grob lassen sich drei Abstufungen erkennen, die
nachstehend näher betrachtet werden.
Die Auswertung der 34 Gespräche im Einzelnen zeigt bei 17 Befragten gute bis
sehr gute sprachtheoretische Kenntnisse (Gruppe 1). Diese Personen können sich
differenziert und teilweise auch mit sprachwissenschaftlichen Begriffen über die
deutsche Sprache ausdrücken. Auch nationale und regionale Unterschiede werden
wahrgenommen und das Schweizerhochdeutsch per definitionem nicht schlechter
gewertet als die deutsche Varietät. Obschon das plurizentrische Sprachkonzept nur drei
Personen bekannt ist, haben sich fünf weitere bereits mit dem Phänomen gedanklich
beschäftigt. Einige bezeichnen die Plurizentrik als einleuchtend und sich aus der
Sprachsituation erschliessend. Bemerkenswert ist die Anmerkung einer Person, die
Schule dränge den Schülern die monozentrische Sichtweise auf. Bereits Häcki Buhofer
(1993) hat darauf hingewiesen, dass sich die sprachlichen Einstellungen der
Lehrpersonen auf die Schüler übertragen. Zugleich passt die Aussage des jungen
Journalisten zu den Befunden Ammons (1995), Baigger/Sutters (2006) und Läublis
(2006), die bei Lehrern kein Plurizentrizitätsbewusstsein feststellen konnten. Es gibt
drei Personen, die sich sprachtheoretisch sehr wissend zeigen, gut über nationale
Unterschiede Bescheid wissen und zudem sie schweizerische Besonderheiten in der
Standardsprache befürworten. Erstaunlicherweise lehnen sie aber das plurizentrische
Sprachkonzept ab und argumentieren, die Standardsprache sei einheitlich normiert und
für alle Deutschsprachigen gleichermassen geltend.
Zehn der 34 Befragten sind sprachtheoretisch weniger bewandert, zeigen aber
Ansätze eines Plurizentrizitätsbewusstseins (Gruppe 2). Die Personen sind in ihren
Angaben hinsichtlich sprachtheoretischer Zusammenhänge weniger konkret: Einige
äussern sich zu den Definitionen der Begriffe Schweizerhochdeutsch und Helvetismen
vage oder gar inkorrekt. Die zehn Personen zweifeln an der Berechtigung des
Schweizerhochdeutschen und werten es teilweise negativ. Einzelne Befragte haben
Schwierigkeiten, zwischen Mundart und Standard zu unterscheiden. Es ist nicht immer
eindeutig, ob die Personen von Mundart-‐ oder Standardwörtern sprechen und welcher
Kategorie sie Helvetismen zuordnen. Eine sprachtheoretisch versierte Redaktorin aus
64
Gruppe 1 erklärt, dass sie unter ihren Kollegen des Öfteren fehlende Kenntnisse
feststellt. Sie würden den Unterschied zwischen standardsprachlichen und
mundartlichen Helvetismen nicht bewusst wahrnehmen und seien in deren Anwendung
mehrfach unsicher und inkonsequent. Diese Aussage trifft auf die meisten Personen der
Gruppe 2 zu. Trotz der sprachtheoretischen Kenntnislücken lassen sich bei diesen zehn
Personen Ansätze eines Plurizentrizitätsbewusstseins erkennen. Die Befragten nehmen
eine bemerkenswert befürwortende Haltung gegenüber schweizerischen
Besonderheiten ein. Mit Bestimmtheit äussern sie die Meinung, schweizerische
Besonderheiten seien zu verwenden und zu pflegen. Ähnliches haben bereits Scharloth
(2005) und Schmidlin (2011) festgestellt. Viele ihrer Probanden haben sich für die
Verwendung von Helvetismen zunächst eingesetzt. In konkreten Sprachsituationen
verflog die loyale Einstellung allerdings. Dieses linguistisch schizophrene Verhalten
könnte auch bei diesen zehn Personen der Gruppe 2 auftreten (mehr dazu in Kapitel
3.8.3).
Nur sieben der 34 Befragten zeigen keinerlei Ansätze eines
Plurizentrizitätsbewusstseins (Gruppe 3). Ihre Antworten zeigen ein deutliches
Prestigegefälle; das Schweizerhochdeutsch wird durchwegs schlecht bewertet. Die
Personen sprechen sich zwar für die Zulassung der Helvetismen und teilweise auch der
Mundartwörter in schweizerischen Texten aus, die Ansicht, das Hochdeutsch der
Deutschen sei Norm-‐ und Leitvarietät und die Deutschen sprachliches Vorbild, erscheint
aber gewichtiger. Die Personen sehen keine Berechtigung für das Schweizerhochdeutsch
und gehen davon aus, eine spezifisch schweizerische Färbung drücke Inkompetenz aus.
Eine der Personen findet, man müsse alle Helvetismen vermeiden. So zum Beispiel soll
parkieren durch parken ersetzt werden. Für eine weitere Person sind Helvetismen
Mundartwörter, die standardsprachlich nicht verwendet werden dürfen. Eine dritte
Person definiert Helvetismen als allzu schweizerische Wendungen, nennt aber keine
konkreten Beispiele. In dieser Gruppe fühlen sich drei Personen im mündlichen
Gebrauch der Standardsprache mit Deutschen gehemmt. Wie in der Gruppe 1 sprechen
sich auch hier zwei Personen gegen die Plurizentrik der deutschen Sprache aus. Eine
Person meint, die Schweiz stehe so sehr unter dem sprachlichen Einfluss Deutschlands,
dass sich keine eigenständige Norm entwickeln könne. Für die andere Person trifft die
Plurizentrik bestenfalls auf die mündliche Standardsprache zu, denn die deutsche
Schriftsprache sei vereinheitlicht.
65
3.6.2 Das Plurizentrizitätsbewusstsein nach aussersprachlichen Faktoren Die journalistische Erfahrung scheint keinen Einfluss auf die Wahrnehmung
sprachtheoretischer Zusammenhänge zu haben. Es finden sich Personen mit kurzer
Berufstätigkeit, die sich sprachlich sehr versiert und plurizentrizitätsbewusst erweisen.
Zugleich gibt es Personen, die nach Jahrzehnten journalistischer Erfahrung der
schweizerischen Standardvarietät gegenüber sehr negativ eingestellt sind und an ihrer
Berechtigung zweifeln. Ebenso zeigt die Beschäftigung in unterschiedlichen
Zeitungshäusern und Ressorts keine ersichtlichen Tendenzen; die Tätigkeit im Lokal-‐,
Kultur-‐ oder Auslandteil hat in der vorliegenden Umfrage keine erfassbare Auswirkung
auf das sprachtheoretische Bewusstsein. Die Erhebung ist zu klein gesteckt und die
erhobenen Daten zu breit gefächert, um derlei Korrelationen festzustellen.
Es wird allerdings ersichtlich, dass alle drei befragten Korrektoren ein gutes bis
sehr gutes plurizentrisches Bewusstsein bekunden. Sie überblicken nationale
Unterschiede und sind sich verschiedenartiger Standardvarietäten bewusst. Diese
Personen konsultieren vielfach schweizerische Binnenkodizes. Darunter fallen Meyer
(2006), das VWB (2004) und Bickel/Landolt (2012). Auch das Vademecum (2013) und
Heuer et al. (2013) finden bei den Korrektoren Verwendung. Eine Korrektorin gibt
allerdings an, in ihren Korrekturen deutschländische Varianten oftmals nicht zu
korrigieren, selbst wenn der Duden ein schweizerisches Pendant verzeichnet. Die
beiden anderen Befragten berichten das Gegenteil. Sie ziehen schweizerische Varianten
den deutschen vor.
Beachtenswert sind hierzu auch die Aussagen der deutschen Journalisten. Alle
drei gehen bewusst mit den schweizerischen Eigenheiten um und bauen Helvetismen in
ihren Texten mit Vorliebe ein. Eine Person benutzt hin und wieder das VWB (2004), alle
drei sprechen in Zweifelsfällen mit ihren Schweizer Kollegen. Sie sprechen sich zudem
gegen die Wertung der schweizerischen Standardvarietät aus und kontern mit dem
Argument, dass auch in Deutschland schlechtes Hochdeutsch anzutreffen sei und
schlechte Standardsprachkompetenz nicht mit Nationalität verbunden sei. Die drei
fühlen sich den Schweizer Kollegen sprachlich nicht überlegen; sie würden allerdings
gelegentlich ihrer Nationalität wegen um Rat gebeten. Das plurizentrische
Sprachkonzept ist einem deutschen Redaktor im Zusammenhang mit der spanischen
Sprache bekannt. Die Anwendung auf die deutsche Sprache lehnt er jedoch ab und
begründet seine monozentrische Sichtweise mit der grösseren Einwohnerzahl
Deutschlands. Die Schweiz sei zu klein und der sprachliche Einfluss Deutschlands zu
66
gross, als dass in der Schweiz von einem eigenständigen und gleichberechtigen
sprachlichen Zentrum gesprochen werden könne. Die Behauptung erstaunt etwas, denn
der Mann verfasste einen Artikel in zwei Fassungen, je für eine deutsche und für eine
Schweizer Zeitung. Ammon (1995: 428-‐433) und Schmidlin (2011: 243-‐245) stellen in
ihren Umfragen fest, dass deutsche Probanden weniger Kenntnisse über nationale
Unterschiede haben als Österreicher und Schweizer. Auf die drei in der Deutschschweiz
arbeitenden Journalisten trifft dieses Ergebnis nicht zu. Auch eine Korrektorin berichtet,
unter deutschen Mitarbeitern grundsätzlich ein gutes Bewusstsein nationaler
Unterschiede festzustellen.
3.7 Das Korrekturverhalten
3.7.1 Vorbemerkungen
Der Korrekturauftrag wurde dem Interview vorgezogen, da sonst die Gefahr bestand,
die Probanden könnten durch das Gespräch beeinflusst werden. Die Sätze wurden den
Personen mit der Bitte, sie auf ihre Publizierfähigkeit zu korrigieren, vorgelegt (siehe
Anhang A). Die Probanden wussten, dass der Auftrag nicht die persönlichen
Sprachkenntnisse zu testen beabsichtigte, sondern einen Einblick in den persönlichen
Umgang mit schweizerischen Varianten ermöglichen sollte.
Die Personen wurden gebeten, ihre Arbeit mündlich zu kommentieren. Dabei
wandten einige ein, der Kontext der Sätze fehle und ohne diesen sei es schwierig, sich zu
den Sätzen zu äussern. Ferner wurden die Sätze häufig als lang, verschachtelt,
umständlich formuliert und allgemein unschön bzw. unelegant bezeichnet. Viele Befragte
würden sie nie derartig schreiben. Aus Zeitdruck beschränke man sich zudem meistens
darauf, dass der Satz inhaltlich aufgeht und sprachlich nicht völlig krumm daherkommt.
Seien diese beiden Kriterien erfüllt, könne auch ein unschöner Satz beim Redigieren und
Korrigieren durchgehen. Die Korrektoren bekundeten Ähnliches. Man versuche im
Korrektorat, den persönlichen Stil der Schreibenden zu respektieren und sprachliche
Eingriffe auf Regelverstösse, sprich orthographische Fehler und normwidrige
Formulierungen, zu beschränken.
3.7.2 Die Markierung der nationalen Varianten allgemein In den 28 Sätzen befanden sich 19 Helvetismen und 16 Teutonismen. Wäre jeder
Helvetismus von jedem Befragten markiert worden, hätte dies insgesamt 646
Markierungen zur Folge gehabt. Bei den Teutonismen waren 544 Markierungen
67
möglich. Insgesamt konnten somit 1190 Mal nationale Varianten markiert werden.
Tabelle 6 zeigt, wie viele Varianten die Probanden markierten.
Tabelle 6: Anzahl der markierten Varianten (n=1190). Nationale Variante Gesamtanzahl Anzahl markierter Varianten Angaben in Prozent Helvetismus 646 194 30% Teutonismus 544 243 45% Total 1190 437 37%
Die Probanden markierten 437 (37%) der nationalen Varianten. Teutonismen (45%)
wurden dabei öfters als Helvetismen (30%) angestrichen. Auf die Aufforderung, die
vorgenommenen Markierungen zu spezifizieren, entstanden drei Aussagearten: 1. die
markierte Variante wurde befürwortet und in ihrer Form stehengelassen; 2. die
Markierung beschrieb eine Unsicherheit der Person und müsste nachgeschlagen
werden; 3. die Variante wurde nicht akzeptiert und wenn möglich durch eine andere
Variante ersetzt.
Für die vorliegende Analyse sind die nicht akzeptierten Varianten bedeutend.
Tabelle 7 zeigt das Verhältnis dieser zur Gesamtanzahl vorhandener Varianten.
Tabelle 7: Anzahl nicht akzeptierter Varianten (n=1190). Nationale Variante Gesamtanzahl Anzahl nicht akzeptierter
Varianten Angaben in Prozent
Helvetismus 646 79 12% Teutonismus 544 190 35% Total 1190 269 23%
Teutonismen (35%) werden öfters als Helvetismen (12%) nicht akzeptiert. Insgesamt
ist die Nichtakzeptanz nationaler Varianten jedoch relativ tief. Es werden lediglich 23%
aller vorhandenen Varianten nicht akzeptiert.
Im Folgenden wird der Umgang mit den einzelnen Varianten genauer betrachtet.
68
3.7.3 Die Häufigkeit der Markierungen von nationalen Varianten im Detail Alle 19 Helvetismen wurden mindestens einmal, alle 16 Teutonismen mindestens zwei
Mal markiert. Tabelle 8 zeigt die Häufigkeit der Markierungen je Helvetismus und
Teutonismus.
Tabelle 8: Die Häufigkeit der Markierungen je Helvetismus und Teutonismus. Helvetismus Anzahl Markierungen (n=34) Teutonismus Anzahl Markierungen (n=34) zügeln 30 grummeln 27 antönen 21 hellhörig 26 Plachen 20 Gehsteig 25 Abwart 16 veräppeln 20 Autolenker 16 Fahrradfahrer 20 Trottoir 13 durchweg 18 innert 10 die E-‐Mail 17 an + Lage 10 hinzuziehen 17 allenfalls 8 Klassenfahrt 16 Velofahrer 8 anfragen + bei 13 innerorts 7 vorab 13 allfällig 6 lilafarben 8 beiziehen 6 der Bikini 8 entlang + Dativ 6 Gehalt 7 Spital 6 Parks 6 die Limite 5 Vorfahrt 2 verunfallen 3 diskussionslos 2 Quai 1 Total (n=646) 194 Total (n=544) 243
Von den Helvetismen werden nur die Varianten zügeln (30), antönen (21) und Plachen
(20) durch die Mehrheit der Probanden markiert. Bei den deutschländischen Varianten
sind es weitaus mehr. Mindestens die Hälfte der Probanden kennzeichnen grummeln
(27), hellhörig (26), Gehsteig (25), veräppeln (20), Fahrradfahrer (20), durchweg (18),
die E-‐Mail (17) und hinzuziehen (17).
69
3.7.4 Die Häufigkeit der Nichtakzeptanz von markierten nationalen Varianten im Detail
In Tabelle 9 sind die Helvetismen und Teutonismen nach der Häufigkeit ihrer
Nichtakzeptanz geordnet.
Tabelle 9: Die Häufigkeit der nicht akzeptierten Helvetismen und Teutonismen. Helvetismus Anzahl nicht akzeptierter
Markierungen (n=34) Teutonismus Anzahl nicht akzeptierter
Markierungen (n=34)
zügeln 17 hellhörig 25 Plachen 15 Gehsteig 23 antönen 9 Fahrradfahrer 18 Autolenker 8 hinzuziehen 17 an+Lage 7 durchweg 16 Abwart 5 Klassenfahrt 14 allenfalls 3 grummeln 13 allfällig 3 anfragen + bei 12 beiziehen 3 veräppeln 11 entlang + Dativ 3 die E-‐Mail 10 innert 3 vorab 9 die Limite 2 der Bikini 7 diskussionslos 1 Gehalt 6 Trottoir 0 lilafarben 5 Velofahrer 0 Parks 3 innerorts 0 Vorfahrt 1 Spital 0 verunfallen 0 Quai 0 Total (n=646) 79 Total (n=544) 190
Die Befragten akzeptieren markierte Teutonismen weitaus weniger als markierte
Helvetismen. Es werden vor allem diejenigen Helvetismen korrigiert, die der
schweizerischen Mundart am nächsten kommen. So ersetzen die Probanden
beispielsweise zügeln und antönen durch bekannte gemeindeutsche Ausdrücke wie
umziehen (12 Mal) und erwähnen (4 Mal). Zudem wird zügeln drei Mal durch ziehen
ersetzt; zwei weitere Personen akzeptieren zügeln in Anführungszeichen. (Alle während
des Korrekturauftrags vorgeschlagenen Alternativen sind in den Tabellen 16 und 17 in
Anhang D aufgelistet.) Anstelle von antönen schlagen Personen ausserdem ansprechen
(2), „antönen“, andeuten, aufwerfen, aussprechen, anklingen (jeweils 1 Mal) vor. Auch die
Variante Plachen erscheint 15 Personen zu mundartlich. Zwei Personen würden sie aber
in Anführungszeichen akzeptieren. Fünf Personen schlagen die deutschländische
Alternative Planen vor, zwei Personen den Helvetismus Blachen. Sechs Helvetismen
70
werden trotz Markierung von allen 34 Probanden akzeptiert: Trottoir (13 Personen),
Velofahrer (8), innerorts (7), Spital (6), verunfallen (3) und Quai (1).
Die drei meistersetzten Teutonismen sind hellhörig (25), Gehsteig (23) und
Fahrradfahrer (18), wobei Fahrradfahrer eigentlich keine deutschländische, sondern
eine gemeindeutsche Variante ist (vgl. Kapitel 3.3.3). Gehsteig und Fahrradfahrer
werden ausnahmslos durch die Helvetismen Trottoir (23) und Velofahrer (18) ersetzt.
Für das Adjektiv hellhörig geben 21 Personen keine konkrete Alternative an und finden,
der ganze Satz sei neuzuschreiben. Vier Mal wird allerdings die schweizerische Variante
ringhörig vorgeschlagen. Erstaunlicherweise werden die oft markierten grummeln (27)
und veräppeln (20) (vgl. Tabelle 8) nicht sehr häufig ersetzt (13 und 11 Mal). Ausserdem
werden meist keine alternativen Vorschläge angegeben. Der Grund liegt wahrscheinlich
darin, dass diese Bezeichnungen keine gleichbedeutenden und geläufigen
schweizerischen oder gemeindeutschen Varianten besitzen. Zur Variante veräppeln
bemerken die Probanden, man liesse sie mangels einer passenden Alternative stehen.
Zwei Personen meinen zudem, der deutschländische Kontext im Satz War es zu DDR-‐
Zeiten ausgeschlossen, Politiker zu veräppeln, stört das heute niemanden rechtfertige den
Gebrauch. Die Variante wäre allerdings in einem schweizerischen Kontext inakzeptabel;
einen Bundesrat müsste man hochnehmen. Die Schwierigkeit, ein passendes Schweizer
Pendant zu finden, zeigt sich auch bei der Variante hellhörig. Das Wort ist nicht im
Wortlaut, sondern im Sinngehalt ein Teutonismus. Die gemeindeutsche Bedeutung des
Wortes ist laut VWB (2004) stutzig werden und bezieht sich auf Personen, die auf etwas
Bestimmtes mit erhöhter Wachsamkeit reagieren. In Deutschland (und Österreich)
bedeutet hellhörig aber ebenso schalldurchlässig und bezeichnet somit auch eine
Eigenschaft von schlecht schallisolierten Gebäuden. Im Satz Doch es sind nicht immer die
Nachbarn, manchmal ist auch die Wohnung hellhörig sind die beiden Bedeutungen
vereint. Im Schweizerhochdeutschen funktioniert das Wortspiel nicht, da für
schalldurchlässig die schweizerische Variante ringhörig existiert.
71
3.7.5 Der Ersatz von Helvetismen durch Teutonismen resp. Teutonismen durch Helvetismen
Tabelle 10 zeigt, welche Helvetismen die Probanden durch Teutonismen und welche
Teutonismen durch Helvetismen ersetzten.
Tabelle 10: Helvetismen und Teutonismen, die durch Teutonismen und Helvetismen ersetzt werden. Helvetismus Ersetzt durch folgenden
Teutonismus Anzahl (n=34)
Teutonismus Ersetzt durch folgenden Helvetismus
Anzahl (n=34)
Plachen Planen 5 Gehsteig Trottoir 23 beiziehen hinzuziehen 3 Fahrradfahrer Velofahrer 18 durchweg durchwegs 15 Klassenfahrt Schulreise 11 die E-‐Mail das E-‐Mail 10 hinzuziehen beiziehen 9 der Bikini das Bikini 7 anfragen+bei sie anfragen 5 hellhörig ringhörig 4 Parks Pärke 3 Vorfahrt Vortritt 1 vorab vorgängig 1 Total (n=646) 8 Total (n=544) 107
Nur acht Mal werden Teutonismen als Alternativen zu Helvetismen vorgeschlagen. Fünf
Personen ersetzen Plachen durch Planen, drei Personen sehen lieber hinzuziehen als
beiziehen. Interessant ist, dass andere neun Probanden den Teutonismus hinzuziehen
durch den Helvetismus beiziehen ersetzen.
Deutschländische Varianten werden in 107 Fällen „eingeschweizert“. Am
häufigsten geschieht dies mit den Varianten Gehsteig (23), Fahrradfahrer (18), durchweg
(15) und Klassenfahrt (14). Ihre Alternativen Trottoir, Velofahrer, durchwegs und
Schulreise sind in der Schweiz weitaus bekannter und geläufiger. Die deutschländische
Variante Klassenfahrt lässt ausserdem einen Vergleich mit Schmidlins Untersuchung
(2011) zu. In ihrer Umfrage erzielt „der untersuchte Teutonismus (Klassenfahrt) die
höchsten Standardsprachlichkeitswerte“, d.h. Klassenfahrt wird von Schmidlins
Probanden als stark standardsprachlich eingeschätzt. Diese Einschätzung findet sich bei
den befragten Zeitungsleuten nicht. Zu den Teutonismen grummeln, veräppeln, Gehalt
und lilafarben werden keine Helvetismen als Alternativen vorgeschlagen. Der Grund
liegt vermutlich darin, dass keine gleichbedeutenden schweizerischen Pendants
existieren.
72
3.7.6 Vergleich mit dem Korrekturverhalten von Schweizer Lehrpersonen (Ammon 1995)
Die vorliegenden Resultate lassen sich mit Ammons Untersuchung „Zur Korrektur und
Bewertung nationaler Varianten durch die Lehrer“ (1995: 436-‐447) vergleichen.
Ammon stellt fest, dass Schweizer Lehrpersonen 14% der vorgelegten Helvetismen
korrigieren. Das Verhalten entspricht der Erhebung dieser Studie: 12% der Helvetismen
werden von den befragten Zeitungsleuten korrigiert. Ein deutlicher Unterschied lässt
sich indes bei den Korrekturen der Teutonismen erkennen. Die von Ammon befragten
Schweizer Lehrpersonen korrigieren lediglich 22% der vorgelegten Teutonismen, die
Probanden dieser Erhebung jedoch 35%. Ammons Lehrpersonen sind demnach den
Teutonismen gegenüber toleranter gestimmt als die befragten Zeitungsleute.
3.8 Der Zusammenhang zwischen Plurizentrizitätsbewusstsein und
Korrekturverhalten
3.8.1 Einleitung Das Korrekturverhalten der Befragten unterscheidet sich teilweise markant. Einige
Personen suchten während des Auftrags nach möglichst vielen nationalen Varianten,
andere konzentrierten sich nur auf diejenigen Helvetismen und Teutonismen, die sie als
störend oder inakzeptabel empfanden. Einige Probanden berücksichtigen in erster Linie
nicht nationale Besonderheiten, sondern korrigierten stilistische und syntaktische
Gegebenheiten der vorgelegten Sätze. Die verschiedenartigen Herangehensweisen
erschweren es, einen konkreten Zusammenhang zwischen Korrekturverhalten und
verbal geäussertem Plurizentrizitätbewusstsein festzustellen. Einige Tendenzen
zeichnen sich dennoch ab und werden hier aufgeführt.
3.8.2 Das Korrekturverhalten der drei Gruppen Die folgende Auswertung baut auf den drei im Kapitel 3.6.1 erarbeiteten Abstufungen
des Plurizentrizitätsbewusstseins auf. Die erste Gruppe umfasst 17 Personen, die sich im
Interview als gute bis sehr gute sprachtheoretische Kenner auswiesen und die
Plurizentrik der deutschen Sprache erfassen. Die zweite Gruppe schliesst diejenigen
zehn Befragten ein, die sprachtheoretisch nicht besonders versiert sind, aber dennoch
Ansätze eines Plurizentrizitätsbewusstseins bekunden. Sie haben sich während des
Interviews für den Gebrauch Schweizer Varianten ausdrücklich eingesetzt. In der dritten
73
Gruppe sind sieben Personen, die sich der Berechtigung der schweizerischen
Standardvarietät unbewusst sind und sich sprachlich im Schatten der Deutschen sehen.
Folgende Tabelle zeigt, wie viele Markierungen innerhalb der einzelnen Gruppen
gesamthaft getätigt wurden und wie viele davon die nationalen Varianten betreffen.
Tabelle 11: Anzahl Markierungen insgesamt und Anzahl der markierten nationalen Varianten
innerhalb der einzelnen Gruppen (n=34). Bezeichnung Alle Markierungen Nationale Varianten Angaben in Prozent Gruppe 1 404 231 57% Gruppe 2 259 130 50% Gruppe 3 152 76 50% Total 815 437 54% Schlüssel: Gruppe 1 umfasst Personen mit guten bis sehr guten sprachtheoretischen Kenntnissen
sowie Plurizentrizitätsbewusstsein (n=17). Gruppe 2 beschreibt Personen, die sprachtheoretisch weniger bewandert, aber ansatzweise plurizentrizitätsbewusst sind (n=10). In Gruppe 3 befinden sich Personen, die an der Berechtigung der schweizerischen Standardvarietät zweifeln und der deutschländischen Varietät ein höheres Prestige zuschreiben (n=7).
Von den insgesamt 815 Markierungen betreffen 437 (54%) die nationalen Varianten.
Folglich werden beinahe gleich viele andere Eigenschaften markiert wie nationale
Varianten. Der Vergleich der drei Gruppen zeigt, dass Personen in der Gruppe 1 im
Korrekturauftrag häufiger nationale Varianten markieren (57%) als Personen in den
Gruppen 2 (50%) und 3 (50%). Dort werden Helvetismen, Teutonismen und andere
Eigenschaften gleichwertig behandelt (eine Liste mit den häufigsten Markierungen, die
nicht nationale Varianten betreffen, findet sich in der Tabelle 18 in Anhang E).
Tabelle 12 zeigt das Korrekturverhalten in den Gruppen. Um die Gruppen
miteinander zu vergleichen, wird mit Medianen gearbeitet. Der Median, auch
Zentralwert genannt, ist ein statistischer Wert. Anders als der Durchschnitt werden die
Zahlen nicht summiert und durch ihre Anzahl dividiert, sondern der Grösse nach
aufgelistet und die Zahl an mittlerer Stelle ermittelt. Dies ergibt gleich viele Werte
oberhalb des Median wie unterhalb. Der Vorteil dieses Wertes gegenüber dem
Durchschnitt ist, dass einzelne Zahlenwerte, die von den anderen markant abweichen,
den Zentralwert nicht beeinflussen (vgl. www.de.wikipedia.org/wiki/Median;
konsultiert am 10.08.2014).
74
Tabelle 12: Die Mediane in den einzelnen Gruppen (n=34). Bezeichnung Andere
Markierungen Markierte nationale Varianten
Markierte Helvetismen
Nicht akzeptierte Helvetismen
Markierte Teutonismen
Nicht akzeptierte Teutonismen
Gruppe 1 11 13 6 2 7 5 Gruppe 2 11.5 14.5 4.5 3 8.5 6 Gruppe 3 11 7 3 1 6 6 Schlüssel: Wie bei Tabelle 11.
Vergleicht man die Markierungen und Nichtakzeptanz der einzelnen Varianten in den
drei Gruppen, fällt auf, dass Personen der Gruppe 1 Helvetismen öfters markieren als
Gruppe 2 und 3. Relativ akzeptieren aber Gruppe 1 und 3 gleich viele markierte
Helvetismen, nämlich je zwei Drittel. Bei den Teutonismen zeigen sich die Gruppe 1 und
2 ähnlich tolerant, aber deutlich toleranter als Gruppe 3.
Personen aus der Gruppe 2 sind die strengsten Redaktoren bzw. Korrektoren. Sie
akzeptieren weniger schweizerische Varianten als plurizentrizitätsbewusste Probanden
(Gruppe 1) und plurizentrizitätsunbewusste Personen (Gruppe 3). Ausserdem
korrigieren sie gleich viele Teutonismen wie Gruppe 3.
Die Personen aus Gruppe 3 markieren nationale Varianten am seltensten. Der
Median liegt bei 7. Das ist beinahe die Hälfte des Median in Gruppe 1 (Median bei 13)
und weniger als die Hälfte des Median in Gruppe 2 (Median bei 14,5).
Vergleiche zwischen den Gruppen sind mit Vorsicht zu interpretieren. Die
Probanden verfügen, wie oben geschildert, über verschiedene Korrektur-‐ und
Redigieransätze, so dass Personen, die wenig Varianten markierten, nicht zwingend
wenige Kenntnisse besitzen. Ein Beispiel: Eine plurizentrizitätsbewusste Person der
Gruppe 1 nahm im Korrekturauftrag nur drei Markierungen vor. Sie unterstrich zügeln,
grummeln, durchweg und ersetzte lediglich durchweg mit durchwegs.
Wie bereits aus Tabelle 11 ersichtlich, redigieren bzw. korrigieren mit gutem
Plurizentrizitätsbewusstsein (Gruppe 1) mehrheitlich nationale Varianten und nicht so
sehr andere Satzelemente. Das zeigen auch vier Personen in Gruppe 1, die beinahe
ausschliesslich nationale Varianten redigieren. Derlei Personen finden sich in den
Gruppen 2 und 3 nicht. Zudem markieren drei Personen der Gruppe 1 besonders viele
Helvetismen und akzeptieren fast alle davon: Eine Korrektorin markiert neun
Helvetismen, die sie alle akzeptiert; zwei deutsche Befragte markieren 14 und 17
Helvetismen, von denen sie 12 und 14 akzeptieren.
75
Da die Kenntnis nationaler Varianten mit sprachtheoretischem Wissen
zusammenhängt, streichen Personen mit wenig sprachtheoretischem Wissen (Gruppe 3)
entsprechend weniger nationale Varianten an (vgl. Tabelle 11). Betrachtet man diese
sieben Personen genauer, wird ersichtlich, dass sie von den Helvetismen besonders
häufig die mundartnahen Varianten zügeln (6), antönen (4) und Plachen (4) markieren.
Bei den Teutonismen sind es ebenfalls, mit Ausnahme von hinzuziehen (4), markant
fremdnationale Varianten: grummeln (7), hellhörig (6), Gehsteig (4) und Fahrradfahrer
(4). Zu erwähnen ist ausserdem, dass jeweils eine Person grummeln und hinzuziehen als
sehr schweizerisch und mundartlich bezeichnet und die Formen infolgedessen nicht
akzeptiert. Bei hellhörig vertreten gar zwei Personen diese Ansicht. Sie korrigieren das
Wort mit der Einstellung, es sei zu schweizerisch und deshalb inakzeptabel.
3.8.3 Ersichtliche Tendenzen
Werden die gefundenen Tendenzen als Anzeichen eines Zusammenhangs zwischen
Plurizentrizitätsbewusstsein und Korrekturverhalten gelesen, weisen Personen mit
gutem sprachtheoretischem Wissen und Plurizentrizitätsbewusstsein ein tolerantes
Korrekturverhalten auf. Sie akzeptieren meistens sowohl Helvetismen als auch
Teutonismen. Der Befund deckt sich mit der mehrfach geäusserten Meinung, man solle
Sprachenvielfalt pflegen und mit Unterschieden, sprich nationalen Varianten, spielen. Im
Gegensatz dazu sind mässig plurizentrizitätsbewusste Personen, die sich für den
Gebrauch der Helvetismen einsetzen, strengere Redaktoren resp. Korrektoren. Sie
korrigieren sowohl Helvetismen wie Teutonismen öfters als plurizentrizitätsbewusste
Probanden.
Personen, die der Schweizer Standardvarietät ihre Berechtigung nicht
zugestehen, billigen Helvetismen am häufigsten. Sie verfügen im Vergleich zu den
anderen Befragten über weniger sprachtheoretische Kenntnisse und sind sich somit
nationalen Unterschieden weniger bewusst. Die Resultate bestätigen die Feststellung
Scharloths (2005: 37) und Schmidlins (2011: 232), dass Personen, die ihre
Standardsprachkompetenz als nicht besonders gut einschätzen (Gruppe 3), sich den
schweizerischen Varianten gegenüber generell toleranter zeigen als solche, die ihre
Standardkompetenz als gut erachten (Gruppe 2).
76
Die von Scharloth (2005: 39) und Schmidlin (2011: 283) ermittelte Diskrepanz
zwischen verbal geäusserter Spracheinstellung und sprachlichem Verhalten53
(=linguistische Schizophrenie) findet sich auch in dieser Erhebung. Allerdings betrifft
dies nicht die Befragten aus Gruppe 3, die sich sprachlich den Deutschen unterlegen
fühlen, sondern die Personen aus Gruppe 2, die sich während des Interviews für
schweizerische Varianten besonders eingesetzt haben.
3.8.4 Der Einfluss aussersprachlicher Faktoren Ob Beruf, Ressort und Berufserfahrung die Resultate beeinflussen, lässt sich aufgrund
der geringen Probandenzahl nicht eruieren. Aus den Daten wird nicht ersichtlich, wie
das Korrekturverhalten mit den aussersprachlichen Faktoren zusammenhängt. Es
zeigen sich auch keine Wechselbeziehungen zwischen Korrekturverhalten und
Zeitungszugehörigkeit. Dazu müsste eine breiter angelegte Studie durchgeführt werden.
Zudem können keine deutlichen Aussagen darüber gemacht werden, wie die persönliche
Spracheinstellung die individuelle Schreibpraxis beeinflusst. Für eine derartige
Untersuchung müssten die Teilnehmer anstelle eines Korrekturauftrags beispielsweise
einen kurzen Text zu einem sehr stark eingegrenzten, konkret schweizerischen Thema
verfassen.
Abschliessend soll hier das Korrekturverhalten der Korrektoren betrachtet
werden.
Tabelle 13: Das Korrekturverhalten der drei befragten Korrektoren. Bezeichnung Markierte
Helvetismen Nicht akzeptierte Helvetismen
Markierte Teutonismen
Nicht akzeptierte Teutonismen
Korrektor 1 9 0 13 9 Korrektor 2 7 1 11 5 Korrektor 3 6 1 9 7 Total 22 2 33 21
Alle drei Personen markieren und korrigieren häufiger Teutonismen als Helvetismen.
Nur zwei Mal wird der Helvetismus Plachen nicht toleriert. Eine Person ersetzt die
Variante mit dem Teutonismus Planen, die andere mit dem Helvetismus Blachen. Bei den
korrigierten Teutonismen fällt auf, dass die drei Personen keinen einstimmig ablehnen.
Je zwei Korrektoren korrigieren die Varianten durchweg, hinzuziehen, hellhörig, der
53 Der Unterschied besteht zwischen den kognitiven, affektiv-‐evaluativen und konativen Komponenten der Spracheinstellung.
77
Bikini, Gehsteig, Fahrradfahrer, Klassenfahrten und bei ihr anfragen. Dabei schlagen sie
14 Mal Helvetismen als Alternativen vor. Die Teutonismen Vorfahrt, veräppeln und vorab
werden hingegen von keiner Person beanstandet. Das Korrekturverhalten der
Korrektoren bestätigt die bereits im Interview geäusserte Einstellung: Sie befürworten
eine schweizerisch gefärbte Zeitungssprache.
Zum Schluss soll auch das Korrekturverhalten der deutschen Befragten dargelegt
werden. Die drei Befragten äusserten sich im Interview gegenüber Helvetismen sehr
tolerant. Ihr Korrekturverhalten bestätigt diese Haltung. Sie markieren 17, 14 resp. 5
Helvetismen und akzeptieren nahezu alle. Nur fünf Schweizer Varianten werden von
jeweils einer Person korrigiert: entlang+Dativ, Plachen, allfällig, beiziehen, diskussionslos.
Die dazu vorgeschlagenen Alternativen sind: Am Quai+Verb, Planen, mögliche,
hinzuziehen, ohne Diskussion. Den Teutonismen gegenüber sind die deutschen Befragten
kritischer. Sie ersetzen neun: Fahrradfahrer (2 Mal korrigiert), hinzuziehen (2),
durchweg (1), die E-‐Mail (1), Gehsteig (1), hellhörig (1), veräppeln (1). Als Alternativen
schlagen sie sechs Mal Helvetismen vor: Velofahrer (2), durchwegs (1), das E-‐Mail (1),
Trottoir (1), ringhörig (1). Der Befund widerspricht Ammons Behauptung (1995: 494),
dass den Deutschen die eigennationalen Varianten weniger bewusst sind.
3.9 Fazit Die Erhebung zum Plurizentrizitätsbewusstsein Deutschschweizer Journalisten,
Redaktoren und Korrektoren führt zu folgenden Schlussfolgerungen:
1. Wenn man sprachtheoretisch bewandert ist und nationale Unterschiede
wahrnimmt, heisst das noch nicht, dass man Deutsch als eine plurizentrische
Sprache erachtet. Die Gegenargumente reichen von wirtschaftlichen und
kulturellen Asymmetrien zwischen Deutschland und der Schweiz bis hin zur
Auffassung, dass nationale Unterschiede auch im Einheitsdeutsch Platz finden.
2. Die Einstellung, die man gegenüber der deutschen Sprache einnimmt, hängt nicht
unmittelbar mit dem Beruf zusammen. Unter den Befragten gibt es Personen, die
sich der Plurizentrik bewusst sind, und solche, die sich ihrer unbewusst zeigen.
Aufgrund der erhöhten Auseinandersetzung mit dem Standarddeutsch ist
allerdings anzunehmen, dass Deutschschweizer Zeitungsleute mit grösserer
Wahrscheinlichkeit als andere Deutschschweizer das Phänomen erkennen.
78
3. Selbst Personen, die sich beruflich mit der Sprache befassen, können sich
sprachlich inkonsequent verhalten. Eine Diskrepanz zwischen verbal geäusserter
Spracheinstellung und sprachlichem Verhalten ist bei der Hälfte der Befragten
feststellbar. Einige Personen setzen sich stark für die Verwendung der
Helvetismen ein, korrigieren sie dann aber häufiger als diejenigen, die sich nicht
derart für den Gebrauch der schweizerischen Besonderheiten aussprechen
(=linguistische Schizophrenie). Andere schreiben der schweizerischen
Standardvarietät ihre Berechtigung ab, tolerieren Helvetismen jedoch öfters als
Personen, die dem Schweizerhochdeutschen ihre Berechtigung beimessen.
4. Die Plurizentrik lebt im journalistischen Arbeitsalltag. Man anerkennt, dass
Helvetismen und teils auch Mundartwörter in Deutschschweizer Zeitungen
gehören. Dementsprechend vermeidet man zu fremde Ausdrücke. Dabei
kritisieren vor allem diejenigen Zeitungsleute deutschländische Varianten, die
Zweifel an der Berechtigung der schweizerischen Standardvarietät haben oder
ihr weniger Prestige zugestehen. Die Korrekturen werden grundsätzlich nach
persönlichem Ermessen vorgenommen. Läubli (2006: 128) registriert dasselbe
Verhalten bei Schweizer Lehrpersonen. Der bedeutende Unterschied zwischen
den beiden Norminstanzen ist allerdings der berufsbedingte Korrekturansatz.
Damit Zeitungsjournalisten in ihrem persönlichen und unverkennbaren Stil
schreiben können, korrigieren bzw. redigieren die Kollegen und Korrektoren
grosszügig. Das eigene Plurizentrizitätsbewusstsein spielt in dieser Tätigkeit eine
eher sekundäre Rolle. Hauptorientierungspunkt ist die Schweizer Leserschaft; sie
soll sich mit der Zeitungssprache identifizieren können. Im Gegensatz zu ihnen
korrigieren Lehrpersonen autoritär und greifen aktiv in den Schreibstil der
Schüler ein. Sie folgen dabei einem Lehrauftrag und leiten Schüler im
standardsprachlichen Sprachgebrauch an. Das eigene
Plurizentrizitätsbewusstsein spielt in dieser Aufgabe eine zentrale Rolle.
79
4 Schlusswort Gegen die Dominanz der deutschländischen Standardvarietät hat nicht nur das
Schweizerhochdeutsch zu kämpfen. Auch die österreichische Standardvarietät sucht
ihren rechtmässigen Platz im deutschen Sprachraum. Dies scheint ihr im Vergleich mit
der schweizerischen Varietät einfacher zu fallen. Österreicher zeigen sich
selbstbewusster und vertreten ihre sprachlichen Interessen nach aussen bestimmter als
Schweizer (vgl. Ammon 1995). Die Ursache für diesen Unterschied liegt in der
Deutschschweizer Diglossie. Aufgrund des omnipräsenten Dialekts schenken die
Deutschschweizer der schweizerischen Standardvarietät weniger Beachtung: „Im
Gegensatz zur österreichischen Varietät des Standarddeutschen, das sprachnationales
Identifikationspotenzial besitzt, spielt in der deutschsprachigen Schweiz das
Schweizerhochdeutsche nicht die Rolle eines Nationalsymbols.“ (Schmidlin 2011: 104)
Eine abgeschwächte Form der Identifikation mit der schweizerischen Standardvarietät
findet sich aber dennoch unter den Deutschschweizern. Das zeigen sowohl die Debatten
in der Literatur (vgl. Loetscher 1986; Böhler 1991) als auch Diskussionen um den
Sprachgebrauch der Schweizer Radio-‐ und Fernsehsprecher (vgl. Ammon 1995: 303;
Bickel/Hofer 2013: 84-‐85). Auch die vorliegende Untersuchung ist richtungweisend.
Mehr als drei Viertel der befragten Zeitungsleute befürworten das
Schweizerhochdeutsch und setzen sich für die schriftliche Anwendung im Kontext einer
Schweizer Zeitung ein.
Die Wahrnehmung der Plurizentrik ist unter den befragten Zeitungsleuten
grundsätzlich besser als unter bisher befragten Deutschschweizern. Während die
vorangegangenen Studien Scharloths (2005) und Schmidlins (2011) bei ihren
Probanden noch kein Plurizentrizitätsbewusstsein ermitteln konnten, kann ein solches
in der vorliegenden Erhebung bei der Hälfte der Befragten festgestellt werden. Zwar ist
der Ausdruck Plurizentrik kaum jemandem bekannt, wohl aber das sprachliche
Phänomen. Es gibt allerdings auch vereinzelte Probanden, die der schweizerischen
Standardvarietät die Berechtigung nicht zugestehen wollen. Diesen Plurizentrikgegnern
kann mitgegeben werden, dass das Konzept der Plurizentrik die bestehenden
Asymmetrien nicht zu leugnen versucht. Stattdessen soll das Bewusstsein der
Deutschsprachigen dafür geschärft werden, dass es sich bei der dominanten
deutschländischen Standardvarietät „nicht schlechthin um das ‚eigentliche’ Deutsch
80
handelt, sondern genauso um eine Varietät“ (Hägi 2006: 49). Die vorliegende
Untersuchung leistet dazu ihren Beitrag.
81
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I
Anhang
A Korrekturauftrag
„Würden Sie das so schreiben/stehen lassen?“ Bitte lesen Sie die Sätze durch und korrigieren Sie, wenn Sie etwas anders schreiben würden. Markieren Sie bitte auch, welches Wort/welche Formulierung Sie stört.
1. Dass der Bikini einer Männerfantasie entsprang und über die Jahrzehnte diese immer wieder bediente, ist sicher kein Zufall. _____________________________________________________________________________________________
2. Eine mit dem Ebolavirus infizierte Frau ist in Liberia aus dem Spital geflohen und hat anschliessend Dutzende Menschen in Lebensgefahr gebracht. _____________________________________________________________________________________________
3. Morgens und abends werden die Promenaden und Parks zu Turn-‐ und Tanzbühnen. _____________________________________________________________________________________________
4. Doch es sind nicht immer die Nachbarn, manchmal ist auch die Wohnung hellhörig. _____________________________________________________________________________________________
5. Am Donnerstag, den 13. Juni, haben ums Seebecken für einmal die Velofahrer
Vorfahrt. _____________________________________________________________________________________________
6. Dazu gehört auch rechtzeitig andere Ärzte hinzuziehen, wenn die eigene
Kompetenz nicht ausreicht. _____________________________________________________________________________________________
7. Bei denen handelt es sich durchweg um luxuriöse Häuser mit ganzheitlichem und nachhaltigem Konzept. _____________________________________________________________________________________________
8. Dem Quai entlang stehen Bäume, und die Boote, die mit Plachen zugedeckt sind,
sehen aus wie gestrandete Wale. _____________________________________________________________________________________________
II
9. Sie verlangten in Planungserklärungen, die Empfehlungen seien innert Jahresfrist umzusetzen. _____________________________________________________________________________________________
10. Trotzdem komme es immer wieder vor, dass Rheinfelder für private Anlässe bei
ihr anfragen. _____________________________________________________________________________________________
11. Längst sind es nicht mehr nur Jugendliche, die auf Trottoirs und Plätzen um die Wette kurven. _____________________________________________________________________________________________
12. Die Kommission kann bei Bedarf externe Fachleute beiziehen. _____________________________________________________________________________________________
13. Die Asylbewerber werden in ein Mehrfamilienhaus an der Muhlernstrasse zügeln. _____________________________________________________________________________________________
14. Vor dem Dornitunnel musste die Gruppe, welche auf dem Gehsteig fuhr, wegen
eines entgegenkommenden Fahrradfahrers anhalten. _____________________________________________________________________________________________
15. Wo die finanzielle Limite liegt, ab der man zahlen muss, lässt sich indes nicht sagen. _____________________________________________________________________________________________
16. In ihrer eigenen Partei aber wurde das Grummeln lauter. _____________________________________________________________________________________________
17. Wenn einer die gesellschaftspolitische Frage auch nur antönt, gilt er als Linker
und ist unerwünscht. _____________________________________________________________________________________________
18. Die E-‐Mail von letzter Woche brachte das Fass zum Überlaufen. _____________________________________________________________________________________________
19. Schlagzeile: Autolenker am Steuer eingeschlafen und verunfallt _____________________________________________________________________________________________
20. Giovannardi stellte weitere Untersuchungen in Aussicht, um allfällige Verletzungen nationaler Normen abzuklären. _____________________________________________________________________________________________
III
21. Die Forderungen der Amerikaner werden meist diskussionslos akzeptiert. _____________________________________________________________________________________________
22. Landschaften, wie Rheinland-‐Pfalz und das Saarland sie bieten, laden zu
Klassenfahrten ganz besonders ein. _____________________________________________________________________________________________
23. War es zu DDR-‐Zeiten ausgeschlossen, Politiker zu veräppeln, stört das heute
niemanden. _____________________________________________________________________________________________
24. In den 80er-‐Jahren galt innerorts Tempo 60. _____________________________________________________________________________________________
25. Im Unternehmen, bei dem man sich beworben hat, sollte man sich dagegen vorab besser nicht nach dem Gehalt anderer erkundigen. _____________________________________________________________________________________________
26. Gemäss Aussage des Abwarts verhielten sich die Jugendlichen allenfalls übermütig. _____________________________________________________________________________________________
27. Die Hände zittern etwas, die Finger sind lilafarben und leicht geschwollen. _____________________________________________________________________________________________
28. Die Wohnung befindet sich an zentraler Lage. _____________________________________________________________________________________________
IV
B Quellenliste der nationalen Varianten und Sätze im Korrekturauftrag Tabelle 14: Quellen der im Korrekturauftrag verwendeten Helvetismen und Sätze. Helvetismus Aufgeführt in Abwart Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012); Ammon et al. (=VWB) (2004) und
Duden (2013) mit Vermerk schweiz. allenfalls Bickel/Landolt (2012) allfällig Meyer (2006) mit Vermerk österr.; Bickel/Landolt (2012); Duden (2013)
und VWB (2004) mit Vermerk österr., schweiz. Satz aus: Neue Luzerner Zeitung (01.07.2005) an (sehr zentraler Lage) Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012) antönen Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012); VWB (2004) und Duden (2013)
mit Vermerk schweiz. Satz aus: VWB (2004) Autolenker Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012); VWB (2004) mit Vermekr schweiz.
und österr.; Duden (2013) mit Vermerk bes. österr. Satz aus: Tages-‐Anzeiger (17.03.2014) beiziehen Meyer (2006) mit Vermerk auch südd., österr., sonst selten; Bickel/Landolt
(2012); Duden (2013) mit Vermerk bes. südd., österr., schweiz.; VWB (2004) mit Vermerk schweiz., österr. und südostdt.
Satz aus: Tages-‐Anzeiger (07.11.2013) diskussionslos Bickel/Landolt (2012); VWB (2004) mit Vermerk schweiz. Satz aus: Tages-‐Anzeiger (09.11.2013) innerorts Meyer (2006) mit Vermerk auch vorarlb.; Bickel/Landolt (2012); Duden
(2013) mit Vermerk bes. schweiz.; VWB (2004) mit Vermerk westösterr., schweiz., mittel-‐/süddt.
Satz aus: Basler Zeitung (27.09.2013) innert Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012); Duden (2010) und VWB (2004)
mit Vermerk schweiz., westösterr. Satz aus: Berner Zeitung (20.03.2014) die Limite Meyer (2006), Bickel/Landolt (2012); markiert als franz. schweiz. im
Duden (2013) und im VWB (2004) Satz aus: Tages-‐Anzeiger (24.02.2014) Plache Meyer (2006) zusammen mit Blache; Bickel/Landolt (2012); Duden
(2013) unter Blahe mit Vermerk österr.; VWB (2004) mit Vermerk österr., schweiz. und südostdt.
Satz aus: VWB (2004) Quai Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012); VWB (2004) mit Vermerk österr.,
schweiz.; Duden (2013) mit Vermerk franz. schweiz. Satz aus: VWB (2004) dem Quai entlang Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012) Satz aus: VWB (2004)
V
Spital Meyer (2006) mit Vermerk auch österr. und dtl. landsch., sonst veraltet; Bickel/Landolt (2012); Duden (2013) mit Vermerk landschaftlich; VWB (2004) mit Vermerk schweiz., österr. und luxemb.
Satz aus: Berner Zeitung (04.04.2014) Trottoir Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012); VWB (2004) mit Vermerk schweiz.,
süddeutsch; Duden (2013) mit Vermerk schweiz. Satz aus VWB (2004) Velofahrer Meyer (2006) mit Vermerk mundartnah bis normalsprachlich;
Bickel/Landolt (2012); Duden (2013) und VWB (2004) mit Vermerk schweiz.
Satz aus: Tages-‐Anzeiger (29.05.2013) verunfallen Meyer (2006); Bickel/Landolt (2012); Duden (2013) mit Vermerk Amtsspr.;
VWB (2004) mit Vermerk schweiz. Satz aus: Tages-‐Anzeiger (17.03.2014) zügeln Meyer (2006) mit Vermerk mundartnah bis normalsprachlich;
Bickel/Landolt (2012); VWB (2004) und Duden (2013) mit Vermerk schweiz.
Satz aus: Bund (12.06.2013)
Tabelle 15: Quellen der im Korrekturauftrag verwendeten Teutonismen und Sätze. Teutonismus Aufgeführt in bei ... anfragen Meyer (2006); VWB (2004) mit Vermerk österr., deutschl. Satz aus: Badische Zeitung (08.02.2004) der Bikini Bickel/Landolt (2012) und VWB (2004) mit Vermerk deutschl.; Duden
(2013) mit Vermerk schweiz. das Bikini Satz aus: SonntagsZeitung (04.04.2004) durchweg VWB (2004) und Meyer (2006) mit Vermerk deutschl.; Duden (2013) nicht
markiert, aber mit Vermerk durchwegs in österr., schweiz. nur so, sonst ugs. Satz aus: Berliner Morgenpost (23.03.2014) die E-‐Mail Bickel/Landolt (2012) und VWB (2004) mit Vermerk deutschl.; Duden
(2013) mit Vermerk bes. südd., österr., schweiz. das E-‐Mail Satz aus: SonntagsZeitung (11.03.2013) Fahrradfahrer VWB (2004) und Bickel/Landolt (2012) mit Vermerk gemeindeutsch;
Meyer (2006) mit Vermerk dtl. Synonym Satz aus: Neue Luzerner Zeitung (04.06.2012) Gehalt VWB (2004) mit Vermerk deutschl., österr. Satz aus: VWB (2004) Gehsteig Bickel/Landolt (2012) mit Vermerk deutschl.; VWB (2004) mit Vermerk
südostdt., österr. Satz aus: Neue Luzerner Zeitung (04.06.2012) grummeln VWB (2004) mit Vermerk nordost-‐/mitteldeutsch; Duden (2013) mit
Vermerk landsch. Satz aus: Badische Zeitung (10.12.2013) hellhörig VWB (2004) mit Vermerk österr., deutschl. Satz aus: Berliner Morgenpost (14.04.2012)
VI
hinzuziehen VWB (2004) mit Vermerk deutschl. Satz aus: VWB (2004) Klassenfahrt VWB (2004) mit Vermerk deutschl. Satz aus: VWB (2004) lilafarben VWB (2004) mit Vermerk deutschl. Satz aus: Sächsische Zeitung (14.06.2004) Parks Bickel/Landolt (2012) mit Vermerk deutschl.; Duden (2013) mit Vermerk
schweiz. Pärke; VWB (2004) mit Vermerk gemeindeutsch Satz aus: Neue Luzerner Zeitung (26.03.2014) veräppeln VWB (2004) mit Vermerk deutschl., Grenzfall des Standards; Duden (2013)
mit Vermerk ugs. Satz aus: Hamburger Abendblatt (01.02.2013) Vorfahrt VWB (2004) mit Vermerk deutschl. Satz aus: Tages-‐Anzeiger (29.05.2013) vorab VWB (2004) mit Vermerk deutschl. Satz aus: VWB (2004)
VII
C Das halboffene Interview
Fragekatalog: 1. Spracheinstellung und Plurizentrizitätsbewusstsein
1. Vergleich Hochdeutsch der Deutschschweizer vs. Hochdeutsch der Deutschen: Sprechen und schreiben Deutschschweizer ein schlechteres Hochdeutsch? (schriftlich und mündlich)
2. Gibt es einen wahren Standard? Ist das Standarddeutsch der Deutschen = das „wahre“, „richtige“ bzw. „gute“ Hochdeutsch? (schriftlich und mündlich) Sollen wir uns sprachlich nach dem Standarddeutsch in Deutschland richten? (mündlich und schriftlich)
3. Wie gut empfinden Sie Ihre Hochdeutschkompetenz -‐> Wie fühlen Sie sich im Umgang mit der Standardsprache, wenn Sie mit einem deutschen Kollegen sprechen? (auch schriftlich)
4. Was ist Schweizerhochdeutsch? -‐> Wie unterscheidet sich CH-‐Hochdeutsch vom deutschen Hochdeutsch? (mündlich und schriftlich)
5. Was sind Helvetismen? 2. Sprach-‐/Schreibgebrauch
1. Hochdeutsch schreiben in einer diglossischen Sprachsituation: Treffen Sie auf sprachliche Schwierigkeiten im Hinblick auf die „spezielle“ Sprachsituation der Deutschschweiz (Diglossie)?
2. Wie schweizerisch darf der Text sein? -‐> Wie gehen Sie mit Helvetismen um? 3. Überarbeitung: Wie wird vorgegangen? Welche Nachschlagewerke werden
konsultiert?
3. Zusätzliches 1. Deutsche Journalisten in der Deutschschweiz: Schwierigkeiten mit dem CH-‐
Hochdeutsch? Häufige „Fehler“? 2. Diachronischer Aspekt: Veränderungen in der Sprache und im Umgang mit
Helvetismen (mehr/weniger Toleranz)? 3. Ist Ihnen bewusst, dass (Schweizer) Zeitungen – und somit auch Sie – ein
sprachliches Vorbild für den Sprachgebrauch des Deutschschweizer Laien sind? 4. Kennen Sie das Konzept „Deutsch als plurizentrische Sprache“?
VIII
D Die Korrekturen der Helvetismen und Teutonismen im Detail
Tabelle 16: Die Markierungen und Korrekturen der Helvetismen im Detail. Helvetismus Markiert Akzeptiert Unsicher, ob
akzeptabel Nicht akzeptiert/ ersetzt
Ersetzt durch (Anzahl)
zügeln 30 11 2 17 umziehen (12), ziehen (3), „zügeln“ (1), keine Alternative (1)
antönen 21 11 1 9 erwähnen (4), keine Alternative (3), ansprechen (2), „antönen“ (1), andeuten (1), aufwerfen (1), aussprechen (1), anklingen (1)
Plachen 20 3 2 15 Planen (5), keine Alternative (5), „Plachen“ (2), Blachen (2), Abdeckung (1)
Autolenker 16 7 1 8 Autofahrer (8) Abwart 16 11 5 Hauswart (5) Trottoir 13 13
an+Lage 10 3 7 liegt Zentral (5), im Zentrum (1), in der Innenstadt (1)
innert 10 7 3 innerhalb (3) allenfalls 8 3 2 3 möglicherweise (1),
höchstens (1), allenfalls weglassen (1)
Velofahrer 8 8
innerorts 7 7
allfällig 6 3 3 allfällig streichen (2), mögliche (1)
entlang+Dativ 6 3 3 mit Genitiv (2), Am Quai stehen (1)
beiziehen 6 2 1 3 hinzuziehen (3)
Spital 6 6
die Limite 5 3 2 Grenze (2) verunfallen 3 2 1
diskussionslos 2 1 1 ohne Diskussion (1) Quai 1 1
Total 194 105 10 79
IX
Tabelle 17: Die Markierungen und Korrekturen der Teutonismen im Detail. Teutonismus Markiert Akzeptiert Unsicher, ob
akzeptabel Nicht akzeptiert/ ersetzt
Ersetzt durch (Anzahl)
grummeln 27 11 3 13 Murren (4), Unmut (2), keine Alternative (4), Gemurmel (1), Diskussion (1), Murmeln (1)
hellhörig 26 1 25 keine Alternative (21), ringhörig (4)
Gehsteig 25 2 23 Trottoir (23) Fahrradfahrer 20 2 18 Velofahrer (18) veräppeln 20 9 11 keine Alternative (6),
hochnehmen (3), lustig machen (2), aufs Korn nehmen (1)
durchweg 18 2 16 durchwegs (15), durchweg weglassen (1)
die E-‐Mail 17 6 1 10 das E-‐Mail (10) hinzuziehen 17 17 beiziehen (9), hinzuzuziehen
(2), einzubeziehen (1), hinzu zu ziehen (1), aufzubieten (1), aufzusuchen (1), Rat einholen (1), keine Alternative (1)
Klassenfahrt 16 2 14 Schulreise (11), Schulausflug (1), Klassenreise (1), Ausflug (1)
anfragen+bei 13 1 12 sie anfragen (5), keine Alternative (5), nachfragen (1), informieren (1)
vorab 13 4 9 keine Alternative (3), im Vorherein (1), vorgängig (1), im Voraus (1), im Vorfeld (1), vorher (1), vorab weglassen (1)
der Bikini 8 1 7 das Bikini (7) lilafarben 8 3 5 lila (3), lilafarbig (1), bläulich
(1)
Gehalt 7 1 6 Lohn (6) Parks 6 2 1 3 Pärke (3) Vorfahrt 2 1 1 Vortritt (1) Total 243 45 8 190
X
E Zusätzliche Markierungen im Korrekturauftrag Tabelle 18: Die häufigsten Kritikpunkte an den Sätzen im Korrekturauftrag (n=34). Satz (Nummer im Auftrag) Die häufigsten Kritikpunkte (Anzahl) Wo die finanzielle Limite zahlt, ab der man zahlen muss, lässt sich indes nicht sagen. (15)
Nebensatz: ab der man (15)
Bei denen handelt es sich durchweg um luxuriöse Häuser mit ganzheitlichem und nachhaltigem Konzept. (7)
Wortwahl: bei denen (14), ganzheitlich und nachhaltig (11)
Sie verlangten in Planungserklärungen, die Empfehlungen seien innert Jahresfrist umzusetzen. (9)
Wortwahl: Planungserklärungen (13)
Längst sind es nicht mehr nur Jugendliche, die auf Trottoirs und Plätzen um die Wette kurven. (11)
Wortwahl: um die Wette kurven (13)
Dazu gehört auch rechtzeitig andere Ärzte hinzuziehen, wenn die eigene Kompetenz nicht ausreicht. (6)
Komma einfügen (12), Satz = sehr schweizerisch (2)
Dass der Bikini einer Männerfantasie entsprang und über die Jahrzehnte diese immer wieder bediente, ist sicher kein Zufall. (1)
Satzstellung (11)
Landschaften, wie Rheinland-‐Pfalz und das Saarland sie bieten, laden zu Klassenfahrten ganz besonders ein. (22)
Satzstellung: holprig (11)
Die Hände zittern etwas, die Finger sind lilafarben und leicht geschwollen. (27)
Wortwahl: etwas (10)
Die E-‐Mail von letzter Woche brachte das Fass zum Überlaufen. (18)
Redewendung: das Fass zum Überlaufen bringen (9)
Giovannardi stellte weitere Untersuchungen in Aussicht, um allfällige Verletzungen nationaler Normen abzuklären. (20)
Satzstellung: umständlich (8)
Eine mit dem Ebolavirus infizierte Frau ist in Liberia aus dem Spital geflohen und hat anschliessend Dutzende Menschen in Lebensgefahr gebracht. (2)
Satzstellung: umständlich (7)
Dem Quai entlang stehen Bäume, und die Boote, die mit Plachen zugedeckt sind, sehen aus wie gestrandete Wale. (8)
Satzstellung (7)
Trotzdem komme es immer wieder vor, dass Rheinfelder für private Anlässe bei ihr anfragen. (10)
Tempus: anfragen (7), Satz = zu schweizerdeutsch (4)
Morgens und abends werden die Promenaden und Parks zu Turn-‐ und Tanzbühnen. (3)
Wortwahl: Promenaden (5)
Am Donnerstag, den 13. Juni, haben ums Seebecken für einmal die Velofahrer Vorfahrt. (5)
Satzstellung (5), Satz = sehr mundartlich (2), Wortwahl: für einmal (3)
Vor dem Dornittunnel musste die Gruppe, welche auf dem Gehsteig fuhr, wegen eines entgegenkommenden Fahrradfahrers anhalten. (14)
Relativpronomen: welche (5)