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Beitrage zur Chemie des Schwefels. XX1)

Die Raumchemie der Sulfide von Natrium und Kalium

Von F. FEH~GR und H. J. BERTHOLD

Mit 1 Abbildung

Inhaltsiibersieht Die Raumchemie der hoheren Sulfide von Natrium und Kalium laBt sich am besten

beschreiben, wenn man bei der Auswertung fur die Alkalimetalle Foneninkremente ver- wendet und beim Schwefel zwei Sorten unterscheidet, einmal die beiden an den Enden der Schwefelketten und zum anderen die in der Kette selbst befindlichen Atome.

Raumchemische Un tersuchungen uber das Verhalten von Schwefel in seinen Verbindungen sind schon wiederholt durchgefiihrt worden. Besonders iiber die einfachen Sulfide liegt ein umfangreiches Unter- suchungsmaterial vor, das es ermoglicht, das Schwefelinkrement in diesen Stoffen recht genau festzulegen. Es hat sich dabei gezeigt, daB das Inkrement nicht konstant ist, sondern in starkem MaBe von der Ladung und Polarisationswirkung des Kations abhangt. Der Einflu13 beider Effekte geht Bus Tabelle 1 hervora). Hier sind die Inkremente des Sulfidions, wie sie fur echte Salze der Hauptgruppen gelten, einigen Werten aus halbmetallischen Verbindungen des Schwefels gegenuber- gestellt.

Wahrend das Inkrement des Sulfidions in den Alkalimonosulfiden 29 em3 betragt, findet man bei den Sulfiden des einwertigen Kupfers und Silbers Inkremente von 1 7 und 16 em3, die auf starke Kontraktionen hinweisen. Bei den zweiwertigen Kationen liegen die Verhaltnisse ahnlich. Die Raumbeanspruchung des Sulfidions betragt bei den Erd- alkalisulfiden im Durchschnitt 20 em3, bei den ubrigen Sulfiden jedoch wesentlich weniger. Die Ausnahme beim Zinksulfid la& sich dadurch erklaren, darj das Zn++-Ion infolge seines aufgefullten 3 d-Niveaus

1) XIX. Mitteilung: F. F E R ~ R , E. SCHLIEP u. H. WEBER, Z. Elektrochem. Ber.

a) Vgl. dazu W. BILTZ, ,,Raumchemie der festeu Stoffe", Leipzig 1934, S. 234 (im Bunsenges. physik. Chem. 67, 916 (1953).

folgenden zitiert als ,,Raumchemie").

Z. snorg. allg. Chemie. Bd. 275. 16

242 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 275. 1954

nicht mehr so stark polarisierend wirkt, und ubereinstimmend hiermit besitzt ZnS ja bereits mehr salzartigen Charakter. Auf Grund der starken Abweichungen bei den halbmetallischen Sulfiden der uber- gangsreihen schlugen BILTZ und K L E M M ~ ) vor, diese SLoffe nicht mehr nach Ioneninkrementen auszuwerten, sondern sie den i n termetallischen Verbindungen an die Seite zu stellen und bei Berechnungen statt der Inkremente der Ionen diejenigen der Atome zu verwenden. Unter Berucksichtigung dieses Sachverhaltes erhielten BImz und KLEMM

Tabelle 1 S c h w e f e l - I n k r e m e n te

Kationen

I -wer t .Ka ti on e n A1 kalime talle cu+ Ag+

2-w e r t . Ka ti o n e n Erdalkalime talle Cr++ Mn++ Fe++ co++ Nii-+ cu++ Zn++

S-Inkrement (em

29 1 7 16

-

20 73,4

14,3 1 2 , l 14,1 1 1 7 3 I 21 ~ _ _ ~

nach Subtraktion der Atomvolumina der Metalle von den Molvolumina halb- metallischer Sulfide als Mittelwert fur das ,,Verbindungsvolumen" des Schwe- fels in diesen Sulfiden den Wert 12 cm3. Eine ahnliche Rauimbeanspruchung durfte der Schwefel auch besitzen, wenn er in einer metallischen Modifikation auf- trate4). Im Gegensatz hierzu betragt das Atomvolumen des rhombischen Schwefels 15,6 ern3, dasjenige des mono- klinen Schwefels 16,5 uind das des amor- phen Schwefels 17,2 cm3.

Nach dem soeben dargelegten Ver-. halten des Schwefels i n einfachen Sul- fiden ist es wahrscheinlich, dalj man auch bei den hoheren Sulfiden salzartige Verbindungen von solchen mit halb-

metallischem Charakter unterscheiden mu13. Systematisch untersucht. wurden bisher lediglich die in den Systemen der Obergangsmetalle mit Schwefel aufgefundenen hoheren Sulfide. Es handelt sich hier bis auf verschwindende Ausnahmen uni halbmetallische Verbindungen, die sich im allgemeinen ,,atornadditiv" auswerten lieljen und dabei im Durch- schnitt den fur Schwefel zu erwartenden Wert von 12 cm3 ergaben.

Ober die Verhaltnisse bei den h o h e r e n Alka l i su l f iden ist bisher noch nichts bekannt. Auf Grund ihres Aussehens sowie ihres verschie- denen Verhaltens gegenuber Wasser und verdunnten Sauren kann kein Zweifel daran bestehen, da13 die Verbindungen ausgesprochen salzartigen Charakter besitzen. Fur die raumchemischen Untersuchungen ist e s ferner vorteilhaft, da13 - im Gegensatz zu den ubergangsmetallen -

3, ,,Raumchemie", S. 232. 4, ,,Raumchemie", S. 833.

FEHBR u. B E R T H O L D , - D ~ ~ Raumchemie der Sulfide yon Natrium und Kalium 243

von den einzelnen Alkalimetallen jeweils mehrere Schwefelverbindungen bekannt sind, so dalj gute Vergleichsmoglichkeiten gegeben sind. Auch darf man sicher annehmen, dalj die Ergebnisse nicht wesentlich durch Polarisationserscheinungen beeinflufit sind, da die groljen Ionen des Natriums und Kaliums wenig polarisierend wirken.

Raumchemische Daten bei den Sulfiden yon Natrium und Kalium Die D i c h t e b e s t i m m u n g e n wurden pyknometrisch mit getrocknetem Toluol ills

Sperrflussigkeit durchgefuhrt, indem man das Toluol bei einem Vakuum von lop3 Torr zu der im Pyknometer eingewogenen Substanz zuflieBen lie& Doppelbestimmungen am gleichen Praparat differierten weniger als l/z o/oo Dagegen betrugen die Schwankungen gegenuber anderen Produkten gleicher Zufiammensetzung mitunter bis zu 1%. Da die Werte allgemein nach dem Schmelzen etwas groBer wareu, andererseits jedoch keine nennenswerten, rontgenographisch erkennbaren Gitteranderungen auftratens), haben wir fur die raumchemischen Betrachtungen die Dichten der aus Schmelzen im Vakuum kri- stallin erstarrten Praparate zugrunde gelegt und uber die vorliegenden Werte gemittelt.

Die bei den Na t r i u m v e r b i n d u n g e n erhaltenen Dichten sowie die daraus berechneten Molvolumina sind in Tabelle 2 zusammenge- stellt :

d20

1,85G) 2,05 2,08 2,08

Tabelle 2 N a t r i u m s u l f i d e

1

~ ~ , , , c m 3 ~ . ,IMV cm3 S-Inkrement mit Na+ = 6,5 cm3

42,2 53,7

99,2 15,4

29,2 cm3 20,4 cm3 17,7 cm3 17,2 om3

Die beim ubergang von Na,S zu Na,S, beo bachtete geringe Volumen- zunahme von nur 11,5 cm3, die noch kleiner ist als das Verbindungs- vol umen selbst des , , halbme tallischen" Sc hwefels, f inde t seine Erklar ung im wesentlichen in zwei Ursachen. Einmal ist es die Tatsache, da13 die Antifluoritstruktur des Na,S verhaltnismaljig weitraumig ist (siehe unten) und daher gegenuber dem Ersatz der Sulfidionen durch Disulfid- ionen eine gewisse Toleranz zeigt, und zum anderen der komprimierte Aufbau des S;--Ions, bei dem sich die M-Schalen der beiden Schwefel- atome weit uberlappen. Hierdurch bekommt das Ion die Gestalt einer Hantel, wie sie bereits von den Verbindungen des Pyrit-Typs her be-

5, Ausgenommen beim Na,S,, wo wir die B-Modifikation fur die raumchemischen

6, Vgl. ,.Raumchemie", S . 91.

~~-

Untersuchungen herangezogen.

16*

244 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 275. 1954

1 d2, A- MVcm3 1 .1MVcm3 Priparate _ _ _ ~ - ~

I 11, l K2S 1 1,808) I 6 1 J 1,97 72,2

K,S3 2,lO ' 83,l K,S, 2,04 ' , 101,2 I 18J

I 10,9 K2S2

kannt ist. Es wurde schon an anderer Stelle mitgeteil.t, daI3 auf das Disulfid als nachstes definiertes hoheres Sulfid das Nartriumtetrasulfid folgt. Die Volumenzunahme betragt pro Grammatom Schwefel etwa 15 cm3. Beim ubergang zum Pentasulfid liegt der Wert bei 15,4 cm3. Zieht man von den Molvolumina der einzelnen Sulfide die Inkremente der beiden Na+-Ionen a b, so erhalt man als mittlere Raunibeanspruchung fur den Schwefel die in der letzten Spalte der Tabelle angegebenen Be- trage. Sie werden rnit zunehmender Kettenlange kleiner, indem der EinfluI3 des groljen Sulfidions allmahlich immer weniger ins Gewicht fallt, und nahern sich dem Atomvolumen des element,aren Schwefels.

Tabelle 3 bringt eine ubersicht uber die raumchemischen Daten der Kaliumsulfide.

Tabelle 3 K a l i u m s u l f i d e

-.

S-Ihkrement mit lK+ = 16 cm3

29,l om3 20,l om3 17,O ern3 17,3 cm3

K2S5 -~ K,S,

16,O C I ~ P 17,O om3

10,8 22,o

2,13 1 112,O 2,02 1 134,O I ~

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kannt ist. Es wurde schon an anderer Stelle mitgeteil.t, daI3 auf das Disulfid als nachstes definiertes hoheres Sulfid das Nartriumtetrasulfid folgt. Die Volumenzunahme betragt pro Grammatom Schwefel etwa 15 cm3. Beim ubergang zum Pentasulfid liegt der Wert bei 15,4 cm3. Zieht man von den Molvolumina der einzelnen Sulfide die Inkremente der beiden Na+-Ionen a b, so erhalt man als mittlere Raunibeanspruchung fur den Schwefel die in der letzten Spalte der Tabelle angegebenen Be- trage. Sie werden rnit zunehmender Kettenlange kleiner, indem der EinfluI3 des groljen Sulfidions allmahlich immer weniger ins Gewicht fallt, und nahern sich dem Atomvolumen des element,aren Schwefels.

Tabelle 3 bringt eine ubersicht uber die raumchemischen Daten der Kaliumsulfide.

Tabelle 3 K a l i u m s u l f i d e

Die Differenz zwischen K,S und K,S, liegt rnit 11.1 cm3 nur wenig unterhalb der beim ubergang von Na,S zu Na,S, beobachteten (11,5). Dies deutet darauf hin, daI3 der beim K,S gegenuber Na,S vorhandene Unterschied in der Raumausnutung - ersteres ist rnit einer Packungs- dichte von etwa 44,5% erheblich weitraumiger als letzteres rnit etwa 48,4%7) - beim ubergang zum Disulfid nur zu einem Teil ausgeglichen wird. Unter diesem Gesichtspunkt ist es verstandlich, daI3 bei der Bildung von K,S3 die Zunahme im Molvolumen rnit 10,9 om3 wieder so bemerkenswert gering ist. Der Unterschied zwischen den Molvolumina von K,S3 und K,S,, der mit einem Wert von 18,l cm3 sogar erlieblich groi3er ist, als dein Atomvolumen des rhombischen oder amorphen Schwefels entspricht, ist offensichtlich durch einen Gitter- bzw. Struktur- wechsel in Verbindung rnit einer Auflockerung zu erlclaren. Damit in Einklang steht die ausgesprochen lileine Differenz von 10,s cm3 zwischen den Volumina von K,S, und K,S,, die fur letzteres wieder eine engraumige Struktur beweist. Fur die starlce Volumenvergroljerung in Hohe von

7) Zur Berechnung wurdcn die von R. W. G . WYCKOFF in ,,Crystal Structures" Tafel 111, 3 aufgefuhrten Ionenradien verwendet (Na+ = 1,OO; K+ == 1,33; S-- = 1,82 A).

FEHBR u. BERTHOLD, Die Raumchemie der Sulfide von Natrium und Kalium 245

taren Schwefels. Sie fallen in der Kalium- 760-

reihe jedoch nicht 7 5 ~ stetig ab, da sich ihnen die durch die wech- selnde Raumerfullung in den einzelnen Ver- bindungen bedingten no unterschiedlichen An- 100.

teile des Gitter- 9 D -

zwischenraumes auf- 80- pragen,

Abb. 1 zeigt die Molvolumina der Sul- 6U-

fide von Natrium und jo.

Kalium noch einmal als Funktion ihres

740

130

f z o :

- ,rCs ,/'

K 'MY1 t cEII)

-Me,&

8, Das Molvolumen von (NH,),S wurde aus den Ioneninkrementen (NH: = 19,5; S-.- = 29) berechnet. Die Dichte des (NH,),S, betragt nach vorlaufigen eigenen Messungen d,, = 1,64 (Schwebemethode). Fur die aufgefuhrten Rubidium- und Caesiumverbin- dungen liegen Literaturwerte vor. Beim Cs,S, ist eine gewisse Unsicherheit dadurch ge- geben, daB man vom Molvolumen des Cs,Ss. H,O ausging und fur das Volumen des Wassers 1 4 cm3 in Abzug brachte (vgl. hierzu W. BILTZ, Z. anorg. allg. Chem. 193, 330 (1 930)).

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lagerten Schwefels gleich sein sollten, vom Na,S, a b gut erfullt. In der Reihe der Kaliumsulfide liegt dagegen nur bis zum K,S, hin Linearitat vor. Aus dem flachen Verlauf der Verbindungslinie ist zu schlieSen, da13 die Anlagerung des Schwefels bis zu dieser Verbindung mit einer betrachtlichen Verbesserung der Raumausnutzung verbunden ist. Es ist anzunehmen, daS das weitraumige Antifluorit-Grundgittter des Monosulfids bis zum K,S, hin oline alleu groBe Anderungen hinsichtlich der Koordinationsverhaltnisse erhalten bleibt. Die folgertde Abweichung von der Geradlinigkeit ist, wie schon erwahnt, durch Gitter- bzw. Strukturwechsel zu erklaren. Legt man durch die Vo lumenwerte der Kaliumsulfide eine mittelnde Gerade, so zeigt sicli, da,S diese nahezu parallel zu der Verbindungslinie der Molvolumina der Natriumsulfide verlauft. Im Mittel ist somit das Inkrement des angelagerten Schwefels in beiden Reihen gleich und betragt, wie man der Steigung entnehmen kann, ungefahr 15 (3111,. Wenn der Verlauf der Verbindungslinie bei den hoheren Sulfiden von Ammonium, Rubidium und Caesium auch zur Zeit noch nicht bekannt ist, so scheint aber auch hier die Volumen- additivitat im Mittel erfullt zu sein.

Diskussion der Ergebnisso

Da man in der Raumchemie stets bestrebt ist, fur Elemente oder Ionen nach Moglichkeit allgemeingultige, konstante Inlrremente abzu- leiten, erscheint die durch die Art der bisher durchgeluhrten Berech- nung bedingte Veranderlichkeit des Schwefelinkrementes in den hoheren Sulfiden wenig zufriedenstellend. Um den EinfluS des grol3en Sulfid - ions auszuschalten, wird man zunachst derart verfahren, daS man von dem Molvolumen der hoheren Sulfide das Volumen cles Monosulfids abzieht und so direkt das Volumen des gesamten, uber das Monosulfid hinausgehenden Schwefels erhalt. Die nach dieser Methode abgeleiteten Inkremente fur den angelagerten Schwefel steigen in der Natriumreihe von 11,5-14,2 cm3 und in der Kaliumreihe - unter Beibehaltung der gewohnten Unstetigkeiten - von 11,l-14,6 cm3 pro Glrammatom an.

Die Un terscheidung zwischen Sulfidschwefel eineirseits und dem daran angelagerten Schwefel andererseits bringt somit keine bemerkens- werte Verbesserung hinsichtlich der Konstanz der Inkremente.

Dies la& sich aber erreichen, wenn man die raumchemische Unter- teilung derartig vornimmt, da13 man die beiden Endschwefelatome der Anionen von den eigentlichen Kettenschwefelatomen unterscheidet. Dies entspricht der Auffassung, daS die beiden Endschwefelatome in

F E H ~ R u. BERTHOLD, Die Raumchemie der Sulfide von Natrium und Kalium 247

Gro13e und Raumbeanspruchung einander gleichwertig, jedoch groaer als die unter sich wiederum gleichwertigen Kettenschwefelatome sind 9).

Die Rauminkremente der endstandigen Atome gewinnt man aus den Inkrementen der S,--Ionen in den Disulfiden. In der Natrium- reihe liegt der Wert bei 20,4 cm3, in der Kaliumreihe bei 20,l om3 pro Grammatom Schwefel. Zur Berechnung der Raumbeanspruchung der ubrigen Schwefelatome zieht man von den Molvolumina der hoheren Sulfide das des Disulfids a b und dividiert die Differenz durch die Zahl der Kettenschwefelatome. Die so erhaltenen Werte sind in Tabelle 4 ausammengestellt :

Tabelle 4 I n k r e me n t e des ,,K e t t e n s c h w e f els''

I Priiparat I Na2s, I Na2S5 I K*S, 1 K2S4 I K2S5 I K2S6 I , 1

15,l I 15,2 10,9 ~ 14,5 , 13,3 , 15,5 1 Inkrement des Ket-

Wenn durch die neue Inkrementenaufteilung auch nicht in allen Fallen fur das Rauminkrement des Kettenschwefels vollige Konstanz erreicht werden kann, so liegen die Werte doch bevorzugt in der Nahe von 15 om3 pro Grammatom Schwefel. Da13 der Wert kleiner ist als das Atomvolumen des rhombischen Schwefels mit 15,6 cm3 ist durchaus plausibel und erklart sich durch die Tatsache, da13 letzterer ein weit- raumiges Molekelgitter besitzt, wahrend die hoheren Alkalisulfide Ionen- bzw. Schichtengitter aufweisen diirften.

Obwohl an dem salzartigen Charakter der hoheren Sulfide von Natrium und Kalium allen Anzeichen zufolge nicht gezweifelt werden kann, sol1 vollstandigkeitshalber noch gezeigt werden, welche Ergebnisse man fur die Raumbeanspruchung des Schwefels erhalt, wenn die Systeme der Alkalimetalle mit Schwefel, ahnlich wie das bei den halbmetalli- schen Systemen der Obergangsmetalle mit Schwefel gemacht wurde (siehe oben), als i n t e r m e ta l l i sc he Ver bin d u n g e n aufgefaSt und dementsprechend ausgewertet werden. Zieht man hiernach von den jeweiligen Molvolumina zweimal das Atomvolumen des Alkalimetalls ab, so resultiert fur das Inkrement des Schwefels im K,S2 und K,S, ein negativer Wert, wahrend man bei den ubrigen Sulfiden beider Reihen Betrige zwischen 2 und 11 om3 erhalt. Berucksichtigt man nun noch die Tatsache, daS die Alkalimetalle i n zahlreiche intermetallische Verbindungen nicht mit ihrem vollen Atomvolumen, sondern mit kleineren, aber weitgehend konstanten Rauminkrementen eingehenlo), so fuhrt die

9 Nach rontgenographischen Untersuclq~ngen am Bas, yon MILLER und KINQ (Z. Kristallogr., Mineralog. Petrog., Abt. A 94,439 (1936)) besitzen die beidenEndschwefe1- atome der 3er-Kette des S,--Ions einen Radius von 1,758, wahrend dem mittleren Schwefelatom ein ,,scheinbarer" Radius von 1,32 A zukommt. Der wahre Radius kann eventuell noch kleiner, jedoch nicht groBer als 1,32 8 sein.

lo) Vgl. ,,Raumchemie", S. 216.

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Berechnung der Schwefelinkremente zwar in allen Fallen zu positiven, jedoch keineswegs konstanten Raumwerten. Auch weichen diese teilweise recht erheblich vom Normalwert 12 cm9 ab.

Die Betrachtungen lassen somit in Obereinstimmung mit der Erwartung erkennen, daB die hoheren Alkalisulfide bei der raumchemischen Behandlung nicht mit den halb- metallischen Sulfiden der ubergangsmetalle verglichen werden konnen. Erstere lassen sich ihrem Ionencharakter und sonstigen Aufbau entsprechend am besten beschreiben, wenn man den Alkalimetallen Ioneninkremente beimiBt und beim Sohwefel zwei Sorten unterscheidet, einmal die an den Enden der Schwefelketten und zum anderen die in der Kette selbst befindlichen Atome.

DaB die raumchemische Beschreibung der in halbmetallischen Srstemen gefundenen hoheren Sulfide in sehr vielen Fallen mit nur einem, nahe bei 12 cma gelegenen Inkrement moglich ist, liegt daran, daB zur Auswertung der zugrunde liegenden einfachen Sulfide statt der Ioneninkremente die Atomvolumina der metallischen Partner eingesetzt werden und das fur den Sulfidschwefel abgeleitete Verbindungsvolumen somit selbst die Bedeu- tung eines Atomvolumens besitztll). Es ist daher durchaus verstandlich, wenn fur den an das einfache Sulfid zusiitzlich angelagerten elementaren Schwefel daei gleiche Inkrement gefunden wird, wie fur den sulfidischen Schwefel.

Inwieweit die bei den Metallen der Obergangsreihen gefunderien hoheren Sulfide hinsichtlich des Aufbaus der Anionen den salzartigen hoheren Sulfiden der Alkali- und Erdalkalimetalle vergleichbar sind, bedarf noch der Klarung durch rontgenographische Strukturuntersuchungen. Es ist z. B. bisher noch nicht bekannt, welche Konstitution die Anionen in Verbindugen wie TiS,, TaS,, VS, usw. besitzen. Die oft recht eigenartigen Zusammensetzungen der beobachteten Verbindungen legen die Vermutung nahe, daS e s sich in diesen Fallen um eine Art von Einlagerungssulfiden handelt,, deren Existenz in der Hauptsache auf strukturelle Ursachen zuruckzufuhren ist. 'l!ensionsanalytische, rontgenographische und raumchemische Untersuchungen an vielen derartigen Sulfiden beweisen aber, daB der Schwefel in ihnen nicht in elementarer Form ungebunden vorliegt, fiondern daS die Verbindungen durchaus als hohere Sulfide aufzufasoen sind.

Den groBen EinfluB der Kristallgitter auf die Rauminkremente des Schwefels, wie er deutlich bei den Verbindungen des Kaliums zu beobachten ist, findet man im ubrigen in gleicher Weise auch bei den hoheren Sulfiden der halbmetallischen Systeme. Die Zu- nahme im Molvolumen bei der Anlagerung von Schwefel ist danach stcets von der Struktur abhangig, fuhrt aber im Mittel in beiden Fallen doch zu einigermanen konstanten Werten.

Die Erweiterung der Untersuchungen auf die hoheren Sulfide von Rubidium und Caesium ist zur Zeit im Gange.

11) Vgl. S. 242.

Koln, Chemisches Institut der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 12. Oktober 1'953.


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