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Nr. 1393

Botschaft aus der Heimat

Aufbruch zum Punkt Imago - dieCIMARRON auf Rhodans und

Atlans Spuren

von Arndt Ellmer

Botschaft aus der Heimat Aufbruch zum Punkt Imago – die CIMARRON aufRhodans und Atlans Spuren Perry Rhodan – Heft Nr. 1393 von Arndt Ellmer

Juatafu, Benguel und Galaktiker haben ihr gemeinsames Ziel erreicht: das langegesuchte Nachodas Qoor. Die interessanteste Nachricht für Atlan und seine Beglei-ter.

Bei diesem kosmischen Gebilde handelt es sich um das Kosmonukleotid DORI-FER, genauer, seinen psionischen Abdruck im sterbenden Universum Tarkan.

Die Handlung des nächsten Romans blendet erst einmal wieder um. Reginald Bullund seine umgerüstete CIMARRON stehen im Zentrum des Geschehens.

Der Terraner, Perry Rhodans ältester Freund seit den Tagen der Dritten Macht, hates mittlerweile auch geschafft, Tarkan zu erreichen. Dabei waren Ihm allerdings my-steriöse Wesenheiten mehr als nur hilfreich. Immerhin konnten die Galaktiker dankder Hilfe dem gefürchteten Strangeness-Schock ausweichen.

Bully und seine Begleiter sind nun in jenem Viertel der Galaxis Hangay, das nochnicht in unser Universum versetzt worden ist. Bull bewegt sich nach ersten Kontaktenmit den Kartanin auf den Spuren Perry Rhodans und Atlans.

Der rothaarige Zellaktivatorträger bringt den Freunden eine wichtige BOTSCHAFTAUS DER HEIMAT …

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Die Hautpersonen des Romans:Reginald Bull - Seine CIMARRON wird geentert.Gucky und Benneker Vling - Der Mausbiber und der Bote von ES in Gefangenschaft.Hon-Tur - Projektleiter der Kartanin.Ossama - Ein Nakk.Atlan - Der Arkonide am Nachod as Qoor.

1.

Der Raum war in dunkelblaues Licht ge-taucht. Die in mehreren Reihen aufgestelltenAggregate waren gespenstische Schatten.Der einzige Anwesende in der Nebensektionvon Hangar IV kümmerte sich nicht darum.Gebeugt stand er vor einer Konsole und be-obachtete die Daten, die mit hoher Ge-schwindigkeit über einen Monitor huschten.Ab und zu stieß er ein zufriedenes Knurrenaus und wischte sich mit einer Hand über dieNase. Seine Augen ließen nicht vom Schirmab. Lange Zeit, wohl gut über eine halbeStunde, verharrte er in dieser Stellung. Einanderer Mensch wäre da längst im Kreuzfast abgebrochen, aber ihm schien es nichtsauszumachen. Er versuchte in keinem Au-genblick, sich aufzurichten. Es war, als seier kurzsichtig und müsse die Augen ziem-lich nahe an den Bildschirm bringen.

Unverständliche Worte kamen über seineLippen. Diese bewegten sich auch noch, alsder Mann in seiner grauen Montur längstnichts mehr sagte.

Plötzlich richtete er sich dann doch auf.Sein Rücken zeigte keinerlei Schwierigkei-ten bei der Veränderung seiner Lage. Ir-gendwo in den Halswirbeln knackte es kaumvernehmlich.

»Also doch«, flüsterte der Mann. Ersprang zur Seite und begann mit arg wiegen-den Schritten um die Versuchsanordnungherumzugehen. Der Interkom an der Wandblinkte, aber er achtete nicht darauf. Nacheiner Weile erlosch das Blinklicht. Jetztfühlte er sich nicht mehr gestört und beugtesich über die einzelnen Aggregate, die vonden Robotern in diesen Raum geschleiftworden waren. Die Maschinen standen an

den beiden Seiten des Eingangs, sie hattensich auf seinen Befehl hin desaktiviert. Wasjetzt kam, duldete keine Zuschauer und kei-ne Aufzeichnung.

Der Mann lächelte. Seit sie wußten, werer war, spionierten sie ihm nicht mehr nach.Ein Teil der Besatzung ging ihm scheu ausdem Weg, und er amüsierte sich jedesmalüber die teils fragenden und teils abwehren-den Blicke der Männer und Frauen, die ihmauf seinen Wanderungen durch das Schiffbegegneten.

Er war eine Projektion von ES. Das wuß-ten sie. Mehr hatte es gar nicht bedurft zusagen. Es reichte aus, um selbst ein Wesenwie Gucky mit offenem Mund dastehen zusehen. Das war jetzt bereits ein paar Stundenher, und Benneker Vling hatte es verstanden,sich aus dem Staub zu machen und für denRest der Besatzung unsichtbar zu werden.Hätte jemand in der Zentrale jetzt die Syn-trons befragt, was in der Nebensektion vorsich ging, er hätte die Antwort erhalten, daßdie Sektion leer stand.

Benneker Vling grinste über das ganzeGesicht, und die abstehenden Ohren wackel-ten dabei, daß ein Fremdrassiger gut undgern an einen Angriff denken mochte. Ben-neker störten solche und ähnliche Mißver-ständnisse nicht, er war gewappnet und be-hauptete zu Recht von sich, daß er gegen al-le Eventualitäten gefeit war.

»Also, dann wollen wir mal«, murmelte erim Selbstgespräch, nachdem er sich erneutdavon überzeugt hatte, daß der Eingang tat-sächlich verriegelt war und niemand ihn hierüberraschen konnte.

Mit drei weiten Schritten stand der große,ungemein dürre Mann vor der Konsole undschaltete die Versuchsanordnung mit einerentschlossenen Bewegung seiner rechten

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Hand ein.Sichtbar geschah zunächst gar nichts. Die

Aggregate begannen zu summen, zwei wei-tere Monitoren flammten auf und zeigtenwirre Formeln und Zahlenkombinationen,mit denen allein Vling etwas anfangen konn-te. Er beugte sich wieder den Bildschirmenentgegen und preßte die Lippen zusammen.Er blies die Backen auf, daß sie aussahenwie Hamsterbacken. Seine Augen wurden zuschmalen Schlitzen, und die Ohren lageneng am Kopf. Die blonden Haare standenihm in Büscheln zu Berg und leuchteten indem dunkelblauen Licht leicht violett. DieHaarspitzen begannen zu glühen, Elms-flämmchen huschten an ihnen entlang undverschwanden irgendwo im Hintergrundzwischen den Aufbauten.

Benneker Vling lachte. Sein Kopf rucktezur Seite in Richtung der hinteren Wand desRaumes, die freigeblieben war. Nichts ver-stellte hier die Sicht.

Ein greller weißer Punkt erschien auf derWand, etwa in der Mitte der Fläche. Erwuchs langsam zu einem kleinen Kreis anund wurde größer. Die Geschwindigkeit desVorgangs nahm proportional zur Größe zu.

»Ortung klar«, hauchte Vling.»Info-Sender ein!«

Die Konsole nahm seine Worte auf undführte die Anweisung aus.

Inzwischen hatte die weiße Fläche Deckeund Boden des Raumes erreicht und damitihre maximale Ausdehnung. Sie blieb kreis-förmig, und in dem Kreis erschienen wie ausdem Nichts drei leuchtende, eng beieinanderstehende Sterne, von denen einer ein blau-weißer Riese war. Vling kannte die Datender drei Sonnen in- und auswendig, dennochkam es ihm vor, als sehe er sie jetzt zum er-sten Mal.

»E-Ortung, Alpha-Sender«, sagte er.Ein vierter Monitor nahm seinen Betrieb

auf und erzeugte zwei ineinander verschlun-gene Sinuskurven und einen rhythmisch an-und abschwellenden Pfeifton, der sich im-mer wieder veränderte. Er wechselte Längeund Tonhöhe, und mit jedem Wechsel wur-

de das Gesicht Benneker Vlings länger. Erschüttelte den Kopf, richtete sich auf undstrich sich durch die widerborstigen Haare.Sie standen ihm jetzt ohne Ausnahme zuBerge, doch der Robotwartungsspezialiststörte sich nicht daran. Er leckte die Lippen.

»Sind wir tatsächlich auf E-Ortung?«zischte er. Der Kontrollautomat bestätigtees, und Vling wußte es selbst, daß die Anla-ge einwandfrei arbeitete.

Dennoch war da etwas, was störte. DieManifestation des Wesens von Wandererschloß die Augen und lauschte in sich hin-ein. Vling versuchte, irgendeine Störung zuerkennen, doch es gelang ihm nicht. Er wuß-te sich nicht anders zu helfen. Er trat an dieBedienungskonsole des Schiffes, die er ab-geschaltet hatte. Er aktivierte sie und suchtemit Optik und Infrarot nach einem Hinweis.

Tatsächlich fand er eine Wärmespur, de-ren Position sich nur langsam veränderte.

Vling verzog das Gesicht zu einem Grin-sen. Also doch! Nur Bully konnte dahinter-stecken. Selbst jetzt, wo der Kommandantder CIMARRON ihm vertraute, wollte erEinblick in all das gewinnen, was Vling tat.Das Grinsen in dem breiten und langen Ge-sicht wurde tief er. Die Nasenspitze wackel-te, die wulstigen Lippen rieben aneinander.

»Daraus wird nichts«, brummte Vling.»Du mußt dir etwas anderes aussuchen, Re-ginald!«

Er schaltete die Außenmikrophone ein.»Hör zu«, sagte er. »Ich weiß, daß du

mich hören kannst. Wenn du nicht sofortverschwindest, geschieht ein Unglück!«

Er schaltete die Optik hin und her, aberdie Stelle in einem der Räume ganz in derNähe schien keine Kamera zu erfassen. Nurdie Infrarotspur war vorhanden, und die än-derte sich weiterhin. Und sie hielt sich au-ßerhalb des Erfassungsbereichs jeder Optik.

Benneker Vling knirschte mit den Zäh-nen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, alsaus seinem Versteck zu kommen und sichselbst auf die Suche nach dem Störenfriedzu machen. Wenn er ihn erwischte, dannkonnte sich der Betreffende auf etwas gefaßt

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machen.Falls er ihn erwischte. Einen Gucky zum

Beispiel konnte man nicht so leicht erwi-schen, es sei denn, man fing ihn in einermausbibergerechten Falle. Und für so etwashatte Benneker Vling weder Lust noch Zeit.

»Gib dich endlich zu erkennen. Ich tue dirja nichts!« brummte er.

Jede seiner Muskelfasern war gespannt, erbeugte sich in Richtung des Ausgangs, alswolle er sich jeden Moment auf den werfen,der durch diese Tür kam, obwohl sie verrie-gelt war.

Erste Zweifel keimten in dem Boten vonES auf, daß der heimliche Gast aus demSchiff stammte. Vielleicht kam er aus Tar-kan und hatte sich unbemerkt an Bord derCIMARRON begeben.

Vling ließ rasch das Wärmebild prüfen.Es handelte sich um eine humanoide Gestalt,das konnte er mit Sicherheit sagen. Sie be-saß eine fast menschliche Ausstrahlung, unddoch schwang da eine Komponente mit, dieihn irritierte. Benneker Vling blieb plötzlichdie Luft weg. Er warf sich zur Konsole undentriegelte den Ausgang. Er wollte hinaus-stürzen und eine Warnung ausrufen. SeineGestalt gefror mitten in der Bewegung. DasWärmebild bewegte sich schneller und ver-schwand nach unten. Es kam unter dem Fuß-boden der Nebensektion heran, und das leiseKnirschen einer Bodenluke belehrte denMann, daß er mit seiner Warnung zu spätkam. Der Eindringling hatte ihn überrum-pelt. Er tauchte mitten zwischen der Ver-suchsanordnung auf, mitten zwischen denunsichtbaren Feldern der E-Ortung und desAlpha-Senders. Sofort begann der Kreis ander Wand dunkler zu werden, konzentriertensich die Energien auf den Körper, der auf-tauchte.

»Nein!« schrie Vling. »Schnell weg!Bring dich in Sicherheit!«

Irgendwie wußte er, daß es zu spät war.Er wollte die Versuchsanlage abschalten,doch seine Hand gefror über dem Haupt-schalter. Er hätte beinahe ein Todesurteil ge-fällt, und das durfte nicht sein. Er mußte an-

ders handeln.Die schlanke Gestalt zwischen den Auf-

bauten begann sich plötzlich zu winden. Sieschrie auf und sackte in sich wieder zusam-men. Der Körper schrumpfte und ver-schwand in einer kleinen rosaroten Lichtspi-rale, die pfeilschnell auf die Wand zurasteund in dem Kreis verschwand. Dieserflammte hell auf, und ein mentaler Schrei inhöchster Not manifestierte sich in den Ge-danken Vlings.

»Benneker, hol mich hier raus. Schnell!«vernahm er. Die dürre Gestalt des Robot-wartungsspezialisten sank in sich zusam-men.

Natürlich. Das war das einzige, was er tunkonnte. Er wußte nur nicht, wie …

*

Panische Angst befiel Eirene, als siemerkte, daß sich ihre Gedanken trübten. Siekonnte übergangslos nicht mehr klar denken,und die Befehle, die ihr Gehirn an den Kör-per gab, blieben wirkungslos. Etwas zerrtean ihrem Körper, und sie erkannte in dieserunendlich langen Schrecksekunde, daß sichder Zusammenhalt zwischen ihrem Bewußt-sein und ihrem Körper auflöste. Sie wolltedas nicht, und sie wußte nicht, was es bedeu-tete. Sie wußte nur, daß sie kein Ernst Ellertwar, und daß ihre Existenz in Gefahr geriet.Sie konnte sich nicht mehr zurückziehen undtat das, was ihr noch blieb. Sie schrie auf,während ihr Körper von Krämpfen geschüt-telt wurde. Die energetischen Felder, zwi-schen die sie unversehens geraten war, nag-ten an den Molekülen ihres Körpers unddrohten ihn zu zerstören. Sie wagte den Ver-such, sich mit Hilfe geistiger Konzentrationdagegen zu wehren, doch ein Erfolg tratnicht ein. Ihr Körper verschwand vor ihrenAugen, und mit ihm verschwand auch ihrGeist. Sie glaubte, eine fremde, dritte We-senheit zu sein, die sich E-Orter nannte.Grelles weißes Licht um sie herum blendetesie, obwohl sie keine Augen besaß. Dennochkonnte sie denken und einen letzten Hilferuf

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losschicken. Dann war ihr Bewußtsein zurBewegungslosigkeit verdammt, und alle ihreBemühungen, einen Kontakt zu ihrem Kör-per herzustellen, erstickten im Keim. Hilflosund rettungslos trieb sie in der Helle, die ih-re Energie in sich aufsog. Sie bildete sichein, mit ihrer Umgebung zu verschmelzenund damit zu einer neuen Existenz zu wer-den, wie sie sie in Tarkan noch nicht kannte.Blühte ihr eine körperlose Existenz in derArt der Querionen?

Sie wußte nicht, warum sie ausgerechnetan diese Wesenheiten denken mußte, die vorÄonen ihre körperliche Existenz aufgegebenhatten. Sie begann nach Gesil zu rufen undnach Perry. In diesen Augenblicken ihrerstärksten inneren Pein gehörten alle Gedan-ken ihren Eltern und nicht diesem von ESgeschickten Idioten namens Benneker Vling.

Wie eine Nadel stach plötzlich peinigen-der Schmerz durch ihr Bewußtsein. Es gabfür sie nur einer Ausweg. Sie mußte Si kituanrufen. Die »Hure« mußte helfen. Sie hatteden Übergang nach Tarkan mitgemacht. DieWächterin über das zweite Gesetz der Ther-modynamik besaß die Macht, wenn sie nurdreimal gerufen wurde.

»Eirene!« Sie vernahm ein leises Wehenvon fern. »Mutter?«

»Eirene!« Diesmal erkannte sie, daßVling es war, der die Spur zu ihr gefundenhatte. »Du darfst es nicht. Rufe nicht Si kitu:Sie kann dir nicht helfen. Die CIMARRONwird zerstört, wenn du es tust!«

»Hilf mir!«Sie erhielt keine Antwort, aber nach einer

Weile glaubte sie zu spüren, daß die Projek-tion von ES, dieser Bote des Wanderers,sich auf dem Weg zu ihr befand. Sie ver-suchte, konzentriert zu denken und ihm da-mit die Suche zu erleichtern. Sie tat es, undnach ihrem Zeitgefühl verging eine Ewig-keit, bis sie wieder einen vagen Gedankenvon ihm empfing. Diesmal war sie nicht inder Lage, eine Antwort zu geben. Sie warmüde geworden, und sie sank einem unend-lich großen Abgrund entgegen, der sich un-ter ihr auftat. Den warnenden Schrei Benne-

ker Vlings hörte sie nicht mehr. Sie warlängst nicht mehr in der Lage, ihren Lebens-willen aufrechtzuerhalten. Sie wollte nurnoch schlafen. Sie sank tiefer und tiefer, undals sie den Abgrund erreichte, erkannte sie,daß er von einer Scheibe aus dickem, spie-gelndem Eis verdeckt wurde. Sie stürzte mithoher Geschwindigkeit darauf zu, und dieErkenntnis ihres unmittelbar bevorstehendenTodes entlockte ihr einen letzten Schrei, deralles enthielt, was sie sich in ihrem jungenLeben ersehnt hatte. Sie schrie und prallteauf, spürte, wie der Untergrund nachgab undsie nach unten stürzte, irgendwo liegen bliebund dann endgültig das Bewußtsein verlor.

Sie wußte nicht, wie lange sie ohne Be-wußtsein existierte. Als sie zu sich kam,glomm dunkelblaues Licht über ihr, und sieerkannte vage die hohe und schmale Gestalteines Terraners über sich. Der Mann beugtesich über sie und zog sie sanft zu sich em-por.

»Wo bin ich?« hauchte sie. Sie stellte fest,daß sie ihren Körper wieder besaß und ihrnichts weh tat. Sie schüttelte den Kopf undstrich sich die Haare aus der Stirn. Ihre Au-gen starrten Benneker Vling an, und der Ro-botwartungsspezialist führte sie in den Hin-tergrund zu einem Sessel, der zwischen denAufbauten völlig fehl am Platz wirkte.

»Da, wo du hin wolltest«, knurrte Benne-ker Vling. »Deine Neugier bringt dich nochum Kopf und Kragen, Eirene. Wie kannst dues wagen, mitten in einen Versuch hineinzu-platzen und dazu an einem Ort, der mittenzwischen sich überlagernden Feldern liegt?«

»Du übertreibst«, versuchte sie zu scher-zen. Müdigkeit überkam sie.

Ihre Blicke begegneten sich, und Eireneverstand, daß Benneker die Wahrheit gesagthatte. Sie erinnerte sich an ihre Eindrücke.

»Was ist genau geschehen?«Er erklärte es ihr, aber sie war nicht zu-

frieden damit. Seine Erklärung blieb allge-mein gehalten, sie erriet nicht einmal, wasVling in dieser Nebensektion trieb. IhreNeugier an dem Boten von ES hatte sie er-neut auf seine Spur gebracht, und sie hatte

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herausfinden wollen, was er tat und wozu erden Flug der CIMARRON mitgemacht hat-te.

»Was ist ein E-Orter?« stieß sie hervor.Sie erkannte mit Zufriedenheit, daß Vlingleicht zusammenzuckte. Er wedelte mit denArmen.

»Ich kann es dir nicht sagen«, hauchte er.»Begnügst du dich vorläufig damit?«

Sie nickte, aber mehr aus Müdigkeit dennaus Genügsamkeit. Sie konnte kaum nochdie Augen offenhalten. Sie lehnte sich zu-rück und gähnte herzhaft. Sekunden späterwar sie eingeschlafen.

Auf Zehenspitzen schlich Vling hinüberzu den Robotern und aktivierte sie. Er sahihnen zu, wie sie die Versuchsanordnung de-zentralisierten und die einzelnen Geräte ab-transportierten zu den Orten, wo sie hinge-hörten. Dann kehrte er zu dem Sessel zu-rück. Er beugte sich über die Schlafende,dann zog er sie langsam zu sich empor. Aufden Armen trug er sie hinaus bis zum Anti-grav. Er brachte Eirene hinauf in die Woh-nebene und in ihre Zimmerflucht. Er bettetesie auf die Couch im Wohnzimmer unddeckte sie mit einer Decke zu. Nach einemletzten, prüfenden Blick schlich er hinausund ließ die Tür zufahren. Die Automatikwußte nichts von seinem Besuch und würdesich wundern, wie Eirene hereingekommenwar. Da alle untergeordneten Automatikenjedoch eine »Gucky-Information« besaßen,worunter die Erklärung eines Teleportations-vorgangs zu verstehen war, würde sie keinenAlarm an eine übergeordnete Einheit abge-ben.

Zufrieden kehrte Benneker Vling in sei-nen »Keller« zurück und fixierte unterwegsfreundlich die zahlreichen Aufnahmeoptikenund Meßmechanismen, die bedauerlicher-weise gerade dann nichts übertrugen, wenner vorbeikam.

*

Es war nicht der Übergang von Meekorahnach Tarkan an sich, der Bully zu schaffen

machte. Die Art und Weise, wie es gesche-hen war, bereitete ihm Magenschmerzen imübertragenen Sinn. Er hätte nur zu gern ge-wußt, warum Eirene ausgerechnet in denMinuten schlimmster Bedrängnis, im Au-genblick der Berührung mit dem Strangen-ess-Wall Si kitu gerufen hatte. Die Hüterindes Zweiten Satzes der Thermodynamik wargekommen, und sie hatte den 1250 Männernund Frauen in der CIMARRON einen be-schwerdefreien Übergang nach Tarkan er-möglicht. Das Sterbende Universum hattesie mitten im vierten Viertel von Hangayempfangen, und die Besatzung hatte nichteinmal unter der Andeutung eines Strangen-ess-Schocks gelitten. Ja, sogar Eirene, diefrüher nie in den Meekorah-Teilen von Han-gay gewesen war und keine Gelegenheit ge-habt hatte, sich eine Resistenz gegenüberdem Strangeness-Schock zu erwerben, warnicht beeinträchtigt gewesen.

Si kitu. Immer wieder Si kitu. Bully hättenur zu gern gewußt, was dieses Wesen inder Gestalt einer Frau eigentlich war. Kaha-ba lautete ihr Schimpfname, was soviel be-deutete wie »Hure«. Handelte es sich tat-sächlich um ein verruchtes Weib, odersteckte mehr dahinter? Perry war Si kitu alserster begegnet, sie hatte ihn gewarnt, undauch diesmal hatte die Frau eine Warnungausgesprochen.

»Niemand durchbricht die Grenze zwi-schen den Universen ungestraft«, hatte sieverkündet, doch sie hatte ihnen geholfen,weil ihre Interessen sich mit denen der Men-schen deckten.

Si kitu hatte die Zentrale der CIMAR-RON zusammen mit Benneker Vling betre-ten. Dieser hatte sich als Bote und Manife-station von ES zu erkennen gegeben, abererst nach Si kitus Verschwinden. Vling hattesich nicht näher zu der Hure geäußert, erhatte das Versteckspiel fortgesetzt. Von ihmhatten sie lediglich ein paar Details zu seinerPerson erfahren. ES hatte ihn geschickt,denn ES zeigte Interesse an den Vorgängenin Tarkan. Mehr, so gab er vor, wußte erselbst nicht.

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Im nachhinein erschien das Bully mehrals zweifelhaft, aber es gab keine Anhalts-punkte, daß Vling sie belogen hatte. Ein Bo-te der Superintelligenz hatte es wohl auchnicht nötig zu lügen. Er fütterte seine Umge-bung mit einem Mindestmaß an Informatio-nen, und Bully erinnerte sich mit aufsteigen-dem Zorn daran, daß die Menschheit und dieGalaktiker es lange Zeit mit zwei Kosmo-kraten namens Taurec und Vishna zu tun ge-habt hatten, die in ihrer spärlichen Informa-tionspolitik so manchen Verantwortlichenzur Weißglut getrieben hatten.

Das, so war Bully als Kommandant derExpedition finster entschlossen, würde ihmmit den Wesen seiner Umgebung und seinesEinflußbereichs nicht passieren. Schon garnicht mit Benneker Vling.

Es machte neben dem Sessel »Plop«. Re-ginald Bull wandte leicht den Kopf. Nebenihm war Gucky aufgetaucht und trippeltenervös auf der Stelle.

»Du solltest dich schämen, hier mit offe-nen Augen zu träumen, während in anderenBereichen des Schiffes die Hölle los ist«,schrillte er. Sein Äuglein blitzten dabei lu-stig. Er zeigte den Nagezahn, der in hellstemWeiß glänzte.

»Was heißt das?« knurrte der Terraner un-gnädig. »Ich habe keinen Dienst! Laß mirmeine Ruhe!«

»Mit der Ruhe wird es bald vorbei sein,Dicker!« Der Ilt wurde übergangslos ernst.»Wir hatten vor wenigen Minuten irgendwoin einer der unteren Ebenen einen Existen-zeinbruch. Die Schwingungen haben sich in-zwischen verflüchtigt, aber es war etwas,was nicht direkt mit Tarkan zu tun hatte.Schade, daß man nichts messen kann, dennich verwette den gesamten Mohrrübenvorratunseres Kochs, daß es sich um eine Vermi-schung oder Überlagerung von Existenzebe-nen handelte. So als experimentiere jemandmit einem Gerät, das eine Verbindung zwi-schen verschiedenen Existenzebenen her-stellen kann.«

Bully fuhr auf. Er packte Gucky an denSchultern und zog ihn zu sich heran.

»Woher hast du diese Informationen,Kleiner?« rief er aus. »Los, raus mit derSprache!«

»Das weiß ich selbst nicht, Reginald!«Die Worte klangen ernst, und Bully

glaubte Gucky sofort. »Sie sind dir auf uner-klärliche Weise zugeflogen?«

Gucky nickte. Er teleportierte aus BullysHänden auf die andere Seite des Sessels.

»Plötzlich hingen die Gedankeninforma-tionen in der Luft. Es handelte sich umBruchstücke, ich mußte mir einiges zusam-menreimen. Sie verschwanden so plötzlich,wie sie vorhanden waren. Jemand entdeckteden Fehler und beseitigte ihn. Ich empfingjedoch auch ein paar Gedanken von Eirene.Sie befand sich in großer Not.«

Bully gab dem nächstbesten Syntron desVerbunds eine Anweisung. Eine Verbindungzu Eirenes Wohnwelt wurde hergestellt. DieAutomatik meldete, daß Eirene schlief.

Reginald Bull senkte den Kopf und dachtenach. Eirene hatte sich vor sechs Stundenzur Ruhe zurückgezogen. Vier Stunden spä-ter war sie nicht mehr in ihrer Zimmerfluchtgewesen. Jetzt befand sie sich dort und sch-lief. Wenn das nicht merkwürdig war, dannwollte Bully nicht mehr Bully heißen. DerTerraner spürte, wie ihm heiß im Gesichtwurde. Er schüttelte die rechte Faust undmusterte zornig die Säule, die mitten in derZentrale aufragte und den Hauptantigravkennzeichnete.

»Mehr und mehr mißfällt mir dieser Ben-neker Vling!« zürnte er. »Er und kein ande-rer steckt dahinter!«

Er mußte an seinen eigenen Unfall den-ken, als er das Hypnotron ausprobiert hatte,um dessen Funktionsfähigkeit für den Über-gang nach Tarkan zu testen. Er war in einefremde Welt gerissen worden, und BennekerVling hatte ihn mit Mühe und Not zurückge-holt.

»Du glaubst, es gibt keine andere Erklä-rung«, stellte der Ilt fest. »Ich stimme dir zu.Wir werden das Wesen befragen müssen!«

Bully sank in seinen Sessel zurück. Erseufzte.

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»Weißt du, es hat doch keinen Sinn. Erwird eine Ausrede bereithalten und sie an-bringen, noch ehe wir ausgeredet haben.Und Eirene? Wenn sie etwas weiß, wird sieihn decken! Ich bin fest davon überzeugt!«

»Ich werde nach ihm suchen, Reg!«Gucky verschwand übergangslos, und

Bully versank wieder in Nachdenklichkeit.Er nahm die Menschen um sich herum garnicht wahr, die in der Zentrale ihren Diensttaten und dem Ende der letzten Etappe ent-gegensahen. Ein paar Minuten Flugzeittrennten sie noch von ihrem Ziel, dem er-sten, das sie in Tarkan-Hangay hatten.

Die CIMARRON war als Bote für Perryund Atlan unterwegs. In den letzten dreiMonaten hatten sich in der Lokalen Gruppeund in der Nähe der im Standarduniversummaterialisierten Teile Hangays wichtigeDinge getan. Mit Hilfe der Daten, die AnsonArgyris auf Septembermorgen II erbeutethatte, war eine Materiewippe der Hauri aufAshkalu im Kugelsternhaufen Marty-5 imHalo von Pinwheel entdeckt und zerstörtworden. Ein paar Hauri-Schiffe waren ver-folgt worden. Durch eine Raumzeitfalte wa-ren die Verfolger in einen Mikrokosmos ein-gedrungen und hatten dort die Gigantstationder Hauri entdeckt, die Ur amm Taloq ge-nannt wurde und von Bully und seinen Be-gleitern als Urian bezeichnet worden war.Ein Stoßtrupp ins Innere Urians hatte erge-ben, daß die Station in nicht allzu ferner Zu-kunft dazu bestimmt war, riesige Materie-mengen aus dem Standarduniversum nachTarkan zu versetzen. Die Lokale Gruppeund alle ihre Völker waren dadurch bedrohtund natürlich auch ES, deren Mächtigkeits-ballung die Lokale Gruppe darstellte. Es wargelungen, Teile Urians zu beschädigen. Umdie Konstruktion zu schützen, hatten dieHauri ihre Bedränger aus dem Mikrokosmosentwischen lassen, aber die Gefahr, die vonUr amm Taloq ausging, war dadurch nichtgebannt. Bully hatte die Reise nach Tarkanvorbereitet, denn Perry und Atlan mußtenunbedingt über die Gefahr informiert wer-den. Sie durften in Tarkan keinen Fehler ma-

chen, der schließlich zur Entführung der Lo-kalen Gruppe beitragen konnte.

Die CIMARRON, inzwischen mit demVektorierbaren Grigoroff ausgestattet, hatteihren Weg nach Tarkan angetreten, nachdemfeststand, daß Perry und Atlan nicht mit demdritten Viertel Hangays im Standarduniver-sum angekommen waren. Man war dort auf-getaucht, wo man es vermutet hatte. Die Er-scheinungen des Übergangs waren jedochnicht von dem Strangeness-Schock begleitetgewesen, sondern von einer Reihe unerklär-licher Vorgänge, deren Urheber sich hinter-her zu erkennen gegeben hatte. Man hattesich in einer Entfernung von dreihundert-fünfzehn Lichtjahren zu einer starken Hy-perquelle wiedergefunden, die sich unmittel-bar bei einer dichten Dreifach-Sternkonstellation befand. Bisher sprachnichts gegen Bullys Vermutung, daß es sichdabei um den Standort des Kartanin-Projektszur Transferierung des vierten Viertels han-delt. Die CIMARRON befand sich auf demWeg dorthin, und ein Signalton kündigteden Rücksturz aus dem Hyperraum in denNormalraum an. Bully hob ein wenig denKopf und starrte auf den Bildschirm. Erflammte auf wie ein äußerst grelles Licht,das in Milliarden winziger Punkte zerlegtworden war. Hinter dem blauweißen Sternleuchtete die Galaxis Hangay und bot demSternenreisenden ein Bild voll glitzernderPracht. Ein Jahr war es her, seit das ersteViertel ins Standarduniversum verschwun-den war, aber noch legte das Licht seinenWeg durch das All zurück. Über zehntau-send Jahre würde es an der Position der CI-MARRON noch dauern, bis das Licht desersten Viertels hier erlosch. Solange war esnoch unterwegs, und wenn die Hyperortungnicht gewesen wäre, so hätten die Raumfah-rer glauben können, diese Galaxis sei tat-sächlich noch vollständig.

Ein wenig wurde ihm bewußt, welchgrandiose Leistung die Kartanin und die an-deren Völker der Kansahariyya in den ver-gangenen Jahrzehntausenden vollbracht hat-ten, damit die Flucht einer ganzen Galaxis

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aus dem Sterbenden Universum stattfindenkonnte.

Ja, ESTARTU war damals zu einer ein-zigartigen Hilfsaktion aufgebrochen undseitdem verschollen. Es war zweifelhaft, obman heute, nach 55.000 Jahren, noch eineSpur der Superintelligenz finden würde.

»Keine Feindschiffe in der Nähe. Wir er-halten eine Reihe von Funksprüchen ausdem System. Sie sind nicht an uns gerichtet.Es herrscht eine starke energetische Aktivi-tät, Bully!«

»Danke, Ian!«lan Longwyn, der Erste Pilot und eigentli-

che Kommandant der CIMARRON hatte essich nicht nehmen lassen, das Schiff auf derletzten Etappe zu seinem vorläufigen Zielselbst zu fliegen. Jetzt, nachdem der Meta-grav-Vortex erloschen war, tat er das, was erals selbstverständlich annahm. Mit siebzigProzent der Lichtgeschwindigkeit flog er aufdas System zu, dessen mathematischer Randsich keine Lichtstunde mehr entfernt befand.Für Raumverhältnisse in einem fremdenUniversum, in dem sich die fortschreitendeEntropie auch auf den Raumflug auswirkenmußte, etwa in Form von höherem Energie-verbrauch der Anlagen war es eine Punkt-landung, die sie gemacht hatten. LalandeMishkom, auch Lalla genannt, quittierte esmit einem Spruch aus dem Land ihrer Väter,doch niemand hörte wirklich zu. Alle Augenwaren auf den Panoramabildschirm gerich-tet.

Noch gab es keinen Funkkontakt. Nochwaren sie nicht entdeckt worden. Bully be-schlich dennoch ein Gefühl der Beklem-mung. Lag es daran, daß er an Irmina Ko-tschistowa dachte, die Frau, die einst mitihm das Schicksal eines Toshin geteilt hatte?Damals war er ihr ein wenig nähergekom-men, aber er hatte sich nie völlig zu ihr hin-gezogen gefühlt. Umgekehrt war es ebensogewesen.

Dennoch freute Bully sich auf das Wie-dersehen mit ihr, die zusammen mit Atlanund dem Galaktischen Expeditionskorpsnach Tarkan geflogen war. Und er fragte

sich wiederholt nach seinen Gefühlen zu ihr.Gucky kehrte zurück. Er wollte sich die

wichtigen Augenblicke nicht entgehen las-sen. Er stemmte die Hände in die Hüften.Ohne die Augen vom Panoramaschirm zunehmen, wandte er sich an Bully.

»Wie vom Erdboden verschluckt«, stellteer fest. »Niemand weiß, was er getriebenhat. Es ist fraglich, ob Vling sich noch anBord befindet!«

Bully hob den Kopf. Vling hatte zunächstselbst nicht gewußt, wie lange ES ihn anBord lassen würde. Aber ergab sein Ver-schwinden jetzt einen Sinn?

»Aha!« Gucky wechselte abrupt das The-ma. »Hier sind wir richtig. Wir werden dieSpur zu Atlan finden. Der alte Arkoniden-häuptling wird sich wundern, wenn ich ihmden Marsch blase!«

Bully runzelte die Stirn, lachte dann dröh-nend auf.

»Du hast es ihm noch immer nicht verges-sen, daß er ohne dich nach Tarkan abgeflo-gen ist«, prustete er. »Kleiner, du machstmir Spaß. Wie willst du dich denn revan-chieren?«

»Das laß meine Sorge sein!«

2.

Der blauweiße Riesenstern flammte aufdem Panoramabildschirm und verlor ein we-nig an Intensität, als die Automaten der CI-MARRON zusätzliche Blenden in die Auf-nahmeoptiken schalteten. Der Stern besaßdie dreißigfache Masse Sols, der auch inTarkan als Vergleichsstern herangezogenwurde. Der Riese gehörte zur SpektralklasseB5 II und befand sich etwa zehntausendLichtjahre vom galaktischen Zentrum Han-gays entfernt und etwa fünftausend Lichtjah-re von der Schnittlinie zum zweiten Viertel.Die Ortung hatte einen planetenähnlichenBegleiter vom Typ Brauner Zwerg ausge-macht mit neunundvierzig Monden verschie-dener Größe. Beim Anblick des seltsamenSystems hielten manche Besatzungsmitglie-der unwillkürlich den Atem an.

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»Das hatten wir doch schon mal!« IanLongwyn hielt es nicht mehr in seinem Ses-sel. Er durchschritt das Oval von fünfzehnMetern Länge und zehn Metern Breite, vondem aus der Raumer gesteuert wurde. Er eil-te an den Stationen der Spezialisten vorbei,die an den Wänden aufgereiht waren. Er um-rundete die Zentrale ein halbes Mal, kehrtedann jedoch nicht zur Kommandokonsoleauf dem Podest in der Mitte des Raumes zu-rück, sondern stellte sich an die Galerie un-ter dem Panoramabildschirm. Daß er dabeiein paar Männer und Frauen die Sicht aufden unteren Teil des Schirmes versperrte,störte ihn nicht. Longwyn wandte sich ruck-artig um.

»Bully, hast du die Daten über Anklam imKopf?« rief er über die Schulter zurück. Re-ginald gab ein verächtliches Knurren vonsich.

»Höre, Blinder, selbst ein Dummkopfwürde die Ähnlichkeit mit Anklam erken-nen«, antwortete er. »Schließlich wissen wirseit dem Auftauchen des Dritten Viertels imStandarduniversum über Anklam Bescheid.Was ist mit der gepulsten Hyperstrahlung?«

Der Syntronverbund schaltete mehrereHoloramas und gab die Daten verbunden mitoptischen Darstellungen durch. Demnachbestätigte sich das, was sie bereits wußten.Sie befanden sich dort, wo sie zunächst hat-ten hinfliegen wollen. Vor ihnen befand sichdas System, in dem die vierte Phase des Pro-jekts Meekorah kontrolliert wurde.

Der Braune Zwerg wurde von seinen vie-len Monden wie von einem Kranz umgeben,und zwischen den Trabanten bewegten sichan strategisch wichtigen Punkten fünfzigRaumforts.

Inzwischen lag auch eine Auswertung derbisher aufgefangenen Funksprüche vor.Demnach trug die blauweiße Riesensonneden Namen Erego, der Braune Zwerg hießUnag, und die beiden Monde, die am häufig-sten erwähnt wurden, lauteten Monifar undVarran mit Namen. Die Funksprüche warenin Kartanisch und teilweise in Hangoll abge-faßt, und Bully kam es irgendwie erlösend

vor, daß kein einziger Funkspruch in So-thalk aufgefangen wurde.

»Kontakt aufnehmen, Ian!« bellte der Ter-raner. »Setze deinen Hintern in Bewegungund funke, was das Zeug hält!«

Noch immer schien niemand in dem Son-nensystem auf sie aufmerksam geworden zusein. Die gepulsten Hyperfrequenzen behiel-ten ihre Spektren bei. Etwa zweihundertRaumschiffe befanden sich zwischen denTrabanten und den Forts unterwegs. Ringsum das System Erego herum gab es keineEchos. Es wurden keine ankommenden undkeine abfliegenden Schiffe festgestellt.

Longwyn begann zu sprechen. Mit wohl-gesetzten Worten sprach er in eine schwe-bende Membran, die auf seine Anweisunghin vor seinem Mund materialisiert war. Errief den Stützpunkt der Kartanin und identi-fizierte das Schiff. Bully achtete nicht mehrauf ihn. Er beobachtete. Vee Yii Ly, denCheftechniker. Dessen Tellerkopf hatte ge-fährlich zu schwanken begonnen, ein Zei-chen starker Verunsicherung. Jetzt fuhr derBlue auf und stieß einen schrillen Pfiff aus,hart an der Grenze zum Ultraschallbereich.

»Wieso stören wir unsere eigenen Fre-quenzen?« schrillte er. »Was ist da los?«

Gleichzeitig meldete der Syntronverbundmit freundlicher und angenehmer Stimme,daß etwas die CIMARRON verließ und sichim Hyperbereich fortsetzte. Die gepulsteHyperstrahlung veränderte sich und gerietaus dem Rhythmus.

»Mist!« schimpfte Bully. »Sind wir das?Gucky!«

Den Namen des Mausbibers dachte er in-tensiv, und keine Sekunde darauf materiali-sierte schon der Ilt neben ihm.

»Schnell, Dicker!« Er packte Bull an derHand und entmaterialisierte mit ihm. Ent-sprechend wurde Bully in sitzender Haltungwiederverstofflicht und kippte nach hinten.Gucky hielt ihn telekinetisch und richteteihn auf.

»Es ist Benneker Vling. Ich bin mir si-cher«, rief der Ilt. »Er ist da vorne. Wegender Felder, die er erzeugt, ist es ratsam, jetzt

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nicht mehr zu teleportieren. Ich kann auchkeine Gedanken erkennen. Aber ich spüre,daß Eirene sich irgendwo in der Nähe auf-hält!«

Bully stürmte bereits vorwärts bis zu ei-nem Schott, das den Korridor abschloß, indem sie herausgekommen waren. Der Terra-ner hieb mit der Hand auf den Öffnungsme-chanismus. Als Leiter der Expedition hatteer zu allen Räumen Zugang. Lautlos glitt dieTür auf und gab die Halle frei, die dahinterlag. Im düsteren Blaulicht erkannte Bullydie Gestalt des Robotwartungsspezialisten.Vling hatte sich über eine Bedienungskonso-le gebeugt. Er schien die Eintretenden nichtwahrzunehmen, aber Bully glaubte es nicht.Ein Wesen wie Vling brauchte keine Augen,um etwas wahrzunehmen. Er war ein Men-sch, aber gleichzeitig auch eine Manifestati-on von ES. Wer konnte schon sagen, überwelche Kräfte und Möglichkeiten er verfüg-te.

»Vling! Sofort aufhören!« schrie Bull.»Was treibst du da eigentlich? Merkst dunicht, was du anrichtest?«

Ruckartig richtete sich der dürre Mannauf. Ernste Augen blickten die beiden un-gleichen Eindringlinge an.

»Doch«, stellte er trocken fest. »Ich weiß,was geschieht. Es geht vorbei. Das Meeko-rah-Projekt wird nur für kurze Zeit beein-trächtigt. Wer weiß, vielleicht ist das gutso!«

Gucky baute sich vor ihm auf, stemmtedie Hände in die Hüften und stellte sich aufdie Zehenspitzen.

»In ein paar Sekunden wird ein Mond ex-plodieren, wenn du deine verdammte Ma-schinerie nicht abstellst. Du zerstörst die Ar-beit der Kartanin!«

»Das ist sehr unwahrscheinlich, Gucky!«Vling tat nicht, als sei er durch die Vorwürfeaus der Ruhe zu bringen. Bully erkannte,wie Gucky einen kurzen Augenblick die Au-gen schloß. Vling lachte auf.

»Gib dir keine Mühe. Alles ist gegen dei-ne Telekinese geschützt. Du kannst nichtsabschalten!«

Das war der Augenblick, in dem Bully dieBeherrschung verlor. Er warf sich auf Vlingund landete einen Fausthieb am Kinn desMannes. Stechender Schmerz fuhr durchBullys Hand. Er achtete nicht darauf. Erwarf Vling um, obwohl dieser mindestenszwei Köpfe größer war als er. Sie stürztenzwischen zwei Metallkästen. Bully faßteVling an der Gurgel, aber der Spezialistgrinste nur. Seine Arme bogen sich nach in-nen, faßten Bullys Handgelenke und zogensie weg, als seien sie aus Papier. Vlingschüttelte Bully ab und erhob sich.

»Eirene?« hauchte der Bote von ES.Sie war eingetreten, ohne daß jemand es

bemerkt hatte. Nicht einmal Gucky hatte ih-re Annäherung gespürt. Der Ilt hatte ver-sucht, doch noch mit Hilfe seiner telekineti-schen Fähigkeiten Einfluß auf die Maschine-rie Vlings zu nehmen.

Bully eilte zu Perrys Tochter. Eirenewirkte schwach. Ihre Augen lagen tief in denHöhlen, aus ihrer Nase lief Blut.

»Benneker!« seufzte sie. »Schalte ab. Dubringst mich um!« Die Kräfte verließen sie,und Reginald fing sie auf und bettete sie zuBoden. Er gab Gucky einen Wink.

»Bring sie in die Medostation, schnell!«Vling handelte endlich. Seine Hände

huschten über die Konsole, die Apparaturenliefen mit einem hellen Singen aus, und ausder Zentrale wurde eine Beruhigung der La-ge gemeldet. Minuten später hatte die Stö-rung des gepulsten Hypersenders ein Ende.

Zu dem Zeitpunkt tauchte Bully mit Vlingbereits in der Zentrale auf. Er hielt den Ro-botwartungsspezialisten fest am Arm ge-packt. Vling wurde mit Schimpfworten emp-fangen.

»Was hast du dir eigentlich dabei ge-dacht?« schrie Longwyn ihn an. Der Kom-mandant schien alle seine Zurückhaltungaufgegeben zu haben. »Du treibst da irgend-welche Dinge und gefährdest dabei nicht nurdie Bewohner des Schiffes, sondern auchnoch das Projekt der Kartanin. Du bist aufdem besten Weg, dir überall Feinde zu ma-chen. Ist dir das klar?«

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»Nein.« Mehr sagte Benneker Vlingnicht. Er tat unbeteiligt und musterte die Or-tungsanzeigen. Ein Grinsen stahl sich übersein Gesicht.

»Wenigstens sind sie jetzt auf uns auf-merksam geworden. Oder irre ich mich da?«

Mindestens zehn Schiffe hatten Kurs aufdie CIMARRON genommen. Sie beschleu-nigten mit starken Werten, es konnte nichtmehr lange dauern, dann würden sie in denHyperraum wechseln und in der Nähe desSchiffes aus dem anderen Universum auf-tauchen.

»Sage uns, was du da unten treibst«, riefBull. Sein Gesicht war gerötet, und er mas-sierte seine Fingerknöchel. »Du bist uns Re-chenschaft schuldig. Tust du es nicht, lasseich dich aus dem Schiff werfen!«

»Ich orte, das ist alles«, erklärte der Ge-sandte von ES. »Frage mich nicht, was ichda tue. Ich kann es dir gar nicht erklären. Ichhabe keinen Auftrag, und dennoch tue ichDinge, um etwas herauszufinden. Ich kanneuch jedoch alle beruhigen. Es wird nichtwieder vorkommen!«

»Das heißt, du hast das herausgefunden,was du wissen wolltest.« Reginald Bullschnaufte laut. »Wann wirst du rückfälligund ein neues Experiment durchführen?«

»Vermutlich gar nicht, Reginald. Ichweiß, daß es sich in dieser Gegend nicht,mehr lohnt, weitere Experimente durchzu-führen. Du hast deine Ruhe, die Kartanin ha-ben die ihre, und Eirene wird keine Schmer-zen mehr haben!«

Der Gedanke an die Tochter seines bestenFreundes ließ die Zornesadern an BullysStirn anschwellen. Er beherrschte sich nurmühsam und setzte sich mit Wucht in seinenSessel.

»Du stehst unter Arrest, Benneker Vling.Du wirst deine Kabine aufsuchen und sienicht mehr verlassen, solange wir uns mitden Kartanin nicht geeinigt haben!«

»Dein Wunsch ist mir Befehl!«Mit einer steifen Verbeugung zog sich der

Robotwartungsspezialist zurück. Fast gleich-zeitig tauchten mehrere Trimarane in der

Nähe der CIMARRON auf. Warnschüsse ra-sten an ihr vorbei und verpufften wirkungs-los im All.

»Ja, ja«, machte Ian Longwyn. »Wir sindja nicht dumm. Hier Raumer CIMARRONaus Meekorah. Wir kommen in Frieden.Was sich ereignet hat, war ein bedauerlicherFehler. Wir hatten nicht vor, den Hypersen-der zu zerstören!«

»Hier spricht Burdoq. Wir schicken einEnterkommando. Jeder Widerstand istzwecklos. Öffnet die Schleusen!«

Ian Longwyn wandte den Kopf und war-tete auf eine Entscheidung Bullys.

Der Terraner starrte den Venno an, dessenKopfflügel gefährlich im Gleichtakt wipp-ten. Diese Wesen gab es im Erego-Systemalso auch. Er hatte schon einmal mit ihnenzu tun gehabt, und das war unter mehr alsrätselhaften Umständen gewesen. Er kanntesich mit der Psyche der Vennok nicht gutgenug aus, um sich ihnen mit Wortgewaltentgegenzustellen.

»Öffnen!« murmelte er düster.Qarok erstarrte in der Schaukelbewegung

seines Körpers, als er Urt-Wan ausmachte,den technischen Befehlshaber der Station.Urt-Wan hatte die Angewohnheit, immerdann aufzutauchen, wenn niemand ihn er-wartete. Qarok rief heimlich das Benutzer-Schema aller Transmitter und Hangars ab.Es war negativ, das heißt, niemand war miteinem Raumschiff oder einem Transmittergekommen. Die Erkenntnis verblüffte denVenno. Woher war der Befehlshaber danngekommen? Ehe er sich darüber klar wurde,daß Urt-Wan offensichtlich über einenSchutzkode verfügte, der eine Registrierungseiner Aufenthaltsorte verhinderte, hatte derKartanin die oberste Ebene der Überwa-chungszentrale für den Raum über Varranerreicht und blieb stehen.

»Qarok«, sagte er langsam, und der Ven-no richtete beide Kopfflügel auf ihn, an de-ren Enden die Augen saßen.

»Keine Vorkommnisse«, meldete der Of-fizier. »Alles ist ruhig. Wann ist es endlichsoweit?«

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»Qarok«, sagte der Kartanin wieder. »Dusollst mir nicht nachspionieren.« Er deuteteauf sein Armband, an dem eine Halbkugelmit mehreren Ziffernskalen blinkte. »Duhast eben das Benutzer-Schema abgerufen!«

»Verzeih, es war keine böse Absicht.Welche Befehle hast du für mich?«

»Leite die Umschaltung auf die Ersatz-Energieerzeuger ein«, wies der Kartanin ihnan. »Wir führen einen letzten Test durch.«

»Dann ist es also soweit!«Die zwitschernden Laute des Venno wur-

den durch einen in seinem Rüssel integrier-ten Translator ins Kartanische übersetzt.

»Bald. Noch warten wir auf genaue An-weisungen von der Zentralen Wissensautori-tät. Sie wird uns den Termin rechtzeitig nen-nen. Wenn wir jedoch die Abstände und ur-sprünglichen Termine für die Versetzungder drei anderen Viertel berücksichtigen,dann dürfte es nicht mehr lange dauern, bisauch wir in Sicherheit sind!«

Das Wort Sicherheit jagte Qarok einenSchauder durch den Körper. Lange schonhatte er sich gedanklich mit der Frage aus-einandergesetzt, was sein würde, wenn es ih-nen nicht gelang, die Anlage optimal zuschützen und rechtzeitig zu aktivieren. DieVorgänge, die sich im Anklam-System ab-gespielt hatten, hatten ihn nervös gemacht.Qarok gehörte zu den Vertretern seines Vol-kes in der Kansahariyya, die mit ganzemHerzen für das hochgesteckte Ziel arbeite-ten. Hangay mußte gerettet werden, auchwenn die Opfer hoch waren.

Bisher hatte es wenig Opfer gegeben,doch die Gefahr, die die Hauri darstellten,blieb überall gegenwärtig, wenn es auch bis-her gelungen war, das Erego-System vor ih-nen geheimzuhalten. Jetzt jedoch lief seitgeraumer Zeit der gepulste Hypersender, erstellte ein nicht zu übersehendes Funkfeuerim Zentrum der Galaxis dar.

»Entschuldige, wir haben eine Ortung«,klang die sanfte Stimme eines seiner Mitar-beiter auf. In der Zentrale arbeiteten nurVennok, Qarok hatte sie sich persönlich aus-gesucht. Er war für sie verantwortlich.

Augenblicklich vergaß Qarok die Anwe-senheit des Befehlshabers. Er konzentriertesich ganz auf die Veränderung der Lage. EinSchiff war am Rand des Systems aufge-taucht und schickte sich an, die Grenze zuüberschreiten und in Richtung Unag zu flie-gen. Es handelte sich nicht um ein Schiff derKansahariyya, denn es besaß nicht den Er-kennungskode. Es war kein Raumer derHauri oder anderer, bekannter Völker Han-gays. Ein völlig fremdes Schiff näherte sichda, und etwas in Qarok begann zu jubeln. Erhatte von jenen Fremden aus Meekorah ge-hört, die eingetroffen waren, um die Völkerder Kansahariyya bei ihrem Tun zu unter-stützen und gegen die Hauri und den HerrnHeptamer zu kämpfen. Doch gehörte diesesSchiff zu ihnen? Was sagte ein Vergleichmit den in den Speichern festgehaltenenFahrzeugtypen der Fremden? Mit einemSensordruck holte er sich die Antwort. DasSchiff gehörte nicht zu ihnen.

Qarok beugte sich über die Funkanlage.»Nicht anfunken!« sagte Urt-Wan da.

»Wir stellen uns tot. Wir warten, was sie un-ternehmen. Schicke eine verschlüsselte Mel-dung nach Monifar!«

Verwundert kam Qarok dem Befehl nach.Er grübelte noch über die ihm unverständli-che Maßnahme nach, als der Alarm aufheul-te.

»Störfelder aus dem Raum«, plärrte eineAutomatenstimme. »Sie beeinträchtigen denHypersender und stören den Pulsrhythmus!«

Qarok wandte die Augen nach hinten. Ersah noch den Schatten des Kartanin, derdurch einen Seitenausgang verschwand.

Die Meldungen überschlugen sich jetzt.Innerhalb weniger Atemzüge begannen sichdie Energien des Hypersenders aufzuschau-keln. Die Gefahr zeichnete sich ab, daß dieProjektoren irgendwann dadurch auf dieStörfelder reagieren würden, daß sie explo-dierten. Der Gedanke daran ließ Wut inQarok aufsteigen. Für ihn stand es jetzt au-ßer Zweifel, daß das Schiff ein Gegner war,der zerstören wollte. Die kurz darauf eintref-fenden Ortungsergebnisse bestätigten seine

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Gewißheit. Die Störfelder kamen von demSchiff, und der Raumalarm gellte weiterdurch die Hallen und Korridore. Löschrau-mer und schwere Einheiten mit Projektor-strahlern machten sich auf den Weg zumSender, um ihn zu schützen und nötigenfallsabzuschalten. Was eine Abschaltung bedeu-tete, das wußte nicht nur Qarok. Es bedeute-te, daß die Spindeln der Abstrahlprojektorenausglühten und porös wurden. Sie mußtendurch neue ersetzt werden, und es warenHunderte an der Zahl. Die Reparatur konnteWochen und Monate in Anspruch nehmen,und bis dahin mochte es zu spät sein für dasvierte Viertel der Galaxis.

Ein Bildschirm erhellte sich, und Qarokrichtete seinen Körper auf und hielt denOberkörper schräg nach vorn. Die Verbin-dung kam von Monifar. Doch es war nichtHon-Tur, der sich auf dem Schirm zeigte.Qarok blickte in ein robotisches Gesicht aufeinem bläulich schimmernden Helm. Er sahdie beiden robotischen Stielaugen mit denbeweglichen Gliederhülsen und der rotenAugenoptik und die Schutzhülsen für diePsifühler. Darunter saß ein mechanischerMund, der sich jetzt zu bewegen begann.

»Projektzentrale an alle Außenstationen«,meldete sich der Nakk mit sonorer Stimme.Er sprach langsam und mit Nachdruck. Un-ter dem Helm war nur ein Stück des Körper-panzers zu erkennen, dieses Korsetts, in demNakken sich bewegten.

»Hier Zentrale-Raum auf Varran«, melde-te Qarok sich, aber der Nakk reagierte nicht.Es war keiner der zwölf, die sich in derSteuerzentrale des Hypersenders befanden.Es mußte sich um Ossama handeln, Hon-Turs Stellvertreter.

»Das fremde Raumschiff ist aufzubrin-gen. Seine Insassen sind festzunehmen undzunächst nach Gallum zum Verhör zu brin-gen. Ich wiederhole: Die Insassen des Schif-fes sind festzunehmen und nach Gallum zubringen. Das Schiff selbst soll in einen Orbitaußerhalb des Systems geschleppt werden.Dies ist eine Anordnung der höchsten In-stanz!«

Der Bildschirm erlosch, und Qarok spürtedie vielen Augen seiner Artgenossen, diesich auf ihn gerichtet hatten. Sie hatten inder Zentrale nicht direkt mit dem befohlenenEingreifen zu tun. Dennoch durften sie nichteinfach schweigen. Hastig gab Qarok eineBestätigung nach Monifar durch, dann setzteer sich mit dem Orbit in Verbindung. DieSpeicher seiner Computeranlage zeigtenihm, daß ein gutes Dutzend Kampfschiffeverfügbar war. Da sich Varran in relativerNähe zum Flugkurs des fremden Schiffesbefand, gab Qarok drei der Schiffe frei. Siebeschleunigten sofort und rasten davon.

Von den Raumforts und anderen Mondenaus strebten weitere Schiffe dem Fremdenzu.

Daß die Störfelder erloschen waren undder Hypersender sich beruhigte, daß sich er-ste Trupps daran machten, nach möglichenSchäden zu suchen, das alles spielte in die-sen Augenblicken keine Rolle für Qarok undseine Artgenossen.

Der Fremde war ein Gegner, das alleinzählte.

*

Sie kamen durch Hangar I. Sie waren miteinem Beiboot gelandet, und Bully sah aufdem Bildschirm der internen Beobachtung,daß es an die zweihundert dieser Wesen wa-ren, die die CIMARRON enterten. Unter ge-wöhnlichen Umständen hätte der Terraner esnie zugelassen, daß Fremde sich eines Schif-fes der Galaktischen Flotte bemächtigten. Soaber und unter dem Eindruck der Ereignisse,die von Benneker Vling ausgelöst wordenwaren, blieb ihm nichts anderes übrig, alsgute Miene zum bösen Spiel zu machen undden Irrtum erst nachträglich aufzuklären.Und da war er guter Hoffnung, daß dieKopfflügler seine Argumente akzeptierenwürden. Spätestens in einem Gespräch mitden Kartanin würden alle Mißverständnissebeseitigt sein.

Die kleine Gruppe der Galaktiker gingden Eindringlingen entgegen, die sich bei ih-

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rem Vordringen in das Schiff an die proji-zierten Schnitte hielten, die auf den Bild-schirmen außerhalb des Hangars leuchteten.Eine Automatenstimme sprach in Kartanischzu ihnen und führte sie in das Zentrum desSchiffes, wo sie erwartet wurden.

Vennok bewegten sich schwankend vor-wärts, fast wie betrunken. Sie besaßen vieleGelenke, und wenn sie langsam gingen,dann wirkten ihre wippenden Bewegungenmajestätisch. Jetzt, in der Eile des Eindrin-gens in das Raumschiff, trugen sie eher zurErheiterung der Besatzung bei.

Die ersten Vennok tauchten in der Nähedes zentralen Antigravs auf. Sie hoben ihreWaffen und zielten auf die Galaktiker. Bullytrat einen Schritt vor und aktivierte seinenTranslator. Wie alle seine Begleiter hatte erauf einen SERUN verzichtet, aber alle tru-gen einen Kombigürtel mit einem Schutz-schirmprojektor. Wie wichtig diese Ent-scheidung war, zeigte sich sofort. Bullys Be-wegung wurde von den Vennok als Bedro-hung angesehen. Sie eröffneten das Feuer,aber gleichzeitig schalteten sich die Schirmeein. Die Energien prallten ab und richtetenkeinen Schaden an.

»Nicht schießen!« rief der Terraner undmachte eine Pause, bis der Translator diebeiden Worte übertragen hatte. »Wir kom-men aus Meekorah. Wir haben keine bösenAbsichten!«

Die Worte wirkten lächerlich angesichtsder Vorgänge, die den Angriff der Vennokund ihr Eindringen in das Schiff ausgelösthatten. Die rüsselartige Mundpartie des vor-dersten Schützen gab zwitschernde Lautevon sich. Er wandte seine Stielaugen auf sei-ne Artgenossen und gab offensichtlich einenBefehl. Die Waffen in den klobigen Dreifin-gerhänden sanken nach unten und signali-sierten Verhandlungsbereitschaft. Sie wur-den jedoch nicht weggesteckt, und die Ga-laktiker betrachteten diese Wesen einge-hend, die auf etwas zu warten schienen. AlleVennok trugen hellgelbe Gewänder, die weitgeschnitten waren und locker um den Kör-per und die Gliedmaßen hingen. Lediglich

an dem gedrungenen Übergang zwischenKörper und Kopf gab es einen metallenenRing, der das Gewand zusammenhielt. Eshandelte sich wohl um einen Einsatzanzug.

Im Hintergrund entstand Bewegung, wei-tere Vennok trafen ein. In ihrer Mitte be-wegte sich ein besonders groß gewachsenerArtgenosse, der durch ein buntes Kleid inkräftigem Rot, Grün und Gelb auffiel. Erhielt kurz an, bewegte die Augen an den En-den der beiden Kopfflügel und zwitscherteund sang auf seine Artgenossen ein. SeineStimme besaß etwas von einem Signalhornoder einer Klingel. Die Vennok rückten aus-einander, und der Buntgekleidete trat vorund blieb zehn Meter von den Galaktikernentfernt stehen.

»Burdoq, nehme ich an«, sagte Bully.»Willkommen an Bord der CIMARRON.Wie du unserem Funkspruch entnehmenkonntest, kommen wir in friedlicher Ab-sicht. Es ist uns allerdings ein kleines Miß-geschick passiert, das sich jedoch nicht wie-derholen wird.«

Er nannte seinen Namen und stellte seineBegleiter vor. Die Augen des Venno wan-derten dabei von einem zum anderen undblieben schließlich auf dem Blue und demIlt haften.

Er begann zu zwitschern, und der halbor-ganische Translator in seinem Mund über-setzte die Laute ins Kartanische.

»Ihr seht aus wie Bewohner Meekorahs«,stellte er fest. »Wir verfügen über die nöti-gen Informationen, die uns die ZentraleWissensautorität aus dem Anklam-Systemhat zukommen lassen. Dennoch, ihr habt un-seren Sender angegriffen, und es liegen unsvon der Projektleitung eindeutige Befehlevor, wie wir mit euch verfahren sollen. Ihrwerdet uns deshalb gehorchen und alle unse-re Anweisungen ausführen.«

Bully erkannte an der Entschiedenheit derWorte, daß mit dem Venno nicht zu spaßenwar. Er warf Gucky einen warnenden Blickzu, damit der Mausbiber sich nicht aus ge-spielter Entrüstung zu irgendwelchen Din-gen hinreißen ließ, die ihnen noch mehr

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schaden konnten, als die heimlichen Experi-mente Benneker Vlings. Gucky nickte fastunmerklich und rührte sich nicht.

»Angesichts der Überlegenheit eurer Waf-fen wird uns nichts anderes übrigbleiben, alsuns in das Unvermeidliche zu fügen«, erwi-derte der Kommandant der Expedition. »Wirsind gekommen, weil wir eine wichtige Bot-schaft für unsere Freunde und für ganz Han-gay bringen. Sage uns, Burdoq, gibt es In-formationen, wo sich Perry Rhodan und At-lan zur Zeit aufhalten? Die beiden Freundebenötigen die Botschaft, damit sie keineFehler machen!«

Innerlich schalt er sich, warum er soleichtsinnig war und von ihrer Mission be-richtete. Er wußte jedoch, daß er nichts zuverlieren hatte. Hier, in dem SterbendenUniversum, war er auf die Hilfe seiner Be-wohner angewiesen.

»Ich bin nicht autorisiert, dir Informatio-nen zu geben«, klang der Translator aus demRüssel des Venno auf. »Vernimm meine Be-fehle! Dein Schiff wird sich in einen Orbitum das System begeben. Es wird dabei vonzehn unserer Schiffe begleitet. Es darf sichnicht aus diesem Orbit entfernen. So will esdie Projektleitung. Du selbst und einige dei-ner Begleiter werden mir in mein Flagg-schiff folgen. Ihr werdet nach Gallum ge-bracht. Die Projektleitung wird später ent-scheiden, was mit euch zu geschehen hat!«

Jetzt hatten sie es. Die anwesenden Terra-ner sahen sich betreten an, Vee Yii Ly stießein empörtes Fiepen aus, und Gucky blicktefragend zu Reginald Bull empor. Der unter-setzte Mann mit den kurzen Haaren schüttel-te energisch den Kopf.

»Ich werde mir meine Begleiter aussu-chen. Dann folgen wir euch umgehend«, er-widerte Bull. Der Venno quittierte es mit ei-nem Wippen seines kurzen Rüssels. Er zogsich ein wenig zu seinen Artgenossen zu-rück, und diese erhoben erneut ihre Waffen,um ihrer Autorität Nachdruck zu verleihen.

»Gucky, hole Benneker. Sein Arrest istaufgehoben. Du und er werden mich beglei-ten!« Bully machte einen Schritt nach vorn.

Der Ilt watschelte los und verschwand durcheine Tür. Von dort teleportierte er undtauchte eine halbe Minute später mit Benne-ker Vling auf. Der dürre Robotwartungsspe-zialist verzog keine Miene. Er hatte die Vor-gänge offensichtlich über die internen Kom-munikationssysteme verfolgt.

»Ich soll euch aus der Patsche helfen«,seufzte er. »Also gut. Allerdings werde icheuch kaum eine große Hilfe sein können!«

»Du begleitest uns, damit wir der Projekt-leitung den Übeltäter präsentieren können,falls sie Wert auf seine Bestrafung legt«, er-klärte Bully mit Gönnermiene und deutetenach vorn. »Wenn du bitte vorausgehenwürdest!«

Lächelnd fügte sich Vling in das Unver-meidliche. Zu dritt marschierten sie hinterBurdoq her in den Hangar, wo die Vennoksie in das Beiboot verfrachteten. Sie wurdenganz hinten in dem Fahrzeug zusammenge-drängt, und die bewaffneten Vennok-Solda-ten ließen sie keinen Augenblick aus denAugen, obwohl sie alle ihre Körper nachvorn in Richtung des Kommandanten ge-dreht hielten.

Ruckend setzte sich das Beiboot in Bewe-gung. Kurz darauf tauchte auf dem Front-schirm der dunkle Rumpf der CIMARRONauf. Die Neukonstruktion aus der Pachaca-mac-Werft auf Terra besaß die Form einesstumpfen Keils mit einer Bugbreite vonsechzig und einer Heckbreite von hun-dertzwanzig Metern. Die Gesamtlänge be-trug zweihundert Meter. Der Rumpfquer-schnitt hatte die Form eines Sechsecks beigleichbleibendem Verhältnis der Schiffshö-he zur Breite. Demzufolge maß die CIMAR-RON am Heck achtzig Höhenmeter, am Bugnur vierzig. Die Oberflächen des Rumpfeswaren mit zahlreichen unterschiedlichenAuswüchsen und Aufbauten bestückt, wieden Geschützständen, Funkabstrahleinrich-tungen, Beobachtungskuppeln und den Han-gars. Zwei überlichtschnelle Space-Jets ge-hörten zur Ausrüstung des Prototyps. Dieder blauweißen Riesensonne zugewandtenFlächen schimmerten in mittlerem Blau. Der

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Rest lag im Dunkeln, nur erahnbar durch einpaar grelle Positionslichter, die in etwa dieAusdehnung der CIMARRON erahnen lie-ßen.

Von zehn Trimaranen eskortiert, setztesich das Schiff aus dem Standarduniversumin Bewegung. Es änderte den Kurs und ver-ließ das Erego-System, um sich in jenen Or-bit zu begeben, den die Vennok ihm anwei-sen würden.

Die CIMARRON geriet aus dem Sicht-feld. Dafür tauchten etliche der Monde auf,die den Braunen Zwerg umliefen. Das Bei-boot beschleunigte und nahm direkten Kursauf das Innere des Systems. Eine Weile rastees direkt auf Unag zu, dann verschwand esim Linearraum. Als es auf dem Schirm wie-der hell wurde, leuchtete ein kleiner grauerBall vor ihnen, und Burdoq kam zu ihnenheran und musterte sie erneut.

»Gallum ist der dreizehnte Mond«, erklär-te er. »Er besitzt mehrere technische Anla-gen, die für die Versorgung aller in diesemSystem lebenden Wesen wichtig sind. Gal-lum ist jedoch auch das medizinische Zen-trum, und Ärzte sind, wie ihr sicher wißt,geschickte Spezialisten. Ihre Methoden sindallen anderen vorzuziehen!«

Er zog sich wieder zurück, und die dreiGefangenen sahen sich vielsagend an.

»Da haben wir es«, piepste Gucky entrü-stet. »Wir werden uns beeilen müssen, damitwir uns bei den Kartanin beschweren kön-nen. Was glauben die, wer wir sind!«

»Sie scheinen sich noch kein Urteil gebil-det zu haben.« Benneker Vling verschränktedie Arme vor der Brust. »Vielleicht ist dasgut so. Warten wir ab, wie sich die Angele-genheit entwickelt. Es ist ausgeschlossen,daß durch die Störfelder größere Schädenangerichtet worden sind. Die Verantwortli-chen werden das bald erkennen!«

»Dein Wort in Gottes Ohr«, murmelteBully undeutlich. Er grinste heimlich, weildie Inkarnation der Superintelligenz ESplötzlich ein Gesicht machte wie siebentau-send Jahre Regenwetter. Der kleine Seiten-hieb hatte gesessen, und er zeigte Bully, daß

Benneker Vling nicht irgendein Menschwar, der von ES einen Auftrag erhalten hatteund diesen ausführte. Auf eine ganz be-stimmte, nicht unbedingt körperliche Artwar Benneker Vling ein Teil von ES, wie eres bereits hatte durchblicken lassen.

Sie verharrten schweigend, bis das Bei-boot in die graue Atmosphäre des Trabanteneindrang und kurz darauf am Rand einertechnischen Anlage mitten in einem vonMoos und zahlreichen Gräsern und Blumenbewachsenen Krater landete.

3.

Sie lebten in einem Trakt, der etwa hun-dert Quadratmeter umfaßte. Es gab zweikleine Räume mit weichem Fußboden, densie als Schlafgelegenheit benutzten. Ein grö-ßerer Raum diente dem Aufenthalt undgleichzeitig ihrer Fitneß. Es befanden sichan den Wänden und der Decke Geräte, diedarauf hinwiesen, daß hier ab und zu Sportgetrieben worden war. Den Vennok trauteBully so etwas nicht zu, also kamen nur dieKartanin in Frage. Er malte sich aus, wie siesich mit Hilfe der Stangen und Seile beweg-ten und welche Gelenkgriffe auch mit denFüßen benutzt werden konnten. Ab und zumachte der Terraner sich über eine Art Ex-pander her. Obwohl er sich absolut sicherwar, daß das Gerät eigentlich anders ver-wendet werden sollte, benutzte er es in derArt und stärkte seine Arm- und Rückenmus-kulatur damit. Gucky gab ihm dabei wohlge-meinte Ratschläge, die Bully immer danngeduldig ertrug, wenn er mit seinen Übun-gen angefangen hatte. Dauerte Guckys Ge-plapper länger als eine Viertelstunde, dannkonnte er es nicht mehr ertragen, und jetzt,am neunten Tag, sagte der Mausbiber das,was er jeden Tag gesagt hatte.

»Darf ich jetzt endlich springen?«Bully verzog den Mund und preßte die

Lippen aufeinander. Sie schrieben inzwi-schen den zwanzigsten Januar 448. Seitneun Tagen saßen sie in ihrem Gefängnisund hatten keine Verbindung zu ihrem

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Schiff. Es ließ sich kein Kartanin und keinVenno sehen, nur zweimal am Tag kamenRoboter und brachten etwas zu essen. Dasmeiste war genießbar, einen Teil mußten sieregelmäßig in die kleine Hygienekabine amhinteren Ende des Trakts schütten. Wenig-stens waren die Naßzellen und die Toilettefür Hominide und deren Abkömmlinge be-nutzbar, was wiederum darauf hindeutete,daß das Gefängnis eigentlich für Kartaningebaut war. Außer Essen und Trinken er-hielten sie keine Zuwendung, und BullysGeduld mit der Projektleitung war längst er-schöpft. Dennoch hatte er sich bisher nichtzu einer unbedachten Handlung hinreißenlassen. Er wartete und wartete, dachte anPerry und Atlan mit dem Galaktischen Ex-peditionskorps. Sie benötigten dringend dieInformationen, und die CIMARRON hatteden gefährlichen Flug nach Tarkan nicht ge-macht, um danach untätig in einem Orbit zuhängen und dem Wohl und Wehe einer Pro-jektleitung ausgeliefert zu sein.

»Niemand kann von uns behaupten, wirseien ungeduldig«, sagte er zu sich selbst.Benneker Vling reagierte nicht und starrteteilnahmslos in eine Ecke.

»Also darf ich verschwinden?« fragteGucky.

»Ja!« sagte Bull.»Wartet!« Vling bewegte sich umständ-

lich in dem Sessel, in dem er saß. Er kamempor und streckte und dehnte seinen mage-ren Körper. »Ich glaube, Gucky begibt sichin Gefahr.«

»Was weißt du?« dröhnte Reginald Bull.»Sag es!«

»Keine Ahnung. Es ist nur so eine Ver-mutung.«

Gucky wartete nicht länger. Er entmate-rialisierte. Seine Gestalt wurde durchsichtigund verschwand ganz. Das leichte »Plop«der Luft blieb jedoch aus. Gucky wurde wie-der sichtbar, und Bully schwante Übles. Erwarf sich nach vorn, fing den Körper des Iltsauf und ließ ihn sanft zu Boden gleiten.Gucky bewegte sich nicht. Er war bewußtlosgeworden.

»Verdammt und zugenäht!« Bully nahmihn wieder auf und bettete ihn auf dieCouch, die an der Wand unter dem Terminalstand, dem einzigen Gerät, das im Normal-fall eine Verbindung mit der Außenwelt dar-stellte. Es war abgeschaltet und unbrauchbargemacht. Sie konnten es weder zur Kommu-nikation noch als Waffe benutzen. Er richte-te sich auf und baute sich vor Vling auf.

»Nur so eine Vermutung«, knurrte er.»Ich könnte dir deinen Hohlkopf von diesemdürren Hals reißen. Weißt du das?«

»Ja, Bully, ich weiß es. Und ich weißauch, daß du meine Beweggründe nie ganzverstehen …«

Der Terraner hatte einen roten Kopf be-kommen.

»Halt deinen Mund, bevor ich ihn dirstopfe!« schrie er. »Ich kenne das. Wir sindalle Idioten. Und begreifen werden wir esnie. Egal, wie lange wir noch leben. Das istes doch, was du sagen willst, oder? Wozutrage ich das Ding da eigentlich?« Er klopftesich an die Brust, wo unter der Kombinationder Zellaktivator baumelte. »Kannst du mirdas sagen, du Bote von ES?«

Um Vlings Mundwinkel zuckte es. DerRobotwartungsspezialist brach in dröhnen-des Gelächter aus, bei dem Bully unwillkür-lich etwas kleinlaut wurde. Vling hieb ihmauf die Schultern, daß es krachte. Bully gingleicht in die Knie.

»Gut gebrüllt, alter Löwe!« rief Benneker.»Keine Angst. Wir werden hier nicht ver-sauern. Warten wir ab, wie die Kartanin rea-gieren. Sie müssen Guckys Versuch ange-messen haben. Irgendeine Reaktion werdensie zeigen. Danach richten wir uns!«

Er wandte sich der Couch zu, auf derGucky lag. Der Mausbiber kam langsam zusich. Seine Arme bewegten sich fahrig, erversuchte den Kopf zu heben. Noch war erzu schwach dazu, und Bully trat neben Vlingund strich dem Ilt über den Kopfpelz.

»Du hast es überstanden, Kleiner«, flü-sterte er. »Laß dir Zeit. Erhole dich. Wir ha-ben es überhaupt nicht eilig!«

Gucky bewegte den Mund und ließ den

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Nagezahn sehen, ein deutliches Zeichen, daßes ihm fast schon gutging. Nach einer Weiledrehte er sich herum und blickte die beidenMänner aus seinen großen Augen an.

»Ich hätte es mir denken müssen. Ich wer-de nie mehr an deinen Anordnungen herum-mäkeln, Dicker.«

»Worte sind Schall und Rauch«, knurrteReginald Bull. Er hatte es sich längst ange-wöhnt, solche Äußerungen des Mausbibersnicht auf die Waagschale zu legen. Sie hat-ten sich zu oft als zu leicht erwiesen.

An der Wand wurde es hell. Das Kommu-nikationssystem hatte sich selbständig akti-viert. Noch blieb der Schirm dunkel, dochdie drei waren sicher, daß sie beobachtetwurden. Mehrmals huschte ein Flirren überden Schirm, dann kam endlich ein Bild.

Bully zuckte mit den Augenlidern. Wesenwie dieses hatte er schon gesehen, nicht per-sönlich, aber in Aufzeichnungen der Karta-nin und der PIG. Es handelte sich um einensogenannten Blaunakken wie aus der NAR-GA PUUR, die auch unter dem NamenKLOTZ bekannt war. Er wußte, daß es sichdabei um Nakken aus Tarkan handelte, diein einer Art Cyborg lebten. Was sie auf demBildschirm sahen, war der Helm mit denHülsen für die Fühler und den Stielaugenmit den robotischen Sehhilfen, die rot glüh-ten.

Nakken dienten überall dort, wo es galt,sensible Systeme zu steuern. Nakken warenpsisensibel und hypersensibel und in der La-ge, eine geistige Synthese mit Steueranlageneinzugehen. Um so überraschender war es,daß sie ein solches Wesen auf dem Schirmhatten.

»Es gibt kein Entkommen für euch«, er-klärte der Nakk über die robotische Mund-prothese. »Ihr seid die Gefangenen der Pro-jektleitung, und ihr werdet es bleiben, bisdas Urteil über euch gesprochen ist!«

»Wir sind unschuldig«, sagte Bully raschund laut. »Wir kommen aus Meekorah undhaben eine wichtige Botschaft für die Pro-jektleitung. Du darfst uns nicht gefangenhal-ten. Laß uns hinaus. Führe uns zu dem Kar-

tanin, der das Kommando über das Projektinnehat!«

»Hon-Tur hat keine Zeit für euch. DieVorbereitungen für den Transfer sind zuwichtig. Beinahe wäre es euch gelungen,den Sender zu zerstören!«

Der Schirm erlosch, und die drei Gefan-genen zogen sich in die Schlafkammern zu-rück. Wiederholt hatten sie sie nach Beob-achtungsgeräten abgesucht, aber es warnicht sicher, ob sie wirklich unbeobachtetwaren.

»Hat niemand eine Idee?« Bully lehntesich gegen die Wand. »Benneker?«

»Ich brauche zwei zusätzliche Armband-kome!«

Gucky und Bully legten ihre ab und reich-ten sie dem Robotwartungsspezialisten.Vling zog sich ein wenig ins Halbdunkel ander hinteren Wand des einen Ruheraums zu-rück. Er nahm seinen eigenen Kom hervorund öffnete die drei Geräte. Er nahm sie aus-einander, zerlegte sie in ihre Einzelteile undfügte einige zu einer neuen Einheit zusam-men. Danach montierte er die Energiemaga-zine in Reihe und schloß sie an das neue Ge-rät an. Mit den nackten Kabeln und Steck-verbindungen wirkte das Ding eher schrott-reif als irgendwie leistungsfähig.

»Was hast du jetzt vor?«»Folgt mir unauffällig zur Hygienezelle!«Er verschwand im Wohnbereich, und

Gucky watschelte hinter ihm her. Bully folg-te als letzter. Vling verschwand in der Zelleund tastete mit einer Hand die Wand ab. Mitder anderen führte er das Gerät über das Me-tall. An mehreren Stellen hielt er inne, nick-te zufrieden. Er warf seinen beiden Beob-achtern einen warnenden Blick zu.

»Jetzt!« rief er laut.Etwas zischte. Ein sprühender Energiebo-

gen spannte sich plötzlich mitten durch dieHygienezelle. Er streifte Vling, aber diesemschien es nichts auszumachen. Er verzogkeine Miene, obwohl sich der Ärmel seinerKombination dunkel färbte. Irgendwo krach-te es, und langsam begriff Bully, was derMann tat. Er hatte zwei Leitungen energie-

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führender Systeme ausfindig gemacht undmit dem Gerät eine Überbrückung geschaf-fen. Die beiden Systeme berührten einander,es kam zu einem Kurzschluß größeren Aus-maßes. Die Deckenbeleuchtung im Wohn-raum begann zu flackern, und Gucky zogBully mit sich und deutete auf den Eingang.Dort sprühte die Wand, in der sich der Ver-schlußmechanismus verbarg.

»Aufmachen!« schrie Vling. »Beeilteuch!«

Die Tür besaß keinen Griff. Sie bildete ei-ne glatte Fläche, die in die Wand gesenktwar. Bully und der Mausbiber legten dieHandflächen auf das Metall und versuchten,die Tür in die Richtung zu schieben, in dersie sich öffnen mußte. Die Tür klemmte, undder Terraner verpaßte ihr einen Fußtritt. Erging rückwärts und starrte den Mausbiberan.

»Wie wäre es, wenn du es mit Telekineseversuchen würdest?« sagte er leise. »Oderbist du zu erschöpft?«

Der Ilt konzentrierte sich, schüttelte dannden Kopf.

»Sie haben den Anti-Psischirm verstärkt,denke ich. Los, hilf mir!«

Sie versuchten es erneut, und diesmalschafften sie es. Es gab einen Ruck, dannglitt die Tür bis zur Hälfte zur Seite undblockierte erneut. In der Hygienezelle krach-te es. Vling tauchte auf. Er warf die Einzel-teile des Geräts von sich, als seien sie glü-hend heiß geworden. Er drängte die beidenhinaus in den Korridor, der schräg nachoben führte. Als sie hergeführt worden wa-ren, hatten sie das Gefühl gehabt, daß sie un-ter die Oberfläche des Mondes gebrachtworden waren. Sie kannten nur den Weg,den sie gekommen waren, und Bully ver-suchte erst gar nicht, einen anderen einzu-schlagen. Sie rannten aufwärts davon undsahen kein einziges Mal zurück. Alles bliebstill in der Anlage, und die Türen, an denensie probeweise stehenblieben, waren ver-schlossen oder funktionierten durch denStromausfall nicht.

An einer Korridorkreuzung blieben sie

vorübergehend stehen und holten Atem.»Wir kamen von dort!« Bully deutete in

einen Gang hinein, der zu einer Art Fahr-stuhl auf Magnetbasis führte. »Wir müssenhinauf an die Oberfläche. Nur dort könnenwir uns verstecken!«

Sie rannten weiter und erreichten die Ka-bine. Sie setzte sich ohne Zögern in Bewe-gung, und als sie nach endlos langen Minu-ten mit einem Ruck zum Stehen kam, da sa-hen sie ein Fenster, durch das Tageslichthereinschimmerte. Fast gleichzeitig heulteirgendwo eine Alarmsirene auf.

»Weg hier«, hustete Benneker Vling. »Esmüssen Wachen in der Nähe sein!«

Sie huschten von der Kabine weg in denHintergrund, wo mehrere Korridore münde-ten. Sie entschieden sich für einen, der ander Außenseite des Gebäudes blieb. Sierannten etwa hundert Meter, ohne entdecktzu werden. Weit vor sich erkannten sie einenAusgang, aber dort eilten Schatten herbei.Sie bewegten sich rasch und fließend.

»Kartanin!« Bully keuchte. Er riß die Türauf, neben der er stand. Er verschwand indem dunklen Raum, und seine beiden Ge-fährten folgten ihm kommentarlos. Bullschloß die Tür und hielt den Atem an.

Es waren kaum Geräusche zu hören. DieKartanin bewegten sich fast lautlos vor-wärts, und sie schienen zu wissen, was siesuchen mußten.

»Gedankenimpulse?« hauchte er.»Keine«, erwiderte der Mausbiber. »Der

Psischirm funktioniert auch hier oben. Erdürfte zu den Vorrichtungen gehören, mitdenen die Kartanin sich vor den Hauri schüt-zen!«

*

Hon-Tur trug leichte Hauskleidung, als ersich mit der Projektzentrale in Verbindungsetzte. Es gehörte zum gewohnten Bild, daßOssama sich zeigte oder besser seinen Helmmit einem Teil des Körperpanzers. OhneKenntnis der Räumlichkeiten in der Zentralewar nicht ersichtlich, ob der Nakk auf dem

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Boden stand, schwebte oder eine andere Po-sition einnahm, zu der ihn der Antigrav-sockel seines Rüstungsmoduls befähigte.

»Was gibt es mit den Gefangenen?« er-kundigte sich der Kartanin. »Wieso derAlarm auf Gallum?«

»Sie sind geflohen«, berichtete der Nakk.»Es ist ihnen gelungen, das Energiesystemzu verwirren. Sie können den Krater jedochnicht verlassen haben. Der Schutzschirm isteingeschaltet.«

»Ich will sie sprechen, Ossama. Kommensie tatsächlich aus Meekorah, wie sie be-haupten?«

»Es ist nicht anzunehmen. Selbst wenn.Wir haben den Transfer vorzubereiten undkönnen uns nicht um jeden kümmern, deraus Meekorah kommt.«

Das Gesicht des Kartanin veränderte sich.Hon-Turs Schnurrhaare rückten ein wenignach außen. Die oberen Schneide- und Eck-zähne traten hervor, und die Stirnhaare desKartanin richteten sich steil auf. Danachpreßte der Projektleiter die schmalen Lippenzusammen.

»Ich will die Gefangenen sehen, Ossama.Das ist ein Befehl. Laß sie nach Monifarbringen. Ich werde sie in meinem Haus emp-fangen!«

»Befehl verstanden, Hon-Tur. Ich werdealles Nötige veranlassen!«

Der Kartanin gab ein Zischen von sich,dann schaltete er die Verbindung aus. Nak-ken waren seine wichtigsten Helfer, daswußte er. Sie waren geheimnisvolle Wesen,deren Charakter wohl nie jemand richtig er-gründen konnte. Ossama war sein Stellver-treter, und sie dienten beide derselben Auf-gabe. Dennoch hatte Hon-Tur manchmalden Eindruck, als verfolge Ossama ganz an-dere Ziele. Vermutlich täuschte er sich dar-in. Er würde ihn fragen müssen. Aber selbstda zweifelte er, daß etwas Sinnvolles dabeiherauskommen würde. Ossama würde ihnnicht unbedingt verstehen.

Hon-Tur begab sich in seinen Schlafbe-reich und legte sich zur Ruhe. Er instruierteden Automaten, der ihn rechtzeitig wecken

würde, wenn die Gefangenen eintrafen. Erwollte ihnen ein paar Fragen stellen unddann seine Entscheidung treffen. Im Grundegenommen wollte er sie nicht im Erego-System haben. Er wünschte sie weit weg,egal, ob sie aus Meekorah kamen oder nicht.Er wollte sie ebensowenig hier haben wiedie Benguel, die Juatafu oder die Hauri.

*

Sie bewegten sich im Rücken der Karta-nin. Es war ihnen gelungen, sich aus demGebäude zu schleichen und in den recht un-übersichtlichen Schluchten des Raumhafensin Deckung zu gehen. Ihre Verfolger hatteninzwischen bemerkt, daß sie sich nicht mehrin der Nähe der Gebäude aufhielten. Sie er-kannten es an den Gleitern, die aufstiegenund bis hinauf zum Kraterrand flogen.

Bully stieß einen Fluch aus. Er deuteteempor. Über dem Kraterwall spannte sichseit wenigen Sekunden ein Schirm. Er flim-merte an den Rändern, weil dort der helleHimmel und das dunkle Gestein aneinander-stießen und die Energiewand sichtbar wer-den ließen. Direkt über dem Krater konnteman ihn gegen den Himmel nicht erkennen.

»Sie werden den gesamten Krater absu-chen und uns irgendwann erwischen«, flü-sterte der Kommandant der Expedition. »Ichhabe keine Lust, wieder in Gefangenschaftzu wandern. Ich traue diesem Ossama nicht.Nakken sind schwer durchschaubar. Ich willmit Hon-Tur reden!«

»Was willst du tun?« »Den nächstbestenKartanin auf uns aufmerksam machen. Wirmüssen weg von Gallum. Das ist ein völligunbedeutender Mond des Systems!«

»Du vergißt die Methoden der Mediziner,mit denen sie uns zum Reden bringen wol-len. Hast du Burdoqs Worte vergessen?«

Gucky maß ihn mit vorwurfsvollemBlick, wie er so etwas vergessen konnte.Bully reagierte nicht darauf. Er blickte dieSchneise entlang. In ihrer Mitte führtenSchienen eines automatischen Transportsy-stems, und in der Ferne zeigten sich der

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Schatten eines riesigen Containers, der aufdieser Schiene entlangglitt und sich den dreiFlüchtenden näherte. Mit ihm als Deckungwar es vielleicht möglich, aus dem Kraterhinauszukommen, falls der Container nichtfür eines der Schiffe bestimmt war.

Reginald legte den beiden Gefährten sei-nen Plan dar. Sie zogen sich von der Platt-form zurück, auf der sie bisher in derDeckung mehrerer Aufbauten verharrt hat-ten. Sie ließen sich an einer dünnen Säule indie Tiefe rutschen und verschwanden hintereiner Sichtblende, die den Schienenbereichvom übrigen Teil der Schneise trennte. Eineglatte Fläche, die sich entlang der Wandungder Schneise erstreckte, wies darauf hin, daßhier auch ab und zu Fahrzeuge vorbeikamen.

Der Container näherte sich rasch, und siemußten ihre Deckung verlassen und den Be-reich der Schiene aufsuchen. Sie ließen denriesigen Behälter herankommen, der minde-stens zwanzig Meter hoch und ebenso langwar. Er besaß mehrere Ausbuchtungen undMöglichkeiten, sich festzuhalten und mitzu-fahren. Es gab jedoch keine Nischen, in de-nen sie sich verstecken konnten.

»Ziemlich schnell, das Ding«, stellte Ben-neker Vling fest. »Vierzig Stundenkilometeretwa. Viel zu schnell!«

»Redet nicht. Los!« zischte Bully. DerContainer nahte, und der Terraner suchtesich einen Vorsprung aus und begann zurennen. Er spurtete los, und der Containertauchte neben ihm auf und raste vorbei. DerAufbau schoß heran, und Bully beschleunig-te und warf sich dann schräg nach oben. Erbekam eine Stange zu fassen und klammertesich an, stieß sich gleichzeitig nochmalsvom Boden ab und krümmte den Körper zu-sammen. Der Ruck riß ihm fast die Armeaus dem Leib, und seine Knie pralltenschmerzhaft gegen das Metall. Aus den Au-genwinkeln heraus nahm er wahr, wie seineGefährten ebenfalls den Aufsprung versuch-ten. Bully zog die Arme an und riß ein Beinhoch. Er hakte es mit der Kniekehle in dieStange und zog sich empor. Hastig schwanger sich nach hinten, wo der Vorsprung eine

Mulde besaß, in der Steuersegmente ange-bracht waren. Er suchte vorsichtig Halt undachtete darauf, daß er keinen der Hebel undKnöpfe berührte. Er warf hastig einen Blicknach hinten. Benneker und Gucky winktenkurz, sie hatten es ebenfalls geschafft undsuchten sich nun eine bequeme Stellung.

Bully legte sich flach. Sein Bauch drück-te, und er hatte dicht neben sich einen derHebel. Die geringste Berührung konnte ihnbewegen und etwas auslösen.

Der Terraner blickte nach oben. Wennjetzt ein Gleiter über dem Container auf-tauchte, dann mußten die Insassen ihn ent-decken. Nach oben gab es keinenSichtschutz, und irgendwann mußten dieKartanin auf den Container aufmerksamwerden, der sich auf seiner Schiene beharr-lich dem Rand des Kraters näherte und da-mit dem Kraterwall, über dem sich der Ener-gieschirm spannte.

Am Rand des Raumhafens leuchteten dieFarben der Blumen und des Grases zu ihmherüber. Gallum war ein blühender Trabantmit einer dichten Sauerstoffatmosphäre. DerTrabant war von einer ganzen Reihe großerKrater übersät, aber alle waren ergrünt, unddie übrige Oberfläche wurde von Äckernund Steppen bedeckt. Von außen hatte derTrabant unter seiner grauen Wolkenhüllekeinen besonders einladenden Eindruck ge-macht, aber manchmal täuschte der ersteEindruck eben.

Gucky hörte einen schrillen Schrei. Erwarf den Kopf zurück. Gucky hielt den frei-en Arm ausgestreckt und deutete rechts hin-über auf eine Reihe von Öffnungen in derSteilwand der Schneise. Dort blinkte undglitzerte es. Mit hoher Geschwindigkeitschossen Gegenstände ins Freie, und wäh-rend der blauweiße Riese Erego wieder hin-ter einer Wolkenbank verschwand, erkannteReginald Bull, daß es sich bei den Geschos-sen um Roboter handelte. Ihre Flugrichtungließ keinen Zweifel zu, daß der Container ihrZiel war. Sie waren entdeckt. Die Roboterhatten keine Mühe, mit Hilfe der Infrarotor-tung ihre Spur zu finden.

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»Flieht!« schrie er, so laut er konnte. Al-les in ihm wehrte sich dagegen, erneut inGefangenschaft gehen zu müssen.

Der Container erreichte das Ende derSchneise und verschwand in einem Stollen.Das war Glück für die drei Flüchtenden. Sielagen plötzlich im Dunkeln, und die fliegen-den Maschinen mußten zurückbleiben.

Voraus tauchte ein Licht auf. Es erhellteeine Halle, durch die der Container glitt undlangsamer wurde. Bully spähte nach einerGelegenheit zum Absprung und fand sie ineiner Balustrade, die in die Luft hineinragteund sich wenig über dem eigentlichen Bo-den befand. Sie war schmal, aber lang, undder Terraner richtete sich vorsichtig auf. Erlehnte sich an den Vorsprung und ducktesich dann. Er ging in die Knie und berechne-te den richtigen Augenblick. Kraftvoll stießer sich ab. Er flog hinaus in die Luft. Metalltauchte unter ihm auf. Er war zur Seite, abernoch in Bewegungsrichtung gesprungen undrollte sich bereits in der Luft ab. Er prallteseitlich zu Boden und schlitterte ein paarMeter über den Untergrund. Es wurde heißauf seiner Haut, bis die Reibung seine Ge-schwindigkeit vollständig aufgezehrt hatte.Er rollte sich ein wenig zur Seite und sprangdann auf. Eng preßte er sich an die hintereBegrenzung der Balustrade.

Neben ihm krachte es. Benneker Vlinglandete unsanft auf dem Bauch und strecktealle viere von sich. Er riß Gucky um, derebenfalls herübergehechtet war und sichnach einem Halt umsah, den er in VlingsRücken fand. Er verlor das Gleichgewichtund krallte sich in der Montur des Robot-wartungsspezialisten fest.

»Roboter sind uns auf der Spur«, piepsteer. »Das ist etwas für dich!«

»Möglich«, murrte Vling und stand auf.»Wohin jetzt?«

Bully deutete zu einem Abgang. Sie setz-ten sich in Bewegung. Der Container war ih-nen bereits weit voraus, und durch den Stol-len vernahmen sie das Singen der Roboter.Lebewesen waren weit und breit keine zu er-kennen.

Plötzlich zischte etwas. Aus der Höhetropfte Metall herab und bildete dicht nebenBully eine rasch erkaltende Pfütze. Reginaldstieß eine Verwünschung aus und hetzte los.Es brauchte keine Worte, um den dreienklarzumachen, daß sie in Gefahr waren. Sieaktivierten ihre Schutzschirme und suchtenihr Heil in der Flucht. Zum Glück hatte manihnen die Einsatzgürtel gelassen, sonst wäredas Folgende nicht so glimpflich für sie aus-gegangen.

Die Roboter holten rasch auf. Sieschwärmten aus, und sie eröffneten gemein-schaftlich das Feuer. Sie hatten gute Zieler-fassungsgeräte. Bullys Schirm glühte grellauf. Er war gleichzeitig von mehrerenStrahlschüssen getroffen worden.

»Weg hier!« hörte er Gucky. »Bevor sieunsere Schirme knacken!«

Sie ließen sich den Abgang hinunterrut-schen und hielten auf eine Tür zu. Wiederwurden sie getroffen, wieder ließ das Ver-halten der Maschinen nur einen einzigenSchluß zu. Die Roboter hatten einen Mord-befehl erhalten.

Den drei Flüchtenden blieb keine Zeit,nach dem Warum zu fragen. Sie rannten umihr Leben. Die Gefahr wuchs, je näher dieRoboter rückten, die sie jetzt schon beinaheeingekreist hatten. Gucky erreichte die Türals erster. Der Öffnungsmechanismus funk-tionierte zum Glück, und sie warfen sichhindurch und warteten gar nicht ab, bis dieTür sich wieder schloß. Sie entfernten sichseitlich, während weitere Strahlenschüssedurch die Öffnung jagten und einen Maschi-nenblock trafen, der kurz qualmte und dannin sich zusammenstürzte. Eine Sirene heulteauf. Diesmal waren die drei regelrecht froh,daß jemand auf sie aufmerksam wurde. Siesetzten ihre Flucht nun planlos fort undkonnten auch nicht lange überlegen, wohinsie sich wenden sollten. Die Roboter warendurchaus in der Lage, die Schutzschirmedurch gezielten Punktbeschuß zu zerstören,und dann war es aus mit den drei von derCIMARRON. Soweit durfte es nicht kom-men.

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Die Roboter hatten die Tür inzwischenzerschmolzen und den Durchgang passiert.Sie kamen rasch heran, und Bullys Beinewurden immer schwerer. Er stieß den Atemin kurzen, harten Stößen aus und sah bereitserste Ringe vor seinen Augen kreisen. Erblickte nach oben und erkannte dort ein paarSchatten auf einer schwebenden Plattform.Er schrie aus Leibeskräften, aber da wurdesein Schirm getroffen. Die Wucht der auf-treffenden Energien war so groß, daß Bullyvon den Beinen gerissen wurde. Wie ein Ge-schoß verschwand er zwischen zwei Auf-bauten und prallte unsanft gegen ein Hinder-nis. Er kam auf dem Rücken zu liegen undriß die Augen auf. Mindestens zwei DutzendRoboter tauchten über den Aufbauten aufund nahmen ihn unter Beschuß. Bullyschloß die Augen. Jetzt hatte es nicht einmalmehr Sinn, daß er den kleinen Finger rührte.Der Terraner rechnete mit dem Ende.

*

Gucky verfluchte jenen Augenblick, indem er den Entschluß gefaßt hatte, nach Tar-kan zu fliegen. Noch immer blockierte einepsionische Schutzeinrichtung seine mentalenKräfte. Er konnte nicht einmal eine Nottele-portation ausführen und rechnete sich aus,daß er es höchstens noch bis hinter dennächsten Container schaffte, aber nicht wei-ter.

Hinter sich wußte er die Roboter, und dieVolltreffer in seinem Schirm belehrten ihnendgültig, daß mit den Maschinen nicht zuspaßen war. Etwa zehn Meter von ihm ent-fernt schrie Benneker Vling etwas von Feuereinstellen und Verhandeln, doch die Roboterließen sich davon nicht beeindrucken. Eineweitere Salve von Strahlenschüssen ließeinen Teil des Metalls schmelzen, und estropfte auf den Schirm des Mausbibers herabund verdampfte dort endgültig. Die Luft be-gann schlecht zu riechen, der Gestank drangdurch den Schirm hindurch.

Ein letzter, verzweifelter Satz des Ilts,dann lag er auf dem Boden und hielt nach

einem Mauseloch Ausschau, in das er sichverkriechen konnte.

Die Roboter tauchten über dem Containerauf und blieben in der Luft hängen. IhreWaffensysteme drehten sich langsam nachoben. Kein einziger Schuß fiel mehr, undGucky richtete sich verwundert auf. DieserBenneker Vling ist sein Geld wert, dachte er.Dann aber sah er die Scheibe mit den Karta-nin. Sie flog in schrägem Winkel heran undsetzte direkt neben dem Container auf.Gucky schüttelte sich und warf einen letz-ten, mißtrauischen Blick zu den fliegendenMaschinen empor. Er griff zum Gürtel undschaltete den Schirm ab. Er bewegte sichlangsam auf die Feliden zu.

»Das war Rettung in letzter Sekunde«,schrillte er in seinen Translator. »Wir sindunbewaffnet!«

Die drei männlichen Kartanin, die von derScheibe stiegen, trugen Waffen an den Gür-teln. Sie ließen sie stecken und blickten sichsuchend um. Benneker Vling tauchte hintereinem Aggregateblock auf und winkte lin-kisch mit den Händen.

»Hilfe!« murmelte er. »Wer schützt unsvor den Robotern?«

»Wir«, erklärte der Sprecher der drei Feli-den. »Ihr habt Glück gehabt. Hier hat euchniemand gesucht!«

»Nur die Roboter!« rief Bully dröhnend.Auch er hatte seinen Schirm abgeschaltetund tauchte hinter der Scheibe auf. »Wirsind als Freunde nach Hangay gekommenund werden behandelt wie Verbrecher. Bei-nahe wären wir getötet worden!«

»Du hast geschrien«, stellte der Kartaninfest. »Nenne mich Fer-Lin. Ich bin derKommandierende des Raumhafens. Ich wur-de in Kenntnis gesetzt, daß Hon-Tur euch zusehen wünscht. Wir werden euch nach Mo-nifar bringen. Ossama wird entscheiden, wasweiter mit euch geschieht, solange Hon-Tursich nicht um euch kümmern kann.«

»Ich höre immer nur Ossama. Jeder redetvon Ossama. Ossama spricht zu uns und sagtuns, daß wir Gefangene sind und Gegner derKartanin. Zumindest läßt er es anklingen.

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Was bedeutet das Ganze?« Die drei Kartaninsahen sich kurz an. Ihr Schnurrhaare zuck-ten.

»Ossama ist ein Nakk«, antwortete Fer-Lin, als sei damit alles gesagt. »Folgt unsjetzt. Das Schiff wartet bereits!«

Sie ließen die Scheibe, wo sie sie abge-stellt hatten, und schritten dem Eingang zu,durch den die drei Gefährten gekommen wa-ren. Bully nickte langsam und bedächtig, alsmüsse er sich alles noch einmal durch denKopf gehen lassen. Seine Hände waren zuFäusten geballt, als er sich in Bewegungsetzte. Gucky und Benneker Vling eiltenihm schweigend hinterher.

Draußen auf dem Raumhafen erst bliebendie drei Kartanin stehen. Die Galaktikerschlossen zu ihnen auf.

»Wer von euch ist Benneker Vling?«fragte Fer-Lin. Er sah Bully an, der deuteteauf das Klappergestell von einem Robotwar-tungsspezialisten.

»Benneker Vling ist ein Mensch und dochkeiner. Das haben unsere Geräte herausge-funden. Was bedeutet es?«

»Nichts, gar nichts«, wiegelte der Botevon ES ab. »Ihr habt meine Körperstrahlunggemessen. Sie stimmt nicht völlig mit der ei-nes gewöhnlichen Menschen überein. Seitmeinem Strahlenunfall vor sechs Jahren …«

»Das genügt.« Fer-Lin setzte sich wiederin Bewegung.

Sie folgten ihm zu dem kleinen Schiff,das auf sie wartete.

4.

Monifar umlief den Braunen Zwerg alsdreiundzwanzigster und zugleich größterMond. Mit einem Durchmesser von elftau-sendfünfhundert Kilometern hatte er plane-tare Ausmaße. Sein Tag dauerte 17,4 Stan-dardstunden. Seine Entfernung von Unagbetrug 12,4 Millionen Kilometer. Aus demAll zeigte sich Monifar als typische Sauer-stoffwelt, doch während des Landeanflugsstellte sich heraus, daß der Mond nur übereine spärliche Flora und entsprechend wenig

Fauna verfügte. Im Äquatorbereich gab eseine recht große Insel, auf der sich nachAussagen Fer-Lins das Hauptquartier derProjektleitung befand. Ein kleiner Raumha-fen empfing das Schiff, und die Gebäude imHintergrund leuchteten grau und braun undzeigten keinerlei Schmuck oder architektoni-sche Ambitionen. Das eigentliche Hauptge-bäude erinnerte an einen großen Schuppenmit der Ausnahme, daß es unzählige Fensterund Türen besaß. Dorthin führten die Karta-nin die drei Gefangenen. Alles auf Monifarwirkte zweckmäßig und teilweise vorüber-gehend. Es war erklärbar. Nach dem Ab-schluß des Meekorah-Projekts hatten dieKartanin und die anderen Völker der Kansa-hariyya keine Verwendung mehr für die An-lagen.

Ein Wagen holte sie am Schiff ab undbrachte sie zu dem Hauptgebäude. Bewaff-nete Vennok nahmen sie in Empfang undbrachten sie in das Innere. Durch mehrereKorridore und schwach erleuchtete Aufzügegelangten sie in eine Halle, in deren Mittesich eine halb transparente Kuppel befand.Dort wurden sie hingeführt. Nach kurzerWartezeit am Eingang wurden sie vorgelas-sen. Die Vennok blieben zurück. Kartaninwaren weit und breit keine zu sehen. DieKuppel war leer bis auf eine einzige Aus-nahme.

Vor ihnen schwebte Ossama.In seiner Fremdartigkeit wirkte der Nakk

bedrohlich. Im Halbdunkel der rötlichen undblauen Lichter kamen die drei Gefährtensich vor wie in einer Grabkammer, und Bul-ly fragte sich, ob sie gerade zu ihrer eigenenBeerdigung schritten. Seine Hand fuhr zumGürtel und blieb neben dem Sensor für denSchutzschirm hängen. Er fixierte den Nak-ken, während er auf ihn zuschritt. Ossamareagierte nicht. Plötzlich jedoch bewegtesich der robotische Mund des Helmes.

»Bleibt stehen!« klang die sonore Stimmeauf, die nicht an eine künstliche Stimme er-innerte. In Unkenntnis der Körperstrukturder Nakken konnte man denken, daß es sichum die natürliche Stimme des Wesens han-

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delte, was jedoch nicht der Fall war.Sie blieben nebeneinander stehen und

warteten.Es dauerte mindestens fünf Minuten, bis

der Nakk sich wieder meldete. Er schwebteein wenig tiefer.

»So also sehen Spione aus«, verkündeteder Mund.

»Wir sind keine Spione«, rief Bully laut.»Wann begreifst du das eigentlich? Wir ge-hören zu Perry Rhodan und Atlan und habenihnen eine wichtige Botschaft zu überbrin-gen.«

»Wie lautet diese Botschaft, Fremder?«Bully schluckte kurz und sah seine Ge-

fährten an.»Das werde ich Hon-Tur sagen, Ossama.

Er ist der Projektleiter, nicht du. Er wird ent-scheiden, was zu geschehen hat. Wir müssensofort unsere Artgenossen suchen, damit wirihnen helfen können. Diese Hilfe ist auch ei-ne Hilfe für euch und euer Projekt!«

»Wir haben euch nicht gerufen!«»Wie auch? Es gibt wenig Kontakt zwi-

schen Meekorah und Tarkan. Da haben esdie Hauri schon besser.«

»Schweig, Bull! Sprich nie von den Hau-ri. Sie sind Fanatiker, Unverbesserliche. Siesind wie Feinde des Lebens!«

»Und du?« Bully hegte einen Gedanken,und er beschloß, ihn im Lauf des Gesprächsauszusprechen. Er mußte Gewißheit haben.

Der Nakk ging nicht darauf ein. Er be-wegte die gepanzerten Stäbchen auf seinemHelm.

»Was weißt du über Perry und Atlan?«fragte Bully weiter. »Wo halten sie sich auf?Sind sie rechtzeitig in das vierte Viertel derGalaxis gewechselt? Was tun sie jetzt?«

Ossama schwieg erneut minutenlang. Erumrundete die drei mehrmals und entferntesich dann ein Stück von ihnen.

»Ihr Aufenthalt ist nicht bekannt. Jedochist mir ein Kontakt mit diesem Rhodan ver-traut. Er hat sich im Charif-System aufge-halten, der Heimat der Kartanin und allerNakken. Er hat glücklicherweise bald dieAbreise angetreten.«

In Bully schrillten Alarmglocken. Er ver-gaß für einige Zeit sogar den angestautenGroll. Ossama schien auf Perry nicht gut zusprechen zu sein. War das etwas, was nurden Nakken betraf, oder war dies bei denKartanin ebenso?

»Charif, das liegt ja im vierten Viertel.Woher weißt du so genau Bescheid?«

»Dalphrol lebt dort. Ossama ist der Nach-komme Dalphrols. Nachkommen haben einebesondere Beziehung zu ihren Vorfahren!«

Die Erklärung war wenig konkret, undBully schloß die Möglichkeit nicht aus, daßPerry mit diesem Dalphrol unliebsame Kon-takte gehabt hatte oder – aus der Sicht desNakken – Dalphrol mit Rhodan. Und daswar schon alles?

»Wer hat den Befehl gegeben, daß dieRoboter uns töten sollten?« platzte Reginaldheraus. Täuschte er sich, oder wackelte Os-sama auf seinem Antigravsockel ein wenig?

»Ein solcher Befehl wurde nicht gege-ben«, kam es aus dem Helm. »Und nun geht.Hon-Tur erwartet euch!«

Es wurde noch dunkler unter der Kuppel,und die drei wandten sich um und machten,daß sie aus der Düsternis hinauskamen zuden Vennok und den Kartanin, die sie erwar-teten.

*

Hon-Tur strahlte unverkennbar Autoritätaus. Der Kartanin ruhte in einem rotenSamtsessel und blickte den Eintretendenaufmerksam entgegen. Der Leiter des Erego-Projekts trug eine violette Kombination undeinen weißen Umhang. Die Füße steckten insilberfarbenen Stiefeln, und den Schädel hat-te er sich mit goldenem Flitterzeug ge-schmückt. In der rechten Hand hielt er einenmattblau schimmernden Stab, ein Zepteroder eine Waffe. Hinter ihm standen linksund rechts vier Bewaffnete in hellblauenKombinationen und ohne Rangabzeichen.

»Tretet näher«, klang seine Stimme auf.Noch immer musterte er die drei verschiede-nen Gestalten mit verhaltener Neugier.

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Plötzlich sprang er auf und gab den vier Be-waffneten einen Wink. Sie zogen sich in denHintergrund des Saals zurück und harrtendort der Dinge, die da kamen.

Der Projektleiter deutete auf den ovalenTisch, der in der Nähe des Eingangs stand.Er setzte sich auf den Stuhl am oberen Endeund wartete, bis sich die drei Fremden eben-falls niedergelassen hatten.

»Ich bin bereits informiert«, begann erunvermittelt. Er sprach Kartanisch, und dieTranslatoren der drei Fremden übersetztenin eine einheitliche Sprache, was Hon-Turmit einem verständnisvollen Zucken seinerSchnurrhaare zur Kenntnis nahm. »EuerSchiff ist fremd hier, und ihr behauptet, oh-ne schlimme Absicht hergekommen zusein.«

Reginald Bull nickte. Er berichtete, daßsie aus Meekorah kamen und Freunde vonPerry Rhodan und Atlan waren, daß sie sichauf der Suche nach den beiden befanden, dienicht mit dem dritten Viertel Hangays insStandarduniversum gelangt waren. Hon-Turs Augen begannen ein wenig zu glänzen.Er schlug die Hände auf den Tisch. Dieleicht ausgefahrenen Krallen erzeugten da-bei peitschende Geräusche.

»Es ist also gelungen«, stellte er fest,»Das dritte Viertel ist wohlbehalten in Mee-korah angekommen.«

»So ist es«, nickte der Terraner. »Aber dieHauri sind nicht müde. Sie ziehen weiter ih-re Fäden, und der Übergang zwischen denbeiden Universen scheint ihnen nichts aus-zumachen. Jenem Teil Meekorahs, in demHangay materialisiert, stehen schwere Zei-ten bevor, wenn es uns nicht gelingt, die Ab-sichten der Jünger des Hexameron zu durch-kreuzen. Deshalb sind wir hier. Doch zu-nächst sind wir dir einige Erklärungen schul-dig.«

Er deutete auf Benneker Vling und erläu-terte nach seinem Ermessen, wie es durchdie Experimente des Mannes zu Störfelderngekommen war, die mit dem gepulsten Hy-persender plötzlich eine Schwingungseinheitbildeten und dadurch den Sender beinahe

zerstört hätten. Bully entschuldigte sich da-für und versicherte, daß so etwas nicht mehrvorkommen würde.

»Sobald wir wissen, wo wir unsere Freun-de finden, werden wir das Erego-Systemverlassen«, schloß er seine Darstellung.

Hon-Tur nickte zustimmend. Er deuteteüber den Eingang, wo sich ein Bildschirmerhellte. Er zeigte die Umrisse der CIMAR-RON über einem Mond, und es gab keinenZweifel, daß es sich um Monifar handelte.Wenig später wechselte das Bild, und Bullyerkannte das nicht zu verwechselnde Gesichtvon Lalande Mishkom. Lalla blies die Ba-cken auf und schloß zweimal die Augen.

»Hallo, ihr drei!« rief sie dann aus undzeigte, daß die Bildübertragung in beidenRichtungen funktionierte. »Wo habt ihr solange gesteckt? Fast zehn Tage haben wirnichts von euch gehört. Wir wollten schoneinen Piratenakt gegen Monifar starten, aberda setzte sich dieser freundliche Hon-Turmit uns in Verbindung und beruhigte uns.«

»Es geht uns gut«, zwitscherte Gucky ver-gnügt. »Es könnte uns fast nicht besser ge-hen. Man hat uns zunächst zwar nicht geradefreundlich empfangen, aber daran trägt al-lein dieser Unhold Benneker die Schuld.

Inzwischen sind die Mißverständnisseausgeräumt. Es kann nicht mehr lange dau-ern, bis wir an Bord zurückkehren!«

»Wir, werden euch einen treffenden Emp-fang bereiten. Tschüs jetzt. Ich erhalte gera-de das Signal, daß die Verbindung unterbro-chen wird!« Sekunden später erlosch derSchirm, und die drei Galaktiker wandtensich wieder dem Kartanin zu. Hon-Tur stütz-te die Arme auf die Tischplatte und zupftean seinen Schnurrhaaren.

»Ihr sucht nach euren Freunden, gut. Ichweiß nicht, wo sie sich zur Zeit aufhalten.Ich will euch jedoch gern berichten, was ichüber sie weiß. Perry Rhodan hat sich im An-klam-System aufgehalten und kam auf Um-wegen nach Charif, wo er die Kultur derKartanin und der Nakken kennenlernte. Erfand eine Spur zu den Hauri in das Ushallu-System, und die Benguel und Juatafu folgten

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ihm. Die Hauri wurden nervös, und er einig-te sich mit ihnen, daß er das System verlas-sen würde, wenn sie ihm freien Abzug ge-währten. Er verschwand tatsächlich, und esgibt bisher keine Informationen im Erego-System, wohin er sich gewandt haben könn-te. Unser System ist gut bewacht, und es gibtaus Sicherheitsgründen nur wenige Kontaktenach außen. Ab und zu werden Funksprüchevon Benguel aufgefangen, aber auch Infor-mationssendungen unserer Artgenossen. An-sonsten warten wir allein auf die Nachrich-ten der Zentralen Wissensautorität. Wenn sieausbleiben, sind wir hilflos. Atlan kam et-was später als Rhodan ins Ushallu-System.Er zettelte mehrere Komplotte an und ver-nichtete die Materiewippe auf dem PlanetenPaghal. Möglicherweise hatte er eine Spurvon Afu-Metem, dem Fürsten des Feuers.Die Galaktische Flotte verschwand jeden-falls fast so spurlos, wie Perry Rhodan esgetan hatte. Aber Atlan suchte nicht nurnach Perry Rhodan. Er suchte auch nach ei-ner Wesenheit, die ESTARTU bezeichnetwird. Wir im Erego-System können mit die-sem Begriff nichts anfangen. Wir haben ihnnoch nie gehört, und eine Frage an die Zen-trale Wissensautorität muß warten, bis diesesich wieder bei uns meldet. Nach den Ereig-nissen, die ich genannt habe, fand der Trans-fer des dritten Viertels statt. Du, ReginaldBull, hast gesagt, Rhodan und Atlan seiennicht in Meekorah eingetroffen. Folglich be-finden sie sich noch in der Nähe. Wir habennichts dagegen, wenn ihr den letzten Teil derGalaxis nach ihnen absucht. Doch beeilteuch.«

Er machte eine Bewegung mit der Hand,die die drei Galaktiker nicht zu deuten wuß-ten. Hon-Tur stutzte, dann verzog er das Ge-sicht zu einer Art Lächeln.

»Es ist eine Geste der Eile«, erklärte er.»Da eure Störfelder keine Schäden an denProjektoren verursachten und der Sendernicht abgeschaltet werden mußte, ist derDurchführung des Erego-Projekts nichts imWege. Der Transfer Hangays kann endlichabgeschlossen werden.«

Er nannte einen Termin, und Bully rech-nete im Kopf mit, daß es der 28. FebruarGalaktischer Standardzeit sein mußte.

»Dieser Termin läßt sich nicht mehr ver-schieben«, fuhr der Kartanin fort. »DerDruck, den die Hauri auf das Projekt aus-üben, ist zu groß geworden. Klappt derTransfer nicht, muß damit gerechnet wer-den, daß er beim nächsten Termin von denHauri verhindert wird. Ihr seht, ich kann mirkeinen Ausfall erlauben.«

Bully nickte nachdenklich. Die Anspan-nung, die sich seiner in den vergangenenStunden bemächtigt hatte, löste sich. Hon-Tur zeigte sich kooperativ und zuvorkom-mend, mehr, als sie es jemals hatten erwar-ten können. Der Projektleiter war kein ver-knöcherter Soldat, sondern ein aufgeschlos-sener Wissenschaftler, der genau wußte,worum es ging.

Der Terraner legte alle Vorbehalte ab, dieer noch gehabt hatte. Ausführlich berichteteer, was in der Pinwheel-Galaxis in Meeko-rah alles vor sich gegangen war. Er sprachüber die Zerstörung der dortigen Materie-wippe und die Entdeckung Urians, dieserGigantstation in einer Raumzeitfalte, in diesie durch Zufall gelangt waren. Er berichtetevon dem, was sie über Urian herausgefun-den hatten. Von dieser geheimen Stationdrohte eine wesentlich größere Gefahr alsvon den Materiewippen, und es stand zu ver-muten, daß es irgendwo im Bereich Tarkan-Hangay eine Gegenstation dazu gab, einenEmpfänger, mit dessen Hilfe die JüngerAfu-Metems ihr Ziel verwirklichen konnten.

»Deshalb haben wir das Risiko auf unsgenommen und sind nach Tarkan geflogen.Perry und Atlan müssen davon Kenntnis er-halten. Sie benötigen das Wissen über diesewichtige Entdeckung.«

Hon-Tur wackelte mit den Händen. Erhatte sich steil in seinem Stuhl aufgerichtet.Es hielt ihn nicht mehr auf dem Polster. Ersprang auf und ging aufgeregt im Raum um-her. »Auch für uns ist diese Information vonungeheurer Wichtigkeit«, bestätigte er. »Wirdürfen uns keinen Fehler leisten. Ich frage

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mich, wie es möglich sein könnte, sie derZentralen Wissensautorität zugänglich zumachen. Sie muß es einfach erfahren. DerKontakt ist jedoch einseitig, und wenn siesich das nächste Mal über einen Boten oderauf andere Weise meldet, dann kann es zuspät sein. Wenn ich nur wüßte …«

Er wandte sich wieder den Galaktikernzu.

»Es hat keinen Sinn, sich darüber denKopf zu zerbrechen«, bekannte er. »Ich bitteeuch, meine Gäste zu sein. Ihr könnt euch absofort frei auf Monifar bewegen und auch zueurem Schiff zurückkehren. Es lag nicht inmeiner Absicht, euch länger als nötig hierfestzuhalten.«

»Wir sind dir nicht böse«, erwiderte Bullyfast feierlich. »Kannst du uns einige Unter-künfte zuweisen, denn wir möchten uns gernfrisch machen und so schnell wie möglichunsere Suche nach Perry und Atlan fortset-zen.«

»Wir legen euch keine Hindernisse in denWeg. Ihr könnt gehen, wann ihr wollt. Ver-meidet nur eins: Führt niemand hierher indas Erego-System. Auch keine Kartanin undandere Völker der Kansahariyya. Wir brau-chen Ruhe und Konzentration, besonders fürdie letzten Tage vor dem Transfer!« Bullyversprach es. Nichts lag ihm ferner, als die-sem freundlichen Kartanin Schwierigkeitenzu bereiten.

Hon-Tur öffnete die Tür und erteilte denwartenden Feliden und Vennok kurze An-weisungen. Die Mienen der Bewaffnetenhellten sich auf. Sie steckten ihre Waffenweg und machten dann eine Gasse frei,durch die ihre Gäste hinaustreten konnten.

»Bitte, folgt uns«, erklärte ein Kartanin.Sie winkten ein letztes Mal Hon-Tur zu, derin dem Raum zurückblieb, dann ließen siesich zu ihren Unterkünften bringen. Dienervtötende Warterei war endlich zu Ende,und sie hatten zudem einen Projektleiter ge-funden, der ihrer Suche aufgeschlossen ge-genüberstand, wenngleich er ihnen nicht vielhatte helfen können.

»Du hast etwas vergessen, Dicker«, mel-

dete sich Gucky, als sie das Gebäude verlas-sen hatten und zu einem der kleineren Bau-ten hinüberschritten. Bully zog die Augen-brauen empor. »So?«

»Du hättest ihn nach dem Verhalten desNakken fragen sollen, dieser Ossomo oderUssumu, oder wie er heißt!«

»Nun ja«, Bully nickte bedächtig, »aberdas spielt auch keine Rolle mehr. Was sollHon-Tur tun? Ossama bestrafen? Vielleichthat der Nakk ja die Wahrheit gesagt, und al-les war ein Versehen. Außerdem, ihr habt esselbst von den Kartanin gehört. Er ist ebenein Nakk. Und zumindest auf Gallumscheint das alles zu entschuldigen!«

*

Eirene war allein gekommen. Eine derSpace-Jets hatte sie auf die Oberfläche desPlaneten hinuntergebracht. Sie wollte unbe-dingt die Kartanin beobachten, Ihre Neugierwar verständlich, denn bisher hatte sie es mitAusnahme Oogh at Tarkans nur mit weibli-chen Kartanin zu tun gehabt. Sie interessier-te sich für das Patriarchat, aber dafür war dieProjektzentrale auf dem dreiundzwanzigstenMond denkbar ungeeignet. Schließlich kehr-te sie in den kleinen Bau zurück, in demBully, Gucky und Benneker Vling sich fürein paar Stunden zur Ruhe gelegt hatten, umsich von den Strapazen ihrer Flucht auf Gal-lum zu erholen. Bully fand sie gegen Abendbei Benneker Vling. Die beiden unterhieltensich über Alltägliches, aber dennoch wurdeBully mißtrauisch. Eirene wich seinem ein-dringlichen Blick aus, und der untersetzteTerraner dachte daran, daß es irgendwann anBord der CIMARRON zu einer Ausspracheüber Vlings Tun kommen mußte.

Noch aber war es nicht soweit.Gucky kam kurz später. Er strebte zu dem

Wandschirm und schaltete ihn ein.»Warum bemerkt keiner das Rufzei-

chen?« schimpfte er.Es war Hon-Tur. Bully erkannte ihn so-

fort, obwohl der Projektleiter diesmal einengrünen Überwurf und eine gelbe Kombinati-

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on trug.»Es freut mich zu sehen, daß ihr euch er-

holt habt«, begann der Kartanin. »Mein An-ruf gilt eurem Vorhaben. Ihr wollt Eregoverlassen und auf gut Glück suchen. Ichglaube, ich kann euch doch noch helfen!«

»Raus damit!« rief Eirene. »Wir könnenes kaum erwarten!«

»Wir haben von einem Kundschafter so-eben die Nachricht erhalten, daß sich überallim Umkreis von etwa achttausend Lichtjah-ren die Benguel und Juatafu im Aufbruchbefinden. Bei den Benguel wäre das normalnichts Ungewöhnliches, denn sie sind dieNomaden Hangays und werden oft auch alsParias bezeichnet. Nein, es hängt mit demImago-Syndrom zusammen. Die Benguelrennen in letzter Zeit nur ihrer Imago hinter-her, und es ist eine bewiesene Tatsache, daßes sich dabei um Perry Rhodan handelt. Jetztmeldet der Kundschafter, daß sie erfahrenhätten, wo sich ihre Imago befindet. Siewollen ihr dorthin folgen. Ich habe die Ko-ordinaten bereits an euer Schiff überspielt.Sammelpunkt Imago befindet sich in etwafünfunddreißigtausend Lichtjahren Entfer-nung von hier.«

Bullys Stirn hatte Falten gebildet. Seinedrei Gefährten hatten sich um ihn herum vordem Bildschirm versammelt.

»Was ist dieses Imago-Syndrom? Wozudient es?« wollte er wissen.

»Wozu es dient, weiß niemand. Nicht ein-mal die Benguel und Juatafu. Sie laufen ein-fach hinter dem Mann aus Meekorah her.«

Die Gefährten sahen sich an. Daß Rhodaneine Art Rattenfänger-Effekt ausgelöst hatte,erschien ihnen unvorstellbar. Wie kam es,daß er in einem fremden Universum zu einerBezugsperson für ganze Völker wurde, auchwenn es sich nur um Parias und Roboterhandelte?

Hon-Tur unterbrach ihre Gedanken. DerProjektleiter verabschiedete sich und bedau-erte, daß er nicht selbst zum Beiboot der CI-MARRON kommen konnte. Bully dankteihm für die Gastfreundschaft, dann schalteteer die Verbindung aus.

»Verstehe das einer«, brummte er. »Perryverschwindet durch Aktivitäten DORIFERSin ein fremdes Universum und spielt hier aufAnhieb die Leitfigur. Es würde mich nichtwundern, wenn dieser Afu-Metem und dieHauri wie die Teufel hinter ihm und demGalaktischen Expeditionskorps her wären!«

Er ahnte nicht, wie recht er hatte, freilichauf eine ganz andere Art.

Er kehrte in seine Unterkunft zurück undstand kurz darauf draußen auf dem Plastik-belag im Freien. Er wartete auf die Gefähr-ten, und eine knappe Viertelstunde späterbestiegen sie die Space-Jet und starteten. Sieverließen Monifar und hielten auf die CI-MARRON zu.

Im Erego-System hatte sich nichts geän-dert. Die Raumforts befanden sich auf ihrenPositionen, und die Trimarane, die der CI-MARRON entgegengeflogen waren, hattenlängst ihre ursprünglichen Positionen wiedereingenommen. Über rund hundert dieserSchiffe verfügten die Vennok, und danebengab es eine Reihe von Schiffen, die die Kar-tanin benutzten. Schiffe fremder Bauart wa-ren so gut wie keine zu sehen, und daß Unagmit seinen neunundvierzig Monden eineschier uneinnehmbare Festung darstellte, daskonnte man mit gewöhnlichen Mitteln derOrtung nicht einmal feststellen. Erego lagzudem versteckt, und die Hauri hatten diesesSystem bisher nicht gefunden. Sonst hättensie es bereits ausgelöscht.

Die Space-Jet kehrte in die CIMARRONzurück, und Bully und seine Gefährten wur-den schweigend begrüßt. Lalla und ein paarFrauen aus der Waffenmeisterei taten ge-heimnisvoll und führten Bully bis kurz vordie Zentrale.

Dort sah der Terraner die Bescherung.Der Schiffschor war angetreten, und zu derPappnachbildung einer Südseeinsel intonier-te er ein Seemannslied.

»Den unverdienten Urlaubern der Besat-zung«, verkündete Lalande Mishkom unddrückte Bully eine Petition einer ominösen,fiktiven Schiffsgewerkschaft in die Hand.

Mehr Urlaub, weniger Arbeit. Mehr

Botschaft aus der Heimat 31

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Schichtzulage ab sofort!Bully kratzte sich am Kopf und sah seine

Gefährten ratlos an.»Also Moment mal!« rief er dann aus.

»So geht das nicht. Schließlich sind wir keinHandelsschiff, sondern ein offizieller Kahndes Galaktikums. Ich glaube, ich muß eucherst einmal erzählen, was wir wirklich erlebthaben. Von wegen Urlaub!«

»Bully!«»Später, Kleiner. Falls ihr denkt, wir ha-

ben auf der faulen Haut gelegen. Wir warenGefangene und Gejagte. Um ein Haar hättendie Roboter uns getötet. Und da kommt ihrhier an und …«

»Dicker, jetzt hör mir endlich zu!« Guckyzog ihn am Ärmel.

»Was? Was?«»Ich glaube, das ist das einzige, wozu sie

das Spektakel veranstaltet haben. Sie wollenwissen, was los war!«

»So?« Bully schwieg konsterniert, und alsnach ein paar Sekunden gespannten Schwei-gens alle zu lachen begannen, heiterte sichdie Miene des Expeditionskommandantenwieder auf.

»Also, dann kommt mal alle herein«,brummte er und verschwand in der kleinenZentrale.

5.

Als Eirene bei Benneker Vling erschien,sprang der Robotwartungsspezialist von derLiege auf, auf der er es sich bequem ge-macht hatte. Seine Augen strahlten, und erdeutete auf einen Sessel der Sitzecke.

»Hallo!« sagte er freundlich. Dann jedochverdüsterte sich sein Gesicht. Der Eingangzu seiner Wohnung schloß sich nicht, derwuchtige Schatten von Reginald Bull zeich-nete sich darunter ab.

»Darf ich?« erkundigte sich der Komman-dant des Unternehmens knapp. Vling breite-te die Arme aus und seufzte.

»Natürlich darfst du. Was ich mir bei dirherausnehme, werde ich bei dir nicht be-mängeln!« Er spielte darauf an, daß er sich

einmal unbefugt Zutritt zu Bullys Gemä-chern verschafft hatte.

Bull ließ seine Augen schweifen und bliebunschlüssig stehen. Er wartete, bis Vlingsich neben Eirene niedergelassen hatte.Dann setzte er sich genau gegenüber demBoten von ES. Er fixierte die dürre Gestaltund das Gesicht, in dem alles zu groß gera-ten schien: Die Nase, der Mund, die Ohren,selbst die Augenbrauen.

»Nun mach schon, Reggie!« Eirene konn-te es nicht erwarten. »Laß die Katze aus demSack!«

»Da gibt es nicht viel herauszulassen. Ichwill nur wissen, was da unten los war in derNebensektion von Hangar IV. Was hast duda getrieben, Benneker?«

»Wie alle Welt weiß, habe ich experimen-tiert!« Der Robotwartungsspezialist über-trieb maßlos. »Dabei kam es zu ein paar un-liebsamen Nebeneffekten, die …«

»Die jedoch gar nicht so zufällig waren«,fiel Bully ein. »Ich bin doch nicht blind. Duhast die Störfelder bewußt in Kauf genom-men. Und du hast unverantwortlich hoheEnergien aus dem Schiffshaushalt dafür ein-gesetzt. Ohne Erlaubnis!«

»Ich werde sie dir ersetzen, wenn du dar-auf bestehst, Bully. Aber warum bist du sokleinlich? Du kannst dich auf mein Wortverlassen. Es wird nicht mehr vorkommen!«

»Du wolltest dich lediglich von etwasüberzeugen. Ich erinnere mich an deineWorte, Vling. Was war es? Was wolltest duwissen? Es wäre endlich an der Zeit, wenndu über deinen Auftrag sprechen würdest!«

»Jetzt hast du wirklich ein schlechtes Ge-dächtnis, Reggie!« Eirene lächelte vielsa-gend. Bei ihrem überlegenen Gesichtsaus-druck spürte Bully, wie ihm das Blut ins Ge-sicht schoß. Er schlug mit den Händen aufdie Oberschenkel.

»Wieso?« fragte er leise.»Weil Benneker nach der Preisgabe seiner

Identität erwähnte, daß er keinen Auftragvon ES erhalten hat. Was er tut, tut er aus ei-genem Antrieb.«

»Und wofür?«

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Page 33: Botschaft aus der Heimat

»Es ist ein klein wenig anders«, lenkteVling ein, »Ich habe keinen Auftrag, aberich tue Dinge, weil ich überzeugt bin, daßich sie tun muß. Die ganze Ortung dienteeinzig und allein der Suche nach einerSpur.«

»Aha!« Bull schnaufte vernehmlich.»E-Ortung. Ich bin ja nicht auf den Kopf ge-fallen. Was hat sie ergeben, deine E-Ortung?«

Vling grinste regelrecht unverschämt. Erbreitete die Arme aus.

»ESTARTU lebt hier nicht mehr!« ver-kündete er in theatralischer Manier.»Allerdings ist die Ortung ziemlich unvoll-kommen. Du weißt, ich war allein auf Gerä-te aus diesem Schiff angewiesen. Und diesind nicht optimal.«

ESTARTU lebt hier nicht mehr! Der Satzhatte sich Bully tief eingebrannt. Er stammtevon Etustar aus dem Dunklen Himmel. Erhatte eine Information beinhaltet, die sich imnachhinein als richtig erwiesen hatte.

ESTARTUS Mächtigkeitsballung warverwaist, und die Galaktiker wußten längst,warum das so war. ESTARTU war einemRuf gefolgt, einem Ruf nach Tarkan.

Glaubte Vling, er könne die Superintelli-genz hier finden? Glaubte ES das?

Es dauerte nicht lange, dann hatte Regi-nald Bull begriffen, daß Benneker Vlingebenso ins Blaue hinein spekulierte undsuchte wie alle in der CIMARRON. Nurrichtete sich die Aufmerksamkeit des Botender Superintelligenz nicht so sehr auf Rho-dan und Atlan, sondern mehr auf die Weseneiner höheren Schale des berüchtigten Zwie-belschalenmodells.

»Also gut«, sagte er. »Ich gebe mich da-mit zufrieden. Ich wünsche mir jedoch, daßdu niemand mehr in Gefahr bringst. AufGallum hast du dich ja als recht nützlich er-wiesen. In der Phase höchster Lebensgefahrhaben Gucky und ich allerdings vergeblichdarauf gewartet, daß du etwas tust!«

»Das war nicht nötig, wirklich nicht. EureSchirme besaßen ein Vielfaches ihrer nor-malen Leistungsfähigkeit.

Die Roboter hätten sie nie zum Erlöschengebracht. Verhandlungen führen manchmalweiter, Bully. Auch wenn sie nur mit Ma-schinen geführt werden. Vergiß nicht dieVerlorenen von Tarkan. Werden wir sie wie-dersehen?«

Davon war Bully überzeugt. Irgendwannwürde die CIMARRON in das Standarduni-versum zurückkehren, das den klingendenNamen Meekorah trug.

»Schließen wir das Thema ab.« Bull er-hob sich und schritt zur Tür.

»Eigentlich hätte ich noch etwas erwar-tet«, sagte Benneker Vling.

Bully zog die Augenbrauen hoch.»Einen bestimmten Satz«, erinnerte Vling

ihn.Bully öffnete die Tür und trat hinaus. Er

wußte nicht, was der Bote von ES wollte.»Mehr und mehr gefällt mir dieser Benne-

ker Vling«, klang hinter ihm die Stimme desRobotwartungsspezialisten auf. Vling wußtewirklich alles, sogar das, was Bully in derZentrale gesprochen hatte.

»Ein Wort stimmt nicht«, sagte der Expe-ditionskommandant zu ihm. »Nicht gefällt,sondern mißfällt!«

Die Tür schloß sich und verhinderte, daßer Vlings Antwort verstand. Kopfschüttelndmachte er sich auf den Weg zur Zentrale.Sie war vollbesetzt, alle waren auf ihren Po-sten. Ian Longwyn hatte Lalla als Pilot abge-löst und wartete darauf, daß die CIMAR-RON in den Normalraum zurückstürzte. DasSchiff hatte sich in kurzen und unregelmäßi-gen Vortex-Manövern vom Erego-Systementfernt, um niemand auf die Spur des Sy-stems zu lenken. Jetzt näherte sich die letzteEtappe über die Entfernung von fünfund-dreißigtausend Lichtjahren ihrem Ende.

Ein Gong kündigte das Ende des Manö-vers an. Der Metagrav-Vortex fiel in sichzusammen. Die Sterne Hangays tauchten aufdem Panoramaschirm auf. Im Vordergrundleuchtete ein orangeroter Stern mit acht Pla-neten. Von der zweiten Welt kamen deutli-che energetische Impulse. Auf jener Weltentwickelte sich eine Energieentfaltung, wie

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sie nur auf hochtechnisierten Welten anzu-treffen war. Etwas ereignete sich dort oderbaute sich auf. Der Funkverkehr auf derOberfläche wurde ausgewertet. Er ergab,daß die Sonne Arivor hieß und der zweitePlanet den Namen Hulor trug. Die Bewoh-ner nannten sich Hulorer.

»Wo bitte ist der Punkt Imago?« fragteLalla. »Mein Großvater würde sagen: Nir-gendwo ist ein Punkt, solange es keine Liniegibt. Oder: Der Jäger hält dort inne, wo dasWild den Punkt setzt!«

Keiner lachte. Keiner wollte sich gedank-lich mit diesen Aussagen auseinandersetzen.Alle hatten nur Augen für die Ortung. DerPlanet schien aus einem Dornröschenschlafzu erwachen. Er explodierte energetisch, oh-ne daß aus dem Raum eine Veränderungdieser Welt auszumachen war. Ian hielt wei-terhin direkten Kurs auf den zweiten Plane-ten, und er ging eine Stunde später in einenhohen Orbit. Zu diesem Zeitpunkt machtenBully und eine kleine Crew sich gerade dar-an, mit der Space-Jet 1 auszuschleusen undsich Hulor ein wenig aus der Nähe anzuse-hen. Der Funkverkehr wurde immer intensi-ver, und es gab keinen Zweifel mehr. Hon-Turs Hinweis war richtig gewesen. Was sichda unten in scheinbar heller Aufregung be-fand, waren ohne Zweifel die Parias Han-gays.

»Benguel!« stieß Bully hervor. »Und wosind die anderen, von denen der Kartanin ge-sprochen hat? die Juatafu?«

Er drückte den Beschleunigungshebelnach vorn und ließ die Jet der Lufthülle desPlaneten entgegenrasen. Da unten, so ahnteer, wartete ein weiteres Geheimnis auf ihn.Er durfte die einmal aufgenommene Spurnicht verlieren, wollte er in absehbarer Zeitmit Perry und Atlan zusammentreffen.

Die Jet drang in die Atmosphäre Hulorsein und näherte sich der Oberfläche. Es gabmehrere große Ansiedlungen, und Bullyhielt auf eine zu. Er folgte den Ortern zu je-ner Position, woher die stärksten Energie-emissionen kamen.

»Wir sind viele und dennoch einsam.

Aber der Augenblick der Vollendung läßtnicht mehr lange auf sich warten!«

Dieser Satz ging Reginald Bull nicht mehraus dem Sinn. Es war ein Benguel gewesen,der ihn gesprochen hatte, ein Benguel aufWaliki, dem Ort der Freude im dritten Vier-tel Hangays, das am 30. November 447 imStandarduniversum materialisiert war.

Bully war mit ein paar Begleitern auf Wa-liki gelandet und hatte zum ersten Mal eineZivilisation der Benguel kennengelernt. Erhatte miterlebt, wie eine Flotte der Robotereingetroffen war, die sich als die Verlorenenvon Tarkan bezeichneten. Den Namen hatteer von Ratber Tostan gehört, der ihn vonMan-Gro hatte.

Das Verwunderliche an der ganzen Ge-schichte war, daß die Roboter aus Tarkan inder Sprache Sothalk kommunizierten.

Als drittes Volk hatten sich Vennok aufWaliki eingestellt. Nach ihrer Landung hatteeine Leuchterscheinung alle Beteiligten ein-gehüllt. Die Roboter und die Benguel warenleblos zu Boden gesunken. Niemand hatteden Vorgang erklären können. Erst im nach-hinein hatte sich ergeben, daß die Benguelnoch lebten, jedoch ihre Intelligenz verlorenhatten. Und die Roboter waren hinterher nurnoch für primitive Handreichungen zu ver-wenden gewesen.

Und dann war da noch die Stimme gewe-sen, die auf mentalem Weg zu ihnen gespro-chen hatte. Sie hatte verkündet: »Es kannnicht zur Vollendung kommen, wenn dieTeile nicht zueinanderfinden!«

Mehr war es nicht gewesen. Bully warüberzeugt, daß er Zeuge eines wahrhaft kos-mischen Vorgangs von großer Bedeutunggewesen war. In dem Augenblick, als dieBenguel und die Roboter zusammenbrachen,hatte er etwas ungeheuer Erhebendes ge-spürt, ohne sagen zu können, was es warOogh at Tarkan hatte sogar einen Schock er-litten.

Bully und seine Gefährten waren wiedergestartet. Aus dem Raum hatten sie noch be-obachten können, wie sich im NordmeerWalikis etwas Seltsames ereignete. Eismas-

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sen gerieten in Bewegung und drifteten insfreie Meer hinaus. Eisberge schichteten sichzu langen Ketten auf und bildeten eine geo-metrische Figur, ein Dreieck mit drei Pfei-len, die aus dem Mittelpunkt zu den Eckenwiesen: Das Hoheitssymbol ESTARTUS.

Nicht nur Bully hatte erkannt, daß das,was vorgefallen war, etwas mit der verschol-lenen Superintelligenz zu tun haben mußte.

War es eine Botschaft aus längst verges-sener Zeit?

Es mußte so sein, denn Benneker Vlinghatte nur eine Antwort parat: »ESTARTUlebt hier nicht mehr!«

Dafür aber schien es im vierten ViertelHangays noch große Mengen Benguel zugeben und auch jene Verlorenen. In den letz-ten Meldungen aus dem bereits in Meekorahangekommenen dritten Viertel hatten Karta-nin gemeldet, daß die Verlorenen Tarkansvon den Besuchern aus dem Standarduniver-sum auch Juatafu genannt worden waren, je-ne Juatafu, von denen Hon-Tur gesprochenhatte. Es waren die letzten Meldungen ge-wesen, die die CIMARRON empfangen hat-te, bevor sie den Strangeness-Wall durch-brochen hatte und nach Hangay in Tarkangelangt war.

Das Erlebte übte eine merkwürdige Faszi-nation auf Bully aus. Fast vergaß er dabei,daß er sich ja auf der Suche nach seinenFreunden befand, um ihnen eine wertvolleund lebenswichtige Botschaft zu überbrin-gen, eine Botschaft, die für die gesamte Lo-kale Gruppe von Bedeutung war.

*

Die Space-Jet näherte sich dem Raumha-fen der Ansiedlung. Unregelmäßig aneinan-dergereiht ruhten die wabenförmigen Schiffeder Benguel. Die ersten starteten gerade inden Augenblicken, als die Jet das Landefeldzum ersten Mal überflog. Augenblicklichhagelten ganze Schimpfkanonaden auf dieGalaktiker hernieder, alle in Hangoll gehal-ten und aus den Schiffen kommend. DieBenguel zeigten sich nicht mit Bild, sie be-

gnügten sich damit, die Jet zum Verlassendes Luftraums aufzufordern.

»Nichts leichter als das«, lachte Bully. Erflog einen Bogen und verschwand zwischenden Gebäuden der Stadt. Teilweise war esschon abenteuerlich anzusehen, wie die wa-benförmigen Blasenschiffe sich in den Him-mel hoben und teilweise torkelnd und tru-delnd die Höhe zu gewinnen suchten. Es warüberdeutlich, daß es sich bei den Benguelnicht um geübte Raumfahrer handelte. Eskam sogar zu Kollisionen, die jedoch keineschlimmen Folgen zeigten. Keines derSchiffe stürzte ab. Alle jagten sie in die Hö-he und verließen die Lufthülle ihres Plane-ten.

Reginald Bull lenkte die Space-Jet zumRand des Hafens zurück und setzte sie aufeiner freien Fläche ab. Er winkte nach hintenund ließ gleichzeitig die Bodenschleuse auf-fahren.

»Einsatz wie besprochen«, sagte er. »Wirtreffen uns nach Ablauf von vier Stunden.Bis dahin bleiben wir in Funkverbindung!«

Lalla führte die eine Gruppe an. Sie nicktekurz, dann verschwand sie nach unten. DieMänner des Einsatzkommandos folgten ihr.Sie hatten den Auftrag, in den vier Stundenso viel wie möglich herauszufinden. Daswar bei Benguel keine leichte Sache, wie siewußten. Nachdem Lallas Gruppe abgezogenwar, hielten sich nur noch Gucky und derTerraner in der Space-Jet auf. Bully schloßdie Schleuse und machte das Schiff dicht.Dann reichte er Gucky die rechte Hand.

»Die Automatik ist programmiert«, mein-te er. »Verschwinden wir!«

Sie teleportierten ins Freie. Sie kamen aneiner Gebäudeecke zum stehen, und Bullysah, wie sich der Schutzschirm um dieSpace-Jet aufbaute. Für alle Fälle, dachte er.

»Was ist mit den Benguel?« fragte er.»Kannst du etwas erkennen?«

Gucky zuckte mit den Schultern.»Dasselbe wie auf Waliki. Sie denken nur aneines. Sie müssen den Ort der Sammlungaufsuchen, weil die Zeit der Reife gekom-men ist. Sie haben wirklich nur noch Gedan-

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ken dafür. Es ist ein Wunder, daß sie untersolchen Bedingungen überhaupt ein Raum-schiff steuern können.«

Hinter ihnen donnerte es. Mehrere Pulkshoben gleichzeitig vom Boden ab. Der Un-tergrund dröhnte, als die Raumer mit vollerBeschleunigung in die Höhe schossen, alssei der Teufel hinter ihren Insassen her. Soreagierte kein normales Intelligenzwesen. Sokonnten sich nur Benguel verhalten.

Irgendwo summte und krachte es. Zwi-schen mehreren Gebäuden tauchten skurrileBodenfahrzeuge auf. Sie ähnelten Wannenohne Wasser und fuhren auf insgesamt fünfAchsen. Mindestens hundert Benguel hattensich in eine Wanne gedrängt, die regelrechtüberquoll. Immer wieder fielen einige derPelzwesen auf den Boden hinab und ver-suchten zeternd und kreischend, zurück indie Wanne zu gelangen. Weiter im Hinter-grund näherten sich weitere dieser Gefährte.Es dauerte eine Weile, bis die letzten begrif-fen hatten, daß sie an ihrem Ziel angekom-men waren und nur noch in die Schiffe zusteigen brauchten, die noch immer in un-übersehbarer Zahl auf dem Raumhafen ruh-ten.

Aus einem der Gebäude eilte eine Gruppevon vier Pelzwesen herbei. Sie bauten sichvor dem Ilt und dem Terraner auf. Ihre Au-gen blitzten zutraulich, aber ihre Körperge-stik drückte Mißtrauen aus.

»Woher und wohin?« schrillte der vorder-ste von ihnen. »Heimspürer muß es wissen!«

Bully deutete geistesgegenwärtig hintersich. »Von daher und dorthin!« Er suchtesich eines der schachtelähnlichen Gebäudeals Ziel aus.

»Ihr seid keine Saboteure?« »Nein. Wirsind Gäste aus dem All!«

»Das All ist groß. Sucht euch einen ande-ren Planeten. Auf Hulor seid ihr verkehrt.Das Volk der Hulorer hat beschlossen, nichtlänger hier zu verweilen. Wenn ihr euch unsin den Weg stellt, seid ihr verloren!«

»Das würden wir nie wollen!« Guckyschrillte ebenso wie Heimspürer und griffnach Bull. Vor den Augen der entsetzten

Hulorer entmaterialisierten sie und brachtensich mit der Teleportation ans andere Endeder Stadt. Hier standen keine Raumschiffe,es gab einen großen Platz, auf dem allerleiGeräte aufgebaut waren. Ihr Sinn war nichterkennbar, und Gucky lauschte nach innen.Dann sprang er ein weiteres Mal mit Bully.Sie erschienen in einem dunklen Korridor,über dem ein schiefes Dach hing. Mit Aus-nahme weniger Gebäude am Hafen wirktendie Bauten der Hulorer nicht gerade solideund einsturzsicher. Irgendwo wisperte undkicherte es, und sie gelangten an eine Tür,hinter der es hell war. Mehrere Hulorer sa-ßen im Kreis um eine Kugel herum, die ineinem Dreieck aufgehängt war. In die Kugelwaren Zeichen eingraviert. Die Hulorer un-terhielten sich, und plötzlich sprang einervon ihnen auf.

»Es ist gefunden. Metallstern-Leser hat esgefunden. Die Ekliptik des Ortes der Samm-lung schneidet sich mit der Ekliptik Hulors,wenn der Anfang allen Seins erreicht ist.Und am Ende allen Seins stehen sie sich ge-genüber. Daraus folgt, daß die Stunde desAufbruchs bald gekommen ist. Nur wer dierichtige Stunde wählt, wird später auch denrichtigen Platz erhalten!«

Er wollte fortfahren, aber die Umgeben-den waren aufgesprungen. Sie hatten diebeiden Fremden unter der Tür entdeckt.

Metallstern-Leser stieß einen Schrei aus,daß Bully meinte, das Dach würde über sei-nem Kopf zusammenstürzen. Er hob be-schwichtigend die Hand.

»Wir sind Freunde«, sagte der Translator.»Wir kommen in Frieden. Wir möchteneuch nur ein paar Fragen stellen!«

»Für Fragen ist dies nicht der Ort. Dazugibt es den Platz der Fragen. Aber wer hatschon Zeit für Fragen. Die Zeit ist gekom-men. Wir Hulorer werden diese Welt verlas-sen. Danach könnt ihr sie in Besitz nehmen.Entstammt ihr einem einzigen Volk?«

Bully schluckte. Im ersten Augenblickkonnte er sich nicht vorstellen, daß jemandnicht in der Lage war, seine und Guckys Ab-stammung zu definieren. Dann aber rief er

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sich ins Gedächtnis, daß die Benguel allesandere als logisch denkende Wesen waren.Sie benahmen sich in jeder Weise unge-wöhnlich.

»Egal!« Metallstern-Leser sprang auf ihnzu und zerrte an ihm. »Kommt mit. DerPlatz wird euch die Fragen beantworten!«

Er zerrte ihn mit sich, und augenblicklichfolgten die übrigen Benguel. Johlend zogensie hinter ihnen her. Sie begegneten anderenGruppen, die sich in Richtung Raumhafenbewegten. Diese achteten nicht auf sie. IhreAugen starrten empor zum Himmel, wo sichdie Feuerschweife der Wabenschiffe ab-zeichneten. Sobald ein Schiff voll besetztwar, verließ es seinen Platz und suchte dieWeite des Alls auf.

Bully setzte sich mit der CIMARRON inVerbindung.

»He, Ian, was treiben die Schiffe dortdraußen?«

»Sie formieren sich. Sie bilden kleineGruppen, die mit gleichmäßiger Geschwin-digkeit von Hulor wegdriften. Sie werdenwarten, bis alle Schiffe den Planeten verlas-sen haben!«

»Wir dürfen sie nicht aus den Augen ver-lieren«, schärfte Bully ihm ein. »Sobald sieaufbrechen, müssen wir uns an ihre Fersenheften. Sie sind der einzige Weg zu Perryund Atlan. Bis nachher!«

Er schaltete aus und richtete seine Auf-merksamkeit auf den Hulorer. Metallstern-Le-ser führte sie zu dem Platz mit den seltsa-men Geräten. Eines davon sah aus wie eineMischung aus einem übergroßen Sextantenund einem Refraktor aus der Zeit des Be-ginns der Raumfahrt. Meridianscheiben hin-gen an Drähten unter einem Gestell, und ei-nes der Dinger sah bei genauem Hinschauenwie eine Pendeluhr aus, ein wenig verrostetund verbogen, aber sonst ganz brauchbar.

Metallstern-Leser zerrte Bully und Guckyzu einem Steinkreis, der in den Boden einge-lassen war. Er befahl ihnen, sich zu setzen.Er selbst nahm zwischen den Geräten Auf-stellung.

»Diese Monumente unseres Lebens geben

Auskunft über das Schicksal«, verkündeteer. »Sie geben den Lauf der Sterne wiederund nennen alle wichtigen Punkte des Wer-dens und Vergehens.« Er deutete auf dasseltsame Teleskop. »Der Lochspürer zeigtuns die Richtung zum Nachod as Qoor, zumLoch der Ewigkeit. Dort, so sagen es dieSterne, sollen wir uns versammeln. DasVolk von Hulor hat in vielen Generationenseine Wissenschaft bewahrt und erweitert,und du wirst keinen finden, der dir nichtAuskunft über das geben kann, was die Ster-ne sprechen. Blicke auf das Reifependel. Esliegt erst seit wenigen Tagen in einer Ebenemit der Ekliptikscheibe unserer Sonne. Diesist einer der Rufe, die an den Stamm vonHulor ergangen sind. Die Sterne haben zuuns gesprochen. Was wir seit dreißig Son-nenläufen, in denen unser Volk auf dieserWelt wohnt, erwartet haben, ist nun einge-treten. Unsere Geräte haben lange geschwie-gen. Jetzt haben sie gesprochen. Die Zeit derReife ist nahe!«

»Ich verstehe deine Geräte nicht«, erklärteBull. »Was bedeutet das Nachod as Qoor?Läßt sich das Loch der Ewigkeit auch in Ko-ordinaten fassen? Habt ihr euer Ziel berech-net, zu dem ihr fliegen werdet?«

»Die Sterne haben es uns verraten!« brüll-ten die Hulorer im Chor. Metallstern-Leserzerrte erneut an Bully, bis er ihm auf die an-dere Seite des Platzes folgte. Dort mußteBully durch ein schiefes Rohr blicken.

»Siehst du es jetzt? Das Loch der Ewig-keit ist ganz deutlich zu erkennen! Dukannst den Standort hier an diesen Skalenablesen!«

Bully blickte durch das Rohr und sah nurein Stück des grau verhangenen Himmels.Und die Skalen waren zwar vorhanden, abernicht beschriftet. Was sollten sie darstellen?

»Ich kann nichts erkennen«, bemerkte erund rief Gucky herbei. Der Ilt musterte dasRohr, bewegte es telekinetisch hin und herund winkte ab.

»Alles Humbug, Alter. Die wissen garnicht, wovon sie reden!«

Den Eindruck hatte Bully auch. Er wollte

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sich an Metallstern-Leser wenden, aber dieBenguel hatten sich abgewandt. Sie bildeteneine kleine Gruppe und marschierten dann inRichtung des Raumhafens davon. Sie tatennicht, als hätten sie es gerade noch mit zweiFremden zu tun gehabt. Kurz, bevor sie ausdem Gesichtskreis der beiden Gefährten ver-schwanden, näherten sich ihnen einige Prit-schenwagen und nahmen sie auf.

»Astrologie! Pfui Deibel!«, machte Bully.Die Pelzwesen waren mit diesen groben In-strumenten sicher nicht in der Lage, irgend-welche Himmelsbestimmungen auszuführenoder gar astrologische Berechnungen anzu-stellen. Sie hatten sie offensichtlich nur des-halb errichtet, weil es ihrem inneren Drangentsprach, eines Tages die Zeit der Reife be-stimmen zu können. – »Lalla, bitte kom-men!« Bully schaltete seinen neuen Arm-bandkom wieder ein. Die Kopilotin der CI-MARRON meldete sich sofort.

»Es sieht fürchterlich aus«, berichtete sie.»Die Benguel lassen alles liegen und stehen.Sie nehmen nichts mit. Ihr ganzer Müllbleibt zurück, und davon gibt es schon ge-nug. Sie machen sich nicht die Mühe, ihn ir-gendwie zu entsorgen.«

»Haltet nach Hulorern Ausschau«, rietBully. »Und fragt sie nach dem Nachod asQoor. Das ist das Loch der Ewigkeit. Siefliegen hin. Wir müssen herausfinden, ob esirgendwo Koordinaten davon gibt.«

»In den Raumschiffen bestimmt, Bully!«Der Terraner verzog das Gesicht, aber

Lalla konnte es nicht sehen, da sie in keinerBildverbindung standen.

»Sucht!« rief er. »Wir brauchen die Koor-dinaten. Wir dürfen kein Risiko eingehen!«

Benguel-Schiffe waren wohl kaum so lei-stungsfähig wie die CIMARRON. Wenn sieihnen folgten, dann verloren sie womöglichzuviel Zeit auf ihrer Suche nach Perry unddem Arkoniden, mit dem Gucky noch einHühnchen zu rupfen hatte.

*

Sie teleportierten rund tausend Kilometer

nach Süden zu einer kleineren Siedlung.Auch hier standen die Wabenschiffe, doches existierte kein eigentlicher Raumhafen.Die Schiffe waren einfach im freien Geländeabgestellt worden, und ganze Kolonnen vonBenguel arbeiteten daran, die im Lauf derJahrzehnte ein wenig eingesunkenen Wabenfreizubekommen und die Schiffe flugfähigzu machen. Manche waren von Rankenüberwuchert und mußten rundherum gerei-nigt werden. Es war schon verwunderlich,daß diese Wesen sich dazu Zeit nahmen undnicht einfach versuchten, mit einem Gewalt-start vom Boden loszukommen.

An einem Waldstück entdeckten Bullyund Gucky intelligenzlose Benguel. Sie hat-ten ihre Intelligenz nicht durch die Anwe-senheit von Vennok und Juatafu verloren,sondern im Rahmen der Erbfolge. Die Ben-guel glaubten an die Reinkarnation. Sie wa-ren fest davon überzeugt, daß ihr Ich in denNachkommen weiterlebte. Darum durfte je-der Benguel nur ein Kind haben. Mit derGeburt eines Nachkommen ging dann dasIch des einen Elternteils an ihn über. Werdas war, konnte nicht vorausgesagt werden.Der, der seine Intelligenz an den Nachkom-men weitergab, verlor seine eigene, er wurdezu dem primitiven Baumbewohner, die dieVorfahren schon gewesen waren.

Mehrere der intelligenten Hulorer achte-ten darauf, daß die Intelligenzlosen denSchiffen nicht zu nahe kamen. Sie bliebenzurück, sie wurden nicht mitgenommen,wenn die Benguel ihren Planeten verließen.An sie war der Ruf nicht ergangen, für siewar die Zeit der Reife längst vorbei. Sie ge-hörten nur äußerlich zu diesem Volk.

Mehrere der Benguel an den Raumschif-fen wurden auf die beiden Fremden auf-merksam. Sie eilten herbei und versuchten,sie aus der Nähe der Schiffe zu vertreiben.Wieder entzogen sich die beiden mit Hilfeder Teleportation der unangenehmen Lage,und aus luftiger Höhe verfolgten sie für einpaar Augenblicke, wie die Hulorer er-schrocken auseinanderrannten, dann jedochan ihre Arbeit zurückkehrten, als sei nichts

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geschehen.Gucky hielt Ausschau und brachte Bully

zu einer kleinen Hüttenzeile mitten in einemWald.

»Ich bin mir ganz sicher«, hauchte er.»Hier irgendwo hat jemand ganz intensiv aneinen Bilgeron gedacht. Ich konnte nicht er-kennen, ob es sich um einen Personennamenoder einen Volksnamen handelt. Hast du ihnschon mal gehört?«

Bully lugte vorsichtig hinter einem Baumhervor.

»Nie«, stellte er fest. »Bist du ganz sicher,daß sich hier jemand befindet?«

»Ganz sicher. Entweder in den Hüttenoder dort drüben im Bereich, wo der Waldvon Dickicht überwuchert ist. Ich erkenneverschwommene Gedanken. Es kann sichnur um einen Benguel handeln!«

Im nächsten Augenblick war der Ilt ver-schwunden. Bully sah ihn kurz aus einer derHütten blinzeln. Der Terraner huschte in derDeckung der Bäume an den Hütten entlangund sah sich um. Im weichen Moos entdeck-te er mehrere Eindrücke wie von einem We-sen, das hier gegangen war. Vorsichtig folg-te er den Spuren bis zu einem Dickicht. Vorihm bewegten sich raschelnd ein paar Äste.Ein kleines Schuppentier nahm hastig Reiß-aus und verschwand in einem Stück hohenGrasbewuchses.

Irgendwo stöhnte jemand.»Ruhig, ganz ruhig!« sagte Bully in sei-

nen Translator. Er hatte ihn auf Hangoll pro-grammiert. Als keine Antwort kam, ließ erdas Gerät die Worte in Kartanisch wiederho-len.

Neben ihm raschelte es. Gucky erschien.Er hatte seine Gedanken gelesen und sichsofort herbeiteleportiert. Er nickte hastig undverschwand dann zwischen den Ästen undLianen. Bully folgte ihm und stand nachzehn Metern vor dem Körper eines Benguel.Das Wesen trug einen grauen Umhang undblickte die Ankömmlinge aus großen Augenan. Die Lippen bewegten sich, doch es kamkein Ton heraus.

»Er ist von einem Giftstachel gestochen

worden«, sagte der Mausbiber laut. »Ichkann es aus seinen Gedanken erkennen. Erkommt fast um vor Schmerz, weil er nicht inden Weltraum aufbrechen kann.«

»Frage ihn nach Bilgeron und dem Lochder Ewigkeit!«

Gucky senkte bestätigend den Kopf undsetzte sich auf telepathischem Weg mit demBenguel in Verbindung. Der Hulorer erlitteinen Schock und warf seinen Körper hinund her, aber irgendwie gelang es Guckydoch, ihn zu beruhigen. Er bewegte denSchwerverletzten dazu, an bestimmte Be-griffe zu denken. Gleichzeitig nestelte er amVerschluß seines Einsatzanzugs. Er holteden Zellaktivator hervor und preßte ihn demWesen gegen die Brust.

»Imago wartet am Nachod as Qoor«, sag-te er zu Bully. »Mehr weiß der Benguelnicht!«

Das Pelzwesen am Boden zuckte ein letz-tes Mal zusammen, dann lag es still. Die Au-gen verdrehten sich und starrten leblos inden Himmel. Langsam nahm Gucky denZellaktivator an sich und ließ ihn wieder anseinem Körper verschwinden.

»Hier geht ein intelligenter Benguel da-hin«, flüsterte er. »Er wird die Zeit der Reifenicht mehr erleben. Gibt es da etwas, wasmit ihm gestorben ist?«

Darauf konnte Bully keine Antwort ge-ben. Er richtete seine Aufmerksamkeit aufden Armbandkom. Lalla versuchte, ihn zuerreichen. Er schaltete ein.

»Allweiser Bully Bull«, meldete sich dieFrau aus Jerusalem. »Wir haben eine Spurgefunden. Es gibt eine Funkstation in derNähe. Der Beschaffenheit des Bodens nachzu urteilen, hat die Station zu einer An-sammlung von mindestens zweihundertBenguel-Schiffen gehört!«

»Gebt eure Koordinaten durch«, sagteBull. »Wir kommen sofort zu euch!«

Zwanzig Sekunden später hatten sie dieDistanz von rund fünfzehnhundert Kilome-tern zurückgelegt und sahen die Suchgruppeunter sich. Lalla deutete auf ein einzeln ste-hendes Haus mit schiefen Wänden. Ein

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leichter Wind ging, der das ganze Gebäudeschwanken ließ. Bully gab Gucky einenSchubs, und der Mausbiber brachte ihn hin-unter zu dem Gebäude. In sicherer Entfer-nung von dem schwankenden Haus wartetensie auf die Gruppe, die sich mit Hilfe vonRückstoßaggregaten über das Land bewegte.

Eine Bö kam auf und drückte gegen dieschiefen Leichtbaumauern. Das ganze Ge-bäude fiel in sich zusammen. Bully verbißeinen Fluch zwischen den Lippen. Er be-gann sich zu ärgern, weil er befürchtete, daßdie Funkstation und andere Einrichtungenbeschädigt sein könnten.

Sie vergewisserten sich, daß nichts mehreinstürzen konnte, dann drangen sie unterder telekinetischen Sicherung des Mausbi-bers in das Gebäude ein. Außer Trümmernvon Einrichtungsgegenständen fanden siezunächst nichts. Lalla entdeckte als erste dieMetalltür, die in einen Keller unter dem Ge-bäude führte. Licht flammte auf, als sie dieMetalltreppe hinabschritten. Unten gab eseinen einzigen Raum. Ein Datenspeicherund verschiedene Zusatzgeräte waren hieraufgebaut.

»Spezialisten an die Arbeit«, rief LalandeMishkom. »Ihr habt höchstens zehn MinutenZeit!«

Sie schafften es in fünf. Die Bedienungder Anlage war relativ einfach zu erfassen,und das Sortieren der gespeicherten Infor-mationen verlief rasch. Die Anlage besaß ei-ne akustische Eingabemöglichkeit. Auf dieStichworte Nachod as Qoor und Bilgeronreagierte sie sofort.

»Imago wartet am Loch der Ewigkeit«,verkündete die Automatenstimme. »Die In-formation stammt von dem Juatafu Bilgeron.Sie traf auf dem Funkweg hier ein. An alleHulorer. Die Zeit der Reife ist nahe. Gehtzum …«

Weiter hörten die Männer und Frauen ausder CIMARRON nicht zu. Sie schalteten dieAnlage ab, nachdem Bully die vorhandenenKoordinaten des Lochs der Ewigkeit in sei-nem Armband gespeichert hatte. Eilig ver-ließen sie den Keller und die Gebäudetrüm-

mer. Gucky brachte alle mit ein paar Sprün-gen zurück in die Space-Jet. Als er mit denbeiden letzten eintraf, machte er einen mü-den Eindruck. Bully hatte die Jet bereits ge-startet und jagte sie in den Himmel hinauf.

Die Oberfläche auf dieser Seite des Plane-ten war leer geworden. Es gab keine Raum-schiffe mehr und keine intelligenten Ben-guel. Sie hatten alles zurückgelassen. Hulorwar teilweise eine Müllkippe, und wenn die-se Wesen noch ein paar Jahrzehnte oderJahrhunderte hier gelebt hätten, dann wäredie Welt durch den Müll unbewohnbar ge-worden. Spätestens dann hätten sich dieBenguel in ihre Schiffe gesetzt und sichnach einem anderen Planeten umgesehen,auf dem sie bequem leben konnten.

»Ian, wir sind im Anflug«, gab Bully andas Schiff durch.

»Wir haben euch auf dem Schirm. Beeilteuch. Ihr verpaßt sonst etwas. Hier oben istdie Hölle los!«

Mehr sagte er nicht, aber er hatte erreicht,was er wollte. Bully platzte vor Neugier undsah zu, daß er aus der Lufthülle herauskam.Die Ortung der Space-Jet vermittelte ihmbereits jetzt ein wenig von dem, was ihn er-wartete.

Im Arivor-System wimmelte es vonSchiffen. Etwa zwanzigtausend Einheitenvon Wabenschiff en befanden sich imRaum, und die zehntausend, die aus Rich-tung Hulor kamen, strebten einem imagi-nären Punkt außerhalb des achten Planetenentgegen. Bully flog die CIMARRON an,und schleuste ein. Wenig später verließ dasSchiff den Orbit und eilte den Benguel hin-terher. Die anderen Pulks von Wabenschif-fen hielten sich ein wenig abseits und beob-achteten nur. Dennoch gab es Funkverkehrzwischen den einzelnen Flotten, der auf derCIMARRON mitgehört wurde.

Die Benguel stammten aus insgesamt vierSonnensystemen. Sie hatten ihre Schiffe zu-sammengedockt, sie jedoch am Punkt Imagowieder voneinander gelöst. Jetzt, wo sie dieKoordinaten des Nachod as Qoor erfuhren,beeilten sie sich, wieder einen Flugverband

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zu bilden. Eine halbe Stunde später gab esden Riesenkomplex der Hulor-Benguel ausinsgesamt zehntausend Schiffen und dreiEinheiten aus zweimal zweitausend und ein-mal eintausend und fünftausend Schiffen.

Die Riesengebilde formierten sich zu ei-ner kleinen Flotte und starteten dann.

»Ich glaube«, sagte Bull, »wir haben ge-nug gesehen. Machen wir uns auf denWeg!«

*

»Du hast etwas vergessen!«Bully zuckte zusammen. Er hatte sich so-

fort nach dem Verlassen des Arivor-Systemsin seine Kabine begeben. Er wollte mit sichund seinen Gedanken allein sein. Er fuhr denSessel herum. Benneker Vling stand vorihm. Er war hereingekommen, ohne daß derGong ertönt war oder Bully ein Geräuschgehört hatte.

»Du wirst das Anklopfen auch noch ler-nen«, sagte der Expeditionsleiter ärgerlich.»Und was soll ich vergessen haben?«

Er deutete auf einen Sessel, und der Botevon ES ließ sich darin nieder.

»Zunächst hast du etwas übersehen, Bul-ly. Du hast übersehen, daß noch jemand aufHulor war, nämlich ich. Ich habe mich mitden Benguel unterhalten. Ich habe sie ge-fragt, ob sie Imago beschreiben könnten. Siekonnten es, obwohl sie sie noch nie selbst zuGesicht bekommen haben. Imagos Aussehenhat sich herumgesprochen.«

»Und wie sieht diese Imago aus?«Natürlich wußte er es, denn es bestand

kein Zweifel an Hon-Turs Aussage, daßImago mit Perry Rhodan identisch war.

»Groß und schlank, mit dunkelblondemHaar und graublauen Augen. Unveränderli-ches Merkmal: eine kleine Narbe auf demrechten Nasenflügel.«

Bully war Vling irgendwie dankbar, daßer die Beweisführung Hon-Turs untermauer-te. Gleichzeitig überlegte er, wie er dem Bo-ten von ES Paroli bieten konnte.

»Du hast dir unnötige Arbeit gemacht«,

antwortete er. »Ich habe es mir gedacht, daßdie Benguel ihre Imago kennen. Schließlichist Perry für sie so eine Art Heilsbringer, ob-wohl es rätselhaft für mich ist, was für eineArt Heil das sein soll.«

Er fragte sich, was die Imago für die Ben-guel ausmachte, aber auch für die Juatafu.Wie hatten sie wissen können, daß derFremde ihre Imago war? Und wieso hattensie auf diese Imago gewartet?

Es war ihm nie so klar wie in diesen Au-genblicken, daß Tarkan ein einziges Rätselwar und es dringend nötig war, daß er Perryund Atlan endlich fand. Sie hielten sichschon länger in Hangay auf, Perry fast schonein Jahr. Ende Januar 447 war er bei einerInspektion DORIFERS verschwunden undlange verschollen gewesen. Inzwischenwußte man wenigstens, wohin es ihn ver-schlagen hatte und daß er lebte. Seine Toch-ter befand sich auf dem Weg zu ihm.

Wie würde er es aufnehmen, daß Gesilverschwunden war? Vermutlich von einemBoten der Kosmokraten entführt?

»Ich habe eine Vermutung, wieso Perryals Imago wirkt«, sagte Benneker Vling un-vermittelt. »Es ist nur eine Theorie. Lassesie dir mal durch den Kopf gehen.«

»Ich höre, Benneker!«»Vielleicht sprechen die Benguel und die

Juatafu auf die psionischen Schwingungenvon Rhodans Zellaktivator an?«

Bully horchte auf.»Vielleicht«, machte er nachdenklich.

»Vielleicht schon. Aber wie ist das dann mitAtlans Aktivator oder mit Fellmers? Odermit dem von Irmina Kotschistowa? Hattestdu irgendwie den Eindruck, daß mein Akti-vator auf die Hulorer wirkte? Gucky hat ei-nem Schwerverletzten seinen Aktivator auf-gelegt. Warum hat dieser ihn nicht als Imagoerkannt?«

»Siehst du!« Benneker Vling stand aufund machte sich auf den Weg zur Tür. »Dasist die Frage, die noch nicht beantwortet ist.Sehen wir zu, daß wir die Antwort finden.Danke für das Bier!«

Er schritt hinaus, und die sich schließende

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Tür entzog ihn Bullys Blicken. Der Terranersprang auf und starrte auf den Tisch, wo einleerer Becher stand. Bully roch daran. DasGefäß roch nach Bier, wahrhaftig. Und da-bei hatte Bully seinem Gast gar nichts zutrinken angeboten. Er holte tief Luft.

»Ich glaube, ich habe die Lektion verstan-den, Benneker Vling!«

Er ließ sich auf die Couch sinken und ver-schränkte die Arme hinter dem Kopf.

Vling hatte ihn mit Absicht auf ein be-stimmtes Thema gebracht. Er wollte, daßBully sich damit auseinandersetzte. Aberwozu? Bully fand auch nach langem Grü-beln die Antwort nicht.

Wieso sollte ausgerechnet Perrys Aktiva-tor wirken und nicht Atlans und die der an-deren Aktivatorträger? Womit hing das zu-sammen?

Bully schüttelte den Kopf, wie um einenlästigen Gedanken loszuwerden. Er dachtean Eirene und ihre Reaktion auf Vlings Ex-perimente. Was steckte noch dahinter alsdiese E-Ortung, die nichts gebracht hatteoder fast gar nichts?

Der Terraner leckte sich die Lippen. Wa-rum immer er? fragte er sich. Gönnte ihmniemand ein normales Kommando, wo alles,was herausgefunden wurde, auch erklärbarwar? Spielte das Schicksal ihm einen Streichnach dem anderen; erst Toshin im ReichESTARTUS und jetzt ein Sucher auf Irrwe-gen in Tarkan?

»Wenn ich euch nicht bald finde, Perryund Atlan, dann platzt mir der Kragen. Dannwerde ich diesem Benneker Vling mal or-dentlich die Meinung sagen!« rief er halb-laut.

»Mehr und mehr mißfällt mir dieser Regi-nald Bull!« kam da eine dumpfe Stimme ausdem Nichts und trieb Bully endgültig zurWeißglut.

6.

Mit dem Metagrav-Triebwerk gelangtedie CIMARRON schneller an ihr Ziel als dieBenguel mit ihrem Linearantrieb. Als der

Prototyp in den Normalraum zurückstürzte,prasselte eine Unmenge von Funksprüchenauf die Ortungsanlagen ein. Die Ergebnisseund Meldungen überschlugen sich. Dem-nach befanden sich in der Nähe des Nachodas Qoor fünfzigtausend kleine Benguel-Schif-fe sowie dreißig Großraumschiffe mit Ein-zelschiffanzahlen zwischen zehntausend undhunderttausend. Daneben wurden rund hun-derttausend Flügelschiffe der Verlorenenvon Tarkan ausgemacht.

Der Ortungswirrwarr, der dadurch ent-stand, verhinderte, daß die CIMARRON ge-naue Messungen des Loches der Ewigkeitanstellen konnte, das sich laut Gravo-ortungin der Nähe befinden mußte.

»Sollen wir uns zurückziehen?« wollteIan Longwyn wissen. Er hatte sich auf denSessel des Kopiloten zurückgezogen, weilBull das Schiff selbst steuerte. Der Expediti-onsleiter schüttelte den Kopf.

»Wir bleiben. Wir werden zudem von denBenguel angefunkt. Gibst du Antwort?«

Longwyn suchte sich einen Anrufer her-aus und blendete sich in die Verbindung ein.Der Benguel schüttelte verwundert denKopf, als er das Wesen sah.

»Wollt ihr zu Imago?« kam dann die Fra-ge. »Imago ist hier. Er befindet sich ganz inder Nähe. Freut euch. Endlich habt ihr Ima-go erreicht. Die Zeit ist nahe!«

Bully schaltete sich in die Verbindungein. Er beugte sich nach vorn, damit dieAufnahmeoptik ihn gut erfassen konnte.

»Ich bin Imago«, rief er. »Kannst du micherkennen?«

Der Benguel schlug die Arme vor das Ge-sicht.

»Du bist blind und taub. Du bist nicht un-sere Imago. Sie ist in der JUNAGASH, demgrößten aller Großschiffe. Wer bist du? Hastdu Imago gefangen?«

Der Benguel war verwirrt und schaltetedie Verbindung ab. Gleichzeitig gingen tau-send bis elfhundert Anfragen von Benguel-Schiffen ein. Auch die Juatafu meldeten sichund verlangten eine Identifizierung desSchiffes. Bully gab sie ihnen. Daraufhin

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stellten die Roboter erst einmal ihre Anfra-gen ein.

Die Funksprüche der Benguel jedoch dau-erten an. Aus ihnen ging hervor, daß dieImago tatsächlich an Bord der JUNAGASHgefangengehalten wurde. Das ergab ein neu-es Rätsel, denn die JUNAGASH war ein-deutig ein Großraumschiff der Benguel, undVersuche, den Widerspruch aufzulösen,scheiterten daran, daß die Pelzwesen nichtgewillt waren, auf die Anfragen aus der CI-MARRON eindeutige Antworten zu geben.

»Heptamer soll diese Ignoranten holen«,zischte Bully unterdrückt. »Was sollen wirtun? Die JUNAGASH anfliegen und Perryherausholen?«

Vermutlich wäre es in dem Wirrwarr daseinzig Richtige gewesen, aber es hatte kei-nen Sinn, solange sie nicht über die Verhält-nisse innerhalb des Großraumschiffs Be-scheid wußten.

Am Loch der Ewigkeit oder zumindest indessen Nähe waren sie mit ihrem Latein ersteinmal am Ende.

Bullys Blick durchstreifte hilfesuchenddie Zentrale, doch der Mann, auf den er ge-rade hoffte, befand sich nicht hier. Er tasteteeine Verbindung mit seiner Wohnungsein-heit.

»Benneker, bist du wach?« fragte er. Erhatte kein Bild wie immer, wenn ein Bewoh-ner einer Kabine oder einer Zimmerfluchtsich zum Schlafen niedergelegt hatte. Aberwozu, Himmel und Hölle, benötigte ein Boteder Superintelligenz Schlaf?

»Meinst du mich?«Wie aus dem Boden gewachsen, stand der

Robotwartungsspezialist plötzlich nebenihm. Bully hatte ihn nicht gehört. Aber dieAnwesenden hatten genau gesehen, daß eraus dem Antigrav gestiegen war. Bully at-mete auf. Wenigstens teleportierte Vlingnicht in der Gegend herum.

»Du bist doch unser Ortungsspezialist«,sagte Bull. »Kannst du herausfinden, was inder JUNAGASH los ist? Wo steckt Perry,wer hält ihn gefangen? Doch sicher nicht dieBenguel!«

»Das ist kaum anzunehmen.« Vling grin-ste unverschämt. »Tut mir leid, ich kann dirdiesmal nicht dienen, Bully. Wenn ich mei-ne Geräte zusammenbaue, um es herauszu-finden, dann wird es wieder zu Störungenkommen. Und es kann niemand daran gele-gen sein, das Loch der Ewigkeit und damitden halben Kosmos zu zerstören. Nicht nurPerry wäre darüber erbost, sondern auch Bil-geron. Und Afu-Metem erst!«

Bully kam langsam aus dem Sessel hoch.»Was weißt du alles?« sagte er gefährlich

leise. »Welche Informationen enthältst duuns vor?«

»Ich habe nicht vor, euch etwas zu ver-heimlichen. Aber das Nachod as Qoor istempfindlicher als der Sender der Kartanin.«

»Was ist das Loch der Ewigkeit?« don-nerte Bully. »Raus mit der Sprache!«

»Wieso fragst du? Jeder kennt es. Es istDORIFER!«

»DO-RI-FER?« Bully setzte sich mit ei-nem Plumps in den Sessel zurück. »AberDORIFER ist doch … Mein Gott, wo sindwir da nur hingeraten!«

»Der ganze anstrengende Weg hierhernach Tarkan, nicht wahr?« sagte BennekerVling beinahe mitleidig. »Perry war der ein-zige, der den direkten Weg genommen hat!«

»Und wie es scheint, sind ihm einige des-wegen böse«, mischte Gucky sich ein. »Wasmeinst du, Lalla?«

»Kein Loch ist groß genug für einen Jä-ger«, zitierte Lalande Mishkom. »Und keinWeg zu weit. Befreien wir Rhodan!«

»Ich würde noch abwarten.« Vlingschwankte quer durch die Zentrale und ließsich im Hintergrund in einen Sessel fallen.»Vielleicht sind die Überraschungen nochnicht zu Ende.«

»O ja, das glaube ich auch.« Ian Longwyntrommelte plötzlich laut auf die Funkanlage.»Hier spricht die CIMARRON, Schiff desGalaktikums im Auftrag der Erde. Bitte mel-det euch. Wir wissen, daß ihr da seid!«

Zunächst war die Antwort nur ganz leiseund verzerrt zu hören. Zuerst kam der Flot-tenkode der LFT. Dann folgte Text.

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»Hier Galaktisches Expeditionskorps, TS-CORDOBA. Wir rufen die CIMARRON.Bitte identifiziert euch!«

lan schüttelte den Kopf.»Sie haben unseren Funkspruch nur teil-

weise aufgefangen.«Gleichzeitig verstärkte sich der Funkver-

kehr der Benguel. Es schien, als wolle jedesder Wabenschiffe plötzlich mit der CIMAR-RON sprechen.

Longwyn beachtete sie nicht. Er wieder-holte seinen Funkruf, und diesmal kam erdurch.

»Teufelsbraten!« kam die Antwort. »Wokommt ihr denn her? Das ist kaum zu glau-ben. He, Gürkchen, verstehst du das? Wiesowimmelt es in Tarkan plötzlich nur so vonGalaktischen Schiffen?«

Die letzten Worte gingen im Knistern sichüberschlagender Sender unter. Die Schiffs-bewegungen draußen änderten ihren Rhyth-mus, und nach einer guten halben Stundeentstand auf einer Länge von mehrerenLichtminuten eine Gasse. Gleichzeitig funk-ten die beteiligten Benguel-Schiffe ein»Willkommen«.

Bully nickte schwer. Er verstand es alsAufforderung, diesen Korridor zu benutzen.Langsam und unter Beachtung aller Sicher-heitsvorschriften steuerte er die CIMAR-RON hinein. Die verwirrenden Ortermusterder einzelnen Pulks verschwanden, und nacheiner Weile tauchte am Ende des Korridorsein bekanntes Muster auf. Kurz darauf gin-gen die beiden Schiffe längsseits, das heißt,sie hoben in einem Abstand von mehrerenKilometern ihre Fahrt auf. Alle Bildschirmewaren hell und zeigten die Zentralen der bei-den Schiffe. Drüben in der TS-CORDOBAwollten sie es noch immer nicht glauben.Bully wollte etwas sagen, aber da schwebteGucky ihm vor die Nase und verdeckte dieAufnahmeoptik.

»Hallo, alter Knochen!« verkündete derIlt. »Jetzt bin ich da. Du bist von denSocken, und das Strafgericht wird bald überdich hereinbrechen!«

Bully konnte es nicht erwarten, und so

packte er Gucky einfach an der Hand. DerIlt verstand ihn, ohne in seinen Gedanken zulesen. Die beiden entmaterialisierten undstanden zwei Sekunden später vor den Ver-antwortlichen in der TS-CORDOBA. Bullyließ die Hand los und stürmte vorwärts.

Obwohl nur ein paar Monate vergangenwaren, seit sie sich das letzte Mal gesehenhatten, lagen sich die beiden alten Gefährtenin den Armen. Atlan klopfte Bully beruhi-gend auf die Schulter und reichte ihn an Juli-an Tifflor weiter, wo sich die Begrüßungwiederholte. Tiff wedelte mit den Armenund schüttelte einfach nur den Kopf.

»Ihr seid allein? Ein einziges Schiffbloß?« brachte er fassungslos hervor. »Wiehabt ihr das fertiggebracht? Und habe ichnicht Eirene gesehen? Perrys Tochter istda?«

»Alles, was Rang und Namen hat«, ver-kündete. Gucky geheimnisvoll. »Aber ent-schuldigt mich. Ich habe noch ein paar Per-sonen zu transportieren.«

Er verschwand übergangslos. Atlan blick-te ihm eine Weile sinnend nach, dann nahmer Bully am Arm und führte ihn zu einerSitzgruppe hinüber. Tifflor, Iruna, und dieübrigen Personen der Zentralebesatzung ge-sellten sich dazu und begrüßten den Neulingin Tarkan.

»Was wird hier gespielt?« fragte der un-tersetzte Terraner. »Ich kann keinen Sinn indem entdecken, was die Benguel tun? Washat es mit der Imago auf sich?«

»Alles der Reihe nach, Bully!« Tifflorlehnte sich ein wenig zurück. »Hör zu, waswir seit unserer Ankunft in der Nähe desAnklam-Systems erlebt haben!«

Er begann zu berichten, und ReginaldBull erkannte, daß Anklam denselben An-ziehungseffekt auf das Galaktische Expediti-onskorps gehabt hatte wie Erego auf die CI-MARRON. Tiff schilderte, was sie im Us-hallu-System erlebt hatten, und wie es ge-lungen war, die Materiewippe auf Paghal zuzerstören. Er berichtete auch, was sie auf je-ner Welt gefunden hatten, auf der einst EST-ARTU von ihrem Widersacher besiegt und

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vernichtet worden war.Das, dachte Bully, ist der endgültige Ab-

gesang auf eine Superintelligenz. Vlings Zi-tat fiel ihm wieder ein. Der Bote von ES hat-te richtig geortet und spioniert. ESTARTUlebte auch hier nicht mehr.

»Was ist mit Perry?« wollte er wissen, alsTiff geendet hatte.

»Afu-Metem hält ihn in der JUNAGASHgefangen. Bisher ist es uns nicht gelungen,einen Weg zu seiner Befreiung zu findenoder etwas über sein Schicksal zu erfahren.Daß er noch lebt, können wir allein daran er-kennen, daß sich die Benguel zu ihrer Imagohingezogen fühlen. Wir werden jedoch inkurzer Zeit eine Rettungsaktion starten.Warten allein ist in dieser Situation zu we-nig«, erwiderte Atlan.

»Ich bin dabei«, sagte Bully nur.Sie tauschten weitere Informationen aus.

Dabei kam der Arkonide auch auf eineRaum-Zeit-Unstetigkeit zu sprechen, die dasGalaktische Expeditionskorps auf der Suchenach dem Nachod as Qoor entdeckt hatteund unter der Bezeichnung Boram führte.Bully wurde hellhörig.

»Urian!« sagte er rasch. »Wenn es die Ge-genstation ist, dann …«

»Was ist Urian?«Er berichtete von der Entdeckung im Sur-

prise-System. Von der Gigant-Station, diesie Urian getauft hatten. Er legte dar, was sieüber Ur amm Taloq herausgefunden hatten.Von dieser Station ging eine große Gefahrfür die Lokale Gruppe aus.

»Wenn Boram das Gegenstück ist, dannist die Spekulation nicht weit, daß die Loka-le Gruppe in diesen Bereich hier versetztwerden könnte. Den Hauri wäre es vermut-lich deshalb gar nicht so unrecht, wenn Han-gay vollständig aus dieser Gegend ver-schwindet.«

»Man müßte die Station zerstören. Bloß,wie?« Atlan stützte das Kinn in die Hand.»Wieviel Zeit bleibt noch?«

»Bis zum 28. Februar Standardzeit. Dannwird Hangays letztes Viertel nach Meekorahversetzt.«

Atlan blickte auf die Datumsanzeige. Siezeigte den 29. Januar, es waren also nochgenau vier Wochen bis dahin. Nicht vielZeit, um Perry aus der Gewalt Afu-Metemszu befreien und in das vierte Viertel zurück-zukehren, um den Transfer ins Heimatuni-versum mitzumachen. Was geschah, wennsie es nicht schafften und Hangay ohne sieverschwand? Würden sie jemals einenRückweg finden?

»Wir haben keine Zeit zu verlieren«, sag-te der Arkonide. »Am besten ist, wir fangengleich an.«

»Ein paar Stunden Zeit für die Vorberei-tung haben wir schon noch«, fügte Tifflorhinzu. »Sieh an, da kommt Gucky schonwieder.«

Der Ilt hatte Eirene, Lalla und Ian ge-bracht und war danach für längere Zeit ver-schwunden gewesen. Jetzt materialisierte erneben der Sitzgruppe und brachte zwei Män-ner mit.

»Ich habe es nicht vergessen, daß ich direine Strafpredigt halten wollte, du alter Tu-nichtgut«, piepste er. »Du bist einfach ohnemich abgeflogen, hast mich in Pinwheelsitzengelassen wie ein Liebhaber seine Ge-liebte. Was soll ich von dir halten? Hast dunicht daran gedacht, wie nützlich ich seinkönnte?«

»Doch, Kleiner, das habe ich«, lachte At-lan. »Aber wir mußten aufbrechen. Die Zeitdrängte. Hat die CIMARRON sich etwa Zeitgelassen? Bully hat sich beeilt, um Perryund mir die Botschaft rechtzeitig zu über-mitteln. Diesmal hattest du mehr Glück.«

»Und jeder ist seines Glückes Schmied«,fügte der Ilt böse hinzu. »Du kommst mirnicht ungeschoren davon. Kennst du denMann da?«

»Das ist Serge Obrush, einer unsererAstrophysiker.«

»Er ist viel mehr. Ihr habt ihn die ganzeZeit verdächtigt, ein Spion unserer geliebtenSuperintelligenz zu sein. Ihr konntet es ihmnicht beweisen, aber ihr habt daran geglaubt.Und ihr wart vielleicht froh, daß er sich wieein gewöhnlicher Mensch benahm und nicht

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wie ein Aufpasser. So, und jetzt kommt dieStrafe dafür, daß ihr mich habt sitzenlassen.Das hier ist Benneker Vling!«

»Und?« Tifflor zog eine Augenbrauehoch. »Ist er auch Astrophysiker?«

»Er ist Robotwartungsspezialist.«»Aha!«Der Mausbiber blinzelte Tifflor wütend

an. Er wandte sich an Vling.»Sag es ihm.«»Ich bin der Bote von ES. Ich heiße euch

herzlich willkommen. In der Nähe DORI-FERS ist es eine besondere Freude, Terranerzu treffen. Ja, das Nachod as Qoor ist einpsionischer Abdruck DORIFERS, der direk-te Weg sozusagen. Warum habt ihr eigent-lich alle einen Umweg gemacht?«

»Hilfe, Mama!« hauchte Tifflor in ge-spieltem Ernst. »Auch das noch. Was suchtES in Tarkan?«

»Oh, einiges. ESTARTU zum Beispiel.«Sie wurden in ihren Wortspielen unterbro-

chen. Verwirrende Meldungen trafen in derTS-CORDOBA ein. Die Schiffe der Ben-guel und Juatafu flogen immer gefährlichereManöver und strebten einmal dem Groß-raumschiff JUNAGASH entgegen, mal vonihm weg. Mehrere tausend Einzelschiffe undGroßraumer näherten sich in Kollisionskursdem TSUNAMI. Atlan sprang auf und be-gab sich an die Kontrollen.

»Was gibt es?« funkte er die Schiffe an.»Haltet den Sicherheitsabstand ein!«

Viertausend Antworten trafen gleichzeitigein.

»Wir wollen in der Nähe unserer Imagosein. Imago ist uns nahe!«

»Eure Imago befindet sich in der JUNA-GASH!«

Achselzuckend registrierte er, daß sich dieBenguel und Juatafu dadurch nicht beein-drucken ließen. Sie kamen weiter heran, undAtlan gab für die Schiffe des Expeditions-korps den Befehl zum Rückzug. Die zwölfSchiffe mit Salam Siins kleinem Boot undder CIMARRON zogen sich in ein Gebietzurück, in dem sich keine Waben- oder Flü-gelschiffe befanden. Die Benguel und Juata-

fu folgten ihnen auch hierher.»Da ist etwas faul!« Tifflor sprang auf.

»Wir werden es gleich herausfinden.«Der kleine Pulk führte ein synchrones

Metagrav-Manöver durch und entfernte sichnoch weiter von den Großraumschiffen undden kleinen Einheiten.

Die Wirkung war verblüffend.Die Benguel und Juatafu begannen zu

pendeln. Sie flogen das Galaktische Expedi-tionskorps an und umkreisten es, kehrtenwieder in die Nähe der JUNAGASH zurückund erschienen erneut.

»Wir wollen bei unserer Imago sein!«verkündeten sie auf allen Frequenzen.

*

Atlan war in Nachdenken versunken. Erversuchte, mit seinem Extrasinn zu kommu-nizieren, aber dieser schwieg. Offenbar warer ebenso ratlos wie der Arkonide selbst.

Die Benguel und Juatafu waren verwirrt.Alle Schiffe befanden sich inzwischen inBewegung, und sie versuchten auf der einenSeite, so nahe wie möglich bei der JUNA-GASH zu bleiben und gleichzeitig das Ga-laktische Expeditionskorps in der Nähe zuhaben. Viele der Schiffe machten extra inder Mitte zwischen beiden Positionen halt,aber das genügte den Benguel und Juatafuauf Dauer nicht. Sie begannen wieder ihreWanderung, und schließlich ließ Atlan er-neut eine Verbindung mit mehreren derSchiffe herstellen.

»Was ist los?« fragte er. »Warum verfolgtihr uns?«

Auf dem Schirm waren mehrere Benguelund Juatafu zu sehen.

»Imago! Du bist unsere Imago!« verkün-deten sie wie aus einem Mund. »Bist du un-sere Imago?«

»Natürlich nicht. Ich bin Atlan. PerryRhodan ist eure Imago. Ihr verwechseltmich!«

Die Benguel ließen sich nicht beirren.»Du bist doch unsere Imago«, stellten sie

fest, »Warum leugnest du es? Wir spüren es.

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Du bist Imago. Imago ist in der JUNA-GASH!«

Atlan wandte sich ab. Sein Gesicht hattesich verfinstert.

»Sie haben den Verstand verloren«, sagteer. »Anders kann ich es mir nicht erklären.«

Die Benguel und Juatafu ließen jedochnicht locker. Der Arkonide verließ die Zen-trale und begab sich in ein Beiboot. Er flohhinaus ins All, und die Benguel und Juatafufolgten ihm.

»Du bist unsere Imago«, beharrten sie.»Wir spüren es deutlich.«

Atlan wollte es nicht glauben. Was wargeschehen? Hatten sie Perry Rhodan plötz-lich fallengelassen, weil er als Gefangenerihnen nicht von Nutzen sein konnte? WarPerry tot? Was war es, das sie veranlaßt hat-te, sich jetzt ausgerechnet ihn als Idol auszu-suchen?

»Warum?« fragte er sie. »Warum bin ich

eure Imago? Eure Imago befindet sich in derJUNAGASH.«

»Du bist unsere Imago!« Mehr war nichtaus ihnen herauszubringen. Und es schien,als hätten sich alle Benguel und Juatafu ent-schieden, zu ihm zu kommen und ihm dieszu sagen.

Der Arkonide nützte die letzte Lücke undfloh zur TS-CORDOBA zurück. Moralischerschüttert kehrte er in die Zentrale zurück.

»Perry?« sagte er leise. »Hilf Gott, daßdas Schicksal nicht so grausam zu uns ist.«

Seine Gestalt straffte sich.»An die Arbeit«, verkündete er.»Wir bereiten den Vorstoß in die JUNA-

GASH vor. Wir müssen uns Gewißheit überPerrys Schicksal verschaffen!«

E N D E

Ende Januar 448 NGZ ist den Angehörigen der galaktischen Expeditionen nach Tarkanlängst klargeworden, daß Perry Rhodan in der Klemme steckt – auch wenn ihn Juatafu undBenguel als »Imago« bezeichnen. Die Galaktiker bilden daher zwei Einsatzgruppen zur Be-freiung Rhodans. Aber noch ein anderer mischt kräftig mit …

Die weiteren Ereignisse in den zwei Universen schildern H. G. Ewers und Peter Griese imPERRY RHODAN-Doppelband der übernächsten Woche. Er trägt folgende Titel:

IM AUFTRAG DER TOTEN KAMPFKOMMANDO RAGNARÖK

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