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B‹CHER

Angew. Chem. 2002, 114, Nr. 11 ¹ WILEY-VCH Verlag GmbH, 69451 Weinheim, Germany, 2002 0044-8249/02/11411-2061 $ 20.00+.50/0 2061

meintlich und auch wirklich gef‰hrlichenStoffen aufw‰chst, undenkbar gewor-den.

Zu einem der gro˚en Erlebnisse Oli-vers wird seine persˆnliche Entdeckungdes Periodischen Systems im Jahre 1945im Science Museum in Kensington ± erist ¸berw‰ltigt von der Klarheit und derOrdnung der Mendelejewschen Tabelleund ihrer Prognosekraft. Wieviel Ver-l‰sslichkeit diese Spalten und Zeilenausstrahlen, was f¸r ein Gegensatz zumChaos der menschlichen Beziehungen!Sp‰testens hier dr‰ngt sich der Vergleichzum Periodischen System von PrimoLevi auf, einem Buch, das auch Sackseinmal erw‰hnt und das eher durch seinemenschliche W‰rme und Zuwendungbegeistert als Sacks metallisch-harteSchilderung.

Das Buch bezieht seinen Reiz zumeinen aus der Schilderung der Chemie(der Metalle) aus der Sicht eines jungenMenschen ± jedenfalls gelingt es demErz‰hltalent Sacks, die Faszination derfr¸hen Jahre wieder zu erwecken ± undzum anderen aus dem Wissen des heutefast 70-J‰hrigen. Dieses Wissen vermit-telt er h‰ufig in umfangreichen Fu˚no-ten, die auch einem in der Geschichteder Chemie Bewanderten immer wiederinteressante Neuigkeiten bieten und umso erstaunlicher sind, als sie von jemandstammen, der die Chemie nicht zu sei-nem Beruf gemacht hat. Tats‰chlichentfernt sich Sacks in der zweiten H‰lftedes Buchs immer mehr von der Nach-zeichnung seines Lebenswegs und bieteteine facetten- und lehrreiche Schilde-rung der Geschichte der Chemie und derNaturwissenschaften, wobei so unter-schiedliche Ph‰nomene wie Lumines-zenz und Radioaktivit‰t, um nur zweivon mehreren zu nennen, gr¸ndlicherˆrtert werden.

Warum haben die so ¸beraus erfolg-versprechenden Voraussetzungen nichtzu einem ber¸hmten Chemiker OliverSacks gef¸hrt? Dieser Frage, die sichdem Leser mit dem Fortschritt seinerLekt¸re in zunehmendem Ma˚e auf-dr‰ngt, geht der Autor im SchlusskapitelπDas Ende einer Liebe™ nach. Offenbarwaren mehrere Gr¸nde daf¸r verant-wortlich, letztendlich die Medizin alsStudienfach zu w‰hlen: der Druck derEltern, neue, andere Interessen ± stattDavy und Lavoisier wird Flaubert ge-lesen (leider sagt Sacks nicht, was) ± und

die Erkenntnis, dass auch die Chemiekein Gebiet ist, das letzte Antworten zugeben imstande ist. Eine (romantische)Liebe war an ihr Ende gelangt, aberdoch nicht so weit gestorben, dass mansich an sie nicht Jahrzehnte sp‰ter mitFreude erinnerte. Diese urspr¸nglicheFaszination auch Fremden verst‰ndlichund nachvollziehbar gemacht zu haben,ist das Verdienst dieses Buches.

Henning HopfInstitut f¸r Organische Chemie

der Technischen Universit‰tBraunschweig

Fundamentals of Quantum Chemi-stry. Von Michael Mueller. KluwerAcademic/Plenum Publishers, NewYork 2001. 265 S., geb. 69.50 $.–ISBN 0-306-46596-5

Beg¸nstigt durch die Vielzahl vonkommerziell erh‰ltlichen quantenche-mischen Programmen gehˆren Elektro-nenstrukturrechnungen l‰ngst zum t‰g-lichen Brot von Experimentatoren in derChemie und in ver-wandten Naturwis-senschaften. Dieweitgehende Stan-dardisierung vielerRechenverfahren ±man denke nur andie Einf¸hrungwohldefinierterBasiss‰tze wie6-31G, 6-31G�usw. ± ermˆglicht es dem Nichtexpertenoft diese Methoden nach dem Black-Box-Prinzip zu nutzen. Selbstverst‰nd-lich birgt solch eine VorgehensweiseGefahren, wenn der Benutzer nicht ¸berfundierte Kenntnisse bez¸glich der Vor-z¸ge und Grenzen der einzelnen Metho-den verf¸gt. Das Vermitteln der entspre-chenden theoretischen Grundlagen so-wie das Sammeln von ersten praktischenErfahrungen ist daher heute fester Be-standteil des Chemiestudiums.

In diesem Kontext richtet sich dasvorliegende Lehrbuch vor allem an Stu-dierende in den ersten Semestern mitnur minimalen mathematischen undchemischen Vorkenntnissen. Diesen solldem Autor zufolge eine mˆglichst pra-

xisnahe Einf¸hrung in die Quantenche-mie geboten werden. Wie aus dem Un-tertitel des Buchs, πMolecular Spectros-copy and Modern Electronic StructureComputations™, hervorgeht, sind nebenden Elektronenstrukturmethoden dieInterpretation und die Vorhersage vonRotations- und Vibrationsspektren un-ter Zuhilfenahme der Quantenmechanikein weiteres Schwerpunktthema.

Im ersten Kapitel werden ‰u˚erstknapp die Newtonschen und die Hamil-tonschen Bewegungsgleichungen derklassischen Mechanik vorgestellt undauf den harmonischen Oszillator ange-wandt. Kapitel 2 f¸hrt in die grundle-genden Konzepte der Quantenmechanikein und greift auf das ¸bliche eindimen-sionale und dreidimensionale Teilchen-im-Kasten-Modell zur¸ck, das in Kapi-tel 3 auf das Teilchen-auf-dem-Ring-Modell und das Teilchen-auf-der-Kugel-Modell ausgedehnt wird.

Den besonderen Wert dieses Buchesmachen nicht nur die zahlreichen ein-gestreuten Rechenbeispiele, sondernauch die mit πChemical Connection™und πPoint of Further Understanding™¸berschriebenen K‰sten aus, in denender Leser auf den praktischen Nutzendes soeben Gelernten in der Chemiehingewiesen bzw. zum tieferen Nach-denken oder Diskutieren angeregt wird.So kn¸pft der Autor beispielsweiseschon beim harmonischen Oszillatordie Verbindung zur Vibrationsspektros-kopie.

Eine zentrale Rolle kommt Kapitel 4zu, in dem das Variationsprinzip und dieStˆrungsrechnung behandelt werden.Von beiden N‰herungsmethoden wirdim weiteren Verlauf des Buches nochmehrmals Gebrauch gemacht. Mit derBehandlung des quantenmechanischenharmonischen Oszillators in Kapitel 5wird der Leser unter anderem auf diezwei nachfolgenden Kapitel ¸ber Vibra-tions- und Rotationsspektroskopie zwei-und mehratomiger Molek¸le vorberei-tet. Es entsteht der Eindruck, als habeMichael Mueller besonders an dieserStelle seiner fachlichen Kompetenz Aus-druck verliehen, indem er auf eine Reihevon unterschiedlichen N‰herungsord-nungen eingeht und immer wieder aufdas Zusammenspiel von Theorie undExperiment verweist.

Die letzten beiden Kapitel sind derElektronenstruktur von Atomen (Kapi-

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2062 ¹ WILEY-VCH Verlag GmbH, 69451 Weinheim, Germany, 2002 0044-8249/02/11411-2062 $ 20.00+.50/0 Angew. Chem. 2002, 114, Nr. 11

tel 8) und Molek¸len (Kapitel 9) gewid-met. Zun‰chst werden die Lˆsungen derSchrˆdingergleichung f¸r das 1-Elek-tron-Atom erarbeitet, die dann als Aus-gangspunkt f¸r die Lˆsungen desHelium-atoms mittels der N‰herungsverfahrenaus Kapitel 4 dienen. Im Abschnitt zuden Mehrelektronenatomen wird imAnschluss an die Slater-Regeln erstmalsdas Konzept von Hartree-Fock-Rech-nungen qualitativ erl‰utert. Auf dieLCAO-N‰herung wird im Rahmen derBehandlung des Wasserstoffmolek¸lionskurz eingegangen, bevor elementareGrundlagen der Molekularmechanik an-gesprochen werden. Daraufhin wird dieHartree-Fock-Theorie etwas vertieft unddie Problematik der Basiss‰tze angeris-sen. Korrelierte Methoden werden, ab-gesehen von einem kurzen Abstecher indie M˘ller-Plesset-Stˆrungstheorie, nurvage angedeutet. Einer kurzen Auflis-tung von semiempirischen Methodenfolgt eine eher oberfl‰chliche Einf¸h-rung in die Dichtefunktionaltheorie.Sehr hilfreich sind die zahlreichen Ta-bellen im letzten Kapitel, die die Quali-t‰t der mit verschiedenen Elektronen-strukturmethoden berechneten Bin-dungsl‰ngen und Dissoziationsenergienveranschaulichen. Ansonsten handelt essich meiner Meinung nach um dasschw‰chste Kapitel des gesamten Bu-ches, nicht zuletzt deshalb, weil sowohlder Titel als auch der Untertitel diesesLehrbuchs eine wesentlich detailliertereAbhandlung erwarten lassen. Dar¸berhinaus sind im Text zahlreiche sachlichfalsche Formulierungen, insbesondereim Abschnitt ¸ber die Dichtefunktional-theorie, zu finden.

Abschlie˚end bleibt festzuhalten, dasssich das vorliegende Buch prinzipiell alsGrundlage f¸r eine einf¸hrende Vorle-sung in die Quantenmechanik f¸r Che-miestudierende vor dem Vordiplom an-bietet. Positiv sind die motivierendenHinweise auf die Zusammenh‰nge zwi-schen theoretischen Grundlagen undpraktischen chemischen Anwendungen.F¸r besonders gelungen halte ich indiesem Zusammenhang die Kapitel ¸berVibrations- und Rotationsspektrosko-pie. Die Aufgaben am Ende eines jedenKapitels eignen sich hervorragend f¸rerg‰nzende studentische Gruppen¸bun-gen. Weiterf¸hrende Literaturangabenfehlen leider in allen Kapiteln au˚er inKapitel 6. Zu bem‰ngeln ist au˚erdem

die oftmals besch‰mende Qualit‰t vielerAbbildungen (einige Kurven sind wohlmit der Hand gezeichnet!) sowie diegro˚e Anzahl von Fehlern, bei denen essich nicht immer um Druck- oder Tipp-fehler handeln kann. Auffallend ist bei-spielsweise die wiederholte Verwendungdes Wortes πaffect™ anstelle des im Kon-text zu erwartenden πeffect™. Schwer-wiegendster Kritikpunkt ist, dass diesesBuch, entgegen dem erkl‰rten Ziel desAutors, den Leser nicht zur kompeten-ten Benutzung eines quantenchemi-schen Programmpakets bef‰higt. In die-ser Kategorie gibt es weitaus bessereLehrb¸cher, z.B. Introduction to Com-putational Chemistry von Frank Jensen.

Nikos L. DoltsinisLehrstuhl f¸r Theoretische Chemie

der Universit‰t Bochum

The Biological Chemistry of theElements. Herausgegeben vonJ. J. R. Frausto da Silva und R. J. P.Williams. Oxford University Press,Oxford 2001. 575 S., Broschur 39.95£.–ISBN 0-19-850848-4

Die vorliegende zweite Auflage des1991 erschienenen Lehrbuchs wurdedeutlich ¸berarbeitet. Die damaligeAusgabe wurde von vielen Studierendenund Forschern als Lehrbuch in der Bio-anorganischen Chemie verwendet. Dieneue Ausgabe ist sogar noch besser alsjene, sowohl hinsichtlich Aufbau undGliederung als auch in Bezug auf denInhalt. Durch das ausf¸hrlichere Sach-wortverzeichnis wird der Lehrbuch- undNachschlagewerkcharakter noch mehrhervorgehoben. Kein anderes auf demMarkt befindliches Buch bietet eineaktuellere und umfangreichere Behand-lung des Themas Bioanorganische Che-mie wie das vorliegende.

Die Autoren haben die Gliederungdes Stoffs in zwei Teile aus der Erst-auflage beibehalten: In sechs Kapitelnwerden die physikalischen und chemi-schen Grundlagen vermittelt, die denWirkungen der Elemente in lebendenSystemen zugrunde liegen. In 12 weite-ren Kapiteln wird auf spezielle Gruppenvon Elementen n‰her eingegangen. Au-˚erdem besch‰ftigen sich zwei Kapitel(Kapitel 7 und 20) mit den Wechselwir-

kungen und der Signalverarbeitung in-nerhalb der Zelle, der Zellen unterein-ander sowie der Zellen und ihrer Um-gebung. Diese Kapitel sind einzigartigund in keinem anderen Lehrbuch derBioanorganischen Chemie zu finden.Kapitel 7 bietet eine holistische Be-schreibung der Vorg‰nge in einer Zelle,einschlie˚lich ihrer Lokalisation undAufeinanderabstimmung. In Kapitel 20wird diese Darstellung der Zellvorg‰ngevor allem durch das Konzept eineszellul‰ren πMetalloms™ (frei und chela-tisiert), das durch Austausch mit derUmgebung in Kontakt steht, erweitert.Die Autoren erl‰utern, wie das πMetall-om™ zusammen mit dem Genom undProteom ein interaktives System er-zeugt, das um das ‹berleben k‰mpfenkann: Die Anf‰nge der Evolution wer-den hier vermutet.

Dieses Buch ist nicht in dem traditio-nellen Stil verfasst, dass Strukturen oderphysikalische Eigenschaften isolierterMolek¸le unter biologischen Aspektenbeschrieben werden. Der Schwerpunktliegt vielmehr auf einer didaktisch ge-lungenen Erkl‰rung der Funktionsweiseder Elemente in lebenden Organismen.So werden in den Ausf¸hrungen derersten sieben Kapiteln lebende Systemeals Netzwerk betrachtet, in dem Stoffe,Energie und Informationen innerhalbeiner strukturierten Zelle und zwischender Zelle und ihrer Umgebung flie˚en.Die ‹berarbeitung der Kapitel 9 ± 19‰u˚ert sich vor allem in der Aufnahmevon Abschnitten ¸ber die Vernetzungder Wechselwirkungen der Elementeund die genetische Kontrolle der Zell-molek¸le, deren Aufgabe die Aufnahmeund Verteilung der Elemente ist.

Die bedeutenden Fortschritte, die aufdem Gebiet der Strukturbestimmungder πMolek¸le des Lebens™ gemachtwurden, werden leider nicht in derWeisebehandelt wie der ¸brige Stoff. Aber denLesern, die sich f¸r diesen Bereich derBioanorganischen Chemie interessieren,bieten sich mehrere Mˆglichkeiten an,sich dar¸ber zu informieren: z.B. die2001 erschienenen B¸cher ¸ber Metal-loproteine von Huber et al. und Bertiniet al. und Datenbanken wie die Braun-schweiger Enzym-Datenbank (BREN-DA), die Protein-Datenbank (PDB), dieπPRosthetic groups and Metal Ion SitEsin proteins™-Datenbank (PROMISE),die Metalloprotein-Datenbank (Scripps