Die widersprüchliche Herausbildung
einer neuen Produktionsweise
Marxistische Abendschule Hamburg
Tagung »Aufhebung des Kapitalismus«, 15.-17.11.2013
Stefan Meretz, Berlin
wadk.de, keimform.de
No rights reserved. Do what you want.
Commonismus statt Sozialismus?
Was ist Sozialismus?
Zwei Stränge in der Debatte:● Warenproduzierende Gesellschaft: Es wird getrennt
produziert und ausgetauscht, also haben Wertgesetz, Preis und Gewinn ihre Geltung
● Güterproduzierende Gesellschaft: Es gibt keine Privateigentümer; der gesellschaftliche Austausch wird durch einen Plan »politisch« geregelt
… wobei beide »Seiten« teilweise gleiche Argumente für sich in Anspruch nehmen (etwa die Rolle des Plans).
Zwei Stränge ...
Sozialismus = Warenproduktion● Produktivität als Maßstab● »Ökonomie der Zeit« gilt● Plan als »Imitat des Marktes«● Marktmechanismen nutzen● Leistungsgerechtigkeit● »Wertgesetz wirken lassen«
Sozialismus = Güterproduktion● Kein Kapitalmarkt● Kooperation (Plan) statt Markt● Anteilsscheine statt Geld● Staat: Diktatur des Proletariats● »Politische Verteilung«● Bürgerliches Recht
Gültigkeit der Arbeitswerttheorie = Arbeitszeitrechnung
Zwei Stränge ...
Sozialismus = Warenproduktion● Produktivität als Maßstab● »Ökonomie der Zeit« gilt● Plan als »Imitat des Marktes«● Marktmechanismen nutzen● Leistungsgerechtigkeit● »Wertgesetz wirken lassen«
Sozialismus = Güterproduktion● Kein Kapitalmarkt● Kooperation (Plan) statt Markt● Anteilsscheine statt Geld● Staat: Diktatur des Proletariats● »Politische Verteilung«● Bürgerliches Recht
Gültigkeit des Äquivalenzprinzips = »Jedem nach seiner Leistung«
Gültigkeit der Arbeitswerttheorie = Arbeitszeitrechnung
Zwei Stränge …
Sozialismus = Warenproduktion● Produktivität als Maßstab● »Ökonomie der Zeit« gilt● Plan als »Imitat des Marktes«● Marktmechanismen nutzen● Leistungsgerechtigkeit● »Wertgesetz wirken lassen«
Sozialismus = Güterproduktion● Kein Kapitalmarkt● Kooperation (Plan) statt Markt● Anteilsscheine statt Geld● Staat: Diktatur des Proletariats● »Politische Verteilung«● Bürgerliches Recht
»weil sich… die... gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit als regelndesNaturgesetz gewaltsam durchsetzt, wie etwa das Gesetz der Schwere,
wenn einem das Haus über dem Kopf zusammenpurzelt«
Gültigkeit des Äquivalenzprinzips = »Jedem nach seiner Leistung«
Gültigkeit der Arbeitswerttheorie = Arbeitszeitrechnung
Zwei Stränge … gleiches Fundament
Sozialismus = Warenproduktion● Produktivität als Maßstab● »Ökonomie der Zeit« gilt● Plan als »Imitat des Marktes«● Marktmechanismen nutzen● Leistungsgerechtigkeit● »Wertgesetz wirken lassen«
Sozialismus = Güterproduktion● Kein Kapitalmarkt● Kooperation (Plan) statt Markt● Anteilsscheine statt Geld● Staat: Diktatur des Proletariats● »Politische Verteilung«● Bürgerliches Recht
Konsequenzen
● Sozialismus ist als »Übergangsgesellschaft« zwischen Kapitalismus und Kommunismus gedacht
● Primat liegt auf der politischen Herrschaft, unter der die alte Produktionsweise transformiert werden soll
● Sozialismus basiert auf der Arbeitswerttheorie (AWT) als Grundlage des Prinzips »Leistungsgerechtigkeit«
● Eine AWT ergibt nur Sinn für die Warenproduktion
► Sozialismus ist eine warenproduzierende Gesellschaft
► Sozialismus hat keine Aufhebungspotenz
Zwei Aufhebungskonzepte
Kapitalismus alsKlassengesellschaft
Machtübernahmedurch Mehrheitsklasse
Umbau derProduktionsweise
Kommunismus
Kapitalismus alsWarengesellschaft
Aufbau einer neuenProduktionsweise
Ablösung derWarenproduktion
KommunismusSo
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Kapitalismus als Klassengesellschaft
Analyse- und Kritikfokus:● Arbeit und Kapital als gegensätzliche Klassen● Mehrwert: Differenz zwischen Wert der Arbeitskraft und
Wert der von der Arbeitskraft hergestellten Waren● Ausbeutung: Aneignung des Mehrwerts durch Kapital● Privateigentum an Produktionsmitteln
Handlungsfokus:● Interessenkampf● Umverteilung zugunsten der Arbeitsklasse● Politische Intervention zur Beeinflussung des Staats● Perspektivisch Übernahme der Staatsmacht● Irgendwann: »Absterben des Staats«
Kapitalismus als Warengesellschaft
Analyse- und Kritikfokus:● Ware als soziale Form des Produkts● Wert/Geld als abstrakte Form des Reichtums● Exklusionslogik als Dynamik der Entfremdung● Besitz an Re-/Produktionsmitteln
Handlungsfokus:● Aufbau neuer sozialer Formen der Peer-Produktion● Beitragen statt Tauschen, Besitz statt Eigentum● Auskooperieren von warenförmigen Strukturen● Perspektivisch Durchsetzung der Peer-Produktion● Letztlich Aufhebung aller Spaltungen und des Staats
Verhältnis der Ansätze zueinander
Arbeit / Entfremdung
Kritik an der Gegenposition:
Vernachlässigung des Machtaspekts
Kritik an der Gegenposition:
Unterbestimmung der Produktion
Waren / Tausch
Wert / Geld
Verwertung / Kapital
Mehrwert / Profit
FinanzkapitalKritikfokusder Position »Kapitalismus als Klassen-gesellschaft«
Kritikfokusder Position »Kapitalismus als Waren-gesellschaft«
Drei Aspekte kurz beleuchtet:● Ware und Eigentum● Ware und Exklusionslogik● Ware und Produktion
Warum Kritik der Warenproduktion?
Ware und Eigentum
● Die Ware ist nicht bloß Ding, sondern auch soziale Form, das Ding herzustellen (»Warenfetisch«)
● Voraussetzung der getrennten Privatproduktion ist die exklusive Verfügung über Produktionsmittel, das sog. »Privateigentum«
● »Privateigentum« ist eigentlich ein »weißer Schimmel«: Eigentum ist immer privat (privare: beraubt, getrennt)
● Gegenteil von »Privateigentum« ist nicht »Gemein-eigentum«, denn »Gemeineigentum« ist »kollektives Privateigentum«, also strukturell gleichartig
● Eigentum: rechtsförmige Exklusion Dritter von der Verfügung über ein Gut
► Eigentum ist die Kehrseite der Ware
Ware und Exklusionslogik
● Die Ware bewegt und verwandelt sich (Marx: »Meta-morphosen«) in gegensätzlichen sich ausschließenden Formen: Relativ-/Äquivalentform, konkrete/abstrakte Arbeit, Gebrauchswert/Wert, Produktion/Verwertung, Kauf/Verkauf usw.
● Kapitalismus ist eine Gesellschaft der dynamischen Exklusionen und Spaltungen: Klassen, Geschlecht, Hautfarbe, Sexualitätspräferenz, Alter, Fitness etc.
► Bestimmendes Merkmal des Kapitalismus ist die alles durchziehende Exklusionslogik
► Aufhebung ist nicht entlang nur einer (oder einiger) Exklusionsdimensionen möglich
Ware und Produktion
Waren sind doppelt kontaminiert!● Nicht nur die soziale Form ihrer Herstellung, sondern auch
der Zweck (Verkauf und Profit) ist in die Waren eingeschrieben (z.B. »geplanter Verfall«)
● D.h. auch die Produktionsmittel sind kontaminiert
► Übernahmekonzepte importieren die Kontaminationen
Stattdessen: Veränderung & Neuschöpfung der Produkte und der Produktion – Beispiele:
● Wikipedia vs. Brockhaus● Wikispeed vs. Monolith-Auto● Global Village Construction Set (Projekt Open Source
Ecology) vs. proprietäre Spezialmaschinen
Fablabs – die Produktion(smittel)in die eigenen Hände nehmen ...
OpenSourceEcology
Protei
K. Marx: »Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ›ungeheure Warensammlung‹, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.« (»Kapital«, Bd. 1)
Dabei geht es um den Zusammenhang von● Individuum und Gesellschaft● Produktion und Reproduktion● Mikro-Handlungen und Makro-Kohärenz
Ansatzpunkt Elementarform
Vermittlung
Eine Elementarform ist die soziale Mikroform, die diegesellschaftliche Makroform erzeugt – und umgekehrt.
Historische Entwicklung der Elementarformen
Commons
Subsistenz
Produkt
Peer-Commons
Subsistenz:Traditionelle
Commons-Nutzung
Getrennte Privatproduktion
von Waren
VernetztePeer-Commons-
ReProduktion
Wert
Peer-Commons
Ressourcen Produkte
Commons
Commoning
Naturgüter
Traditionell: Erhalt/Pflege v. CommonsNeu: Herstellungneuer Commons
Elementarform der kommunistischenVermittlung auf ihrer eigenen Grundlage
Waren-Logik und Commons-Logik
Exklusionslogik Inklusionslogik
Bedarfe Bedürfnisse
Externalisierung Internalisierung
Fremde Zwecke Eigene Zwecke
Zeiteinsparungals Zwang
Zeitverausgabungals Lebensqualität
Negative Reziprozität Positive Reziprozität
Konkurrenzlogik Kooperationslogik
homooeconomicus Mensch
Abstrakte Gleichheit Konkrete Besonderheit
Strukturelle Vereinzelung Strukturelle Gemeinschaftlichkeit
Formale Gerechtigkeit Empfundene Fairness
Waren-Logik und Commons-Logik
Exklusionslogik Inklusionslogik
Bedarfe Bedürfnisse
Externalisierung Internalisierung
Fremde Zwecke Eigene Zwecke
Zeiteinsparungals Zwang
Zeitverausgabungals Lebensqualität
Negative Reziprozität Positive Reziprozität
Konkurrenzlogik Kooperationslogik
homooeconomicus Mensch
Abstrakte Gleichheit Konkrete Besonderheit
Strukturelle Vereinzelung Strukturelle Gemeinschaftlichkeit
Formale Gerechtigkeit Empfundene Fairness»Individuelle Entwicklunggeht zu Lasten der
Entwicklung anderer«
»Freie Entwicklung einesjeden ist Bedingung für die
freie Entwicklung aller«
Wie Commonismus denken?
Individuellge
sells
chaf
tlich
Lebensbedingungen herstellen
GesellschaftlicheVermittlung herstellen
Elementar-form
Wie Commonismus denken?
Individuellge
sells
chaf
tlich
Lebensbedingungen herstellen
GesellschaftlicheVermittlung herstellen
Peer-Commons
Wie Commonismus denken?
Individuellge
sells
chaf
tlich
Lebensbedingungen herstellen
Peer-Commons
Stigmergie & polyzentrischeSelbstorganisation
Wie Commonismus denken?
Individuellge
sells
chaf
tlich
Lebensbedingungen herstellen
Peer-Commons
Stigmergie & polyzentrischeSelbstorganisation
Koordinationin großen
dezentralenSystemen
durch lokaleInformationen
Hinweis-basierte
Aufgaben-verteilung
durchSelbstauswahl
Wie Commonismus denken?
Individuellge
sells
chaf
tlich
Lebensbedingungen herstellen
Peer-Commons
Stigmergie & polyzentrischeSelbstorganisation
Koordinationin großen
dezentralenSystemen
durch lokaleInformationen
Hinweis-basierte
Aufgaben-verteilung
durchSelbstauswahl
Selbst-organisierteNetzwerke
mit mehrerenfunktionalen
Zentren
Begriffaus der
Commons-Forschung
(nach Ostrom)
Stigmergie: Selbstauswahl
Hierarchisches System
Konsens-Hierarchie
Stigmergie
Eigenschaften von sozialen Netzwerken
Entstehung von sozialen Netzwerken:● Kleine Netzwerke wachsen langsam und brauchen Input● Große Netzwerke oberhalb einer kritischen Schwelle
wachsen schnell und tragen sich selbst (Netzwerkeffekt)Eigenschaften:
● Große soziale Netzwerke strukturieren sich selbst● Es bilden sich Hubs mit vielen Verbindungen● Große Netzwerke sind meist skalenfrei (gehorchen dem
Potenzgesetz, sind in jeder Größenordnung gleichartig)Freie Gesellschaft:
● Stigmergie ist ein Wachstumstreiber (Bedürfnisse!)● Polyzentrische Selbstorganisation ist ein Mittel zur
Aufgabenteilung in Netzwerken
Polyzentrische Selbstorganisation
Infrastruktur
Institutionen
Projekte
Meta
Stigmergische Vermittlung
Nur für dieFantasie!
Stigmergie: Eigenschaften
● Selbstverstärkende Rückkopplung (Netzwerkeffekt)● Bedürfnisgetriebene Auswahl, Modifikation und Rekombination
von Aufgaben● Vermittlung unterschiedlicher Bedürfnisse, Ressourcen,
Begrenzungen und Ziele● Keine Trennung von Entscheidung und Umsetzung
(»knechtende Arbeitsteilung« – Marx)● Hohe Effektivität durch Bedürfnisantrieb● Hohe Effizienz durch geringen Overhead (fast keine
Transaktionsaufwände – im Gegensatz zur Geldlogik)● Multidimensionale und qualitative Signale über die Nachfrage
(Geld: eindimensional-quantitativ)● Stigmergic Law: »Given enough people you will find a nerd for
every task which has to be done.«● Skaliert gut für große und komplexe Systeme
Makroebene: Eigenschaften
Konsequenzen● Gesellschaftlich restrukturierte Aufgabenteilung● Vollständige Transparenz aller Informationen und
(potenzielle) Einsicht in den Gesamtzusammenhang● Selbstentfaltung: Freiwilligkeit der Tätigkeiten/Beiträge
Tätigkeitsfokus● Reflexion der Zwecke (statt: Produktion der Mittel)● Gestaltung der gesellschaftlichen Handlungsziele● Entfaltung der re-produktiven Bedürfnisse● Bewusster Umgang mit Begrenzungen (Ressourcen) und
Konflikten
Fazit
● Sozialismus reproduziert alle wesentlichen Realkategorien des Kapitalismus
● Sozialismus ist somit kein Ansatz zur Aufhebung des Kapitalismus
● Eine Aufhebung des Kapitalismus ist nur über die Durchsetzung einer neuen Produktionsweise möglich
● Dies entspricht auch allen bisherigen historischen Transformationen
● Der Commonismus entwickelt sich vor unseren Augen● Die Machtfrage ist dabei ungelöst
Danke ☺No rights reserved. Do what you want.