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Das große Buch der Freundschaftsgeschichten

Mit Illustrationen von Cornelia Haas

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cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

Umwelthinweis:Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem

Papier gedruckt.

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

1. Auflage 2008© 2008 cbj, München

Alle Rechte an dieser Ausgabe vorbehaltenCopyright-Angaben für die einzelnen Texte auf S. 94 f

Herausgeber: ELTERN und ELRTERN family, Gruner + Jahr, MünchenUmschlagbild und Innenillustrationen: Cornelia Haas

Umschlagkonzeption: Basic-Book-Design, Karl Müller-BussdorfMP · Herstellung: IH, Madlen Richter

Satz: Uhl+Massopust, Aalen; Litho: Lorenz & Zeller, Inning a. A.

Druck: TBB, Banská BystricaISBN 978-3-570-13443-6

Printed in the Slovak Republic

www.cbj-verlag.de

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Lass uns Freunde sein !

Jemand, der tickt wie du. Jemand, der dich mag, weil du so bist,

wie du bist. Jemand, der wirklich da ist, wenn du ihn brauchst:

Freunde haben ist schön. Das zeigen die Geschichten in diesem

Buch – einem gemeinsamen Projekt der Zeitschriften ELTERN

und ELTERN family sowie des cbj-Verlags.

Bekannte Kinderbuchautoren erzählen von Freundschaften.

Von lustigen, spannenden, ungewöhnlichen und auch von sol-

chen, die ein bisschen Zeit brauchen, um zu wachsen.

Da schließen sich das weiße Schwein Albin und Lila, ein Huhn,

das keine Eier mehr legen kann, zusammen und retten die gesamte

Hühnerkolonie vor dem Fuchs. Jessis und Tines Freundschaft zer-

bricht fast an einem alten (Zauber-) Stein. Anton lernt vom Vampir

Rüdiger das Fliegen – aus Freundschaft natürlich. Wir erfahren,

wie Pippi Langstrumpf und die Geschwister Annika und Thomas

dicke Freunde werden, wie Kater Finjo loszieht, um den schönsten

Platz der Welt zu finden und schließlich doch wieder bei seinem

Freund Paulchen landet, und wie Pu der Bär seinem Freund I-Ah

bei der Suche nach dem verlorenen Schwanz hilft. Mehr soll jetzt

aber nicht verraten werden. Viel Spaß beim Lesen und Vorlesen

wünscht

Ihre ELTERN und ELTERN family-Redaktion

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Inhalt

FreundeFrantz Wittkamp: Du bist da, und ich bin hier 8

Herrlich verrückte FreundeAstrid Lindgren: Pippi zieht in die Villa Kunterbunt ein 12

Rafik Schami: Albin und Lila 20

Kirsten Boie: Verkleidespaß auf Taras Geburtstag 29

Benno Pludra: Das Herz des Piraten 33

Freunde für immer und ewigChristine Nöstlinger: Brief an Martina 42

Erich Kästner: Herrn Bremser geht ein Licht auf 44

Katja Reider: Post für Paulchen Hase 50

Rainer Bublitz: Eine Menge Probleme 60

Fantastische FreundeAngela Sommer-Bodenburg: Der zweite Umhang 72

A. A. Milne: Wie I-Ah einen Schwanz verliert und Pu einen findet 78

David L. Harrison: Vom Riesen, der einen Koller hatte 86

Nele Moost: Der Mondhund 92

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Freunde

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Frantz Wittkamp

Du bist da, und ich bin hier

Du bist da,

und ich bin hier.

Du bist Pflanze,

ich bin Tier.

Du bist Riese,

ich bin Zwerg.

Du bist Tal,

und ich bin Berg.

Du bist leicht,

und ich bin schwer.

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Du bist jung,

und ich bin alt.

Du bist sie,

und ich bin er.

Du bist Land,

und ich bin Meer.

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Du bist voll,

und ich bin leer.

Du bist heiß,

und ich bin kalt.

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Du bist dunkel,

ich bin hell.

Du bist langsam,

ich bin schnell.

Du bist schmal,

und ich bin breit.

Du bist Anzug,

ich bin Kleid.

Du bist einsam,

ich allein.

Komm, wir wollen

Freunde sein!

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Herrlich

Freundev te rr ü ck e

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Astrid Lindgren

Pippi zieht in die Villa Kunterbunt ein

An dem schönen Sommerabend, als Pippi zum ers-

ten Mal die Schwelle der Villa Kunterbunt über-

schritt, waren Thomas und Annika nicht zu Hause.

Sie waren für eine Woche zu ihrer Großmutter gereist.

Sie hatten daher keine Ahnung, dass jemand in die Nachbarvilla

eingezogen war, und als sie am ersten Tag nach ihrer Rückkehr an

ihrer Gartentür standen und auf die Straße schauten, wussten sie

noch nicht, dass so in ihrer Nähe ein Spielkamerad war.

Als sie gerade überlegten, was sie anfangen sollten und ob viel-

leicht heute etwas Interessantes passieren würde oder ob es so

ein langweiliger Tag werden würde, wo einem nichts einfiel, ge-

rade da wurde die Gartentür zur Villa Kunterbunt geöffnet, und

ein kleines Mädchen kam heraus. Das war das merkwürdigste

Mädchen, das Thomas und Annika je gesehen hatten, und es war

Pippi Langstrumpf, die zu ihrem Morgenspaziergang herauskam.

Sie sah so aus:

Ihr Haar hatte dieselbe Farbe wie eine Möhre und war in zwei

feste Zöpfe geflochten, die vom Kopf abstanden. Ihre Nase hatte

dieselbe Form wie eine ganz kleine Kartoffel und war völlig mit

Sommersprossen übersät. Unter der Nase saß ein wirklich riesig

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breiter Mund mit gesunden weißen Zähnen. Ihr Kleid war sehr ko-

misch. Pippi hatte es selbst genäht. Es war wunderschön gelb; aber

weil der Stoff nicht gereicht hatte, war es zu kurz, und so guckte

eine blaue Hose mit weißen Punkten darunter hervor.

An ihren langen, dünnen Beinen hatte sie ein Paar lange Strümpfe,

einen geringelten und einen schwarzen. Und dann hatte sie ein

Paar schwarze Schuhe, die genau doppelt so groß waren wie ihre

Füße.

Die Schuhe hatte ihr Vater in Südamerika gekauft, damit sie

etwas hätte, in das sie hineinwachsen könnte, und Pippi wollte

niemals andere haben. Worüber Thomas und Annika besonders

die Augen aufsperrten, das war der Affe, der auf der Schulter des

fremden Mädchens saß. Es war eine kleine Meerkatze mit blauen

Hosen, gelber Jacke und einem Strohhut.

Pippi ging die Straße entlang. Sie ging mit dem einen Bein auf

dem Bürgersteig und mit dem anderen im Rinnstein. Thomas und

Annika sahen ihr nach, solange sie sie sehen konnten. Nach einer

Weile kam sie zurück. Aber jetzt ging sie rückwärts. Das tat sie, da-

mit sie sich nicht umzudrehen brauchte, wenn sie nach Hause ging.

Als sie vor Thomas’ und Annikas Gartentür angekommen war,

blieb sie stehen. Die Kinder sahen sich schweigend an. Schließlich

sagte Thomas: »Warum bist du rückwärtsgegangen?«

»Warum ich rückwärtsgegangen bin?«, sagte Pippi. »Leben wir

etwa nicht in einem freien Land? Darf man nicht gehen, wie man

will? Übrigens will ich dir sagen, dass in Ägypten alle Menschen

so gehen, und niemand findet das auch nur im Geringsten merk-

würdig.«

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»Woher weißt du das?«, fragte Thomas. »Du warst doch wohl

nicht in Ägypten?«

»Ob ich in Ägypten war? Ja, da kannst du Gift drauf nehmen! Ich

war überall auf dem ganzen Erdball und habe noch viel komischere

Sachen gesehen als Leute, die rückwärtsgehen. Ich möchte wissen,

was du gesagt hättest, wenn ich auf den Händen gegangen wäre

wie die Leute in Hinterindien.«

»Jetzt lügst du«, sagte Thomas. Pippi überlegte einen Augen-

blick. »Ja, du hast recht, ich lüge«, sagte sie traurig.

»Es ist hässlich zu lügen«, sagte Annika, die jetzt endlich wagte,

den Mund aufzumachen.

»Ja, es ist sehr hässlich zu lügen«, sagte Pippi noch trauriger.

»Aber ich vergesse es hin und wieder, weißt du. Und wie kannst du

überhaupt verlangen, dass ein kleines Kind, das eine Mutter hat,

die ein Engel ist, und einen Vater, der Negerkönig ist, und das sein

ganzes Leben lang auf dem Meer gesegelt ist, immer die Wahrheit

sagen soll? Und übrigens«, fuhr sie fort, und sie strahlte über ihr

ganzes sommersprossiges Gesicht, »will ich euch sagen, dass es in

Nicaragua keinen einzigen Menschen gibt, der die Wahrheit sagt.

Sie lügen den ganzen Tag. Sie fangen früh um sieben an und hören

nicht eher auf, als bis die Sonne untergegangen ist. Wenn es also

passieren sollte, dass ich mal lüge, so müsst ihr versuchen, mir

zu verzeihen und daran zu denken, dass es nur daran liegt, dass

ich etwas zu lange in Nicaragua war. Wir können wohl trotzdem

Freunde sein, nicht wahr?«

»Ja, gewiss«, sagte Thomas und wusste plötzlich, dass der Tag

heute sicher keiner der langweiligen werden würde.

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»Warum könnt ihr übrigens nicht bei mir frühstücken?«, fragte

Pippi.

»Ja, ganz richtig«, sagte Thomas, »warum können wir das nicht?

Kommt, wir gehen!«

»Ja«, sagte Annika, »jetzt sofort.«

»Aber erst muss ich euch Herrn Nilsson vorstellen«, sagte Pippi.

Und da nahm der kleine Affe den Hut ab und grüßte höflich.

Und nun gingen sie durch die verfallene Gartentür der Villa Kun-

terbunt den Kiesweg entlang, an dessen Rändern moosbewachsene

Bäume standen, richtig feine Kletterbäume, und hinauf zur Villa

und auf die Veranda.

Da stand das Pferd und fraß Hafer aus einer Suppenschüssel.

»Warum in aller Welt hast du ein Pferd auf der Veranda?«, fragte

Thomas.

Alle Pferde, die er kannte, wohnten in einem Stall.

»Tja«, sagte Pippi nachdenklich, »in der Küche würde es nur im

Wege stehen. Und im Wohnzimmer gefällt es ihm nicht.«

Thomas und Annika streichelten das Pferd und

dann gingen sie ins Haus. Da waren eine Küche

und ein Wohnzimmer und ein Schlaf-

zimmer. Aber es sah so aus, als ob

Pippi das Wochenreinmachen

vergessen hätte. Thomas und

Annika sahen sich vorsichtig um,

ob der Negerkönig in einer Ecke

säße. Sie hatten in ihrem ganzen Le-

ben noch keinen Negerkönig gesehen.

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Aber kein Vater war zu sehen und auch keine Mutter, und Annika

fragte ängstlich: »Wohnst du hier ganz allein?«

»Aber nein, Herr Nilsson und das Pferd wohnen ja auch hier.«

»Ja aber, ich meine, hast du keine Mutter und keinen Vater hier?«

»Nein, gar nicht«, sagte Pippi vergnügt.

»Aber wer sagt es dir, wenn du abends ins Bett gehen sollst und

all so was?«

»Das mache ich selbst«, sagte Pippi. »Erst sage ich es ganz

freundlich, und wenn ich nicht gehorche, dann sage ich es noch

mal streng, und wenn ich dann immer noch nicht hören will, dann

gibt es Haue.«

Ganz verstanden Thomas und Annika das nicht, aber sie dach-

ten, dass es vielleicht ein ganz praktisches Verfahren wäre. Inzwi-

schen waren sie in die Küche gekommen, und Pippi schrie: »Jetzt

woll’n wir Pfannkuchen backen!«

Und nun holte sie drei Eier und warf sie in die Luft. Eins der Eier

fiel ihr auf den Kopf und ging kaputt, sodass ihr das Eigelb in die

Augen rann. Aber die anderen fing sie geschickt in einem Topf auf,

wo sie entzweigingen.

»Ich habe immer gehört, dass Eigelb gut für die Haare sein soll«,

sagte Pippi und wischte sich die Augen aus. »Ihr sollt mal sehen:

Es wächst, dass es kracht. In Brasilien gehen übrigens alle Men-

schen mit Ei im Haar herum. Aber da gibt’s auch keine Kahlköpfe.

Nur einmal war da ein Alter, der war so verrückt, dass er seine

Eier aufaß, anstatt sie ins Haar zu schmieren. Er bekam auch ganz

richtig einen Kahlkopf, und wenn er sich auf der Straße zeigte, gab

es einen solchen Auflauf, dass die Polizei anrücken musste.«

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Während Pippi sprach, hatte sie geschickt die Eierschalen mit den

Fingern aus dem Topf gefischt. Jetzt nahm sie eine Badebürste, die

an der Wand hing, und fing an, den Pfannkuchenteig zu schlagen,

sodass die Wände ringsherum vollgespritzt wurden. Zuletzt goss

sie das, was übrig war, in eine Pfanne, die auf dem Herd stand.

Als der Pfannkuchen auf der einen Seite gebacken war, warf sie

ihn halb gegen die Decke hoch, sodass er sich in der Luft umdrehte,

und fing ihn dann wieder in der Pfanne auf. Und als er fertig war,

warf sie ihn quer durch die Küche direkt auf einen Teller, der auf

dem Tisch stand.

»Esst«, rief sie, »esst, bevor er kalt wird.«

Und Thomas und Annika aßen und fanden, dass es ein sehr guter

Pfannkuchen war.

Danach bat Pippi sie in das Wohnzimmer. Dort stand nur ein

Möbelstück. Das war eine große Klappkommode mit vielen klei-

nen Schubladen.

Pippi öffnete die Schubladen und zeigte Thomas und Annika all

die Schätze, die sie dort verwahrt hatte.

Da waren seltsame Vogeleier und merkwürdige Schnecken und

Steine, kleine feine Schachteln, schöne silberne Spiegel und Perlen-

ketten und vieles andere, was Pippi und ihr Vater während ihrer

Reise um die Erde gekauft hatten.

Pippi gab jedem ihrer neuen Freunde ein kleines Geschenk zum

Andenken. Thomas bekam einen Dolch mit schimmerndem Perl-

muttergriff und Annika ein kleines Kästchen, dessen Deckel mit

rosa Muscheln besetzt war. In dem Kästchen lag ein Ring mit einem

grünen Stein.

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»Jetzt könnt ihr nach Hause gehen«, sagte Pippi, »damit ihr

morgen wiederkommen könnt. Denn wenn ihr nicht nach Hause

geht, könnt ihr ja nicht wiederkommen. Und das wäre schade.«

Das fanden Thomas und Annika auch. Und so gingen sie nach

Hause, an dem Pferd vorbei, das den ganzen Hafer aufgefressen

hatte, und durch die Gartentür der Villa Kunterbunt. Herr Nilsson

schwenkte den Hut, als sie gingen.

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Rafik Schami

Albin und Lila

Auf einem alten Bauernhof lebten einst viele Hühner und

Schweine. Sie lebten dort zufrieden. Vor allem gab es

immer genug zu essen und zu trinken. Der Hahn hatte

einen prächtigen Misthaufen, auf dem er jeden Mor-

gen die Sonne mit seinem »Kikeriki« begrüßen konnte,

und die Schweine hatten eine große schlammige Pfütze, in

der sie sich nach dem Mittagessen genüsslich suhlen konnten.

Die Hühner und die Schweine waren sehr höflich zueinander.

Wenn sie einander begegneten, sagten sie: »Guten Tag, Herr Nach-

bar«, oder: »Wie geht es Ihnen, Frau Nachbarin?« Und abends rie-

fen sie: »Gute Nacht!«, bevor sie in ihren Ställen schlafen gingen.

Aber trotzdem spielte kein Huhn jemals mit einem Schwein.

»Ein Schwein kann nicht einmal über den Zaun fliegen«, dach-

ten die Hühner, während gleich-

zeitig viele Schweine davon

träumten, eines Tages

fliegen zu können.

Hin und wieder

ärgerte sich der

Hahn über ein

Schwein, wenn

es versuchte,

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vom Misthaufen auf den Hof hinunterzurutschen, dabei kopfüber

auf die Nase purzelte und den ganzen Misthaufen durcheinander-

brachte.

Auch die Schweine spielten niemals mit den Hühnern. Kein

Huhn konnte verstehen, wieso die Schweine sich um die Wette im

Schlamm wälzten.

»Nein, meine Federn werden schmutzig. Wir Hühner mögen

keine dreckigen Federn«, antwortete deshalb jedes Huhn schnip-

pisch, wenn ein Schwein es zum Spielen einlud. Die Hühner woll-

ten auch nie »Schubsen« spielen; sie hatten Angst, zerquetscht zu

werden.

»Was können sie denn außer dem blöden Eierlegen und Fliegen?«,

ärgerten sich dann die Schweine und wandten sich grunzend ab.

Manches Huhn wiederum wollte auch so kräftig wie ein Schwein

werden, aber sosehr es auch Körner aufpickte, nie wurde ein Huhn

so schön rund und kräftig.

Dennoch waren die Hühner zufrieden mit ihrem Leben, und

wenn nicht ab und zu ein gemeiner Fuchs durch das kaputte Fens-

ter in ihren Stall geschlichen wäre und eine ihrer Schwestern geris-

sen hätte, wären sie die glücklichsten Hühner der Welt gewesen.

Die Schweine hatten natürlich keine Angst vor dem Fuchs und

so waren sie alle rundherum zufrieden.

Alle?

Nein! Das Schwein Albin war unglücklich! Albin hatte von Ge-

burt an eine schneeweiße Haut und nicht so eine rosige wie alle

anderen Schweine. Deshalb wurde er von den anderen ausgelacht.

Wenn die Schweine Versteck spielten, wurde Albin immer als Ers-

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ter gefunden, sosehr er sich auch bemühte, still hinter einem Busch

zu stehen.

Nur einmal blieb er lange unentdeckt. Es war Winter und über-

all lag Schnee. Albin stand ganz still und lächelte zufrieden vor

sich hin. Als aber ein Hund kam und Albin für einen Stein hielt,

sein Bein hob und pinkelte, quiekte Albin entsetzt. Die anderen

Schweine wälzten sich vor Lachen.

»Albin ist ein Hundeklo!«, riefen sie im Singsang, und seit diesem

Tag wollte kein Schwein mehr mit ihm spielen. Auch dann nicht,

wenn Albin sich wie die anderen im Schlamm gewälzt hatte.

»Ach Gott, wie dreckig du bist!« Die das riefen, waren zwar

genauso dreckig, aber bei Albin sah man den Schmutz sofort.

So blieb Albin oft allein und träumte von einer Welt voller wei-

ßer Schweine.

Eines Tages sah Albin ein altes Huhn verschreckt gackernd aus

dem Stall rennen. Der Hahn hatte es wütend verjagt,

begleitet vom wilden Gekeife der anderen

Hühner. »Elende Henne! Du sollst

selber Eier legen!« Und noch vom

Misthaufen herab verfluchte

der Hahn das ängstliche

Huhn als Dieb.

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