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3. Das Perndel 4m Luft a l s Welleaerregei* zirbcl aZs Resomator; von E. R e t t e l e r .

Die Theorie der Schwingungen eines in Luft befindlichen Peiiclels , sofern dieselben sei es Wellen erregen oder mit Wellen, die von ausseii her dasselbe treffen, in Resonaiiz treten, ist bis zur Gegenwart noch keineswegs abgeschlossen. Es mag daher gestattet sein, im Folgenden einen Beitrag dazu zu liefern, der zwar einzelnes Bekannte reproduciren, anderer- seits aber iiber die iiblichen Voraussetzungeri hinausgehen wird, und der den beziiglichen Erscheinungsbereich moglichst folgerichtig darstellen soll.

Wohl die erste bestimmte Vorstellung iiber den Einfluss der Luft auf das gewohnliche Pendel bildete sich Be s s e 1. Zu der schon seit Newton bekannten ,,hydrostatischen Correction", vermoge welcher das Drehungsmoment auf den luftleeren Raum zu reduciren ist, fiigte er eine zweite ,,hydrodynamischeLL hinzu; dieselbe beruht auf der Erwaguiig, dass das Pendel eine ge- wisse Luftmenge mit sich hin- urid herfiihrt, und dass dadurch clas Tragheitsmoment des Pendels vergrossert wird.

Die Bessel'sche Tlieorie ist seitdem vielfach anerkannt, vielfach aber auch bestritten worden; sie bildet den Ausgangs- punkt einer langen Reihe von Forschungen, die inzwischen durch Heranziehurig verwandter Eischeinungen eine inimer vielseitigere Gestalt erhielten. So wurde nicht bloss die Mit- wirkung der Reibung und der die Schwingungen veranlassenden iusseren Kraft in die Behandlung aufgenommen, sondern wurde auch das Pendel, insbesondere in der Form der Stimmgabel, als Erreger wie als Resonator akustischer Wellen mannichf:Lch verwendet.

Zu denen, welche das Pendel wesentlich als Wellenquelle verwerthen, gehort namentlich H. v. He lmho l t z , indess geht derselbe meines Wissens auf den Einfluss der Luft niemals uaher ein , sondern erledigt denselben mittels sozusagen nebensach- licher Bemerkungen. Ich selber habe in meinem unten citirten

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Pendel in Luft als Wellenerre,qer aiid als Resonator. 75

Werke l) umgekehrt die Resonanzerscheinung an die Spitze gestellt und zu dem Zwecke der Bessel'schen Formel eine dafur geeignete Gestalt gegeben. Der damit erzielte Erfolg hat dann freilich den Fehler veranlasst, nun auch die Gesetze der Wellenerregung auf diese namliche Formel zuriickfuhren zu wollen. Im Folgenden sollen beide Erscheinungen nach- einander besprochen werden.

Fallt zunachst das umgebende Medium fort, sodass Energieubertragung werter nach aussen noch von aussen her erfolgt, so gelten grossentheils bekannte Beziehungen, die ich daher nur kurz zu beruhren habe.

1st das Pendel erstens reibungsfrei, und will man dem- selben einen nach Schwingungszahl und Amplitudengrosse be- stimmten Schwingungszustand ertheilen, so bedarf es dazu des Eingreifens einer periodischen Spontankraft , welche sei es crescendo oder decrescendo oder mit gleich bleibender Starke eingreift. Die betreffende Differentialgleichung fur die so ,,er- zwungene" Schwingung wird daher von der Form sein:

1. Das Pendel im luftleeren Raume.

-nip'+ Eeq tcosn t . e= d2 ' d t2

Darin bedeutet p' den (sehr klein gedachten) Ausschlag zur Zeit t, und ist n: der Coefficient der die Gleichgewichts- lage erstrebenden, auf die Masseneinheit bezogenen inneren Kraft. E, & q und n = 2 m N charakterisiren die eingreifende Kraft, unter N die Schwingungszahl ihrer Periode verstanden.

Die vorstehende Gleichung wird bedingungsweise befriedigt durch den Integralausdruck: (1 b) g ' = A'eqtcos(nt- A) mit der Amplitude A' und der Verzogerung A, wahrend q und n mit den entsprechenden Attributen der Anregung zusammen- fallen.

Die Bedingungsgleichung selber , die sich mittels Sub- stitution desselben in bekannter Weise findet, zerfallt in die beiden folgenden einzelnen :

E -~ 9 t g A = + 2 n 9 (1.) A' = (nl - n2 c px)2 + 4 n2 42 ni - n* + q2

1) E. Ketteler, Theor. Optii, Braunschweig 1885.

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76 k Kefteler.

Die Amplitude erreicht insbesondere bei gegebenem n und q fur die Bedingung ni = n8 - q2 einen Maximalwerth: A’ = E / 2 n q, wahrend gleichzeitig die Verzogerung A = 7~ 2 wird.

Fallt dabei gleichzeitig die Periode N = (n l2 n) der erzwungenen Schwingung zusammen mit der Periode No = ( n o / 2 n) der freien Schwingung des Pendels, so wird A’ = co; d. h. es entspricht dann schon einer unendlich schwachen Anregung ein endlich grosser Ansschlag. In diesem Fall erhalt zugleich die Verztigerung den unbestimmten Werth A = “iO.

Lasst man die aussere Kraft, nachdem sie eine beliebig lange Zeit

Fur y = 0 wird A’= & &’/(la: - na) und A = 0.

t , -2m- i -1 ___ m

wo m eine ganze Zahl bedeutet, gewirkt hat, in diesem Augen- blick des Nichteingreifens pliitzlich verschwinden, und zahlt die weiteren Zeiten von diesem Mornente ab , so gelten von da ab die Gleichungen:

n 2 ’

Die Schwingungszahl der bisher erzwungenen Schwingungen springt dann urn in die der freien Schwingungen, w>ihrend Ampli- tude und Verzogerung sich nun fortwahrend in identischer Weise erhalten.

Verschwindet namlich 3, so verschwindet zugleich der ganze Nenner der Amplitude (1 c). Es wird also gleichzeitig sein mussen:

n a - q 2 - n ~ = 0 , 2 n p = 0 ,

sodass. wie oben, folgt: q = 0 , n = n 0 .‘I 1st das Pendel zweitens mit Reibung belststet und 2y,

der Coefficient der betreffenden dampfenden Kraft, so treten an die Stelle der vorstehenden drei Gleichungen (1) die all- gemeineren folgenden ”:

1 ) Die zweite Liisung n = 0, q = v T n o &Ilt mit der ersten zu- sammen.

2) Vgl. E. K e t t e l e r , Wied. Ann. 63. p. 72. 1897. Darin ist die Reibung der ersten Potenz der Geschwindigkeit proportional gesetzt. Ueber

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(3)

Pendel in Luft als Wellenerreger und als Resonatoo.. 7 7

Bemerkenswerth ist hier insbesondere der Specialfall, dass Man erhalt dann: q = - qo gesetzt wird.

tg A = 0,

also ahnlich einfache Verhaltnisse, wie ohne Reibung fur q=O. Die Amplitude erlangt ferner fur gewohnlich einen Maxi-

malwerth unter der Bedingung, dass der erste Summand des Nenners verschwindet, sodass dann gleichzeitig A = (n/2) wird.

Sollen schliesslich die Schwingungen selbst bei unendlich schwacher Anregung E von endlicher Qrosse bleiben, so muss der gesammte Nenner von A’ ebenfalls unendlich klein werden. Man hat in diesem Falle die simultanen Bedingungen:

n Z - g P 2 - n ~ - 2 q p o = 0 , n ( g + g O ) = O

und sonach die beiden voneinander verschiedenen Losungen : entweder

oder

___ q = - po , n = 0 , p =- qo v q i - n i .

Lasst man nun wieder die aussere Kraft, nachdem sie die Zeit n t‘ = (2 m + 1) rn 2 gewirkt, plotzlich verschwinden, sodass von da ab das Pendel sich selber iiberlassen bleibt, so gilt weiter die Differentialgleichung :

n = f vn: - p i , ~-

die Hinzuziehung eines weiteren, das Quadrat dieser Geschwindigkeit enthaltenden Gliedes vgl. u. a. E. G. R o u t h , Dynamik der Systeme starrer Kiirper 2. p. 263. Leipzig 1898. Statt der Reibung kann auch Znductionsdtimpfung in Betracht kommen, und konnen sich auch beide Bbereinander lagern.

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78 E. Ketteler.

Und ihr entspricht, j e nachdem n: - grosser oder kleiner als Null ist, die eine oder andere der beiden Schwingungs- formen :

Es springt also der Exponentialfactor (y) der erzwungenen Schwingungen in den sogenannten Extinctionscoefficienten der freien Schwingungen und gleichzeitig die Schwingungszahl der ersteren in die bezugliche der letzteren iiber, wiihrend da- gegen Amplitude und Verzogerung ihre Werthe behalten.

I. Des Pendel ale Wellenquelle.

2. Aufstellung der Grundgleichungen. Nunmehr befinde sich das Pendel in einem mit Luft gefiillten, beiderseits un- endlich langem Rohre vom Querschnitte f , und zwar deiiken wir uns den Pendelkorper als eine Scheibe von iiberall gleicher Dicke, welche den Querschnitt f nahezu ausfullt. Das Pendel sei irgendwie erregt; es erzeugt dann in der Luft des Rohres variable Dichtigkeitsanderungen , denen nach dem Gesetze der adiabatischen Zustandsanderung pro Flacheneinheit die Druck- anderungen

p’- p = - k p -- a e a n

entsprechen. Dnrin bedeutet e = F(t , z ) die Verriickung eines Lufttheilchens yon der Lage z zur Zeit t ; k ist das Verhalt- niss der beiden specifischen Warmen, und sol1 fortan ab- kiirzungsweise k p = e gesetzt werden. Demnach betragt also der gesammte Mehrdruck (gegeniiber dem atmospharischen Druck) in irgend einem Querschnitt von der Abscisse z :

(5) Beziehen wir diesen Ausdruck srstens auf die beiden Grenz-

flachen 1 und 2 einer Luftschicht von der Dicke A z . Diese kann eine beliebige Lage haben, werde aber etwa so gewahlt, dass die GrenzAache 2 mit der einen Pendelflache zusammen- fallt. Man hat dann, sofern n stetig verlauft:

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Pendel in Luft als Welbnerreger und als Resonator. 79

Folglich kommt fur den Ueherdruck:

nl - na= e f + A z = r n f A z 9 , a= a z d t P

sofern derselbe zur Beschleunigung der Gesamm tmasse der Schicht m f A z verwandt wird (m = Dichtigkeit der Luft). So ergiebt sich die bekannte Formel:

Wendet man ferner zrueitens obigen Ausdruck an auf die beiden 13egrenzungsflachen des Pendels. 2 und 3 , so stijsst man hier auf den discontinuirlichen Sprung:

sofern stets einer Verdiinnung einerseits eine gleich starke Verdichtung andererseits entspricht. Der Ueberdruck betragt diesmal :

nz -n3=- 2 e f z ; d e

er addirt sich als negative Kraft zu den ubrigen das Pendel angreifenden Kraften. Dementsprechend lasst sich schreihen :

3. Bedeutung der Gleichung (6) f u r die Ueberlraguiiy der Energie. Der lnhalt dieser Gleichung deckt sich bekanntlich mit dem Satze, dass ein Schwingungszustand zur Zeit t und am Orte z sich zur Zeit t + A t am Orte z + A z befindet, sofern A z / A t = v die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen bedeutet. Schreibt man demgemass:

P(t, Z ) = P ( t + A t , z + A z ) , A Z = v A t ,

so ist das Functionszeichen P ganzlich willkurlich, kann also auch beispielsweise ebensowohl einen Ausschlag als eine Aus- schlagsgeschwindigkeit bedeuten. Durch weitere Entwickelung ergieht -sich daraus :

8P _ - _ - d F a t

2 9 - 7 (8) 8 %

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80 E. Ketteler . und fuhrt eine nochmalige Differentiation zur Gleichung (6) zuruck. Das Integral dieser letzteren endlich hat hekanntlich die Gestalt:

(9)

in welcher wiederum die Form der Function P(t ) eine be- liehige ist.

Hat daher insbesondere ein schwingendes Pendel (bez. eine demselben adhiirirende Luftmenge) als Wellenerzenger die Schwingungsform : (10 a) p‘= A’eqtcos(nt- A’), so gehen von demselben Luftwellen aus von der Wellenform (r = p ) :

q ( t - 5) e = A e

und diese letzteren befriedigen ebensowohl die Differential- gleichungen (6) und (S), a h wenn q = 0 ware.’) Zudem ist, wie gleich noch in anderer Weise bewiesen werden soll, A = A‘.

Was nun weiter die Energieubertragung betrifft, die etwa zwischen zwei benachbarten Luftschichten vor sich geht , so wollen wir einstweilen unter r die Schwingungsgeschwindigkeit verstehen. Fur die Verluste an lebendiger Kraft gilt alsdann die Beziehung :

die ersichtlich mit der entsprechenden Gleichung oben im Ein- klang steht. Beide Seiten lassen sich durch Differential- quotienten ersetzen.

Eine ganz ahnliche Beziehung muss naturlich auch fur den Uebergang von lebendiger Kraft vom Pendel auf die an- grenzende Luftschicht gelten, wobei freilich anf die verschieden grossen Massen zu achten ist und dem Pendel etwa der Werth P beigelegt werden moge. Nun heisse, wie oben, die Pendel-

1) Ueber eine anschauliche Ableitung dieses Ausdruckes vgl. E. K e t t e l e r , Theor. Optik, p. 52.

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Pendel tn, Luft als I4’ellenerre.qer und als Resonator. 81

masse p’; der von ihr wahrend der Zeit d t erlittene Energie- verlust iibertragt sich wlhrend des nachstfolgenden Zeitele- mentes auf eine Luftschicht von der Dicke v d t , und deren Masse betragt fur beide Richtungen des Rohres zusammen 2 m f v d t. So entsteht also bei Fortlassung unendlich kleiner Grossen die Bedingung:

Wendet man dieselbe auf die Schwingnngsgeschwindig- keiten der Ausdriicke (lOa) und ( l o b ) fur z = O an und setzt zur Verein fachung ;

so erhalt man: n = a cosx , p = a s inx ,

p ’ A ’ a s i n ( n t + x - A ’ ) c o s ( n t + 2 y - A’) = 2 m f v P sin ( a t + x - A) cos ( n t + 2 % -A) .

Diese Gleichung zerf‘allt dann in die beiden folgenden : p‘Ara= 2 m f v A a = p A 2 ,

Und so ergiebt sich wiederum der Satz, dass, so oft Luftwellen durch Pendelschwingungen erzeugt werden, Luft und Pendel stets ohne Perzogerung zusammen schwingen.

Wie es scheint, hat dieser Satz trotz seiner unmittelbaren Wahrscheinlichkeit wohl noch kaurn allgemeine Anerkennung gefunden. Es liegt in der That fur ein reibungsfreies Pendel die Versuchung nahe, fur y = 0 - und unter Beriicksichtigung von Gleichung (8) - die entsprechende Gleichung

1 A = A . (12)

I7b)

durch die Annahme zu integriren: Q‘= A’cos n t , g = A sin n t ,

also zwischen Pendel und Luft eine Verzogerung von T zu supponiren.

Ware freilich diese Voraussetzung richtig, so wurde ein- ma1 bei Entfernung der einwirkenden Spontankraft (wegen der Unmoglichkeit eines Perpetuum mobile) die erwahnte Ver- zogerung momentan zuriickspringen, andercrseits wiirde in den

Ann. a. Phys. U. Chem. N. F. 68. 6

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82 E. Ketteler.

vorstehenden Energiegleichungen das Vorzeichen beider Seiten das entgegengesetzte werden, sodass also einer Energiezunahme der Luft Energieabnahme des Pendels und umgekehrt ent- sprechen wurde.

4. Die endgultigen Schwingungen. Mittels der Gleichungen(l2) lasst sich jetzt dasjenige Glied der allgemeinen Pendelgleichung (7), welches die Luftschwingungen enthalt, transformiren und so- dann weiter vermoge der Proportionalitat zwischen Aus- schlagen Q , Q’ und Amplituden A, A’ die Amplitude

eliminiren. So ergiebt sich bei Zuziehung der Gleichung (8):

Weiter werde zur Abkurzung gesetzt:

dann lasst sich die Pendelgleichung (7) durch Division mit p‘ auf die definitive Form bringen:

Man ersieht daraus, dass sich Luftwiderstand ztnd Reibung zu einem gemeinsamen und gleichartigen Bewegungshinderniss addiren.

Fur die Bewegung des Pendels gelten dann auch im luft- erfullten Rohre die narnlichen Beziehungen (3) wie im luft- leeren Raume, iiur dass in ihnen uberall yo = q, durch yo’= q, + qw zu ersetzen ist. Sind aber A‘ und A bekannt, so findet sich A mittels der Gleichung (13), und so hat man fur die aus- gesendeten Luftwellen die folgenden Ausdriicke.

Fur die durch die aussere Kraft erzwungenen Wellen:

und fur die durch das abklingende Pendel erzeugten Wellen den einen oder anderen der Ausdriicke:

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Pendel in Luft als Vellenerreger und als Resonator, 83

Die gestellte Aufgabe erscheint darnit gelost.

11. Dae Pendel als Reeonator.

5. Aufstellung der Grundgleichungen. Wahrend das Pendel bisher nach aussen Energie abgab, behandeln wir nunmehr den Fall, dass es von aussen her solche erhalt. Wir denken uns dasselbe wiederum in einem beiderseits langen Rohre, supponiren aber am einen Ende eine Wellenquelle, welche dem Pendel Luftwellen zufuhrt. Letzteres moge dieselben theilweise an sich vorbeilassen, theilweise in sich aufnehmen, es wird dadurch zu Mitschwingungen veranlasst , und deren Gesetze sollen jetzt untersucht werden.

Was den periodisch variirenden Luftdruck in der Rohre betrifft, so wird derselbe in grosserer Entfernung vom Pendel jedenfalls nur zur eigentlichen ,Wellenbildung verbraucht , in einiger Nahe des Pendels wird man aber noch mit dem Um- stande zu rechnen haben, dass auch die Schwingungen des Pendels selbst an der Vertheilung dieses Druckes mitbetheiligt sind. Wenn dann zwar wieder die adiabatische Zustands-

unter P eine der gesammten Druckanderung entsprechende totale Verschiebung der Lufttheilchen verstanden, so wird doch nur ein Theil dieser Druckanderung der der Fortpflanzung von Luftwellen entsprechenden Beziehung :

genugen, der andere Theil dagegen wird zur Verschiebung des Pendels verwandt. Setzt man diesen Restdruck par= - p f und bezeichnet den gesammten Mehrdruck (gegeniiber dem atmospharischen Druck) durch n , so hat man l):

1) E. Ketteler, Wied. Ann. 63. p. 823. 1894. 6 1:

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84 E. Ketteler.

Diese Gleichung moge jetzt erstens auf diejenige Luft- schicht (1, 2) von der Dicke A z angewandt werden, welche unmittelbar an die eine (2) der Pendelflachen angrenzt. Man findet dann fur den Ueberdruck:

und sonach endgiiltig:

Wird sie sodann zweitens auf die beiden Begrenzungsflachen (2, 3) des Pendels selber, deren Abstand A z heisse, angewandt, so erhalt man den entsprechenden Luftuberdruck 9r2 - n3. Der- selbe addirt sich als negative Kraft - als jetziger Luftwider- stand - zu den iibrigen, das Pendel an sich angreifenden Kraften, und so erhalt man diesmal:

Wird das letzte Glied mittels der vorhergehenden Glei- chung vereinfacht und unter Einfuhrung einer neuen Con- stanten C geschrieben:

f A % = C - , PJ m

so ergiebt die Division durch p' schliesslich:

Demnach hat das auf den ,,Luftwiderstand" beziigliche Glied irn Fslle des resonirenden Pendels eine wesentlich andere Form wie im Falle des erregenden. Wahrend namlich bei letzterem die Dichtigkeitsanderungen der Luft (6' p l d z ) zu lieiden Seiten des Pendels in jedem Augenblick entgegen- gesetzt gleich sind, differiren sie hier nur wenig. Und was die Constante C betrifft, so ist m f A z gleich der Masse der vom Pendel verdrangten Luft. Bezeichnen wir sie durch po, so wird:

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Pendel in Juf t als Pellenerreger und als Resonator. 85

d. h. gleich dem reciproken specifischen Gewichte der Pendel- substanz, bezogen auf Luft.

Im Falle des Resonators tritt sonach die negative be- schleunigende Kraft po (P Q j d t2) der Luftmenge po an die Stelle der bisherigen, direct angreifenden ausseren Kraft Zeq t cos n t . l )

6 . Die Schwingungsausdrucke, Brgebniss der Integration. Die einauder entsprechenden Schwingungdormen fur Luft- wellen und Pendel sind jetzt folgende:

sofern der Anfangspunkt der Abscissen z mit dem Pendelorte zusammenfallt .

Ihre Einfiihrung in die Differentialgleichung (20) mit der Bedingung z = 0 ergiebt nach etwas umstandlichen Rechnungen die folgenden Bestimmungsstucke 2):

1) Fuhrt man in Gleichung (20) zwei neue Constanten n* und q ein, die definirt seien duroh die Beziehungen:

80 lasst sich dieselbe auch auf die Form bringen: $4 = (P’+ pol ni P ‘ P ~ = (P’+ ~ ~ ) q ~ .

H. v. H e l m h o l t z hat bekanntlich (Pogg. Ann. 164. p. 582. 1874) Fir die Wechselwirkung zwischen Aethertheilchen und Moleculen die ganz ahnliche Beziehung aufgestellt:

2) Diese Formeln finden sioh schon in meiner Theor. Optik, p. 53, indess sind dieselben dort irrthiimlich auf daa Pendel als Wellenerreger bezogen worden.

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86 E. Ketteler.

Wahrend also beim erregenden Pendel die Verzogerung zwischen Pendel und Luft nach Formel (12) stets gleich Null ist, hangt dieselbe beim resonirenden Pendel ebenso wie die Am- plitude von der Schwirigunyszahl ab.

Es ist bemerkenswerth, dass der Nenner der Amplitude A vtillig iibereinstimmt mit dem Nenner des beziiglichen Aus- druckes (3)) wohingegen die entsprechenden Verzogerungen A zwischen Anregung und Pendel einerseits und zwischen Luft und Pendel andererseits ganzlich verschieden sind. Sie gleichen sich nur in dem einzigen Punkte, dass beide im Augenblick des Verschwindens der Nenner von A' gleichzeitig die un- bestimmte Form erhalten.

Aus der Identitat der Nenner der Ausdriiake (3) und (23) ergiebt sich folgender Schluss. Man denke sich zwei Pendel, das eine im luftleeren, das andere als Wellenerreger im luft- erfiillten Raume, und beide so abgestimmt, dass (nJl = (no)2 und Beide werden dann nach Aufhoren der ausseren Anregung in identischer Weise abklingen und sich zugleich so einrichten, dass die Nenner der beziiglichen Ausdriicke verschwinden. Versetzt man dann das erstere Pendel aus dem luftleeren Raum in unsere Rohre und lasst es als Resonator fungiren, wahrend das zweite nach wie vor Wellenquelle verbleibt, so wird es auf dessen Schwingungen, solange dieselben von aussen her erregt werden, nach Ausdriicken (23) mit einer gewissen Schwingungsweite und Verzogerung reagiren , aber im Augen- blick des Aufhorens der Kraft wird seine Amplitude unend- lich gross und der Phasenunterschied unbestimmt.

Ton den drei wichtigeren Specialfallen q = - go, go = 0 , q = 0 mogen zunachst die beiden ersten kurz erledigt werden. Man findet:

= (qo)2, d. h. (qJ1 = (qJ2 + q, werde.

7. Stationare Schwingungen bei einseitig und doppelseitig ein- f bllenden Tellen. Obigen Formeln sind zunachst einseitige

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Pendel in Zuft als Wellenerreger und als Resonator. 87

Substituirt man in ihnen nunmehr Wellenziige vorausgesetzt. drittens q = 0, so ergiebt sich;

Setzt man darin weiter

so erhdt man die Formel:

oder kiirzer, sofern man G To = g macht:

in welch letzteren Formen man auch das Verhaltniss der Schwingungsdauer TI To durch das Verhkltniss der zugeordneten Wellenlangen All,,, ersetzen darf.

Man ersieht daraus, dass fur n=O, h=v T=m, die Ampli- tude A ' = O und tg A = A = 0 wird. Die Schwingungen des Resonators sind also unendlich klein und erfolgen ohne Phasen- unterschied.

Bei Verkleinerung von h und T wachst A' und erreicht fur A= A,, T= To ein (ungefahres) Maximum im Betrage von

A = A C I G ,

dem sich eine Phasenanderung von A = (7c/2), entsprechend einem Gangunterschied von lI4 A, zuordnet.

Fu r noch kleinere 2' und il nimmt A' wieder ab und er- reicht fur n = co, T= 0 den anderen Extremwerth:

& = B e ,

wobei dann der Phasenunterschied bis zu A = n, entsprechend einer Verzbgerung von 'I2 h, ansteigt.

Nichts hindert nun schliesslich, zur Erregung des Pendels auch zweiseitig gerichtete Wellenziige zu verwenden. Befindet

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88 B. Kette Zer . sich z. B. an jedem Ende des Rohres eine gleiche und gleich- zeitig wirkende stationare Wellenquelle, so lassen sich die zwischen ihnen sich bildenden stehenden Wellen bekanntlich darstellen durch den Ausdruck:

Befindet sich dann dns Pendel am Orte 6 , so muss eben die Differentialgleichung (20) fur diesen Ort erfiillt werclen. Offenbar geniigt es zu dem Zwecke, in dem Ausdrucke fur A’ anstatt A zu setzen:

2 Acos 2 rn 4. Selbstverstandlich wird die Schwingungsbewegung des

Pendels in den Bauchen eine maximale, wahrend sie in den Knoten gar nicht zu Stande kommt. In den ersteren sind bekanntlich die Dichtigkeitsanderungen der Luft verschwindend klein, in den letzteren von endlicher Grosse, doch stets symmetrisch zum Resonator.

In ahnlicher Lage wie das Pendel befindet sich beispiels- weise die Zunge in einer Weber’schen Zungenpfeife; auch sie hat sicb den stehenden Eigenschwingungen des Rolires zu accommodiren.

8. Eine theo?tetische Er.qanzuny. Kehren wir zunachst zum einfachsten Falle stationarer einseitiger Wellen zuriick, so ist das Mitschwingen des Pendels als ein eigentlicher Absorptions- vorgang aufzufassen, etwa gerade so, wie wenn Licht von variabler Brechbarkeit auf eine Schicht von Natriumdampf ge- leitet wird. Und sowie im allgemeinen im letzteren Falle die Amplitude des aus der Natriumschicht austretenden Lichtes eine Verkleinerung erfahrt, so muss Entsprechendes auch beim Pendel statthaben. Dieser Gedanke, der in der That bei Auf- stellung der Grundgleichungen zur Geltung gekommen ist, ist freilich aus der Form der Differentialgleichung (20), die nur

1) Einen lhnlicheri Ausdruck erhalt man bei inconstanten Sch win- gungen, wofern wenigstens die haheren Potenzen von p vernnchlassigt werden diirfen.

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Pendel in Luft als Wellenerreyer wid als Resonator. 89

Differentialquotienten nach t , nicht aber nach z enthalt, sofort wieder herausge fallen. Zu deren Erganzung dient aber die Gleichung (19), die bisher noch gar nicht herangezogen ist.

Man hat namlich weiter zu beachten, dass das Pendel in der Mitte einer Luftschicht von gewisser Dicke als ein Element eines ahnlich zusammengesetzten Mediums aufzufassen ist, wic diejenigen, welche man in der Optik ,,ponderable Medien" nennt, und welchen nicht bloss Absorption, sondern auch Dis- persion zukommt. Pdlt also eine Amplitude A, auf die linke Begrenzung dieses Elementes und tritt sie als verkleinerte Amplitude A, aus der rechten Begrenzung desselben aus, so wird man schreiben diirfen:

A, = A e + k . 6 ~ , ~ & = A e - ~ . d ~ , + ( A , + B & = A ,

wo k einen gewissen raumlichen Extinctionscoefficienten , der sich dem bisherigen zeitlichen q zuordnet, und A die Amplitude der Mittelschicht bedeutet. Gleichzeitig wird aber auch die bisherige Fortpflanznngsgeschwindigkeit v im Innerri des Ele- mentes einen geanderten Werth v' erhalten und damit der Quotient v = vlv' von Eins verschieden werden.

Um diese Verhaltnisse rechnerisch zu verfolgen , geniigt es beziiglich des Druckgefalles 13 p 18 z die Annahme zu machen :

unter b eine von der Pendelform abhangige Constante ver- standen, und diesen Werth neben den Schwingungsausdriicken :

(27) Q = A e - k z cos ?E (t - $) in die combinirten Differentialgleichungen (19) und (20) bei der Bedingung z = 0 einzufiihren. Bei Vernachlassigung der kleinen Grossen k 2 und (v2 - 1) erhalt man dann schliesslich:

Q' = A' cos (n t - A)

worin u' eine neue zusammenfassende Constante ist, wahrend g2 die Reibung darste1lt.l)

1) E. Kette ler , Wied. Ann. 63. p. 823. 1894.

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90 E. Ketteler.

Bildet aber das Pendel mit den angrenzenden Luftschichten ein von der umgebenden Luft verschiedenes ,,diakustisches" Medium, so wird naturgemass auch hier jede einfallende Welle in eine gespiegelte und in eine (von der einfallenden Welle aber nur wenig verschiedene) durchgehende Welle zerfallen. Doch sol1 auf diese Verhaltnisse nicht naher eingegangen werden.

111. Dae Pendel zugleich ale Erreger und ale Resonator.

9. Ruckwirkung der erteugten Wellen; das gswiihnliche Pendel. Dass ein Pendel, nachdem es als Resonator eine gewisse Energiemenge in sich aufgenommen, nach Aufhoren der er- regenden Wellen seine Schwingungen eine mehr oder minder lange Zeit fortsetzt und von da ab als Wellenquelle fungirt, erscheint wohl selbstverstandlich. Ebenso ist klar , dass man das auf einfallende aussere Wellen reagirende Pendel auch mit einer eigenen Spontankraft ausstatten kann , sodass stets Resonanz und Erregung nebeneinander herlaufen. Die nahere Pracisirung dieser Falle gewahrt wohl kaum noch sonderliches Interesse.

Anders freilich liegt der Fall, dass ein Pendel gezwungen wird, auf die von ihm selber ausgesandten Wellen zu resoniren. Es wurde das in mehrfacher Weise erzielt werden konnen. Beschranken wir uns hier auf die Untersuchung des Falles, dass man dem bisher als geradlinig gedachten Rohre eine in sich zuruckkehrende Form gabe. In demselben werden Rich dann stehende Wellen entwickeln und zwar ist leicht ein- zusehen, dass am Pendelorte selbst, unabhangig von der Lange des Rohres, stets ein Schwingungsbauch entstehen muss. Da die Bewegungsrichtung in demselben der des Pendels eiit- gegengesetzt ist, so entsteht so in der That eine schwachende Ruckwirkung seitens der erzeugten Wellen.

Ersetzen wir nunmehr die in sich geschlossene Rohre durch die freien Stromungslinien in der umgebenden offenen Luft, so wird das Besultat das namliche bleiben. Die Diffe- rentialgleichung des gewohnlichen Drehpendels in Luft kann also, wofern wir mit Besse l die eigentliche Reibung des- selben veraachlassigen, keine andere sein als von der Form:

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Pendel in Luft als Wellenerreyer und als Resonator. 91

Darin bedeutet K' das Tragheitsmoment der Pendelmaterie, D das maximale Drehungsmoment der Schwere derselben und B das zugehijrige Drehungsmoment der verdrangten Luft. K reprasentirt, wie man sich ausdriicken kann, das Tragheits- moment einer gewissen, vom Pendel ,,hin- und hergefuhrten" Luftmenge, und W ist die Constante des Widerstandes der Luft.

So ist denn zwar die Berechtigung des Bessel'schen (ersten) Gliedes auch hier anerkannt, indess hat dasselbe eine von der Qeschwiiidigkeit abhangige , wesentliche Erganzung erhalten, deren Einfluss durchweg bei weitem uberwiegen durfte.

Muns te r i. W., December 1898. (Eingegangen 21. Mtirz 1899.)


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