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Page 1: Das Problem der „Ganzheit” in der Biologie

D A S P R O B L E M D E R , , G A N Z H E I T " IN D E R B I O L O G I E

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Prof. Dr HERMAN J. JORDAN (Laboratorimn voor vergelijkende Physiologie der Universiteit, Utrecht)

Der Begriff der ,,Ganzheit" hat sich ziemlich allgemeine Geltung er- worben. Daher droht die Gefahr, dass man ihn misbraucht, d.h. ihn, ohne seinen auf Induktion und Synthese beruhenden Inhalt zu kennen, zur Erkl~i- rung von allen m6glichen Problemen benutzt, und nicht untersucht, ob der Begriff auf das betreffende Problem fiberhaupt angewandt werden darf. So hat man es eine Zeitlang mit dem Begriff der natiirlichen Zuchtwahl auch getan, mit dem man ,,restlos" alle mSglichen Probleme zu 16sen glaubte, ohne zu untersuchen ob der betreffende Einzelfall iiberhaupt in den Bereich der Theorie falle, welche der Begriff zusammenfasste.

Daher ist eine genaue Untersuchung dessen n6tig, was der Begriff ,,Ganzheit" umfasst um derartige Fehler zu vermeiden.

Der Begriff der ,,Ganzheit" ist entstanden aus der Reaktion gegen den reinen Kausalismus in der Lehre vom Leben. Der Kausalismus lehrt, dass, wenn die Teile bekannt sind, auch das Ganze, in casu der Organismus oder das Leben ,,erkl~,rt" ist. Die Teile aber sind bekannt, wenn man yon allen wahrnehmbaren, isolierten Erscheinungen die Ursache kennt, d.h. wenn der kausale Versuch eine Ursache zu entdecken erlaubt, deren Wesen dem Physiker oder dem Chemiker schon bekannt ist. Das Leben wiire also hiernach ,,erkl~,rt", wenn man alle Lebenserscheinungen kausal erkl~iren k6nnte. Diese These ist falsch, was man zeigen kann, selbst wenn man sich auf die konstanten Erscheinungen am erwachsenen Organismus beschr~inkt und die Probleme der eigentlichen Lebensdynamik in Wachstum und Denken ausser Betracht l~isst. Zur Erkliirung des Lebens geniigt nicht die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, sondern sie verlangt auch die Kenntnis der i n t e r k a u s a l e n B e z i e h u n g . Biologie ist nicht die Wissenschaft der kausalen Einzelrelationen, sondern sie ist Systemwissenschaft: was im Organismus als notwendige Bedingung des Lebens dauernd geschieht, be- ruht nicht auf Ursachen ohne weiteres, sondern auf geordneten Ursachen,

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auf kausalen Strukturen. Die Ordnung gleichzeitig wirkender Ursachen und die Succession aufeinander folgender Ursachen ist das kausalbiologische Problem. Die Versuche von DARWIN, HAECKEL und anderen, das Entstehen derartiger Strukturen ohne Zuhiilfenahme wieder anderer kausaler Struk- turen zu erkl~iren, gehSren der Geschichte an. Denn kausale Strukturen kann man nicht als Summe einzelner kausaler Erscheinungen auffassen, da in Strukturen alle kausale Faktoren miteinander in Wechselbeziehung stehen und eben dadurch das bilden, was wir im Laufe dieser Auseinandersetzung als ein ,,Ganzes" kennen lernen werden. Wo Leben ist, da sind alle Teile derart miteinander verbunden, dass solch ein System nicht durch zuf~illiges Zusammentreten einzelner Faktoren erklS.rt werden kann, und ebensowenig kann man die phylogenetische Entwicklung verstehen, durch Annahme zufS.11igen Entstehens einzelner neuer Faktoren; denn solche gibt es im Leben nicht. Alles wirklich Neue miisste immer schon in harmonischer Be- ziehung zu allem schon Bestehenden auftreten. Ein durch phylogenetische Spekulationen postulierter neuer Organismus oder ein neuer Bestandteil yon einem Organismus miisste immer eine in sich geschlossene kausale Struktur sein, fiir deren Entstehen man nicht Einzelursachen in vollkom- mener Unabh~ingigkeit yon einander (,,Zufall") verantwortlich machen kann, sondern h6chstens wieder kausale Strukturen. Das Problem der im Leben gegebenen kausalen Strukturen liisst sich durch historische Hypo- thesen nicht 15sen.

Der Kausalismus dankt sein Bestehen der kausalen Methode, also der Analyse durch das Experiment. Jede Wirklichkeit ist ein unentwirrbares Netz kausaler Erscheinungen, in welchem der Mensch die Einzelbeziehung nur dutch strenge BeschrS.nkung seiner Wahrnehmung auf ein Einzelnes erkennen kann. Bei dieser Beschr~inkung muss jede Vielurs~ichlichkeit (ohne die es keine Wirklichkeit gibt) und vor allem jede Wechselwirkung ausgeschlossen werden. Denn durch Wechselwirkung wird ein jeder kau- saler Faktor in seiner Eigenschaft als Ursache derartig ver~indert, dass es unm6glich wird seine Wirkung als ,,Konstante" festzustellen. Der beste Versuch ist der, bei dem diese Beschr~inkung der Wirklichkeit auf ein kausal Einzelnes am vollkommensten gegliickt ist. Da die Physik im Wesentlichen die Aufgabe hat, reine Beziehung durch ihre Wirkung zu charakterisieren, so darf sie sich auf das Einzelne beschriinken: das Resultat des kausalen Versuchen ist fiir sie denn auch durchaus hinrei- chende Bestimmung dessen, was kennen zu lernen ihre Aufgabe ist. Das gilt aber nicht fiir Systemwissenschaften (Wirklichkeitswissenschaften). Fiir sie ist d".r kausale Versuch lediglich Methode, um durch die Merkmale kausaler Wirkung die Eigenschaften gegebener Faktoren und die Struktur

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dieser Eigenschaften als Beziehungsnetze zwischen sichtbaren Teilen des betreffenden Systems, kennen und unterscheiden zu lernen. Die Analyse abet vermag im lebenden System nur das Wesen isolierter Beziehungen festzustellen; daher ergibt sich die Struktur der Beziehungsnetze nicht unmittelbar aus den Versuchen, sondern erst durch streng wissenschaft- liche Synthese.

Das Gesagte gilt fiir jede Wirklichkeit; allerdings interessiert uns nicht in allen F~illen Wirklichkeit als System und beschrS.nkt sich unser Interesse oft auf Ver~inderungen an einem bekannten System. Wenn wit sagen, ein Eisenbahnungliick sei durch falsche Weichenstellung verursacht worden und daher unzweideutig bestimmt, so ist das ganz einfach ein logischer Fehler. Ausserhalb des Gesamtsystems der Eisenbahn verursacht fal- sche Weichenstellung kein Ungliick, schon deshalb nicht, well es dann gar keine falsche Weichenstellung geben kann. Das Wort ,,falsch" bezieht die Weichenstellung ja schon auf das System. Das Eisenbahnungliick als Geschehen ist bestimmt durch das gesamte Eisenbahnsystem und dutch die yon der Norm des Geschehens abweichende Stellung einer Weiche. Im t~iglichen Umgang kann man sich natiirlich auf die regelwidrige Erschei- nung" beschrS.nken und die Kenntnis des Systems voraussetzen; nicht so abet in der Biologie, deren Aufgabe es gerade ist, das System als solches zu erforschen. Der Organismus (und iiberhaupt jede Wirklichkeit) ist keine Summe yon Versuchsanordnungen, keine Summe isolierter Einzel- faktoren, f('lr welche er im vorigen Jahrhundert angesehen wurde. Auch in der Biologie muss experimentiert werden, auch da muss durch die Ver- suchsanordnung die biologische Wirklichkeit so viel wie m6glich beschr~inkt werden, sodass aus der kausalen Struktur die kausale Einzelbeziehung, die wir erkennen wollen, isoliert wird; d.h. sie muss von gleichzeitigen anderen Wirkungen und von jedweder Wechsehvirkung losgel6st werden. Dadurch abet zerst6rt der Versuch das Netz der interkausalen Beziehun- gen desto griindlicher, je besser der Versuch angestellt wurde. Dieses Zu- sammengeh6ren und sich gegenseitig Beeinflussen vieler Faktoren ver- stehen wir nut dutch eine Methode, dutch welche wit aus zahlreichen richtig erkannten FAnzelfaktoren das Ganze im Geist wieder aufzubauen suchen, das heisst also durch S y n t h e s e.

WAS IST SYNTHESE UND WAS BERECHTIGT UNS ZU SYNTHESE?

Jede Wissenschaft beginnt mit einer Wirklichkeit, die ihr Objekt ist. Diese Wirklichkeit ist zun~ichst undurchsichtig, oder chaotisch. Der Mensch erkennt nur das Einzelne scharf und daher miissen seine Wahr-

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nehmungen ,,methodisch" sein, das heisst sie miissen die Wirklichkeit einschriinken. Die Art wie wir die komplexe bewegte Wirklichkeit ein- schr~inken, um unsere Aufmerksamkeit auf Einzelnem ruhen lassen zu k6nnen, ist es ja, was wir ,,Methode" nennen: wir halten den Film der Wirklichkeit an und engen durch ein Diafragma auf dem Einzelbilde unser Gesichtsfeld dermassen ein, dass wit nut mehr einen ganz kleinen Teil dieses Bildes sehen. Die Kausalisten (Materialisten) verkiindeten nun, dass die Wirklichkeit nichts anders sei, als die Summe der auf diese Weise ent- standenen Einzelerkenntnisse. Das ist naturgemiiss vollkommen falsch. Will man yon der Einzelerkenntnis zum Wirklichkeitsverstehen getangen, so muss man die gemachten EinschrS.nkungen systematisch im Geiste wieder aufheben. Das ist Synthese. Natiirlich darf man bei dieser Operation der Phantasie keinen freien Lauf lassen, sonst erhilt man an Stelle yon Synthese, reine Theorie oder gar Spekulation. Jede sich auf ein komplexes Stiick Wirklichkeit beziehende Analyse ist ihrer Synthese wert, wenn auch die Analyse unvollstS.ndig ist, denn jede Analyse ist unvollst~in- dig. Was niitzte die Analyse des Lichtabgusses der uns umgebenden Wirk- lichkeit, wie sie unsere Retina macht, ohne die Synthese in der Apper- zeption? Dabei ist die Analyse durch die Retina ausserordentlich unvoll- st~ndig, wie die Anwendung jeder Vergr6sserung schon beweist. Die ge- staltmS.ssige Apperzeption Iiefert aber etwas ganz anders als eine Summe von Retinareizen, dadurch, dass sie die durch die Retinaelemente gemachte Trennung in isolierte Teile, durch Einfiigung des sie verbindenden Rela- tionsnetzes, wieder aufhebt. Wissenschaft aber ist nichts anders als rationa- lisierte ~vVahrnehmung, sie muss daher die gleichen logischen Elemente enthalten, also sowohl Analyse als Synthese in unmittelbarer Wechsel- wirkung.

Wissenschaftlichen Wert erhS.lt diese Integration aber erst, wenn sie zu neuen Gesetzmiissigkeiten fiihrt. Das heisst aber sie ist ohne Wert, wenn sie nur zum Aufbau zufS.11iger Konfigurationen fiihrt. Daher ist ihre Voraussetzung, dass die analysierte Wirklichkeit selbst nicht chaotisch ist, keinem Einzelfalle der Konfiguration entsprieht, sondern einem Regel- masse. Immer ist Regelmass das Merkmal bestehender Beziehung. In der Biologie ergibt sich dieses Regelmass von selbst, denn dieses Regelmass in der Konfiguration ist das eigentliche, konstante Merkmal des Lebens. Leben ist ein Gleichgewicht sowohl energetischer als spezifischer Natur, das heisst es beruht auf dem Zusammenwirken vieler Teile, die sowohl quantitativ als qualitativ genau auf einander und nur auf einander abge- stimmt sind.

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DAS LEBEN ALS DYNAMISCHES ENERGETISCHES GLEICHGEWICHT

Ein physikalisches Gleichgewicht ist der Zustand yon einem Minimum an freier Energie in einem System. Diesen Zustand kann der Versuch nur durch strenge Isolierung des betreffenden Systems yore Allgemein- geschehen physikalischer Wirklichkeit herstellen. Biologisch gesprochen bedeutet dieses Gleichgewicht den Tod. Das energetische Gleichgewicht im lebenden Organismus ist dynamisch, es beruht nicht auf einem Minimum freier Energie, sondern auf einer gesetzm~issigen Verteilung der Entfal- tung freier F.nergie. Bei der Analyse, also sowohl im physikalischen als im entsprechenden biologischen Versuche, sorgt der Experimentator fiir das Auftreten eines einzigen Energiegefiilles, zu dem von ihln gewiinschten Augenblicke. Im uneingeschr~inkten Leben aber ist fiir zahlreiche derar- tige Gefiille gesorgt und die synthetische Betrachtung lehrt, dass sie alle zusammen in harmonischer Beziehung zur Erhaltung des Lebens stehen. Die Erscheinungen, die im Sinne eines F.nergiegefiilles verlaufen, sind ge- setzm~issig verbunden mit anderen, die sich im entgegengesetzten Sinne abspielen miissen (Beispiel: der Muskelchelnismus). Dadurch sinken und steigen die Energieniveaus in den Teilen des Organismus, wie die K6rbe in einem Doppelaufzuge, und zwar in gesetzm~issig priiformierter Ab- h~ingigkeit voneinander. Die Teile sind mit Uhren zu vergleichen, die sich in ihrem Ablaufe gegenseitig aufziehen, gegenseitig fiir die notwendige Energie sorgen und sich gegenseitig auf das notwendige Energiemass beschriinken.

DAS LEBEN ALS SPEZIFISCHES GLEICHGEWICHT SEINER TEILE

Bekanntlich wird die Reaktion im Darm durch das Sekretin, welches vor allen Dingen im Duodenum priiformiert vorhanden ist, reguliert. Von der aus dem Magen kommenden Siiure werden kleine Mengen resorbiert, sie 16sen eine entsprechende Menge ,,Prosekretin" auf, diese gelangt als Sekretin in die Zirkulation und Sekretin wirkt wiederum spezifisch reizend auf das Pankreas, nicht auf andere Driisen, die es naturgemS.ss ebensogut erreicht. So lange Siiure im Darm vorhanden ist, erhiilt das Pankreas Reize und sondert doppelkohlensaures Natron ab, sodass eine ganz bestimmte Reak-tion im Darln erreicht wird, deren Notwendigkeit fiir die Darmver- dauung aus den Fermentversuchen zu ersehen ist (siehe in neurer Zeit die Arbeiten von H. J. VONK und Mitarbeitern, I929, I933). Was fiir das Sekretin gilt, gilt fiir alle Teile des Organismus, gleichgiiltig, ob es anatomisch oder aber chemisch oder physikalisch feststellbare Teile sind. Das Wesentliche dieser Konstatierung durch Synttiese ist, dass es fiir das

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VerstS.ndnis des Lebens als Ganzes nicht auf die Ursachen der Erschei- nungen ankommt sondern auf das spezifische Passen pr~iformierter (kau- saler) Eigenschaften strukturierter Teile zueinander. Das bedeutet aber, dass wir neben der Struktur der sichtbaren Teile auch eine Struktur aus Erseheinungen erschlossener Eigenschaften kennen miissen. Diese Strukturen sind innerhalb des lebenden Systems stets vorhanden, es linden sich alle diejenigen Faktoren, die man logisch postulieren muss, alle anderen M6glichkeiten der kausalen Strukturierung fehlen in der Norm, sodass regelwidrige Strukturen, wenn sie auftreten, als Krank- heit erkannt werden k6nnen; ferner kommen derartige Strukturen als Teilsysteme ausserhal,b eigentlichen Lebens nicht vor; es gibt nur Alles oder Nichts: Leben ist immer ein ,,Ganzes". Durch diese Ergebnisse beweist die synthetische Methode ihre eigene Berechtigung und schreitet zugleich zu ihrer eigentlichen wissenschaftlichen Aufgabe, niimlieh der Bildung synthetischer Begriffe. Wit beziehen nunmehr die kausalen Eigenschaften strukturierter Teile auf die kausalen Eigenschaften der anderen Faktoren und sprechen auch dann von ihrem kausalen Zusam- menpassen, wenn die Eigenschaften zunS.chst gar nicht Ursache einer Erscheinung sind. Sekretin liegt mit seinen Eigenschaften bereit, auch zu einer Zeit, in welcher aus dem Magen gar keine Siiure kommt, die neutralisiert werden muss. Sekretin passt zwischen die S~iure des Magens und das doppelkohlensaure Natron des Pankreassekrets, wie das Glied einer Kette zwischen seine beiden Nachbarn und es zwingt diese beiden Faktoren so zusammen zu arbeiten, dass ein fiir den gesamten Prozess der Verdauung notwendiges Resultat entsteht. Das Sekretin, aber auch jeder andere Faktor des Organismus, hat ,Ambozeptorcharakter", wie ich das, unter Verwendung dieses Ausdruckes aus der Immunitiitslehre, ge- nannt habe.

Im Gegensatze zur Physik lernen wit also in der Biologie nicht nur Einzeleigenschaften yon Dingen kennen, sondern die Dinge werden Tr~iger mehrerer bestimnater Eigenschaften, deren Gegebensein wir nur aus ihrer Zugehgrigkeit zu einem System verstehen, oder umgekehrt, aus deren Eigenschaften wit das System als gesetzm~issigen Bestandteil der Natur- wirkliehkeit erkennen. Es gibt keine zuf~illige Summe einzelner Teile, wie DARWIN dachte, sondern nut ein in sich geschlossenes Gewebe ambozep- torartiger Teile, in welchem jeder Tell .ieden anderen in seinen kausalen Eigensehaften voraussetzt. Wiirde man neue Teile einfiigen kSnnen, so miJssten alle anderen Teile in bestimmter Abh/ingigkeit andere Eigenschaf- ten erhalten. In einem Organisationstypus kann das Wort Muskel eine vSllig andere Bedeutung ha.ben als bei einem anderen; zu einem bestimmten

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Muskeltypus aber geh6rt ein volkommen eigener Nerventypus, geh6ren

vollkommen eigene Zentra. Alles dieses passt wieder zum allgemeinen

Organisationstypus; zum Besitze eines Skelettes, oder eines C61oms, oder

eines Schizoz61s. Die Eigenschaften sind dutch das Ganze bestimmt,

welches sie bilden. Der Begriff des ,,Ganzen" ist nichts anders als eine

Abstraktion aus allen diesen Erfahrungen und diesem Begriffe kennen wir

nicht die mindeste mysteriSse Bedeutung zu 1).

Nur die Erkenntnis, dass der Organismus im dargetanen Sinne ein

,,Ganzes" ist, berechtigt dazu, den Erscheinungen, die sich an ihln abspie-

len, neben einer Ursache auch eine Pedeutung zuzuschreiben; dem~ unter

,,Bedeutung" verstehen wit den Einfluss den ein Tell auf die Leistung

eines ,,Ganzen" hat. So ist der Begriff ,,Ganzheit" zunS.chst nur das Koor-

dinatensystem, auf welches wir die Vielheit kausalen Geschehens beziehen

Begriffe, wie ,,Ambozeptorcharakter", ,,interkausale Beziehung" in einer

,,kausalen Struktur" erhalten nut auf diese Weise wissenschaftlichen Wert.

Alle diese Begriffe abet schliessen nirgcnds die Kausalit~it der Einzel-

beziehung aus, sondern sind als synthetische Zusammenfassung vieler

kausaler Einzelbeziehungen zu betrachten. Der friihere Gegensatz zwi-

schen Causae efficientes und Causae finales hat fiir uns iiberhaupt keinen

Sinn. Kausalit~it und Bedeutungslehre (friiher Teleologie genannt) schlies-

sen einander nicht aus.

DAS WACH STU1V[

Wir haben bis jetzt unsere Synthese noch nicht zu Ende gefiihrt, da wir

eine sehr wesentliche Beschr~inkung noch nicht aufgehoben haben. Der

Organisnms ist ja kein sich in der Zeit gleichbleibendes Ganzes, sondern

I) Diese Ausfflhrungen gelten natiirlich in mancher Beziehuug auch ffir Maschinen, allein mit dem grossen Unterschiede, dass Maschinen offene kausale Strukturen sind. Die Verkettung der Teile einer Maschine ist immer irgendwo unterbrochen, nS.mlieh da, wo ein Glied eines Menschen ihr Getriebe beherrscht: der Handgriff, derdem Maschinisten erlaubt, den Gang der Lokomotive seinem \Villen unterzuordnen, das Pedal und die Lenkstange am Fahrrad, das Okular des Mikroskops usw. Keine Maschine behauptet sich selbst gegenfiber uneingeschrS.nkter \,Virklichkeit, keine ist um ihrer sell)st willen da. Man hat von der Maschinentheorie des Lebens gesprochen; es kgnnte aber hgehstens eine ,,Lebenstheorie der Maschine" geben. Denn man versteht die Existenz der Maschine dutch das Leben, nicht das Leben dureh die Maschine. Noch mehr als die Maschinentheorie beruht der Versuch etwa einen Fluss als eine kausale Struktur yon Ganzheitscharakter zu betrachten auf fehler- halter Anwendung des Begriffs ,,Ganzheit". Der Fluss hat keine Ambozeptorteile, die spezifisch zum Ganzen des Flusses passen und nur zu diesem, ein Passen, dessen Spezifizit~t sich aus einer zu postulierenden Vielheit von Eigenschaften offenbaren miisste: welcher Ambozeptor des Flusses sorgt z.B. fiir Regen in seinem Quell- gebiete ?

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I)AS PROBLEM 1)ER GANZIIEIT I 0 ~

er veriindert sich in der Zeit, er wS.chst. Wir haben seine Statik betrachtet, nun mfissen wir zu seiner Dynamik fibergehen.

Bekanntlich gibt es Keime, deren Blastomeren, wennn man sie von einander in einem frfihen Entwicklungsstadimn isoliert, je eine ganze Larve ergeben (z.B. der Seeigelkeim nach H. DRI~SClt). Man betrachtete frfiher den Keim eines Organismus als Summe aller Ursachen ffir die Ent- wicklung des erwachsenen Organismus. Zwei Blastomeren, von denen die eine bei normaler Entwicklung die rechte, die andere die linke H~ilfte des Tieres ergeben wfirde, mfissten dann jeweils die Ursachen gerade ffir eine einzige H~ilfte enthalten und nach Isolierung je ein halbes Tier ergeben. Da dem nicht so war, suchte man nach KrS.ften, welche die gest6rte Ord- hung der Ursachen wiederherzustellen imstande wS_ren. Wir (siehe 1929, S. 369 ff.) haben an Stelle der Frage: ,,wie werden Teile ein Ganzes?" die Frage gestellt: ,,wie kommt es, dass die Blastomeren, die naeh ihrer Iso- lierung sich je als Tr~iger aller M6glichkeiten offenbaren, im normalen Zusalmnenhange mit den Schwesterzellen sich auf die Produktion nut eines bestimmten Teiles beschr~inken?"

Die Entwicklungsmechanik hat da, wo Analyse bisher m6glich war, nit etwas anders gefunden, als kausale Reaktionen eines Teiles auf einen andern. Die Reaktion bestand immer in der Entfaltung von M6glichkeiten, die bei normaler, ungest6rter Entwicklung nicht zur Geltung gekommen wS.ren. Jeder Teil verfiigt also fiber derartige, an sich prS.formierte M6g- lichkeiten und es fragt sich nur, ob sie aktiviert oder unterdriickt werden. Der Inbegriff aller gegebenen M6glichkeiten ist ,,das Ganze" und wir wol- len uns auf die FS.lle beschr~inken, in denen die Blastomeren das ,,Ganze" vertreten, da an diesen F~illen das Prinzipielle am einfachsten darzutun ist. Die Erfahrung lehrt, dass jede Blastomere in dem was sie hervorbringt ~ic~h auf dasjenige beschr:,inkt, was alle andere Blastomeren (und ihre Nachkommen) ihr hervorzubringen fibriglassen. Hierzu ist also eine kau- sale Einwirkung aller Teile auf alle n6tig. Allein jeder Tell wirkt bei dieser allgemeinen Wechselwirkung nieht wie ein Teil einer physikalischen Ver- suehsanordnung, entsprechend seinem S e in als isolierte Zelle. Als solche sind alle Blastomeren einander gleieh und es liesse sich durch die Summe der Wirkungen nichts Spezifisches erkliiren. Dagegen wirkt jede Blasto- mere nach Massgabe ihrer R o 11 e, die sie im Ganzen des wachsenden Keimes zu spielen hat. Diese Rolle aber wird ihr durch die Einwirkung aller ihrer Schwesterzellen auferlegt. Dies ist ein typischer Fall von Wechselwirkung, da jeder Teil den Charakter seiner kausalen Wirkung erst durch die Ein- wirkung aller Teile erhS.lt, die ihrerseits diese Einwirkung leisten, nach Massgabe des Einflusses den sie selbst von allen anderen Zellen empfangcn.

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hn physikalischen Experiment bestimmt die Ursache die Erscheinung, in der Wirklichkeit mit voller, unbeschr~inkter Wechselwirkung aber, werden die Ursachen iiberhaupt erst durch das Netz aller gegenseitiger Beziehun- gen der Teile bestimmt. Isoliert ist jede Blastomere ein ganz anderes System effektiver Ursachen als in Wechselwirkung mit allen anderen Blastomeren.

Jeder kausale Faktor des wachsenden Keimes dankt das Spezifische seiner Wirkung der Gegenwirkung aller anderer Faktoren, die er selbst aber mitbedingt hat. Ffir jeden Wacllstumsschritt und die ihn bedingende Gruppierung der Ursachen in allen Teilen des Keimes ist daher ein unge- mein kompliziertes Netz von Beziehungen verantwortlich, welches prak- tisch zu entwirren noch sehr viel Arbeit kosten wird. \Vir miissen uns auf diese Andeutung seines ~Vesens beschriinken. (;erade dieses Netz yon Relationen und zwar in seiner vollen Dynamik, soll der Begriff des ,,Gan- zen" bezeichnen. Die statische Form unseres Begriffes, mit der wir uns im ersten Teile dieses Aufsatzes heschS.ftigt haben, entspricht der Ver- einfachung, die das an sich gleiche System, nach Aufh6ren des Wachstums, durch sein Verhalten zu erkennen gibt. Der letzte Wachstumsschritt hat die definitive Ordnung ergeben, welche die Basis des geordneten Geschehens bildet, die wir die Physiologie des erwachsenen Tieres nennen. Die Teile, welche in gegenseitiger kausaler Gebundenheit, das Wachstum bedingten, erzeugen nun, in vereinfachter kausaler Bindung, die Funktion. Die inter- kausalen Relationen, die kausalen Strukturen, welche die physiologischen Funktionen des Erwachsenen beherrschen, sind ein Produkt der Wachs- tumsgesetze, die denn auch die eigentliche Basis der interkausalen Bezie- hung sind. {)brigens ist nirgends die Grenze zwischen der dynamischcn (Struktur und Ursachen bestimmenden) und der statischen (die Erschei- nungen bestimmenden) Wirkung kausaler Strukturen scharf. Auch bei er= wachsenen Organismen kann man von ,,morphostatischen" und daneben von ,,morphokinetischen" Erscheinungen sprechen. Bei den ,,morphostati- schen" Funktionen ist die Zellstruktur statisch gedacht, bei den ,,morpho- kinetischen" a,ber dynamisch. Zu diesen letzteren geh6rt die Sekretion durch Driisenzellen vieler Wirbelloser. Hier niimlich wS.chst die Driisenzelle mit dem reifenden Sekret, um oft bei der Absonderung ganz oder teilweise abzusterben und ausgestossen zu werden. Vielleicht wird man einmal im- stande sein auf Grund gewisser Analogien zwischen den Leistungen des Grosshirns und den Erscheinungen des Wachstums, dasjenige, was in den Zellen des denkenden Grosshirns geschieht auf ~ihnliche Weise dem Verstiindnisse niiher zu bringen. Wenn es sich hierbei um morphokinetische Prozesse handelte, so wiirde das bedeuten, dass auch hier wS.hrend der

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Funktion neue Strukturen, d.h. neue Konfigurationen von Ursachen ent- stiinden. Ob iiberhaupt Zellleistungen auftreten, ohne dass zugleich wachs- tmnartige StrukturverS.nderungcn in den Zellen stattfinden, ist eine zur Zeit unl6sbare Frage.

Das Wesen einer dynamisch kausalen Struktur ist nach dem (;esagten dadurcti gegeben, dass sie getragen wird durch ein System (ein ,,Ganzes"), welches aus Gliedern besteht, die wesentlich mehr M6glichkeiten vertreten, als im Einzelfalle zur _Kusserung konmaen. Im extremsten Falle, den wir als Beispiel w~ihlten, vertritt jedes Glied potentiell das Ganze. Bei solchen Gliedern sprechen wir, bei Beobachtung z.B. des normalen Wachstums, yon spezifischen Eigenschaften. Allein wir wissen, dass diese Eigenschaften dadurch entstehen, dass jedes Glied sich auf die Entfaltung nur ganz be- stimmter M6glichkeiten beschrS.nkt. Bei einer Lokomotive sind die Teile echte Teile, d.h. ihr ,,Sein" als Teile der Maschine und ihre ,,Rolle" inner- halb der Maschine sind identisch. Bei der ,,lebcnden Lokomotive" dahin-' gegen sind im Prinzipe die RS.der kleine Lokolnotiven, die sich auf das Radsein beschriinken. Innerhalb der menschlichen Gesellschaft linden wir analoge Beziehungen. Ein Schuhmacher ist in erster Linie ein Mensch, der im Prinzipe alle M6glichkeiten in sich vereinigt, die einem Menschen gegeben sind : er beschrS.nkt dieses ,,Sein" aber auf seine ,,Rolle" als Schuh- macher. Auch diese Beschriinkung findet, wenigstens bis zu einem gewis- sen Grade, statt unter Einfluss der anderen Mitglieder des sozialen Ganzen, durch welche die M6glichkeit, um sich als. Schuhmacher zu ern~ihren, be- dingt wird. Da wo zu wenig Schuhe gekauft werden oder woes schon zu viele Schuhmacher gibt, wird als Regel niemand Schuhmacher werden.

Durch die Wechselwirkung, die das kausale Geffige eines Ganzen be- herrscht, verlieren die kausalen Einzelfaktoren ihre Wirkungskonstanz und daher ihre SelbstS.ndigkeit. Das eigentlich Wirksame mit mehr oder weniger voraussagbarem Resultate ist das Netz aller gegenseitiger Be- ziehungen, welches wir beschrieben haben. Diese Betrachtungsweise dtirfte in der Geschichte eine grosse Rolle zu spielen berufen sein, wie fol- gendes, als Scherz gedachtes Beispiel zeigen m6ge. Ein K6nig hat seinem Nachbark6nig den Krieg erklS.rt. In den Geschichtsbiichern ist der K6nig die Ursache dieses Krieges. Wenn wir nun aber wiissten, dass der K6nig nur darum den Krieg erkliirt hat, weil er schlecht gelaunt war und dass er schlecht gelaunt war, weil ihm sein Schuhmacher Schuhe geliefert hatte, die ihm weh taten, mi.issten wir dann nicht den Schuhmacher als Ursache des Krieges annehmen ? Offenbar doch auch nicht. Isoliert kann ein Schuh- macher keinen Krieg hervorrufen, sondern nur in Wechselwirkung mit dem K6nig. In dem Hofschuhmacher steckt bis zu einem gewissen Grade

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auch der K6nig, wie in unserem Falle im K6nig auch der Schuhmacher. Man wiirde auch sagen k6nnen : das eigentlich Wirksanae ist der Beziehungs- laden zwischen K6nig und Schuhmacher. Aber auch der K6nig ist kein isolierter kausaler Faktor, er wirkt nicht entsprechend seinem Sein (also als Mensch) sondern auf Grund aller Beziehungsf~iden, die ihn lnit allen Faktoren seines Reiches verbinden, also entsprechend seiner Rolle als K6nig. Das ist ja die Bedeutung des Begriffs ,,Rolle" ; denn die Rolle eines Schauspielers ist die Synthese aller Beziehungen seiner Person zum Ganzen des Stiickes, in welchem er auftritt. Das Pers6nliche im guten Schauspieler wirkt nur mit bei der Mitbestimmung dieser Relationen, sowie ja auch der Schuhmacher und der K6nig in unserem scherzhaften Beispiele pers6n- lich (dutch Anfertigung schlechter Schuhe und durch allzu sanguinische Reaktion auf Schmerz) das ihrige zum Aufbau des Relationsgefiiges des Ganzen beitragen.

Das Gemeinsame aller dieser Erscheinungen ist, dass Teile (Zellen oder Individuen) in anderen Teilen jeweils diejenigen M6glichkeiten aktivie- ren, die zu den in ihnen selbst verwirklichten M6glichkeiten passen. Alle M6glichkeiten sind prS.formiert; sie beruhen auf Gruppierung kausaler Faktoren, einer Gruppierung, die in intellegibler Beziehung zur Existenz des ,,Ganzen" steht. Aber auch die Zusammengeh6rigkeit von allem was dutch Aktivierung und Unterdriickung von diesen M6glichkeiten verwirk- licht wird, gibt sich zu erkennen, wenn wir die Resultante von allem logisch auf die Existenz des Ganzen beziehen. Ein ,,Ganzes" ist ja gerade dadurch charakterisiert, dass ihm keine zu seinen LebensS.usserungen notwendigen Bestandteile fehlen und dass Elemente, welche nicht in seine Ordnung passen, aueh nicht voa-handen sind.

Immer wieder ergibt sich aus dieser Synthese, wie die Einheit der Wir- kung eines Beziehungsganzen an die Stelle der analytischen Vielheit kau- saler Xu tritt, ohne dass dadurch ein Widerspruch zwischen Kausalismus und Ganzheitslehre entstfmde. Auf der Basis dieser Ablei- tung ist man vollkommen dazu berechtigt zu sagen: ,,die Natur oder etwa der Staat tut dieses oder .ienes", trotzdem ja in Wirklichkeit Molekiile und Atome wirken und Individuen handeln oder tun. Aber die Wirkung des Einzelnen geht in der Wirkung des Ganzen unter, da jene von dieser ab- hS.ngig ist. Es ist Geschmackssache, ob man sieh mehr dafiir interessiert, dass es iiberall einzelne kausale Wirkungen durch Wechselwirkung be- stimmter Ursachen gibt, oder dafiir, dass letzten Endes die Lebenserschei- nungen aus einem einzigen Ganzen entspringen. Zur Erzielung eines wissenschaftlichen Zweckes muss man sich Beschr~inkung auferlegen, das heisst, sich einer Methode bedienen; man darf aber aus dieser Beschr~in-

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DA,R PROBLEM DER GANZHEIT l I I

k u n g k e i n e ,,Weltanschauungen" m a c h e n , w i e es d e r K a u s a l i s m u s u n d d e r

V i t a l i s m u s g e t a n h a b e n . Fi.ir e ine e m p i r i s c h e W i r k l i c h k e i t s l e h r e g i b t es

w e d e r K a u s a l i s m u s , n o c h V i t a l i s m u s .

L I T E R A T U R

E i n i g e A r b e i t e n des V e r f a s s e r s a u f d e m h i e r b e h a n d e l t e n G e b i e t e :

JORDAn, H. J., i929. Allgemeine vergleichende Physiologie der Tiere. Berlin, W. de Gruyter & Co.

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VONK, H. J-. und H. P. WOI.VEKAMP, I929. Z. physiolog. Chem., I82, S. 175 ff. VONK, H..L, P. A. 1,b~v.t.ovsE,',r & C. RomjN, ~933. Ibid., 218, S. 33 ff.

S U M M A R Y

Life as a complicated process is composed of causal phenomena. But even if we know the reasons of all that happens in a living organism, we do not know what life really is. The problem of intercausal relation, of "causal s t ructure" remains. The reason why a process takes place, must be found by analysis, causal structures are found by synthesis of the results of this analysis. Causal structures are charac- terized by two kinds of equil ibrium: energetic and specific equilibrium. A state of physical equilibrium is characterized by a minimum of free energy; a biological energetic equilibrium is an organized one, where the vital factors activate the pro- duction of energy, by each other and force each other to limit that production to the necessary measure. A specific equilibrium is characterized by the properties of its factors, properties by which those factors act as a cause af te r having received a specific stinmlation. Every factor possesses two (or more) specific properties, in accordance with the properties of two neighbouring factors, as a link between two other links in a chain ("amboceptor-character": e.g. secretine between hydrochloric acid f rom stomach and sodium bicarbonate f rom the pancreas). Both forms of equilibrium authorise us to speak of living systems as a "whole". In the second part of this paper we treat the dynamic aspect of the functions of living systems as a "whole". This dynamic aspect manifests itself in growth and probably in cortical functions. Blastomeres represent, when isolated, the "whole" of growing potentialities of a germe. In normal contact with each other they restrict themselves to produce a part of that "whole", in harmony with that which other blastomeres produce. This harmonious restriction can be explained by interaction between all the blasto- meres by which every blastomere suppresses in other blastomeres all tbat it will produce itself. Blastomeres must therefore act on other blastomeres not according to thei r isolate "being", but according to the influences which they undergo by all o ther blastomeres, that means according to their "r61e". There must be a causal net of interaction between all the blastomeres and that net "as a whole" determines every step of growth. Such a net of relation determines also hmnan history and

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I I 2 H. J. JORDAN~ DAS PROBLEM DER GANZHEIT

sociology. Materialism only took account of isolated causes, vitalism only of the effect of the net of causal relations without understanding that such a net might be analysed. In reality there is neither materialism nor vitalism.

R I ~ S U M I ~

La vie est un pla~nom6ne complexe, se composant de diff~rents ph6nomOnes causals, qui un jour peut-C.tre seront r~duits ~. la causalit~ physique et chimique. Cependant connaitre toutes les causes de~ ph6nomc)nes vitaux ne signifie pas con- naitre la vie. Le probl~me de la vie ne se borne pas aux rapports causals, mais im- plique surtout les rapports intercausals, c'est ~. dire l'harnaonie ou l'~quilibre de ses parties constituantes. La vie comme ph6nomc)ne est provoqu~e par une ,,structure causale". Tandis que les causes sont trouvt;es par l'analyse, les rapports intercausals doivent &re recherchc~s par la synth@se, c'est- 't-dire par la r6construction de la r~alit~ de l 'organisme vivant eta se servant des donn~es analytiques. Le syst~me vivant est eu ~quilibre 6nerg~tique et sp6cifique. Les facteurs ~nerg&iques sont interlaces de telle facon, qu'ils s'activent entre eux et qu'ils se forcent entre eux se resteindre au d~veloppement de l'~nergie n6cessaire. Un ~quilibre physique c'est l'~tat d'~nergie libre minimum, tandis que l'6quilibre biologique c'est un ~tat d%nergie organis~e. Dans un ~quilibre sp~cifique on ne peut se bor,aer aux effects causals se manifestant par un ph~nom~nc. I1 faut d~crire les rapports des propri~t~s sp~cifiques de tous les facteurs; ce sont ces propri6t~s qui leur pcrmetteut d'agir comme cause, lorsqu'-ils sont atteint d'une excitation sp6cifique. Les facteurs poss~dent au moins deux propri6t6s sp~cifiques, adapt~es ~. deux facteurs voisins, comme chaque anneau d'une chaine s'adaptant ~ deux anneaux voisins (,,caract6re d 'amboccpteur"; exemple: la s~cretine s'adaptant d'un c5t6 ~. l'acide contenu dans le duodenum et de l'autre cSt~ au bicarbonat de soude du pancreas). Le fair clue l'on trouve dans chaque individu ces deux formes d'~quilibre (~quilibre d'6nergie et ~quilibre sp~cifique) nous donne le droit de cr6er le concept du ,,tout" par rapport auquel on peut constater l 'harmonie de tous les facteurs.

C'est 1~. le ,,tout statique", reste encore le ,,tout dynamique" qui se manifeste par la croissance et probablement par les ph6nom~ues se produisant clans l'r c~r,5- brale, base des actes psychiques. Le~ parties (en ce cas special les cellules) repr~sen- tent beaucoup de possibilit~s qui ne se r~alisent pas; p.e. les blastombres peuvent representer le ,,tout" de l'organisn.ae, tandis qu'ils se horneront dans la croissance normale ~. la production d'une part de l'individu. II y a une interaction entre tous les blastom~res, de fa~on que, par la suppression ou par l'activation mutuelle, chaque partie r6alise ce que lui ]aissent les autres et ce qui est en harmonie avec ce clue produiront les autres. De cette fa~ou il y aura de l 'harmonie darts tout ce qui sera produit. Les parties agissent par cette interaction, non selon leur ,,t~tre", en tant clue cellule isol~e, mais selou leur ,,rSle" dans le ,,tout" du germe, rSIe qui est d~termin~ par cette interaction mutuelle universelle. C'est cette interaction qui d~ter- mine le ,,patron causal", responsable de chaque frappe de la croissance. Ainsi ce ne sont pas les facteurs isol6s, mais le r~seau des rapports 6tablis entre t o u s l e s facteurs, qui gouvernent les ph~nom~nes de la ~ croissance. Ce r~seau, par activatiolz ou par suppression, d~termine ~ chaque instant les propri~t~s causales des parties, d 'entre toutes les multiples possibilit~s. Les possibilit~s ~tant donn~es dans les cel- lules, c'est le ,,tout" du r~seau des rapports qui d~termine la croissance. Le mat~ria- lisme n'a vu que les causes isol~es, relies qu'elle~ sc manifestent dans les exp6riences des physiciens, grace ~. la teclmique; le vitalisme n'a vu que le ,,tout", sans t,tcher de l 'analyser afin de trouver ~ sa base le syst,~me causal compliqur que nous avons tach6 de d~crire. Dans la r~alit6 la th~orie du causalisme (mat6rialisme) ni celle du vitalisme le tiennent plus de bout.


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