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Das Problem der Inder in der Südafrikanischen UnionAuthor(s): KURT STEINBERGSource: Archiv des Völkerrechts, 7. Bd., 1./2. H. (Juli 1958), pp. 68-87Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40796154 .

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Das Problem der Inder in der Südafrikanischen Union

Von Dr. KURT STEINBERG Oberlandesgerichtsrat a. D. Johannesburg, Südafrika

i. Die Entwicklung und Bedeutung der Inder-Frage in Südafrika

Das Problem der Inder in Südafrika ist älter als die Südafrikanische Union. Es bestand - mit Ausnahme des Oranje-Freistaats - bereits in den Landesteilen, die sich im Jahre 1910 zur Union zusammenschlössen. Die Anfänge des Problems reichen in die Zeit zurück, in der die ersten Inder südafrikanischen Boden betraten und in dem Teil der Union angesiedelt wurden, der die damalige Kolonie und heutige Provinz Natal bildet. Die Inder-Frage ist in den über hundert Jahren trotz großer Anstrengungen einer Lösung nicht näher gebracht worden. Der Konflikt zwischen Braun und Weiß hat vielmehr an Schärfe zugenommen, ebenso wie der Gegensatz zwischen Weiß und Schwarz.

Die Inder bilden einen Teil der asiatischen Bevölkerung der Union („Asia- tics"). In den Statistiken werden die Inder gewöhnlich nicht besonders auf- geführt; sie sind in dem weiteren Begriff „Asiatics" aufgegangen, die einen Teil der coloured oder non-white Bevölkerung bilden. Auch in der Gesetz- gebung finden wir selten Ausnahmegesetze, die sich ausdrücklich gegen die Inder richten. In älteren Gesetzen (ζ. Β. im Transvaalgesetz Nr. 3 aus dem Jahre 1885) werden die Inder „Coolies" genannt; die Bezeichnung wird im Sprachgebrauch auch heute noch auf Inder angewendet, obwohl die „Coo- lies" nur die niedrigste Schicht der Inder bilden1). Aus der Gesetzgebung ist der Ausdruck inzwischen verschwunden. Häufiger wird der Begriff

1) Kaper y Changes in Caste of the South African Indians. Race Relations Journal Nr. 4 (1955) S. 18 ff. Vgl. auch Walker, A History of South Africa, 1947, The Indians in South Africa, State Information Office 1947 und Handbook of Race Relations in South Africa, 1949.

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„Asiatics" oder der weitere Begriff „Coloureds" verwendet. Zu den Asiatics gehören außer den Indern, die den größten Bestandteil dieser Gruppe aus- machen, auch die kleine Schicht der Chinesen, die vor allem in Transvaal, sowie die Malayen, die hauptsächlich in der Kap-Provinz leben. Juden und Libanesen - in vieler Beziehung auch die Malayen - sind von den gegen die Asiatics erlassenen Sondergesetzen ausgenommen.

Zahlenmäßig ist das Problem der Asiatics - das bedeutet hauptsächlich das der Inder - von geringer Bedeutimg für Südafrika, mit Ausnahme der Provinz Natal2). Im Jahre 1904 lebten in der Union 11 16 806 Europäer, 122734 Asiaten und 3491 056 Natives oder Bantus, worunter die eingeborene schwarze Bevölkerung zu verstehen ist. Im Jahre 1936 war die Zahl der Europäer auf 2003857 gestiegen, während die Zahl der Asiaten 219 691 be- trug. Im Jahre 1951 befanden sich in der Union 2643 187 Europäer, 365524 Asiaten und 8535341 Natives3). Gegenwärtig wird die Zahl der Asiaten in der Union auf 410000 geschätzt4). Die Hälfte der asiatischen Bevölkerung lebte bereits im Jahre 1936 in der Stadt Durban; hieran hatte sich bis zum Jahre 1951 nichts geändert5). Nächst Natal ist Transvaal die für die Inder wichtigste Provinz. Hier lebten im Jahre 195 1 1 205458 Europäer gegenüber 48892 Asiaten. Im Oranje-Freistaat gab es im Jahre 1951 nur 16 Asiaten. Zahlenmäßig ist das indische Problem nur in der Provinz Natal von Bedeu- timg. Man hat es, mit einiger Übertreibimg, ein Problem der Stadt Durban genannt6). Im Oranje-Freistaat besteht aus später zu erörternden Gründen keine Inder-Frage. In Transvaal geben die Zahlen dagegen nur unvollkom- menen Aufschluß über die Bedeutimg des Inder-Problems.

Es ist nicht möglich, das Problem der Inder vom Anfang an einheitlich für Südafrika zu behandeln. Die Entwicklung in einem Teil der späteren Union weicht von der in anderen Teilen ab. In den einzelnen Landesteilen ist nicht nur die Zahl, sondern auch die wirtschaftliche Bedeutung der Inder ver- schieden. Die Darstellung über die Entwicklung des Inder-Problems muß daher nach den heutigen Provinzen getrennt werden, wenn auch nicht ver- kannt werden darf, daß das Problem seinem Wesen nach das gleiche ist. Es ist eines der Rassenprobleme, die als schwere Hypothek die Zukunft der Union belasten, ihren inneren Frieden gefährden und ihrem internationalen Ansehen schaden. Es kann nur dann richtig gewürdigt werden, wenn man auch seinen Zusammenhang mit anderen Rassenproblemen berücksichtigt. Zugeständnisse, die heute den Indern gemacht werden, können später den Natives, wenn sie eine höhere Entwicklungsstufe erreicht haben, nicht ver-

2) In Natal wohnten im Jahre 1936 190549 Europäer und 183 661 Asiaten, im Jahre 195 1 274468 Europäer und 299068 Asiaten.

Ï) Official Yearbook of the Union of South Africa Bd. 26 (1950) S. H57 ff. 4) Survey of Race Relations in South Africa 1954/55 S. 49. 5) Indian Imbroglio 1947 S. 90. 6) Indian Imbroglio S. 90.

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weigert werden. Diese Überlegung war und ist den Staatsmännern der Union bewußt. General Smuts hat wiederholt auf diesen Gesichtspunkt hingewie- sen. Nirgends manifestiert sich der Zusammenhang zwischen den farbigen Rassen stärker als in der Tendenz zu einer Einheitsfront und zu gemein- samer Abwehr7), wenn es auch verfehlt wäre, von organisiertem Widerstand zu sprechen8). Trotz der Verbundenheit mit den übrigen Rassenproblemen der Union weist aber die Inder-Frage Besonderheiten auf. Die Inder sind, ungleich den Schwarzen und Coloureds, ursprünglich von einem anderen Erdteil gekommen; allerdings waren bereits im Jahre 1936 etwa 80% der indischen Bevölkerung in der Union geboren und besaß deren Staatsbürger- rechte. Ihre wirtschaftliche Entwicklung ist weiter fortgeschritten; sie stehen kulturell auf einer höheren Stufe. Jede Andersbehandlung wird von ihnen als Entehrung empfunden, auf die sie mit großer Bitterkeit reagieren. Es kommt hinzu, daß die Inder zu allen Zeiten den mehr oder minder wirk- samen Schutz des Imperial Government und der Indischen Regierung ge- nossen haben; er wird ihnen seit der Unabhängigkeit Indiens weiterhin in wirksamer Weise zuteil. Obwohl das Native-Problem in der Union potentiell das bedeutsamere ist, steht in der Gegenwart doch die Inder-Frage im Vor- dergrund des Interesses.

Wenn hier das Hauptgewicht auf die Behandlung des Inder-Problems in Gesetzgebung und Rechtsprechung gelegt wird, so darf die dadurch hervor- gerufene Einseitigkeit nicht verkannt werden. Es ist nämlich zu berücksich- tigen, daß die oft harten Gesetze entweder kaum oder nur zögernd angewen- det, während umgekehrt mitunter fehlende Ausnahmegesetze durch eine Ausnahmebehandlung seitens der Verwaltungsbehörden ersetzt worden sind.

2. Die Inder-Frage in den südafrikanischen Kolonien und Freistaaten

a) Natal Das Inder-Problem hat seinen Ursprung in der Kolonie Natal. Seit den

vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde in immer stärkerem Maße das Verlangen laut, an Stelle der eingeborenen Arbeiter „Coolies" aus Indien einzusetzen; es wurde vor allem von den Besitzern der Zuckerplantagen er- hoben, die einen Druck auf die Regierung ausübten. Die bestehenden Ar- beitsschwierigkeiten hatten ihren Grund in der Unzuverlässigkeit und viel- fach auch in der Arbeitsunwilligkeit der schwarzen Bevölkerung, die keine Vorstellung von der Bedeutung eines Arbeitsvertrages hatte und häufig ihre Arbeitsstelle in der kritischsten Zeit des Jahres verließ, um in ihre Kraals

7) C. W. de Kiewiet, Fears and Pressures in the Union of South Africa, Race Rela- tions Journal Nr. 4 (1955) S. 6 if.

8) Survey of Race Relations 1945/55 S. IV.

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zurückzukehren. Was die Zucker- und Tee-Farmer aber brauchten, war eine stetige und zuverlässige Arbeiterschaft, wie sie weder in der Kolonie noch in ihrer Nähe außerhalb ihrer Grenzen zu finden war. Die Inder wurden wegen ihrer höheren Entwicklungsstufe für geeignet gehalten, dem Arbeiter- mangel abzuhelfen, zumal auch das Klima im Küstengürtel Natals einer indischen Einwanderung günstig war. Hinzu kam, daß sich die Inder bereits in anderen Teilen des Britischen Reiches (z. B. in Mauritius) auf Zucker- und Tee-Plantagen bewährt hatten. Dem Drängen der Zuckerfarmer fol- gend, wandte sich die Regierung der Kolonie an die Königliche und durch sie an die Indische Regierung, die nach anfänglicher Ablehnung gewisse, in anderen Teilen des British Empire bereits angenommene Mindestbedin- gungen hinsichtlich des Schutzes indischer Arbeiter stellte. Im Jahre 1859 verabschiedete der Gesetzgebende Rat der Kolonie Natal drei Gesetze, von denen das Gesetz Nr. 14 die Einwanderung indischer Arbeiter, der so- genannten „Coolies", zuließ, für die die Natal-Regierung einen Teil der Reisekosten zu tragen oder vorzulegen hatte, und das Gesetz Nr. 15 die An- dingung indischer Arbeiter durch die Arbeitgeber in Natal auf deren Kosten gestattete.

Die indischen Arbeiter kamen als sogenannte „indentured labourers", die, bevor sie Indien verließen, Dienstverträge besonderer Art, die sogenannten „indentures", zu unterzeichnen hatten. Dieser Vertrag war kein Dienstver- trag im modernen Sinne und fußte auf ähnlichen Bedingungen, wie sie in anderen Teilen der britischen Besitzungen, besonders in St. Lucia und Mau- ritius, galten. Was dem System der indentured labour sein eigentümliches Gepräge gab, war die relative Unfreiheit der Arbeiter während der Vertrags- periode. Sie durften sich, ohne Erlaubnis des Arbeitgebers, nicht einen Tag von der Arbeitsstelle entfernen; andernfalls setzten sie sich Geld- und Ge- fängnisstrafen aus und verwirkten einen Teil ihres Lohnes. Die strafrecht- liche Sanktion eines zivilrechtlichen Vertrages gehört zu den anfechtbarsten Bestimmungen dieser Gesetzgebung. Das System stellte eine Zwischenstufe zwischen der noch nicht lange abgeschafften Sklaverei und dem freien Ar- beitsvertrag in seiner heutigen Gestalt dar; von der Sklaverei unterschied es sich durch die gesicherte Erwartung des Betroffenen, nach fünf Jahren harter Arbeit ein freier Mann zu werden und sich wie alle anderen Arbeiter zu verdingen. Nach zehnjährigem Aufenthalt in der Kolonie konnte der „Coolie" Rückschaffung nach Indien auf Kosten der Natal-Regierung ver- langen. Statt der freien Rückfahrt konnte ihm auf seinen Wunsch ein Stück Kronland im Wert der Rückfahrtkosten zugewiesen werden. Hinzu kam, daß die Arbeiter in Indien durch bezahlte Agenten der Natal-Regierung an- geworben wurden. Trotz einer Überwachung der Anwerbung blieben Miß- bräuche nicht aus, zumal die Agenten nach der Zahl der angeworbenen Ar- beiter bezahlt wurden. Die getroffene Auswahl war namentlich in den ersten Jahren ungünstig; neben landwirtschaftlichen Arbeitern, die man vor allem

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benötigte, wurden auch Priester, Bettler sowie kranke und invalide Personen angenommen.

An Schwierigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hat es nicht gefehlt. Rückkehrende Inder beklagten sich über die ihnen widerfah- rene Behandlung bei der Indischen Regierung. Die Beschwerden gingen so weit, daß sich die Natal-Regierung im Jahre 1872 gezwungen sah, eine Kommission einzusetzen, die eine ganze Reihe von Mißbräuchen feststellte und Abänderungen vorschlug, im ganzen aber die Ansicht vertrat, daß das System als solches nicht versagt habe und von einer systematischen Schlecht- behandlung der Inder nicht gesprochen werden könne. Das Aufblühen der Kolonie, namentlich ihres Küstengürtels mit seinen Zuckerplantagen, wäre ohne die Arbeit der Inder undenkbar gewesen. So unentbehrlich waren sie geworden, daß die Nachfrage nach indischen Arbeitern nach Überwindung der Krise der Jahre 1 866-1 874 ständig zunahm. Andererseits ist festzustel- len, daß das Rasseproblem in Südafrika sich durch die Einwanderung der Inder verschärft hat.

Zur Entstehung des Inder-Problems gab Anlaß nicht das System der „indentured labour", sondern die Anwesenheit der sogenannten freien In- der; es handelte sich dabei einmal um „Coolies", deren Vertrag abgelaufen war, zum anderen um die nicht sehr große Anzahl von Indern, die als freie Händler - sei es von Indien, sei es von Mauritius - eingewandert waren. Da sich die Konkurrenz der „freien Inder" bald bemerkbar machte, wendete die weiße Bevölkerung Südafrikas sich schon früher gegen die Anwesenheit freier Inder. Die Indian Immigrations Commission stellte in einem Bericht vom Jahre 1885 fest, daß die öffentliche Meinung in der Kolonie sich nicht gegen die Anwesenheit von Indern als Arbeiter, sondern nur gegen das Ver- bleiben der Inder nach Ablauf des fünfjährigen Vertrages richtete; die Mei- nung gehe dahin, daß die Inder nach Erlöschen der Verträge nach Indien zurückgesandt oder ihre Arbeitsverträge verlängert oder aber die Inder durch Beschränkungen in einer untergeordneten Stellung gehalten werden sollten, was den von der Regierung vor der Einwanderung übernommenen Ver- pflichtungen jedoch widersprochen hätte. Nachdem der Kolonie im Jahre 1893 „responsible government" gewährt worden war, wurde, um die Inder zu bewegen, nach Ablauf ihres Dienstvertrages die Kolonie zu verlassen oder einen neuen Arbeits vertrag abzuschließen, durch den Act Nr. 17 vom Jahre 1895 allen Indern, die weder den einen noch den anderen Weg wählten, sondern als freie Personen im Lande bleiben wollten, eine jährliche Abgabe (licence) von £ 3.- auferlegt9). Der Kampf der Inder gegen die Abgabe führte erst im Jahre 1914 zum Erfolg, als -vor allem nach Gandhis Bemühungen - die Regierung Botha-Smuts die Abgabe aufhob.

9) Ursprünglich sollte von jedem freien Inder eine zusätzliche Abgabe von £ 25.- erbracht werden; der Plan scheiterte am Einspruch sowohl der Indischen wie der Königlichen Regierung. Vgl. Joshi, The Tyranny of Colour, 1942 S. 55.

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Nach der Charter der Kolonie Natal vom Jahre 1856 besaßen Inder und Europäer das Wahlrecht, falls sie gewisse Mindestvoraussetzungen erfüllten. Dies traf nicht für die „indentured"-Inder zu; die schwarze Bevölkerung der Kolonie war bereits im Jahre 1865 vom Wahlrecht ausgeschlossen wor- den. Im übrigen wurden die Mindestvoraussetzungen wiederholt verschärft, ohne daß ein Unterschied zwischen Europäern und Indern gemacht worden wäre. Der Act Nr. 8 vom Jahr 1896 schloß alle Nichteuropäer, die aus Län- dern ohne Wahlrecht und ohne parlamentarische Körperschaften stammten, in Natal vom Wahlrecht aus. Obgleich die Inder nicht ausdrücklich genannt waren, ging die Absicht der gesetzgebenden Körperschaft dahin, das Wahl- recht der freien Inder zu beseitigen 9a); ihnen blieb nur das Wahlrecht zu den städtischen oder dörflichen Körperschaften. Erst in den Jahren 1924/1925 verloren die freien Inder, entgegen gegebener Versprechungen, auch diese Wahlrechte, indem bestimmt wurde, daß an Kommunalwahlen nur Per- sonen teilnehmen konnten, die das Wahlrecht zum Parlament besaßen.

Das Recht der Inder, Eigentum auch in vorwiegend europäischen Be- zirken zu erwerben und es in eigener Person zu nutzen oder anderen Indern zu überlassen, blieb bis zu einer im Jahre 1943 getroffenen Regelung un- berührt, die den Grundbesitzerwerb durch Inder Beschränkungen unter- warf10). Ausnahmen galten früher nur für das Eigentum öffentlicher Körper- schaften. Im Jahre 1922 erhielt der Rat der Stadt Durban das Recht, bei Verkäufen von Gemeindeland dessen Weiterverkauf zu beschränken. Diese Ermächtigung zeigte äußerlich wiederum keine ungleiche Behandlung einer Gruppe. Bei der Anwendung der Vorschrift ergab sich aber, daß sie dazu benutzt wurde, in Übertragungsurkunden Europäern das Eigentums- oder Besitzerwerbsrecht vorzubehalten.

Das Recht des Handels blieb den freien Indern in Natal verhältnismäßig lange erhalten. Gesetzliche Beschränkungen waren nicht ausdrücklich auf die Inder abgestellt. Allerdings führte die verwaltungsmäßige Ausführung zu Ungleichheiten, nachdem der General Dealers Act Nr. 18 vom Jahre 1897 der Verwaltung Ermessensfreiheit gegeben hatte, eine Gewerbeerlaubnis zu gewähren oder zu versagen. Gegen eine verweigernde Entscheidimg gab es keine Berufung an die Gerichte, sondern nur an bestimmte Ausschüsse. Dies führte dazu, daß Europäern Lizenzen ohne Schwierigkeiten gewährt, Indern dagegen neue Gewerbescheine grundsätzlich verweigert wurden11). Die Verlängerung bestehender Lizenzen wurde gerechter gehandhabt. Eine Verbesserung trat durch spätere Vorschriften insofern ein, als für bestimmte Fälle der verweigerten Erneuerung der Gewerbeerlaubnis ein beschränktes Berufungsrecht an die Gerichte gewährt wurde.

9a) In der Entscheidung re Socbial 42 Natal Law Reports S. 184 ist bestätigt wor- den, daß das Gesetz Nr. 8 allen Indern das Wahlrecht zum Parlament genommen hat.

10) Hiemstra, The Group Areas Act 1953 S. 18. 11) Calptn, Indians in South Africa 1949 S. 45; Joshi aaO S. 104.

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Während die bisher behandelten Beschränkungen im Widerspruch zu den Zusicherungen standen, die den Indern vor i860 gemacht worden waren, trifft dies auf die Einwanderungsbeschränkungen nicht zu. Sie mögen im Widerspruch zu den Grundsätzen gestanden haben, die den britischen Un- tertanen Bewegungsfreiheit im Empire zusicherten, verletzten aber keine von der Natal-Regierung den Indern gegebenen Versprechungen. Zu der- artigen Beschränkungen kam es, nachdem Natal das Recht der Selbstregie- rung erhalten hatte, wobei diese Bestimmungen wiederum nicht ausdrück- lich auf Inder abgestellt waren. Im Immigrants Restriction Act vom Jahre 1897 wurden diejenigen Personen als „prohibited immigrants" bezeichnet, die nicht in der Lage waren, in einer europäischen Sprache um die Bewilli- gung zur Einwanderung nachzusuchen. Während die Einwanderung freier Inder erschwert wurde, bemühte die Natal-Regierung sich weiterhin um die Anwerbung von „indentured* '-Indern, bis sie im Jahre 191 1 von der Indischen Regierung untersagt wurde.

b) Kap In der Kapkolonie war die Lage der Inder besser als in den anderen Ge-

bieten der jetzigen Union lla). Auch heute noch unterliegen die Inder in der Kapprovinz geringeren Beschränkungen als in anderen Landesteilen der Union12). Allerdings ist ihre zahlenmäßige Bedeutung im Kap recht gering. Einschneidend wirken dagegen die Einwanderungsbeschränkungen. Die Inder gehörten in der Kapkolonie zu den „unerwünschten Einwanderern", wenn sie als Folge ungenügender Erziehung unfähig waren, einen Zulas- sungsantrag in einer europäischen Sprache zu schreiben und zu unterzeich- nen13). Heute ist ihre Einwanderung durch die Bestimmungen des Immi- grant Regulation Act vom Jahre 1913 nahezu unmöglich gemacht. Männ- liche Inder, die nicht zu den „unerwünschten Einwanderern" gehören und die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Alters und des Einkommens erfüllen, sind stimmberechtigt und können ihre Eintragung in die Wähler- listen zum Parlament wie zu den kommunalen Körperschaften verlangen14). Bis zum Group Areas Act 1950 unterlag der Landerwerb durch Inder keinen Beschränkungen. Im übrigen sind ihre Rechte denjenigen Einschränkungen unterworfen, die auf Grund der Unionsgesetzgebung bestehen.

c) Oranje-Freistaat Nach Änderung der Verfassung des Oranje-Freistaats vom Jahre 1890

darf kein Araber, Chinese, „Coolie" oder anderer asiatischer Farbiger im

na) Es gab keine Benachteiligung aut Ciruna der ̂aroe oaer Kasse ̂ninsicnmcn des Wahlrechts) in der Kap-Provinz. Dodd-Joubert, The Union of South Africa, 1955 S. 106.

12) Joshiy aaO S. 101; Indian imbroglio ò. 34. 13) Act No. 47 vom Janre 1902 una isir. 30 vom janre 1900. 14) Indian Imbroglio, S. 34-36.

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Freistaat sich niederlassen oder aufhalten, ohne die Genehmigung des Staatspräsidenten erhalten zu haben 14a). Die Murray-Commission hat fest- gestellt, daß im Jahre 1936 die gesamte asiatische Bevölkerung des Frei- staats aus 22 Männern und 7 Frauen bestand. An diesem Zustand hat sich seither nichts geändert.

d) Transvaal Die Lage bis zum Burenkrieg. Transvaal, das wie der Oranje-Freistaat von Buren gegründet worden ist,

hat die Inder nicht von Anfang an in dem weiten Maße wie der Oranje-Frei- staat ausgeschlossen. Diese Verschiedenheit erklärt sich vermutlich aus dem Londoner Vertrag vom Jahre 1884 15). Der zwischen Großbritannien und der südafrikanischen Republik geschlossene Vertrag gewährte zunächst allen Personen, mit Ausnahme der Natives, volle Freiheit, sich mit ihren Familien in der Republik niederzulassen sowie dort Grundstücke oder Fabriken zu erwerben, Wohnungen oder Läden zu ermieten und Handel zu treiben. Im übrigen aber wurde nach der Bestimmung des Art. 9 der Verfassung ver- fahren, nach dem „das Volk keine Gleichstellung von Farbigen und Weißen wünscht, sei es in kirchlichen, sei es in staatlichen Angelegenheiten". Farbige konnten kein Bürgerrecht erwerben; sie hatten daher auch kein Stimmrecht. Obwohl die Zahl der Inder in Transvaal zu keiner Zeit beträchtlich war, erhielt das Inder-Problem - in Abweichung von den Verhältnissen in Natal - seine eigentümliche Schärfe durch den Umstand, daß die indische Minderheit zum überwiegenden Teil aus Händlern bestand, deren Genüg- samkeit und geschäftliche Tüchtigkeit einen fruchtbaren Boden in den Mi- nenbezirken und in den kleinen Landstädten fanden. Während in Natal diejenigen Inder, die nicht „indentured' '-Arbeiter waren, nach dem Buch- staben des Gesetzes volle Freiheit genossen, war die rechtliche Lage der Inder in Transvaal von Anfang an prekär. Ihre Behinderung kann allerdings nicht aus Konkurrenzfurcht allein oder daraus erklärt werden, daß die in- dische Bevölkerung für unassimilierbar gehalten wurde und vielfach die we- nigen ihr verbliebenen Rechte mißbrauchte. Es ist wichtig zu erkennen, daß die Wurzel der Zurücksetzung tiefer lag und auf der Überzeugung der Buren von der Ungleichheit zwischen Weiß und Farbig beruhte, eine Überzeugung, die die Stärke eines Glaubenssatzes hatte und noch hat.

Am Ausgangspunkt der Entwicklung steht das Asiatic-Gesetz Nr. 3 vom Jahre 1885. Es fand unter anderem auf die „sogenannten Coolies", auf Ara- ber, Malayen und mohammedanischen Türken Anwendung. Wer zu diesem

14 a) In Cassim und Solomon gegen The State 1891 wurde der Ausschluß der Inder gerichtlich angefochten. Das Gericht entschied jedoch, daß das Niederlassungsverbot den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung nicht verletzt.

15) Calpin, aaO S. 22/23; Report of the Asiatic Inquiry Commission 192 1 (Lange Commission) U. G. 4/21 § 15.

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Personenkreis gehörte, war insbesondere bei der aus dem Begriff „sogenannt" erwachsenden Unklarheit zweifelhaft. Nach dem Gesetz wurden die Inder nicht nur vom Bürgerrecht im Staat und in den Gemeinden ausgeschlossen; sie hatten auch kein Recht, Grundeigentum zu erwerben, es sei denn in ihnen von der Regierung zugewiesenen Bezirken. Die Regierung konnte ihnen auch besondere Wohnbezirke anweisen. Diejenigen Inder, die Handel trieben, mußten sich bis zum Jahre 1907 in eine behördliche Liste eintragen lassen und eine Eintragungsgebühr von £ 25.- zahlen. Besondere Bestimmungen galten für die Goldfelder in Transvaal. Hier waren den Farbigen nicht nur der Erwerb von Grundeigentum und das Wohnen, sondern auch die Aus- beutung von Goldminen sowie der Handel mit edlen Metallen und Edel- steinen versagt. Auf Grund der staatsrechtlichen Abhängigkeit der Republik von Großbritannien hatte die Britische Regierung ihre Zustimmung zu die- sem Gesetz zu geben. Die Regierung erteilte die Genehmigung erst nach Um- gestaltung des ursprünglich noch strengeren Gesetzes, wobei der Umstand eine Rolle spielte, daß die Bestimmung, den Indern besondere Straßen und Betriebe zuzuweisen, ausdrücklich auf sanitäre Gründe gestützt wurde. Das Gesetz Nr. 3, das im Laufe der Zeit wiederholt geändert und ergänzt wurde, ist erst durch den südafrikanischen Group Areas Act Nr. 41 vom Jahre 1950 außer Kraft gesetzt worden. Die Inder konnten sich in Transvaal nur des- halb behaupten, weil das Gesetz vom Jahre 1885 keine Sanktionen und Strafbestimmungen vorsah und weil die wichtigsten Vorschriften erst wirk- sam werden sollten, nachdem die Regierung den Indern Land zu Wohn- zwecken zur Verfügung gestellt hatte, eine Aufgabe, die nur langsam in An- griff genommen wurde. Das Gesetz blieb daher jahrzehntelang nicht viel mehr als ein toter Buchstabe. Die Regierung wendete das Gesetz nur zum Teil, vor allem hinsichtlich des Ausschlusses der Asiaten von allen Bürger- rechten, im übrigen aber nur mit halbem Herzen an. Die Murray-Commis- sion stellte im Jahre 1939 fest, daß die asiatische Bevölkerung das Gesetz weitgehend unbeachtet gelassen oder umgangen habe16).

Die Inder in Transvaal brachten es im Laufe der Zeit zur Meisterschaft darin, die ihre Bewegungs- und Erwerbsfreiheit ausschließenden oder ein- schränkenden Gesetze unter Ausnutzung jeder Lücke zu umgehen. Dem Verbot des Landerwerbs außerhalb bestimmter, ihnen zugewiesener Ge- biete haben sie sich auf verschiedene Weise entzogen: Eigentümer wurde nach außen hin ein Europäer, der in Wirklichkeit nur Treuhänder der be- teiligten Inder war17). Sie sicherten sich dadurch, daß sie sich eine Voll- macht geben und eine Hypothek im vollen Werte des Grundstücks eintragen ließen. Die verbleibenden Risiken, namentlich im Fall eines Konkurses des

16) Report of the Asiatic Land Law Commission (Murray-Commission) 1939 U. G. 16/39 § 26.

17) Report of Asiatic Inquiry Commission (Lange-Commission) 1921 N. G. 4/21 S 25.

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Treuhänders, wurden in Kauf genommen. Es wird behauptet, daß diese Technik von der Regierung stillschweigend gebilligt wurde und es Fälle gab, in denen Regierungsbeamte mit Wissen der Regierung als Treuhänder fun- gierten. Eine andere, modernere Methode bestand darin, daß Grundeigen- tümer juristische Personen wurden, deren Aktienbesitz sich weitgehend in den Händen von Indern befand. Derartige Umgehungen sind von den Ge- richten der Union nach anfänglichem Schwanken zugelassen und nicht als Gesetzesumgehungen „in fraudem legis" für ungültig erklärt worden. Erst im Jahre 1932 hatte die Unionsgesetzgebung diesen hingenommenen Ge- setzesumgehungen ein Ende bereitet, ohne allerdings den Erwerb unbeweg- lichen Eigentums durch Inder bei Anwendung sehr viel komplizierterer und verfeinerter Methoden völlig unmöglich zu machen18). Zur Frage der Ver- weigerung von Gewerbescheinen, die es den Indern ermöglichten, außer- halb ihnen zugewiesener Gebiete („locations und Bazaare") ihre kaufmänni- schen Fähigkeiten zu entfalten und Handel zu treiben, hat der Höchste Ge- richtshof von Transvaal im Jahre 1904 entschieden, daß das Gesetz Nr. 3 vom Jahre 1885 zwar das Wohnrecht der Inder, nicht aber ihre Gewerbe- freiheit beschränke19).

Transvaal unter Gouverneur Lord Milner. Nach Beendigung des Burenkriegs wurde die Verwaltung der beiden Bu-

renrepubliken Transvaal und Oranje-Freistaat Lord Milner anvertraut, der ein fähiger Gouverneur mit liberalen Ansichten war. Er erkannte, daß es angesichts der Stimmung der Buren unmöglich sei, den Indern alle die Rechte, einschließlich des Rechts der freien Einwanderung, zu verschaffen, die von der öffentlichen Meinung in Indien und Großbritannien verlangt wurden. Andererseits konnte er sich nicht entschließen, die Freiheit der Inder, namentlich auf dem Gebiete des Handels, in dem Maße zu beschrän- ken, wie es die öffentliche Meinung in Transvaal forderte. Er war daher zu Kompromissen geneigt. Seine Vorschläge zielten in erster Linie auf eine scharfe Beschränkung der indischen Einwanderung. Was die Rechte der an- sässigen Inder betraf, so war es seine Absicht, Einschränkungen nicht von der Hautfarbe, sondern von dem Kulturgrad der Betroffenen abhängig zu machen. „Equal rights for all civilized men" war seine Losung, die allerdings wenig Gegenliebe bei der einheimischen Bevölkerung einerseits, bei der Bri- tischen und Indischen Regierung andererseits fand, und zwar aus entgegen- gesetzten Gründen. Nur die Einwanderungsbeschränkungen wurden von allen Beteiligten, mit Ausnahme der südafrikanischen Inder, als unvermeid- lich hingenommen.

18) Murray-Commission (vgl. Fußnote 16) § 99. 19) Habit Motan v. Transvaal Government, Cases decided in the Transvaal

Supreme Court 1902-1910 (T. S.) 1904 S. 404.

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Transvaal unter Responsible Government. Die Gewährung der Selbstverwaltung im Jahre 1906 gab der Kolonie

Transvaal eine größere, wenn auch keineswegs unbeschränkte Freiheit, die Lösung der Inder-Frage auf dem Wege zu suchen, der den Interessen und der Ideologie der weißen Bevölkerung am besten entsprach. Die den Lebens- raum der Inder beschränkenden Gesetze nahmen an Zahl und Schärfe zu; gleichzeitig wuchs die Verbitterung auf beiden Seiten. Nachdem es mittels der unter Lord Milner erlassenen Peace Preservation Ordinance vom Jahre 1902 nicht gelungen war, die illegale Einwanderung zu verhindern, wurden die Einwanderungsbestimmungen verschärft. Der Immigrants Restriction Act Nr. 15 vom Jahre 1907 verbot die Einwanderung aller derjenigen, die durch ungenügende Erziehung außerstande sind, in einer europäischen Sprache ein Gesuch um Zulassung zu schreiben und zu unterzeichnen. Hand in Hand mit dieser Beschränkung gingen die Vorschriften der Gesetze Nr. 2 vom Jahre 1907 und Nr. 36 vom Jahre 1908. Alle in Transvaal recht- mäßig ansässigen Asiaten mußten sich mit gewissen Ausnahmen registrieren lassen und erhielten eine Aufenthaltsbescheinigung, die, wie der Höchste Gerichtshof von Transvaal feststellte, dem Inhaber ein Aufenthaltsrecht in Transvaal sicherte. Die Inder sahen nur die Schattenseite der Maßnahme: die als erniedrigend empfundene Notwendigkeit, die Bescheinigung in einem umständlichen Verfahren zu erlangen, sowie den Zwang, sie bei sich zu füh- ren und sich notfalls außerdem durch Fingerabdruck auszuweisen. Unter der großen Anzahl anderer Ausnahmebestimmungen waren besonders fühl- bar die Vorschriften, nach denen alle Farbigen im Erwerb von Grundeigen- tum und im Wohnrecht innerhalb der Minenbezirke beschränkt waren (Par. 130 und 131 des Gesetzes Nr. 36 von 1908), Schulzwang nur für die Kinder von Weißen bestand (Art. 19 der Education Act von 1907) und Un- fallentschädigungen nur weißen Arbeitern gewährt wurden (Par. 1 und 3 des Workmen's Compensation Act von 1907).

An der Behandlung der Inder, besonders nach Bestimmungen des Ge- setzes Nr. 2 vom Jahre 1907, entzündete sich die indische Widerstands- bewegung, die auf Seiten der Inder von Mahatma Gandhi geleitet und seitens der Transvaal-Regierung von dem Kolonialministçr, General Smuts y ab- gewehrt wurde. Der Kampf zwischen diesen beiden Persönlichkeiten ist einer der dramatischen Höhepunkte der neuen Geschichte und hat eine über den engen Rahmen des Geschehens hinausgehende geschichtliche Bedeu- tung, weil in Transvaal Gandhi sein Kampfmittel des gewaltlosen Wider- stands entwickelte, das er später auf dem größeren Bereich des indischen Subkontinents gegen die englische Weltmacht verwendete. General Smuts betrachtete die Inder als „Fremdlinge"20) und unwillkommene Eindring-

20) Dies ist nicht im verfassungsrechtlichen Sinne zu verstehen, da die Inder in ihrer überwiegenden Mehrheit British subjects waren, wie sie heute South African citizens sind.

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linge, die als Kulis, Kellner oder kleine Händler einwanderten sowie durch ihren niedrigen Lebensstandard, ihre oft skrupellosen Geschäftsmethoden und ihre auf Polygamie gegründeten Ehegesetze die abendländische Kultur und Wirtschaft bedrohten, so daß ihre Anwesenheit die Auseinander- setzung zwischen Weiß und Schwarz komplizierte. Für Gandhi dagegen än- derte an der Zugehörigkeit der Inder zu einer der ältesten und feinsten Kulturen die Tatsache wenig, daß die einzelnen Inder in Transvaal auf einer niedrigen Kulturstufe standen. Er machte geltend, daß die Inder als britische Untertanen das Recht auf Gleichberechtigung hatten und forderte eine Gleichstellung mindestens so weit, als es sich um die zivile Rechtsstel- lung handelte. Von politischen Rechten war damals kaum die Rede; Gandhi erklärte, daß seine Landsleute keinen politischen Ehrgeiz hätten. General Smuts aber sah weiter und erkannte, daß, wenn man Gleichheit auf irgend- einem Gebiet zugestand, politische Rechte nicht für immer vorenthalten wer- den könnten und die schwarze Bevölkerung Morgen verlangen werde, was heute den Indern gegeben würde. Die Machtverhältnisse der beiden Gegner waren so verschieden, wie sie nur sein konnten. General Smuts standen die Machtmittel eines wenn auch kleinen Staates zur Verfügung. Gandhi konnte ihnen nichts anderes entgegenstellen als seine seelische Stärke und die Loya- lität seiner indischen Anhänger. Die Auseinandersetzungen begannen damit, daß etwa 2000 Inder, geführt von Gandhi, die Grenze Natals überschritten und in Transvaal eindrangen. Gandhi und viele seiner Anhänger wurden verhaftet, später freigelassen und wieder verhaftet. General Smuts hat an- fänglich jede Verhandlung mit Gandhi abgelehnt, erkannte aber bald, daß er den gewaltlosen Widerstand unterschätzt habe. General Smuts gab daher nach, wohl auch im Hinblick auf die Beunruhigung, die das Vorgehen der Transvaal-Regierung in Großbritannien und Indien hervorgerufen hatte. Es kam zu einer Verständigung, die infolge von Mißverständnissen aber nur von kurzer Dauer war21).

3. Die Inder-Frage in der Südafrikanischen Union

a) Die Zeit von der Gründung der Union bis zum ersten Weltkrieg Nachdem Natal, die Kapkolonie, der Oranje-Freistaat und die Republik

Transvaal sich im South Africa Act im Jahre 1909 zusammengeschlossen hatten und im Jahre 1910 die Südafrikanische Union als ein britisches Do- minium entstanden war, betraf die Inder-Frage die Südafrikanische Union als Ganzes, wenn sich in ihren einzelnen Provinzen das Problem auch nach wie vor unterschied.

Die Regierung der Union erließ im Jahre 19 13 den Immigrants Regulation

21) Joshi aaO S. 64/65; vgl. auch Aswat v. Registrar of Asiatics T. S. 1908 S. 568 .

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Act, der in § 4 Abs. i als unerwünschte Einwanderer bezeichnete „jede Person oder Personengruppe, die vom Minister aus wirtschaftlichen Grün- den ... als für die Erfordernisse der Union oder irgendeiner der Provinzen als ungeeignet angesehen werden . . ."Der Act selbst nannte keine bestimm- ten Gruppen, war jedoch vor allem gegen das Einströmen der Inder und anderer Asiaten gerichtet. Gestützt auf diese Vorschrift erklärte General Smuts als Innenminister der Union, daß alle Asiaten aus wirtschaftlichen Gründen als unerwünschte Einwanderer zu gelten hätten. Es wurden nur gewisse Ausnahmen (§ 5) zugelassen, vor allem die vor dem Inkrafttreten des Immigrants Regulation Act erworbenen Aufenthaltsrechte geachtet. Die Einwanderung von Indern in die Union war jedoch hinfort weitgehend ver- boten und die Freizügigkeit der Inder, soweit es eine solche gab, aufgehoben. Die Inder Südafrikas und die Indische Regierung empfanden diese Maß- nahmen als Herabsetzung. Die Widerstandsbewegung erhielt neuen An- trieb; es kam abermals zu Verhaftungen und Verurteilungen; auch Gandhi wurde wieder ins Gefängnis gesetzt. Erneute Verhandlungen zwischen Ge- neral Smuts und Gandhi führten schließlich zum sogenannten Smuts-Ghandi- Übereinkommen, das im Wege eines Briefwechsels zustande kam22). In seinem Brief vom 21. ι. 1914 formulierte Gandhi fünf Forderungen, de- nen die Unionsregierung im wesentlichen zustimmte. Sie umriß die er- forderlichen Maßnahmen in ihrem Brief vom 30. 6. 1914: Die Regierung er- kennt indische Ehen als gültig an. Der Minister behält sich vor, besondere Standesbeamte zum Abschluß indischer Ehen nach indischem Ritus zu er- nennen. Die den Indern auferlegte Abgabe von £ 3.- wird abgeschafft. Der Zuzug einer beschränkten Anzahl von in Südafrika geborenen Indern in die

Kapprovinz soll erlaubt werden. In seiner Antwort vom gleichen Tage nahm Gandhi die Regierungsvorschläge an, gab den Widerstand gegen die Ein- wanderungssperre auf und erklärte den passiven Widerstand für beendet. Soweit zur Verwirklichung der Vereinbarung Gesetzesänderungen notwen- dig waren, wurden sie im Indian Relief Act Nr. 22 vom Jahre 1914 vor- genommen.

Gandhi erkannte an, daß der Stand der öffentlichen Meinung in der Union es der Regierung nicht gestatte, ein größeres Entgegenkommen zu zeigen. Seine - späterhin allerdings nicht erfüllte - Hoffnung auf eine Änderung stützte er auf den Sinn der europäischen Bevölkerung für Gerechtigkeit und „fair play" : „Complete satisfaction" - so heißt es in seinem Brief vom 30. 6. 1914 - „cannot be expected until full civil rights have been conceded to the resident Indian population . . .". General Smuts dagegen glaubte, daß die Erfüllung der von der Regierung gemachten Zusicherungen den Abschluß

22) Joshi aaO S. 78 ff., 80 ff. ; Report of the Asiatic Inquiry Commission 192 1 U. G. 4/21 § 74; Andrews, Documents relating to the New Asiatic Bill 1925 (Anhang) und Documents relating to the Indian Question 1923.

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Das Problem der Inder in der Südafrikanischen Union 8l

des mehr als dreißigjährigen Zwistes und die Lösung des Inder-Problems bedeutete.

Der Haupterfolg der Unionsregierung bestand darin, daß es ihr gelang, die wenn auch widerwillig erteilte Zustimmung der Inder Südafrikas zu dem Einwanderungsverbot zu gewinnen und auf diese Weise einer weiteren Ver- stimmung der Königlichen und der Indischen Regierung vorzubeugen; dem- gegenüber wogen die den Indern gemachten Konzessionen nicht schwer. Das Übereinkommen führte zu einer Beruhigung, die jedoch nur bis zum Ende des ersten Weltkrieges währte. Das Wiederaufleben der Streite grün- dete sich darauf, daß die Einwanderersperre die illegale Einwanderung nicht verhindern konnte und der Geburtenüberschuß auf indischer Seite den der Europäer weit übertraf, wodurch die Zahl der Europäer in Natal schließlich von der der Inder übertroffen wurde.

b) Die Zeit vom Ende des ersten Weltkrieges bis zum Kapstadt-Vertrag vom Jahre 1927

Während des Kriegs trat die Inder-Frage in den Hintergrund. Die Inder, die Kriegsdienst leisteten, erfüllten ihre Pflicht und erwarben sich Anerken- nung, der General Smuts öffentlich Ausdruck gab. Nach der Beendigung der Weltkriegs trat im Jahre 191 8 die Imperial Conference zusammen, auf des Indien als gleichberechtigtes Mitglied des Empire vertreten war. Die Kon- ferenz nahm die sogenannte Reciprocity Resolution an23). Sie enthielt drei für das Inder-Problem bedeutsame Regelungen: Jedes Mitglied des Com- monwealth soll volle Kontrolle über die Zusammensetzung der eigenen Be- völkerung und daher das Recht haben, die Einwanderung zu beschränken. Das Recht auf Freizügigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten zum Zwecke von Besuchs- und Geschäftsreisen und zum zeitlich beschränkten Studien- aufenthalt wird anerkannt; Bestimmungen über Arbeitserlaubnis und Ge- nehmigung eines Daueraufenthaltes waren nicht getroffen. Außerhalb In- diens ansässigen Indern soll gestattet werden, ihre Frauen und minderjähri- gen Kinder unter Aufrechterhaltung des Grundsatzes der monogamischen Ehe nachkommen zu lassen; über die Rechte der bereits in einem Mitglied- staat ansässigen Bevölkerung sprach sich die Konferenz nicht aus. Diese Frage wurde, unter Widerspruch von General Stnuts, durch eine auf der Imperial Conference im Jahre 1921 gefaßten Resolution geordnet24), nach der im Interesse der Solidarität innerhalb des Commonwealth die Ansprüche der britischen Inder, die sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassen haben, auf Zulassung zum Bürgerrecht anerkannt werden sollten.

Als bald nach Kriegsende die Auseinandersetzungen zwischen der weißen und der indischen Bevölkerung wieder auflebten, wurde eine „Asiatic In-

23) Andrews, Documents Relating to the New Asiatic Bill, S. 20. 24) Andrews, aaO S. 21/22; H. M. Stationery Oltice Cmd. 1474.

6 Archiv des Völkerrechts 7. H. 1-2

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quiry Commission", die sogenannte „Länge-Kommission" eingesetzt. Sie erstattete einen Bericht über den Stand der Gesetzgebung, vor allem auf dem Gebiet des Landerwerbs durch Inder sowie über ihr Recht, Handel zu treiben, und schlug einige Änderungen vor25), die jedoch nicht durchgeführt wurden. Es ergingen vielmehr Maßnahmen im gegenteiligen Sinne, wie für die Provinz Transvaal das später wiederholt ergänzte Gesetz Nr. 37 vom Jahre I9i926)> das Lücken der früheren Gesetzgebung schloß, gewissen bis- her „legalen" Gesetzesumgehungen einen Riegel vorschob und den Begriff des unbeweglichen Eigentums erweiterte, dessen Erwerb den Asiaten ver- boten war. Die Inder sahen in diesem Gesetz eine Verletzung wohlerworbe- ner Rechte27). Größere Erregimg löste ein Gesetzentwurf vom Jahre 1926 aus, den die Südafrikanische Regierung unter General Hertzog, der im Jahre 1924 Smuts abgelöst hatte, durch den Innenminister und späteren Premier Malan dem Parlament vorlegte. In Anknüpfung an Ansätze, die sich in der älteren Gesetzgebung aus der Vor-Unions-Zeit fanden und verstärkt in dem Group Areas Act vom Jahre 1950 wieder aufgenommen wurden, suchte der Gesetzentwurf28) verschiedenen Gruppen der Bevölkerung bestimmte Ge- meindebezirke zum Wohnen und zur Handelsausübung zuzuweisen mit dem Ziele, die Inder durch Beschränkung ihrer Rechte zur Rückkehr nach Indien zu veranlassen. Der Unwille, den dieser Gesetzentwurf nicht nur bei den Indern in Südafrika hervorrief, führte dazu, daß sich Vertreter der Süd- afrikanischen und der Indischen Regierung zu einer Round Table-Konfe- renz in Kapstadt zusammenfanden. Das Ergebnis der Verhandlungen war das Cape Town Agreement vom Jahre 1927, das einen Markstein in der Ge- schichte der indisch-südafrikanischen Beziehungen bildete und später in der Generalversammlung der Vereinten Nationen bei den Debatten über das Problem der Inder in Südafrika eine Rolle spielte.

c) Der Kapstadt-Vertrag vom Jahre 1927 Die Hauptpunkte des Kapstadt-Vertrages29) betrafen den Verzicht auf

den Gesetzentwurf vom Jahre 1926, das Recht Südafrikas auf eine gesetz- mäßige und gerechte Verwirklichung westlicher Zivilisation, die Pflicht der Unionsregierung, die Assimilierung der hierzu bereiten Inder an die west- liche Kultur zu erleichtern, die Hebung des kulturellen Status der Inder und die Billigung eines Planes für die freiwillige Rückwanderung von Indern mit Unterstützung der Südafrikanischen Regierung. Die Regelung beschränkte sich, mit Ausnahme des detaillierten Auswanderungsplanes, auf allgemeine

25) Report of the Asiatic Inquiry Commission; 1921 U. G. 4/21. 26) The Union Statutes 1910-1942, Bd. II. S. 33. 27; Joshi aaU 5. 97. 28) Areas Reservation, Immigration and Registration Bill. 29) Official Yearbook of the Union of South Africa Bd. 19(1938) S. 1048/9; jtoÄi

aaO S. 131 if.

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Grundsätze und enthielt keine Lösung der brennenden Probleme des Land- erwerbs, der Wohnungsnahme sowie der Gewerbefreiheit.

Umstritten ist die Frage, ob der Kapstadt-Vertrag ein „inter se treaty" oder ein internationaler Vertrag war, der die Inder-Frage aus dem Bereich der „domestic affairs" heraushob30). Unzweifelhaft enthielt der Vertrag, im Gegensatz zum Smuts-Gandhi-Übereinkommen, eine Verständigung zwi- schen der Südafrikanischen und der Indischen Regierung. Allerdings be- saßen die beiden Länder als Mitgliedsstaaten des British Commonwealth, das im Jahre 1927 noch seine gemeinsame staatsähnliche Natur bewahrt hatte, nur beschränkte völkerrechtliche Handlungsfähigkeit auf einem eng umgrenzten Gebiet. Eine Registrierung beim Generalsekretariat des Völker- bundes im Sinne des Artikel 18 der Völkerbundssatzung hat der Vertrag jedenfalls nicht gefunden.

d) Vom Kapstadt-Vertrag bis zum Sturz der Regierung Smuts im Jahre 1948

Obwohl der Kapstadt-Vertrag eine Verständigung zwischen Südafrika und Indien herbeiführte, blieb eine wirksame Entspannung aus. Für die Unions- regierung war eine starke Verminderung der Zahl der in Südafrika lebenden Inder die Hauptsache31), während für die Inder das wichtigste die Maß- nahmen waren, die die Union zur Hebung des Lebensstandards der Inder ergreifen würde. Da die Durchführung des Kapstadt-Vertrages weder die Erwartungen der Regierung noch die der Inder erfüllte, kam es zwischen Vertretern der Südafrikanischen und der Indischen Regierung im Jahre 1932 in Kapstadt zu einer erneuten Aussprache32). Obwohl die Bestimmungen des Vertrags von 1927 nur unwesentlich geändert und die bestehenden Schwierigkeiten nicht beseitigt wurden, trat eine vorübergehende Verständi- gung ein. Die im Anschluß an das Cape Town Agreement von 1932 unter- nommenen Versuche, Inder aus der Union in beträchtlicher Anzahl in Län- dern außerhalb Indiens anzusiedeln, verliefen aber ebenso fruchtlos wie die Bemühungen um die Repatriierung der Inder Südafrikas nach Indien. Die weiße Bevölkerung erhob Beschwerden, weil mehr und mehr Inder, vor allem in Natal und hier wiederum in Durban, wo es noch keine Beschrän- kung des Landerwerbs und der Landnutzung gab, in europäische Bezirke

30) Vgl. Fincham, Domestic Jurisdiction 1948 S. 123/125, Jennings, The Com- monwealth and International Law in British Yearbook of International Law Bd. 30 (1953) S. 329/230; Bericht der Unionsregierung in U.N.General Assembly, 15. 9. 1947 Nr. A/387 S. 6/7.

31) Joshi aaO S. 183 teilt mit, daß in den Jahren 1927 bis 1931 10738 Inder Süd- afrika verließen; die Bedingungen, die sie in Indien vorfanden, wirkten abschreckend. Der Survey of Race Relations in South Africa Jahrg. 1954/55 S. 50 gibt die Gesamt- zahl der zwischen dem 1. 8. 1927 und dem 30. 9. 1954 repatriierten Inder mit 17000 an.

32; 1 ext der gemeinsamen .bntscnüeDung oei joshi aau 0. 190.

6*

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eindrangen („Indian penetration"). Den Indern legten ihre gemäßigten Führer ohne Erfolg nahe, in der Wohnortsfrage einer freiwilligen Trennung („voluntary segregation") zuzustimmen, um der erzwungenen Trennung zu entgehen. Darauf kam es zu neuen Beschränkungen, namentlich in Trans- vaal. Wiederum wurden Kommissionen eingesetzt, die berichteten, empfah- len und viel dafür taten, um die Einsicht in die tatsächlichen Verhältnisse zu vertiefen, aber wenig, um die Lage der Inder zu verbessern, wenn den Emp- fehlungen keine Folge gegeben wurde.

Die Regierimg von Südafrika erließ zur Aufrechterhaltung des status quo und als Zwischenlösung den Pegging Act Nr. 35 vom Jahre I94333)· Er ver- hinderte Vereinbarungen zwischen Europäern und Asiaten über Grund- erwerb und Grundbesitznutzung ohne ministerielle Genehmigung. In Natal fanden die Beschränkungen nur in Durban Anwendung34); man versuchte, der Ausdehnung der Bestimmungen auf das übrige Natal durch die Zusage der Inder zu freiwilligen Beschränkungen in der Wohnungstrennung vor- zubeugen. Der Versuch des wieder zur Regierung gelangten Generals Smuts, den Pegging Act nicht zu verschärfen, ihn wenn möglich sogar abzuschaffen, um der von Regierungen des Commonwealth, namentlich von der Indischen Regierung, an der Inder-Gesetzgebung geübten Kritik zu entgehen, führte zum Pretoria Agreement vom Jahre 1944 zwischen der Südafrikanischen Regierung und Führern der Inder, deren Legitimation, für die Inder Natals zu sprechen, zweifelhaft war. Die Vereinbarung, die zunächst auf die Stadt Durban beschränkt bleiben sollte, scheiterte an der feindlichen Aufnahme seitens der weißen Bevölkerung Natals und ist nie in Kraft getreten.

Die Regierung ging nun auf dem eingeschlagenen Wege der Segregation weiter. Der Asiatic Land Tenure and Indian Representations Act Nr. 28 vom Jahre 1946 verfolgte zwei Ziele, die in seinen beiden Teilen nieder- gelegt waren. Im ersten Teil wurde, ohne wohlerworbene Rechte anzutasten, den zeitlich beschränkten Bestimmungen des Pegging Act Dauer verliehen. In Transvaal mit seinen Beschränkungen freien Landerwerbs und freier Be- sitznahme führte der Act zu keiner wesentlichen Änderung. Dagegen wurde in Natal, und zwai für die gesamte Provinz, mit Ausnahme der „exempted areas", der Eigentums- und Besitzwechsel zwischen Europäern und Asiaten für ungesetzlich erklärt, wobei Grundbesitznutzungen zum Zwecke des Handels und Gewerbes allgemein sowie sonstige Ausnahmen im einzelnen zugelassen wurden.Im zweiten Teil wurde den Indern in Natal und Trans- vaal ein beschränktes Wahlrecht gewährt. Die männlich indische Bevölke- rung sollte, soweit sie bestimmte Qualifikationen besaß, das Recht haben, im Senat durch zwei Senatoren und im House of Assembly durch drei Ab- geordnete vertreten zu sein; nur Europäer konnten gewählt werden. Den Indern Natals wurde außerdem das Recht verliehen, zur gesetzgebenden

33) Indian Imbroglio 1947 S. 8. 34) Calpm, Indians in Soutn Aînca 1949.

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Das Problem der Inder in der Südafrikanischen Union 85

Körperschaft der Provinz Natal zwei Abgeordnete zu wählen, die auch Inder sein konnten; die Namen der wahlberechtigten Inder sollten in besonderen Wahllisten aufgenommen werden. Dieser zweite Teil ist nie in Kraft getreten und im Jahre 1948 aufgehoben worden. Die Inder lehnten das Wahlrecht ab, da sie die Bestimmungen über die beschränkte Zahl ihrer Vertreter, über die getrennten Wahllisten und über ihre parlamentarische Vertretung durch Europäer verwarfen.

e) Vom Sturz der Regierung Smuts bis zur Gegenwart Während des im Zeichen der „Apartheid" stehenden vorläufig letzten

Zeitabschnitts wurde die Gesetzgebung mit großer Konsequenz und Ent- schiedenheit auf dem Wege fortgesetzt, der zur Trennung der verschiedenen Rassen führen soll35). Die wichtigste gesetzgeberische Maßnahme zur Durchsetzung der „Apartheid" war der Group Areas Act Nr. 41 vom Jahre 1950. Der Act, der inzwischen unter Berücksichtigung von Erfahrungen und bei seiner Durchführung aufgetretener Schwierigkeiten wiederholt ergänzt worden ist, geht weiter als die frühere Gesetzgebung36). Er zielt auf die Schaffung getrennter Gebiete für die Angehörigen der verschiedenen Ras- sen, deren Gemengelage nach und nach beseitigt werden soll, sowie auf Be- schränkungen hinsichtlich der Erwerbsausübung, des Besitzes und des Ge- brauchs unbeweglichen Eigentums. Ferner griff der Reservation of Separate Amenities Act Nr. 49 vom Jahre 1953 tief in das Leben der farbigen Bevölke- rung ein. Er bietet die gesetzliche Grundlage für die Trennung der An- gehörigen verschiedener Rassen in Eisenbahnen, Straßenbahnen, auf Bahn- höfen und in öffentlichen Gebäuden. Diese Trennung ist nicht neu, neu aber ist die Ermächtigung, von dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Rassen insoweit abzusehen.

4. Die Rechtsprechung in der Inder-Frage

Wenn die Gesetzgebung auch das wichtigste Instrument war und ist, um die politischen Ziele der jeweiligen Regierung, sei es in den ehemaligen briti- schen Kolonien oder den Burenrepubliken, sei es in der Südafrikanischen Union, gegenüber der indischen Bevölkerung in die Tat umzusetzen, so spielte die Rechtsprechung eine nicht unwesentliche Rolle. Die Rechtspre- chung in der Südafrikanischen Union kann sich allerdings aus Gründen

35) Die Reports of the United Nations Commission on the Racial Situation in the Union of South Africa 1953, 1954, 1955 enthalten eine sorgfältige und erschöpfende Aufzählung der seit dem Jahre 1948 erlassenen Gesetze mit kurzer Analyse und Hin- weisen auch auf die vorangegangene Entwicklung. UN-Publications A/2505; A/2719; A/2953; vgl. hierzu im einzelnen J.W.Brügel, Der Konflikt zwischen Völkerrecht und Rassenpolitik in Europa- Archiv 11. Jahrg. (1956) S. 9021 ff.

36) Henochsberg, An bxplanation ot tne Lrroup Areas Act, 1950; líirkwooa, ine Group Areas Act 1951.

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konstitutioneller Verschiedenheiten an Bedeutung kaum mit dem Einfluß messen, den der amerikanische Supreme Court auf die Gestaltung der Ras- senverhältnisse in den Vereinigten Staaten ausübt. Die Rechtsprechung in der Union konnte sich nur in den Fragen frei entfalten, die vom Gesetzgeber nicht eindeutig gelöst waren. Auf diesem beschränkten Gebiet, das um so mehr verkleinert wurde, je mehr Lücken in der Gesetzgebung geschlossen wurden, hat die Rechtsprechung mit Erfolg versucht, Forderungen der Ge- rechtigkeit und Humanität zu erfüllen, auch wo dies den Absichten der Regierung nicht entsprach.

Die Rechtsprechung hat in diesem Sinne vor allem bei Auslegungsfragen Klarheit zu schaffen versucht. Zahlreiche Rechtsbeschränkungen sollten auf „Kulis, Asiaten oder Inder" Anwendung finden, wobei mitunter Ausnah- men, ζ. Β. zugunsten der Cape Malayen, gemacht waren. Häufig waren Legaldefinitionen unklar, wie der Begriff der „sogenannten Kulis und Ara- ber" im Natalgesetz Nr. 3 vom Jahre 1885. Vielfach deckten sich die Be- stimmungen desselben Begriffs in den verschiedenen Gesetzen nicht. In manchen fehlt es überhaupt an Definitionen, ohne daß die Begriffsbestim- mungen anderer Gesetze mehr als „Wegweiser" sein konnten. Es war daher wichtig, den persönlichen Anwendungsbereich dieser Gesetze zu bestim- men37). Hierbei war festzustellen, welcher Faktor für die Rasseneingliede- rung einer bestimmten Person maßgebend sei, insbesondere ob es allein auf ihre Abstammung oder auch auf Aussehen und Lebensgewohnheiten an- komme. Wurde das letztere bejaht, entstand die Frage, ob es eine Rangord- nung zwischen den verschiedenen Faktoren gäbe, so daß etwa Aussehen und Lebensgewohnheiten nur zum Beweis der allein ausschlaggebenden Ab- stammung verwertet werden konnten. Die Rechtsprechung war nicht ein- heitlich; es handelte sich um eine Auslegungsfrage, die für die einzelnen Ge- setze verschieden zu beantworten war. Im allgemeinen wurde die Abstam- mung für ausschlaggebend erklärt, namentlich in den Fällen, in denen Legal- definitionen bestanden, während beim Fehlen einer Begriffsbestimmung viel- fach die anderen Faktoren als gleichberechtigt herangezogen werden konn- ten. Kam es auf die Abstammung an, so ergab sich ohne weiteres, daß das Kind eines europäischen Vaters und einer indischen Mutter kein Europäer sei. Es erhob sich aber die andere Frage, wie weit man den Stammbaum zu- rückverfolgen und Blutmischungen berücksichtigen müsse. Der südafrikani- schen Rechtsprechung scheint es bisher erspart geblieben zu sein, diese Frage zu beantworten. Die Rechtsprechung hat, wenn es sich um die Trennung in Eisenbahnen, in Straßenbahnen oder in öffentlichen Gebäuden handelte, Härten der Gesetzgebung vielfach durch Anwendung des aus der früheren amerikanischen Praxis bekannten Grundsatzes des „separate but equal" ge- mildert: Gegen die Trennung ist nichts einzuwenden, sofern den verschie-

37) Siehe Transvaal Arcade Ltd. v. Rand Township Registrar: Appellate Divi- sion of the Supreme Court of South Africa (A. D.) 1923 S. 442.

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denen Gruppen gleiche Behandlung zuteil wird38). Um diese Doktrin auf dem Wege der Gesetzesauslegung zu entwickeln, nahmen die Gerichte den Grundsatz in Anspruch, nach dem Gesetze, die Rechte aufheben, ein- schränkend auszulegen sind und nicht anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber eine ungleiche Behandlung von Menschen verschiedener Rasse beabsichtigt, falls das Gesetz nicht zu einer solchen Auslegung zwingt. Als aber der Ge- setzgeber die Doktrin „separate but equal" verwarf39), war in Südafrika die Rolle der Rechtsprechung ausgespielt40).

Nicht immer hat allerdings die Rechtsprechung von der Möglichkeit Ge- brauch gemacht, die Schärfe des Gesetzesbuchstabens zu mildern. So ist die Bestimmung des Immigrants Regulation Act vom Jahre 1913, die alle Asia- ten als unerwünschte Einwanderer erklärte, durch eine Mehrheitsentschei- dung als gültig anerkannt worden. Die Mehrheit des Richterkollegiums er- klärte, daß die Asiaten als Arbeiter und Händler in Südafrika unnötig seien, und vertrat die Ansicht, daß auch aus Angehörigen der freien Berufe und aus Priestern Arbeiter werden könnten. Die Gegenansicht des Gerichts- präsidenten Innés, daß sicherlich nicht jeder Asiate, ganz gleich ob er Händ- ler, Gelehrter, Dichter oder Priester, ob er reich oder arm sei, die wirtschaft- liche Lage in Südafrika im ungünstigen Sinne beeinflussen würde, konnte sich nicht durchsetzen.

Die Rechtsprechung hat, wenn sie sich mit Indern zur Last gelegten ge- setzwidrigen Handlungen zu befassen hatte, die Unterscheidung zwischen unrechtmäßiger - meist strafbarer - Gesetzesverletzung und rechtmäßiger, wenn auch der Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufender Ausnutzung von Gesetzeslücken (lawful evasions) beachtet41).

38) Vgl Minister of Posts and Telegraphs v. Rasool, A. D. 1934, S. 167 (dazu U. Ν. A/2505, 1953 S. 80); Rex ν. Lusa, The South Africa Law Reports 1953 II S. 484-490.

39) So Reservation of Separate Amenities Act Nr. 49, 1953. 40) „The Court cannot declare a by-law unreasonable if the legislature distinctly

confers upon the corporation the power of passing such a bye-law." George and other v. Pretoria Municipality. Cases decided in the Transvaal Provincial Division of the Supreme Court of South Africa (T. P. D.) 1916 S. 505.

41) Vgl. Ismail Mia v. Commissioner for Immigration T. P. D. 1953, S. 338 ff.

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