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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 207

Der Kämpfer mit derMaske

Wer ist der Mann, der den Imperatortöten will - Freund oder Feind?

von Peter Terrid

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit demGroßen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äuße-rer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Im-periums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Fein-de Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Impera-tor Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemein-wohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der jun-ge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetigwachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereitsmehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen denUsurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch dieEinwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos.

Während Ischtar, die Goldene Göttin, inzwischen nach Mitteln und Wegen sucht,Atlan wieder zurückzuholen, ist Ra, Ischtars Begleiter und Atlans Kampfgefährte, un-geduldig geworden.

Der Barbar hat sich dem Con-Treh Bei Etir Baj angeschlossen und ist mittlerweilenach Arkon II gelangt, wo er zur Sensation der Arena wird. Einer seiner Gegner istDER KAMPFER MIT DER MASKE …

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Die Hautpersonen des Romans:Ra - Der Barbar wird zum Arenakämpfer.Bei Etir Baj - Der Con-Treh wagt sich nach Arkon.Orbanaschol III. - Der Imperator beliebt zu »scherzen«.Gabdraman Schwati und Alpertur - Zwei Händler und Verbindungsleute der Con-Treh.Robal und Efrem - Zwei Gladiatoren.

Um ihn herum tobte die Menge, das Pu-blikum war begeistert. Sitzkissen flogendurch die Luft und landeten im blutgetränk-ten Sand der Arena. Wildfremde Menschenfielen sich in die Arme, glücklich darüber,daß ihre Wetten gewonnen waren. Er hattees tatsächlich geschafft.

Der Barbar stand über seinem Gegner, dieSchwertspitze gegen den Hals des Mannesgedrückt. Ras Hand begann zu zittern, seineLippen bewegten sich. Niemand konnte hö-ren, was er fassungslos murmelte:

»Atlan!«Ra starrte auf das Gesicht des geschlage-

nen Gegners, im Bruchteil einer Sekundewanderten seine Gedanken zurück, bis zu je-nem Augenblick, an dem er auf dem Plane-ten der Con-Treh aus seiner Betäubung er-wacht war …

1.

Sein Kopf schien zu dröhnen wie einegroße Trommel. Ra stöhnte halblaut auf,während sich die farbigen Wirbel vor seinenAugen langsam zu einem Bild verdichteten.Schmerzhaft kehrte das Bewußtsein in Razurück.

Der Mann erinnerte sich: er hatte zusam-men mit dem Con-Treh Bei Etir Baj ver-sucht, die legendenumsponnene Halle derErinnerung zu erreichen. Seit zweihundertJahren war dies keinem Menschen mehr ge-lungen, zumindest war keiner nach Magin-tor, der Hauptstadt des Volkes der Con-Treh, zurückgekehrt, um über das Schicksalder Vorgänger zu berichten. Vor Ra lagendie Reste jener Bestie, die zweihundert Jahrelang die Halle besetzt gehalten hatte.

Das Ergothal war tot, daran gab es keinenZweifel. Die rätselvolle Verbindung diesesWesens mit dem Vulkan in der Nähe warabgerissen, als Ra das Kugelschiff rück-sichtslos gestartet hatte, ohne sich darum zukümmern, wie wenig flugtauglich das alteSchiff war. Das Ergothal hatte die Verbin-dung zum Vulkan verloren und war gestor-ben. Lange hatte sich das halbwracke Schiffnicht in der Luft halten können, es war aufdie Insel zurückgestürzt, und bei dem Auf-prall hatte Ra das Bewußtsein verloren.

»Wo ist Etir Baj!« murmelte Ra und rich-tete sich langsam auf. Am linken Oberarmwar die Haut aufgeplatzt, und Blut lief andem Arm herunter, aber Ra kümmerte sichnicht um die Verletzung. Noch halb benom-men von dem Aufprall wankte er durch denRaum, in dem wie durch ein Wunder nochein paar Lichter brannten. In einem Winkelentdeckte er Etir Baj. Ra beugte sich zu sei-nem Freund hinunter und legte das Ohr anseine Brust. Das Herz des Con-Treh schlugkräftig. Es konnte nicht lange dauern, bisauch Etir Baj wieder erwachen würde.

Ra schleppte sich durch den Raum. Ir-gendwo in dem Durcheinander mußte einhalbzerfetzter Raumanzug liegen. Am Gür-tel hing, daran konnte sich Ra erinnern, einDosimeter. Erleichtert seufzte Ra auf, als erdas Gerät endlich eingeschaltet hatte. DieReaktoren des alten Schiffes waren nichtzerschellt, das Dosimeter zeigte keine un-normalen Strahlungswerte an.

»Ein erster Lichtblick!« murmelte derBarbar. Bis an die Knöchel stand er in derhellen Flüssigkeit, die aus den zerschlagenenErgothal-Eiern gelaufen war. Noch immerlagen die Eier zu Tausenden im Schiff her-um. Sie waren äußerst widerstandskräftig,nur wenige waren beim Absturz des Schiffes

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zersprungen.Ra kehrte zu Etir Baj zurück. Dieser er-

wachte gerade und betastete seinen schmer-zenden Kopf.

»Es sieht so aus«, murmelte er stöhnend,»als hätten wir es geschafft!«

»Das Ergothal ist tot!« bestätigte Ra.»Aber ihr werdet ziemlich viel Zeit brau-chen, bis ihr die Halle der Erinnerung wie-der für das Publikum freigeben könnt. DasSchiff liegt ziemlich schief!«

»Nebensächlich!« meinte Etir Baj undwinkte ab. Er stand auf. »Wie sieht es aus?«fragte er dann. »Was kann man mit demSchiff noch anfangen?«

»Mit viel Mühe kann man es wieder eini-germaßen gerade aufstellen«, antwortete Ra.»Aber abheben, das wird der Kasten niewieder.«

»Hauptsache, die Halle ist noch verwen-dungsfähig!« antwortete Etir Baj nachdenk-lich. »Was machen wir mit den Eiern? Ichhätte normalerweise vorgeschlagen, sie ein-fach in den Vulkan zu werfen, aber ich be-fürchte, daß wir auf diese Weise nur neueErgothals zum Leben erwecken.«

»Füttern wir die Seechsen damit!« schlugRa vor. »Vielleicht sterben sie an den Eiern,dann hätten wir zwei Probleme mit einemSchlag erledigt!«

*

Ra holte aus und ließ das Schwert herun-tersausen. Scheinbar ohne Widerstand glittdie Klinge durch das Seil. Pfeifend saustendie Eier davon, etwa fünfhundert Meter vonder Küste entfernt schlugen sie klatschendauf dem Wasser ein. Es war den Männern zuriskant erschienen, die Eier einfach überBord zu werfen. Also hatten sie eine riesigeSchleuder gebaut, mit der sie bis zu fünfzigder Eier gleichzeitig verschießen konnten.Draußen auf dem Meer hatten die Füchsenbald entdeckt, daß sie ohne AnstrengungFutter finden konnten. Mit ihren gewaltigenKiefern brachten sie es zuwege, selbst dieharten Schalen der Ergothaleier zu knacken.

Der Inhalt der Eier schien ihnen zuschmecken, das bewies das Getümmel vordem Strand. Die Echsen kämpften um jedesEi und vergaßen darüber, die beiden Männeran der Schleuder zu behelligen.

»Das waren die letzten!« stellte Ru festund wischte sich den Schweiß aus der Stirn.»Was nun?«

Eltir Baj lächelte geheimnisvoll.»Ich werde dir die Halle der Erinnerung

zeigen!« versprach er. »Ich habe das Con-Treh-Than um Erlaubnis gefragt, und sie ha-ben es gestattet!«

»Langsam!« unterbrach Ra. »Wie willstdu mit den Männern gesprochen haben? Siesitzen Tausende von Kilometern entfernt inMagintor!«

»Ich habe über Normalfunk mit ihnen ge-sprochen!« verriet Etir Baj. »Sie sind schonauf dem Weg hierher!«

Ra war erstaunt. Die Con-Treh waren sounglaublich auf ihre Sicherheit bedacht, daßsie die beiden Männer nicht einmal mitStrahlwaffen ausgerüstet hatten, obwohl sieüber solche Waffen verfügten. Daß Etir Bajes trotz der Ortungsgefahr gewagt hatte, eineFunkverbindung nach Magintor herzustel-len, war ein wahrhaft außergewöhnlicherVorgang.

Langsam gingen die Männer vom Strandzurück zu dem alten Kolonistentransporter.Ra hatte es noch einmal gewagt, die Trieb-werke anlaufen zu lassen und es tatsächlichgeschafft, das alte Schiff so zu bewegen, daßes wieder einigermaßen waagerecht lag.Dann hatte er die meisten der Reaktoren undAggregate ausgeschaltet. Nur ein kleiner Re-aktor lief noch und produzierte den wenigenArbeitsstrom für die Einrichtungen der Hal-le.

Die Räume rings um die Zentrale desSchiffes hatte Bei Etir Baj allein von Eiernbefreit und gereinigt. Ra hatte vermutet, daßdies die wichtigsten Räume waren, dort lagder Schlüssel zu dem Geheimnis der Con-Treh. Ras Verdacht bestätigte sich, als EtirBaj ihn in einen großen Raum führte, deraus der Zusammenlegung dreier benachbar-

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ter Räume entstanden war. Der großedämmrige Saal war vollgestopft mit Bü-chern, Filmen und Bildern. Ra sah Reliefsan den Wänden und mehrere Arbeitspultemit Lesegeräten für Mikrofilme.

Bei Etir Baj machte eine weitausholendeGeste, mit der er den ganzen Raum um-schloß.

»Das ist unsere Geschichte, die Geschich-te der Con-Treh!« sagte er, und es klang bit-ter. »Sieh sie dir an!«

Langsam trat Ra näher, betrachtete dieBilder. Er überflog die Titel der einzelnenLesespulen und Bandaufzeichnungen. Dannsetzte er sich an eines der Pulte und begannzu lesen …

*

»Wer wohl?« sagte der Mann bitter.»Natürlich ein Con-Treh!«

Der Flottenkommandant preßte die Lip-pen zusammen. Die Arkonflotte hatte wiederein Schiff verloren, mitten im Frieden. Eswar einfach explodiert, mitten im Flug. Esgab keinerlei Hinweise, die die Katastropheerklärt hätten.

»Ich halte, mit Verlaub, diese ganze Con-Treh-Hysterie für albern!« sagte der jungeSair Tenguin; die Abzeichen an seinerSchulter wiesen ihn als Adjutanten des Ad-mirals aus. »Die Geschichten, die sich dieMänner erzählen, sind nichts weiter als La-trinengeschwätz.«

»Sie sind mit einer Con-Treh verheiratet,nicht wahr?« fragte der Kurier beiläufig.Tenguin lief rot an.

»Ja, das stimmt!« bestätigte er.»Allerdings kann ich mir nicht vorstellen,was dies damit zu tun hat, daß man bei jederPanne sofort einen Con-Treh verdächtigt.Was haben diese Leute eigentlich verbro-chen, daß man sie derartig verabscheut?«

»Das wissen Sie so gut wie ich!« erklärteder Kurier. »Die Con-Treh sind eine große,alte Familie. Es gibt, glaube ich, mehr alszehntausend Con-Treh auf Arkon!«

»Ich sehe da keinen Zusammenhang!«

warf Tenguin ein.»Diese ganze Familie besteht aus Arkoni-

den, die hinter der Entwicklung zurückge-blieben sind«, erklärte der Kurier. »Alle Ar-koniden haben sich fortentwickelt und sindschon von ihrem Äußeren her als Herren desImperiums zu erkennen. Die von Ihnen sogeschätzten Con-Treh sind auf einer primiti-veren Entwicklungsstufe einfach stehenge-blieben. Sie haben dunkle Haare und sehrabsonderlich gefärbte Augen!«

»Mag sein, daß die Con-Treh nicht ausse-hen wie jene Arkoniden, die Sie als normalbezeichnen!« räumte Tenguin ein. »Aber dashat mit den Vorwürfen nicht viel zu tun, dieallenthalben gegen die Con-Treh erhobenwerden!«

»Verstehen Sie das nicht?« fuhr der Kuri-er fort. »Diese Wesen sind nicht nur körper-lich zurückgeblieben, sie stehen auch geistigauf einer niederen Stufe. Es ist doch allge-mein bekannt, daß die Con-Treh mit denRaumgeistern in Verbindung stehen und ihreWidersacher verhexen!«

Sair Tenguin schüttelte fassungslos denKopf.

»Glauben Sie an Raumgeister?« fragte erden Kurier.

»Selbstverständlich nicht!« erklärte derMann sofort. »Ich bin schließlich ein aufge-klärter Arkonide.«

»Dann sind die Con-Treh also gefähr-lich«, fuhr Tenguin mit ätzendem Spott fort,»weil sie mit Geistern in Verbindung stehen,die es überhaupt nicht gibt. Merken Sie ei-gentlich nicht, was für ein sinnloses ZeugSie zusammenschwätzen?«

Der Kurier zog die Brauen zusammen, of-fenbar paßte ihm der Tonfall nicht, in demSair Tenguin sprach. Der Admiral sah denAugenblick gekommen, um einzugreifen.

»Es steht fest, daß die ARKEX detoniertist!« meinte er. »Und verantwortlich für dieMaschinen war ein Angehöriger der Familieder Con-Treh. Halten wir einfach diese Tat-sachen fest. Mehr will ich dazu einstweilennicht sagen, Berichten Sie weiter, was machtdas Programm zur Änderung der Umlauf-

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bahn?«»Wir haben gute Fortschritte zu verzeich-

nen!« berichtete der Kurier. »Die großenGeneratoren sind bereits aufgebaut, die vier-te Flotte, die die Bahnänderung überwachensoll, hat ihre Standorte bezogen. Das Experi-ment kann theoretisch sofort gestartet wer-den!«

»Das freut mich!« erklärte der Admiral.»Sie können sich zurückziehen!«

Der Kurier salutierte und verließ denRaum, nicht ohne Tenguin mit einem ab-schätzigen Blick bedacht zu haben.

»Lassen Sie sich von diesem arrogantenLaffen nicht einschüchtern!« meinte der Ad-mirai. »Er ist jung und vorlaut, das wird sichgeben!«

»Ich weiß«, sagte Tenguin halblaut.»Aber mich stört der Aussiedlungsplan. Washaben die Con-Treh getan, daß man sie aus-weisen will!«

Der Admiral trat zu dem jungen Mannund legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Das müssen Sie verstehen, Tenguin!«sagte er freundlich. »Ich bin zwar auch nichtfür diesen Plan, aber ich kann mir vorstellen,wie er entstanden ist. Wir haben die letztenKriege schnell gewonnen, wir Arkonidensind die Herren dieses Sternhaufens. Viel-leicht haben die Zeitungen sogar recht, wennsie behaupten, es gäbe in der Galaxis keinbedeutenderes Volk als die Arkoniden!

Und jetzt sehen Sie sich die Bürger an,Sie sind einfach größenwahnsinnig gewor-den, und in diesem Wahn werden sie vomImperator noch bestärkt. Er ist auf den Ge-danken gekommen!«

Tenguin warf einen Blick auf das Bild ander Wand, das seine Erhabenheit GonozalIII. zeigte.

»Er hatte den Einfall, das Arkonsystemmüsse jedem Besucher schon beim Anflugklarmachen, daß er den Lebensraum der füh-renden Rasse des Universums betrete!« sag-te der Admiral. »Das ist Größenwahn inVollendung, aber leider die Meinung derMehrheit der Arkoniden. Daher GonozalsPlan, die Planeten zwei und vier des Sy-

stems auf die gleiche Umlaufbahn zu brin-gen wie Arkon selbst. Ein solches Drei-Planeten-System wäre einmalig in der Gala-xis, mithin genau der richtige Aufenthaltsortfür ein in der Galaxis einmaliges Volk. Undin einem solchen perfekten Volk sind dieCon-Treh Störfaktoren. Sie zeigen deutlich,daß wir Arkoniden früher einmal genausoausgesehen haben wie die Kolonialvölker,die aus uns hervorgegangen sind.«

»Und deshalb müssen die Con-Treh aus-wandern!« stellte Tenguin erbittert fest. »Siesind reinblütige Arkoniden wie wir, aber siesehen ein wenig anders aus. Aus rein ästheti-schen Gründen wird ein Teil des Volkes ein-fach vertrieben!«

»Ich weiß, daß diese Maßnahme unge-recht ist!« erklärte der Admiral und begannin dem Raum auf und ab zu laufen. »Aberglauben Sie mir, Tenguin, diese Lösung istvielleicht die beste. Seit vier Jahren läuft dieKampagne gegen die Con-Treh, in der derFamilie Sabotage, Verrat und Unfähigkeitvorgeworfen wird. Eigentlich sollte dieserPressewirbel nur die Bevölkerung einstim-men, bis sie der Ausweisung der Con-Trehbeipflichtet. Aber die Aktion ist ihren Initia-toren aus den Händen geglitten, das Publi-kum schreit nach den Schauermärchen überdie Con-Treh!«

Der Admiral blieb vor Tenguin stehenund sah ihn intensiv an.

»Tenguin«, sagte er leise. »Wenn dieseAussiedlungsaktion nicht bald stattfindet,dann wird man die Con-Treh wie tollwütigeHunde erschlagen. Es ist zu spät, die Ent-wicklung umzukehren. Die Meute hat Blutgeleckt. Noch hält sie still, aber es genügtjetzt ein kleiner Vorfall, um die Katastropheauszulösen. Ich werde den absurden Berichtnatürlich nicht in der Form weiterleiten. Ichwerde schreiben, daß die ARKEX durcheinen technischen Fehler zerstört wurde!«

»Ich danke Ihnen, Admiral!« sagte SairTenguin. »Wissen Sie zufällig, wann dieCon-Treh Arkon verlassen müssen?«

»In einem halben Jahr!« sagte der Flotten-kommandeur. »Seien Sie unbesorgt, ich

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werde persönlich dafür Sorge tragen, daß dieUmsiedlung friedlich vonstatten geht. Ichhabe auch schon einen Planeten gefunden.Ich habe ihn Ark'alor getauft!«

»Arkons Rettung!« wiederholte Tenguin.»Ich nehme an, Sie wissen bereits, daß ichselbstverständlich meine Frau begleiten wer-de!«

»Ihre Entlassung ist bereits vorgemerkt!«meinte der Admiral lächelnd.

»Danke!« sagte Tenguin, dann salutierteer und zog sich zurück.

Regir da Quertamagin, Admiral der Vier-ten Arkonflotte, schüttelte resignierend denKopf.

»Hoffentlich geht das gut!« murmelte er.

*

»Ich habe meinen Instinkt, und der hatmich noch nie betrogen!« QuertamaginsStimme klang drängend. »Mein Instinkt sagtmir, daß dieses Experiment scheitern wird.Es wird eine Katastrophe geben!«

»Ich kann mir nicht vorstellen, wie einesolche Katastrophe aussehen sollte!« wider-sprach der Imperator. »Das Laaha-Systemist völlig unbelebt, wir können also unbe-sorgt mit den Planeten und Monden herum-spielen. Außerdem ist die Vierte Flotte inder Nähe. Was soll dort passieren?«

»Ich weiß es nicht!« murmelte Regir daQuertamagin düster. »Aber ich spüre es. Eswird ein Fehlschlag werden. Aber vielleichtwird er dich von der Wahnsinnsidee abbrin-gen, solche Experimente auch mit ArkonsPlaneten zu veranstalten. Du wirst damit un-ser Volk vernichten; was alle Gegner nichtgeschafft haben, wirst du an einem Tag er-reichen – Arkon wird untergehen!«

»Du darfst mir glauben, alter Freund, daßich an diesem Tage hier in diesem Palast sit-zen werde!« versprach Gonozal III. »WennArkon stirbt, dann sterbe ich auch. Und duweißt, daß ich sehr an meinem Leben hänge.Ich werde schon alle Vorsorge treffen, umdas große Werk gelingen zu lassen!«

Regir da Quertamagin schüttelte zwei-

felnd den Kopf. Nachdenklich füllte er diePokale auf dem flachen Tisch wieder auf. Erstellte den schweren Krug aus Luurs-Metallab, dann sah er auf die Uhr. Vor wenigenMinuten war das große Experiment angelau-fen, bald würden die ersten Nachrichtenüber Hyperfunk auf Arkon eintreffen. Regirspürte, wie sich sein Herzschlag beschleu-nigte. Er war ein schlachterprobter Kämpfer,der einen untrüglichen Instinkt für drohendeGefahren besaß, und dieses Gefühl sagteihm ganz deutlich, daß sich im Laaha-Sy-stem eine fürchterliche Katastrophe anbahn-te.

Es galt als unschicklich, am Hofe des Im-perators seine Gefühle zu zeigen, daher kamder Bote mit der Nachrichtentafel gemesse-nen Schrittes näher und übergab nach demZeremoniell den Plastikstreifen an den Im-perator.

Quertamagin starrte auf das Gesicht sei-nes Freundes, das jäh die Farbe wechselte.Der Imperator ließ die Hände sinken undrichtete den Blick auf seinen Freund.

»Du hast dich nicht geirrt!« sagte GonozalIII. tonlos. »Es hat eine Katastrophe gege-ben!«

Regir da Quertamagin griff nach dem Pla-stikstreifen und überflog den Text. Der ersteTeil des Versuchs war ohne Schwierigkeitenabgelaufen, dann aber war das Kräftegefügedes Systems schlagartig zusammengebro-chen. Die Planeten und Monde verließen ih-re Bahnen und rasten frei durch das All. Indiesem gravitatorischen Chaos hatten dieFlotteneinheiten ihr Heil in der Flucht ge-sucht, aber die hyperstrukturellen Verände-rungen durch die veränderten Planetenbewe-gungen ließen die Absprungdaten bei denTransitionen falsch werden. Die meistenSchiffe verschwanden im Hyperraum undkehrten nie zurück, andere waren von Trüm-mern des zerplatzten Mondes zerfetzt wor-den. Die Katastrophe konnte nicht vollstän-diger sein.

»Du hast nicht mehr viel Zeit!« murmelteGonozal III. schwach. »Ich kann diese Infor-mation nicht lange zurückhalten, und in ein

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paar Stunden wird ganz Arkon wissen, daßdas Projekt fehlgeschlagen ist. Bringe dieCon-Treh in Sicherheit, und das schnell!«

Regir da Quertamagin stand auf und sahden Imperator lange an, dann murmelte er:

»Lebe wohl! Ich glaube, wir werden unsnicht mehr sehen!«

Er schüttelte die Hand des Imperators, dergeistesabwesend auf einen Punkt in der Luftzu starren schien, dann verließ er schnell denRaum.

*

Ra blinzelte mit den Augen, bis er sichwieder an das Dämmerlicht in der Halle ge-wöhnt hatte. Etir Baj stand neben ihm undknirschte mit den Zähnen.

»Ich werde dir sagen, was danach gesche-hen ist!« sagte er undeutlich. Ra sah ihm an,wieviel Energie es den Mann kostete, eini-germaßen ruhig zu bleiben. »Nur fünftau-send Con-Treh ist damals die Flucht gelun-gen, die anderen wurden niedergemacht!Komm mit!«

Ra stand auf und folgte dem Con-Treh.Vor einem durchsichtigen Plastikblock blie-ben die beiden Männer stehen. Etir Baj deu-tete auf eine Karte, die von dem Plastikma-terial umhüllt wurde.

»Lies das!« sagte er. »Dann wirst du wis-sen, warum wir Con-Treh die Gonozalsnicht lieben!«

Ra beugte sich vor und las die wenigenZeilen.

Alle Con-Treh, wo immer sie anzutreffensind, sind gefangenzunehmen und ohne wei-tere Umstände sofort zu exekutieren. DurchSabotage der Con-Treh ist das große Pro-jekt fehlgeschlagen und die Vierte Flotte na-hezu vernichtet worden. Die Gesamtheit derCon-Treh ist hiermit zum Tode verurteilt!

Gegeben im Kristallpalast, im fünfzehn-ten Jahre seiner Regierung, Gonozal III.

Ra starrte auf das Dokument. Neben dercharakteristischen Unterschrift war der Dau-menabdruck des Imperators zu erkennen,mit dem er Unterschriften von besonderer

Bedeutung kennzeichnete. Ra hatte zwarkeine Möglichkeit, die Echtheit dieser Un-terschrift zu prüfen, aber er konnte sich nichtvorstellen, daß es sich um eine Fälschunghandelte.

»Verstehst du uns jetzt?« fragte Etir Baj.»Wir leben auf dieser Welt in Angst, denndieser Befehl gilt noch immer. Seit Jahrtau-senden leben wir auf Ark'alor in Angst undSchrecken, immer in der Gefahr, von denArkoniden entdeckt zu werden. Nur seltenwagt sich ein Con-Treh von Ark'alor weg –dann meist, um unsere Dankesschuld abzu-tragen. Mit diesem Schiff hier landete alsletzter Flüchtling Regir da Quertamagin,schwerverletzt. Er starb hier. Seit dieser Zeithelfen wir den Quertamagins, wenn wir kön-nen. Ein Gonozal aber …!«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß diesesTodesurteil echt sein soll!« meinte Ra.»Natürlich, es ist von Gonozal III. unter-schrieben worden, aber wahrscheinlich nichtganz freiwillig!«

»Wie meinst du das?« fragte Etir Baj ver-blüfft.

»Der Imperator wußte«, erklärte Ra, »daßes keine Macht gab, die die Con-Treh nochhätte retten können. Das Volk wartete nurdarauf, die Con-Treh massakrieren zu dür-fen. Nun stelle dir vor, es wäre zu dem Mas-saker gekommen, ohne daß der Imperatordiesen Befehl ausgestellt hätte. Später näm-lich hätte er jeden Arkoniden, der an der Tö-tung eines Con-Treh beteiligt gewesen war,vor Gericht stellen und aburteilen müssen.Kannst du dir die Folgen vorstellen? Millio-nen von Arkoniden vor Gericht, wegen ge-meinschaftlicher Verschwörung zum Mord?Es hätte einen Bürgerkrieg gegeben. Um daszu verhindern, mußte Gonozal III. die Lyn-chjustiz seines Volkes in irgendeiner Weiselegalisieren – und das hat er mit diesem Be-fehl getan!«

Bei Etir Baj starrte Ra nachdenklich an,dann schüttelte er den Kopf.

»Es hört sich logisch an, was du sagst«,erklärte er. »Aber ich kann dir einfach nichtglauben! Eine jahrtausendealte Tradition

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wirft man nicht nach fünf Minuten überBord!«

»Wenn nicht jetzt, dann später!« brummteRa. »Du wirst sehen, Atlan hat mit dem Go-nozal, wie du ihn mir geschildert hast, kei-nerlei Ähnlichkeit. Wann übrigens könnenwir damit rechnen, daß das hochverehrteCon-Treh-Than hier eintrifft? So schön eureWelt auch ist, ich möchte trotzdem wiederfort!«

»Vielleicht findet sich eine Möglichkeit!«meinte Etir Baj lächelnd. »Ich habe da einpaar Ideen, die man in die Tat umsetzenkönnte!«

2.

Ra lehnte an der Wand und lächelte ver-gnügt. Das ehrwürdige Con-Treh-Than be-nahm sich wie ein Kindergarten auf Reisen.Die alten Männer des Fünferrats der Con-Treh tanzten förmlich in der Halle der Erin-nerung. Für die Con-Treh war dieses uralteSchiff heilig, und sie hatten lange wartenmüssen, bis sie ihr Heiligtum wieder betre-ten konnten, Etir Baj hatte ein übriges getan.Offen und wahrheitsgetreu hatte er von derRückeroberung der Halle berichtet und da-bei Ras Anteil hervorgehoben. Da die Män-ner des Con-Treh-Than weite Strecken derFlußfahrt von Magintor bis zu der Insel imBinnenmeer Abdalor selbst erlebt hatten,konnten sie sich ausrechnen, welche Lei-stungen die beiden Männer vollbracht hat-ten.

Sobald sich die Männer wieder beruhigthatten, wandten sie sich dem vorerst wich-tigsten Thema zu. Ra war von dem Con-Treh-Than zum Tode verurteilt, er sollte al-lerdings begnadigt werden, wenn es ihm ge-lang, die Halle der Erinnerung für die Con-Treh zurückzugewinnen. Nichts sprach deut-licher für die Erfüllung dieser Bedingung alsder Umstand, daß die neuerliche Verhand-lung über das Geschick des Barbaren ineben dieser Halle stattfand.

»Er hat die geforderten Bedingungen er-füllt!« stellte Bei Etir Baj fest. »Sein Leben

ist damit unantastbar. Ich habe Ra mit derGeschichte unseres Volkes vertraut ge-macht, wie ihr es befohlen habt. Dabei hatRa einen völlig neuen Gedankengang ent-wickelt!«

Etir Baj schilderte, wie Ra die Existenzdes Todesurteils zu erklären versucht hatte,und das Con-Treh-Than hörte ihn geduldigan.

»Eine kühne These!« sagte der Sprecherschließlich. »Es gibt aber keine Beweise fürdie Richtigkeit seiner Auffassung!«

»Auf dieses Thema wollte ich zu sprechenkommen!« fuhr Etir Baj fort. »Wenn esmöglich ist, Beweise für Ras Hypothese zufinden, dann nur auf Arkon. Ich bitte daherdas Con-Treh-Than um die Erlaubnis, Arkonaufsuchen zu dürfen!«

»Und ich möchte ihn begleiten!« mischtesich Ra sofort ein.

Er hatte nicht die geringste Lust, den Restseines Lebens auf Ark'alor zu fristen. Viel-leicht war es auch möglich, auf Arkon ir-gend etwas in Erfahrung zu bringen, das fürAtlan von Nutzen sein konnte. Seit der Kri-stallprinz gegen seinen verbrecherischenOnkel kämpfte, war vermutlich keiner seinerMitarbeiter so nahe an den Gegner herange-kommen. Und wenn die übervorsichtigenCon-Treh einen Mann nach Arkon schmug-geln konnten, dann mußte dieser Schleich-weg außerordentlich gut gesichert sein.

»Wir stimmen dir zu, Bei Etir Baj!« sagteder Sprecher am Ende der leise geführtenBeratung. »Und deinen Freund kannst dumitnehmen. Genau betrachtet, gehen wir eingroßes Risiko ein, wenn wir Ra erlauben,nach Arkon zu gehen. Aber wir können ein-fach einem Mann nicht mißtrauen, der dasgrößte Heiligtum unseres Volkes befreit hat.Zieht also nach Arkon. Seid wachsam undvorsichtig!«

»Seid wachsam und vorsichtig!« wieder-holten die beiden Männer den traditionellenGruß der Con-Treh.

Ra und Etir Baj zogen sich zurück. AmStrand der Insel herrschte ein geschäftigesTreiben. In seiner fast euphorischen Stim-

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mung hatte das Con-Treh-Than viele der Si-cherheitsbestimmungen gelockert. Es galtvor allem, eine schnelle Verkehrsverbindungzwischen der Insel und der Hauptstadt Ma-gintor zu schaffen. Sogar Gleiter hatte dieRegierung der Con-Treh bewilligt. Mit ei-nem dieser Fahrzeuge flogen Ra und EtirBaj die Strecke zurück, die sie in endloslang erscheinenden, qualvollen Märschenzurückgelegt hatten. Nur mit Schauderndachte Etir Baj an das gefährliche Gloohn,das noch immer irgendwo im Felsen lebteund eine Gefahr für jeden war, der in seineNähe geriet. Ras Überlegungen gingen mehrin die Zukunft. Vielleicht war es möglich,die Con-Treh von ihrem Haß auf alles, wasmit dem Namen Gonozal zu tun hatte, abzu-bringen. Gelang dies, dann hatte Atlan unterUmständen einige tausend hervorragendeFreunde und Mitkämpfer gefunden. Nach-denklich betrachtete Ra den Mann, der ne-ben ihm in dem Gleiter saß.

Bei Etir Baj war etwas größer als Ra,nicht ganz so breit in den Schultern wie derBarbar. Seine Haut zeigte einen satten Bron-zeton, die Haare die dunkle Färbung, die ty-pisch war für die Con-Treh. Ra freute sichdarauf, den Mann Atlan vorstellen zu kön-nen.

Stunden waren vergangen seit dem Ab-flug von der Insel. In Flugrichtung kamenlangsam die Berge näher. Dort lag in einemgroßen Tal, das ein Meteorit förmlich ausdem Gebirge gestanzt hatte, die Stadt Ma-gintor, zum weitaus größten Teil in den Felshineingebaut. Von den Siedlungen der Con-Treh war aus der Luft nichts zu sehen, einweiteres Zeichen ihrer großen Angst vorEntdeckung.

Etir Baj wandte den Kopf zur Seite undbetrachtete das Gesicht Ras.

»Ich überlege gerade«, murmelte er, als erRas fragenden Blick bemerkte, »wie wir esanstellen, aus dir einen Arkoniden zu ma-chen. Bei mir ist das relativ einfach, wir sindseit langem darin geübt. Aber ich fragemich, wie unsere Haarfärbemittel auf deinHaar wirken. Vielleicht wirst du kahl davon

werden!«Instinktiv gingen Ras Hände in die Höhe,

und in Gedanken stellte er sich das Geläch-ter der Freunde vor, wenn er mit einer Glat-ze nach Kraumon zurückkehrte.

»Nur das nicht!« entfuhr es dem Barba-ren.

»Keine Angst!« beruhigte ihn Etir Baj.»Die Haare wären nicht weiter wichtig, aberich kann nicht abschätzen, ob es möglichsein wird, deine Augen zu färben. Die Ge-fahr, daß du dabei erblindest, ist entschiedenzu groß.«

»Barbar bleibt Barbar!« stellte Ra fest.»Ihr werdet mich nicht ummodeln können.«

»Dann wirst du mich als Diener begleitenmüssen!« erklärte Etir Baj. »Ich werde alsKaufmann nach Arkon reisen! Und du wirstein barbarischer Sklave von irgendeinemKolonialplaneten sein!«

Ra zuckte zusammen. Er war lange ZeitS-klave gewesen, und die Zeit, die er auf demSklavenplaneten Mervgon zugebracht hatte,hatte er noch nicht vergessen.

Ra schüttelte den Gedanken ab. Diesmalwürde er den Sklaven nur spielen, und dieserUnterschied zählte.

*

Es war erstaunlich, wie schnell sich dieAnsichten der Menschen ändern konnten.Noch vor wenigen Wochen hätte man Ra inMagintor erschlagen; jetzt drängten sich im-mer wieder Männer heran, um Ra auf dieSchulter zu klopfen und ihm zu gratulieren.Und Etir Baj stellte im stillen fest, daß auchder weibliche Teil der Con-Treh Gefallen andem stämmigen Barbaren gefunden hatte.

Man gönnte den Männern einen Tag derErholung, dann machte sich Etir Baj an dieArbeit.

Mit Staunen sah Ra zu, wie sich der Con-Treh in einen waschechten Arkoniden ver-wandelte. Ein Bleichmittel färbte die Haaredes Mannes weiß, eine andere Chemikalieverlieh den Augen den typischen, albinoti-schen Rotton. Ein weiteres Bleichmittel

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sorgte dafür, daß Etir Bajs Körper die Son-nenbräune verlor. Braungebrannte Arkoni-den konnten nur der untersten Schicht derBevölkerung angehören. Arkoniden vonRang hatten blaß zu sein, es sei denn, mangehörte zur Flotte, wo sich Sonnenbestrah-lung nicht vermeiden ließ. Einem hohenOffzier ließ man die Bräune durchgehen,doch war es üblich, die Haut mit Cremes zubleichen. Nach wenigen Stunden hatte EtirBaj den alabasternen Leib eines vornehmenArkoniden. Nur die gut ausgebildete Musku-latur ließ sich so schnell nicht entfernen,aber darauf legte der Con-Treh auch wenigWert.

Nach einem Tag waren die Vorbereitun-gen abgeschlossen. Zwar würden noch einpaar Tage vergehen, bis die Narben an EtirBajs Schädel vollständig verheilt waren,aber den Mann hielt es nicht länger in Ma-gintor. Die Narben, die von den grausamenPsychoverhören in Krassig geblieben waren,hatte eine kosmetische Operation nahezuverschwinden lassen. Nur die Narben aufdem Brustkorb und auf dem Rücken, eben-falls Überreste von Folterungen, waren ge-blieben. Aber nach einer kosmetischen Ope-ration auch dieser Narben hätte Etir Bajmindestens eine Woche länger auf Ark'alorbleiben müssen, und dazu hatte er keineLust.

»Ich heiße von nun an Immo Kalee!«stellte sich Etir Baj als Arkonide bei Ra vor.»Jetzt brauchen wir nur noch einen Namenfür dich!«

»Ich bin Ra und werde es bleiben!« stellteder Barbar fest. »Auf Arkon kennt mich nie-mand, ich habe es nicht nötig, mir einenfalschen Namen zuzulegen!«

Es war ziemlich viel Zeit vergangen, seitRa in die Hände der Arkoniden gefallen war.Er konnte sich nicht vorstellen, daß sich ir-gend jemand noch an ihn erinnerte, zumaldie Personen, mit denen er zu tun gehabthatte, nicht im Arkonsystem lebten, sondernauf weit abgelegenen Kolonialplaneten.

»Einverstanden!« meinte Etir Baj. »MeineAusrüstung ist fertig, wie sieht es bei dir

aus?«Ra hatte die Lederbekleidung anbehalten,

die er zu Beginn der Expedition auf Ark'alorangezogen hatte. Er trug ein langes Schwertmit einer hervorragenden Klinge im Gürtel,dazu einen Dolch und eine Schleuder. ImNacken verborgen war eine weitere, nadel-spitze Klinge, eine mörderische Überra-schung für den, der dieses Versteck nichtkannte. Als Sklave konnte Ra natürlich kei-ne Hochenergiewaffe tragen, wie sie in EtirBajs Gurt steckte.

Der rohlederne Anzug, den Ra trug, warziemlich eng geschnitten, und einige Vereh-rerinnen von Ra hatten den Anzug mitStickereien verziert. Ra machte den Ein-druck eines erstklassigen Kriegers aus einemJägervolk; niemand hatte vermutet, daß erauch mit modernen Waffen sehr gut umzu-gehen verstand.

»Ich bin bereit!« erklärte Ra.

*

Die Con-Treh hatten den beiden Männernein kleines Beiboot zur Verfügung gestellt.Das Schiff war ziemlich alt, aber es erfülltenoch seinen Zweck. Den kleinen Laderaumhatte man mit seltenen Fellen, getrocknetenHeilkräutern und anderen Produkten desPlaneten bis an den Rand gefüllt. Dies warein weiterer Grund, aus dem heraus man diebeiden Männer gewähren ließ. Ab und zubrauchten die Con-Treh Nachschub an hoch-technisierter Ausrüstung. Immer wenn es so-weit war, schickten sie eine Ladung ihrerwunderwirkenden Kräuter und der Fellenach Arkon und tauschten sie gegen die Gü-ter ein, die sie brauchten. Da die Con-Trehsehr sparsame Leute waren, wurden solcheAusflüge nur sehr selten unternommen. Ent-sprechend rar waren die Con-Treh-Felle imArkonsystem, und dementsprechend hochder Erlös für jedes einzelne Fell.

Etir-Baj hatte die lange Liste von Dingen,die auf Ark'alor gebraucht wurden, im Kopf,und er wußte auch, wie er diese Dinge vonArkon herschaffen würde, ohne daß man

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ihm folgen konnte.Ra hätte lieber das Beiboot von Ischtars

Schiff verwendet, weil dieses Schiff von denStrukturtastern offenbar nicht erfaßt werdenkonnte. Aber die varganischen Konstruktio-nen waren derart auffällig, daß man sich so-fort um die beiden Piloten gekümmert hätte,wo immer sie auch erschienen wären. Auf-sehen aber war das mit Abstand letzte, wassich die beiden Männer wünschen konnten.

Die COTAWBA, wie Etir Baj das Bootgetauft hatte, konnte zur Not von nur einemMann gesteuert werden. Mit kleinen Schif-fen dieser Bauart pflegen abenteuerlustigeMänner den Kugelsternhaufen M-13 zudurchstreifen, auf der Suche nach Abenteu-ern, seltenen Mineralien und anderen Din-gen, die – sofern man eine solche Fahrtüberlebte – auf Arkon hohen Gewinn abwar-fen. Ihrer Bestimmung gemäß sah die CO-TAWBA ziemlich heruntergekommen aus.Ra traute dem Boot nicht ganz, aber als erbeim Start die gleichmäßigen Arbeitsge-räusche des Triebwerks hörte, wußte er, daßsich die Brüchigkeit der COTAWBA aufden äußeren Anblick beschränkte.

Fast einen ganzen Tag hielt sich das klei-ne Boot im Bereich Ark'alors auf. Sorgfältigprüfte Etir1 Baj die Messungen der' Struk-turtaster. Als die beiden Männer sicher seinkonnten, daß ihr Sprung aus dem SystemArkalors heraus nicht bemerkt oder gar an-gemessen werden würde, starteten sie. Dennächsten Sprung be rechnete Etir Baj nachähnlichen Kriterien.

So dauerte es fast vier Tage, bis die bei-den Männer endlich ihr Teilziel erreicht hat-ten. In einem stabilen Orbit kreiste das klei-ne Boot um den Planeten Vor'phamor, einenHandelsknotenpunkt des Großen Imperiums.Von seinen Daten her war der Planet äußerstdurchschnittlich, ähnlich Kraumon oderArk'alor.

Die Bewohner des Planeten fühlten sichsehr sicher, nach einer überaus flüchtigenKontrolle durften Etir Baj und Ra mit ihremBoot auf einem der kleinen Häfen landen.Etir Baj hatte sich für Cortereal entschieden,

die zweitgrößte der Städte des Planeten.»Und vergiß nicht!« ermahnte Etir Baj

seinen Begleiter. »Ich heiße Immo Kalee.Wenn du dich verplapperst, reißt man uns inStücke!«

»Keine Sorge!« beruhigte Ra den Con-Treh. »Ich werde es mir merken!«

Zur Ausrüstung des Beiboots gehörte einkleiner Gleiter mit zwei Sitzplätzen und ei-ner geräumigen Ladefläche, speziell ge-schaffen für die Boote der Prospektoren undPelzjäger. Niemand kümmerte sich um diebeiden Männer, als Ra hinter dem SteuerPlatz nahm und sich Immo Kalee hoheitsvollauf den anderen Platz setzte.

»Halte auf den großen Turm zu!« befahlImmo.

Ra nickte und schob den Beschleuni-gungshebel nach vorne. Langsam, und mitwinselnden Generatoren setzte sich der Glei-ter in Bewegung. Immo Kalee hatte vor demAbflug dafür gesorgt, daß das Fahrzeug tat-sächlich Spuren starken Gebrauchs aufzu-weisen hatte. Das wichtigste Indiz war dermörderische Gestank, den die Ladeflächeverbreitete.

Erst am Ausgang des kleinen Landefeldswurden die beiden Männer angehalten. ZweiEinwohner der Stadt überprüften die Papie-re. Selbstverständlich waren die Unterlagenvon Immo Kalee einwandfrei, immerhin hat-ten die Con-Treh einige Jahrtausende langdas Fälschen von Dokumenten üben können.

»Und der da?« fragte einer der beiden Po-sten und deutete auf Ra. »Was ist mit demBurschen? Gehört er zu dir?«

Immo Kalee zog die Brauen zusammen.»Erstens«, sagte er langsam und drohend,

»werde ich für gewöhnlich mit Erhabenerangeredet, wie es sich für einen Arkonidenvon Geblüt geziemt! Und zweitens ist dieserMann mein Eigentum. Ich habe vor, ihnamtlich als Sklaven registrieren zu lassen!«

Der Posten zuckte zusammen. Es warnicht ratsam, sich mit einem Arkoniden an-zulegen. Die Herren des Großen Imperiumsverstanden keinen Spaß, wenn man sie in ih-rer Ehre kränkte. Das galt auch für die Ab-

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kömmlinge der Arkoniden auf anderen Pla-neten. Den Bewohner Cortereals erwartetenbeträchtliche Schwierigkeiten, wenn ein Ar-kongeborener sich über ihn beschwerte.

»Verzeihung, Erhabener!« stammelte derPosten. »Die Durchfahrt ist frei!«

Immo Kalee gab Ra einen Wink, und derBarbar beschleunigte den Gleiter. Im Vor-beifahren warf Immo dem Posten ein Geld-stück zu, das der Mann grinsend auffing.Korruption war weit verbreitet, besondersauf Welten wie Vor'phamor. Vorsichtig fä-delte sich Ra in den dichten Verkehr auf denbreiten Straßen ein.

In Cortereal trafen sich nicht die ganzgroßen Händler, die ganze Konvois mit dergleichen Ladung füllen konnten. Die Stadtwar ein Tummelplatz der Abenteurer, dienach oft jahrelanger Abwesenheit mit erlese-nen Kostbarkeiten zurückkehrten. Entspre-chend bunt und vielgestaltig war das Lebenin der Stadt. Die Behörden sahen zwar nichtgerne, daß sich allerlei lichtscheues Gesindelin der Stadt ein Stelldichein gab, aber solan-ge die Zahl der Messerduelle sich in Gren-zen hielt, drückten die Polizisten ein Augezu. Ein besonderes Interesse an dem Lebenund Treiben in Cortereal hatte die PO-GIM,deren Spitzel in vielfältigen Verkleidungendurch die Märkte und Spelunken zogen, umInformationen zu sammeln. Den wüstenMännern, die sich berufsmäßig in der Stadttrafen, tat die Geheimpolizei nichts, aber dieInformationen, die die Männer ausplauder-ten, waren für die POGIM von Bedeutung.

Cortereal lag in einem weiten, sanft ge-schwungenen Tal. Die Stadt war gewachsenwie eine Krebszelle, wild und zügellos. Ent-sprechend verwirrend und faszinierend wardas Bild, das sich dem Betrachter bot. Kurz,die Stadt war voller Leben und Bewegung.

Cortereal hatte etwas mehr als zehntau-send Einwohner, hinzu kamen je nach Ge-schäftslage bis zu einhunderttausend Händ-ler, Prospektoren, Dirnen, Taschendiebe,Spieler, Glücksritter, Vagabunden.

Die Bewohner der Stadt mochten keineGleiter, daher stellten Immo Kalee und Ra

ihr Fahrzeug am Stadtrand ab und gingen zuFuß weiter. Warum in den Straßen Fahrzeu-ge nur in Ausnahmefällen zugelassen waren,begriffen die Männer sehr schnell. Überalltrafen sie auf kleine Gruppen von Men-schen, die singend und lärmend durch dieStraßen zogen, in der Rechten eine dickbau-chige Flasche, in der Linken die Hand einesMädchens. Cortereal war eine Stadt derfröhlichen Zecher und der ungehindertenLebenslust. Obwohl sich hier mehr berufs-mäßige Diebe versammelten als an jedemanderen Platz in der Galaxis, wurde in Cor-tereal weniger gestohlen als im Kristallpa-last.

Ra fühlte sich in dem wilden Haufen au-ßerordentlich wohl. Er mochte Menschen,die sich natürlich gaben. Die beiden Männerkamen nur langsam voran. Immer wiederboten ihnen wildfremde Gesellen Drinks an,und die Mädchen versuchten ihr Bestes, umdie Männer von ihren eigentlichen Zielenabzubringen.

»Vorwärts!« sagte Immo Kalee und zerrteRa mit sich, der dem dunkelhaarigen Mäd-chen mit einem Schulterzucken und einerKopfbewegung klarmachte, daß er nicht sokonnte, wie er gern gemocht hätte. »Wir ha-ben allerhand zu besorgen!«

Vor einer buntbemalten Fassade eines al-ten Hauses blieb Immo Kalee stehen. Überder Tür hing ein altes, fleckiges Schild. DieAufschrift »Zum ehrlichen Würfel« warkaum noch zu lesen, dafür steckten in derhölzernen Tafel vier Messer dicht nebenein-ander. Aus der Tür klang das Geräusch an-einanderschlagen der Gläser und der ohren-betäubend laute Gesang eines DutzendsMänner, die mangelnde Kunstfertigkeit mitLautstärke wettzumachen suchten.

Ra brauchte einige Zeit, bis er sich an denDunst und den Rauch im Innern der Tavernegewöhnt hatte. In der Luft lag der Geruchnach viel Alkohol und einem vorzüglichenBraten. Mädchen liefen zwischen den höl-zernen Bänken und Tischen hin und her, da-mit beschäftigt, Wein, Braten und abweh-rende Klapse auszuteilen.

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»Was wollen wir hier?« fragte Ra, so lei-se, wie es die Geräuschkulisse des Lokalszuließ.

»Leute treffen!« meinte Immo Kalee. »Ichwar zwar noch nie selbst hier, aber andereMänner haben mir von dieser Kneipe er-zählt. Wer hier verkehrt, gehört zu den aner-kannten Händlern der Stadt. Mach dich aufSchwierigkeiten gefaßt!«

Ra ging voran und schob die Menschenzur Seite, die sich ihm in den Weg stellten.Wütende Rufe wurden laut, die schlagartigverstummten, als sich Immo Kalee auf deneinzigen, noch freien Platz setzte. Der höl-zerne Stuhl war frei, obwohl sich Männer inder Nähe des Platzes drängten. Immo Kaleewar sich sicher, daß dieser Sitz für einen be-sonders wichtigen Mann freigehalten wurde.

Schlurfend kam der Wirt näher, einspeckiger Zaliter mit einem verschlagen wir-kenden Gesichtsausdruck.

»Hör, Freundchen!« sagte er leise.»Dieser Sitz ist für Gabdraman Schwati re-serviert! Wenn du darauf sitzt, wenn erkommt, wirst du mein Lokal mit den Füßenvoran verlassen. Ich gebe dir den guten Ratzu verschwinden, bevor Schwati kommt!«

»Dafür ist es zu spät!« murmelte eine hei-sere Männerstimme. »Er kommt gerade her-ein!«

Alle Köpfe wandten sich zur Tür, in dersich die Umrisse eines ungewöhnlich großenund breitschultrigen Mannes abzeichneten.Im Näherkommen wurden Einzelheiten desMannes sichtbar.

Gabdraman Schwati war ein Arkonide.Seine Haut war von der Sonne tief gebräunt,das Kinn wurde von einem langen, weißenBart verdeckt. Die Muskulatur des Manneswar, soweit das locker geschnittene Hemdsie erkennen ließ, beängstigend gut ent-wickelt. Schwati trug einen breiten ledernenGürtel, dessen Schnalle aus Luurs-Metallbestand. In den Holstern steckte links einImpulsstrahler, rechts einer der wenigenDesintegratoren, die ihren Weg in Privathän-de gefunden hatten. Der Schnitt des Gesichtsverriet eine unbändige Energie, gepaart mit

hoher Intelligenz.Schwati kam langsam näher und blieb vor

Immo stehen. Flüchtig streifte sein Blick Ra,der neben dem falschen Arkoniden standund die Hände vor der Brust verschränkthatte. Eindringlich musterte GabdramanSchwati den frechen Eindringling, dannbeugte er sich langsam nieder und packteden Stuhl an zwei Beinen. Mit ausgestreck-ten Armen hob er Immo in die Höhe undschwenkte ihn langsam zur Seite. Immoschlug die Beine übereinander und lächeltefreundlich.

Schwati erwiderte das Grinsen, dann ließer den Stuhl los. Zu seiner grenzenlosenÜberraschung fiel der Mann nicht. Etwasschneller als Schwati schwenkte Ra denStuhl auf seinen ursprünglichen Platz zu-rück, und man konnte dem Barbaren anse-hen, welche Kraft dieses Kunststück kostete.

Es wurde sehr still in der Taverne zumehrlichen Würfel, als Ra behutsam den Stuhlan seinem alten Standort wieder absetzte.Schwati achtete nicht mehr auf Immo Kalee,er konzentrierte sich ganz auf Ra.

Er streckte die rechte Hand nach Ra aus.Der Barbar ergriff die Hand und ging einenSchritt zurück. Mit weit ausgestreckten Hän-den standen sich die Männer gegenüber,dann strafften sich die Armmuskeln. Die Fü-ße scharrten über den steinigen Boden, alsdie beiden Männer sich besseren Halt zuverschaffen suchten. Schweißtropfen wur-den auf den Stirnen sichtbar, während sichdie Spannung im Saal steigerte.

»Zwanzig auf den Barbaren!« gellte eineStimme.

»Ich halte fünfzig dagegen!« meldete sichein anderer Mann.

Der Kampf ging in die vierte Minute, alsder Wettumsatz fünfstellige Beträge erreich-te. Immo heizte den Kampf weiter an, als erweitere zehntausend auf Ra setzte, obwohlder Barbar schnaufte und stark schwitzte.Lange konnte er sich gegen den HünenSchwati nicht mehr halten.

Dann griff der falsche Arkonide in die Ta-sche und holte einen kleinen, dunkel gefärb-

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ten Gegenstand hervor, den er scheinbarachtlos Schwati zuwarf. Der Mann erkanntenoch im Flug, was ihm zugeworfen wurdeund schnappte danach. Im gleichen Augen-blick wurde er von Ra zur Seite gewirbeltund fiel, doch es gelang ihm, den Gegen-stand zu fangen, bevor er auf den Bodenprallte.

Die Menschen im Lokal waren vor Über-raschung sprachlos, während Immo schnellseinen Gewinn einstrich. Ra massierte mitschmerzverzerrtem Gesicht den Krampf imrechten Arm.

»Eine Sekunde länger«, stöhnte er, »undich hätte dort gelegen!«

Gabdraman Schwati stand langsam auf.Mit einer Handbewegung machte er sicheinen Platz unmittelbar neben Immo Kaleefrei. Fasziniert betrachtete der Mann denGegenstand.

»Ein Porträt Bolarcs I. in einen schwarzenDiamanten geschnitten!« staunte Schwati.»Mann, wie bist du an diese Kostbarkeit ge-kommen?«

»Mein Geheimnis!« meinte Immo lä-chelnd. »Interesse?«

»Langsam!« wehrte Schwati ab; er winkteden Wirt heran. »Zwei kleine Krüge vomBesten für meinen Freund und mich, undeinen besonders großen für den Barbaren. Erhat ihn sich verdient!«

Er grinste Ra an und schlug ihm auf dieSchulter. Kurze Zeit später erschien der Wirtund brachte die drei Krüge. Ra gab denWein sofort an andere weiter; seit er aufdem Sklavenplaneten Mervgon einen fürch-terlichen Rausch mit einem noch entsetzli-cheren Kater ausgekostet hatte, fürchtete erden Alkohol. Die umherstehenden Männerwaren von dieser Geste sehr erfreut, undnach kurzer Zeit nahm das Gelage seinenFortgang.

»Laß mich nachrechnen!« murmelteSchwati. »Von diesem Gemmen gibt es nursehr wenige. Zwei liegen in der privatenSammlung Orbanaschols. Er lebe hoch, abernicht allzu lange!«

»Es lebe seine Erhabenheit!« schrie ein

Mann und imitierte die unnatürliche Sprech-weise des Imperators. Brüllendes Gelächterwar die Antwort. An jedem anderen Ort wä-re dieser Spott für den Sprecher das sichereTodesurteil gewesen, aber an die freienHändler von Vor'phamor wagte sich nie-mand heran. Sie lieferten die Daten für neueKolonialweiten, sie brachten die Spezereienvon Welten heran, die kein Flottenkomman-do zu betreten wagte, sie lieferten die Steine,die es sonst nirgendwo in der Galaxis zukaufen gab. Die olghsche Seide, die man beiHofe trug, konnte nur über Vor'phamor be-zogen werden. Der Imperator, der dieseQuelle verstopft hätte, wäre von einer Pa-lastrevolution innerhalb von Stunden wegge-fegt gewesen.

»Ein weiteres Exemplar gehört den Zol-trals, und das letzte liegt in den Safes derQuertamagins!« beendete Schwati seineAufzählung. »Sprich, Halunke, wo hast dudas Stück … besorgt?«

Immo Kalee grinste, als er die bezeich-nende Pause zwischen den letzten beidenWorten hörte.

»Ein solches Stück kann man nicht steh-len!« erklärte er ruhig. »Man kann es auchnicht fälschen. Nur eine neue, echte Ausga-be ist von Wert, nur sie kann man verkau-fen!«

»An die POGIM!« stellte Schwati fest.»Sie werden dich erwischen, und wenn duihnen den Stein freiwillig überläßt, lassensie dich vielleicht am Leben.«

»Ich weiß!« gab Immo Kalee zurück.»Darum suche ich auch einen Partner, einenMann, der soviel Einfluß auf Arkon hat, daßauch die POGIM ihm nicht so ohne weiteresans Leder kann!«

»Besten Dank für das Kompliment«,meinte Schwati grinsend. »Einverstanden,ich mache das Geschäft. Was willst du fürden Stein haben?«

»Zweierlei!« gab Immo Kalee bekannt.»Ich habe hier erstens eine Liste von Din-gen, die ich kaufen will. Übrigens habe ichnoch eine Ladung von beträchtlichem Wertzu verkaufen.«

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»Darüber reden wir später«, warf Schwatiein. »Was ist Nummer zwei? Wo ist derPferdefuß?«

»Du wirst Ra und mich nach Arkon brin-gen!« antwortete Immo gelassen.

Schwati schüttelte sofort den Kopf.»Ausgeschlossen!« sagte er spontan. »Das

ist sogar mir zu heiß. Ich bin gewiß keinFeigling, aber auch noch lange kein Selbst-mörder. Weißt du, wie scharf alle Wegenach Arkon bewacht werden?«

»Sicher weiß ich das«, meinte lmmo lä-chelnd. »Eben darum komme ich zu dir.Wenn es einer schaffen kann, dann du!«

»Ha, ha!« machte Schwati säuerlich. »Fürdiese zweifelhafte Ehre bedanke ich mich.Tut mir leid, über Geld können wir verhan-deln, über mehr nicht!«

»Dann nicht!« meinte Immo und stecktedie Gemme in die Tasche zurück. »Schade,es hätte sich für dich gelohnt. GabdramanSchwati entdeckt die fünfte Bolarc-Gemme!Eine bessere Werbung für dein Geschäftkann ich mir kaum vorstellen!«

Schwati rieb sich nachdenklich das Kinn.»Meine PRON-KER-MKLON startet in

zwei Tagen!« murmelte der Händler nach-denklich. »Die Männer auf den Wachschif-fen kennen mich, und bei den beiden letztenEinflügen bin ich nur sehr oberflächlichkontrolliert worden!«

Bei Etir Baj verzog keine Miene, obwohler jetzt wußte, daß Schwati auf den Handeleingehen würde. Hätte der Händler geahnt,daß sich auf Ark'alor noch weitere sechs derseltenen Gemmen befanden, wäre er ImmoKalee vermutlich an die Kehle gesprungen.

»Eine Person!« meinte Schwati nachdenk-lich. »Du kannst mitfliegen, aber der Barbarmuß hierbleiben. Und wie du auf meinSchiff kommst und dich dort versteckst, istausschließlich deine Sache. Wie heißt du ei-gentlich?«

»Immo Kalee!« stellte sich der Con-Trehvor.

»Den Namen kenne ich doch?« rätselteder Händler. »Hat dein Vater nicht auchschon hier gehandelt?«

»Mein Onkel!« erklärte Immo wahrheits-getreu. »Aber ich bestehe darauf, daß Ramich begleitet. Ich brauche einen Diener!«

Schwati schüttelte den Kopf.»Kommt nicht in Frage!« erklärte er fest.

»Es ist schwierig genug, einen Mann zu ver-stecken. Wenn die POGIM-Männer auch nureinigermaßen gründlich kontrollieren, landetdie ganze Mannschaft im Konverter oder aufeinem Strafplaneten. Da hilft uns dann auchdie Bolarc-Gemme wenig!«

Immo Kalee brachte das Schmuckstückwieder zum Vorschein und spielte scheinbarnachlässig damit. Der Diamant glitzerte imLicht, und Schwati brachte es nicht fertig,den Blick von dieser Kostbarkeit zu wenden.Er wußte, daß die Dinge, die auf der langenListe standen, bei weitem nicht den Betragerreichten, den Schwati für die Gemme er-zielen konnte. Es konnte das Geschäft seinesLebens werden, darüber war sich der Händ-ler klar. Allein die Tatsache, daß er dasStück herbeigeschafft hatte, würde seinenNamen berühmt machen. GabdramanSchwati stand vor der Chance, zum Han-delsherrn aufzusteigen. Er konnte sich viel-leicht auf Arkon I niederlassen, wo zwar dieSchmiergelder zehnmal so hoch waren wieanderswo, aber auch die Gewinne ein paarZehnerpotenzen über dem Üblichen lagen.

»Krone oder Konverter!« murmelte derMann. »Gelingt der Coup, habe ich ausge-sorgt, schlägt er fehl, dann ist das mein En-de!«

»So oder so«, meinte Kalee grinsend.»Deine Sorgen bist du in jedem Fall los!Oder hast du Angst?«

Gabdraman Schwati richtete sich auf undsah Immo Kalee verweisend an.

»Ein Schwati kennt keine Angst!« be-hauptete er. »Aber ich muß an meine Mann-schaft denken, schließlich gehen die Männerdas gleiche Risiko ein wie ich!«

»Und wir beide auch!« meinte Immofreundlich. »Glaubst du, ich würde dich dar-um bitten, wenn ich nicht davon überzeugtwäre, daß es funktioniert?«

»Gib her!« sagte Schwati schließlich. »Ich

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mache das Geschäft. Zum Teufel mit demLeben, wenn es sich nicht lohnt!«

Er winkte dem Wirt zu, der eilfertig einenneuen Krug Wein anschleppte; hastig schüt-tete der Händler ein großes Glas der dunklenFlüssigkeit in sich hinein.

»Ich habe deinen Onkel gekannt, Immo!«murmelte er. »Das war ein Mann. Und einHändler, wie es keinen zweiten im Imperi-um gab. Du scheinst ihm nachgeraten zusein. Was willst du eigentlich auf Arkon?«

»Handeln!« meinte Immo freundlich. »Ichhabe ein hübsches, kleines Sternensystementdeckt, an dem Orbanaschol vielleicht In-teresse hat. Ich will es ihm verkaufen!«

»Ein Sternensystem?« fragte Schwati ver-wundert. »Eine Sonne mit bewohnbaren Pla-neten?«

»Richtig!« meinte Immo grinsend. »Ichkann dir sogar die Koordinaten nennen!«

Schwati überlegte eine Sekunde lang, biser die Daten verstanden hatte, dann beganner dröhnend zu lachen.

Diese Koordinaten kannte jedes Schul-kind. Es war die galaktische Position Ar-kons.

Gabdraman Schwati fand den Scherz her-vorragend und lachte dementsprechend lan-ge und laut.

3.

»Es kann losgehen!« stellte Ra fest. »DieLadung ist verstaut und gesichert!«

Immo Kalee nickte zufrieden.Vor den berüchtigten Bewohnern Cortere-

als hatte Immo Kalee keine Angst, von ih-nen würde keiner versuchen, sich der La-dung zu bemächtigen. Nur von der Polizeidrohte Gefahr. Wie in vielen autoritären Re-gierungssystemen hatte auch hier nicht ein-mal die Polizei die Möglichkeit, ihre berech-tigten Ansprüche gegen die Obrigkeit durch-zusetzen. Die Männer waren unterbezahlt,zudem hinkte die Löhnung Monate zurück.Die Beamten waren fast dazu gezwungen,ihren Lebensunterhalt durch andere Weisezu bestreiten, durch Erpressung, willkürliche

Beschlagnahme, manchmal durch offenenDiebstahl. Immo hatte das Gerücht durch-sickern lassen, sein Boot sei gegen Ein-bruchsversuche mit ein paar Bomben gesi-chert; das würde voraussichtlich ausreichen,um unerwünschte Besucher fernzuhalten.

Gabdraman Schwati hatte Wort gehaltenund pünktlich und prompt geliefert. Die Wa-ren waren einwandfrei. In zwei Flügen hat-ten die beiden Männer die Waren zu einemkleinen Asteroiden geschafft; von dort wür-de ein weiteres Boot der Con-Treh die La-dungen abholen und nach Ark'alor verfrach-ten.

Es war bereits dunkel, als die beidenMänner das Boot verließen. Über der Stadthing der kleine Mond des Planeten, der gera-de genug Sonnenlicht zurückwarf, um dieStraßen erkennbar zu machen. Immo Kaleehatte einen Mietgleiter bestellt, der die bei-den Männer am Kontrollturm auflas und indie Stadt brachte. Am Stadtrand stiegen dieMänner aus.

Nach Einbruch der Dämmerung verwan-delte sich Cortereal in ein einziges, riesigesVergnügungsviertel; aus den Häusern drangder Geruch nach schwerem Wein, würzigemBraten und atemberaubenden Parfüms. Nie-mand achtete auf die beiden Männer, diezielstrebig durch das Gewimmel marschier-ten.

Das große Landefeld, auf dem die be-rühmten Händler ihre Schiffe landeten, lagauf der anderen Seite des Tales. Die Hügel-kette schirmte die Stadt vor dem Lärm derTriebwerke weitgehend ab, dennoch warendie startenden Schiffe gut zu sehen, wenn siein den nächtlichen Himmel hochstiegen, be-gleitet von guten Wünschen und einem kräf-tigen Schluck auf das Wohl der Abfliegen-den.

Die beiden Männer verzichteten darauf,am Ausgang der Stadt ein zweites Fahrzeugzu mieten, sondern schlichen sich auf Sei-tenwegen langsam an das Landefeld heran.Zwei Hindernisse galt es zu überwinden,zum einen die Polizei, die außerhalb derUmzäunung wachte, zum anderen die Pri-

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vatpolizei der Händler, die innerhalb derUmzäunung ein wachsames Auge auf diePolizei hatte.

Den Sperriegel der Polizei zu durchbre-chen, machte den Männern keine Schwierig-keiten. Gefährlich wurde es erst, als sie denZaun erreichten. Immo Kalee sah auf seineUhr.

»Noch drei Minuten!« flüsterte er.Gabdramans Männer waren noch damit

beschäftigt, den Papierkrieg mit den Beam-ten im Kontrollturm auszufechten, und derHändler hatte versprochen, zu einem be-stimmten Zeitpunkt eine Keilerei zu veran-lassen, in deren Verlauf die Hochspannungfür höchstens zwei Minuten abgeschaltetwerden würde. Gelang ihm das nicht, dannblieb den beiden Männern nur der eineTrost, daß der Strom ihre Körper so schnellverkohlen würde, daß sie ihren Tod nichteinmal wahrnehmen würden.

Auf dem Rücken trugen die beiden Män-ner zwei Beutel, angefüllt mit seltenen Stei-nen und anderen Gütern, die den Vorzug ge-ringer Größe mit höchstmöglichem Wertverbanden. Immo Kalee war sich klar dar-über, daß er auf Arkon nur etwas erreichenkonnte, wenn er mit genügend Bargeld ver-sorgt war. Zum Glück waren die Con-Trehreich an Gegenständen, die auf den Arkon-planeten zu Höchstpreisen als Antiquitätengehandelt wurden. In diesem Punkt machtesich die Tatsache, daß die Con-Treh um etli-che Jahrhunderte hinter dem Standard Ar-kons zurückgeblieben waren, bezahlt.

»Jetzt!« flüsterte Immo Kalee, der sorg-fältig seine Uhr beobachtet hatte. Viel Zeithatten die Männer nicht, aber sie wartetenein paar Sekunden, um die Umzäunung zutesten. Ras Messer, gegen das Metallge-flecht geworfen, löste keine Funkenkaskadeaus. Rasch nahm der Barbar die Waffe wie-der an sich und sprang dann in die Höhe.Immo Kalee half ihm, den Zaun zu überwin-den. Als beide Männer auf der anderen Seiteder Umzäunung angekommen waren, war-fen sie sich sofort in das hohe dichte Gras,das den Rand des Landefelds bedeckte.

»Wo steht die PRON-KER-MKLON?«flüsterte Ra.

»Auf der anderen Seite des Feldes!« gabImmo Kalee ebenso leise zurück. »ZumGlück ist heute eine Nacht, in der nicht sehrviele Schiffe starten wollen!«

Das Landefeld einfach zu durchwandern,erschien den Männern zu gefährlich, sie be-wegten sich am Rande des Feldes entlang.Immer wieder mußten sie sich im Gras ver-stecken, wenn die Privatwachen der Händlerdie Umzäunung abschritten und nach Ein-dringlingen suchten. Sehr aufmerksam wa-ren die Wachen nicht, wie Ra kopfschüt-telnd feststellte. Allerdings mußte er einräu-men, daß diese Männer mehr elektronischeoder positronische Alarmsysteme gewohntwaren. Ihnen fehlte der Instinkt, der Ra oderEtir Baj sehr schnell die Anwesenheit einesUnbekannten verraten hätte.

Die beiden Männer brauchten nicht vielZeit, bis sie das Schiff des Händlers erreichthatten. Die PRON-KER-MKLON war in dertypischen Art der Arkonidenschiffe gebaut;die Kugelzelle war 300 Meter im Durchmes-ser – für ein Frachtschiff eine ansehnlicheGröße. Immo Kalee hatte sich den richtigenMann ausgesucht, Gabdraman Schwati wartatsächlich ein Händler von Bedeutung.

Wie abgesprochen stand die untere Pol-schleuse noch offen. Ra und Immo Kaleezauderten nicht lange, sondern schlichensich schnell an Bord. Sehr bald hatten sieauch die beiden Kisten gefunden, in denensie sich verstecken sollten. Im Innern derBehälter gab es Wasser und Lebensmittel,für den allergrößten Notfall sogar einenhalbwegs brauchbaren Raumanzug mit ge-füllten Tanks. Immo Kalee hatte sich diesausbedungen. Er wußte, daß die Besatzun-gen von Handelsschiffen es mit der Gründ-lichkeit nicht sehr genau nahmen. Es kamimmer wieder vor, daß die Luft aus dengroßen Laderäumen entwich. Den Männernmachte dies nichts aus; zwischen Laderaumund den übrigen Räumen an Bord gab es si-chere Schotte, aber für blinde Passagierekonnte dieser Leichtsinn zu einer tödlichen

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Überraschung werden.Rasch verschwanden die beiden Männer

in ihren Verstecken. Es vergingen einigeMinuten, dann wurden Stimmen hörbar.Nicht zu verkennen war das Organ desHändlers, der sich offenbar mit seinem Er-sten Offizier unterhielt, »Schade um die bei-den!« sagte er bedauernd. »Ich kann mirnicht vorstellen, daß sie es in den dreißig Se-kunden geschafft haben. Zu dumm, daß wirden Strom nicht länger ausschalten konn-ten!«

»Die Wachen waren ohnedies schon miß-trauisch genug!« antwortete der Offizier.»Jedenfalls werden wir jetzt keine Schwie-rigkeiten bei der Einreise nach Arkon ha-ben!«

Gabdraman Schwati kicherte.»Schließlich zahle ich auch genug, um

nicht belästigt zu werden!« meinte er. »Los,starten wir! Ich möchte bei Tagesanbruchauf Arkon landen.«

Immo Kalee knirschte leise mit den Zäh-nen, als er hörte, wie sich die beiden Männerentfernten. Hätte er gewußt, daß die Zeit-spanne zur Überwindung des Zaunes so kurzsein würde, hätte er diesen Versuch nichtunternommen.

»Egal!« murmelte er im Selbstgespräch.»Immerhin haben wir es geschafft!«

*

Er nannte sich Alpertur und war auf demPlaneten Zalit geboren, der sich als vierteWelt um die rote Riesensonne Voga beweg-te. Das Voga-System war eines der allerer-sten Systeme gewesen, das von Arkonidenangeflogen worden war. Ihre Nachkommen,die Zaliter, galten als besonders bündnistreu.Etwas anderes blieb ihnen auch nicht übrig,immerhin betrug die Distanz zwischen Ar-kon und ZaJit nur etwas mehr als drei Licht-jahre.

Alpertur konnte, abgesehen von seinembeträchtlichen Leibesumfang, als typischerZaliter gelten. Er war hochgewachsen, hatteeine rotbraune Haut und die charakteristi-

schen, kupferfarbenen Zaliterhaare. Alperturwar noch relativ jung, und er hätte als attrak-tiver Mann gelten können, wäre nicht seinausgeprägter Speckbauch gewesen und derwenig anheimelnde Blick seiner dunklenAugen. Schon der erste Eindruck verriet,daß Alpertur keine Mittel und Wege scheu-te, seine Interessen durchzusetzen. Er wäregefährlich gewesen, hätten sein Ehrgeiz undseine Geldgier nicht durch eine ausgeprägteFeigheit einen Dämpfer erfahren. An Skru-pellosigkeit hätte er jederzeit mit Orbana-schol wetteifern können.

Ra warf nur einen Blick auf den Mann,dann hatte er genug gesehen. Alperturs Hauswar mit einem Aufwand geschmückt wor-den, wie ihn bestenfalls noch der Zarlt vonZalit hätte überbieten können. KostbarsteSteine formten das Mosaik des Bodens,Wände und Boden waren mit edelstemRauchwerk bedeckt, die Türgriffe bestandenaus Luurs-Metall, das ansonsten nur zuSchmuck verarbeitet wurde.

»Mit diesem Kerl willst du Geschäfte ma-chen?« murmelte Ra in das Ohr von ImmoKalee. »Er würde seine leibliche Mutter ver-kaufen, wenn er Aussichten hätte, dafürGeld zu bekommen!«

»Mag sein!« gab Immo flüsternd zurück.»Aber er kann uns nützlich sein, und das al-lein zählt!«

Alpertur war zweifelsohne kein angeneh-mer Geschäftspartner. Als Zaliter, die vonden Arkoniden stets mit gewisser Hochmutbehandelt wurden, hatte er sich etwas Be-sonderes einfallen lassen, um sein angegrif-fenes Selbstvertrauen wieder aufzurichten.Als Mätressen und weibliches Dienstperso-nal hielt er sich ausschließlich junge, rein-rassige Arkonidinnen, meist Strafgefangeneoder nahe Verwandte von Arkoniden, die ergeschäftlich fest im Griff hatte und nach Be-lieben erpressen konnte.

»Ihr wollt mich sprechen, Erhabener!«säuselte der feiste Zaliter, als er Immo Kaleenähertreten sah.

Die beiden Männer hatten sich nach derLandung schnellstens abgesetzt, so schnell,

Der Kämpfer mit der Maske 19

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daß Gabdraman Schwati vermutlich nie er-fahren würde, daß er tatsächlich zwei blindePassagiere befördert hatte.

»Mein Name ist Immo Kalee!« stellte sichder Con-Treh vor. »Sagt Euch der Name et-was?«

Alpertur zog die Stirn in Falten und dach-te nach. Mit zusammengezogenen Brauenmusterte er den Con-Treh.

»Ich erinnere mich!« sagte er dann zö-gernd. »Was kann ich für Euch tun?«

»Wir brauchen Papiere«, stellte Immofest. »Zwei vollständige Sätze, und zwarechte falsche Papiere!«

Echte falsche Papiere waren Dokumente,deren Daten abgesichert waren und einernormalen Überprüfung standhielten. Wennein Beamter beim positronischen Registernachfragte, durfte es nicht geschehen, daßImmo Kalees Ausweisnummer zu einemPersonalpapier gehörte, das eigentlich voneiner alten Frau verwendet wurde.

»Das wird eine Kleinigkeit kosten, Freun-de!« meinte Alpertur grinsend.

»Wir zahlen wie üblich!« konterte ImmoKalee. »Und gegen die üblichen Sicherhei-ten!«

Alpertur lächelte säuerlich, und Ra be-griff, daß die Con-Treh den Mann irgendwiein der Hand hatten. Daß sie den Zaliter den-noch für seine Dienste gut bezahlten, ent-sprach ihrem ausgeprägten Sinn für doppelteund dreifache Sicherungen.

»Und was soll aus dem Burschen wer-den?« wollte Alpertur wissen. »Als Arkoni-den kann man ihn kaum bezeichnen!«

»Für Ra brauche ich einen Dienstkon-trakt!« erklärte Immo Kalee. »Er ist meinSklave! Kannst du die Dokumente besor-gen?«

Alpertur grinste selbstzufrieden undmachte eine Handbewegung, die in der ge-samten Galaxis verstanden worden wäre.

»Ich biete zwei Miniaturen von Octal,dem Blinden!« sagte Immo Kalee freund-lich. »Das dürfte wohl genügen!«

Alperturs Unterkiefer sank herunter, er-regt sprang er von dem fellbelegten Lager

auf. Der Becher fiel ihm aus der Hand, undder dunkle Wein versickerte in den Fellen.

»Machst du Witze?« fragte er fassungslos.»Seit zweihundert Jahren ist kein Bild vonOctal mehr auf dem Markt gewesen!«

»Um so höher wird der Wert sein!« stellteImmo fest und brachte die beiden Bilderzum Vorschein. »Sieh sie dir an!«

Mit zitternden Händen nahm der Zaliterdie beiden Elfenbeinminiaturen an. VonKunst verstand er etwas, denn er prüfte dieBilder lange und gründlich. Als er wiederaufsah, grinste er sehr zufrieden.

»Dafür tue ich alles für euch, Freunde!«meinte er. »Wo wollt ihr wohnen? Bei mir?Ich habe genügend Raum, bequeme Bettenund freundliche Mädchen!«

Immo Kalee betrachtete sekundenlang diejunge Arkonidin, die vor dem Zaliter knieteund ihm einen neuen Becher anbot. DerMann war Immo zuwider, aber es gab trifti-ge Gründe für sein Angebot.

»Ich nehme an!« sagte er schließlich. »Ichbrauche zwei Räume, die nebeneinander lie-gen. Ich will meinen Sklaven jederzeit ummich haben!«

»Selbstverständlich!« erklärte Alpertur.»Steh auf. Das goldene Zimmer für ImmoKalee, das rote für seinen Barbaren!«

Das Mädchen stand rasch auf, Ra grinstesie mit seinen weißen Zähnen an. Er-schrocken wich das Mädchen einen Schrittzurück, dann erwiderte sie das Lächeln. Im-mo Kalee schüttelte verweisend den Kopf.

»Was wollt ihr auf Arkon?« fragte Alper-tur. »Handeln?«

»Wir wissen es noch nicht genau!« ant-wortete Immo wahrheitsgemäß. »Als ersteswerden wir Kontakte brauchen. Ist für dienächste Zeit ein Fest geplant, bei dem maneinflußreiche Leute kennenlernen könnte?«

Alpertur zeigte ein selbstgefälliges Grin-sen.

»Ein Fest?« fragte er. »Freunde, es wirddas Fest geben. In den nächsten Wochen fin-det das alljährige Zalitertreffen von Arkonstatt. Alles, was Rang und Geld hat, wirdsich dort treffen, auch führende Männer vom

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Page 21: Der Kämpfer mit der Maske

Hofe. Wahrscheinlich wird sich sogar seineErhabenheit selbst einfinden!«

»Orbanaschol?« fragte Immo. »Was hatder Imperator bei einem zalitischen Händler-fest zu suchen?«

»Diplomatie!« erklärte der Zaliter. »Nachdem Desaster bei Trantagossa werden einigeKolonialvölker aufsässig. Der Imperator willdeutlich machen, wie freundlich er gegen-über den treuen Vasallen ist. Und wir Zalitersind ihm ja treu ergeben!«

Der Spott in den letzten Worten war nichtzu überhören.

»Ist es sicher, daß Orbanaschol kommenwird?« fragte Immo weiter.

»Offiziell ist noch nichts bekannt«, mein-te Alpertur, »aber ich habe schließlich meinebesonderen Quellen. Du kannst sicher sein,daß Orbanaschol einen großen Auftritt ha-ben wird!«

Immo Kalee lächelte zufrieden.»Ich habe eine Idee!« meinte Alpertur

plötzlich. »Dein Barbar sieht ziemlich gutaus. Kann er kämpfen?«

Es gab ein leises Knacken, als das Wurf-messer einen Daumenbreit neben Alpertursrechter Hand in das Holz des Sessels ein-schlug. Ra grinste den erbleichenden Alper-tur an, dann holte er sich die Waffe zurück.

»Recht beeindruckend!« murmelte derZaliter. »Allerdings möchte ich bitten, mei-ne Fragen künftig nur mündlich zu beant-worten. Immo Kalee, wenn Ra gewillt ist, anden Kämpfen teilzunehmen, und wenn er esschafft, den ersten Preis zu erringen, dannwäre es möglich, daß Orbanaschol mit demBesitzer des Mannes reden will. Ist das einAngebot?«

»Was für Kämpfe?« fragte Ra.»Ganz harmlos!« gab Alpertur zurück.

»Männer gegeneinander, Männer gegen wil-de Tiere, gegen Roboter – das Übliche. Na-türlich wird die Hälfte der Männer diesenTag nicht überleben!«

Ra wandte sich zu Immo Kalee und grin-ste den Mann an.

»Genau deswegen sind wir doch gekom-men!« stellte Ra fest. »Ich mache mit!«

»Einverstanden!« erklärte schließlichauch Immo Kalee. »Dies dürfte die besteLösung sein. Ich hoffe, daß du es schaffenwirst, Ra. Ich würde dich nur ungern verlie-ren!«

Ra schüttelte den Kopf und lächelte ge-ringschätzig.

»Was ein rechter Barbar ist«, behaupteteer, »der fürchtet sich weder vor Männernnoch vor Tieren!«

»Es hängt ganz davon ab, wie diese Män-ner beschaffen sind!« meinte Alpertur. »Dukönntest Überraschungen erleben, Ra!«

4.

»Berichte noch einmal!«Sarn Lartog stöhnte auf. Seit vier Tagen

wurde er fast ohne Pause verhört, immerwieder hatte er seine Geschichte erzählenmüssen.

»Erhabener!« stammelte der Mann. »Ichhabe Euch bereits alles erzählt, was ichweiß. Mehr kann ich nicht sagen!«

»Berichte noch einmal!« wurde er aufge-fordert. »Von Anfang an, und lasse keinenoch so winzige Kleinigkeit aus! Beginne!«

Sarn Lartog saß gefesselt auf dem Stuhl.Er war müde, erschöpft, man hatte ihmnichts zu essen gegeben, und er spürte einenpeinigenden Durst. Mit krächzender Stimmenahm er seinen Bericht wieder auf.

Sarn Lartog hatte zur Besatzung derKARRETON gehört, die von Atlan und sei-nen Freunden gekapert worden war. UnterSarn Lartogs Führung hatte die Besatzungversucht, das Schiff zurückzuerobern, dabeiwar die KARRETON so beschädigt worden,daß man sie nur mit Mühe und viel Glückauf einer Ödwelt hatte landen können. Wäh-rend die Männer um Atlan damit beschäftigtgewesen waren, das Schiff zu reparieren,hatte Lartog einen zweiten, verzweifeltenVersuch unternommen, das Schiff wiederunter seine Gewalt zu bringen. Vor allemdem Barbaren Ra war es zu verdanken ge-wesen, daß auch dieser Versuch scheiterte.Während Atlan und seine Freunde den ver-

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zweifelten Versuch wagten, das Schiff ohnebrauchbaren Kartentank zu starten, warendie Männer der KARRETON auf dem Pla-neten zurückgeblieben. Ein Funkgerät hatteman ihnen zurückgelassen, aber bis LartogsHilferuf aufgefangen wurde, waren alleMänner bis auf ihn den mörderischen Bedin-gungen der Ödwelt erlegen.

»Erzähle mir mehr über Atlan!« forderteder Mann seinen Gefangenen auf. »Ist erwirklich der Sohn des verstorbenen Impera-tors?«

Sarn Lartog nickte schwach.Er hatte keine Chance gehabt. Man hatte

ihn aufgelesen, seinen ersten Bericht ange-hört und ihn dann gefesselt. Sarn Lartogwußte nicht einmal genau, wo er sich be-fand. Er konnte nur durch das Fenster erken-nen, daß das Haus, in dem er gefangengehal-ten wurde, in der Nähe des Kristallpalastsstand. Der Besitzer mußte zur absolutenFührungsschicht des Imperiums gehören.Den Mann selbst hatte Lartog nicht zu Ge-sicht bekommen, denn er hielt sich stets imRücken des Gefangenen auf. Nur seineStimme war zu hören, eine leise, sanfteStimme, an der nur das sehr hart ausgespro-chene »R« auffiel.

»Beschreibe mir den Barbaren!« fordertediese Stimme auf.

Sarn Lartog gab sich alle Mühe, aber seinWortschatz reichte nicht aus, den Barbarenso zu beschreiben, daß man ihn nur anhanddieser Beschreibung aus einer Gruppe ähn-lich aussehender Männer hätte herauspickenkönnen.

»Ich kann nicht mehr!« krächzte Lartogschließlich; er sackte in sich zusammen.»Ich brauche Wasser!«

Er spürte eine harte Faust in seinemNacken. Man riß ihn in die Höhe undschnallte ihn noch fester an den Sessel.Dann spürte der junge Mann, wie sich etwasHartes auf seinen Schädel herabsenkte.

Als Lartog begriff, was man mit ihm vor-hatte, war es bereits zu spät. Die Hypnohau-be begann zu arbeiten. Systematisch durch-kämmte sie das Hirn des Mannes, sammelte

alles, was an Informationen darin enthaltenwar. Auf einem Bildschirm waren Szenen zuerkennen. Deutlich konnte der Betrachter dieGesichter von Ra, Atlan und ihren Freundenausmachen.

Dann löste sich das Bild plötzlich auf, ei-ne Welle farbiger Schleier zog sich über denSchirm, dann wurde das Bild völlig dunkel.

»Nehmt ihn!« sagte der Mann. »Ihr wißt,was ihr zu tun habt!«

Während die Männer den Leichnam desjungen Mannes losschnallten und aus demRaum schafften, ging der Mann zum Fensterund starrte zum Kristallpalast hinüber.

»Ich darf jetzt keinen Fehler machen«,murmelte der Mann langsam. »Nur wenn ichmeine Pläne mit Bedacht und größter Sorg-falt durchführe, werde ich Erfolg haben!«

Er sah auf den Palast des Imperators undlächelte.

*

»Wir haben der Stadt sogar einen Namengegeben!« erklärte Alpertur. »Sie heißt Se-gor, obwohl sie nur für ein paar Tage Be-stand haben wird. Nach dem großen Festwird man sie abreißen!«

»Ein beträchtlicher Aufwand!« murmelteImmo Kalee.

»Aber notwendig!« meinte Alpertur. »Wirmüssen dem Imperium zeigen, daß es unsZalitern sehr gut geht unter arkonidischerHerrschaft. Wie gut es uns tatsächlich geht,werden wir Händler natürlich nicht verraten– die Steuern sind ohnedies schon hoch ge-nug!«

Segor war eine Stadt aus Zelten und Trag-lufthallen. Es verstand sich, daß die einzel-nen Gebäude prachtvoll geschmückt waren.Ob die glitzernde Pracht echt war, konnteman nur bei näherem Zusehen feststellen. Inder Mitte des gewaltigen Areals war dasgroße Stadion erbaut worden. Fast eine hal-be Million Zuschauer faßte das riesige Oval,selbstverständlich gab es für jeden Besuchereinen vollklimatisierten Sitzplatz. Immo Ka-lee betrachtete den Bau mit einem leisen

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Schauder. Was hier innerhalb weniger Tagean Geld verbraucht wurde, hätte Ark'alorreich gemacht. Aber auf den Arkon-Planetengalten andere Maßstäbe als auf den Koloni-alwelten. Auf Arkon konnte ein zalitischerHändler sich schmücken wie ein Diamant-vogel; es war erlaubt, damit niemand auf Ar-kon ärmlich aussehen konnte. Auf Zalitselbst, hätte der Zarlt sich beträchtlicheSchwierigkeiten eingehandelt, hätte er ver-sucht, an Prachtentfaltung mit einem durch-schnittlichen Arkoniden zu wetteifern.

»Kommt mit«, forderte Alpertur die bei-den Männer auf. »Ich zeige euch das Trai-ningslager!«

Ra grinste zufrieden.Es war warm auf Arkon II, wesentlich

wärmer als auf Ras Heimatwelt, aber derBarbar vertrug Hitze entschieden besser alsKälte. Getreu seiner Rolle als Sklave undKämpfer trug er nur einen ledernen Lenden-schurz, der, um das Vermögen des Besitzerszu betonen, üppig mit Halbedelsteinen be-setzt war. An der Hüfte trug Ra ein langesSchwert und einen nadelspitzen Dolch, bei-de mit edelsteinbesetzten Griffen. Seindunkles Haar wurde von einem schmalen le-dernen Band um die Stirn gehalten; auf dasBand hatte eines der Mädchen von AlperturRas Namen eingestickt. Das Material dazuwar aus einem seltenen Schwingquarz ge-wonnen worden, der selbst bei Tageslichtdeutlich erkennbar pulsierte. Immo Kaleehatte alles getan, um seinen Begleiter propa-gandistisch aufzuwerten, und an den interes-sierten Gesichtern der Umstehenden konnteer erkennen, daß ihm dies auch vorzüglichgelungen war.

Alpertur lächelte wohlgefällig, als er be-merkte, daß Ra zum allgemeinen Gesprächs-gegenstand aufgestiegen war. Jeder Erfolgdes Barbaren war auch für ihn von Vorteil,abgesehen von den beträchtlichen Summen,die der Zaliter durch hohe Wetteinsätze aufRa zu gewinnen gedachte. Alpertur handeltenebenbei mit Kampfsklaven, und sein Anse-hen würde beträchtlich steigen, wenn Ra er-folgreich war. Immerhin nahm Alpertur den

Ruhm für sich in Anspruch, den Barbarenfür die Arena entdeckt zu haben.

Das Trainingslager befand sich auf derWindschattenseite des Stadions. Den Grundfür diese Maßnahme entdeckten die Männerim Näherkommen. Über dem hermetisch ab-geriegelten Bezirk lag der Geruch vonSchweiß und den Ausdünstungen zahlrei-cher Tiere. Es verstand sich von selbst, daßman nicht wagte, die empfindsame Nase sei-ner Erhabenheit mit solchen Gerüchen zubelästigen.

Die schwerbewaffneten Wachen am Ein-gang des Lagers ließen Alpertur nach kurzerKontrolle durch. Die Männer kannten denZaliter.

»Dein Mann, Alpertur?« fragte eine derWachen und deutete auf Ra. »Taugt derMann etwas?«

»Ich würde nicht auf ihn setzen!« meinteAlpertur lächelnd.

Der Posten grinste verständnisvoll zurück.»Natürlich nicht!« meinte er spöttisch.

»Das würde deine Quoten mindern. BestenDank für den Tip!«

Immo Kalee war als Arkonide von allenKontrollen befreit, ungehindert betraten dieMänner das Trainingslager.

Ra nutzte die Zeit, um sich seine mutmaß-lichen Kontrahenten näher anzusehen. Erhatte sich zuvor in Alperturs Haus anhandvon Nachrichten und Lesespulen informiert,und er mußte feststellen, daß sich in demLager alles tummelte, was Rang und Namenhatte. Es waren Männer darunter, die seitmehr als zehn Jahren kämpften, oftmals ver-wundet worden waren, aber noch niemalseinen Kampf verloren hatten. Es gab wendi-ge Zaliter unter den Kämpfern, zyklopischeNaats vom fünften Planeten des Arkonsy-stems, auch etliche Bewohner Arkons, diemit sich nichts Besseres anzufangen wußten,als ihr Glück in der Arena zu erproben. Vorallem diese Arkoniden waren ausgezeichne-te Kämpfer, da sie ohne den Druck kämpf-ten, den die anderen Männer ertragen muß-ten. Sie riskierten ihr Leben nur dann, wennsie sich freiwillig zum Kampf mit wilden

Der Kämpfer mit der Maske 23

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Tieren stellten.Ra machte ein verblüfftes Gesicht, als er

feststellte, daß es sogar weibliche Arena-kämpfer gab. Er hoffte, daß er nicht gegeneine der Frauen anzutreten hatte.

Leiter des Lagers war ein hagerer Zaliter,der auf den Namen Carox hörte. Sein nack-ter Oberkörper war von Narben übersät, undein Schwerthieb hatte ihn ein Auge und diehalbe Nase gekostet. Ra kannte den Mannaus seinen Büchern, er war früher ein ge-fürchteter Mann gewesen, der mehr Männerim Sand sterbend zurückgelassen hatte alsirgendeiner. Carox bedachte Ra mit einemabschätzenden Blick, dann wandte er sichAlpertur zu.

»Wollt Ihr den Mann kämpfen lassen?«erkundigte er sich. Carox konnte nur nochheiser flüstern, seit ihm ein Handkanten-schlag den Kehlkopf zertrümmert hatte. AlsAlpertur mit einem Nicken bestätigte, fuhrCarox fort:

»Hat er schon einmal in einer Arena ge-standen?«

Alpertur verneinte.Ra sah den fürchterlichen Fausthieb erst

in der letzten Sekunde; hastig sprang er zurSeite, und instinktiv griff er zu. Ein Hüft-wurf legte Carox in den Sand. Der Trainerrollte geschickt ab und stand schnell wiederauf den Beinen.

»Seine Reflexe scheinen gut zu sein!«meinte Carox. »Aber ich habe meine Zwei-fel, ob er die Vorrunden überstehen wird. Erscheint zu intelligent zu sein, um ein guterKämpfer sein zu können!«

»Überlaß das mir!« knurrte Ra. »Noch ha-be ich jeden Gegner geschlagen!«

Das war zwar beträchtlich übertrieben,aber Ra wußte, daß die bevorstehendenKämpfe unter anderem auch auf dem Feldangewandter Psychologie ausgefochten wur-den. Es war wichtig, sich vom Gegner nichtbeeindrucken zu lassen, und unter Umstän-den gewann Ra einen beträchtlichen Vorteildurch die Tatsache, daß man ihn als Auf-schneider einschätzte, der mit dem Mundmehr zuwege brachte als mit dem Schwert.

Fehleinschätzungen dieser Art wurden leichtzum Bumerang.

»Einverstanden!« krächzte Carox schließ-lich, nachdem er lange nachgedacht hatte.»Ich nehme den Mann. Aber er bekommteinstweilen keinen Hauptkampf. Ich kann esmir nicht leisten, ihn gegen einen gutenMann zu stellen. Das Publikum mag esnicht, wenn einer seinen Gegner schon inden ersten Minuten von den Beinen bringt!«

»Wie wäre es mit Tieren!« erkundigtesich Immo Kalee.

»Schade um den Barbaren!« gab Caroxzurück, »Ihr wißt vielleicht nicht, Erhabener,daß es bei Tierkämpfen keinen Pardon gibt.Entweder siegt der Mann, oder die Bestiereißt ihn in Stücke. Eine ehrenvolle Nieder-lage gibt es da nicht!«

Immo wandte sich zu Ra um.»Wir können es uns noch anders überle-

gen!« meinte er nachdenklich.»Es ist deine Entscheidung, Ra!«Ra registrierte das Verblüffen des Trai-

ners, der nicht begreifen wollte, wie ein Ar-konide derart freundlich mit seinem Sklavensprechen konnte. Der Barbar grinste verächt-lich.

»Es gibt keinen anderen Weg!« meinteRa. »Wir müssen es wagen. Vielleicht hel-fen mir ein paar Tricks weiter!«

Im stillen dachte Ra an Corpkor und seineTiere. Natürlich verfügte Ra nicht annäherndüber die Möglichkeiten des Tierbändigers,mit Bestien in ein nahezu freundschaftlichesVerhältnis zu treten, aber er hatte doch eini-ges von seinem Freund gelernt, vor allemdie Fähigkeit, Handlungen der Tiere voraus-zuahnen, aus winzigen Bewegungen dienächsten Aktionen abzuleiten und entspre-chend zu reagieren.

»Dann komm mit!« erklärte Carox. »Esist dein Wille und dein Leben. Du mußteswissen!«

Ra verabschiedete sich von Immo Kaleeund Alpertur. Während die beiden Männerdie entsprechenden Verträge unterschrieben,ließ Ra sich ein Quartier im Trainingslagerzuweisen.

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Page 25: Der Kämpfer mit der Maske

*

Ra mußte das kleine, allerdings klimati-sierte Zelt mit einem Arkoniden und zweiZalitern teilen. Der Arkonide war nochziemlich jung. Geld schien er genug zu ha-ben, wie seine schmucküberladene Rüstungbewies. Was ihn in die Arena getrieben hat-te, konnte Ra schon nach kurzer Zeit heraus-finden.

Liebeskummer war das mit Abstand letzteMotiv, das Ra in eine solche Lage hättebringen können. Wenn einer schon den Todaus Liebesgründen suchte, dann nach RasGeschmack nicht auf Raten. Die linke Handhatte der junge Mann schon eingebüßt, undnach menschlichem Ermessen würde ihn ei-nes Tages ein Gegner vollends zum Krüppelschlagen. Ra zuckte mit den Schultern, dannwandte er sich den Zalitern zu.

Robal und Efrem waren hartgesotteneProfis. Nach dem Gesetz gehörte die Hälftedes Gewinnes dem Kämpfer, mochte erSklave sein oder nicht. Die beiden Männerhatten mit ihren Herren einen Vertrag, dersie zu fünfzig Arenakämpfen verpflichtete.Überlebten sie das Schlachten, dann warensie frei und durften mit ihrem Gewinn zu-rückkehren. Verloren sie, blieb nur die Ge-winnsumme für die Angehörigen.

»Wir haben noch Glück gehabt!« meinteRobal säuerlich grinsend. »Wir dürfen unse-re Gewinne tatsächlich behalten. Viele Her-ren lassen ihre Sklaven nur dann antreten,wenn die Sklaven dazu Gebühren zahlen.Viele Sklaven überleben ihre Kontraktezwar, sind aber anschließend verkrüppeltund haben leere Taschen. Wenn wir überle-ben, dann sind wir auf Zalit gemachte Leu-te!«

»Und wie oft müßt ihr noch in die Are-na?« wollte Ra wissen.

»Dreißigmal!« erklärte Efrem seufzend.»Vielleicht bekommen wir dich zum Geg-ner, dann wird es etwas leichter!«

Ra verzog das Gesicht zu einem Lächeln,die Ehrlichkeit der beiden Sklaven war ver-

blüffend.»Und was versprecht ihr euch davon?«

fragte er weiter.Efrem erklärte es ihm:»Es gilt als nicht sehr anständig, einen

Neuling gleich zu töten, aber für uns ist esein gewonnener Kampf. Wenn einer von unsgegen dich antreten müßte, dann brauchte erdich nicht zu töten, um weiterzukommen!«

»Und was geschieht, wenn ich gewinne?«interessierte sich Ra.

Robal machte ein finsteres Gesicht.»Das wäre das Ende. Das Publikum for-

dert dann meist das Leben des Unterlege-nen! Ich hoffe nicht, daß du das willst!«

Jetzt erst erkannte Ra, daß man ihn gründ-lich veralbert hatte. Die beiden Zaliter tatenalles, um eventuelle Gegner schon vor demTreffen aus dem seelischen Gleichgewichtzu bringen. Ra empfand ein gewisses Be-dauern, aber er hatte nicht die geringsteLust, sich von den beiden einwickeln zu las-sen. Ras Plan konnte nur dann aufgehen,wenn es ihm gelang, den Ehrenpreis zu ge-winnen, der – das war inzwischen offiziellbestätigt worden – von Orbanaschol III. per-sönlich übergeben werden sollte.

Ra stellte sich an den Eingang des Zeltesund musterte das Treiben im Lager. Auf ei-nem freien Platz übten zwei Männer denSchwertkampf. Ra sah interessiert zu. Diebeiden Gegner waren gut, sehr gut sogar.Wenn Ra auf einen von ihnen traf, stand ihmallerhand bevor. Einen Trumpf aber besaßder Barbar, und er war fest entschlossen, ihnvoll auszuspielen. Ra verfügte über einemeisterhafte Körperbeherrschung. Vor allemkonnte er einen Bewegungsablauf, den erbei einem anderen sah, sehr schnell und oh-ne langes Training wiederholen. Sprüngeund Hiebe, die andere Männer monatelanghätten üben müssen, vermochte Ra sofortnachzuvollziehen. Daher studierte Ra dieMänner sehr genau, und nach einigen Minu-ten wußte er, wie er mit jedem der beidenKämpfer fertig werden konnte.

Im Hintergrund schritt ein Mann durchdie Menge. Der Haarfarbe nach ein Arkoni-

Der Kämpfer mit der Maske 25

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de. Mehr als die Haare vermochte Ra nichtzu erkennen. Der Mann trug eine Maske, diedas Gesicht vollständig bedeckte. Die Maskeaus einem leichten, feinen Gewebe war aufähnliche Weise bestickt wie Ras Stirnband.Allerdings bildeten die Stickereien auf derMaske ein verwirrendes System von Linienund Schlingen, abstrakten Figuren und Bil-dern. Ein faszinierender Anblick, dachte Ra,und im gleichen Augenblick erkannte erauch den Zweck der Tarnung. Es würdeschwierig sein, sich auf etwas anderes zukonzentrieren als die Maske, wenn man ge-gen diesen Mann anzutreten hatte – und inder Arena konnte jede unaufmerksame Se-kunde den Tod bringen.

Efrem trat zu Ra und sah sofort, wem dieAufmerksamkeit des Barbaren galt.

»Auch ein Neuling!« erklärte der Zaliter.»Ich habe ihn beim Üben gesehen, er führteine teuflisch geschickte Klinge!«

»Weißt du mehr über ihn?« wollte Rawissen. »Wie sieht er ohne Maske aus?«

Efrem machte ein geheimnisvolles Ge-sicht.

»Er legt die Maske nie ab!« erklärte er.»Einer hat versucht, ihm das Ding in derNacht abzuziehen, aber der Mann liegt jetztin der Krankenabteilung. Vielleicht kommter durch!«

Ra legte den Kopf auf die Seite und sahEfrem an. War dies ein neuer Versuch ihneinzuschüchtern?

Efrem grinste leicht.»Keine Sorge!« meinte der Zaliter. »Auch

dieser Mann ist zu schlagen. Es haben schoneinige versucht, sich mit solchen Maskera-den in den Vordergrund zu spielen, aber dashat nur dann einen Sinn, wenn es ihm ge-lingt, bis zum Endkampf vorzustoßen. Wirder vorher besiegt, nimmt man ihm solcheMätzchen übel – und was das heißt, kannstdu dir ausrechnen!«

Der Weg des Maskierten führte am Zeltder Männer vorbei. Der Mann würdigte Raund Efrem keines Blickes, sondern schrittachtlos an ihnen vorbei.

»Dem möchte ich in der Arena begeg-

nen!« murmelte Efrem und ballte die Fäuste.»Wahrscheinlich ist es einer dieser verfluch-ten Arkoniden, die aus purer Langeweile indie Arena gehen. Oft genug schaffen sie es,einem erprobten Kämpfer den Weg in dieFreiheit zu verlegen. Ich hasse diese Bur-schen. Wenn du verlierst, töten sie dich ohneZögern, aber wenn du siegst, mußt du immerwarten, ob das Publikum auf deiner Seite ist.Und meistens steht es auf der Seite des Ar-koniden!«

Diesmal versuchte Efrem keine Täu-schung, der Tonfall seiner Stimme war ein-deutig. Ra wandte den Kopf nach hinten undbetrachtete den einhändigen Arkoniden, derEfrems Bemerkung sicher gehört habenmußte. Der junge Mann hockte teilnahmslosauf seinem schmalen Bett und starrte insLeere. Efrem folgte Ras Blick, grinste undmachte eine Handbewegung, die unverkenn-bar war. Die Zaliter hielten ihren Zeltgenos-sen für nicht zurechnungsfähig.

»Wenn du auf ihn triffst«, murmelteEfrem, »sieh dich vor. In der Arena ist er an-ders. Ich habe schon einige gute Kämpfergegen ihn verlieren sehen. Er tötet ohneRücksicht!«

»Wieviele Männer kämpfen überhaupt inden nächsten Tagen?« wollte Ra wissen.

Efrem begann zu rechnen.»Wenn man alle Tierkämpfe und andere

Zweikämpfe mit in die Rechnung aufnimmt,werden schätzungsweise dreihundert Kämp-fe stattfinden. Die Sieger kommen jeweilseine Runde weiter!«

Ra schluckte. Allmählich begann er zuahnen, auf was er sich eingelassen hatte.

5.

»Sind meine Befehle ausgeführt wor-den?« fragte der Mann.

»Wie Ihr es befohlen habt, Erhabener!«erklärte der Diener sofort. »Wir haben an je-de Einzelheit gedacht. Es ist nichts verges-sen worden!«

»Gut so!« murmelte der Mann. »Teil einsdes Planes ist also bereits Wirklichkeit ge-

26 Peter Terrid

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worden!«Er wandte dem Diener den Rücken zu,

sein Blick hing am Kristallpalast.»Ist unser Mann auf Arkon II informiert?«

fragte er langsam. »Kennt er seine Aufga-be?«

»Ganz genau!« lautete die Antwort.»Du weißt, es darf nicht der kleinste Teil

des Planes fehlschlagen!« fuhr der Mannfort. »Nur wenn ein Rädchen ins anderegreift, wenn alle Mitspieler, auch die, dievon ihrer Rolle gar nichts wissen, genau sohandeln, wie ich es vorausberechnet habe,wird der große Plan gelingen. Der Leichnamdes Leutnants ist nach Arkon II gebrachtworden?«

»Er wird in den nächsten zwei Stundenaufgefunden werden!« wurde ihm geantwor-tet. »Die Leiche wurde entsprechend EurenAnweisungen vorbereitet!«

»Sehr gut!« murmelte der Mann. »Dannwollen wir aufbrechen. Es ziemt sich nicht,nach dem Imperator einzutreffen!«

*

Die Arena bildete ein großes Oval, dasmit feinkörnigem Sand bedeckt war. Mehrals zehn Meter stieg die äußere Umrandungempor, dann erst begannen die Sitzreihen fürdas Publikum. Die Zaliter hatten Vorsorgegetroffen, daß nicht etwa eine wilde Bestiezu den Zuschauern gelangen konnte. DerTod eines Arkoniden auf den Tribünen wärefür die Vereinigung der zalitischen Händlereine Katastrophe ersten Ranges gewesen.

Die besten Plätze waren durch einen deut-lich erkennbaren Energieschirm von den an-deren Sitzen abgetrennt worden. Noch wardie private Loge des Imperators leer. Da Or-banaschol III. die Eröffnungsfeier vollstän-dig erleben wollte, mußte der Veranstalterwarten, bis der Imperator eingetroffen war.Im Publikum wagte niemand zu murren, zuoffensichtlich war die Zahl der POGIM-Männer unter den Zuschauern.

Unter den großen Tribünen lagen die Räu-me, in denen die Kämpfer vor ihren Einsät-

zen warteten. In den engen Räumen herrsch-te eine Spannung, die nicht mehr zu überbie-ten war. Keiner der Kämpfer wußte, gegenwen oder was er anzutreten hatte. Wehedem, der die undankbare Aufgabe hatte, denersten Kampf zu bestreiten. Wehe ihm,wenn er schlecht war, und wehe dem Nach-folger, wenn der erste Kampf hervorragendausgefallen war. Glück hatten die Männer,die als letzte in der ersten Runde starteten.Sie konnten, falls sie ihren Kampf gewan-nen, ihre zukünftigen Gegner studieren.

Noch waren die Männer unbewaffnet.Der Ablauf des Programms lag fest. Nach

der feierlichen Begrüßung des Imperatorswurde der erste Kämpfer aufgerufen undvorgestellt. Dann erst wurde ihm seine Auf-gabe genannt. Er durfte zurückkehren undsich in der Waffenkammer ausrüsten, dannerst begann der eigentliche Kampf. Wer her-ausgerufen wurde, das bestimmten die Aus-richter oder der Zufall. Es gab Paarungen,nach denen das Publikum fieberte; sie bilde-ten die ersten Höhepunkte des blutigenSpektakels.

Ra konnte sicher sein, daß seine Aufgabeausgelost worden war. Noch war er nieman-dem bekannt. Efrem und Robal, die sich inden langen Jahren der Kämpfe angefreundethatten, wurden vielleicht gegeneinander ge-setzt – das Publikum mochte es, wennFreunde sich gegenseitig an die Kehlenmußten.

Noch marschierte auf dem Sand eine Mu-sikkapelle auf und ab und versuchte, das Pu-blikum bei Laune zu halten. Ra sah auf diegroße Stadionuhr, Orbanaschol III. hattesich um mehr als eine Stunde verspätet.

»Ruhig bleiben!« meinte Efrem. »Für ge-wöhnlich läßt der Imperator seine Unterta-nen zwei Stunden und länger warten.«

Schmetternde Trompetenstöße verkünde-ten, daß sich der Imperator zu seiner Logebegab. Offenbar wollte Orbanaschol auchdurch diese kurze Wartezeit seine besondereHuld öffentlich zeigen.

»Ziemlich mäßig, der Beifall!« murmelteRobal. »Offenbar hat der Imperator an Be-

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liebtheit verloren!«»Kein Wunder«, mischte sich Efrem ein.

»Nach dieser typischen Con-Treh-Schlappebei Trantagossa!«

Ra zuckte zusammen. Jetzt endlich wußteer, wo er das Wort Con-Treh schon einmalgehört hatte. Der geflügelte Ausdruck vonder Con-Treh-Schlappe war früher sehr ver-breitet gewesen, jetzt wurde der Ausdrucknur noch sehr selten verwendet, meist vonLeuten, die nicht die leiseste Ahnung hatten,was der Ausdruck eigentlich besagen sollte.Immerhin, völlig in Vergessenheit geratenwaren die Con-Treh demnach noch nicht.

Efrem grinste breit, als die Lautsprecherdie ersten Kämpfer in die Arena riefen. Fürden ersten Kampf war der Maskierte ausge-wählt worden. Er wurde vom Publikumziemlich kühl aufgenommen, wahrscheinlichhielten die Zuschauer nicht viel von der auf-fälligen Maskerade. Sein Gegner war ein be-sonders großgewachsener Naat, der auf ei-nem Flottenschiff unangenehm aufgefallenund deshalb zu Arenakämpfen verurteiltworden war. Fasziniert betrachtete Ra dieGestalt des Zyklopen. Mehr als drei Metergroß war der Naat, er stand auf ziemlichkurzen Beinen, besaß aber überlange Arme,vor denen man sich zu hüten hatte. Naatslebten auf einem Planeten, der eine Schwer-kraft von 2,8 Gravitationseinheiten aufzu-weisen hatte. Entsprechend ausgebildet wardie Muskulatur dieser Kolosse mit derbraunschwarzen, lederartigen Haut. DerLautsprecher gab bekannt, daß sich beideKämpfer nach Belieben mit Hieb-, Stich-und Wurfwaffen versehen konnten.

Es vergingen nur wenige Minuten, dannstanden die Gegner wieder auf dem Sand.Der Naat hatte sich für ein Schwert entschie-den, zusätzlich hatte er sich mit einem Bün-del von Speeren ausgerüstet. Der Maskiertetrug nur ein Schwert und eine mit Stachelngespickte Keule.

»Der Naat ist nicht …«»Dumm« wollte Efrem sagen, aber er

kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Gera-de noch rechtzeitig konnte er sich zur Seite

werfen. Genau an der Stelle, an der er ge-standen hatte, bohrte sich der erste Speer desNaat in das Holz der Umfassungsmauer. DerMaskierte hatte sich ebenfalls nur mit einemtollkühnen Satz in Sicherheit bringen kön-nen. Die Klinge des Speeres war mindestensfünf Handbreiten lang, und sie war vollstän-dig im Holz verschwunden. Besser konnteman den Vorteil der hohen Schwerkraftkaum demonstrieren.

Der Naat blieb an seinem Platz stehen undverschickte einen Speer nach dem anderen.Ums Haar hätte er den Maskierten getroffen,die Waffe zischte scharf an der Schläfe desMannes vorbei. Die Maske verrutschte, undsofort griff der Mann in die Höhe, um siewieder zu befestigen. Mit einer derartigenWahnsinnshandlung hatte der Naat nicht ge-rechnet; sein nächster Speer bohrte sich weitentfernt vom Ziel in den Sand.

Jetzt begann das Publikum Aufmerksam-keit zu zeigen. Daß die Maske solche Risi-ken einging, nur um ihre Identität nicht zuverraten, machte den Kampf spannend. Stür-misch feuerte das Publikum den Naat an, derimmer wieder seine Speere schleuderte.Aber die hohe Wurfgeschwindigkeit und dieKraft des Naat machte der Maskierte mit un-glaublicher Behendigkeit zunichte. Erstrengte sich nur an, die fehlgegangenen Ge-schosse des Naat mit seinem Schwert zu zer-stören; er verzichtete darauf, nun seinerseitsden Naat mit Wurfgeschossen einzudecken.

Der letzte Speer des dreiäugigen Naat zer-splitterte unter einem Schwerthieb des Mas-kierten, der jetzt energisch dem Naat zu Lei-be rückte. Der Kampf war nach kurzer Zeitentschieden, gegen seinen flinken, bewegli-chen Gegner hatte der schwerfällige Koloßkeine Chance. Nach kurzer Zeit lag er reglosim Sand, während das Publikum den erstenSieger des Tages feierte.

Der nächste Kämpfer war Efrem, der ge-gen einen der Veranstalter antreten mußte,jenen Mann, der es zugelassen hatte, daß derNaat Speere bekommen hatte. Bei seinerWurfkraft wäre es dem Naat leicht möglichgewesen, sein Geschoß zielsicher bis zu Or-

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banaschol III. zu schleudern. Für diesenFehler büßte der Zaliter mit dem Tode.Efrem gab ihm nicht eine Sekunde lang eineChance zur Gegenwehr. Auch Robal freutesich, als Efrem in die Räume unter den Tri-bünen zurückkehrte.

»Er ist tot!« stellte Efrem fest und grinsteerleichtert. »Und damit ist unser Kontrakthinfällig. Das war nämlich unser Besitzer!«

Ra schluckte, dann sah er ein, daß er dieseMänner nicht mit normalen Maßstäben mes-sen durfte; seit Jahren trugen sie ihre Hautzu Markte, und es war nur zu begreiflich,daß sie sich über den Tod ihres Peinigersfreuten.

Dann wurde Ra aufgerufen. Während derBarbar langsam auf den freien Platz schritt,sah er, daß die Zugänge zu den Räumen un-ter den Tribünen abgeriegelt wurden.Schwere Metallplatten schoben sich in dieHöhe. Ra fragte sich besorgt, was das zu be-deuten hatte.

Die Antwort bekam er wenig später. Manhatte ihn für einem Kampf mit einem Seeun-geheuer vorgesehen.

Ra schluckte nervös. Zwar konnte er rechtgut schwimmen, aber als Freund größererWasseransammlungen konnte man ihnschwerlich bezeichnen. Einen üblerenStreich hätte man dem Barbaren kaum spie-len können. Ra ging zurück, und sobald sichdas Tor wieder hinter ihm geschlossen hatte,begannen große Pumpen das Oval der Arenamit Wasser zu füllen.

*

»Kein schlechter Einfall!« meinte Orba-naschol und grinste zufrieden,»Wasserkämpfe habe ich schon immer gerngesehen. Was meinst du dazu?«

Sein Blick suchte die Augen eines seinerNachbarn.

»Ich bin sicher, daß man dieses Arrange-ment eigens zu Eurem Vergnügen geschaf-fen hat!« meinte der Angesprochene; er gabsich Mühe, die harte Aussprache des »R« et-was zu dämpfen.

»Ich will nur hoffen«, gab Orbanascholzurück, »daß der größte Teil des Kampfesnicht unter Wasser stattfindet!«

»Auch dies wurde den Genuß nicht trü-ben«, erklärte der Nachbar ihm, »Seht dieProjektionsflächen, Erhabener! Man wirddas Unterwassergeschehen mit Kameras ver-folgen und auf den Flächen überlebensgroßabbilden. Keine Einzelheit des Kampfeswird uns entgehen!«

Orbanaschol nickte zufrieden, dann wand-te er sich einem anderen Mann auf seinerEhrentribüne zu. Sein erster Gesprächspart-ner winkte schnell einen Bediensteten heran.

»Hast du den Barbaren gesehen?« fragteer leise. »Erkennst du ihn windet?«

»Ja, Herr!« erwiderte der Mann sofort.»Es muß jener Barbar sein, von dem Lartoggesprochen hat. Vielleicht ist der Kristall-prinz nun auch in der Nähe!«

»Auf jeden Fall muß der Barbar sorgfältigbeobachtet werden!« lautete der Befehl.»Sieh zu, daß man ihn nicht aus den Augenläßt. Er tritt als Sklave hier auf, also stelltseinen Besitzer fest, die Vorbesitzer, und vorallem ermittelt, wie er es geschafft hat, nachArkon zu kommen!«

Der Dienstbote nickte kurz, dann zog ersich zurück.

»Was meint Ihr?« erkundigte sich Orba-naschol bei ihm. »Ob der kleine BarbarChancen hat, gegen einen Viermäuler vonTor'phylth?«

»Das wird von der Klugheit des Mannesabhängen, Eure Erhabenheit!« lautete dieAntwort. »Ich habe schon Männer gesehen,die einen Viermäuler bezwungen haben,aber dies geschieht nur selten!«

»Nun, auf jeden Fall werden wir einen un-terhaltsamen Kampf erleben!« freute sichder Imperator. »Dieser Barbar gefällt mir. Ersieht so herrlich urtümlich aus. Wißt Ihr,von welcher Welt dieses Geschöpfstammt?«

»Leider nein!« wurde ihm geantwortet.»Vielleicht wurden seine Eltern in einenStrahlungsunfall verwickelt und zeugten da-her diese Mutation! Ihr wißt, daß die Kämp-

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fer gerne ihre Vergangenheit in geheimnis-volles Dunkel hüllen, um sich interessant zumachen!«

»Ja, ja!« murmelte Orbanaschol und be-dachte den Sprecher mit einem nachdenkli-chen Blick. »Wessen Vergangenheit hat kei-ne dunklen Flecken, außer der des Impera-tors!«

»Ihr sagt es, Eure Erhabenheit!« erklärteder Sprecher. »Seht, der Kampf beginnt!«

*

»Du hast Pech, mein Freund!« meinteEfrem und starrte auf die Wasserfläche hin-ab.

Er stand neben Ra auf einer kleinen Platt-form, die knapp zwanzig Meter über demWasserspiegel lag. Das Wasser war annä-hernd zwei Meter tief, klar und durchsichtig.Deutlich war der Leib des Viermäulers vonTor'phylth zu erkennen.

Der Viermäuler war ein amphibisches Le-bewesen, das allerdings vorzugsweise aufdem Land lebte. Im Wasser bewegte er sichnicht ganz so geschickt wie an Land. Derlange, tonnenförmige Körper ruhte auf vierkurzen Beinen, deren Zehen – jeweils achtan jeder Extremität – durch Schwimmhäuteverbunden waren. Ra erkannte auf der einenSeite einen langen, mit bösartigen Dornengespickten Schwanz, auf der anderen Seitedie vier Köpfe, die der Bestie den Namengegeben hatten. An langen, biegsamenHälsen saßen die Köpfe. Die Hälse warenfast so lang wie das ganze Tier, die Köpfeungefähr so groß wie Ras Brustkorb. Ge-mächlich schwamm der Viermäuler in demWasser umher, der aufgestellte blaue Kammauf dem grüngeschuppten Rücken verriet,daß die Bestie Hunger hatte.

»Hast du schon einmal gegen einen Vier-mäuler gekämpft?« erkundigte sich Ra be-eindruckt.

»Bisher nicht!« erklärte Efrem und schüt-telte sich. »Und ich wünsche mir auch kei-nen Kampf dieser Art. Ich habe zwei Män-ner gesehen, als sie gegen einen Viermäuler

kämpften – beide sind dabei gestorben.«»Los, Ra!« forderte der Trainer den Bar-

baren auf. »Die Menge wartet schon aufdich! Oder willst du deine Ausrüstung nochergänzen?«

»Ich hätte gerne noch ein Stück Brot!« er-klärte Ra freundlich.

Der Trainer sah ihn fassungslos an, schüt-telte den Kopf und murmelte:

»Das ist das Verrückteste, das ich je erlebthabe. Aber du bekommst dein Brot!«

Die kurze Zeit, die zum Heranschaffendes Brotes benötigt wurde, nutzte Ra, umaus einem Holzpfeiler, der aus dekorativenGründen statt eines Stahlträgers verwendetwurde, einen schmalen Span zu schlagen.Das Holz war fest und zäh, es hatte genaudie Eigenschaften, die sich Ra wünschenkonnte. Sobald der Trainer mit dem Brot er-schien, bog Ra den Span zusammen undsteckte die beiden Enden in das Brot. Er-leichtert atmete er auf, als er feststellte, daßdas Brot die Spannung des gebogenen Spa-nes ertrug.

»Bis später, Freunde!« meinte Ra, danntrat er auf den Rand der Plattform.

Er wurde vom Gebrüll der Menge emp-fangen, die schon ungeduldig geworden war.Trotz der deutlich hörbaren Pfiffe nahm Rasich noch die Zeit, auf die Knie zu sinkenund beschwörende Gesten auszuführen, sodeutlich, daß jedermann sie gut erkennenkonnte. Das Publikum wurde still und ließden Kämpfer gewähren. Daß der Barbar ir-gend etwas einem unbekannten Götzen op-ferte, störte niemanden. Erst als der Vier-mäuler die Opfergabe respektlos verschlangund Ra erschreckt aufsprang, wurde das Pu-blikum wieder lauter. Ra machte zweiSchritte, er wollte sich offenbar vor demKampf drücken. Das Publikum begann zupfeifen, während der Trainer auf Ra zugingund ihn langsam auf den Rand der Plattformzudrückte. Angesichts von so viel Feigheitbegann die Menge vor Wut zu toben. In demgellenden Pfeifen des Publikums brachte esder Trainer schließlich fertig, Ra über denRand der Plattform zu stürzen. Der Barbar

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überschlug sich mehrmals und landeteschließlich im Wasser.

Der Viermäuler griff sofort an. Wie einePeitschenschnur bewegte sich einer derHälse und brachte das Maul an die Stelle, ander Ra eingetaucht war. Das Knacken derzuschnappenden Kiefer war deutlich zu hö-ren.

Das Maul schnappte ins Leere. Raschstreckte der Viermäuler sämtliche Köpfe ausdem Wasser und begann nach seinem Opferzu suchen.

*

Ra hatte gewußt, daß ein Sturz aus solcherHöhe ihn sofort bis auf den Grund desBeckens bringen würde, und sobald er denSand unter seinen Füßen spürte, stieß er sichmit aller Kraft wieder ab. Er ahnte, daß dieBestie sofort an der Einschlagstelle nachihm suchen würde, und nach dieser Einsichtbewegte er sich unter Wasser.

Das Wasser enthielt keine Salze, daherkonnte Ra die Augen öffnen und gut sehen.Er sah die schemenhafte Bewegung desgroßen Körpers, den Aufprall des großenSchädels, der dort das Wasser aufpeitschte,wo Ra sich noch vor Sekunden befundenhatte. Unmittelbar neben dem gewaltigenRumpf der Bestie tauchte Ra wieder auf.

Niemand sah ihn in den ersten Sekunden,und darauf hatte Ra gerechnet. Aus den Re-aktionen der Zuschauer hätte der ViermäulerRas Standort ablesen können, und Ra konntenicht wissen, wie intelligent die Bestie war.

Ra nutzte die kurze Zeitspanne, die ihmblieb, um das schärfgeschliffene Messer ausdem Gürtel zu ziehen und sich zwischen dieZähne zu klemmen. Keinen Augenblick zufrüh tauchte er wieder. Einer der Köpfe hatteihn gesehen und kam mit der Geschwindig-keit eines Geschosses näher. Als sich dasmit nadelspitzen Zähnen besetzte Maul wie-der schloß, hatte Ra die andere Seite desLeibes erreicht. Wieder tauchte er für kurzeZeit auf, schnappte nach Luft und griffschnell nach dem Messer. Er wußte, wo er

zu treffen hatte, und die Klinge bohrte sichtief in das Hinterbein des Viermäulers.

Die Bestie von Tor'phylth schrifeschmerzerfüllt auf, die Zuschauer übertöntenden Schrei mit ihrem Applaus. Endlich hat-ten die Männer hinter den Kameras den Bar-baren erfaßt und konnten der Menge einengenaueren Eindruck vom Ablauf des Kamp-fes verschaffen.

Der Viermäuler sah nur eine Möglichkeit,sich des Widersachers zu erwehren, erschlug mit dem Schwanz nach dem Peiniger.Als die Stacheln heransausten, war Ra schonwieder unter Wasser, und der Viermäulerjagte sich die natürlichen Dolche in den ei-genen Leib.

Der Schmerz verwirrte das Tier. Aufge-regt pendelten die großen Köpfe an den lan-gen Hälsen über dem Wasser und hieltennach Ra Ausschau.

Ra merkte, daß seine Taktik erfolgreichwar. Er wußte, daß er nur eine einzige Mög-lichkeit hatte, den mörderischen Kiefern zuentgehen. Um sich um sich selbst zu drehen,brauchte der Viermäuler viel Platz. Solangees Ra gelang, im Innenraum dieses Wende-kreises zu bleiben, war er einigermaßen si-cher. Der Trick bestand darin, das Tier dazuzu zwingen, sich auf einer kürzeren Streckeals der eigenen Körperlänge zu drehen. Ge-lang ihm das nicht, so wa Ra halbwegs si-cher. Und bei einem erfolgreichen Versuchwürde sich der Viermäuler selbst das Rück-grat brechen.

Wieder tauchte Ra unter dem ungefügenLeib der Bestie weg, diesmal um den Bruch-teil einer Sekunde zu spät. Zwar schnapptendie Kiefer zusammen, ohne Ras Fleisch da-zwischen zu spüren, aber die Vorwärtsbewe-gung des Schädels ließ den Kopf hart gegenRas Brust prallen. Der Schlag trieb die Luftaus Ras Lungen, er schlug um sich und ver-suchte, auf der anderen Seite des Körpersder Bestie in die Höhe zu kommen. Diesmalhatte er nicht genügend Zeit, um in Ruheauftauchen zu können. Wenn der Viermäulernicht schon die Bewegungen des Mannesgespürt hatte, so wurde er spätestens von

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dem Schrei, mit dem Ra wieder Atemschöpfte, auf den Mann aufmerksam ge-macht. Fast gleichzeitig stießen zwei Köpfeauf Ra herab.

Ra versuchte sich abzuducken und hiebgleichzeitig mit dem Messer um sich. Er hat-te Glück, die Klinge bohrte sich in einenHals, und unwillkürlich zuckten die beidenHälse wieder zurück. Ra holte noch einmalLuft, dann tauchte er wieder. Bereits nachwenigen Sekunden erschien sein dunklesHaar wieder über dem Wasserspiegel.

Der Viermäuler hatte sich auf Ras Taktikeingestellt, das war nicht zu übersehen. Allevier Köpfe lauerten zustoßbereit auf einerSeite des Körpers, warteten auf das Opferund pendelten leise. Ra hatte damit gerech-net und war an der gleichen Stelle wiederaufgetaucht, an der er auch getaucht war.Die kurze Zeitspanne, die Ra blieb, nützte erzu einem wuchtigen Hieb mit dem Messeraus. Die scharfe Klinge durchtrennte ohneMühe den schlanken Hals des Viermäulers,ein Blutstrahl spritzte hervor, und der abge-trennte Kopf versank schnappend im aufge-wühlten Wasser.

Enttäuscht mußte Ra feststellen, daß derOrganismus des Viermäulers auf solcheVerletzungen eingestellt war. Wenige Se-kunden nach dem Abtrennen des Kopfesschloß sich die große Schlagader, die vomKörper zu dem Kopf geführt hatte. Vermut-lich würde das Tier nur wenige Stundenbrauchen, bis sich die Wunde vollständiggeschlossen hatte. In einem Monat späte-stens würde die Bestie wieder über vier gie-rig zuschnappende Mäuler verfügen.

»Verdammt!« knurrte Ra. »Wie ist die-sem Biest beizukommen?«

Wieder tauchte er, und als er auftauchte,lähmte er mit einem raschen Schnitt daszweite Hinterbein des Viermäulers. Jetzt wardas Tier in seiner Bewegungsfreiheit erheb-lich eingeschränkt, ungefährlich war es abernoch lange nicht, das bewies der Schwanz,dessen Dornen Ra nur knapp verfehlten.

Jetzt hatte Ra eine ziemlich gute Positionerreicht. Er hielt sich an den gelähmten Hin-

terbeinen fest und hielt den Kopf dicht ander Wasseroberfläche. Die nach hinten ge-streckten Hälse des Tieres reichten nichtganz bis an Ra heran, und der langeSchwanz war nicht beweglich genug, um Raerreichen zu können.

Das Publikum war von dem Kampf begei-stert. Sitzkissen flogen auf das Wasser, aberRa konnte sich ausrechnen, daß er diese Be-geisterung nicht mehr lange würde auslösenkönnen. An einem Remis waren die Zu-schauer nicht interessiert. Entweder starb derViermäuler, oder aber Ra mußte sein Lebenverlieren – wenn er nicht bald den Kampf zuseinen Gunsten beendete, würden die Arena-wachen auftreten und dafür sorgen, daß derKampf spannender wurde.

Ra brachte mit einer kraftvollen Bein-schere den Oberkörper in die Höhe und legtesich flach auf den Rücken des Tieres. Sofortwurde er von den verbliebenen drei Köpfenangegriffen. Einen der Köpfe konnte Ra aneinem Auge verwunden, bevor er wieder insWasser zurückglitt.

Langsam wurde Ra müde, der Kampf for-derte viel Kraft und sehr viel Luft. Ras Atemging stoßweise, er spürte das Hämmern sei-nes Herzens.

Noch während der Mann an einer neuenTaktik in Gedanken arbeitete, änderte sichdie Szenerie. Aus allen drei Köpfen schrieder Viermäuler, sein Körper begann unkon-trolliert zu zucken.

»Endlich!« stöhnte Ra auf. »Es hat langegenug gedauert!«

Er wußte genau, warum die Bestie zu to-ben begann und ihn völlig vergessen hatte.Die Magensäfte des Viermäulers hatten dasBrot, das er zu Beginn des Kampfes gierigverschlungen hatte, so sehr aufgelöst, daßdie Masse den gespannten Span nicht mehrzusammenhalten konnte. Das Holz schnelltein seine ursprüngliche Form zurück und rißdabei klaffende Wunden in die Magenhäutedes Viermäulers.

Ra wußte, daß er den Kampf gewonnenhatte, aber er durfte natürlich nicht verraten,mit welchem Trick er die Auseinanderset-

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zung zu seinen Gunsten entschieden hatte.Daher schwamm er schnell wieder auf dentobenden Viermäuler zu. Wild peitschten dielangen Hälse das Wasser auf. Vorsichtig nä-herte sich Ra der Bestie, dann schwang ersich mit einem gewaltigen Ruck auf denRücken des Viermäulers. Die Bestie wurdevon den Schmerzen in ihrem Inneren derartgequält, daß sie den Mann nicht wahrzuneh-men schien. Ra hatte leichtes Spiel, in weni-ger als einer Minute hatte er die drei restli-chen Hälse durchtrennt, dann konnte er ohneallzu große Schwierigkeiten nach dem ach-ten Rückenwirbel des Tieres suchen. Dortlag der Nervenknoten eingebettet, der bei ei-ner Verletzung den sofortigen Tod des Tie-res herbeiführte. Normalerweise wurde die-ser Fleck von dem Viermäuler erbittert ver-teidigt, aber jetzt mußte sich Ra nur des un-gezielt schlagenden Schwanzes erwehren,während er nach dem Nerv suchte.

Ein Stich genügte, um den Viermäuler aufder Stelle zu töten. Noch einmal peitschteder Schwanz ins Wasser, dann erschlaffteder mächtige Körper. Ra stieß einen Trium-phschrei aus, der vom tobenden Applaus desPublikums beantwortet wurde.

Langsam und erschöpft ließ sich Ra vondem Körper gleiten und schwamm auf denRand des Arenabeckens zu. Er atmete tiefund ruhig, aber er war vorsichtig genug, denKadaver nicht aus den Augen zu lassen. Rahatte längst gelernt, daß man bei fremdarti-gen Lebewesen sehr vorsichtig sein mußte.

Daß ihn sein Instinkt nicht getrogen hatte,zeigte sich wenige Augenblicke später. DerKörper des Viermäulers begann mit großerSchnelligkeit zu schrumpfen. Immer kleinerwurde der gewaltige Leib, und nach weni-gen Augenblicken war er vollständig ver-schwunden.

»Unmöglich!« murmelte Ra. »Das ist völ-lig ausgeschlossen! Ein Körper kann dochnicht einfach verschwinden!«

Er überlegte fieberhaft, dann hatte er be-griffen, warum bisher nur selten ein Zwei-kampf mit einem Viermäuler zugunsten desMannes ausgegangen war, und dann auch

nur, wenn der Kampf auf trockenem Bodenstattgefunden hatte.

Natürlich war der Körper des Viermäulersnicht völlig verschwunden; selbst wenn er inseine chemischen Bestandteile zerfallen wä-re, hätte es eine Trübung des Wassers gebenmüssen. Ra kam zu der Erkenntnis, daß sichder angeblich tote Viermäuler verwandelthatte. Am Ende dieser Metamorphose mußteein Wesen stehen, das so konstruiert war,daß sein Körper im klaren Wasser nicht zuerkennen war.

Nervös begann Ra nach dem Endproduktder Verwandlung Ausschau zu halten. Voll-ständig lichtdurchlässig konnte der Körperdes neuen Wesen nicht sein, dann hätte ervöllig aus Wasser bestehen müssen. Aberwahrscheinlich lagen die Lichtbrechungsin-dizes so nahe beieinander, daß man den Kör-per nur mit hochwertigen Meßinstrumentenwahrgenommen hätte. Ra spürte einen leisenAnflug von Angst; gegen einen nahezu un-sichtbaren Gegner ankämpfen zu müssen,war eine beinahe unlösbare Aufgabe.

Dann kam Ra ein Gedanke, eine Wahn-sinnsidee, aber vielleicht die einzige Mög-lichkeit, das Problem zu lösen.

*

Erregt sprang Orbanaschol von seinemSitz auf.

»Was macht der Barbar da?« rief er,»Will er sich drücken?«

»Ich glaube nicht, daß er feige ist!« er-klärte sein Nachbar. »Der Mann ist ge-schickt und wagemutig!«

Auf den großen Projektionsflachen wardeutlich zu sehen, wie Ra mit dem Messerseine Handgelenke bearbeitete. Blut strömtein das Wasser.

*

Ra wußte, daß er jetzt gegen die Zeitkämpfte. Zwar hatte er nur eine der dicht un-ter der Haut gelegenen Venen angestochen,aber dennoch würde er ziemlich viel Blut

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verlieren.Die Verletzung war schmerzhaft, und Ra

preßte die Kiefer zusammen, um nicht auf-zustöhnen. Immerhin zeichnete sich sehrschnell ab, daß sein verzweifelter Trickfunktionierte. Das Wasser rings um Ra ver-färbte sich. Wenn der geheimnisvolle Kör-per einen Angriff versuchte, würde er sicht-bar sein. Langsam zog sich Ra zurück, inRichtung des Tores, durch das man ihn ein-lassen würde, wenn dieser Kampf beendetwar. Auf einer Plattform über der Öffnungstanden mehrere Männer. Ra erkannte Efremund den Trainer, daneben einige Männer,deren Abzeichen bewiesen, daß sie als Ret-tungsmannschaft vorgesehen waren. Manwürde ihn also nicht einfach verbluten las-sen.

Ra seufzte erleichtert auf, als er das Torerreicht hatte, obwohl er wußte, daß man ihneinstweilen nicht hereinlassen würde. Erstmußte der Gegner besiegt werden, der ausder Metamorphose des Viermäulers hervor-gegangen war.

Ra brauchte nicht lange zu warten. Plötz-lich tauchte im blutgefärbten Wasser um ihnein Körper auf. Das Tier war armdick, sehrlang und nur dort zu sehen, wo sich seintransparenter Körper vom blutigen Wasserunterschied. Sofort hackte Ra mit dem Mes-ser nach dem Gegner. Ein heftiger Schmerzzuckte durch das unverletzte Handgelenk,als die Klinge an der zähen Haut abprallte.

»Dürft ihr das Wasser so weit ablassen,daß ich stehen kann?« rief Ra in die Höhe.

Carox' Stimme antwortete ihm:»Das wurde bereits eingeleitet, Ra. Bald

wirst du Boden spüren können!«Ra atmete erleichtert auf, aber er spürte

auch, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Instetem Strom floß das Blut aus der verletz-ten Vene, es war nur eine Frage der Zeit, bisRa das Bewußtsein verlieren würde. Viel-leicht würde man ihm helfen, aber bis dasPublikum entschieden hatte, ob er tapfer ge-nug gekämpft hatte, um verschont zu wer-den, konnte er bereits ertrunken oder vondem Glaswurm erdrosselt sein.

Ra spürte den glatten Körper des Wurmesan seinem Bein, das er schnell zurückzog. Erkonnte sehen, daß der Wasserspiegel kon-stant sank, und wenig später fühlte er den fe-sten Sand unter seinen Füßen.

In diesem Augenblick griff der Barbar zu.Mit beiden Händen packte er den Leib desGlaswurms, von dem er nicht wußte, wielang er war. Mit aller Kraft zerrte Ra dasTier in die Höhe, aber im gleichen Augen-blick, in dem ein Teil des Körpers über dieWasseroberfläche geriet, schien sich das Ge-wicht des Wurmes verdoppelt zu haben. Rastöhnte vor Anstrengung, aber er ruckte undzerrte weiter.

Sobald der Körper des Wurmes mit derLuft in Berührung kam, wurde er hart undsichtbar. Wasser wurde aufgewühlt, als sichder Wurm dagegen wehrte, aber Ra hattejetzt einen festen Stand und kämpfte ent-schlossen weiter.

Sein Atem ging immer schneller, derBlutverlust machte sich zusehends deutli-cher bemerkbar. Stück für Stück brachte Radas Tier an die Oberfläche, im stillen hof-fend, daß er in der richtigen Richtung arbei-tete. Wenn er als erstes das Ende des Wur-mes zum Vorschein brachte, blieb ihmwahrscheinlich keine Zeit und vor allem kei-ne Kraft mehr, nach dem Kopf des Tieres zusuchen.

Ra stieß einen triumphierenden Schreiaus, als er spürte, daß der Körper des Tiereserstarrte. Ra hatte den Kopf des Glaswurmserreicht, der sich nur durch zwei kaum er-kennbare Fühler und eine Speiseöffnungvom restlichen Körper unterschied.

Ra sah noch, wie auf die rote Fläche desWassers ein Regen bunter Sitzkissen nieder-ging, dann verschwand die Welt vor seinenAugen. Den Schrei, den die Menge ausstieß,als er langsam versank, nahm er nicht mehrwahr.

6.

»Lebt der Barbar noch?« wollte der Impe-rator wissen.

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Wenn Orbanaschol sich erregte, wurdeseine Stimme besonders unangenehm, aberniemand in seiner Nähe wagte es, auch nureine Miene zu verziehen.

»Er lebt noch, Eure Erhabenheit!« wurdeihm gemeldet. »Der Blutverlust wird zurZeit durch eine Transfusion behoben. In ei-ner Stunde wird der Mann wieder an denKämpfen teilnehmen können!«

»Sehr gut!« lobte Orbanaschol. »Ich bingespannt auf die nächsten Kämpfe!«

Um die Loge des Imperators flammte derSchutzschirm auf, stark genug, um selbstdem Beschuß eines Kreuzers standhalten zukönnen. Erst nach dem Aufbau der Ener-gieglocke wurden die Kampfrobots in dieArena gelassen, um die Reste des Glas-wurms zu vernichten. Nach wenigen Augen-blicken war das Tier verdampft, zurückblieb eine rotglühende Fläche kochendenSandes. Bald würde sie wieder erkalten undspiegelglatt werden, eine heimtückische Fal-le für jeden weiteren Kämpfer, der dummgenug war, sich von seinem Gegner auf die-sen Fleck locken zu lassen. Auf Befehl desImperators wurde, sobald der geschmolzeneSand halbwegs ausgekühlt war, frischerSand über die Stelle gestreut.

»Solche Scherze steigern die Spannung!«meinte Orbanaschol grinsend.

»Der Humor Eurer Erhabenheit ist dasEntzücken der Galaxis!« erklärte einer sei-ner Begleiter; es war der Versorgungsmei-ster Grothmyn, der sich mit solchen Redenbei Orbanaschol einschmeicheln wollte.

Erst als der Schutzschirm wieder abge-baut worden war, näherte sich ein Mann derLoge Orbanaschols. Er trug keine Uniform,aber der Imperator erkannte den Mann sofortund winkte ihn heran.

»Sprich, Klertonh!« forderte ihn der Im-perator auf. »Hat die POGIM endlich einenErfolg zu melden?«

Das Gesicht des Mannes zuckte leise, ihmwar anzusehen, daß er überzeugt war, einenglanzvollen Auftritt vor sich zu haben.

»Kennt Ihr einen Mann namens Sarn Lar-tog?« fragte der Mann.

Orbanaschol schüttelte nach kurzemNachdenken den Kopf.

»Was ist mit dem Mann!«»Lartog gehörte zur Besatzung der KAR-

RETON unter Kommandant Grahn Tionte«,erklärte Klertonh. »Das Schiff ist seit gerau-mer Zeit überfällig!«

»Meine Haare, meine Haare!« äffte Orba-naschol den Kommandanten des Schiffesnach. »Um der Galaxis willen, bringt mirmein Haarwasser! Ich nehme an, daß dieserTionte gemeint ist. Ein unerträglicher Men-sch. Rede weiter!«

»Lartog wurde gefunden!« setzte Kler-tonh seinen Bericht fort. »Man fand ihn aufArkon II, und er war tot! Wie er dorthin ge-kommen ist, konnten wir nicht herausfin-den!«

Orbanaschol stutzte.»Was wurde aus dem Rest der Besat-

zung?« fragte er. »Wie konnte der Manndurch die Kontrollen schlüpfen?«

»Beide Fragen können wir einstweilennicht beantworten!« gestand der Mann derPOGIM. »Aber wir haben den Leichnam desMannes genau untersucht. Sein Kopf ist völ-lig zerquetscht, man konnte ihn nur anhandseiner Kennmarke identifizieren. Und dannfanden wir noch etwas – ein Datenband! Essteckte unter einem Nagel des rechten Fu-ßes. Auf diesem Band steht eine hochinter-essante Geschichte!«

Orbanaschol warf einen Seitenblick aufdas Geschehen in der Arena, wo sich zweiMänner einen erbitterten Kampf mit bloßenFäusten lieferten. Da dabei nur wenig Blutfloß, konzentrierte sich der Imperator wiederauf Klertonhs Bericht.

»Die Männer, die das Schiff kaperten«,erzählte der Mann gerade, »wurden von ei-nem Mann angeführt, der sich Atlan nann-te!«

Kletonh machte an dieser Stelle eine dra-matische Pause, und er wußte genau warum.Orbanaschol schrak zusammen, sein Blickwurde unstet.

Mit hörbarer Erregung fragte er:»Sind diese Angaben sicher? Gibt es kei-

Der Kämpfer mit der Maske 35

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nen Zweifel?«»Keinen!« bestätigte Klertonh selbstsi-

cher. »Die Unterlagen sagen einwandfreiaus, daß es sich bei dem Raumpiraten um je-nen Mann handelt, der sich als Kristallprinzausgibt!«

Obwohl der Mann genau wußte, daß esden Kristallprinzen gab und es sich nicht umeinen Hochstapler handelte, wählte er dieseFormulierung.

»Wir haben bei dem Toten noch etwas ge-funden«, erklärte er. »Ein präzises Hirn-schwingungsdiagramm!«

Orbanaschol faßte den Mann schärfer insAuge, sein Gesicht rötete sich. Leise fragteder Imperator:

»Doch nicht etwa …!«»Von Atlan!« bestätigte Klertonh trium-

phierend. »Offenbar wollte Lartog dieseswichtige Dokument zur nächsten POGIM-Stel-le bringen, als er ermordet wurde!«

»Ein Hirnschwingungsdiagramm von die-sem Hochverräter!« murmelte Orbanaschol,seine Züge veränderten sich zu einem bösar-tigen Grinsen. »Gebt das Diagramm weiter,an alle POGIM-Stellen, jede Wacheinheitder Flotte. Endlich haben wir ein Mittel, denVerräter zu finden!«

»Man wird ihn in jeder beliebigen Maskeentdecken und festnehmen können!« stellteKlertonh zufrieden fest. »Eine Gefahr fürdas Leben Eurer Erhabenheit besteht folg-lich nicht mehr. Atlan wird keine Chancehaben, unentdeckt in Eure Nähe gelangen zukönnen!«

Orbanaschol III. legte sich in seinem Sitzzurück und grinste selbstzufrieden. Es warihm anzusehen, wie sehr er sich über dieseNachricht freute.

»Eine Frage noch, bevor ich Euch entlas-se, Klertonh«, meinte der Imperator. »Werhat Lartog getötet? Gibt es Hinweise auf denoder die Täter?«

Klertonh zuckte mit den Schultern.»Wir haben so gut wie keine Anhalts-

punkte!« gestand er. »Die Täter sind zwei-felsfrei im Bekanntenkreis oder unter denHelfershelfern des falschen Kristallprinzen

zu suchen. Einige Mitarbeiter wagen sogarzu behaupten, daß sich Atlan im Arkon-Sy-stem aufhält!«

Orbanaschol richtete sich in seinem Sitzsteil auf.

»Atlan im Arkon-System?« keuchte er er-schrocken. »Habt Ihr die Sicherheitsmaß-nahmenverstärkt?«

»Selbstverständlich!« erklärte der Mannvon der POGIM. »Eure Erhabenheit werdenschärfstens bewacht! Euer Leben ist nicht inGefahr!« Erleichtert sank Orbanaschol zu-rück.

»Grothmyn!« befahl er, und Sekundenspäter stand der Versorgungsmeister nebenseinem Herrn. »Sorgt dafür, daß dieserMann der Bedeutung seiner Nachrichten ge-mäß entlohnt wird!«

Zu Klertonh gewandt, fuhr er fort:»Ich danke Euch, Eure Informationen wa-

ren sehr wertvoll! Ich wünsche, daß überallnach diesem Verbrecher gefahndet wird. Ihrkönnt Euch entfernen!«

Klertonh salutierte, dann zog er sich zu-sammen mit Grothmyn zurück. Der Versor-gungsmeister musterte nachdenklich denPOGIM-Mann. Wie tief würde Grothmyn indie Truhen des Imperators greifen müssen,um den Mann auf seine ganz persönlicheSeite ziehen zu können? Innerlich grinsteder Versorgungsmeister bei dem Gedanken,daß es Orbanaschol selbst war, der ihn mitsolchen Befehlen in die Lage setzte, seineprivaten Interessen zu verfolgen. Vielleichtwar es doch möglich, den Platz in der Nähedes Thrones mit dem darauf zu tauschen.Grothmyn hatte weitreichende Pläne, er hat-te Zeit und – dank Orbanaschols gelegentli-cher Großzügigkeit – auch Geld; die nötigeSkrupellosigkeit besaß Grothmyn seit lan-gem.

Orbanaschol sah den beiden Männernnach; er lächelte zufrieden, dann wandte ersich wieder den Kämpfen zu. Vielleicht wares besser, überlegte er sich, Atlan nicht kur-zerhand hinzurichten, sondern durch ausge-suchte Gegner in der Arena allmählich zuTode zu schinden. Fähige Leute für diesen

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Page 37: Der Kämpfer mit der Maske

Zweck gab es genug; beispielsweise der ge-heimnisvolle Maskenträger, der in diesemAugenblick seinen dritten Kampf bestritt.

*

Es war nicht das erste Mal, daß Ra ziem-lich viel Blut verloren hatte, aber bisher hat-te er sich noch nie so schnell davon erholt.Man hatte ihm Blut transfusioniert, dann dieWunden mit einem heilaktiven Plasmafilmbesprüht. Nach erstaunlich kurzer Zeit fühlteder Barbar sich frisch und ausgeruht, bereit,sofort wieder in die Arena zu gehen. Erstand neben einigen anderen Kämpfern amRande des Kampfplatzes und verfolgte denKampf des Maskierten mit einem zweitenMann. Der Gegner war mit einem Wurfseilund einer schweren Keule bewaffnet, derMaskierte benutzte einen langen, biegsamenDegen.

»Seine Haltung ist nicht schlecht!« kom-mentierte Carox den Kampf. »Ich habe aller-dings Zweifel, ob sein Handgelenk lange sogeschmeidig bleiben wird.«

Der Mann mit der Keule verfügte zweifel-los über beträchtliche Erfahrung im Arena-kampf, er war schnell und wendig, und dieAusbildung seiner Muskeln ließ vermuten,daß er nur einen einzigen Hieb gebrauchthätte, um seinem Widersacher den Schädelzu zertrümmern – so wie er es im erstenKampf mit einem defekten Kampf robot ge-macht hatte.

Der Maskierte versuchte, seine körperli-che Unterlegenheit durch Raffinesse undEinfallsreichtum wettzumachen. Immer wie-der blitzte die Klinge seines Degens imLicht der Sonne, aber der Keulenträger ver-mochte den Attacken jedesmal knapp zu ent-gehen. Einzig Ra erkannte, daß der Maskier-te mit seinem Gegner spielte, daß der Mannmit der Keule nicht die geringste Aussichthatte, den Kampf zu gewinnen. Offenbarwollte der Maskierte Eindruck schinden,einen spannenden Kampf vortäuschen, umdas Publikum bei Laune zu halten. Überdiesmußte er befürchten, daß man ihm fast un-

lösbare Aufgaben servierte, wenn er seineGegner zu schnell und leicht besiegte.

Einem Nahkampf wich der Maskierte ge-schmeidig aus, dann aber beging er den Feh-ler, sich zu weit von dem Keulenträger zuentfernen. Nur Sekunden vergingen, bis derMann sein Seil geschwungen und nach demMaskierten geworfen hatte. Am vorderenEnde des Seiles waren drei Kugeln befestigt,die sich um die Beine des Gegners bewegenund ihn zu Boden reißen sollten. Begleitetvon einem Aufschrei des Publikums kam derMaskierte tatsächlich zu Fall, aber er sprangblitzschnell wieder auf die Füße, packte dasSeil und zog daran. Er wußte, warum er beiseinem Degenhieben stets den Kopf desKeulenträgers verfehlt hatte; statt dessenhatte er, ohne daß das Publikum es wahrge-nommen hatte, das über die Schulter gelegteSeil des Keulenträgers getroffen. Das Seilwar ausgefranst, und als der Keulenträgersich gegen den Zug stemmte, riß es.

Ra grinste anerkennend. Schnell befreitesich der Maskierte, und wenig später war erdamit beschäftigt, das Seil nach dem Keu-lenträger zu werfen. Danach dauerte derKampf nur noch kurze Zeit. Der Mann mitder Keule stürzte, und Sekundenbruchteilespäter fühlte er die Spitze des Degens an sei-nem Hals. Dem Publikum hatte der Kampfgefallen; es schonte das Leben des Keulen-trägers.

Hinkend schritt der Besiegte an Ra vor-bei, dahinter folgte der Maskierte. Ra er-kannte, daß dieser Kampf den Mann ange-strengt hatte. Völlig unbesiegbar war er mitSicherheit nicht, aber er war ausdauernd undzäh. Ein hervorragender Kämpfer, das muß-te auch Ra zugeben.

Langsam zeichnete sich ab, wie der Restdes Turniers verlaufen sollte. Offenbar wargeplant, als Höhepunkt einen Endkampf mitdem Maskierten zu liefern. Fraglich war nur,wer der Gegner des Mannes sein würde. Un-übersehbar für die Kämpfer war, daß dieVeranstalter für den Maskierten nur nochvergleichsweise leichte Gegner auswählten,damit der Geheimnisvolle in jedem Fall den

Der Kämpfer mit der Maske 37

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Endkampf erreichte.»Das wird höllisch schwer!« murmelte

Efrem in Ras Ohr. »Wer im Endkampf seinGegner ist, muß ihn unbedingt besiegen undihm die Maske abnehmen. Das Publikumwird niemals zulassen, daß er mit der Maskeden Platz verläßt; der Besiegte hat keineGnade zu erwarten!«

»Auch dieser Mann ist zu schlagen!«keuchte Ra. Der Kampf gegen eine Raubkat-ze war anstrengend und gefährlich gewesen,aber Ra hatte schließlich gesiegt, ohne beider Auseinandersetzung verletzt worden zusein.

Das Publikum wurde leiser, um hören zukönnen, wie die nächsten Paarungen aussa-hen. Der Maskierte hatte ein Gefecht mitStrahlwaffen auszutragen. Allerdings warendie Thermostrahler so eingestellt, daß sie beiTreffern nur leichte Verbrennungen hervor-riefen, die nicht unmittelbar tödlich waren.Der Maskierte mußte zwei Treffer ein-stecken, bis er es geschafft hatte, den Strah-ler so zu beschädigen, wie er es wollte. Fas-sungsloses Entsetzen malte sich auf dem Ge-sicht seines Gegners ab, als dieser sah, daßder Maskierte ihm die Waffe unmittelbar vordie Füße warf. Bevor der Mann zur Seitespringen konnte, detonierte das Magazin derWaffe und riß den Mann von den Beinen;schwerverletzt wurde der Mann aus der Are-na getragen.

»Ein Satan!« flüsterte Efrem. »DieserMann kommt geradewegs aus der Hölle! Eswird besser für dich sein, wenn du dir eineehrenhafte Niederlage einhandelst. Die Mas-ke wird dich töten, glaube mir!«

Ra schüttelte den Kopf, mehr konnte ernicht sagen, da er auf den Kampfplatz geru-fen wurde. Der Lautsprecher gab seinenGegner bekannt. Ra erstarrte förmlich; seinnächster Gegner war eine Frau.

*

Ra hatte mit einem Gegner gerechnet, dernur bei näherer Untersuchung als Frau zu er-kennen war, aber er sah sich mit einer Über-

raschung konfrontiert, die größer kaumdenkbar war. Eine kleine, fast zierliche Ge-stalt näherte sich dem Mittelpunkt der Are-na. Langes, weißes Haar wehte im Wind,und das Gesicht der Frau war von der Sonnemit einem satten Bronzeton versehen wor-den.

Ra schluckte nervös.Natürlich war diese Frau nicht Ischtar, die

Ähnlichkeit beschränkte sich auf wenigeÄußerlichkeiten, aber sie reichte aus, um Raunsicher zu machen. Ra war in einer Kulturgroßgeworden, in der den Männern die herr-schende Rolle zugefallen war. Einer Frau,die ihm die Kehle durchschneiden wollte,war Ra noch nicht begegnet. Ra hatte dieFrau nicht kämpfen gesehen, bei ihren Auf-tritten hatte er sich jeweils von seinemKampf ausgeruht. Aber Ra konnte sich aus-rechnen, daß er keinen leichten Stand habenwürde. Der Sieger aus diesem Treffen würdegegen den Maskenträger antreten müssen; sodicht vor dem Finale trafen normalerweisekeine Anfänger mehr aufeinander.

Langsam kam die Frau näher. Sie trug eineng anliegendes Gewand aus geschmeidi-gem Leder, das ihre Figur betonte. Ra be-gann sich zu fragen, was ein so attraktivesWeib ausgerechnet auf dem blutgetränktenBoden dieser Arena zu suchen hatte. Daß erdie junge Frau nicht unterschätzen durfte,merkte Ra Sekunden später. Im letzten Au-genblick konnte er dem fast ansatzlos ge-schleuderten Messer ausweichen und sichzur Seite werfen. Die Klinge aus Arkonstahlpfiff an seinem Ohr vorbei und blieb zitterndim Gebälk am Rand der Arena stecken.

»Ischtar, hilf!« murmelte Ra verzweifelt.In seinem Gürtel steckte ebenfalls eine

stattliche Sammlung hervorragend ausbalan-cierter Wurfmesser, aber Ra scheute sich,diese Waffe sofort einzusetzen. Die Frauzeigte weit weniger Hemmungen; wiedermachte Ra einen Satz, um nicht getroffen zuwerden, und in dem Augenblick, in dem seinBein den Boden wieder berührte, warf ersich noch einmal nach vorne. Dieser Sprungwar seine Rettung, denn das nächste Ge-

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schoß der Frau bohrte sich genau dort in denSand, wo Ras erster Sprung geendet hatte.

Ra begann zu begreifen, daß diese Fraueine zu allem entschlossene, eiskalte Kämp-ferin war, die ihre Chancen rücksichtslosnutzte. Sie würde keine Sekunde zögern,ihm eines der Messer in den Körper zu ja-gen.

Ra wich zurück, bis er hinter sich die Um-randung der Arena spürte. Er nahm eines derMesser zur Hand und spielte mit der Klinge.Auch die Frau wich einen Schritt zurück.Endlos lang schienen die Sekunden zu sein,die Ra brauchte, um das erste von der Fraugeworfene Messer zu erreichen. Er wußte,was er riskierte, als er die Klinge aus demHolz zog. Regungslos blieb er für einenHerzschlag stehen. Die Frau hatte mit einemAusweichmanöver gerechnet, daher verfehl-te auch dieser Wurf den Körper des Barba-ren. Rasch nahm Ra auch dieses Messer ansich. Ohne sich umzusehen, warf er die bei-den Messer der Frau über die Schulter hin-weg; er war sicher, daß man sie auf der an-deren Seite der Umgrenzung auf fangenwürde.

Jeder der beiden Gegner war mit zehn sol-chen Wurfmessern ausgestattet; vier ihrerGeschosse hatte die Frau verwendet, davonwaren zwei für den Rest des Kampfes ver-schwunden. Zwei weitere Messer stecktenim Sand; Ra hatte noch nicht geworfen, reinrechnerisch war er im Vorteil.

Es war beängstigend still in der großenArena, die Besucher starrten gefesselt vorSpannung auf das Geschehen auf demKampfplatz.

Ra zögerte nur eine Sekunde, dann be-gann er zu laufen. Mit weiten Sprüngen eilteer über den sandigen Boden, und sofort holtedie Frau zum Wurf aus. Sie zielte genau,dann schleuderte sie mit aller Kraft die ge-fährliche Waffe nach Ra.

Der Barbar sah die Bewegung aus denAugenwinkeln heraus und ließ sich mittenim Lauf zur Seite fallen; er schlug hart aufund rollte ab. Im Eifer des Gefechtes hatte ervergessen, daß Orbanaschols Roboter diesen

Fleck zu einer spiegelglatten Fläche zusam-mengeschmolzen hatten. Ra ruderte mit denArmen und Beinen, aber er konnte seineRutschbewegung nicht stoppen. Ein Messerprallte eine Handbreit neben seinem rechtenArm auf den Boden, eine Funkenkaskadesprühte auf, und Ra fühlte, wie ihm die Klin-ge den Arm aufriß. Tief war die Wundenicht, auch nicht sehr schmerzhaft, aber siewürde Ra beim Zielen empfindlich behin-dern.

Endlich stoppte die unfreiwillige Bewe-gung. Ra überschlug sich noch einmal, kamauf die Füße und warf sich sofort wiedervorwärts. Die Frau rannte auf ihn zu, undnoch im Laufen schleuderte sie das nächsteMesser nach ihm. Ra sah in ihrem verzerrtenGesicht, daß sie zu verzweifeln begann. Siehatte noch zwei Messer zur Verfügung undmit acht anderen Messern nicht mehr er-reicht als eine harmlose Fleischwunde. Zu-dem bewegte sich der Barbar so, daß er zwi-schen ihr und den von ihr verworfenen Mes-sern stand.

Ra grinste zufrieden.Er blutete nun aus zwei Wunden, denn

das letzte Messer der Frau hatte ihn am Beingestreift. Sein Plan war vollständig aufge-gangen, die Frau war nun waffenlos. Unwill-kürlich drehte sich Ra um; er wollte feststel-len, wo das letzte Messer eingeschlagen war.

Hinter ihm gab es eine kleine Öffnung inder Umrandung, sie wurde vom Wartungs-meister benutzt, der feststellen mußte, wieweit die Kämpfe gediehen waren. Das Mes-ser der Frau steckte in der Brust des Man-nes, der fast zeitlupenhaft langsam zur Seitekippte. Was er im Fallen berührt hatte,konnte Ra nicht sehen, aber der Aufschreides Publikums zeigte ihm, daß etwas Unvor-hergesehenes eingetreten war.

Ra drehte sich auf dem Absatz herum.In der gegenüberliegenden Arenawand

klaffte eine metergroße Öffnung, aus dersich langsam vier Körper in die Arena scho-ben.

»Springlöwen!« stöhnte Ra auf.Eine der Bestien war als Gegner schon le-

Der Kämpfer mit der Maske 39

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bensgefährlich, noch nie hatte man zwei derTiere zusammen auf einen Mann gehetzt. Rawinkte der Frau zu, die mitweißem Gesichtmitten in der Arena stand.

»Hierher!« rief Ra. »Ich werde dir hel-fen!«

Die Tiere schoben sich langsam vorwärtsund gerieten in den Bereich, der von dengroßen Scheinwerfern ausgeleuchtet wurde.Die Dämmerung war über der Zeltstadt an-gebrochen; noch vor Mitternacht sollten dieKämpfe ein Ende finden.

Es sah so aus, als sollte der Maskierte sei-ne Trophäe ohne Kampf gewinnen können.

*

»Kein Eingreifen!« schrie Orbanaschol.»Laßt die beiden mit den Bestien allein!«

Der Zeremonienmeister katzbuckelte,dann gab er den Befehl des Imperators andie Männer hinter den Bedienungsautomati-ken weiter. Es wäre leicht gewesen, die Be-stien mit Traktorstrahlen wieder einzufangenund den beiden bedrängten Kämpfern zuhelfen, aber der Wille des Imperators ver-hinderte eine solche Hilfe. Die Lautsprechergaben den Befehl Orbanaschols an das Pu-blikum weiter.

Der Imperator machte ein verdrießlichesGesicht, als unter den Zuschauern plötzlicheine beklemmende Stille entstand. Es warnicht zu übersehen, man war mit diesem Be-fehl überhaupt nicht einverstanden, aber dieMenge wagte auch nicht, ihren Unmut lautzu äußern. So lag über der Arena eine Stille,die an den Nerven zerrte, besonders an de-nen des Imperators, dem die Bedeutung die-ses Schweigens nicht verborgen gebliebenwar. Der Vorfall wäre in einigen Stundenvergessen gewesen, hätte Orbanaschol seineAnordnung schnell zurückgenommen, aberes entsprach dem Charakter dieses Mannes,Härte und Entschlußkraft gerade da zu zei-gen, wo sie unangebracht waren.

Mißmutig sah sich Orbanaschol um, aberkeiner seiner Begleiter achtete auf ihn. AllePersonen in der Loge des Imperators starrten

wie gebannt in die Arena.

*

Ra warf der Frau eines seiner Messer zu;geschickt fing die junge Frau die Waffe auf.Sie lächelte Ra zu.

»Jetzt kannst du wirklich zeigen, wie gutdu zu werfen verstehst!« knurrte Ra.

Besorgt betrachtete er die Gegner.Springlöwen waren an den gewaltig aus-

gebildeten Hinterbeinen sofort zu erkennen.Die vorderen Extremitäten waren weit weni-ger gut ausgebildet. Die großen Muskeln derHinterbeine ließen das Tier Sätze machen,denen kein Mensch folgen konnte. ZwanzigMeter Weite und mehr waren keine Selten-heit, und in der Höhe erreichten Springlö-wen bis zu acht Meter. Springend bewegtensich die Tiere auch rückwärts, mit der Ge-schwindigkeit eines Gleiters. Ein langer,muskulöser Schwanz diente den Springlö-wen, die meist auf den Hinterbeinen ruhten,als Stütze und Stabilisator im Flug.

»Wir müssen uns an die Wand drücken!«murmelte die Frau. »Das ist unsere einzigeChance!«

Das von schwärzlich gefärbten Zähnenstarrende Maul eines Springlöwen ging weitüber die Reichweite der kleinen Vorderbeinehinaus. Daher war es für die Tiere nicht soeinfach, an ihre Gegner heranzuschleichen.Kamen sie langsam näher, konnte die Beuteleicht fliehen; versuchten die Springlöweneinen Angriff mit weiten Sätzen, wie sie ihnin freier Wildbahn vortrugen, dann liefen sieGefahr, sich an der Umrandung die Schädeleinzuschlagen.

Durch die Arena klang das Fauchen derTiere, sonst war nichts zu hören.

Leise scharrten die Tiere im Sand, beäug-ten ihre Beute, während sich Ra und dieFrau langsam am Rand der Arena entlangbewegten.

»Wir sollten uns trennen!« murmelte Ra.»Vielleicht haben wir dann bessere Chan-cen!«

Er griff in den Gürtel, holte vier Messer

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heraus und gab sie an die Frau weiter. Sie lä-chelte ihm dankbar zu, dann entfernte siesich. Die Springlöwen waren hungrig, abersie ließen sich Zeit. Sie schienen zu wissen,daß die Beute ihnen nicht entkommen konn-te.

Die Springlöwen trennten sich, zwei folg-ten Ra, die anderen beiden rückten langsamder Frau näher.

Endlich sah der Barbar eine Möglichkeitzum Angriff. Er zielte sorgfältig und gut,dann warf er das erste Messer einem der An-greifer entgegen. Der Wurf traf präzise insZiel. Das Tier brüllte schmerzerfüllt auf undkippte schnell zur Seite.

Ra wußte, daß er von vorne niemals andas Herz eines Springlöwen herankommenkonnte. Dafür waren die Klingen der Messerzu kurz. Statt dessen hatte er auf denSchwanz gezielt und auch getroffen.

Einer der Springlöwen hatte ein großesStück seines Schwanzes, eingebüßt, und oh-ne dieses Stück vermochte er sich nicht aufden Beinen zu halten. Nur mühsam gelanges dem verwundeten Tier, sich aufzurichten,aber immer wieder knickten die schwachenVorderbeine unter dem Gewicht des massi-gen Körpers zusammen.

»Nummer eins!« knurrte Ra zufrieden.Auf den Rängen blieb es weiterhin still;

die Zuschauer wußten, daß die Gefahr nochlange nicht ausgestanden war.

Wenige Augenblicke später brüllte einzweiter Löwe schmerzerfüllt auf; die jungeFrau hatte Ras Taktik nachgeahmt. Minutenvergingen, dann waren drei der vierSpringlöwen nahezu kampfunfähig.

Jetzt konnte es Ra wagen, die Deckungdurch die Arenaumrandung zu verlassen. Erbewegte sich langsam auf einen derSpringlöwen zu, der immer wieder versuch-te, sich vorwärts zu bewegen. Das Tier fandkeine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren,daß Ra sich in seinen Rücken schlich; weni-ge Augenblicke später knickten die Beinedes Tieres vollends weg. Ras Messer hattedas Herz des Springlöwen getroffen.

Die verwundeten Tiere schienen zu be-

greifen, was ihnen bevorstand; wild schlu-gen sie um sich, aber Ra ließ sich nicht ab-schrecken. Nacheinander tötete er die beidenanderen verletzten Tiere. Er hockte noch aufdem Rücken des dritten Springlöwen, als ervon einem plötzlichen Aufschrei der Mengeüberrascht wurde.

Ra fuhr herum.Die junge Frau war für einen winzigen

Augenblick unaufmerksam gewesen, undsofort war der unverletzte vierte Springlöweüber sie hergefallen. Ra sah das schmutzig-braune Fell des Tieres, darunter den glän-zenden Lack des Lederanzugs, den die Frautrug. Ohne sich zu besinnen, rannte Ra los,schwang sich in den Nacken des Löwen undstieß mit aller Kraft zu. Das Tier brüllte,peitschte mit dem Schwanz. Ra wurde ge-troffen und heruntergeworfen. Eine Hinter-pranke streckte sich nach ihm aus, aber dannüberlief den Körper des Tieres ein Zittern.Noch einmal zuckte der Schwanz, dannkippte der Springlöwe tot zur Seite. Ra küm-merte sich um die Frau; sie hatte zwei Rip-pen gebrochen und war bewußtlos. Sie wür-de am Endkampf nicht teilnehmen können.

Aber es stand nun fest, wer der Gegnerdes Maskierten sein würde.

Das Publikum jubelte dem Barbaren zu;der Unmut über die Entscheidung des Impe-rators war in Vergessenheit geraten. Orbana-schol räkelte sich in seinem Sitz und lächeltezufrieden.

Er freute sich auf den Endkampf, der nacheiner kurzen Pause beginnen würde. In derArena wurden derweilen die Tierkadaveraufgelesen und fortgeschafft, auch die Wurf-messer wurden eingesammelt.

Orbanaschol winkte seinen Zeremonien-meister heran und flüsterte dem Mann etwasins Ohr. Der Mann beeilte sich, den Befehlseines Herren weiterzuleiten.

7.

Immo Kalee machte ein sorgenvolles Ge-sicht, während Alpertur sich die Hände rieb.Der Zaliter hatte trotz seines beträchtlichen

Der Kämpfer mit der Maske 41

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Geizes erhebliche Summen auf Ra verwettetund rechnete sich nun seinen Gewinn aus.Wenn der Barbar es tatsächlich schaffte,auch den letzten Kampf siegreich zu über-stehen, hatte der Zaliter sein Vermögen umeinen nicht unerheblichen Teil vermehrt.

»Prachtvoll!« freute er sich. »Einfachprachtvoll, dieser Barbar. Willst du ihn mirnicht verkaufen?«

Immo Kalee schüttelte unwillig mit demKopf. Mehr als einmal in den letzten Stun-den hatte er vermutlich mehr Angst ausge-standen als sein Freund unten in der Arena.Immo Kalee wußte, was Ra konnte, aber erwar sich auch klar darüber, daß der Barbarsehr viel Glück gebraucht hatte, um sein Le-ben zu verteidigen.

»Seine Erhabenheit, Imperator Orbana-schol III. haben befohlen«, meldete derLautsprecher. »Angesichts der herausragen-den Tapferkeit beider Kontrahenten wird derletzte Kampf nach den Regeln des Haag'thargeführt!«

Während das Publikum diese Nachrichtmit begeistertem Beifall begrüßte, sah ImmoKalee fragend den Zaliter an.

»Was hat das zu bedeuten?« fragte er.»Etwas Schlimmes?«

Alpertur schüttelte wütend den Kopf.»Für mich vielleicht!« knurrte er. »Für

deinen Barbaren nicht. Das Haag'tharschreibt vor, daß die Kämpfer sich nicht tö-ten müssen. Der Sieger hat den todbringen-den Schlag oder Stich nur anzudeuten, mehrnicht. Falls er im Verlauf des Kampfes sei-nen Widersacher doch töten sollte, darf esnur unabsichtlich geschehen!«

»Dann könnte man den ganzen Kampfgleich ausfallen lassen!« meinte Immo Ka-lee.

»Kämpfen müssen die beiden Männer«,erklärte Alpertur. »Wenn Ra so dumm ist,seinem Gegner genau in die Klinge zu sprin-gen, hat er Pech gehabt. Aber ein solcherKampf hat noch andere Finessen. Du wirstsie bald zu sehen bekommen!«

Immo Kalee atmete erleichtert auf; er hat-te den Maskierten eingehend studiert, und er

war sich nicht sicher, ob Ra auch diesenGegner würde bezwingen können.

*

Carox drückte Ra das Schwert in dieHand. Der Griff lag gut in der Hand, dieKlinge war lang und schmal, beide Schnei-den waren frisch geschärft.

»Eine gute Waffe!« stellte Carox fest.»Ich wünsche dir viel Glück!«

»Du wirst es brauchen!« warf Efrem ein.»Dieser Kampf hat seine ganz besonderenTücken!«

»Welche?« fragte Ra knapp; er war froh,daß keiner bemerkt hatte, daß er in seinemGürtel noch ein Wurfmesser trug.

Efrem deutete auf die Umrandung derArena. Zahlreiche kleine Öffnungen warenzu erkennen, dahinter glänzte es metallisch.

»Hinter jeder dieser Öffnungen verstecktsich eine Teufelei!« erklärte Efrem.»Entweder ein Paralysator oder ein schwacheingestellter Thermostrahler, vielleicht einProjektor für Traktorstrahlen, ein Hypno-strahler oder eine Waffe, die dir irgendwel-che Medikamente in die Blutbahn schießt.Jede dieser Waffen wird von einer Positro-nik geschwenkt und abgefeuert!«

Ra schluckte.»Hat je ein Kämpfer die Arena wieder

verlassen?« erkundigte er sich vorsichtig.Efrem zeigte ein beruhigendes Lächeln.»Alle diese Waffen«, setzte er seinen Be-

richt fort, »werden von einem Zufallszahlen-generator gespeist. Niemand kann wissen,was ihn erwartet, ob die Waffe, die auf ihngerichtet ist, abgefeuert wird oder nicht.Eben weil dieser Kampf zu mehr als siebzigProzent ein Glücksspiel ist, gibt es meistenskeine Toten.«

»Ein geschickter Zug von Orbanaschol!«knurrte Carox. »Er will dem Publikum diebeiden Helden des Tages erhalten, damit siesich noch ein paarmal gegenübertreten kön-nen, bis einer den anderen erschlägt. Heutebrauchst du um dein Leben nicht zu bangen,du mußt nur aufpassen, daß du dem Mas-

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kierten nicht in die Klinge läufst!«Ra zuckte mit den Schultern, dann schritt

er langsam in die Arena. Aus der Öffnungeines anderen Tores löste sich die Gestaltdes Maskenträgers. Im Licht der Scheinwer-fer wirkte die Maske besonders eindrucks-voll, Ra versuchte herauszuhören, wie dasPublikum eingestellt war. Es hatte den An-schein, als würde die knappe Mehrheit derBesucher auf seiner Seite stehen und ihn an-feuern. Langsam kamen sich die beidenMänner näher.

Ra erkannte in der Rechten des Maskier-ten ein ähnliches Schwert, wie er es benutz-te; am Handgelenk der Linken hing an einerunzerreißbaren Schnur eine kleine Keule,immerhin groß genug, um einen Mann damitniederschlagen zu können.

Beide Männer trugen lederne Kleidung,Ra in Rot und der Maskierte in einemdunklen Blauton, dazu einen kreisförmigenSchild aus massivem Holz, auf das dicke La-gen zähen Leders aufgeklebt waren. Einpaar Dutzend Hiebe konnte ein solcherSchild auffangen, aber lange würde er kei-nen Schutz bieten.

Den beiden Männern wurde Zeit gegeben,sich eine Zeitlang mit Blicken zu bekämp-fen, da Orbanaschol die Gelegenheit nutzte,um eine sorgfältig vorbereitete Rede zu hal-ten. Im Publikum war es still, obwohl der li-terarisch bewanderte Teil des Publikumsschon nach den ersten Sätzen herausgefun-den hatte, daß von dieser Rede kein Wortvom Imperator selbst stammte. Die Hand-schrift eines der führenden Rhetoriker desImperiums war nicht zu verkennen, abernicht einmal die glänzenden Formulierungendieses Mannes brachten es fertig, das Publi-kum wirklich zu begeistern. Es war nicht zuüberhören, daß der allgemeine Beifall nachdem Schluß der Rede mehr eine Pflicht-übung als Ausdruck von Begeisterung war.Ein lauter Beckenschlag verkündete demPublikum und den beiden Kämpfern den Be-ginn der Auseinandersetzung.

Der Maskierte sprang sofort auf Ra zu.Der Barbar duckte sich und fing den

Schwerthieb mit dem Schild auf. Der Mas-kierte verfügte über enorme Körperkräfte,das spürte Ra an der Wucht, mit dem dieKlinge auf den Schild traf. Ra konterte so-fort, aber seine Klinge glitt an dem Schwertdes Gegners ab. Funken sprühten, wenn dieKlingen aufeinandertrafen, und ab und zufetzte der Stahl Lederstücke oder Holzsplit-ter von den Schilden.

Die beiden Männer kämpften verbissen.Sie waren ziemlich gleichwertig, und viel-

leicht war der Maskierte im Umgang mitdem Schwert sogar ein wenig geschickter alsRa, aber der Barbar war sich sicher, daß erden Kampf gewinnen konnte.

Er besaß einen Vorteil, den der Maskiertenicht auszugleichen vermochte. Ra war ineiner Kultur geboren worden und aufge-wachsen, die tägliche, harte Arbeit erforder-te, wenn man nur das nackte Leben bewah-ren wollte. Nur zum Überleben hatte Raschon sehr früh derart hart körperlich arbei-ten müssen, wie es als Trainingsleistungkein noch so fanatischer Mann freiwillig er-bracht hätte. Irgendwann im Verlaufe desKampfes würde sich dieses gnadenlose Trai-ning wider Willen bezahlt machen, dessenwar sich Ra sicher.

Bevor die Kondition seines Gegners abernachließ, hatte Ra genug zu tun, sich denMaskierten vom Leibe zu halten.

Es war still in der Arena. Lautsprecherübertrugen das Keuchen der Kämpfer, dasScharren der Füße und das Klirren derSchwerter, wenn sie gegeneinanderprallten.

Ra machte eine Bewegung zur Seite, umeinem Schlag auszuweichen, der sonst sei-nen Kopf getroffen hätte. In diesem Augen-blick feuerten die versteckten Waffen zumersten Mal. Etwas pfiff durch die Luft undlandete knapp zwei Schritte von Ra entferntin dem Sand der Arena. Einer der Injektions-projektoren hatte gefeuert, aber Ra konntenicht wissen, ob es sich bei dem Medika-ment um ein Aufputschmittel handelte, oderetwa um ein Präparat, das einen unerträgli-chen Juckreiz hervorrief. Diese Ungewißheitmachte den Kampf spannend und abwechs-

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lungsreich, zu einem Vergnügen für die Zu-schauer.

Der Maskierte war der erste, der von denZahlenspielereien des Zufallszahlengenera-tors betroffen wurde. Der breite Fächer einesParalysatorschusses traf ihn an der linkenHand. Zwar reichte die Strahlkraft desSchusses nicht aus, das Glied vollständig zulähmen, aber sehr viel konnte der Getroffenemit der Hand einstweilen nicht anfangen.Allerdings würde die Wirkung in einigenMinuten wieder abklingen.

Ra wollte die Chance nutzen, er machteeinen Satz auf den Maskierten zu und holtezum Schlag aus. Die Klinge sollte das Hand-gelenk des Waffenarmes treffen, das bei bei-den Kämpfern durch stählerne Armschienengeschützt wurde. Hätte der Schlag getroffen,hätte der Maskierte wahrscheinlich seineWaffe eingebüßt.

Ra schrie schmerzerfüllt auf und pralltezurück. Ein Thermostrahl hatte ihn voll ander Brust getroffen. Die Haut rötete sichblitzschnell, während Ra rasch zur Seitesprang. Er stöhnte vor Wut und Schmerz.

Jetzt hatte er eine entscheidende Schlappeerlitten. Ra wußte, daß in kurzer Zeit seinBrustkorb mit Brandblasen bedeckt seinwürde. Keine der versteckten Waffen konntetödlich wirken, aber oft reichte ein einzigerTreffer aus, um den Kampf zu entscheiden.

Der Maskierte sah,daß sein Gegner bles-siert war, und er versuchte, dem Kampf jetztein schnelles Ende zu bereiten. Zwar hingder Schildarm schlaff herab, aber der Mannhob das Schwert zum Schlag und drang aufRa ein. Der Barbar wehrte den ersten Hiebab, aber er hatte nicht die Kraft, die Blößezu nutzen, die sich der Maskierte gab. Erkonnte nur dem Mann seinen Schild vor dieBrust stoßen und ihn abdrängen.

Der Zufallszahlengenerator hatte noch an-dere Überraschungen für die beiden Gegnerbereit.

Während sich die Männer in beträchtli-chem Abstand gegenseitig umkreisten, fülltesich die Arena wieder mit Wasser. Teilsströmte das Wasser aus großen Röhren auf

den Sand, zum Teil wurde es aber auchdurch den feinkörnigen Sand nach oben ge-drückt. Ra wußte, was das bedeutete – soentstanden Treibsandgebiete. Wer in ein sol-ches Feld geriet, hatte den Kampf verloren –aus eigener Kraft würde er sich nicht befrei-en können.

Minuten vergingen, in denen sich die bei-den Männer von den Auswirkungen ihrerTreffer erholten. Als der Schmerz derBrandverletzungen allmählich geringer wur-de, und Ra sich wieder voll einsatzbereitfühlte, standen die beiden Männer bis an dieHüften im Wasser.

Unter diesen Begleitumständen wurde derKampf besonders schwierig. Eine Maschine-rie versetzte das Wasser in Schwingungen,und die Kämpfer hatten genug damit zu tun,sich auf den Beinen zu halten. Derjenige,der als erster das Gleichgewicht verlor, hattekaum noch eine Chance, den Kampf zu sei-nen Gunsten zu entscheiden. Davon abgese-hen bestand immer noch die Gefahr, von ei-ner der versteckten Waffen getroffen zuwerden. Ra hatte versucht, die verschiede-nen Öffnungen in der Arenaumrandung ab-zuzählen, er war bis dreißig gekommen, be-vor er die halbe Umrandung abgesucht hatte.

Die beiden Männer waren mehrere Metervoneinander entfernt. Zur Zeit war einKampf aussichtslos, die Männer hatten mehrals genug damit zu tun, sich vor der unbere-chenbaren Positronik in Sicherheit zu brin-gen. Wasserdampf legte sich über die Arena,als mehrere Thermostrahler gleichzeitig feu-erten und den Wasserspiegel trafen.

Nur die Zuschauer konnten noch erken-nen, was in der Arena vorging. Infrarotka-meras lieferten das Bild für die großen Pro-jektionsflächen, auf denen die beiden Akteu-re zu sehen waren.

Aus dem Gelächter ringsum folgerte Ra,daß die Menge sich über sie amüsierte, wäh-rend sie damit beschäftigt waren, sich gegendie immer höher steigenden Wellen zu weh-ten.

»Verdammte Positronik!« knurrte Ra.Täuschten ihn seine Sinne, oder wurde

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das Wasser tatsächlich kälter? Ra verharrteeinen Augenblick, dann wußte er genug. DieWassertemperatur sank rapide, innerhalbweniger Minuten mußte sie den Gefrier-punkt erreicht haben. Ra begann vor Kältezu zittern. Er war Wärme gewohnt, zu sei-nem Glück würde es dem Maskierten nichtbesser ergehen. Arkoniden vertrugen Kältenoch weniger gut als Ra.

Die Maschine, die die Eiseskälte erzeugte,mußte sich unter dem Sand der Arena befin-den; dort war die Kälte auch am größten. Ramerkte es, als er unter seinen Füßen den Bo-den hart werden fühlte.

Knapp eine Minute lang mußte Ha diebeißende Kälte ertragen, dann war das ge-samte Wasser in der Arena gefroren. Einegewellte, von Bruchstücken übersäte Eisflä-che füllte das Oval. Ab und zu stiegenDampffontänen auf, wenn ein Thermostrahlauf die Eisfläche traf.

Ra hatte große Mühe, auf dem glatten Eisnicht auszurutschen, aber er bewegte sichauf den Maskierten zu, der mit aller Kraftam Griff seines Schwertes zerrte. Die Spitzewar im Eis eingefroren und rührte sich nichtum Haaresbreite.

Der Maskierte stieß einen Fluch aus, alser Ra kommen sah. Rasch gab er die sinnlo-sen Versuche auf, seine eingefrorene Waffefreizubekommen; er wechselte schnell dieSchildhand und griff nach der Keule.

Ra verfügte nun über die weitreichendereWaffe, aber der Maskierte wehrte sich ge-schickt. Ra mußte höllisch aufpassen, umnicht von der gefährlichen Keule getroffenzu werden. Immerhin gelang es ihm, nachund nach immer größere Stücke aus demSchild seines Gegners zu hauen. Ra wollteerreichen, daß der Mann nur auf seine Keuleangewiesen war, dann wollte er ihn durchSchläge mit der flachen Klinge gegen Han-doder Fußgelenke lähmen und zur Aufgabezwingen. Mehr wollte der Barbar nicht.Zweimal schon hatte sich der Maskierte Blö-ßen gegeben, die Ra hätte ausnutzen können,aber in beiden Fällen hätte dieses Ausnutzendarin bestanden, dem Mann das Schwert in

den Unterleib zu jagen. Obwohl Ra sich aus-rechnen konnte, daß sein Gegner an seinerStelle keine Sekunde gezögert hätte, ver-zichtete er auf solche Mittel.

Schritt für Schritt wich der Maskierte zu-rück. Ra begann zu grinsen, denn langsamgewann er die Oberhand in diesem Zwei-kampf.

Der Atem der beiden Männer gingschwer, die Zuschauer konnten es an denweißen Wolken sehen, die die Kälte aus derAtemluft formte. Dennoch froren die Män-ner nicht, an ihren Körpern lief der Schweißin dicken Tropfen herunter.

»Jetzt habe ich dich!« knurrte Ra und hol-te zu einem neuen Hieb aus. Die Klingeprallte auf den Rand des schon arg zugerich-teten Schildes und trennte einen breitenSpan ab. Beim nächsten Schlag dieser Artwürde Ra das Handgelenk des Maskiertentreffen.

Übergangslos begannen die beiden Män-ner zu lachen. Sie ließen die Waffen fallenund umarmten sich, dann begannen sie aufdem Eis zu tanzen.

Die Zuschauer auf den Rängen begleite-ten die Szene mit Gelächter. Sie wußten, daßein Hypnostrahler die beiden Männer erfaßthatte und sie beeinflußte. Gespannt wartetendie Zuschauer auf das Nachlassen des hyp-notischen Einflusses. Welcher der beidenMänner würde sich auf die veränderte Lagerascher einstellen, schneller nach seinenWaffen greifen und vielleicht in diesem win-zigen Augenblick der Verwirrung den ent-scheidenden Treffer anbringen?

Schlagartig ließ der Einfluß des Strahlersnach. Die beiden Männer ließen sich los, sa-hen sich sekundenlang in die Augen, dannreagierten sie fast gleichzeitig. Der Maskier-te war ein wenig schneller als Ra, aber seineWaffen lagen weiter verstreut. Es vergingennur wenige Augenblicke, dann standen sichdie Männer wieder bewaffnet gegenüber undsetzten den Kampf fort.

Ra spürte, daß er diesen Anstrengungennicht mehr lange gewachsen sein würde. Eswar sein achter Kampf an diesem Tag, und

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seit mehr als zwei Stunden bekämpfte er mitaller Kraft und höchster Konzentration denMaskierten, der es zumindest bei seinemletzten Gegner an diesem Tag wesentlicheinfacher gehabt hatte.

Hinzu kam die stets drohende Gefahr vonden Strahlern, von denen man nicht wissenkonnte, wann sie wohin feuerten. Wofür sichanstrengen, wenn im nächsten Augenblickein positronischer Zufall den Kampf ent-schied?

Ra spürte den Paralysatorschuß sofort.Sein linker Fuß knickte weg, und Ra stürztezu Boden. Sofort rollte er sich über dieSchulter ab, und sofort setzte der Maskiertenach. Ra wehrte die Keulenhiebe mit demSchild ab und versuchte gleichzeitig, wiederKontrolle über den Fuß zu bekommen. Ir-gendwie gelang es ihm, den Knöchel desMaskierten mit der flachen Klinge zu tref-fen, aber außer einem schmerzlichen Stöh-nen zeigte der Mann keine Reaktion. Rarutschte über das Eis, duckte sich unter denSchild und wartete, daß ein Wunder gesch-ah.

»Ich werde dich töten!« zischte der Mas-kierte. »Niemand soll sich je rühmen kön-nen, mich fast besiegt zu haben!«

Ra hatte alle Konzentration aufzuwenden,um die hageldicht auf ihn einprasselndenHiebe des Mannes abzuwehren. Sein Armdrohte zu erlahmen, während sein Fuß dieAuswirkungen des Paralysatorschusses all-mählich stärker zu spüren bekam. Ra wußte,wie schmerzhaft die Auflösung einer sol-chen Erstarrung war, und er verhielt sich de-mentsprechend. Er versuchte, aus der Reich-weite seines Gegners zu kommen, aber derMaskierte ließ nicht locker. Ra schlug unge-zielt mit dem Schwert um sich, versuchtewenigstens einen Fuß des Mannes zu tref-fen, um sich Luft machen zu können.

Der Maskierte stöhnte dumpf auf, danntrat er einen Schritt zur Seite. Ras Klingehatte den Knöchel getroffen, zum zweitenMal, und diesmal hatte der Stahl ein Stückder Knochenhaut aufgerissen.

Ra wußte, daß solche Verletzungen höl-

lisch schmerzten, da die Knochenhaut mitNerven förmlich gespickt war. Der Maskier-te verbiß den Schmerz sehr schnell, aber diekurze Spanne Zeit, die er brauchte, um sichwieder zu fangen, genügte für Ra. Der Fußließ sich wieder gebrauchen, und Ra richtetesich schnell wieder auf.

Jetzt war er wieder an der Reihe, seinenGegner Schritt für Schritt zurückzutreiben.Ra wußte, daß er sich nicht mehr lange hal-ten konnte, seine Kräfte waren bis zum Äu-ßersten angespannt worden. Wenn ihm nichtinnerhalb der nächsten fünf Minuten der ent-scheidende Treffer gelang, würde er diesenKampf verlieren.

Ohne sich um die Strahler zu kümmern,rückte Ra dem Maskierten immer näher.Stück für Stück zerschmetterte er mit wuch-tigen Schwerthieben den Schild. Ra konntenicht sehen, was hinter der Maske vorging,aber an dem Blick des Mannes erkannte er,daß der Maskierte Angst bekommen hatte.Ra ließ ihn keine Sekunde lang in Ruhe, erkämpfte mit allem, was ihm zur Verfügungstand. Ein Fußtritt, im Ansatz kaum zu er-kennen, ließ den Schild aus der Hand desMannes fallen. Das zerhauene Stück Holzrollte über das Eis und blieb weit entferntliegen. Der Maskierte versuchte einen Aus-fall, um wieder an den Schild heranzukom-men, aber Ra führte einen Hieb durch dieLuft, der den Mann zurückprallen ließ.

Ra grinste, als er den gehetzten Blick sei-nes Gegners sah.

Der Kampf war entschieden. Ra standmitten in der Arena, und noch besaß er seinSchwert und einen leidlich intakten Schild.Der Maskierte wehrte sich verzweifelt mitseiner Keule, aber er hatte jetzt keine Chan-ce mehr.

Das Publikum tobte vor Begeisterung, ge-nau diesen Ausgang des Kampfes hatte mansich allgemein gewünscht.

Ra sprang vorwärts und rammte denSchild gegen den Oberkörper des Maskier-ten. Der Mann strauchelte, fiel dann auf denRücken und blieb liegen.

Ras Schwert zielte auf seinen Hals. Es be-

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durfte nur noch einer kleinen Bewegung, umden Kampf endgültig zu beenden. Rabrauchte nur noch einen tödlichen Hieb an-zudeuten, dann war sein Sieg unanfechtbar.

»Du wirst noch ein wenig warten müssen,mein Freund!« keuchte Ra schwer atmend.»Erst werde ich herausfinden, wer du bist!«

Zwei Bänder hielten die Maske des Man-nes hinter den Ohren. Ra ließ das Schwertzur Seite gehen und zerschnitt das ersteBand. Dann hob er den Rand der Maske anund schlug sie zur Seite.

*

Ra erstarrte in der Bewegung, sein Unter-kiefer klappte herunter. Aus weitgeöffnetenAugen starrte er auf das Gesicht des Man-nes, den er nach einem langen und hartenZweikampf besiegt hatte.

Ra kannte diesen Mann, er hatte ihn schonoft gesehen.

Die Lippen des Barbaren bewegten sich,sie formten lautlos ein Wort:

»Atlan?«

*

Die linke Hand des Maskierten schnelltenach oben, die Keule traf Ra an der Schläfe.Der Barbar knickte ein, dann kippte er be-wußtlos zur Seite. Noch während der Barbarfiel, befestigte der Mann erneut seine Mas-ke. Nur für einen winzigen Augenblick warsein Gesicht zu sehen gewesen, aber dieserAugenblick war nicht lang genug gewesen,um die Kameras eine genaue Aufnahme ma-chen zu lassen. Ruhig befestigte der Mannseine Maske, dann ging er langsam zu denTribünen hinüber. Dort wollte er seinenPreis in Empfang nehmen.

*

»Ärgerlich!« murmelte Orbanaschol.»Höchst ärgerlich. Ich hätte zu gerne ge-wußt, wer sich hinter dieser Maske verbirgt.Warum konnte der Barbar nicht aufpassen!

Jetzt muß ich dem Maskierten den Preisübergeben!«

»Dafür können wir uns freuen, daß dasGeheimnis der Maske bei den HöchstenKämpfen vielleicht gelüftet wird!« meinteeiner seiner Begleiter. »Uns stehen alsonoch einige sehr interessante Kämpfe be-vor!«

»Mag sein!« meinte der Imperator verär-gert. »Aber ich ertrage langes Warten nicht.Laßt nach der Siegerehrung den Barbarenbefragen. Er hat das Gesicht gesehen, undich verlange, daß er mir sagt, wer dieserMaskierte ist. Er scheint den Mann gekanntzu haben, habt ihr das ebenfalls gesehen?«

»Es ist so, wie Eure Erhabenheit es sagt!«erklärte der Begleiter dienstbeflissen. »Esscheint sich um einen Freund oder Verwand-ten des Barbaren zu handeln, anders läßtsich die seltsame Reaktion des Barbarenkaum erklären!«

Orbanaschol lächelte zufrieden.»Ich werde der einzige Zuschauer sein,

der bei späteren Kämpfen weiß, wer derMaskenträger ist«, murmelte er. »Es ist nie-mals gut, wenn jemand mehr weiß als derImperator!«

»Gewiß!« wurde ihm geantwortet.»Keiner ist so kenntnisreich wie Eure Erha-benheit!«

Orbanaschol nahm diese Schmeicheleienselbstgefällig hin, während in der Arena dieSiegerehrung vorbereitet wurde.

Zehn POGIM-Männer hatten den Mas-kierten umkreist und untersuchten ihn pein-lich genau nach Waffen. Orbanaschol liebteSicherheit über alles, besonders, wenn es umdie Sicherheit seiner Person ging.

Einer der Geheimpolizisten gab durch,daß man bei dem Mann keinerlei Waffen ge-funden hatte.

Orbanaschol erhob sich und schritt lang-sam und feierlich zum Rand der Arena. EineSchwebeplattform sollte dort den Sieger an-nähernd in die Höhe des Imperators bringen,um Seiner Erhabenheit die Mühe zu erspa-ren, hinab in die Arena zu steigen. Unterdem Beifall des Publikums stieg die Platt-

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form langsam in die Höhe.

*

Ra schüttelte den Kopf.Er konnte vor Schmerz nicht klar sehen,

die Wirkung des betäubenden Hiebes ließnur langsam nach. Ra stützte sich auf dieArme und hob den Kopf. In einiger Entfer-nung sah er den Rücken des Mannes, der ihnbesiegt hatte. Der Maskierte stand auf einerkleinen Plattform, die von Antigravprojekto-ren sanft in die Höhe gehoben wurde.

»Verloren!« murmelte Ra. »Ich habe ver-loren!«

Er richtete sich weiter auf und kam müh-sam auf die Füße; er war noch so benom-men, daß er sich kaum auf den Beinen hal-ten konnte. Wie durch einen matten Schleierhindurch verfolgte er die Ehrung des Sie-gers.

Orbanaschol trug in der Hand eine großeScheibe aus blauer Keramik. Ra erinnertesich, daß man ihm gesagt hatte, die Scheibezeige das Gesicht des Imperators auf derVorderseite und Szenen aus der Kolonialzeitvon Zalit auf der Rückseite. Das Ding warziemlich geschmacklos, aber es erhielt sei-nen Wert durch den Umstand, daß es vonSeiner Erhabenheit persönlich überreichtwurde.

Ra stand jetzt etwas fester. Langsam ginger auf die Ehrentribüne zu, er wußte selbstnicht, warum er diesen Weg einschlug undsich nicht in die Kabinen der Kämpfer zu-rückzog.

Der Maskierte nahm die Scheibe in Emp-fang. Er hielt sie in die Höhe, drehte sichherum, damit jeder Zuschauer den Ehren-preis in seinen Händen sehen konnte.

Zum ersten Mal, seit er die Arena betretenhatte, zeigte der Maskierte eine emotionaleReaktion. Er sprang von einem Bein aufs an-dere, warf die Scheibe in die Luft und fingsie wieder auf.

Neben ihm stand Orbanaschol, selbstge-fällig lächelnd. Er bezog das begeisterteSchreien und Rufen des Publikums auf sich.

Dann senkte sich die Schwebeplattformlangsam wieder dem Boden der Arena ent-gegen.

Immer noch tanzte der Sieger begeistertauf der Plattform herum und spielte mit derschweren, dicken Scheibe aus Keramik.

Was dann geschah, ereignete sich im Ver-lauf weniger Sekunden.

Die Scheibe war zu schwer, der Mannkonnte sie nicht mehr auffangen. Begleitetvon einem erschreckten Aufschrei des Publi-kums fiel die Keramik auf den stählernenBoden der Plattform und zerbrach.

Ra sah als einziger, wie sich der Maskier-te bückte und nach etwas griff. Der Barbarhandelte, ohne zu überlegen. Im Bruchteileiner Sekunde lag das Wurfmesser in seinerHand, dann zischte die Klinge durch dieLuft.

Auf den Projektionsflächen war in Groß-aufnahme zu sehen, wie das Messer imRücken des Maskierten einschlug. So großwar die Aufprallwucht des Messers, daß sichder Mann ein Stück drehte. Wirkungsloszischte der Feuerstrahl der Waffe in seinerHand in den nachtdunklen Himmel. DerMaskierte knickte in den Knien ein, dannsank er langsam zur Seite.

Der Mann, der die Schwebeplattformsteuerte, verlor die Nerven und reagiertefalsch. Aus einigen Metern Höhe stürzte diePlattform ab. Im Fallen kippte sie leicht zurSeite und prallte hart auf dem Boden derArena auf. Ein kleiner, dunkler Körper flogweit durch die Luft und landete unmittelbarneben Ras Füßen. Der Barbar bückte sich,noch immer halb benommen, und hob denGegenstand auf.

»Ich muß weg!« murmelte er.Die Geheimpolizisten der POGIM stürz-

ten von allen Seiten auf die Absturzstelle derSchwebeplattform. Auch die überlebendenKämpfer kamen aus ihren Kabinen geeiltund füllten die Arena. Ra wankte langsam inseine Kabine zurück, die Waffe, die er ge-funden hatte, hielt er sorgfältig versteckt.

Dem Barbaren blieb nicht viel Zeit. Erkonnte sich ausrechnen, daß es im Bereich

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des Stadions innerhalb von wenigen Minu-ten von Polizisten wimmeln würde, die jedesPersonalpapier zehnmal kontrollieren wür-den, bevor sie eine Person durchließen. Rakonnte an einer so peniblen Kontrolle natur-gemäß keinen Gefallen finden. Währendsich andere Arenakämpfer noch neugierig anden Tatort drängten, suchte er schnell dasWeite.

*

Dickperliger Angstschweiß stand auf demGesicht des Zaliters Alpertur. Er bewegtesich in einer endlos lang erscheinendenSchlange auf den Ausgang des Stadions zu,auf den einzigen Ausgang, den die Polizeifreigegeben hatte. Inzwischen war das ge-samte Gebiet abgeriegelt worden.

Immo Kalee war wesentlich ruhiger. Erhatte noch sehen können, wie Ra unter denTribünen verschwand, bevor er von derMenge davongeschoben worden war. Er alsArkonide hatte von den Polizisten wenig zubefürchten; gefährlich wurde es erst, wennPrüfgeräte die Echtheit der Ausweise kon-trollierten. Daher blieb Immo Kalee auchständig in der Nähe des Zaliters, der ihm dieDokumente geliefert hatte. Sollte es bei derKontrolle Schwierigkeiten geben, dann warImmo fest entschlossen, den Zaliter nichtungeschoren davonkommen zu lassen.

»Ich hoffe für dich, Alpertur, daß die Pa-piere jeder Überprüfung standhalten wer-den!« murmelte der getarnte Con-Treh soleise, daß nur der Zaliter die Worte hörenkonnte.

Alpertur schüttelte unwillig den Kopf.»Das ist die geringste Sorge!« murmelte

er. »Ich fürchte, daß sich Orbanaschol fürdiesen Attentatsversuch an allen auf Arkonlebenden Zalitern rächen wird. Wenn meinHaus durchsucht werden würde …«

Immo Kalee kannte den gierigen Zaliterinzwischen gut genug, um zu wissen, daß erseine wohlmanikürten Hände in alles tauch-te, was Geld brachte, so schmutzig die Sa-chen auch sein mochten. Eine Hausdurchsu-

chung hätte Alpertur mit Sicherheit denKopf gekostet. Die Schlange bewegte sichnur langsam vorwärts. Sehr sorgfältig wur-den die Ausweise überprüft, Spezialgeräteforschten nach versteckten Waffen. Und alsWaffe sahen die POGIM-Männer fast allesan, was größer als ein Finger und härter alsein Haar war. Ab und zu wurden tatsächlichwaffenähnliche Gegenstände gefunden, Ta-schenmesser, altmodische Uhren an langenKetten, die man als Schleuder hätte benut-zen können. Wer solche Gerätschaften mitsich herumschleppte, sah schweren Zeitenentgegen. Ungefähr jeder hundertste Besu-cher wurde aussortiert und von großen Glei-tern abtransportiert. Immo Kalee kannte dieErmittlungsmethoden der POGIM nur vomHörensagen, aber er hatte keine Lust, vondiesen Männern peinlich genau befragt zuwerden.

Nur noch zwei Frauen standen zwischenImmo und der Energiesperre, als der langeZug aufgehalten wurde. An einer zweitenÖffnung in dem Energiegatter wurden dieArenakämpfer kontrolliert, und zwar we-sentlich härter als die Besucher. Jeder zehnteMann mußte einen der Gleiter besteigen.

Immo sah, daß die Männer zusehends wü-tender wurden; die hochnäsigen arkonidi-schen Beamten machten keinen Hehl aus ih-rer Überzeugung, daß Arenakämpfer eigent-lich allesamt Verbrecher seien, die in einemKonverter wesentlich besser aufgehoben ge-wesen wären.

In lauten Flüchen machten sich die Män-ner Luft, und als die Polizisten immer nochnicht freundlicher wurden, gab es ein Hand-gemenge. Die zwei Kampfrobots, die diePolizisten zu schützen hatten, kamen garnicht erst zum Einsatz. Sie waren bereits vonSpezialisten auf dem Gebiet des Robot-Du-ells außer Gefecht gesetzt worden. AndréPogim-Männer kamen ihren Kollegen zuHilfe, das Chaos vergrößerte sich.

Die Polizisten standen vor einem Dilem-ma. Sie wagten nicht, auf ihre Kollegen zuschießen, denn irgendwo mitten in demHaufen steckte der ranghöchste POGIM-Of-

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fizier der Kegion, und aus naheliegendenGründen wagte es niemand seiner Unterge-benen, einen Paralysatorschuß abzufeuern,der den Offizier hätte treffen können. DiePolizisten sahen sich gezwungen, die randa-lierenden Arenakämpfer mit reiner Körper-kraft auseinanderzutreiben.

Es half ihnen nicht viel, daß sie Verstär-kung anforderten. Die bereits aussortiertenKämpfer überwältigten ihre Wachen, ver-banden sich mit ihren Kollegen und schlu-gen auf die POGIM-Männer ein. Gegen dieausgefuchsten Kämpfer hatten die Polizistenkeine reellen Chancen, zumal sich das un-entwirrbare Knäuel aus menschlichen Lei-bern langsam auf die Schlange zubewegte,in der auch Immo Kalee stand. Vergeblichversuchte der Mann auszuweichen; ehe ersich's versah, beförderte ihn ein Fußtritt mit-ten in den Kreis der Kämpfenden.

Hätte er nicht mitten in dem Knäuel ge-steckt, so hätte sich Immo wahrscheinlichprächtig amüsiert. Eine Massenkeilerei zwi-schen mehreren Hundertschaften war auchfür ihn eine seltene Darbietung. Männerbrüllten, fluchten und stöhnten. Dazwischenmischte sich das gellende Kreischen einigerFrauen und Mädchen, die wider Willen indie Auseinandersetzung mit einbezogenworden waren.

Immo Kalee kämpfte verbissen, und nacheiniger Zeit gelang es ihm, sich wieder frei-zukämpfen.

Inzwischen hatte sich die Zahl der Kämp-fenden weiter erhöht, denn die erwarteteVerstärkung der Polizei war eingetroffen.Da der Raum zwischen den Absperrungenzu klein geworden war, hatte man die Struk-turlücken in dem Energiegatter vergrößert.Zu Hunderten strömten die Zuschauer durchdie Lücken, um sowohl der POGIM als auchder Massenprügelei zu entgehen. Immo Ka-lee sah sich nach Alpertur um, aber der Zali-ter war verschwunden. Immo warf nocheinen Blick auf die Kämpfenden, dann zoger es vor, diesen Ort zu verlassen. Niemandhielt ihn auf, als er sich davonmachte.

*

Alpertur machte ein sehr erleichtertes Ge-sicht, obwohl sein linkes Auge dunkel um-randet war und ihm zwei Zähne fehlten. Erwar heilfroh, der Keilerei entkommen zusein, bevor die POGIM eine solche Über-macht aufgeboten hatte, wie sie zum Siegüber die Arenakämpfer erforderlich war.

Der Anzug des Zaliters war stark mitge-nommen worden, aber Schäden dieser Artließen sich leicht mit Geld wieder beglei-chen.

»Wir haben Glück gehabt, viel Glück so-gar!« stellte Immo Kalee fest. »Ums Haarwären wir verhaftet worden, und das hätteübel ausgehen können!«

»Die Gefahr ist vorbei!« meinte Alpertur.»Als ich mich aus dem Staub machte, konn-te ich gerade noch hören, daß ein paar Ge-bäude in Flammen aufgegangen sind, darun-ter auch das Büro des Trainingslagers. Nie-mand wird mehr herausfinden können, werRa ist und woher er kommt! Alle Spuren,die zu uns führen könnten, sind verwischtworden!«

»Stop!« unterbrach Ra seinen Redefluß.»Ich will die Nachrichten abhören!«

Auf dem Bildschirm an der Wand erschi-en das Zeichen, das eine besonders wichtigeEilmeldung ankündigte. Im Hintergrund warder Kristallpalast zu sehen, wahrscheinlichwurde die Sendung von dort ausgestrahlt.

Sekunden später war das Gesicht des er-sten Regierungssprechers zu sehen.

»Ich habe eine besonders wichtige Mittei-lung bekanntzugeben«, begann der Mann.

»Anläßlich des Festes der ZalitischenHändlervereinigung auf Arkon II wurdeheute ein Attentatsversuch auf Seine Erha-benheit, Imperator Orbanaschol III. unter-nommen. Der Versuch schlug fehl!«

Das Bild wechselte und zeigte die Origi-nalaufnahmen aus dem großen Stadion.Deutlich war zu sehen, wie der Maskiertedie Keramikscheibe fallen ließ und in denTrümmerstücken eine Strahlwaffe auftauch-

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te. Außerhalb des Bildes schleuderte Ra seinWurfmesser. Die Bilder zeigten, wie dasMesser traf und der Attentäter zusammen-brach. Auch die abstürzende Plattform wur-de gezeigt.

»Der Attentäter fand noch am Tatort seinegerechte Strafe!« fuhr der Sprecher fort.»Beim Absturz der Schwebeplattform wurdeder Schädel des Meuchelmörders derart ver-letzt, daß eine Identifizierung vorerst un-möglich erschien. Es gelang aber, an demSterbenden noch eine Hirnschwingungsmes-sung vorzunehmen. Das Ergebnis dieserMessung ist eindeutig!«

Der Sprecher machte eine Pause, um dieWirkung der nächsten Sätze zu verstärken.

»Bei dem feigen Attentäter handelt es sichzweifelsfrei um jenen berüchtigten Hochver-räter, Raumpiraten und Hochstapler, der sichAtlan nennt und behauptet, Kristallprinz vonArkon zu sein. Sein verdienter Tod stehtnunmehr fest!«

Ra sah die Verblüffung im Gesicht ImmoKalees und grinste leicht.

»Gleichzeitig ergeht ein Aufruf an einender Arenakämpfer!« setzte der Sprecher sei-ne Rede fort. »Jener Barbar, dessen Messer-wurf das Attentat vereitelte, konnte bishernicht aufgefunden werden. Er wird aufgefor-dert, sich zu melden, um eine hohe Beloh-nung in Empfang zu nehmen!«

»Das würde euch passen!« knurrte Ra undschaltete den Empfänger ab.

»Das war Atlan?« fragte Immo Kalee ver-blüfft. »Hattest du mir nicht gesagt, Atlanbefinde sich wahrscheinlich irgendwo imMikrokosmos?«

»Selbstverständlich war dieser Mannnicht Atlan!« erklärte Ra. »Er sieht dem Kri-stallprinzen ziemlich ähnlich, aber mehrauch nicht. Die Ähnlichkeit ist allerdings sogroß, daß sogar ich verblüfft war, als ich dieMaske herunterzog!«

»Du könntest dich irren!« wandte Immoein. »Seit du dich von Atlan getrennt hast,ist ziemlich viel Zeit verstrichen. Es wäredurchaus möglich, daß das Schicksal Atlannach Arkon geführt hat. Kannst du wirklich

sicher sein?«»Was ist sicher außer dem Tod?« fragte

Ra irritiert. »Völlig sicher kann ich nichtsein, aber mein Instinkt sagt mir, daß dieserMann nie und nimmer Atlan ist!«

»Und das Hirnschwingungsdiagramm?«warf Alpertur ein. »Das ist doch ein Beweis,oder?«

Ra zuckte hilflos mit den Schultern.»Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er

nachdenklich, »daß jemals ein solches Dia-gramm in die Hände seiner Gegner gefallensein soll. Glaubt mir, es war nicht Atlan. Erbewegte sich anders, kämpfte anders – ichwerde doch meinen Freund kennen!«

Einen Augenblick lang dachte er daran,daß er selbst derjenige war, der Atlan in denMikrokosmos verbannt hatte, von dem esunter Umständen kein Zurück mehr gab.Dann unterdrückte er diesen Impuls wieder.

»Atlan würde niemals versuchen, Orbana-schol durch ein Attentat zu beseitigen!« er-klärte er. »Das entspräche nicht seiner Art.Außerdem …«

Er brachte eine Waffe zum Vorschein,und er richtete die Mündung auf Alpertur.Der Zaliter starrte in die Mündung und wur-de bleich.

»Leg die Waffe weg!« forderte er Ra auf.»So ein Ding kann leicht losgehen, auchwenn man es nicht will!«

»Diese Waffe geht nicht einmal los, wennman will!« behauptete Ra und zog den Ab-zug durch.

Ein greller Lichtstrahl zuckte aus derMündung und erleuchtete einen Fleck an derWand.

»Punkt eins!« begann Ra. »Diese Waffeist ungeladen, sie hat überhaupt kein Maga-zin. Punkt zwei: Das Visier ist so verstelltworden, daß man damit so gut wie nichtstreffen kann. Und drittens: die Walle ver-schießt nur ganz gewöhnliches Licht, wennauch in hoher Konzentration. Das Ding istein hervorragender Handscheinwerfer, aberkeine Waffe, um einen Imperator zu erschie-ßen!«

Immo Kalee schüttelte fassungslos den

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Kopf, während Alpertur mit käsigem Ge-sicht auf die Waffe starrte.

Ra legte die Waffe zur Seite, stand aufund ging unruhig im Raum auf und ab.

»Wir sind nach Arkon gekommen«, über-legte er laut, »um Antworten zu finden. Washaben wir jetzt: Fragen, Fragen, nichts alsFragen. Und nicht den Ansatz einer einzigenAntwort!«

Ra verstummte. Er war sich sicher, daßder Mann, den er getötet hatte, nicht Atlanwar. Aber schließlich – was war schon si-cher …?

ENDE

E N D E

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