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Deutsche Silicon Valleys
Business & IT
5/2019 com! professional
E inhörner erfreuen sich großer Beliebtheit – nicht nur bei
kleinen Mädchen als kitschig pinke Fabelwesen, son-
dern auch in der Start-up-Szene. Denn dort sind Einhörner
etwas ganz Besonderes: Als „Unicorn“ bezeichnet man jun-
ge Unternehmen, die mindestens eine Milliarde Dollar wert
sind.
Dabei denkt man häufig zuallererst an große und weithin
bekannte Start-ups aus dem kalifornischen Silicon Valley wie
den Unterkunftsvermittler Airbnb oder den Fahrdienst Uber.
Aber auch die Start-up-Szene in Deutschland hat bereits
mehrere Einhörner hervorgebracht, zum Beispiel die Online-
Bank N26 oder den Bekleidungsversender AboutYou.
Die deutsche Start-up-Szene boomt. Das unterstrei-
chen auch die Zahlen des neuesten „Start-up-Baro-
meter Deutschland“ der Unternehmensberatung
Ernst & Young. Im vergangenen Jahr erhielten
deutsche Start-ups so viel Investitionsgeld wie
nie – knapp 4,6 Milliarden Euro wurden 2018
in hiesige Jungunternehmen investiert. Das
sind 7 Prozent mehr als 2017. Auch die Zahl der
Investitionen in Start-ups, insgesamt über 600,
erreichte einen neuen Höchststand. Die größte
Die hiesige Gründerlandschaft braucht den internationalen Vergleich nicht zu scheuen.
Deutsche Start-up-Szene entwickelt sich prächtig
Silicon Valleys in Deutschland
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: Shu
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Start-up-Investition konnte dabei die Auto1-Gruppe ein-
heimsen – satte 460 Millionen gingen an den Berliner Online-
Marktplatz für Gebrauchtfahrzeuge.
Und anscheinend sind die deutschen Start-ups auch finan-
ziell durchaus erfolgreich. Laut der von PricewaterhouseCoo-
pers erstellten Studie „Start-up-Unternehmen in Deutsch-
land 2018“ erwirtschafteten immerhin 79 Prozent der befrag-
ten Start-ups im vergangenen Jahr Gewinne.
„Die deutsche Start-up-Szene entwickelt sich prächtig“,
bestätigt Christian Hoppe, Managing Director der Silicon
Valley Bank Deutschland. Die Bank aus Kalifornien hat sich
auf die Förderung von Start-ups und Hightech-Unternehmen
spezialisiert und ist seit letztem Jahr mit einer Nieder-
lassung in Deutschland vertreten. Seit den 2000er-
Jahren sind laut Hoppe hierzulande 28 Unicorns
entstanden, die zusammen einen Wert von
106 Milliarden Euro haben. Das Erstaunliche
dabei: Ein Drittel davon hat ihre Milliarden-
Bewertung erst im vergangenen Jahr erreicht.
„Gerade im europäischen Vergleich muss sich
Deutschland hinter Großbritannien als zweit-
größter Tech-Hub des Kontinents – sowohl in Be-
4,6 Mrd. Euro
wurden 2018 in deutsche Start-ups investiert
Quelle: Ernst & Young
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Business & ITDeutsche Silicon Valleys
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zug auf das investierte Venture Capital, die Anzahl
an Unicorns und die Zahl der Exits – also nicht ver-
stecken“, führt Christian Hoppe weiter aus.
Dass die deutsche Start-up-Szene innovativ und
agil, aber auch diszipliniert und zuverlässig ist,
weiß auch Svetlana Drümmer, Start-up-Managerin
bei der DB Mindbox, dem Start-up-Hub der Deut-
schen Bahn. Dort hat man seit 2015 ein Förderpro-
gramm laufen, in dem Start-ups innerhalb von drei
Monaten eine konkrete Verbesserung rund ums
Bahnfahren entwickeln und deren Machbarkeit
belegen. Nach den Erfahrungen von Svetlana
Drümmer stehen deutsche Start-ups hinsichtlich
Technologien und Kreativität den Gründern aus
den USA, Israel oder dem asiatischen Raum in
nichts nach. „Auch wenn es in anderen Ländern ei-
ne viel größere Szene gibt, können die deutschen
Teams bei vielen Themen mithalten.“
Die deutsche Start-up-LandschaftWenn man sich die hiesige Start-up-Szene ansieht, dann
zeigt sich schnell, dass Berlin weiterhin mit deutlichem Ab-
stand der führende Start-up-Standort ist: Ernst & Young zähl-
te im letzten Jahr 247 Finanzierungsrunden in der Bundes-
hauptstadt – das sind 40 Prozent aller verzeichneten Finan-
zierungsrunden in Deutschland.
Berlin spielt nicht zuletzt deswegen eine besondere Rolle,
weil von der Stadt für Gründer und Start-up-Mitarbeiter aus
dem Ausland eine besondere Anziehungskraft ausgeht, wie
Jenny Boldt, Referentin Start-ups beim Digitalverband Bit-
kom, erklärt. „Auch die vergleichsweise geringen Lebenshal-
tungskosten tragen dazu bei. Aber neben Berlin gibt es längst
auch in anderen Städten und Regionen eine aktive Start-up-
Szene, etwa in München, Hamburg, Frankfurt oder in der
Metropolregion Rhein-Ruhr“, fährt Jenny Boldt fort.
Allerdings scheint das Wachstum in Berlin etwas zu sto-
cken: So lag die Zahl der Finanzierungsrunden 2017 bei 233
und wuchs mit 247 Runden im vergangenen Jahr nur wenig.
Die anderen Bundesländer legten stärker zu: Auf Platz zwei
liegt Bayern mit 124 Finanzierungsrunden, im Jahr 2017 wa-
ren es nur 76. Auf Platz drei: Nordrhein-Westfalen mit 60 Fi-
nanzierungsrunden, 2017 waren es 39.
Doch nicht nur bei der Zahl der Finanzierungsrunden, auch
bei den Investitionssummen liegt Berlin derzeit noch unange-
fochten an der Spitze. Mehr als jeder zweite Euro, der im letz-
ten Jahr hierzulande in Jungunternehmen investiert wurde,
landete in der Bundeshauptstadt. In Summe sind das stolze
2,64 Milliarden Euro. Bayern behauptet auch bei den Inves-
titionssummen seinen zweiten Platz – so kam der Freistaat auf
ein Investitionsvolumen von 802 Millionen Euro. Auf den
weiteren Plätzen folgen Hamburg mit 548 Millionen Euro
Investitionsvolumen und Nordrhein-Westfalen mit 243 Milli-
onen Euro.
Die Zahlen zeigen: Die deutsche Start-up-Szene ist stärker
dezentral organisiert als man das aus anderen europäischen
Ländern gewohnt ist. „So bringen neben Berlin und München
unter anderem auch Städte wie Hamburg, Frankfurt, Köln
oder Dresden jedes Jahr eine Reihe von vielversprechenden,
innovativen Unternehmen hervor“, berichtet Christian Hoppe
von der Silicon Valley Bank.
Auch für Matthias Lais, Chief Operating Officer bei Main
Incubator, einem Tochterunternehmen der Commerzbank.
spielen Berlin und München als Start-up-Standorte in
Deutschland die wichtigste Rolle. „Aber auch Hamburg und
Regionen wie das Ruhrgebiet, das Rheinland sowie das
Rhein-Main-Gebiet haben in den vergangenen Jahren enorm
an Attraktivität für Start-ups gewonnen.“
Dabei bringe jede Region ihre eigenen Reize und Vorteile
mit: „Während München zum Beispiel mit der Technischen
Universität technisch eine enorme Expertise aufweisen kann,
sind wir in Frankfurt als Bankenstadt vor allem Magnet für
Fintechs“, so Matthias Lais weiter.
Stark im E-CommerceDie deutschen Jungunternehmer haben bei ihren Gründun-
gen eine ganz klare Präferenz, was den Geschäftsbereich an-
geht: So wurde im letzten Jahr, wie schon in den Vorjahren,
mit einem Investitionskapital von 1,64 Milliarden Euro das
meiste Geld im Bereich E-Commerce investiert, gefolgt von
Software und Analytics mit einem Investitionsvolumen von
670 Millionen Euro. Auf den Bereich Fintech wiederum ent-
fielen 659 Millionen Euro.
Nach den Erfahrungen von Axel Menneking, Managing
Director von Hubraum, dem Tech-Incubator der Deutschen
Telekom, folgen die deutschen Gründer grundsätzlich den
globalen thematischen Gründungswellen. „In Summe ist ▶
„Gerade im europäischen Vergleich muss sich Deutschland
hinter Großbritannien als zweitgrößter Tech-Hub des
Kontinents nicht verstecken.“
Christian HoppeManaging Director der
Silicon Valley Bank Deutschlandwww.svb.comBi
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Bank
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land
Silicon Valleys in Deutschland
247
Berlin und Bayern: In dem Stadtstaat und dem Freistaat gab es 2018 die meisten Start-up-Finanzierungen.
124Berlin
Bayern
Nordrhein-Westfalen
Hamburg
Baden-Württemberg
Hessen
Sachsen
Brandenburg
Thüringen
Mecklenburg-Vorpommern
Andere
6042
3630
1815
815
20
com! professional 5/19 Quelle: Ernst & Young „Start-up-Barometer Deutschland“ (Januar 2019)
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5/2019 com! professional
Berlin als Internethauptstadt durch die führende
Investoren- und Start-up-Community in den meis-
ten Segmenten führend, insbesondere in den
Bereichen E-Commerce sowie bei Software und
Analytics.“
Die Zahlen zeigen, dass die meisten Start-ups in
Deutschland nach wie vor im klassischen IT-Sektor
wie dem Online-Handel und der Software-Ent-
wicklung tätig sind.
Menneking sieht aber auch zunehmend thema-
tische regionale Cluster rund um ansässige Indus-
trie-Player. So finde man zum Beispiel in München
und Stuttgart viele Jungunternehmen im Bereich
Automotive und in der Bankenmetropole Frankfurt
im Bereich Fintech.
Den Trend, dass sich Start-ups thematisch um
bereits vorhandene große Unternehmen ansiedeln,
nimmt auch Manuel Holzhauer, Managing Direc-
tor des InsurTech Hub München, deutlich wahr.
Die Start-up-Initiative InsurTech Hub wurde von
zahlreichen Versicherungsunternehmen gegründet mit dem
Ziel, München zu einem attraktiven Standort für internatio-
nale Insurtech-Start-ups zu machen. So nennt Holzhauer zum
Beispiel für den Standort München internationale Größen wie
den Rückversicherer Munich Re, die Allianz-Versicherung
oder den Autobauer BMW, mit denen sich Start-ups vernet-
zen können.
Gut geklaut …?Doch bei allem Lob – den deutschen Start-ups wird häufig
vorgeworfen, fast nur sogenannte Copycats hervorzubringen,
also Unternehmen, die erfolgreiche Geschäftsideen aus an-
deren Ländern kopieren. Diesen Vorwurf kann Manuel Holz-
hauer vom InsurTech Hub München jedoch nicht teilen, „da
ich daran auch nichts Schlimmes sehe“. Seiner Meinung nach
sind Copycats „smart follower“– „eine Idee aufgreifen, ge-
machte Fehler erkennen, das Produkt verbessern und eine
noch bessere Lösung entwickeln – das ist ein ganz wichtiger
Teil von Innovation.“ Diesem Prinzip folgend seien schon tol-
le Unternehmen entstanden.
Ganz ähnlich sieht es die Start-up-Managerin Svetlana
Drümmer von der DB Mindbox: „Ich persönlich finde an Co-
pycats zunächst nichts Verwerfliches, sofern die Start-ups es
schaffen, sich eine Besonderheit zu verpassen, sei es ein bes-
seres Marktverständnis oder die Anpassung an die Landes-
bedürfnisse.“
Matthias Lais vom Main Incubator hält das Copycats-Vor-
urteil mittlerweile ohnehin für überholt. Er erklärt, dass man
in Deutschland zum Beispiel mit den vielen Fintechs und neu-
en Banken auf viele eigene Start-ups stolz sein könne. „Dass
sich Geschäftsmodelle ähneln, kommt jedoch immer wieder
vor und kann durchaus sinnig sein. Die Herausforderung da-
bei ist, Ideen und Produkte auf den jeweiligen Markt zuzu-
schneiden und sie für die Bedürfnisse der Konsumenten zu
adaptieren.“
Nimbus Silicon ValleyAuch wenn die deutsche Start-up-Szene auf Wachstumskurs
ist und sich immer mehr etabliert – vielen fällt beim Thema
Start-ups noch immer meist das Silicon Valley ein, wo Tech-
nologiegrößen wie Apple, Facebook und Google ihren Unter-
nehmenssitz haben. Technik-Freunde und Gründer bekom-
men beim Begriff Silicon Valley nach wie vor große Augen.
Doch ist der Nimbus überhaupt noch gerechtfertigt und
woran liegt es, dass das Silicon Valley von hier aus als ein
ganz anderer Kosmos wahrgenommen wird und sich die
deutsche Start-up-Szene stets im Schatten des Silicon Valley
befindet?
„Der Mythos Silicon Valley ist darum so stark, weil er auch
synonym mit einer eigenen Kultur genannt wird, die sicher-
lich auch zum Vorbild für andere Ökosysteme aus aller Welt
geworden ist“, erklärt Nils Seger. Er ist Leiter der Hub Agen-
cy der Digital-Hub-Initiative des Bundeswirtschaftsministeri-
ums. Mit der Initiative werden digitale Ideen in Deutschland
gefördert. In zwölf Digital Hubs in der gesamten Bundes-
republik entwickeln Unternehmer, Gründer und Forscher di-
gitale Lösungen für Dienstleistungen, den Handel und die
Produktion.
„Hohe Investments, die jeden Tag abgewickelt werden, ab-
surde Unternehmensbewertungen und erfolgreiche Börsen-
gänge lassen die Welt im Silicon Valley schillernd aussehen.
Die Dimensionen sind anders“, weiß Svetlana Drümmer von
der DB Mindbox und weist auf die Schattenseiten des Silicon
„Wichtig ist, dass man sich als Gründer genau überlegt,
was man will.“
Svetlana DrümmerStart-up-Managerin bei der DB Mindbox
https://dbmindbox.com/de
Bild
: DB
Min
dbox
Start-up-Finanzierung nach Branchen
1638
E-Commerce, Software & Analytics, Fintech: In diese drei Bereiche flossen hierzulande 2018 die höchsten Finanzierungssummen.
670E-Commerce
Software & Analytics
FinTech
Mobility
Health
PropTech
Hardware
AdTech
Energy
Professional Services
Media & Entertainment
Recruitment
Education
AgTech
659427
316184
144136
9099
7355
com! professional 5/19 Quelle: Ernst & Young „Start-up-Barometer Deutschland“ (Januar 2019)
4329 in Mio. Euro
25
Business & ITDeutsche Silicon Valleys
com! professional 5/2019
Valley hin: „Auch wenn hohe Investments ver-
lockend sind, es ist auch ein Haifischbecken.
Neue Start-ups kommen und gehen jeden Tag.“
Ähnlich sieht es Matthias Lais vom Main In-
cubator. Das Silicon Valley verfüge über eine
hohe Menge an Kapital und ziehe gleichzeitig
viele innovative Köpfe an, die nicht selten mit
einer gesunden und positiven Verrücktheit
ausgestattet seien, es sei „die perfekte Mi-
schung für eine erfolgreiche Start-up-Szene.“
Laut Lais ist es wahrscheinlich vor allem die
Verlässlichkeit, mit der aus dem Silicon Valley
seit vielen Jahren und kontinuierlich großarti-
ge Start-ups hervorkommen, die den Nimbus
stärkt und am Leben hält.
Für Axel Menneking vom Hubraum der
Deutschen Telekom ist und bleibt das Silicon
Valley ein einzigartiges Ökosystem. „Es profi-
tiert von einem besonderen ‚Think Big, High
Risk, High Chance‘-Mindset, von der hohen
Dichte an internationalen Tech-Talenten, von
den vielen durchlaufenen Gründerzyklen und verfügt über
fast unbeschränktes Kapital.“
Auch wenn sich der US-amerikanische Markt nicht direkt
mit dem deutschen Markt vergleichen lässt – einen Blick
über den großen Teich werfen und voneinander lernen und
profitieren, das können beide Seiten. Was das Silicon Valley
und die amerikanische Mentalität prägt, ist gewiss die er-
wähnte positive Verrücktheit vieler Gründer. „Das Motto
‚einfach machen‘ wird in den USA sicherlich etwas stärker
gelebt als in Deutschland“, so Matthias Lais vom Main Incu-
bator. Damit geht seiner Einschätzung nach auch eine posi-
tive Fehlerkultur im Sinne von „fail fast“ einher: „Wenn ein
Projekt sich als nicht erfolgversprechend abzeichnet, dann
sollte es lieber schnell verworfen und die nötigen Lektionen
daraus gezogen werden, statt unnötig Ressourcen darauf zu
verschwenden.“
Axel Menneking vom Hubraum ist der gleichen Ansicht:
Deutsche Gründer könnten von der Flexibilität der Amerika-
ner lernen. Wenn das Business-Model nicht funktioniere,
dann sollte man als Gründer flexibel da rauf reagieren und die
eigene Idee anpassen. Viele bekannte Unicorns seien mit ei-
ner anderen Idee gestartet als dem Geschäftsmodell, mit dem
sie heute erfolgreich seien. „Ein weiterer wichtiger Punkt ist,
dass auch gescheiterte Projekte einen näher an das Ziel brin-
gen. Wir sollten lernen, die gewonnenen Erfah-
rungen als etwas Wertvolles zu sehen.“
Deutsche TugendenAber auch die Gründer in Übersee können –
trotz ihrer unbestreitbaren Erfolge – durchaus
noch etwas von den deutschen Jungunterneh-
mern lernen. „Ich schätze die Struktur und
Zielstrebigkeit bei deutschen Gründern“, ver-
rät Axel Menneking vom Hubraum der Deut-
schen Telekom. Zudem beeindrucke ihn zum
Beispiel das technische Know-how und Bran-
chenwissen bei Ingenieuren, die bereits nach
einigen Jahren Berufserfahrung ein eigenes
Unternehmen aufbauten.
Svetlana Drümmer von der DB Mindbox
merkt an, dass Teams aus Deutschland häufig
„mehr Substanz“ haben. So seien US-amerika-
nische Start-ups teilweise stark Sales-getrie-
ben, würden sich schnell vermarkten und erst
dann Gedanken darüber machen, wie sie ihre
Lösung konkret umsetzen. „Gerade im B2B-Bereich kann das
jedoch zu Frust führen und die gemeinsame Beziehung be-
lasten“, fügt sie hinzu.
Problemfeld FinanzierungHat Deutschland überhaupt eine Chance, den Vorsprung
der Silicon-Valley-Firmen und Start-up-Szenen in anderen
Ländern aufzuholen? Wohl eher nicht, wenn die Einschät-
zung von Axel Menneking vom Hubraum richtig ist: „Die
erste Halbzeit ist verloren, die B2C-Player aus USA und Chi-
na sind zu dominant“, so sein deutliches Statement. Seines
Erachtens geht es jetzt darum, in einer großen Kraftanstren-
gung Rahmenbedingungen für das Entstehen von europäi-
schen Champions zu schaffen. Die Politik müsse mutige Di-
gitalstrategien entschlossen umsetzen, schulisch und außer-
schulisch, Unternehmenskultur fördern und bessere Rah-
menbedingungen für Investoren schaffen. Gleichzeitig bie-
te die Digitalisierung der starken deutschen Industrien, so
Axel Menneking, eine große Chance für neue Start-ups, die
man nicht verpassen dürfe.
Svetlana Drümmer von der DB Mindbox berichtet, sie be-
komme von den Start-ups immer wieder mit, dass hierzulan-
de das Thema Finanzierung eine große Herausforderung ist.
So müssten Start-ups selbst für kleine Investments teilweise
hart kämpfen.
„Das Wagniskapital hat in Deutschland nicht die
Tradition wie in Amerika und – leider – auch nicht
die unerschöpflichen Ressourcen wie in China“,
meint Manuel Holzhauer vom InsurTech Hub
München. Man müsse hier einen intelligenten eu-
ropäischen Weg finden, der sich aus staatlicher Un-
terstützung und privatem Wagniskapital zusam-
mensetze.
Dabei hat Deutschland gerade im Bereich der
Frühphasen-Investments bereits heute viel zu bie-
ten: Staatliche Förderprogramme, erfolgreiche ▶
„Die Finanzierungs- bedingungen für
Start-ups haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.“
Jenny BoldtReferentin Start-ups beim
Digitalverband Bitkomwww.bitkom.org
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Top-5-Finanzierungsrunden 2018
460
Die größten Start-up-Finanzierungsrunden: Die Berliner Auto1-Gruppe sammelte im letzten Jahr mit Abstand am meisten Geld ein.
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com! professional 5/19 Quelle: Ernst & Young „Start-up-Barometer Deutschland“ (Januar 2019)
in Mio. Euro
*IPO
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Deutsche Silicon Valleys
Business & IT
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79 % der deutschen Start-ups
haben im letzten Jahr Gewinne erwirtschaftet
Quelle: PwC
„Die erste Halbzeit ist verloren, die B2C-Player aus USA und
China sind zu dominant.“
Axel MennekingManaging Director von
Deutsche Telekom Hubraumwww.hubraum.com
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Finanzierung von Gründungen
87%
Ohne Ersparnisse geht nichts: Fast 90 Prozent der Start-up-Gründer setzen auf Eigenfinanzierung, 64 Prozent auf einen Kredit.
64%
24%
12%
7%
4%
2%
com! professional 5/19 Quelle: PricewaterhouseCoopers „Start-up-Unternehmen in Deutschland“ (September 2018)
Eigenfinanzierung (z. B. eigene Ersparnisse oder durch Familie/Eltern)
Kreditfinanzierung über eine Bank oder andere Anbieter
Öffentliche Fördermittel
Venture Capital von Unternehmen
Business Angels
Crowdfunding/Kreditplattformen
Venture Capital über Private Equity Firms
Business Angels und natürlich auch viele Risiko-Investoren
unterstützen innovative Start-ups mit Kapital und häufig
auch Expertise und Netzwerk. „Die Finanzierungsbedingun-
gen für Start-ups haben sich in Deutschland in den vergan-
genen Jahren deutlich verbessert – zumindest für die Grün-
dung selbst und die ersten Jahre“, resümiert Bitkom-Refe-
rentin Jenny Boldt. Doch wenn eine internationale Expansi-
on anstehe und dafür zweistellige Millionenbeträge notwen-
dig seien, werde die Luft hierzulande immer noch dünn. „Tat-
sächlich gibt es immer noch zu wenige internationale Inves-
toren in Deutschland, was auch mit den vergleichsweise
schlechten steuerrechtlichen Rahmenbedingungen bei uns
zusammenhängt.“
Doch wie sieht die Finanzierung von deutschen Start-ups
konkret aus? Laut der eingangs erwähnten Pricewaterhouse-
Coopers-Studie „Start-up-Unternehmen in Deutschland
2018“ setzen 87 Prozent der Gründer auf Eigenfinanzierung,
also auf eigene Ersparnisse oder die ihrer Familien.
64 Prozent nehmen einen Kredit auf und 24 Prozent
nutzen öffentliche Fördermittel. Lediglich 12 Pro-
zent der Gründer setzen auf Venture Capital
von Unternehmen. Allerdings: Wenn ein Start-
up tatsächlich auf Venture Capital zurück-
greift, dann trägt dieses immerhin fast zur Hälf-
te zur Gründungsfinanzierung bei.
„Wichtig ist, dass man sich als Gründer ge -
nau überlegt, was man will“, empfiehlt Svetlana
Drümmer von der Mindbox der Deutschen Bahn. Es ge-
be viele Finanzierungsmöglichkeiten – und jede dieser Mög-
lichkeiten bringe ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile mit
sich. „Wenn man erst einmal weiß, was man will, muss man
gezielt Ansprechpartner ausfindig machen und entsprechen-
de Events besuchen, dann kommt man mit den potenziellen
Investoren auch schnell in Kontakt.“ Laut Drümmer mangelt
es hierfür selten an Networking-Möglichkeiten.
Die Start-ups in Deutschland werden trotz immer mehr
Möglichkeiten weiterhin vor allem von ausländischen Kapi-
talgebern gefördert. Doch es findet ein Wandel statt. „Die
hiesige Venture-Capital-Szene konnte im vergangenen Jahr
Boden gut machen. Der Anteil deutscher Investoren an Fi-
nanzierungsrunden über 50 Millionen Euro hat sich unserer
Analyse nach 2018 im Vergleich zum Vorjahr deutlich
gesteigert“, betont Christian Hoppe von der Sili-
con Valley Bank. „Ich denke, deutsche Investo-
ren haben mittlerweile begriffen, dass es für
sie durchaus Sinn ergibt, das heimische Öko-
system zu fördern, um auch hier in Deutsch-
land weiter Anreize zum Gründen zu schaf-
fen. Wir als Silicon Valley Bank empfehlen hie-
sigen Risikokapitalgebern, mit denen wir zu-
sammenarbeiten, bei aller Liebe für den Blick
über den Tellerrand in andere Länder jedenfalls auch
hin und wieder einen Blick auf die Tellermitte und damit ins
Inland zu werfen.“
Bürokratische HürdenWenn man als deutsches Start-up die Hürde der Finanzie-
rung genommen hat, dann steht man meist gleich vor einer
weiteren: der deutschen und europäischen Bürokratie.
„Tatsächlich sind Gründer mit dem Standort
Deutschland überwiegend zufrieden – außer mit
der Verwaltung“, resümiert Jenny Boldt von Bit-
kom. Nicht nur das Gründen selbst sei hierzulan-
de deutlich aufwendiger als in anderen Ländern,
auch danach seien die bürokratischen Auflagen
hoch. Das fange mit der Steuererklärung an und
höre mit dem Versuch, Mitarbeiter aus Drittstaaten
zu beschäftigen, noch lange nicht auf. „Die Politik
hat das längst erkannt und verspricht immer wie-
der Erleichterung und Bürokratieabbau – leider ist
davon in der Praxis oft wenig zu sehen.“
Axel Menneking vom Deutsche Telekom Hub-
raum sagt ganz klar: „Wir brauchen viel mehr Ge-
schwindigkeit und Entschlossenheit auf allen Ebe-
nen.“ Bürokratische Hürden im Gründungspro-
zess und bei der Besteuerung sowie Restriktionen
rund um Venture Capital müssten zeitnah abge-
baut werden.
Auch das Thema Datenschutz macht es Grün-
dern nicht immer einfach. Dass es hierzulande
höhere Standards hinsichtlich des Datenschutzes
27
Business & ITDeutsche Silicon Valleys
com! professional 5/2019
[email protected] Pfliegl
◾
Start-up-Ökosystem in Deutschland
Gründen mit Hindernissen: Rund ein Viertel der Start-ups bewertet das Ökosystem an ihrem deutschen Standort in Bezug auf Bürokratie, Verfügbarkeit von Mitarbeitern und wirtschaftspolitische Initiativen als „eher schlecht“.
com! professional 5/19 Quelle: PricewaterhouseCoopers „Start-up-Unternehmen in Deutschland“(September 2018)
44% 45% 10% 1%
1%32% 54% 13%
1%35% 52% 12%
4%58% 11%27%
1%49% 15%35%
2%49% 15%34%
3%55% 14%28%
3%52% 16%29%
2%53% 17%28%
3%46% 19%32%
4%48% 19%29%
2%47% 23%28%
2%48% 24%26%
4%53% 25%18%
sehr gut eher gut eher schlecht sehr schlecht
Digitale Infrastruktur (zum Beispiel Breitbandausbau)
Logistische Infrastruktur und Anbindung
Zugang zu finanziellen Mitteln
Allgemeine Gründerszene
Attraktive Immobilienlandschaft
Nähe zu Universitäten
Kooperationsmöglichkeiten mit etablierten Unternehmen
Zugang zu Beratern oder Mentoren
Förderangebote
Günstige Lebenshaltungskosten
Angebote von Messen, Veranstaltungen, Events
Bürokratische Hürden, gesetzliche Auflagen
Angebot qualifizierter Mitarbeiter
Wirtschaftpolitische Initiativen (zum Beispiel Hub- Gründungen, öffentliche Wettbewerbe)
„Wenn ein Projekt sich als nicht erfolgversprechend
abzeichnet, dann sollte es lieber schnell verworfen und die nötigen Lektionen daraus
gezogen werden, statt unnötig Ressourcen darauf
zu verschwenden.“
Matthias LaisChief Operating Officer
von Main Incubatorhttps://main-incubator.comBi
ld: M
ain
Incu
bato
r
gibt, ist mit Sicherheit auch ein Wettbewerbsvorteil. Doch
auch hier besteht die Gefahr der Überregulierung, wie wohl
auch die Politik inzwischen erkannt hat. Bundeskanzlerin
Angela Merkel jedenfalls warnte in ihrer Rede beim World
Economic Forum in Davos Anfang vergangenen Jahres, die
Gefahr sei groß, „dass wir zu langsam sind und die Welt über
uns hinwegrollt, derweil wir philosophisch über die Frage der
Datensouveränität debattieren“.
FazitDie Zahlen, die Einschätzungen der Experten und viele er-
folgreiche Beispiele zeigen: Es müssen nicht immer das Sili-
con Valley, London oder Tel Aviv sein – auch hierzulande las-
sen sich erfolgreich Start-ups gründen. Viele Jungunterneh-
men bestätigen das. Laut Jenny Boldt von Bitkom empfehlen
80 Prozent der Gründer jungen Menschen, ein eigenes Start-
up zu gründen. Und 93 Prozent der Gründer würden mit ih-
ren aktuellen Erfahrungen erneut ein Start-up gründen. „Ob
erfolgreich oder nicht, in keinem Job lernt man so viel, wie
bei einer eigenen Gründung. Wenn man also eine gute Idee
hat, sollte man nicht zu lange zögern, sie auch selber umzu-
setzen“, so ihre Empfehlung.
Christian Hoppe von der Silicon Valley Bank rät ebenfalls
dazu, mutig zu sein und sich ein Beispiel an den zahlreichen
innovativen deutschen Tech-Firmen zu nehmen, die es ge-
schafft haben. „Im Englischen würde man sagen: ‚Think
bold! Don’t stop!‘.“ Seiner Meinung nach sollte man sich von
Anfang an Mitstreiter suchen, die von einer Idee mindestens
genauso überzeugt sind, denen man vertraut und mit denen
man gut zusammenarbeiten kann. Gleichzeitig könnten er-
fahrene Investoren mit einem nachhaltigen, langfristig ge-
dachten Ansatz dabei helfen, strategisch sinnvoll zu agieren
und neue Märkte zu erschließen. Denn am Ende zeige sich
fast immer, dass der Erfolg eines Unternehmens immer auch
eine Teamleistung ist.
Manuel Holzhauer vom InsurTech Hub München gibt jun-
gen Unternehmern den Rat, es auch abseits der ausgetretenen
Pfade zu versuchen: „Die Welt wartet nicht auf die nächste
Smoothie-Geschmacksrichtung, sondern auf Ideen, die über-
raschen, von denen wir nicht mal ansatzweise ahnen, dass sie
im Kopf unseres Gegenübers herumspuken könnten.“
Managing Director Axel Menneking vom Deutsche Tele-
kom Hubraum gibt gründungswilligen jungen Leuten ein
Zitat des 26. US-Präsi-
denten Theodore Roose-
velt mit auf den Weg: „It
is hard to fail, but it
is worse never to have
tried to succeed.“