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90 Zeitachrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 225. 1935

Die Bildung von ,,Persilikat" [Bemerkungen zu der Abhandlung von F. KRAUSS und C. OETTNER~)]

Von HUGO DITZ

Die in der Arbeit von KRAUSS und OETTNER (1. c., S. 349) ge- machte Angabe: ,,Es sei noch erwahnt, da8 es DITZ~) nicht gelungen ist, aus H202 und Wasserglas ein Persilikat herzustellen", bedarf einer Richtigstellung. Schon aus dem Titel meiner Abhandlung ,,Die angebliche Bildung von Persilikat bei der Einwirkung von Luft auf Natriumsilikatlosungen" geht hervor, da8 meine darin an- gegebenen Versuche nicht die Darstellung von Persilikat aus Wasser- stoffperoxyd und Wasserglas betrafen. Sie hatten vielmehr aus- schliefilich bezweckt, von ED. JORDIS~) im AnschluS an eine voraus- gehende Veroffentlichung von A. KOMAROWSKY~) mitgeteilte Beob- achtungen, wonach aus Wasserglas- oder Alkalisilikatlosungen ge- nugender Konzentration, die einige Monate lose verschlossen oder offen an der Luft stehen gelassen worden waren, bei Zusatz von Salz- saure neben Kohlensaure Ghlorgas entweicht, zu uberprufen. Da JORDIS an die Mitteilung seiner wiederholt gemachten Beobachtungen die Bemerkung knupfte: ,,Eine Tauschung oder ein Zufall ist daher ausgeschlossen. Eine Erklarung der Erscheinung, die an die Auf- nahme von Sauerstoff durch Terpentinol erinnert, kann noch nicht gegeben werden" und er diese Beobachtungen als eine Stutze fur die Annahme von Persilikaten anfuhrte, so war es - zumal die Auf- nahme von Sauerstoff aus der Luft unter Bildung eines Persilikats von vornherein als wenig wahrscheinlich anzusehen war - von Interesse, seine Beobachtungen zu uberprufen.

Nach JORDIS wies die bei Zusatz von Salzsaure zu monatelang oder etwa ein Jahr an der Luft stehenden Natriumsilikatlosungen entweichende Kohlensaure deutlichen bzw. starken Geruch nach

l) F. KRAUSS u. C. OETTNER, Z. anorg. u. allg. Chem. 222 (1935), 345. 2, H. DITZ, Journ. prakt. Chem. [2] 92 (1915), 412. 9 ED. JORDIS, Chem.-Ztg. 38 (1914), 221. ') A. KOMAROWSEY, Chem.-Ztg. 38 (1914), 121.

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Chlor auf. Ober irgendeine andere Reaktion fur die angenommene Bildung eines Persilikats wurde nichts mitgeteilt. Von der Annahme ausgehend, daB etwa vorhandenes Persilikat bei Zusatz von ver- dunnter Saure (z. B. Schwefelsaure) unter Bildung von Wasserstoff- peroxyd zerfallen muBte, hatte ich ziemlich konzentrierte waBrige Losungen von kauflichem Wasserglas an der Luft stehen gelassen und in verschiedenen Zeitabstanden (nach 1, 2, 4, 10, 11 und 12 Wochen) mittels der Titansaurereaktion auf Wasserstoffperoxyd gepruft, wobei auch nach dreimonatiger Lufteinwirkung keine Spur von Wasserstoffperoxyd nachweisbar war. Dagegen konnte schon nach zwei Tagen bei der Prufung auf Nitrit (mit a-Naphthylamin- Sulfanilsaurereagens in essigsaurer Losung) eine sehr deutliche Rosa- farbung beobachtet werden, die sich bei weiterer Lufteinwirkung vertiefte, so da13 in der drei Monate lang der Luft ausgesetzten Wasser- glaslosung bei der Prufung eine intensive Rotfarbung zu beob- achten war1).

Bei Zusatz von mii13ig konzentrierter Salzslure zu der drei Monate lang der Luf t ausgesetzten Wasserglaslosung zeigte die (aus dem gebildeten Natrium- carbonat) sich (namentlich beim Erwiirmen der Fliissigkeit) entwickelnde Kohlen- siiure einen etwas an Chlor erinnernden Geruch. Bei Ianger andauernder Luft- einwirkung - JORDIS hatte seine Beobachtungen auch bei einer etwa ein Jahr lang aufbewahrten Wasserglaslosung gemacht - hatte demnach eine starkere Anreicherung an Stickstoffsituren in der Silikatlosung erfolgen konnen, bei deren Zersetzung, wie in der zitierten Abhandlung des naheren erortert wird, die ent- weichende Kohlensaure moglicherweise einen deutlicheren Geruch nach Chlor aufweisen konnte. Auch wurde darauf hingewiesen, daO das zu meinen Versuchen

l) Die Priifung auf Nitrat mittels der Brucinreaktion gab nur eine ganz schwache Gelbfiirbung. Die unmittelbare Veranlassung zu diesen Versuchen war die von mir [vgl. H. DITZ, Journ. prakt. Chem. [2] 87 (1913) 208; 88 (1913), 443; ferner auch Z. angew. Chemie 26 I (1913), 5961 gelegentlich der Nachpriifung einiger von N. TARUGI, Gazz. chim. 34, I1 (1904), 254, und spilter von W. VAUBEL, Z. angew. Chemie 25 (1912), 2300; Journ. prakt. Chem. [2] 86 (1912), 366; 88 (1913), 61, veroffentlichten Beobachtungen iiber die an- gebliche Bildung eines Peroxydes bei der Einwirkung von Luft auf Kalkhydrat gemachte Feststellung, da13 die von diesen Verfassern mitgeteilten Reaktionen nicht durch vorhandenes Peroxyd, sondern durch im Kalkhydrat enthaltene Verunreinigungen (hauptsachlich Eisen in Ferriform, zum Teil auch Mangan), sowie auf infolge der Einwirkung der Luft auf das Kalkhydrat gebildetes Nitrit hervorgerufen werden. Dagegen konnte selbst nach 100tagiger Lufteinwirkung mittels der Titansaurereaktion kein Peroxyd im Kalkhydrat nachgewiesen werden. iiber die Art der Bildung von Nitrit (und Nitrat) in dem der Luft ausgesetzten Kalkhydrat (und anderenverbindungen) vgl. H. DITZ u. F. KANH~USER, Journ. prakt. Chem. [2] 88 (1913), 456. - In einem 40 Tage der Luft ausgesetzten Kalk- hydrat wurden z. B. 0,0205°/0 HNO, und 0,0094°/0 HNO, festgestellt.

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verwendete Wasserglas auBer geringen Mengen Eisen auch nachweisbare Spuren von Mangan enthielt, so daB bei Anwesenheit merklicher Mengen desselben im kauflichen Wasserglas das durch Autoxydation des Mangans durch Luftsauer- stoff in der alkalischen Fliissigkeit moglicherweise entstehende Manganperoxyd bei der Zersetzung mit Sahslure auch an der Entstehung des Chlors beteiligt win konnte.

Der von JORDIS bei der Zersetzung der Wasserglaslosungen mittels Salzsaure beobachtete Chlorgeruch war daher, zumal silch auch nach 12 Wochen in der der Luft ausgesetzten Wasserglaslosuing Wasserstoffperoxyd nicht nachweisen lieB, nicht auf Bildung eines Persilikats zuruckzufuhrenl). Versuche, ,,am H,O, und Wasserglas ein Persilikat herzustellen" hatte ich uberhaupt nicht durchgefuhrt, daruber ist auch keinerlei Bemerkung in meiner Veroffentlichmig enthalten, so daB die Angabe von KRAUSS und OETTNER, daB es rrdr nicht gelungen ware, aus H,O, und Wasserglas ein Persilikat her- zustellen, nicht zutrifft.

l) JORDIS hatte iibrigens die von mir iiberpriiften und andere Beob- achtungen, die Angaben von KOMAROWSKY (1.0.) bestltigten, ausdriicklich ah eine Stiitze fur die Annahme von Persilikaten angesehen, iiberdies auch hervor- gehoben, daB die Existenz von Persilikaten nach dem periodischen System wohI moglich und wahrscheinlich erscheint, so daB die Moglichkeit, definierte ,,Per- silikate" zu gewinnen, eigentlich nicht, wie dies von KRAIJSS und OETTNER be- merkt wird, ,,entgegen der Ansicht von JORDIS" war.

B a g , Deutsche Teclinische Hochschule im September 1935.

Bei der Redaktion eingegangen am 2. Oktober 1935.


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