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Fachkonferenz Benachteiligtenförderung Forum 5: Neue Prüfungsanforderungen und die Ausbildung benachteiligter Jugendlicher

Die Inhalte dieses Skripts sind dem hiba-Weiterbildungsband 10/77 "Neue Prüfungsanforderungen" entnommen

• Innovationen im Prüfungswesen 2 • Neue Prüfungsformen und -methoden 4 • Gesellenprüfung für das Maler- und Lackiererhandwerk 7 • Neue Prüfungsstruktur und -abläufe in den elektrotechnischen Ausbildungsberufen 9

• Abschlussprüfung im Ausbildungsgang Bürokaufmann/Bürokauffrau 10

• Die gestreckte Abschlussprüfung 11

• Prüfungsanforderungen im Beruf Fertigungsmechaniker/Fertigungsmechanikerin 13

• Literaturhinweise 23

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Innovationen im Prüfungswesen

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Innovationen im Prüfungswesen

Pia Schnadt

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Ausbildungsberufe neu geordnet bzw. neuerlassen worden. Damit einher geht eine Umorientierung im Prüfungswesen, die sich instrukturellen Veränderungen von Prüfungsstrukturen und -formen sowie in einer Reiheneuer Prüfungsmethoden und Prüfungsaufgaben manifestieren.

Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Neuordnung der Metall- und ElektroberufeEnde der 80er-Jahre. Hier wurde erstmals die Vermittlung von beruflicher Handlungs-kompetenz in Form selbstständigen Planens, Durchführens und Kontrollierens festge-schrieben. Gleichzeitig wurde festgeschrieben, dass dieses Ausbildungsziel der berufli-chen Handlungskompetenz auch in den Prüfungen seinen Niederschlag finden sollte.

Berufliche Handlungskompetenz

Das Bildungsziel berufliche Handlungskompetenz orientiert sich an der Bewältigung vollstän-diger Arbeitsaufgaben, d. h. berufliche Handlungskompetenz kann immer nur an konkretenAufgaben gezeigt werden. Handlungskompetenz meint die Fähigkeit und Bereitschaft, untersich verändernden Normen und Werten das erlangte Wissen, Können und Verhalten aufga-bengerecht anzuwenden. Sie realisiert sich in der Verknüpfung von

Æ

Fachkompetenz (z. B. fachliche Kenntnisse, fachliches Engagement, fachliche Fertigkei-ten, Sachverstand, Problembewusstsein …),

Æ

Methodenkompetenz (z. B. Problemlösefähigkeit, Planungsfähigkeit, systemisches Den-ken, Fähigkeit zur Informationsbeschaffung, Entscheidungsfähigkeit, Übertragungsfähig-keit, Lernfähigkeit …),

Æ

Sozialkompetenz (Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, so-ziale Verantwortung, Fairness, Hilfsbereitschaft, Einordnungsfähigkeit, Konzessionsbereit-schaft, Anleitungsfähigkeit, Leitungsfähigkeit, Umweltbewusstsein …) und

Æ

personaler Kompetenz (eigene Normen und Werte, Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Fä-higkeit zur Selbstreflexion, Kreativität, Initiative, Durchhaltevermögen, Frustrationstole-ranz, Aufgeschlossenheit, Belastbarkeit, Verantwortungsbereitschaft, Begeisterungsfähig-keit …).

1

Mittlerweile findet sich dieses Ausbildungsziel der beruflichen Handlungskompetenz inallen neuen und neu geordneten Ausbildungsberufen. In diesen steht die beruflicheHandlungskompetenz als gleichwertiges Ausbildungsziel neben der Vermittlung vonFachkompetenz. Die Umsetzung der neuen bzw. neu gestalteten Ausbildungsordnun-gen erfordert damit nicht nur neue Ausbildungskonzepte, sondern auch neue Prüfungs-konzepte, denn „die Prüfungsinhalte und Prüfungsmethoden prägen immer wesentlichmit, welche Inhalte vermittelt werden und wie dies geschieht“

2

.

1 Vgl. von Bothmer, H.: Berufliche Kompetenzen. Einführung in Begriffe und Verfahren. hiba-Weiter-bildung, Band 20,/17, hrsg. v. hiba gmbh, Darmstadt 2004.

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Innovationen im Prüfungswesen

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Ziel dieser Veränderungen im Prüfungsgeschehen ist eine praxisnahe Gestaltung vonPrüfungen, die nicht nur Auskunft über erworbenes Wissen und Können geben, son-dern vor allem zuverlässige Aussagen über berufliche Handlungskompetenz erlauben. Inder Konsequenz erfordert dies, dass die Entwicklung von Prüfungen und Prüfungsaufga-ben an dem Modell der vollständigen Handlung orientiert werden muss.

Diesem Anspruch werden Ausbildungsabschlussprüfungen – so die zentrale Kritik antraditionellen Prüfungskonzepten – vielfach nicht oder nur unzureichend gerecht. Zwarlasse sich ermitteln, in welchem Umfang die Auszubildenden fachliche Kenntnisse abru-fen können und wie gut sie einzelne Arbeitstechniken beherrschen, darüber hinausge-hende Aussagen, zum Beispiel über die Fähigkeit, situationsbezogen und prozessorien-tiert denken und handeln zu können, lassen die traditionellen Prüfungen und Prüfungs-aufgaben oftmals nur begrenzt zu.

Folgende Kritikpunkte an traditionellen Prüfungskonzepten werden u. a. genannt:

Æ

Die strikte Umsetzung der Vereinheitlichungsempfehlung für Prüfungen des Bun-desinstituts für Berufsbildung von 1980 lassen keine flexible Anpassung an die An-forderungen des jeweiligen Berufs zu.

Æ

Die Aufteilung der Prüfung in Prüfungsfächer sowie in schriftliche und praktischePrüfungen entspricht nicht den Anforderungen des Berufs.

Æ

Für die Erfassung beruflicher Handlungskompetenz sind die herkömmlichen Prü-fungen nicht geeignet (valide).

Æ

In den herkömmlichen Prüfungen können übergreifende Qualifikationen wie Kom-munikationsfähigkeit, Problemlösefähigkeit, soziale Kompetenzen etc. nicht erfasstwerden.

3

Neue praxisnahe und handlungsorientierte Prüfungsformen und -methoden, die in denvergangenen Jahren bei der Einführung neuer sowie modernisierter Ausbildungsberufeeingeführt wurden, sollen diesen Mangel beheben. Ob als Bearbeitung eines berufstypi-schen Kundenauftrags wie bspw. im Malerhandwerk

4

, als gastorientiertes Prüfungsge-spräch bei der Fachkraft im Gastgewerbe

5

oder als Rollenspiel im Prüfungsfach „Auf-tragsbearbeitung und Büroorganisation“ im Ausbildungsgang Bürokaufmann/-frau

6

–die Auszubildenden sollen nunmehr in der Prüfung zeigen, inwieweit sie erworbeneKenntnisse und Fertigkeiten in der Praxis umsetzen und berufstypische Arbeitsanforde-rungen bewältigen können. Mit diesem größeren Praxisbezug wird die Erwartung ver-bunden, dass die Aussagekraft der Prüfungen und damit auch des Prüfungszeugnisses

2 Ebbinghaus, M.; Schmidt, J. U.: Prüfungsmethoden und Aufgabenarten, Bielefeld 1999, S. 5.

3 Vgl. Schmidt, J. U.: Innovationen im Prüfungswesen, in: U. Grünwald, J. U. Schmidt: Innovative Ansätzebeim Lernen durch Arbeit und bei beruflichen Prüfungen, Bielefeld 2000, S. 82 f.

4 Vgl. Musteraufgaben aus dem Modellprojekt „Lernen orientiert an Kompetenzentwicklung (LOK)“,www.farbe.de – Rubrik Maler/Bildung, Job, Karriere/Ausbildungshilfen & eLearning.

5 Korioth, T.; Schmidt, J. U.: Aktualisierte Prüfungen für die Hotel- und Gastgewerbeberufe. Mit einemLeitfaden zum gastorientierten Prüfungsgespräch, Bielefeld 1999.

6 Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): KoPra Komplexe Prüfungsaufgaben für Bürokaufleute. Ein Leit-faden zur Erstellung von Prüfungsaufgaben. Bielefeld, Bertelsmann Verlag 1999.

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über die berufliche Handlungskompetenz und die spätere Bewährung im Beruf verbes-sert wird.

2.1 Neue Prüfungsformen und -methoden

Prüfungsleistungen sind immer Momentaufnahmen. Prüfungen finden unter verfremde-ten Bedingungen statt und können daher nur eingeschränkt die erworbenen Fähigkeiteneinschließlich der fachübergreifenden Qualifikationen ausweisen. Dennoch sind Prüfun-gen nicht nur ein formaler Vorgang, vielmehr sollen sie die Einhaltung und Vergleich-barkeit von Qualitätsstandards in der Ausbildung gewährleisten. Für die Abschlussprü-fung und das Prüfungszeugnis ist es daher nicht entscheidend, was im Rahmen der indi-viduellen Ausbildung tatsächlich vermittelt wurde. Vielmehr zielt die Abschlussprüfungauf das, was mit rechtlichen Vorgaben als Standard festgelegt wurde. Geprüft und zerti-fiziert wird also, ob ein festgelegtes Kompetenzniveau erreicht wurde.

Dieses Kompetenzniveau ist im Rahmen der Ausbildungsordnung, des Ausbildungsrah-menplans sowie in den Rahmenlehrplänen beschrieben. Darüber hinaus enthalten auchdie Struktur der Abschlussprüfung und die Prüfungsformen und -methoden Hinweiseauf die Prüfungsanforderungen.

Traditionelle Prüfungsstrukturen und -formen

Während der Berufsausbildung finden in der Regel zwei Prüfungen statt: Etwa in derMitte der Ausbildungszeit erfolgt die Zwischenprüfung (§ 24 BBiG/§ 39 HwO), dieAbschlussprüfung erfolgt am Ende der Berufsausbildung (§ 35 BBiG/§ 32 HwO). DieTeilnahme an der Zwischenprüfung gilt nach § 39 BBiG/§ 36 HwO als Voraussetzung fürdie Zulassung zur Abschluss- bzw. Gesellenprüfung, hat darüber hinaus in der Regeljedoch keinen Einfluss auf die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses oder auf dasErgebnis der Abschlussprüfung. Mit der Zwischenprüfung werden also keine Berechti-gungen erworben.

Anders dagegen die Berufsabschlussprüfung. Mit ihr erwirbt der Prüfling Berechtigungen– die Berechtigung etwa, den erlernten Beruf auszuüben. Insofern bildet die Abschlussprü-fung die Brücke zwischen Ausbildungs- und Beschäftigungssystem.

Traditionell besteht die Struktur von Zwischen- und Abschlussprüfung aus zwei Teilen:Der schriftlichen Prüfung als Kenntnisprüfung sowie der praktischen Prüfung. Letzterewird im gewerblich-technischen Bereich als „Fertigkeitsprüfung“ bezeichnet, im kauf-männischen Bereich als „praktische Übung“, die als mündliche Prüfung durchgeführtwird.

Innerhalb der einzelnen Prüfungsteile gibt es traditionell eine überschaubare Anzahl anPrüfungsmethoden und Aufgabenarten. Die

praktische Prüfung

in gewerblich-techni-schen Berufen besteht aus einem Prüfungsstück und/oder aus einer Arbeitsprobe. Beideunterscheiden sich dadurch, dass bei einem Prüfungsstück nur das Endergebnis bewertet,also eine Produktbewertung vorgenommen wird, während bei einer Arbeitsprobe auchdie Arbeitsweise in die Bewertung einfließt.

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Den

schriftlichen Prüfungen

liegen in herkömmlichen Prüfungen zwei Aufgabenartenzu Grunde: Aufgaben mit gebundener Antwort – ein Multiple-Choice-Verfahren, beidem dem/der Prüfungsteilnehmer/in mehrere Antwortalternativen angeboten werden,aus denen er/sie eine Lösung auswählen muss (sog. programmierte Prüfung) oder diesog. konventionelle Prüfung, bei der der/die Prüfungsteilnehmer/in die Antworten aufdie ihm/ihr gestellten Aufgaben in freier Form formulieren muss.

Das Methodenspektrum der

mündlichen Prüfung b

esteht in traditionellen Prüfungenim Wesentlichen aus zwei Methoden: dem Fach- und Prüfungsgespräch in der prakti-schen Übung (kaufmännische Berufe) bzw. der unstrukturierten mündlichen Befragungbei der mündlichen Ergänzungsprüfung in gewerblich-technischen Berufen.

An dieser Prüfungsstruktur hat sich bis in die 90er-Jahre hinein wenig geändert. ErsteKritik, insbesondere an der sog. programmierten Prüfung, die sich auf das Abfragen vonDetail- und Faktenwissen beschränke, setzte zwar bereits in den 70er-Jahren ein. Docherst die Auflösung traditioneller Organisationsstrukturen, die Entwicklung prozessorien-tierter Organisationsformen und die damit einhergehende Veränderung des etabliertenFacharbeiterprofils, das nun verstärkt prozessorientierte Qualifikationen beinhaltet,führte in den vergangenen Jahren zu einer rasanten Entwicklung neuer Prüfungsformenund -methoden.

Neue Leitbilder der Kompetenzermittlung in Prüfungen

An die Stelle der bisherigen starren Prüfungsstrukturen mit ihren fächergebundenenschriftlichen Prüfungsteilen und den oftmals isoliert danebenstehenden Arbeitsprobenund Prüfungsstücken treten nun Prüfungsformen, die praxisnah, ganzheitlich, komplex,handlungs- oder prozessorientiert sein sollen. So verwirrend die Vielzahl der Begriffeauch sein mag – im Kern geht es bei der Entwicklung neuer Prüfungsformen darum, inder Prüfung reale berufliche Anforderungssituationen zu simulieren. Als neues Prüfungs-paradigma gilt nun: Im Mittelpunkt der Prüfungen sollen nicht mehr Kenntnisse undFertigkeiten, sondern Qualifikationen und ihre flexible Anwendung bei der Bearbeitungberuflicher Aufgaben stehen. Als neue Leitbilder für die Abschlussprüfungen geltendaher:

Æ

Praxisnähe durch die Simulation beruflicher Anforderungen,

Æ

Handlungsorientierung durch die Integration beruflicher Anforderungen in einenvollständigen beruflichen Handlungsablauf und

Æ

Prozessorientierung durch den Einbezug von der Handlung vor- und nachgelagerterAbläufe.

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Neues Leitbild: Authentizität

Mit der Schaffung der vier informationstechnischen Berufe

7

(1997) wurde erstmals die„betriebliche Projektarbeit“ als Prüfungsform zugelassen. Hierbei handelt es sich um eine imAusbildungsbetrieb zu leistende reale Arbeitsaufgabe, die dem Prüfungsausschuss zur Geneh-migung vorgelegt und im Betrieb durchgeführt wird.

Damit rückte ein neues Leitbild in die Diskussion um die Gestaltung von Prüfungen – näm-lich das der „Authentizität“. Während Praxisnähe auf die Simulation beruflicher Anforderun-gen ausgerichtet und Handlungsorientierung dem Modell der vollständigen Handlung ver-pflichtet ist, werden beim Leitbild „Authentizität“ reale Arbeitsprozesse im realen Arbeitsum-feld zum Gegenstand einer Prüfung.

Authentische Prüfungen ermöglichen zwar ein umfassenderes Prüfen von Prozesskompeten-zen, sind aber nicht in jedem Betrieb und in jedem Beruf durchführbar. In den industriellenElektro- und Metallberufen ist daher ein sog. Variantenmodell vorgesehen, bei dem zwischeneinem betrieblichen Auftrag (Authentizität) und einer praktischen Aufgabe (Simulation)gewählt werden kann.

Doch wie schlagen sich diese neue Leitbilder in der Gestaltung von Prüfungsaufgabenund -methoden nieder? Denn „Handlungsorientierung ist nicht allein schon dadurchgegeben, wenn ‚Praxis‘ nur als Verkleidung für einfache Wissensaufgaben dient, eineArbeitssituation die Kulisse für die traditionelle Wissensabfrage bildet. Ebenso wird dieGanzheitlichkeit einer Aufgabe nicht schon dadurch hergestellt, dass voneinander iso-lierte Einzelaufgaben in den Rahmen einer übergreifenden Situationsschilderung gestelltwerden“

8

.

In den vergangenen Jahren sind daher eine Vielzahl von Prüfungsmethoden entwickeltworden. Im Wesentlichen zielen sie darauf, Kenntnisse und Fertigkeiten in Form berufs-praktischen Handelns zu erfassen. Insgesamt kennzeichnen sog. praxisnahe, handlungso-rientierte oder ganzheitliche Prüfungsverfahren die aktuelle Entwicklungsrichtung beiPrüfungsaufgaben. Einen Überblick über die Vielzahl an Begriffen, mit denen dieseganzheitlichen Prüfungsmethoden bezeichnet werden, gibt die folgende Tabelle.

9

7 Fachinformatiker/in; Informatikkaufmann/-frau; IT-System-Elektroniker/in; IT-System-Kaufmann/-frau

8 Lennartz, D.: Aktionsfeld Prüfungen: Zwischenbilanz und Zukunftsperspektiven, in: Berufsbildung inWissenschaft und Praxis, Heft 1/2004, S. 18.

9 In Anlehnung an ebenda, S. 17.

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Ob in schriftlicher, mündlicher oder praktischer Form – allen Varianten ist gemeinsam,„dass sie sich auf komplexe Sachverhalte beziehen, zu deren Bearbeitung theoretischesund praktisches Wissen aus unterschiedlichen Gebieten herangezogen werden muss. Inder Regel wird versucht, mit den Aufgaben vollständige berufliche Handlungen abzu-bilden. Damit soll zum einen eine größere Nähe zwischen Berufspraxis und Prüfungerreicht werden. Zum anderen erwartet man, auf diese Weise zu Prüfungsergebnissen zugelangen, die bessere Aussagen über die berufliche Handlungskompetenz zulassen“.

10

˜˜ BEISPIEL ˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜

Gesellenprüfung für das Maler- und Lackiererhandwerk

11

Als Grundlage der Entwicklung der Gesellenprüfung für das Maler- und Lackiererhand-werk im Pilotprojekt „Lernen orientiert an Kompetenzentwicklung (LoK)“ diente derEntwurf der neu geordneten Ausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk mit Standvom Februar 2003

12

. Im Mittelpunkt der Prüfung steht ein Kundenauftrag, der die Prü-fungsteile A (praktische Aufgabe) und B (schriftliche Aufgabe) miteinander verknüpft.

10 Ebbinghaus, M.; Schmidt, J. U.: Prüfungsmethoden und Aufgabenarten, Bielefeld 1999, S. 87.

11 Die Prüfungsunterlagen können unter www.farbe.de in der Rubrik Maler/Bildung-Job-Karierre herun-tergeladen werden.

Prüfungsmethoden/Synonyme

Fertigungsaufgabe als Kundenauftrag

Ganzheitliche Aufgabe

Komplexe Aufgabe

Projektorientierte praktische Aufgabe

Betriebliches Projekt

Fallbeispiel

Praxisbezogene Aufgaben und Fälle

Komplexe praxisbezogene Aufgabe

Ganzheitliche Aufgabe

Planungsaufgabe

Fachgespräch

Begleitendes Fachgespräch

Gastorientiertes Prüfungsgespräch

Kundenberatungsgespräch

Präsentation

Prüfungsform

Praktische Prüfung (simulierter Auftrag)

Betrieblicher Auftrag (realer Auftrag)

Schriftliche Prüfung (Situationsaufgabe)

Mündliche Prüfung

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Die Prüfungsunterlagen bestehen aus

1. Dem Kundenauftrag mit

– der Beschreibung des Auftrags,

– einer Leistungsbeschreibung,

– einer Objektbeschreibung,

– notwendigen Arbeitsunterlagen wie Merkblätter, Bauszeichnungen etc.

2. Dem Prüfungssatz für Teil A (praktische Aufgabe).

3. Den Prüfungssätzen für Teil B (schriftliche Aufgaben):

– Prüfungsbereich Gestaltung,

– Prüfungsbereich Instandhaltung und Bautenschutz,

– Wirtschafts- und Sozialkunde.

Modifizierter Kundenauftrag

13

13

Ein Maler- und Lackiererbetrieb erhält den Auftrag, nach umfangreichen Umbauarbeiten imComputerfachgeschäft Mausklick die äußeren und inneren Wandflächen, Deckenflächen undEinbauten farbig zu gestalten. Das Geschäft liegt ebenerdig in einem fünfgeschossigen Wohn-haus einer Einkaufsstraße und erstreckt sich über das ganze Erdgeschoss des Gebäudes. DieInnenräume und Teile der Fassade sind farbig neu zu gestalten.

Der Kundenauftrag umfasst:

Position 1: Fassadenflächen in Stand setzen

Position 2: Wandflächen gestalten

Position 3: Deckenflächen bekleiden und beschichten

Position 4: Innentüren lackieren

Position 5: Schaufenster und Türelemente in Stand setzen

Position 6: Schrift montieren

Position 7: Logo gestalten

Der Aufgabe liegt eine Objektbeschreibung, ein Grundriss und eine Leistungsbeschreibungdes Kundenauftrags bei (hier nicht beigefügt).

Eine Aufgabe besteht darin, den Arbeitsablauf zu planen: Informieren Sie sich über alle durch-zuführenden Arbeiten. Für die Planung, Durchführung und Dokumentation des Kundenauf-trags stehen Ihnen 20 Stunden zur Verfügung. Planen Sie Ihre Durchführung des Kundenauf-trags anhand des anhängenden Arbeitsablaufplans (hier nicht beigefügt.)

12 Das Pilotprojekt „Lernen orientiert an Kompetenzentwicklung (LoK)“ des Hauptverbandes Farbe Gestal-tung Bautenschutz und der EU-Geschäftsstelle der Bezirksregierung Köln begleitete von 2000 bis 2003 dasNeuordnungsverfahren zur beruflichen Erstausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk. Die in demProjekt entwickelten lernfelddidaktischen Unterrichtskonzepte, das Zusammenwirken mit der Überbe-trieblichen Unterweisung sowie die ganzheitlichen, handlungsorientierten Prüfungen wurden am Berufs-kolleg Hennef/Nordrhein-Westfalen erprobt (vgl. www.bk-hennef.de).

13 Angelehnt an den Kundenauftrag des Pilotprojekts LOK, vgl. www.farbe.de

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˜˜ BEISPIEL ˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜

Neue Prüfungsstruktur und -abläufe in den elektrotechnischen Ausbildungsberufen in Industrie und Handwerk

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Mit der Neuordnung der elektrotechnischen Ausbildungsberufe vom 1. August 2003wurden die Strukturmerkmale und die Abläufe in den Prüfungen verändert. Zum einenerfolgte eine Verzahnung von Zwischenprüfung, die als 1. Teil der Gesellenprüfung nunmit 40 % in die Gesamtbewertung der Prüfungsergebnisse einfließt, und Abschlussprü-fung, die mit 60 % bewertet wird (vgl. S. 14). Zum anderen wird die Prüfung selbst alsganzheitliche Prüfung anhand eines Kundenauftrags strukturiert. Die Trennung vonpraktischer und „theoretischer“ Prüfung ist damit aufgehoben und es wird kein Prü-fungsstück angefertigt bzw. keine Arbeitsprobe durchgeführt. Stattdessen ist die Prüfungnun an einem Kundenauftrag orientiert, das durch ein begleitendes Fachgespräch ergänztwird.

Teil 1 der Gesellenprüfung beinhaltet die Ausführung einer komplexen Arbeitsaufgabe,die situative Gesprächsphasen und schriftliche Aufgabenstellungen beinhaltet. Komplexbedeutet hier, dass die Aufgabe aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist. SituativeGesprächsphasen bedeuten, dass der/die Prüfungsteilnehmer/in aus der Situation herauszu seinen Ausführungen befragt wird. Die Dauer der Prüfung beträgt max. 10 Stundenmit einem Anteil von max. 10 Minuten für die situativen Gesprächsphasen.

Teil 2 der Gesellenprüfung besteht aus vier unterschiedlich gewichteten Prüfungsberei-chen:

Æ

dem Arbeitsauftrag,

Æ

einem Systementwurf,

Æ

einer Funktions- und Systemanalyse und

Æ

Wirtschafts- und Sozialkunde.

Im Prüfungsbereich „Arbeitsauftrag“ muss der/die Prüfungsteilnehmer/in eine Aufgabebearbeiten, die einem ganzheitlichen Kundenauftrag entspricht. Der handwerklich-praktische Teil der Gesellenprüfung ist hierin enthalten und wird dokumentiert. Wäh-rend der Bearbeitung des Kundenauftrags wird ein begleitendes Fachgespräch hierübergeführt. Die Gesamtdauer des Prüfungsbereichs „Arbeitsauftag“ beträgt je nach Berufzwischen 17 und 24 Stunden mit einem Anteil von 20 bis 30 Minuten für das begleitendeFachgespräch. Dieser Teil der Prüfung kann entweder als „betriebliche Projektarbeit“oder als simulierte „praktische Aufgabe“ durchgeführt werden.

Im Prüfungsbereich „Systementwurf“, die als schriftliche Prüfung konzipiert ist, sollder/die Prüfungsteilnehmer/in ein der jeweiligen Fachrichtung entsprechendes Systementwerfen, wobei eine technische Problemanalyse durchgeführt und Lösungsansätzeunter Berücksichtigung technischer, wirtschaftlicher und betrieblicher Aspekte entwi-ckelt werden muss.

14 www.sn.schule.de/download/eberufe_dresden_gestreckte_abschlussprüfung.pps.

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Im Prüfungsbereich „Funktions- und Systemanalyse“, die ebenfalls eine schriftliche Prü-fung darstellt, soll der/die Prüfungsteilnehmer/in eine Anlage analysieren und dabeiSchaltungs- und Anlagendokumentationen auswerten, Mess- und Prüfverfahren sowieDiagnosesysteme auswählen, Programme analysieren, Signale an Schnittstellen zuordnen

sowie Fehlerursachen bestimmen und elektrische Schutzmaßnahmen bewerten.

˜˜ BEISPIEL ˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜˜

Abschlussprüfung im Ausbildungsgang Bürokaufmann/Bürokauffrau

Die Prüfung für Bürokaufleute besteht aus einem schriftlichen und einem praktischenTeil. Die schriftliche Prüfung besteht hauptsächlich aus praxisbezogenen Aufgaben oderFällen, die sich auf eine Modellfirma beziehen. Zu jeder Aufgabe gibt es eine kurze Situ-ationsbeschreibung, an die sich verschiedene Teilaufgaben anschließen. Diese Teilaufga-ben beziehen sich meist auf verschiedene Arbeitsschritte, die bei der Durchführung derTätigkeit (bspw. einer Angebotserstellung) anfallen. Die Antworten zu den meisten Teil-aufgaben sind frei zu formulieren, gelegentlich müssen auch Formulare ausgefüllt, Dingeeinander zugeordnet oder eine Antwortauswahl angekreuzt werden (vgl. Kapitel 2.3.2,S. 25 ff.).

Die praktische Prüfung besteht aus zwei Teilen, dem Prüfungsfach Informationsverar-beitung und dem mündlichen Prüfungsfach Auftragsbearbeitung und Büroorganisation.Im Prüfungsfach Informationsverarbeitung werden drei praxisbezogene Aufgaben (eineAufgabe zur Textverarbeitung und zwei Aufgaben zur Tabellenkalkulation und Grafik-erstellung) am PC bearbeitet. Im Prüfungsfach Auftragsbearbeitung und Büroorganisa-tion stehen zwei Aufgaben zur Auswahl, die selbstständig vorbereitet werden müssen.Die Ergebnisse werden anschließend dem Prüfungsausschuss präsentiert. Manchmalkann eine Aufgabe auch als Rollenspiel gestaltet werden. Nach erfolgter Präsentationbzw. dem Rollenspiel wird der/die Prüfungsteilnehmer/in zu diesem Aufgabengebiet

befragt.

15

15 Prüfungsinfo zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung im Ausbildungsgang Bürokaufmann/Bürokauf-frau, hrsg. v. Handwerkskammer Osnabrück-Emsland, www.zwh.de/projekte/kopra/i_pruefe.pdf; Bun-desinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): KoPra. Komplexe Prüfungsaufgaben für Bürokaufleute. Ein Leitfadenzur Erstellung von Prüfungsaufgaben, Bielefeld 1999.

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Modifizierter Auszug aus einer Aufgabe für die praktische Prüfung Auftragsbearbeitung und Büroorganisation

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Situation

Sie sind Sachbearbeiter/in in der Einkaufsabteilung der Fahrradwerke Jan Fietze OHGCloppenburg, und sind verantwortlich für

– die Erstellung von Aufträgen,

– die Terminkontrolle der Lieferungen,

– die Wareneingangskontrolle und -prüfung,

– die Bearbeitung mangelhafter Lieferungen.

Von Herrn Rolfes aus der Waranannahme haben Sie soeben den Lieferschein mit der Num-mer 1015451 der Firma Fichtel & Sachs (siehe Anlage, hier nicht beigefügt. Sie enthält denVermerk der Warenannahme, wonach die Lackierung bei einem Teil der Lieferung ver-kratzt ist und abblättert) erhalten.

Aufgaben

1. Bearbeiten Sie den eingetroffenen Beleg der Firma Fichtel & Sachs AG und schildern Sieim anschließenden Prüfungsgespräch Ihr Vorgehen!

2. Bereiten Sie auf der beiliegenden Gesprächsnotiz (hier nicht beigefügt) Ihr Telefonge-spräch mit dem Verkaufssachbearbeiter der Firma Fichtel & Sachs AG, Herrn Weber, vor.Dieses Telefongespräch sollen Sie später als Rollenspiel mit einem Prüfer durchführen.

3. Nehmen Sie an, Herr Weber ginge in diesem Telefongespräch auf Ihre Forderungen ein.Beschreiben Sie im anschließenden Prüfungsgespräch Ihre weitere Vorgehensweise.

2.2 Die gestreckte Abschlussprüfung

16

Ein erster Schritt zur Anrechnung der Ergebnisse der Zwischenprüfung auf dieAbschlussprüfung ist das Modell der gestreckten Abschlussprüfung. Damit soll dieAbschlussprüfung von dem Nachweis der Grundqualifikation entlastet werden und zurPrüfung ganzheitlicher Berufsqualifikationen am Ende der Ausbildung weiterentwickeltwerden.

Die gestreckte Abschlussprüfung bildet keine Standardprüfungsform, sondern ist imRahmen zeitlich befristeter Erprobungsverordnungen für eine begrenzte Anzahl vonBerufen – vornehmlich im gewerblich-technischen Bereich – zugelassen. Das Modellder gestreckten Abschlussprüfung gilt daher bis zum 31. Juli 2007 u. a. für folgendeBerufe

17

:

16 Entnommen aus: Ebbinghaus, M.; Schmidt, J. U.: Prüfungsmethoden und Aufgabenarten, Bielefeld 1999,S. 91.

17 Reymers, M.; Stöhr, A.: Das Modell „Gestreckte Abschlussprüfung“ wird evaluiert, in: Berufsbildung inWissenschaft und Praxis, Heft 1/2004, S. 26.

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Im vorhandenen Modell der gestreckten Abschlussprüfung entfällt die Zwischenprüfungersatzlos. Die Abschlussprüfung wird auf zwei Zeitpunkte gestreckt. Die Prüfung vonTeil 1 findet in der Regel am Ende des zweiten Ausbildungsjahres statt und bezieht sichauf die Ausbildungsinhalte der ersten 18 Monate der Ausbildung sowie auf die Inhaltedes Berufsschulunterrichts im gleichen Zeitraum. Das Ergebnis dieser Prüfung fließt miteinem Gewicht von 20 bis 40 Prozent in das Gesamtprüfungsergebnis ein. Der zweiteTeil der Abschlussprüfung wird – wie bisher – am Ende der Ausbildungszeit durchge-führt. Die Prüfungsinhalte beziehen sich auf die während der gesamten Ausbildungszeitvermittelten Fertigkeiten und Kenntnisse. Das Ergebnis dieser Prüfung fließt mit einemGewicht von 60 bis 80 Prozent in das Gesamtprüfungsergebnis ein.

Beide Teile der gestreckten Abschlussprüfung sind damit keine eigenständigen Teilprü-fungen, sondern Teile einer Gesamtprüfung. Die gesamte Prüfung gilt als bestanden,wenn in beiden Prüfungsteilen insgesamt ausreichende Leistungen erbracht wurden.Mangelhafte und ungenügende Leistungen aus Teil 1 können durch die Ergebnisse deszweiten Prüfungsabschnitts ausgeglichen werden. Eine eigenständige Wiederholung vonTeil 1 ist daher nicht vorgesehen. Wiederholungsmöglichkeiten bestehen innerhalb bis-heriger Regelungen zur Wiederholung der Abschlussprüfung (§ 34 Abs. 2 BBiG/§ 31Abs. 1 HwO).

18

Metall

Æ

Anlagenmechaniker/in

Æ

Industriemechaniker/in

Æ

Konstruktionsmechani-ker/in

Æ

Werkzeugmechani-ker/in

Æ

Zerspanungsmechani-ker/in

Æ

Metallbauer/in

Æ

Feinwerkmechani-ker/in

Elektro

Æ

Elektroniker/in für Au-tomatisierungstechnik

Æ

Elektroniker/in für Be-triebstechnik

Æ

Elektroniker/in für Ge-bäude- und Infrastruk-tursysteme

Æ

Elektroniker/in für Ge-räte und Systeme

Æ

Elektroniker/in für luft-fahrttechnische Systeme

Æ

Systeminformatiker/in

Æ

Elektroniker/in für Ma-schinen und Antriebs-technik

Æ

Elektroniker/in

Fahrzeugtechnische Berufe

Æ

Karosserie- und Fahr-zeugbaumechaniker/in

Æ

Kraftfahrzeugmechatroni-ker/in

Æ

Mechaniker/in für Landmaschinentechnik

Æ

Zweiradmechaniker/in

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Die gestreckte Abschlussprüfung bringt vielfältige Veränderungen mit sich. Mit ihr wirddie Abschlussprüfung neu strukturiert und das im dualen System traditionell auf einepunktuelle Zertifizierung ausgerichtete Prüfungswesen zu einem Anrechnungssystemweiterentwickelt. Derzeit wird dieses Prüfungsmodell vom Bundesinstitut für Berufsbil-dung evaluiert.

2.3 Neue Prüfungsanforderungen und die Ausbildung benachteiligter Jugendlicher

In vielen Ausbildungsberufen, die in der außerbetrieblichen Berufsausbildung benachtei-ligter Jugendlicher eine große Rolle spielen, werden diese Veränderungen im Prüfungs-wesen erst in den kommenden Jahren für die Prüfung der Jugendlichen relevant werden.Oftmals ist in der Ausbildungspraxis noch gar nicht bekannt, wie die genauen Prüfungs-modalitäten aussehen werden.

Im Folgenden werden exemplarisch einige Berufsbereiche vorgestellt, in denen hand-lungsorientierte und praxisnahe Prüfungsmethoden zum Tragen kommen. In zweiBerufen – der Ausbildung zum/zur Fertigungsmechaniker/in und derjenigen zum/zurBürokaufmann/frau bestehen bereits Erfahrungen mit diesen neuen Prüfungsformen,die in den nachfolgenden Kapiteln vorgestellt werden. In der Ausbildung zum Malerund Lackierer bzw. zur Malerin und Lackiererin gibt es diese Erfahrung bisher nochnicht. Dieser Beitrag beinhaltet daher Überlegungen, wie die Auszubildenden vonAnfang der Ausbildung an auf Prüfungsaufgaben wie die Bearbeitung eines Kundenauf-trags vorbereitet werden können.

2.3.1 Prüfungsanforderungen im Beruf Fertigungsmechaniker/Fertigungsmechanikerin

Roland Maiwald

Ein neuer Industrieberuf

Im Juni 1997 wurde der 3-jährige Ausbildungsberuf des Fertigungsmechanikers/der Fer-tigungsmechanikerin staatlich anerkannt. Die vergleichsweise kurzen Abstimmungspro-zesse der beteiligten Institutionen von nur zwei Jahren, die der Verordnung vorausgin-gen, lassen darauf schließen, dass hier ein industrieller Beruf geschaffen wurde, der eingroßes Interesse der Wirtschaft nach einem/einer schnell ausgebildeten und flexibel ein-setzbaren Mechaniker/in abdeckt. Als Spezialist/in für industrielle Fertigungsprozessesollte er/sie in allen Stufen der Vor-, Zwischen- und Endmontage seine/ihre Fähigkei-ten des Prozessdenkens, der Sicherstellung des innerbetrieblichen Materialflusses undeines ausgeprägten Qualitätsbewusstseins einbringen. Neu ist auch, dass dieser Fachmannund diese Fachfrau über Präsentationstechniken und eine entsprechende Methoden-

18 Vgl. Berufsbildungsbericht 2002 und Berufsbildungsbericht 2003

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Innovationen im Prüfungswesen

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kompetenz verfügen soll, um bestimmte fertigungsprozessbezogene Sachverhalte iminnerbetrieblichen Kommunikationsprozess eindeutig und verständlich darzustellen.

Sowohl das Berufsbild als auch die Prüfungsordnung lassen eine hohe betriebsspezifische,an den Gegebenheiten und Möglichkeiten des jeweiligen Betriebes angepasste Ausrich-tung der Ausbildung zu. Entsprechend kann eine Teilaufgabe der praktischen Abschluss-prüfung vom Betrieb selbst vorgeschlagen und vom Prüfungsausschuss zugelassen undübernommen werden. Insofern öffnet sich der Beruf sektoralen Besonderheiten, waseine überbetriebliche Vergleichbarkeit der Abschlussprüfungen aber auch relativiert.

Prozessorientierung und Produktorientierung

Fertigungsmechaniker/innen werden hauptsächlich in Betrieben mit automatisierterFließfertigung eingesetzt. Sie sollen über Fähigkeiten wie Prozessdenken, Sicherstellungdes innerbetrieblichen Materialflusses und ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein verfü-gen. Sowohl das Berufsbild als auch die Prüfungsordnung lassen eine hohe betriebsbezo-gene – also den Möglichkeiten und Gegebenheiten des jeweiligen Betriebes angepasste– Ausrichtung der Ausbildung zu. Hinsichtlich der Einsatzbereiche der zukünftigen Fer-tigungsmechaniker/innen in Betrieben ergibt sich jedoch kein einheitliches Bild. Je nachvorhandener Fertigungsorganisation wird die Qualifikation der Auszubildenden entwi-ckelt. Betriebe mit vollautomatisierter Fließfertigung betonen die Prozessheftigkeit undentsprechend stehen Prozessabläufe sowie Überwachung und Sicherung des Material-flusses im Vordergrund. Diese Betriebe haben das Berufsbild maßgeblich geprägt. Dem-gegenüber betonen Betriebe mit einer eher handwerklich orientierten Fertigung – bei-spielsweise in Form von Fertigungsinseln mit zugeordneten Arbeitsgruppen – die Pro-duktbezogenheit und Funktionsbezogenheit und entsprechen eher ganzheitlichen Aus-bildungsprinzipien einer handwerklichen Ausbildung.

Die Einengung auf betriebsspezifische Qualifikationen schränkt zwangsläufig die Mobi-lität der zukünftigen Facharbeiter/innen ein und kann nicht das Ziel einer außerbetrieb-lichen Ausbildungseinrichtung sein, die auf eine breite Vermittelbarkeit ihrer Absol-vent/innen achten muss. Auszubildende müssen darauf vorbereitet werden, sich in kur-zer Zeit in unterschiedlichen Fertigungsabläufen zurecht zu finden. Über das Ausbil-dungskonzept muss eine Möglichkeit eröffnet werden, sich auf Stellen auch inartverwandten Berufen zu bewerben, wenn die Arbeitsmarktlage schwierig ist. Dieswerden in vielen Fällen eher handwerklich ausgerichtete Betriebe sein oder – in einigenFällen – auch der Weg in die Selbstständigkeit.

Von diesen Überlegungen ausgehend ist es sinnvoll, die Ausbildung zum/zur Ferti-gungsmechaniker/in als dreistufiges Modell zu konzipieren, welches im ersten Jahr einelehrgangs- und produktorientierte Grundausbildung, im zweiten Ausbildungsjahr dieHerstellung von Produkten und im dritten Jahr die prozessorientierte Serienfertigungvorsieht.

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3-Säulen-Konzept der Ausbildung

Die Ausbildung beim Ausbildungsverbund Metall gGmbH in Rüsselsheim wurde im2. und 3. Ausbildungsjahr durch mehrmonatige Praktika in regionalen Automobilzulie-ferbetrieben ergänzt. Das geforderte Qualitätsbewusstsein der Jugendlichen konnte inder Ausbildungswerkstatt durch die kontinuierliche Annahme von Kundenaufträgenund den unmittelbaren Kontakt zu den Auftraggebern wesentlich unterstützt werden.Der Kundenkontakt trägt zudem zur Motivation bei und schafft eine höhere Verbind-lichkeit hinsichtlich der Einhaltung der Fertigungstermine und der Qualitätsansprüche.

Lernfelder statt Unterrichtsfächer

In den metalltechnischen Berufen wurden die Jugendlichen in der Berufsschule bislangin den berufsbezogenen Fächern Fachkunde, Technische Mathematik und TechnischeKommunikation unterrichtet. Die Fachabteilungen der Schulen haben hierfür Lehr-gänge entwickelt wie beispielsweise „Fertigungstechnik“ oder „Werkstofftechnik“, dienacheinander abgearbeitet wurden. Hinzu kamen allgemein bildende Fächer wie Wirt-schafts- und Sozialkunde sowie Deutsch. Die Fächer Technische Mathematik undTechnische Kommunikation folgten einem fachwissenschaftlichen Prinzip, das vomEinfachen zum Schwierigen führte und alle Themen des Rahmenlehrplanes bis zumEnde der Ausbildungszeit abdeckte. Das letzte Vierteljahr vor der Abschlussprüfungdiente der Wiederholung und Prüfungsvorbereitung.

Im neuen Beruf Fertigungsmechaniker/Fertigungsmechanikerin sind die berufsbezoge-nen Fächer durch Lerngebiete, die im 1. Ausbildungsjahr vermittelt werden und Lern-felder, die im 2. und 3. Ausbildungsjahr durchgenommen werden, ersetzt worden.

1. Ausbildungsjahr

– Umformen– Trennen– Fügen– Spanenusw.

2. Ausbildungsjahr

ProduktorientierteAuftragsarbeiten

3. Ausbildungsjahr

ProzessorientierteSerienfertigung

ProzessorientierungProduktorientierungGrundausbildungMetall

Ausbildung zum Fertigungsmechaniker/zur Fertigungsmechanikerin

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Lerngebiete des 1. Ausbildungsjahres:

1. Grundlagen der Fertigungs- und Prüftechnik

2. Grundlagen der Werkstofftechnik

3. Grundlagen der Maschinen- und Gerätetechnik

4. Grundlagen der Steuerung- und Informationstechnik

5. Grundlagen der Elektrotechnik

6. Grundlagen der Technischen Kommunikation

Lernfelder des 2. und 3. Ausbildungsjahres:

1. Vorbereitung der Montage von Bauteilen und Baugruppen

2. Fertigungsprozesse mitgestalten

3. Materialfluss sichern und optimieren

4. In verschiedenen Arbeitsorganisationsformen mitarbeiten und prozessoptimierendmitwirken

5. Fertigungsbezogene Werkzeuge des Qualitätsmanagements anwenden

6. Pläne zur Instandhaltung deuten und Instandhaltungsmaßnahmen durchführen bzw.veranlassen

7. Montagearbeiten durchführen

8. Prozessabläufe sichern und optimieren

9. Nach grundlegenden Normen des Qualitätsmanagements handeln

10. Automatisierte Anlagen bedienen, ihre Betriebsbereitschaft sicherstellen und bei derProzessoptimierung mitwirken

Die Formulierung von Lerngebieten und Lernfeldern folgt einem betrieblichen Arbeits-zusammenhang, der von Situationen ausgeht, die in betrieblichen Arbeitsprozessen be-deutsam sind. Dies sind handlungsorientierte und handlungslogische Arbeitsvorgänge,wie sie in Industriebetrieben vorzufinden sind. Die didaktischen Bezugspunkte sind da-bei Situationen, die für die Berufsausübung wichtig sind. Jedoch können diese Handlun-gen in der Schule zumeist nicht selbst ausgeführt werden, sondern müssen gedanklichnachvollzogen werden, was gerade für lernungeübte Jugendliche in der Benachteiligten-förderung schwierig ist. Durchführungsträger der außerbetrieblichen Ausbildung habenhier gute Möglichkeiten, in enger Kooperation mit den Berufsschullehrern bestimmte,auf Anschauung und Durchführung angewiesene Lernfelder in den Einrichtungen zuvermitteln. Der Behaltensfaktor für die Auszubildenden erhöht sich, wenn das Lernfeldmit konkreten Tätigkeiten im Arbeitsprozess unterlegt wird. Der AusbildungsverbundMetall gGmbH in Rüsselsheim hat beispielsweise mit der Berufsschule einen Stoffvertei-lungsplan erstellt, der die Vermittlung bestimmter Lernfelder in der Trägereinrichtungvorsieht. Dies ist besonders dann von Vorteil, wenn eine komplette Berufsschulklasse mitAuszubildenden des Trägers besetzt ist und der/die Lehrer/in die Durchführung teilwei-se begleiten kann. Die Organisation der Leistungserfassung und Notenumsetzung mussdabei mit den Lehrer(inne)n abgesprochen werden.

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Dokumentation und Präsentation

Während der Ausbildung im Ausbildungsverbund Metall gGmbH in Rüsselsheim ana-lysieren die Auszubildenden anhand von Skizzen zunächst einmal ein Produkt, um denkomplexen Prozess der Herstellung eines Produktes in all seinen Gliederungen durch-schauen zu können. Hierfür bietet sich die Methode des Mindmappings an. Alle Haupt-und Nebenbedingungen sowie Bedürfnisse des Kunden und produktionstechnischeZwänge können so anschaulich gemacht werden. Weiterhin wurden Skizzen angefer-tigt, teilweise auch Modelle gebaut sowie Prototypen erstellt und daran die Optimierunghinsichtlich Funktionalität, Ergonomie und Design vorgenommen. Dabei mussten tech-nische Zeichnungen angefertigt, das Produkt dokumentiert und die Vertriebsanbahnungdurchdacht werden.

Zeitdauer in Arbeitswerteinheiten Tätigkeit/Arbeitsschritt

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Profilrohre zuschneiden

Profilrohre für Sitz auf Gehrung sägen

Sitzrahmen schweißen

Sitzrahmen verschleifen

Lochblech für Sitz anreißen

Lochblech für Sitz zuschneiden

Lochblech auf Rahmen punktschweißen

Stuhlbeine hinten parallel ausrichten

Stuhlbeine hinten mit Sitz verschweißen

Verstrebungen an Füßen hinten heften

Rückenlehnen ausrichten und heften

Stuhlbein vorne ausrichten und heften

Verstrebungen auf Gehrung anreißen und sägen

Verstrebungen ausrichten und heften

Alle Verbindungen sauber schweißen

Rohrenden an der Rückenlehne verschließen

Alle Schweißnähte verschleifen

Alle Kanten entgraten und schmirgeln

Rohrstopfen an Stuhlbeinen einsetzen

Qualitätskontrolle und Kundenabnahme

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Zwischenprüfung

Praktischer Teil(7 Stunden)

Herstellen einer Baugruppe einschließlichPlanung, Vorbereitung und Kontrolle

Schriftlicher Teil(3 Stunden)

– Technische Kommunikation– Fertigungs- und Montagetechnik

Die Einübung dieser Präsentationstechniken erfolgte im Unterricht der Werkschule derAusbildungseinrichtung. Von Ausbildungsbeginn an wurden die Jugendlichen imUmgang mit Personalcomputern weitergebildet und mit Standardsoftware vertrautgemacht. Hierzu gehörte die Einübung von Textverarbeitungsprogrammen, Tabellen-kalkulation, Präsentationsprogrammen, Bildbearbeitungspro-grammen und einfachen Zeichenprogrammen. In Gruppen-arbeit zu erstellende Wandzeitungen zu ausbildungsfachlichenThemen und die kontinuierliche Darstellung des eigenenLeistungsprofils sowohl in den berufsschulischen Fächern alsauch bei Prüfungssimulationen waren geeignete Anlässe, sol-che Präsentationstechniken einzusetzen.

Die Herstellung verkaufsfähiger Produkte erforderte darüberhinaus auch die Gestaltung von Prospekten, Faltblättern undProduktbeschreibungen, an denen diese Fähigkeiten trainiertwurden.

Zwischen- und Abschlussprüfung

Diese konsequente Produktionsplanung erwies sich zugleichals zielgerichtete Vorbereitung auf die Zwischen- undAbschlussprüfung.

Im Gegensatz zu den neu geordneten Metall- und Elektroberufen ist das Ergebnis derZwischenprüfung im Fertigungsmechanikerberuf ohne Einfluss auf die Abschlussprü-fung. Eine gestreckte Prüfung unter Einbeziehung der Zwischenprüfung ist bislang nichtvorgesehen.

Die in der Mitte des zweiten Ausbildungsjahres stattfindende Zwischenprüfung beinhal-tet im praktischen Teil eine in 7 Stunden anzufertigende mechanische Baugruppe, derenArbeitsablauf geplant und vorbereitet werden muss. Im schriftlichen Teil sind insgesamt3 Stunden in den Bereichen „Technische Kommunikation“ und „Fertigungs- undMontagetechnik“ vorgesehen, in denen die Auszubildenden standardisierte Mehrfach-wahlantwort-Aufgaben lösen sollen. In beiden schriftlichen Prüfungen sind Aufgabender „Technischen Mathematik“ integriert.

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In der Abschlussprüfung zum/zur Fertigungsmechaniker/in ist es gelungen, die gefor-derte Handlungsorientierung als Ausbildungsprinzip auch in der Prüfung widerzuspie-geln. In der Praxis stellen die Prüfungsinhalte in der Regel die „heimlichen Lehrpläne“dar und setzen noch so gut formulierte Lernziele der Verordnungen außer Kraft. DieOrientierung an Prüfungsanforderungen führte in der Vergangenheit oft zu einem rei-nen „Skill-Training“, bei dem ausschließlich Prüfungsfertigkeiten und Prüfungswisseneingeübt wurde. Umso erfreulicher ist es, wenn jetzt in der schriftlichen Abschlussprü-fung die Hälfte der Fragestellungen in den Bereichen „Technische Kommunikation“und „Fertigungs- und Montagetechnik“ auf ein konkretes Projekt bezogen werden undein Zusammenhangswissen abfragen.

Fertigungs- und Montagetechnik(120 Min.)

SchriftlicheAbschlussprüfung

Technische Kommunikation(105 Min.)

Wirtschaft- und Sozialkunde(145 Min.)

Teil 1:ProjektbezogeneFragestellungen

Teil 2:NichtprojektbezogeneFragestellungen

Teil 1:NichtprojektbezogeneFragestellungen

Teil 2:ProjektbezogeneFragestellungen

6 ungebundene Aufgaben(2 zur Abwahl)

30 gebundene Aufgaben(5 zur Abwahl)

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Die praktische Abschlussprüfung des/der Fertigungsmechaniker/in unterscheidet sichwesentlich von vorherigen Prüfungen. Ein Teilbereich der Prüfung mit einer Gewich-tung von 60 Prozent muss vollständig gedanklich nachvollzogen und schriftlich bearbei-tet werden. Dabei wird von den Auszubildenden erwartet, dass sie eine komplexe Bau-gruppe, eine Apparatur oder ein Gerät an einem oder mehreren Montagearbeitsplätzenzusammensetzen können, indem sie die Produktionsplanung dokumentieren (bspw. inForm von logischen Arbeitsschritten), die Qualitätssicherung vornehmen (bspw. inForm von Prüfplänen) und die Arbeitsorganisation sowie die Arbeitsplatzgestaltungstrukturieren und optimieren (bspw. unter ergonomischen und sicherheitsrelevantenGesichtspunkten). Hierbei sind Berechnungen anzustellen, um die richtige Auswahl derTransportbehälter für die Einzelteile und die genaue zeitliche Taktung der Montage-schritte vornehmen zu können.

Die Aufgabe 2 der praktischen Abschlussprüfung erfolgt unmittelbar am betrieblichenArbeitsplatz, am Fließband oder im bandnahen Bereich der Produktion. Die gefertigtenTeile werden „just in time“ unter den Augen des Prüfungsausschusses in den weiterenProduktionsprozess eingegliedert. Während der Montagearbeit stellen die Mitglieder desPrüfungsausschusses in einem angemessenen Umfang Fragen an die zukünftigen Ferti-gungsmechaniker/innen, um deren Verständnis für die Fertigungsaufgabe und die Ferti-gungsumgebung zu überprüfen. Gleichzeitig liegen dem Ausschuss bebilderte Doku-mentationen des Montagearbeitsplatzes, der einzelnen Fertigungsschritte und derGesamtaufgabe vor, anhand derer er die Arbeit der Jugendlichen bewerten kann.

PraktischeAbschlussprüfung

Aufgabe 1(240 Min.)

Lösen von Problemstellungen zur:

– Produktionsplanung

– Arbeitsorganisation

– Arbeitsplatzgestaltung

Aufgabe 2(120 Min.)

Montieren einer funktionsfähigen

Baugruppe unter Berücksichtigung

von Anforderungen an:

– Qualität

– Arbeitsschutz

– Umweltschutz

– Feststellen von Qualitätsabwei-

chungen und Einleiten von

Maßnahmen zu deren Beseitigung

– Dokumentieren

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In Absprache mit den Praktikumsbetrieben wird der Prüfungsausschuss im Betrieb selbstdie Prüfung abnehmen. Dies erfordert seitens des Ausbildungsträgers eine gewisse Koor-dination der Termine zwischen Betrieb und Ausschuss. Sollte sich die Möglichkeit einerrealitätsnahen Prüfungsdurchführung im Betrieb nicht ergeben, so kann der außerbe-triebliche Ausbildungsträger diesen Prüfungsteil auch in seiner Einrichtung durchführen.Eine entsprechende Arbeitsumgebung, wie sie an einem ergonomisch gestalteten Mon-tagearbeitsplatz beispielsweise gegeben ist und ein entsprechender Arbeitsauftrag würdenin Absprache und nach Zustimmung durch den Prüfungsausschuss eine Prüfungsdurch-führung auch in der Ausbildungseinrichtung ermöglichen. Die betriebsspezifische Aus-richtung des Fertigungsmechanikerberufes lässt diese Möglichkeit durchaus zu.

Personale Kompetenz und Fachkompetenz

Die Prüfungsanforderungen in dem Beruf Fertigungsmechaniker/in machen deutlich,dass Fachkompetenz allein nicht ausreicht, um ein gutes Prüfungsergebnis zu erzielen.Sie muss um personale Kompetenz ergänzt werden, die den Jugendlichen erst eine klareSelbstdarstellung und eine offene Haltung in der Prüfungssituation, aber auch schon frü-her – vor Kunden und vor Teamkollegen – ermöglicht. Dies ist von Anbeginn der Aus-bildung zu berücksichtigen und mit verschiedenen Methoden umzusetzen.

In der Ausbildungspraxis bedeutet dies für die Auszubildenden konkret:

Æ Visualisierung aller Arbeitsprozesse

Æ Erstellen von Wandzeitungen

Æ Erstellen von Ablaufplänen

Æ Halten von Referaten unter Zuhilfenahme elektronischer Präsentationsmedien unddigitaler Fotografie

Æ Mindmapping

Æ Prüfungssimulationen unter realen Bedingungen

Æ Visualisierung des persönlichen Leistungsprofils

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Æ Psychisch-mentale Prüfungsvorbereitung

Æ Anwendung von Entspannungstechniken usw.

Hier wird deutlich, dass die metalltechnische Berufsausbildung alten Stils mit lehrgangs-mäßiger Fertigkeits- und Kenntnisvermittlung, Vormachen und Üben, nicht mehr zeit-gemäß ist. Junge Fertigungsmechaniker/innen müssen kommunizieren und kooperie-ren, um sich auf schnell verändernde Produktionsprozesse einstellen zu können und da-rüber hinaus diese Veränderungsprozesse selbst zu steuern.

Die Frage, inwieweit die oben beschriebenen Prüfungsanforderungen bei der Ausbil-dung benachteiligter Jugendlicher diesen entgegenkommen oder sie noch weiter vonqualifizierter Ausbildung ausschließen, muss in einem engen Zusammenhang mit denkonkreten Ausbildungsrahmenbedingungen der jeweiligen Ausbildungseinrichtunggesehen werden. Eine enge Kooperation mit der ausbildungsbeteiligten Berufsschuleund die Bereitstellung geeigneter und motivationsfördernder betrieblicher Praktikums-plätze verbessern die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung.Grundsätzlich kommt die Planung einer Fertigungsaufgabe innerhalb der Prüfung denJugendlichen entgegen, wenn dies auch in den vorangegangenen Jahren der Ausbildungihnen abverlangt wurde. Die häufig gestellte Sinnfrage „Wozu brauche ich das denn?“wird jetzt nicht mehr gestellt. Abstraktes Prüfungswissen tritt bei dieser Aufgabenstellungin den Hintergrund. Gerechnet wird nur so viel, wie es zur Lösung des Problems bei-trägt. Das Fachgespräch während der Montage ist angenehmer als eine schriftliche Dar-legung des Arbeitsprozesses. Die Dokumentation und Präsentation einer Montageauf-gabe mit dem PC bereitet den Jugendlichen, die heute vielfach mit guten Computer-kenntnissen die Ausbildung beginnen, weit weniger Probleme als manchen ihrer Lehrerund Ausbilder. Die bei der Ausbildungsverbund Metall gGmbH in Rüsselsheimgemachten Erfahrungen mit der Fertigungsmechanikerausbildung sollten auch anderenEinrichtungen Mut machen. Seit 1997 haben etwa 40 Jugendliche die Prüfung abgelegt;davon waren über 90 Prozent erfolgreich.

2.3.2 Prüfungsanforderung im Berufsbild Bürokaufleute

Karl-Hermann Stawinsky

Bei dem Beruf des/der Bürokaufmanns/frau handelt es sich um einen so genanntenQuerschnittsberuf, da er nicht an ein bestimmtes Tätigkeitsfeld eines Unternehmensangebunden ist. Es gibt daher kaum eine Branche, in der nicht auch Bürokaufleute tätigsein können.

Von den Basisausbildungsberufen war dieses Berufsbild eines der ersten, die 1991 neugeordnet worden sind.

Anforderungen von Betrieben

Die Veränderung der Berufsbilder entsprach den veränderten Ansprüchen der Unter-nehmen an die Mitarbeiter/innen. Der tief greifende Strukturwandel in der Wirtschaftsoll hier mittels einiger Schlagworte dargestellt werden:

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Literaturhinweise

Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Heft 1/2004: Neue Prüfungsformen und

Bewertungsverfahren 2004. Ebbinghaus, Margit; Schmidt, Jens U.: Prüfungsmethoden und Aufgabenarten, hrsg. vom

Bundesinstitut für Berufsbildung, Bertelsmann-Verlag, Bielefeld 1999. Handlungsorientierte Prüfungsaufgaben für die Zwischen- und Abschlussprüfung; Pilotprojekt

"Lernen orientiert an Kompetenzentwicklung", www.farbe.de Hensgen, Anne; Korswied, R.; u.a.: Kaufleute handlungsorientiert ausbilden und prüfen,

hrsg. vom Bundesinstitut für Berufsbildung, Bertelsmann-Verlag, Bielefeld 2000. Korioth, Tamara; Schmidt, Jens U.: Aktualisierte Prüfungen für die Hotel- und

Gastgewerbeberufe. Mit einem Leitfaden zum gastorientierten Prüfungsgespräch, Bertelsmann-Verlag, Bielefeld 1999.

Schnadt, Pia; Maiwald, Roland; Erbe, Gudrun; Stawinsky, Karl-Hermann: Neue

Prüfungsanforderungen. Prüfungen und Prüfungsvorbereitung mit benachteiligten Auszubildenden, hiba-Weiterbildung, Band 10/77, hrsg. von hiba gmbh, Darmstadt 2004.

Von Bothmer, Hendrik: Berufliche Kompetenzen, Einführung in Begriffe und Verfahren,

hiba-Weiterbildung, Band 20/17, hrsg. von hiba gmbh, Darmstadt 2004.


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