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Die „Konzeptverantwortungsvereinbarung“von VW im Konflikt mit Angemessenheitund Transparenz

Lenz hat sich in seinem Beitrag „DieKonzeptverantwortungsvereinba-rung“1 (KVV) der Volkswagen AG(VW) mit den AGB-rechtlichen Fra-gen dieser in der Automobilzu lie fer -in dustrie und der Versicherungs-wirtschaft sehr umstrittenen Verein -barung auseinandergesetzt. Er istsehr vorsichtig, kommt aber am Ende – wenn auch mit spürbarenVorbehalten – zu dem Ergebnis, dieKVV sei vorbehaltlich künftiger Erfahrungswerte insbesondere AGB-rechtlich nicht zu beanstanden.Lenz betrachtet die KVV zwischenVW und den Zulieferern als eine fürsich selbstständige Vereinbarung. Ergreift damit zu kurz. Man kann dieKVV nur verstehen, beurteilen undin ihren Auswirkungen bewerten,wenn man den Bezug zur verzahn-ten gegenseitigen Abhängigkeitzwischen OEM (Original EquipmentManufacturer = Fahrzeughersteller)und Zulieferern im Rahmen der gesamten Zulieferkette (supplychain) herstellt und den Stellenwertder KVV im gesamten Vertrags -gefüge zwischen VW und den Zulieferern wertet.

Es geht in diesem Beitrag nicht inerster Linie um eine feingliedrigeAGB-dogmatische Widerlegung derAnsichten von Lenz, sondern um eine umfassendere Darstellung desZusammenhangs der Vertragsbe-standteile, die im Ergebnis anhandeiniger markanter Beispiele aus derPraxis die Feststellung erlaubt, dassdie KVV mit den Wertungen vor allem über die Angemessenheit unddie Transparenz kollidiert.

1 Entwicklungskompetenz derZulieferer

Die Idee für die „Rahmenvereinba-rung zur Konzeptverantwortung“der Volkswagen AG ist nicht über -raschend. Sie folgt konsequent ausder Tatsache, dass keine (OEM ohnedie Entwick lungsleistungen derZulieferindus trie auskommt. DieFertigungstiefe bei den OEM hat in

den letzten Jahren abgenommenund wird weiter gezielt abnehmen.Schon heute beträgt der Wertschöp -fungsanteil der Zulieferer an einemFahrzeug im Schnitt mehr als 70 %.2

Selbst wenn einige OEM, wie etwaDaimler oder BMW, Kernkompeten-zen etwa im Motorenbau oder fürdie Elektronik-Architektur in die eigene Entwicklung und Fertigungzurückholen – nicht nur um über-schüssige Kapazitäten auszulasten –,ändert sich an der gewollt zuneh-menden technologischen Abhängig -keit zwischen OEM und Zulieferernnichts.

Kein OEM ist mehr in der Lage, dieGesamtheit des technologischen Innovationsbedarfs aus eigenerKompetenz abzudecken. Das machtinsbesondere die derzeitige Debatteum Zukunftstechnologien für Hy-bridfahrzeuge, benzinsparende undCO2-arme Autos (z. B. Euro 5 undEuro 6 im Rahmen der Programma-tik der Europäischen Kommissionfür CARS 213), Elektro-Fahrzeugeetc. nur zu deutlich. Kein OEM ver-fügt über diese Zukunftstechnolo-gien und keiner kann sie aus eige-ner Kompetenz und aus eigenenRessourcen bereitstellen. Die Spe -zialtechnologie kann in Summe nurvon den Zulieferern kommen. DemOEM verbleibt in Zukunft die Rolle,die Leistungen der Zulieferer beider Herstellung des Autos mit geringer eigener Fertigungstiefe zuorchestrieren, das der OEM alleinenicht mehr bauen kann. Die derzei-tige Notlage der Automobilindustriewird das beschleunigen.4 Die Ent-wicklungskompetenz der Zukunftbleibt bei den Zulieferern.

Die KVV reflektiert also nur einengegebenen Sachverhalt der Abhän-gigkeit der OEM von ihren Zuliefe-rern in der Automobilindustrie.Wenn sie dennoch für erheblicheUnruhe gesorgt hat, liegt das ins -besondere daran, dass sie bedin-gungslos Voraussetzung für eine

Dr. Ekkehard Helmig, Wiesbaden

Der Autor ist Rechtsanwalt undNotar mit dem besonderen Schwerpunkt im Recht der

[email protected]

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1 Entwicklungskompetenzder Zulieferer

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2 Allgemeine Einkaufs-bedingungen von VW

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3 Das Qualitätshaus von VW

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4 Vertragsgehalt der ISO/TS16949:2002

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5 Die KVV sichert gegen dieHerstellerrisiken der OEM

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6 Das Risiko desSetzlieferanten

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7 Mangelfeststellung aus derRetrospektive

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8 Trouble not found vs. notrouble found

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9 CarryOverParts erhöhendas Schadensvolumen

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10 Die KVV füllt einegesetzlich nicht vor-gesehene Regresslücke

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11 UnangemesseneBeweislastverteilung

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12 Zusammenfassung

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Auftragserteilung von VW über-haupt ist und ihr rechtlicher Gehaltbisher nicht aufgearbeitet ist.

Die KVV ist Bestandteil eines sehrkomplexen Vertragswerks, das VWden Zulieferern vorschreibt. Dermaterielle Gehalt des Vertragswerksist – jedenfalls für die meisten Zulie-ferer, Ausnahmen mag es vor allemfür die ganz Großen geben – nichtverhandelbar. Auch das ist nach-vollziehbar, weil ein global aufge-stellter OEM mit einigen TausendZulieferern nicht mit jedem von ihnen umfassende Vertragsverhand-lungen führen kann und nur dieEinheitlichkeit ein Vertragsmana -gement beherrschbar macht. Aller-dings gewinnt dabei der AGB-recht-liche Prüfungskanon eine wesent-lich höhere Bedeutung.

Grundlage der Belieferung von VWist der „Nomination Letter“, der als„Rahmenvereinbarung“ die „Beauf-tragung mit der Entwicklung desBauteils gemäß dem entsprechen-den Bauteilelastenheft sowie denmitgeltenden Unterlagen und dieBeauftragung der Fertigung undBelieferung abdeckt“. Die Laufzeitdes Nomination Letters umfasst dieEntbindung des Bauteils bis zumSerienauslauf sowie die Zeit der Ersatzteilversorgung danach (meist15 Jahre).5 Dementsprechend bestimmt Ziffer 4.1 der KVV: „Die jeBauteil abzuschließenden KV-Quo-ten-Vereinbarungen gelten über dieLaufzeit der jeweiligen Bauteile.“

2 Allgemeine Einkaufsbedin gun gen von VW

VW verwendet wie alle deutschenFahrzeughersteller die „Einkaufs -bedingungen für Produktionsma -terial“, mit denen die unverbind-lichen Empfehlungen des Verbandsder Automobilindustrie e. V. (VDA)vom 5. Dezember 2002 übernom-men werden. Diese unverbindlichenEmpfehlungen werden schon durchihren einleitenden Satz inhaltlichbegrenzt: „Die Rechtsbeziehungenzwischen Lieferant und Bestellerrichten sich nach diesen Bestim-mungen und etwaigen sonstigenVereinbarungen“. (Hervorhebungdurch den Verfasser). Von dem Vorbehalt der „sonstigen Verein -barungen“ haben alle Fahrzeugher-steller mit dem Ergebnis umfassend

Gebrauch gemacht, dass der Rege-lungsgehalt der VDA-Empfehlun-gen bedeutungslos ist.

Ergänzt werden die Einkaufsbedin-gungen von VW durch ein „Lasten-heft für den Einkauf von Produk-tionsmaterial der Volkswagen AG“,festgelegte „mitgeltende Unterla-gen“ sowie durch bauteilbezogeneAnfrageunterlagen, „die vom Auf-tragnehmer im Rahmen der Ange-botserstellung zwingend zu berück -sichtigen sind“. In den Phasen deskomplexen Produktentstehungspro-zesses von Kaufteilen „bedarf es besonders zu beachtender Mitwir-kungspflichten des Auftragneh-mers“, die im Lastenheft angespro-chen werden.

Das „Lastenheft für den Einkauf von Produktionsmaterial der Volks -wagen AG“ als Ergänzung der Ein-kaufsbedingungen bezieht die KVVunter Ziffer 3.2.2 ausdrücklich einund erhebt damit die KVV unmittel-bar zum Bestandteil der Allgemei-nen Einkaufsbedingungen:

„In der Konzeptverantwortungsver-einbarung soll die Verantwortung desLieferanten für konzept- bzw. ent -wick lungsbedingte Mängel bezogenauf die jeweiligen Bauteile prozentualfestgelegt werden. Die so vereinbarteKV-Quote findet dann im Rahmendes Regresses von mangelhaften Lie-ferungen über den sog. TechnischenFaktor Berück sichtigung. Die KVVwird zwischen der Volkswagen AGund dem Lieferanten durch gesonder-te Vereinbarung je Bauteil vereinbart.“

Das „Lastenheft für den Einkauf vonProduktionsmaterial der Volkswa-gen AG“ erweitert die unter XI derAllgemeinen Einkaufsbedingungennach den VDA-Empfehlungen bestimmte begrenzte Haftung („so-weit nicht an anderer Stelle dieserBedingungen eine andere Haf-tungsregelung getroffen ist, …“)ohne beschränkende Rückverwei-sung durch eine generelle Rege-lung der Schadensersatzpflicht:„Soweit der Auftragnehmer seinevertraglichen Pflichten, insbesondereden im vorliegenden Lastenheft definierten Pflichten und Aufgabennicht oder nicht in ausreichendemMaß nachkommt, steht der Volks-wagen AG das Recht auf Schadens-ersatz zu. Dies umfasst insbesondere

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1 PHi 2008, 164 f.2 Der Wertschöpfungsanteil der Zulieferer

liegt heute bei über 70 % und wird bis2015 auf mindestens 77 % steigen, so derVDA in der Schrift „Automotive VDA-Stan-dardstruktur, Komponentenlastenheft,VDA/QMC-Projektdokumentation“,1. Aufl. November 2007. In ähnlicherGrößenordnung liegt der absolute Ent-wicklungsanteil der Zulieferer an allen Innovationen in der Automobilindustrie.

3 http://ec.europa.eu/enterprise/automotive/pagesbackground/competitiveness/cars21.htm.

4 Die Krise zwingt die OEM zu Fusionen,das Beispiel der Übernahme von 35 % anChrysler durch FIAT ist nur ein Anfang.Derzeit sind alle Szenarien möglich, Über-sicht in der Financial Times Deutschlandv. 10.12.2008, S. 4. Das gilt auch für Zulieferer, von denen viele insolvenzbe-droht sind. Webasto, Hersteller vonSchiebedächern, Verdecken und Standhei-zungen zum Beispiel berechnete nachAussage ihres Vorstands Franz-JosefKortüm im November 2008 das Ausfall-risiko seiner etwa 360 Lieferanten beietwa 30 %, Automobilwoche Nr. 26 v.15.12.2008, S. 10. Kortüm spricht einensich bereits abzeichenden Paradigma -wech sel aus der Not an: „Bislang finan -zieren die Zulieferer viele Projekte vor underzielen Erlös über die Laufzeit und dasVolumen der Produkte. Das Stückzahl -risiko liegt somit auch beim Zulieferer. Wirmüssen prüfen, ob gerade angesichts derKrise dieses Muster der Vorfinanzierung soaufrechterhalten werden kann. In die semZusammenahng gehören auch die The -men Zahlungsmodalitäten und -moralauf den Tisch.“ Starke Zulieferer werdennur noch bedingt in die Vorleistungengehen.

5 Die KVV ist keine eigenständige vertrag-liche Vereinbarung, sondern gilt nebenallen anderen vertraglichen Regelungen.Das wird in Ziff. 6.5 der KVV ausdrücklichbetont: „Die Vereinbarung(en) betreffenddie Fertigung und Lieferung der vertrags-gegenständlichen Bauteile, insbesondereaus dem „Nomination Letter“ und denmitgeltenden Unterlagen, im Rahmen vor-liegender Vereinbarung zusammenfas -send als Liefervertrag bezeichnet, bleibenunberührt.“

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Die „Konzeptverantwortungs -vereinbarung“ von VW im Konflikt mit Angemessenheit und Transparenz

den Ersatz der Aufwendungen, dieder Volkswagen AG durch kurzfris -tige Unterstützungsmaßnahmen,auch durch eigenes Personal, ent-stehen, um größeren Schaden zuverhindern.“ (Hervorhebungendurch den Verfasser). Darunter fal-len also insbesondere Verletzungenvon nicht definierten Mitwirkungs-pflichten als Pflichtverletzungen desLieferanten nach § 280 Abs. 1 Satz1 BGB für Aufwendungen, auf de-ren Umfang und Kostenintensität erkeinen Einfluss hat.

3 Das Qualitätshaus von VW

Das Lastenheft als Vertragsbestand-teil der Einkaufsbedingungen vonVW wird durch zahlreiche weitereBestandteile ergänzt, die hier ausPlatzgründen nicht im Einzelnendargestellt werden können. Vonherausragender Bedeutung müssenaber noch die „Qualitätsmanage-mentvereinbarungen Kaufteile“ mitihren verschiedenen, ineinanderverflochtenen Bausteinen erwähntwerden: Als „übergeordnete Verein-barung als Vertragsbestandteil“ giltdas Dach „Formel Q“ des Qualitäts-hauses mit der „Formel Q konkret“als übergeordnete Qualitätsmana-gementvereinbarungen zwischendem VW-Konzern und seinen Liefe-ranten. Sozusagen im ersten Ober-geschoss des Qualitätshauses sinddie „Formel Q Fähigkeit“ (Qualitäts-fähigkeit Lieferanten Beurteilungs-richtlinie) und die „Formel Q Neu-teile integral“ (QualitätsprogrammNeuteile Abnahme einer 2-Tages-Produktion) als „Bewertungssyste-me und unterstützende Prozesse“untergebracht. Im Erdgeschoss desnicht unterkellerten Hauses domizi-liert die „Lieferantenbewertung fürkontinuierliche Verbesserung“(Qualität, Service, Preis, Logistik,Umwelt und Innovation).

In der Broschüre der für die Beurtei-lung der KVV besonders wichtigen„Formel Q Fähigkeit“ ist die Ver-tragsbedeutung für das über denVW-Konzern hinausreichende wei-tere Umfeld mit Vertragsrelevanzbeschrieben: „Die Forderungen die-ser Broschüre sind kundenspezifi-sche Forderungen und ergänzendzu den QM-System-Forderungen(VDA6.1 oder ISO/TS 16949) umzu-setzen (Hervorhebungen durch den Verfasser). Der Lieferant hat die

Pflicht sich über den jeweils gülti-gen Stand in der B2B-Plattform zuinformieren und die jeweils gültigenForderungen umzusetzen.“ Dazugehören derzeit mindestens dreiunter der Mitwirkung von VW undAUDI erarbeitete und im VW-Konzernangewendete VDA-Publi ka tionen„Produktentstehung Reifegrababsi-cherung für Neuteile“,6 „Produkt-entstehung Reifegrad absicherung,Automotive VDA-StandardstrukturKomponentenlas tenheft“7 sowie„Produktherstellung und -lieferung,Robuster Produktionsprozess“.8 DieVDA-Konditio nenempfehlungen ent -halten ausdrücklich Verwei sun genmit Vertragsgeltung auf weitere VDA-Schriften.9 Zu dem in der „For mel QFähigkeit“ (Ziffer 5.2) beschriebe-nen Produktmanagement ist aus-führlich die Pflicht des Zuliefererszum möglichst kostenneutralen Änderungsmanagement enthalten,die auch eine von VW veranlasste„grundlegende Konzeptänderunggegenüber dem vereinbarten Las -tenheft“, den Zeichnungen oderSpezifikationen vorsieht. Der Zulie-ferer erhält nach der KVV nur dieChance, Verhandlungen über dieihn nach der KVV treffenden Verant-wortlichkeit anzuregen, aber nichtden direkten Anspruch, die KV-Quote dem jeweiligen Revisions-stand des Bauteils anzupassen.

Neben diesem Ausschnitt aus demfür einen Lieferanten von VW insge-samt maßgeblichen und bei der Beurteilung der KVV zugrunde zulegenden Vertragsdschungel tretenzahlreiche mitgeltende Unterlagenwie etwa Liefervorschriften, Werks-normen etc. Von besonderer Be-deutung sind die bereits erwähnteVDA-Schrift „VDA6.1“ (Qualitäts -management Systemaudit) und dieISO/TS 16949:2002.10

4 Vertragsgehalt der ISO/TS16949:2002

Die ISO/TS 16949:2002 enthält, obwohl eine technische Spezifika-tion, überwiegend für die Zuliefererzahlreiche Vertragspflichten setzen-de Bestimmungen. Kernbegriffesind die „Kundenorientierung“ unddie „Kundenzufriedenheit“, diedem Zulieferer vornehmlich oblie-gen. In diesem Pflichtenrahmen hatder Zulieferer aus seiner gegenüberdem OEM höheren Detailkompe-

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6 VDA/QMC – Projektdokumentation, Stand 3.11.2006, 1. Aufl. November2006, „Methoden, Messgrößen,Dokumentationen, Checklisten“.

7 VDA/QMC – Projektdokumentation,1. Aufl. November 2007, „Vorlage zurSpezifikation von Systemen, Modulen,Komponenten und Einzelteilen“. DemKomponentenlastenheft kommt künftigeine hervorragende Bedeutung zu: Dieeingangs dargestellte Grafik ist Inhalt derBroschüre zum Komponentenlastenheft.Auf der Grundlage des komplexen Bezie -hungsgeflechts begibt sich der Fahrzeug-hersteller „in die Rolle des Systeminte -grators und beauftragt Lieferanten mitEntwicklung und/oder Lieferung der Kom-ponenten und Systeme. Die Aufgabe desOEM ist es dann, diese Komponentenhinreichend zu spezifizieren.“ Dem dientdas Komponentenlastenheft, dem zu-kommt: „Ein Komponentenlastenheftmuss diesen Bedingungen [dem komple -xen Beziehungsgeflecht] als dokumentier -tes Ergebnis des Spezifikationsprozessesgerecht werden und wird zum zentralenDokument im Beziehungsgeflecht desAutomobilherstellers mit seinen Lieferan -ten. In diesem Dokument müssen die Anforderungen des Herstellers zum Zeit-punkt der Erstellung in technischer, for -ma ler und juristischer Hinsicht korrektwiedergegeben werden. Damit ist dasKomponentenlastenheft die Basis für dieVergabeverhandlung bzw. die Vergabeeines Entwicklungsumfangs an einenLieferanten.“

8 VDA-QMC Projektdokumentation, 1. Aufl.November 2007, „Voraussetzungen, Stan-dards, Controlling, Beispiele“.

9 Nach Ziff. „IX Qualität und Dokumen ta -tion“ ist vorgeschrieben: „Für die Erstmus -terprüfung wird auf die VDA-Schriften„Sicherung der Qualität von Lieferungen –Lieferantenauswahl/Produktionsprozess –und Produktfreigabe/Qualitätsleistung inder Serie“, Frankfurt am Main 1998, hin -gewiesen.“ Etliche dieser Publikationensind zeitlich überholt.

10 Die Technische Spezifikation „ISO/TS16949:2002“ gilt international in der gesamten globalen Automobilindustrie.Sie ist die Anpassung der DIN EN ISO9001 an die besonderen Belange der Auto -mobilindustrie „Besondere Anfor de rungenbei Anwendung von ISO 9001:2000 fürdie Serien- und Ersatzteil-Produktion inder Automobilindustrie“, Herausgegebenwird sie von der IATF. Die IATF ist eine„ad-hoc-Gruppe“ von internationalenAutomobilherstellern und ihrer Verbände,gegründet mit dem Ziel, Fahrzeugbenut -zern weltweit verbesserte Qualitätspro-dukte zu liefern. Der IATF gehören an:BMW, Daimler, Fiat, Ford Motor Company,General Motors (einschließlich Opel undVauxhall), PSA Peugeot-Citroen, Renault,Volkswagen sowie als Verbände AIAG(USA), ANFIA (Italien), FIEV (Frankreich),SMMT (Großbritannien) und VDA(Deutschland).

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tenz eine umfassende Holschuld füralle sein Produkt betreffende Infor-mationen. Er muss bei der „Ermitt-lung der Anforderungen in Bezugauf das Produkt“ auch „vom Kun-den nicht angegebene Anforderun-gen, die jedoch für den festgelegtenoder den beabsichtigten Gebrauch,soweit bekannt, notwendig sind“ermitteln.11 Durch ihre Einbezie-hung in das gesamte von VW gefor-derte Vertragswerk ist die ISO/TS16949:2002 Vertragsbestandteil.12

Die Rechtsgeltung von Normenoder technischen Richtlinien nimmtzu.13 Sie sind in ihrer unmittelbarenVertragsbezogenheit im Orchesteraller übrigen zum Vertragsbestand-teil erhobenen Bestimmungen all-gemeine Geschäftsbedingungenund in der Gesamtwertung ver -traglicher Angemessenheits- undTransparenzprüfungen in die Gesamtwertung einzubeziehen. DieRechtsprobleme der Einflussnahmetechnischer Organisationen wie der ISO, des DIN oder des VDI aufRechtsnormen sind noch nicht abzusehen und kaum geklärt.14

Es kann ernstlich keine Zweifel bestehen, dass bei diesen komple-xen und kaum überschaubaren Ver-tragswerken, in den die KVV mitGeltung für den gesamten VW-Kon-zern weltweit als nur ein kleiner Bestandteil eingebettet ist, von All-gemeinen Geschäftsbedingungengesprochen werden muss. Das bedeutet aber auch, dass die KVVnicht isoliert aus sich heraus zu verstehen, zu beurteilen und zu bewerten ist. Auch wenn Autorenfür den unternehmerischen Rechts-verkehr die verbraucherorientierteAGB-Rechtsprechung insbesonderedes VIII. Senats beklagen und dieAGB-Strenge des BGH zurückdrän-gen wollen,15 und Lenz16 „ein erhebliches Machtgefälle zwischenVerwender und Kunde“ als bedeu-tungslos ansieht, spielt die Vorgabedieser komplexen Vertragswerkeauch dann eine rechtliche Rolle,wenn der Zulieferer als Marktteil-nehmer in dieser Branche agiert, erselber aber seine technische Kom-petenz nicht rechtsgestaltend ein-bringen kann. Die Regelung derVertragswerke steht ernstlich nichtzur Disposition, um dem wesent -lichen Kriterium des „Aushandelns“mit Geltung für den gesamten VW-Konzern zu genügen.

5 Die KVV sichert gegen die Herstellerrisiken der OEM

Spiegelt man die Risikoverteilungzwischen dem Zulieferer und VWaus der KVV gegen die für die KVVmaßgebliche Vertragswirklichkeit,stößt man auf überraschende undmehrdeutige Klauseln (§ 305 cBGB). Sie besteht in diesem Kontextauch keiner Angemessenheits- undTransparenzkontrolle (§ 307 BGB).Aus Platzgründen kann an dieserStelle nur auf einige wesentlicheProbleme eingegangen werden:

Nach der Präambel dient die KVVdazu, „die Verantwortlichkeiten beider Entwicklung von Bauteilen/Modulen/Systemen für die Parteienfrühzeitig verbindlich (sic!) abzu-grenzen“. Zum Zeitpunkt des Ab-schlusses der KVV hat der Zulieferernoch keine vertraglich gesicherteAussicht, wirklich liefern zu dürfen.Bei Übernahme der Pflichten ausder KVV gibt es weder hinreichendeSicherheit über das endgültige Aus-sehen und/oder die Beschaffenheitdes Bauteils, noch abschließendeErkenntnisse über die Schnittstellenund die Funktionsfähigkeit im ein-gebauten Zustand. Erfahrungsge-mäß werden Änderungen mindes -tens bis zur Erstmusterfreigabe undStart of Production (SOP) vorge-nommen. Nach einer Studie vonMcKinsey17 werden nur in Europa indiesem permanenten Änderungs -szenario jährlich ca. EUR 14 Mrd.„vergeudet“, weil die Abstimmun-gen nicht funktionieren. Nimmtman die USA hinzu werden diesevergeudeten Kosten nach der Stu-die auf ca. EUR 22 Mrd. geschätzt.Umgekehrt: Ohne diese Kostenkönnte in Europa ein Fahrzeug umca. EUR 790 billiger sein.

Die KVV setzt vor der Auftragsver-gabe an und ist Bedingung für eineAuftragsvergabe. In diesem Zeit-punkt besteht noch keine klare Vor-stellung vom Fahrzeug und seinenSystemen, Komponenten und Bau-teilen. Der Zulieferer übernimmt also blanco eine vertragliche Ent-wicklungsverantwortung für

• ein erst geplantes Fahrzeug ohne zu wissen, wie es in allenBestandteilen endgültig ausse-hen wird,

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11 ISO/TS 16949:2002 – 7.2.1. lit. b).12 Ausführlicher: Helmig, Technische Spezifi -

kation überlagert juristische Zurechnungin der Kfz-Zulieferindustrie – ISO/TS16949:2002, in PHi 2006, 117.

13 Die Tendenz, in Normen und Richtlinienauch Rechtsvorstellungen unterzubringen,ist verbreitet. Zum Beispiel setzt die VDI-Richtlinie 4080 „Automobilverwertung –Qualität von Kfz-Gebrauchtteilen Maß -stäbe für die Beschaffenheitsmerkmalesolcher Teile. Die DIN EN 62309 (VDE0050) „Zuverlässigkeit von Produkten mitwieder verwendeten Teilen – Anforderun -gen an Funktionalität und Prüfungen setztrechtlich erhebliche Mindeststandards fürBeschaffenheitsmerkmale und Nutzungs-erwartungen an solche Teile. Definition in der EN ISO 9000:2005 unter 3.1.2: „Erfordernis oder Erwartung, das oder diefestgelegt, üblicherweise vorausgesetztoder verpflichtend ist.“ Normen neues tensDatum: DIN ISO 10001:2008 „Qualitäts-management – Kundenzufrie denheit –Leitfaden für Verhaltenskodizes fürOrganisationen“; DIN ISO 10002:2008„Leitfaden für die Behandlung vonReklamationen in Orga nisatio nen; DINISO 10003 „Leitfaden für die Konflikt -lösung außerhalb von Orga ni sa tionen“.Mit ausgeprägter Produkthaf tungsorien -tierung wird derzeit an einer ISO 26262(derzeit als Working Draft) gearbeitet, mitder die IEC 61508 (DIN EN 61508 – VDEKlassifikation 0803 – „Funktionale Sicher -heit sicherheitsbezogener elektrischer/elek-tronischer/programmierbarer elektroni -scher Systeme) auf die Be sonderheiten derFahrzeugsicherheit übertragen wird (Roadvehicles – Functional safety). Sie soll vor-aussichtlich ab 2011 gelten.

14 Neuerdings und sehr instruktiv; Ernsthaler/Müller/Synnatzschke, Technologie- undtechnikorientiertes Unternehmensrecht,Betriebsberater 2002, 2638; Immenga/Kessel/Schwedler, Die kartellrechtlicheBeurteilung von Vereinbarungen in derAutomobil-Zulieferindustrie – ein prak -tischer Leitfaden, Betriebsberater 2008,902; Helmig, Rückruf für die Vertrags-werke in der Automobilindustrie, Zeit-schrift für die gesamte Wertschöpfungs-kette Automobilwirtschaft ZfAW 2007, 36.

15 Berger, AGB-Kontrolle im unternehme ri -schen Geschäftsverkehr, Betriebs-Berater2007, 2137; und zuvor: Abschied von derPrivatautonomie im unternehmerischenGeschäftsverkehr?, ZIP 2006, 2149. Bergerbeklagt die wegen der zu stark an der Verbraucherschutzmentalität orientiertenRechtsprechung des BGH drohende Gefahrder Flucht deutscher Unternehmen ausdem deutschen Recht, z. B. in das Rechtder Schweiz. Er mahnt: „Die Rechtspre -chung hat im Interesse größtmöglicherRechtssicherheit im Rahmen der AGB-Kon-trolle im B2B-Verkehr die Vertragsgestal -tungsfreiheit im unternehmerischen Geschäftsverkehr weitgehend geopfert.“und empfiehlt: „Sie (die Inhaltskontrolle)muss sich an der typischen Schutzbedürf -tigkeit einzelner Kundengruppen („Kun -den cluster“) orientieren und gebietet eineBestimmung des Schutzniveaus mitAugenmaß.“ Überzeugend gegen BergerGraf von Westphalen, 30 Jahre AGB-Recht– Eine Erfolgsbilanz, ZIP 2007, 149.

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Die „Konzeptverantwortungs -vereinbarung“ von VW im Konflikt mit Angemessenheit und Transparenz

• mit völlig unbekannten Schnitt-stellen zu anderen Systemen,Komponenten und Bauteilen einschließlich ihrer Perfomanceunter Betriebsbedingungen amganzen Fahrzeug,

• das Risiko, ob sein Entwicklungs-aufwand bis zur Angebotsreifeim Fahrzeug wie geplant zur Gel-tung kommt,

und ohne dafür eine Kostende -ckung absichern zu können. Es istauch nicht sichergestellt, dass seineAufwendungen und Inves titionendurch den künftigen Teilepreisund/oder die Werkzeugkosten gedeckt werden.

Die KVV ist in der zeitlichen Syste-matik eine vorweggenommene Erfüllungsvereinbarung unter Über-nahme unspezifischer Haftungsrisi-ken durch den Zulieferer. Sie hatmit der gesetzlichen Haftung desZulieferers nichts zu tun. Aus derVorläufigkeit der Risikoeinschät-zung, aber der vertraglichen Unab-dingbarkeit der Haftungsübernahmeungewisser Risiken folgt eine ver-tragliche Haftungsübernahme fürProdukte, die weder endentwickeltnoch erprobt sind.

Die Einordnung des Zulieferers ineine bestimmte Kategorie (Konzept-entwickler, Serienentwicklung oderSerienbelieferer) und die daraus abgeleitete KV-Quote werden vonVW bei der Anfrage an den Zuliefe-rer festgelegt. Abweichende Vor-stellungen hat der Zulieferer zu begründen. Damit wird ein Aus -handeln der KV-Quote unterstellt.Ob damit aber auch die von VW gestellten Bedingungen ernstlichzur Disposition stehen, kann nichtunterstellt werden. Von der Unbe-stimmtheit der Kategorien abgese-hen, ist die Eigenverantwortlichkeitvon VW weder inhaltlich noch ver-fahrensmäßig einbezogen. Denndie Festlegung der KV-Quote ist Bedingung für die Auftragsertei-lung. Zu diesem Zeitpunkt hat derZulieferer bereits erhebliche Ent -wick lungsaufwendungen erbracht,die er nur über den Teilepreis ersetzt bekommen kann. Ihm bleibtalso gar nichts anderes übrig, als eine KV-Quote zu akzeptieren, ohnedas Risiko daraus einschätzen zukönnen und ohne zu wissen, ob

das tatsächliche Anfangsvolumendiese Vorkosten und die Kosten etwa aus Änderungen vor und nachder Serienbelieferung decken.

Die KVV wird in Bezug auf das künf-tige Bauteil im vertragsoffenen Beziehungszustand geschlossen,hat aber Rechtsfolgen über denZeitpunkt der Beauftragung hinausfür die Lebensdauer des Bauteils mitallen seinen Änderungen.18 Sie istim Ergebnis eine Absicherung –oder Versicherung – von VW gegendie Folgen der eigenen Hersteller -risiken aus der geringer werdendeneigenen Kompetenz zu Lasten desZulieferers. Die den Zulieferer ent -lastende eigene Verantwortlichkeitvon VW an der Entscheidung, wannein Bauteil serienreif entwickelt ist,ist weder qualifiziert noch quantifi-ziert und lässt sich auch nicht ausdem Restrisiko der jeweiligen pro-zentualen KV-Quote angemessenablesen.

6 Das Risiko des Setzlieferanten

In dieser frühen Phase wird demZulieferer ein weiteres, aus derSphäre von VW stammendes Risikoaufgebürdet, das er überhauptnicht einschätzen kann: Nach Ziffer4.1.2 der „Formel Q Fähigkeit“ istder Zulieferer für seine Unterliefe-ranten verantwortlich. Das ist weder nach § 278 BGB noch nachZiffer 7.4 der ISO/TS 16949:2002zu beanstanden.

Problematisch allerdings ist seinevolle Verantwortlichkeit auch fürden sog. Setzlieferanten. Das ist einLieferant an den Zulieferer, dessenZulieferteile oder Verfahren der Zulieferer durch unabdingbare Wei-sung von VW verwenden muss.19

Der Zulieferer hat zum Setzlieferan-ten keine vertragliche Beziehungund ist in der Regel auch nicht imGleichlauf an der Ausarbeitungoder Auslegung der technischenSpezifikationen beteiligt, die VW mit dem Setzlieferanten vereinbartoder ändert. Dadurch, das zeigt dieErfahrung, entstehen zuweilen ver-hängnisvolle Informationsdefizite.Sie wirken sich auf das Bauteil desZulieferers aus und können dessenan sich fehlerfreies Bauteil fehlerhaftmachen, für das der Zulieferer dannsowohl aus der KVV wie aus denübrigen Haftungsbestimmungen

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16 Lenz, PHi 2008, 169. Dabei wird der Hintergrund verkannt, dass es sich ein Zulieferer insbesondere im oberen Bereichder Wertschöpfungskette und großerNähe zum OEM kaum leisten kann, seineRechte gerichtlich durchzuseten. Je engerdie OEM und die ganz großen Zulieferer(so genannte TIER 1) zusammenarbeitenund z. B. gemeinschaftliche Einkaufsorga -nisationen einrichten, desto enger wirdder Kundenkreis für einen Zulieferer. Dasfür ihn aus diesen Kooperationen ver-größerte Volumen seiner spezialisiertenProdukte wird im Konliktfall zur Existenz-bedrohung.

17 Managing the OEM-Supplier Interface,McKinsey&Company, Inc. 2007.

18 Ziff. 1.3 der KVV stellt dies durch die Indi -zierung nach dem Teilelebenslauf aus-drücklich fest.

19 „Die gleichen Verantwortlichkeiten (wiedie Haftung nach § 278 BGB, der Verfas -ser) gelten auch, wenn der Auftragneh -mer als System- oder Modullieferant fürdie Volkswagen AG beauftragt wird unddie Volkswagen AG Unterauftragnehmerdurch gesonderte Nomination Letter zurdirekten Belieferung an den Auftragneh -mer verpflichtet hat, für diese Unterauf-tragnehmer (sog. Setzlieferanten).“

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nach den Bedingungen von VW ohne Entlastungsmöglichkeiten ein-zustehen hat.

Diese Haftungsverlagerung ist mitdem gesetzlichen Leitbild, dass nurfür eigene Leistung und eigenesVerschulden gehaftet wird, nichtvereinbar.20 Das gilt insbesonderedann, wenn, wie in der „Formel QFähigkeit“ festgelegt, die Verant-wortung für den gesetzten Lieferan-ten nach der Lieferbeauftragung imRahmen des in der Verantwortungdes Zulieferers liegenden Projekt-managements zu übernehmen ist,die KVV aber vorher abgeschlossenwerden muss, wenn der Setzliefe-rant selbst VW noch nicht bekanntsein muss.

Sie ist ferner nicht mit dem Leitbilddes § 434 BGB vereinbart, wonacheine Beschaffenheitsvereinbarunggetroffen sein muss oder die gesetzlichen Bestimmungen derAnnahmen für eine vereinbarte Beschaffenheit eintreten. Denn das„gesetzte“ Zulieferteil wird Bestand-teil des Endprodukts des Zulieferers,geht aber nur physisch, nicht auchrechtlich in die zwischen dem gesetzten Lieferanten und VW ver-einbarten Beschaffenheit ein, weiles dem Zulieferer nicht in allen Ein-zelheiten bekannt ist oder seinmuss. Die Erfahrung lehrt, dass imVerfahren der technischen Freigabeeines Lieferteils durch den OEMnicht in die vertragliche Beziehungzwischen dem OEM und dem Zulie-ferer einbezogen wird. Die Über-bürdung von zusätzlichen Untersu-chungs- und Prüfpflichten auf denZulieferer sowie die Übernahme derHaftung für einen Dritten, zu demkeine vertragsrechtliche Beziehungbesteht, ist ohne Kostenausgleichunangemessen.21

Die rechtliche Verantwortlichkeitdes Zulieferers nach Abschluss desLiefervertrags bleibt nach der Prä-ambel trotzdem ausdrücklich unbe-rührt.

Nach Ziffer 1.2 der KVV findet dievereinbarte KV-Quote „im Rahmender Abwicklung mangelhafter Liefe-rungen des Lieferanten Anwen-dung, wenn und soweit die Analysevon mangelhaften Bauteilen/Modu-len/Systemen des Lieferanten (Liefe-rungen) einen konzept- oder ent-

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20 Nach soweit ersichtlich gefestigter Recht-sprechung (allerdings zum Werkvertrags-recht) des BGH ist ein Unternehmer dannnicht für einen Mangel seines Werks ver-antwortlich, wenn dieser auf verbindlicheVorgaben des Bestellers oder von diesemgelieferte Stoffe oder Bauteile oder Vorleis-tungen anderer Unternehmer zurückzu -führen ist und der Unternehmer seine(ein geschränkten) Prüf- und Hinweis-pflichten erfüllt hat (BGH, Urt. v.8.11.2007, VII ZR 183/05 = ZIP 2008,273; für Zulieferteile: BGH, Urt. v.10.1.2006, X ZR 58/03 = NJW-RR 2006,851).

21 Es bleibt abzuwarten, ob der BGH densog. funktionalen Sachmangelbegriff ausdem Werkvertragsrecht auch auf dasRecht des Werklieferungsvertrags über-trägt. Der BGH hat im Forsthaus-Fall (Urt.v. 8.11.2008, VII ZR 183/05 = NJW 2008,511 mit Besprechung von Lucenti, NJW2008, 962) entschieden, dass im Werk -vertragsrecht dieser Begriff Anwendungfindet. Danach kann eine an sich fehler-freie Werkleistung auch dann mangelhaftsein, wenn sie die erwartete Funktion inBezug auf andere Leistungen Dritter nichterfüllt. Der BGH knüpft hier an den imWerkvertrag geschuldeten Erfolg an, derim Werklieferungsrecht durch die nach derSchuldrechtsreform konkretisierte Bezug-nahme auf das Kaufrecht nicht gilt. Eswürde aber nicht überraschen, wenn derBGH die Funktionsfähigkeit in Bezug aufandere Leistungen auch im Kaufvertrags-recht in die Neudefinition der Beschaf -fenheit nach § 434 BGB einfügt.

wicklungsbedingten Mangel ergibt.Die Beurteilung erfolgt auf Basis derfür das jeweilige Bauteil/Modul/System geltenden Festlegungen ausdem Liefervertrag.“

7 Mangelfeststellung aus derRetrospektive

Danach wird von einem Ausfall desBauteils im Feld auf einen konzept-oder entwicklungsbedingten Man-gel geschlossen. Dabei wird dieVerantwortung des Zulieferers fürden Ausfall des Bauteils im Feldunterstellt. Die Erfahrung allerdingslehrt, dass ein Bauteil, das im Feldausgefallen ist, nicht fehlerhaft gewesen sein muss, als es geliefertworden ist. Die unangemessene Benachteilung des Zulieferers nachder KVV liegt in der Beurteilung deskonzept- oder entwicklungsbeding-ten Mangels auf der Basis der Fest-legungen aus dem Liefervertrag.Aus dem Mangel im Feld wird ohnewirkliche Feststellung des „rootcause“ unzulässig auf einen Ent -wick lungs-Konzeptfehler geschlos-sen, obwohl es dafür eine definierteSchnittstelle schon aus dem Ent -wick lungsfortschritt der Gesamt-konzeption des Fahrzeugs nichtgibt und die einzelnen Entwick -lungsschritte vom Zeitpunkt desAbschlusses der KVV bis zum Auf-treten des Fehlers im Feld nach Serienauflauf in der Regel nicht ein-deutig dokumentiert sind.

Denn mit der Beauftragung im Lie-fervertrag ist das Bauteil in seinerBeschaffenheit von VW bestimmtund für geeignet befunden. DieEntscheidung der Verwendungseig-nung kann nur VW alleine treffen,weil nur VW die Gesamtkonzeptiondes Fahrzeugs kennt und alleSchnittstellen der Bauteile zueinan-der beurteilen kann, während derZulieferer zwangsläufig nur eine begrenzte Kenntnis haben kann.Auch wenn der Zulieferer seine gesamte Fragekompetenz nachISO/TS 16949:2002 – 7.2.1 nutzt,kann er in der Regel nicht zeitge-recht abschließend beurteilen, welche wechselseitigen EinflüsseUmgebungsbedingungen wie Temperatur, Vibration, Mechanik,Feuchtigkeit, elektronische oderelektromagnetische (EMV) Störun-gen, Kontaktkorrosionen aus koh-lenstoffhaltigen Werkstoffen und

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Die „Konzeptverantwortungs -vereinbarung“ von VW im Konflikt mit Angemessenheit und Transparenz

ihre Verträglichkeiten z. B. mit Alu-minium etc. oder verschiedene Bauelemente (Einfluss der elektro -nischen Motorsteuerung auf elek -tronische Sicherheitssysteme wieABS oder Airbag) haben können. Erkann sie im Zeitpunkt des Abschlus-ses der Entwicklung und Beauftra-gung und danach auch nicht tes -ten, weil solche Tests in der Regelnur am fertigen Fahrzeug im Felderprobt werden können. DiesesFahrzeug gibt es zu diesem Zeit-punkt aber noch nicht oder es stehtnicht zu Testzwecken zur Verfügung.

8 Trouble not found vs. notrouble found

Die „Analyse“ der Fehler weist kei-nen eindeutigen Weg zur der KV-Quote angemessenen Verantwor-tung des Zulieferers. Sie ist nach Zif-fer 9 (Problemanalyse) der „FormelQ Fähigkeit“ bauteilbezogen undblendet die Schnittstellenproblemeund die Verantwortlichkeit von VWaus.22 Es ist weder festgelegt, dassder Zulieferer alle von ihm zur Fest-stellung der tatsächlichen Fehler -ursache erforderlichen Informatio-nen einfordern kann noch hat erZugang zu allen dafür erforder-lichen Informationsquellen aus demFeld oder den Erfahrungen derWerkstätten, bei denen die Bean-standungen zuerst bekannt wer-den. Tritt ein Mangel auf, wird dieFehlerhaftigkeit des Zulieferteils inder Verantwortung des Zuliefererseinseitig unterstellt. Und ohne negative Unterstellung kann ausder Erfahrung auch angenommenwerden, dass weder der OEM nochandere beteiligte Zulieferer alle ihreFehlleistungen eventuell offenba-renden Unzulänglichkeiten im Regressinteresse offen legen.

Es ist ein Grundproblem der Fehler-analyse in der Zulieferkette, dassstets die vertikale Fehleridentifizie-rung auf ein einzelnes Bauteil fixiertist, um zugleich den Zulieferer haft-bar machen zu können und – wennSOP kurz bevorsteht oder in der Serie – unter Zeitdruck auf Maß-nahmen gedrängt wird, obwohlweder der wirkliche „root cause“bekannt noch – daraus folgend –die wirklich wirksamen Abstellmaß-nahmen getroffen werden können.

Nach Ziffer 1.5 findet die KVV aufdas Ergebnis „kein Fehler feststell-bar“ keine Anwendung. Nebendem Ergebnis „kein Fehler feststell-bar“ (no trouble found) tritt häufigdas Ergebnis „Fehler nicht gefun-den“ (trouble not found). Anlassder Analyse ist immer eine undefi-nierte Beanstandung (Geräusche,Vibrationen, zufällige und nicht reproduzierbare Ausfälle elektroni-scher Systeme etc.), die im Verhält-nis zum Endkunden behoben wer-den muss und mit Kosten verbun-den ist.

Beide Feststellungen werden in denmeisten Fällen in den Werkstättengetroffen, die oft darauf angewie-sen sind, sich durch kostenintensive(oft vergebliche) Versuche an die(vermeintliche) Fehlerquelle heran-zutasten. Die Kosten werden pau-schaliert nach Referenzmärkten undLieferanteilen unabhängig vom Verschulden außerhalb der KVV aufdie Zulieferer verteilt. Wenn aberein Fehler nicht gefunden oder eine Beanstandung nicht als Fehler fest-gestellt wird, stellt sich in erster Linie die Frage nach der Kompetenzdes Herstellers und weniger nach derQualitätsfähigkeit des Zulieferers.23

9 CarryOverParts erhöhen dasSchadensvolumen

Völlig unüberschaubar ist die Ver-antwortung des Zulieferers für sog.„CarryOverParts“ (COP). Die vonVW weltweit hergestellten Fahrzeugeberuhen kurz gesagt auf Basismo-dellen (Plattformen), die regional,etwa in Europa, China oder Brasi-lien, für diese regionalen Märkte gebaut werden und in denen COPverwendet werden.24 Nach demVertragssystem ist nicht vorab sichergestellt, dass ein Teil, das imVW Polo in Deutschland funktio-niert auch in einem Polo aus Brasi-lien einwandfrei arbeitet. Die Ver-wendungsentscheidung für COPliegt bei VW. Der Zulieferer kannnach Ziffer 1.4 der KVV, wenn ervon der Verwendung erfährt – einezwingende Informationspflichtdurch VW ist vertraglich nicht fest-gelegt – „eine entsprechende Ver-handlung über eine neue, COP KV-Quote unter Berücksichtigung derAuswirkungen des Einsatzes alsCOP mit der einsetzenden Gesell-schaft der VW Group führen“.

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22 „Auch die Problemanalyse dient der Ver-besserung der Kaufteilqualität der Pro-dukte unter Serienbedingungen und derBeseitigung von aktuellen Qualitätspro-blemen. Sie basiert auf der Ermittlung derFehlerentstehungs- und -durchschlupf-ursachen und der daraus abgeleiteten Absicherung und Verbesserung der Pro-zesse beim Lieferanten, Unterlieferantenund/oder der Business Units (BU)“.

23 JD Powers hat in einer Untersuchung zurKundenzufriedenheit die interessante Fest-stellung getroffen, dass sich auch derFehlerbegriff wesentlich geändert hat.Was ein Techniker als technisch makellosempfindet, sieht der Kunde als Mangelan. Während z. B. der Techniker mit derFunktion des Bremspedals zufrieden ist,empfindet der Kunde den Bremsdruck alsunangenehm hoch und rügt das als Man -gel. Solche „empfundenen“ Mängel sindoft Anlass zu – wie die KVV formuliert –„Aktionen“ im Service, deren Kosten denZulieferern angelastet werden. Der Zulie -ferer hat keinen Einfluss auf das „Ob“einer Aktion. Ist sie von VW einmal beschlossen und wird sie durchgeführt,hat er keine Chance (mehr) sich einer finanziellen Beteiligung, sei es über dieKVV oder über seine Haftung nach demweiteren Haftungskanon in dem Bedin -gungswerk von VW, zu entziehen.

24 Beispiele für VW-Plattformen: Plattform2005 - 2011 A2: Feng Yun, FengyunWagon, Jetta, Qi Yun 201 647 117 308;B2: Santana, Santana 2000 212 955 157767; B4/B5: Santana/Quantum 9 849 0;BUGATTI: EB16-4 Veyron 42 0; B-VX62:Alhambra, Galaxy, Sharan 80 666 0; C3:Mingshi 9 543 0; LAMBORGHINI:Gallardo, Murcielago, R9 1 458 5 369;PL/PQ46: A4, A6, Alhambra, Cabrio,Passat, Q6; Sharan, Superb 866 444 725841; PL/PQ47: A4, A6, Beduin, Cabrio,Coupe,; Passat, Q5 0 718 220; PL22: Gol,Gol NF, Parati, Saveiro LB20 363 528 381523; PL45: A6, A6 All Road, Passat,Superb 184 722 65 677; PL62: A8, Cabrio,Flying Spur, GT, Phaeton 36 698 8 505;PL64: A8, GT 0 27 407; PL71: Cayenne,Q7, Touareg 123 516 182 520 ; PQ22:Saveiro NF 0 31 842; PQ23: Caddy, Lupo,Polo Classic 35 315 0; PQ24: A2,Cordoba, Fabia, Fox, Fox MPV, Ibiza, ;Polo, Polo Classic 1 016 394 492 978;PQ25: Fabia, Ibiza, Ibiza MPV, Polo, PoloMPV, ; Roomster 0 983 543; PQ31:Caddy, Citi Golf 16 115 9 135;PQ33/PQ34: A3, Beetle, Beetle Cabriolet,Bora,; Golf, Jetta, Leon, Octavia, TT 382954 61 968; PQ35/PQ36: A3, Altea, Bora,Caddy Van, Golf; Golf Plus, Jetta, Leon,Octavia, Toledo, Touran, TT 1 738 882 2135 513; Roadster: Roadster 0 19 655;ROLLS ROYCE: Arnage 588 0 ; T2: Kombi,Kombi Wagon 13 233 0; T4: Caravelle,Transporter 1 412 10 559; T5: Microbus,Pickup, Transporter 165 853 191 961.

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Erfährt ein deutscher Zulieferer von der Verwendung seines Bau-teils als COP müsse er demnach mitden regionalen Unternehmen derVW Group pro COP die gleichenEntwicklungs- und Eignungsprü-fungen durchführen wie mit VW inDeutschland. Der Aufwand dafür istnicht zu leisten und schlägt sich imTeilepreis nicht nieder. Im Ergebnisalso trägt der Zulieferer das volle Risiko für ein COP ohne Ausgleichdes Aufwands und des Risikos.

Unter diesen Bedingungen wirddurch die COP das Haftungspoten-zial des Zulieferers im Volumen erhöht, das er nicht kalkulierenkann. Dies wird verschärft durch die in der Lieferkette nicht sicherge-stellte Rückverfolgbarkeit von Bau-teilen oder deren Bestandteile. Vorallem bei Kleinteilen wie Schrau-ben, Dichtungen, Schaltern etc. fin-det weder eine Kennzeichnung(nicht einmal für Sicherheitsteile)statt noch wird das Prinzip „First-in-first-out“ eingehalten. Ist für solcheZulieferteile auch eine sichere Char-genzuordnung nicht möglich, mussim Rückruffall eine Schadenswahr-scheinlichkeit berechnet werden,die sich an der Zahl der möglicher-weise betroffenen Fahrzeuge orien-tiert und nicht an der geringerenZahl der mit einer als fehlerhaftidentifizierten Charge geliefertenTeile.

10 Die KVV füllt eine gesetzlichnicht vorgesehene Regresslücke

Die KVV findet nach Ziffer 1.5 keineAnwendung im Rahmen von Aktio-nen, Rückrufen oder der Abwick -lung von „reinen Produkthaftungs-und Drittschäden.“ In diesen Fällengeht die Beschränkung der Haftungdes Zulieferers nach der KV-Quotein seiner vollen Haftung auf, wiesich aus des Präambel ergibt. Denndie Haftung nach der KVV ist keineHaftungsbegrenzung überhaupt,sondern erweitert die Haftung aufden vorvertraglichen Bereich:

Nach Ziffer 3.1 der KVV wird fürAusfälle im Feld („Feldschadentei-le“) nach einer Stichprobenanalyseein Technischer Faktor bestimmt,der für die Haftung wegen Sach-mangel- sowie Produkt- und Pro -duzen tenhaftung maßgebend ist.Ausdrücklich hat die KVV auf diese,

nur aus einer der KVV zeitlich nach-folgenden Liefervereinbarung abzu-leitenden Ansprüche „noch keinenEinfluss“. Damit entstünde für VW eine Regresslücke gegen denZulieferer. Sie wird nach Ziffer 3.2geschlossen, indem ein unter dieKVV fallender konzept- oder ent -wicklungsbedingter Mangel mit derKV-Quote aufgrund vertraglicherVereinbarung berücksichtigt wird,der sonst allenfalls aus einer ver-schuldensabhängigen vorvertrag-lichen Pflichtverletzung des Zuliefe-rers hergeleitet werden könnte, fürdie VW die Beweislast hätte und einMitverschulden von VW zulastendes Zulieferers ausblendet.

11 Unangemessene Beweislastverteilung

Diese einseitige Beweislastvertei-lung findet sich auch in der „FormelQ Fähigkeit“ wieder: Nach Ziffer 8übernimmt der Zulieferer auch dieprodukthaftungsbestimmte Verant-wortung für Sicherheitsteile (sog.D-Teile oder TLD-Teile). Er muss imSchadensfall und/oder auf Verlan-gen von VW nachweisen können,„dass er seiner unternehmerischenSorgfaltspflicht Genüge getan hat,um Fehler am Produkt auszuschlie-ßen“. Die „Produktgruppenfeststel-lung“ eines Bauteils als Sicherheits-teil erfolgt nach Ziffer 8.3 aber erstnach Auftragserteilung bei der Erst -auditierung dieser Teile durch VW.Im Zeitpunkt des Abschlusses derKVV vor Lieferauftragserteilung sind die Sicherheitsteile noch nicht (jedenfalls nicht abschließend) defi-niert und bleiben bei der Festle-gung der KV-Quote noch außer Betracht. Zusammen mit der Ver-antwortung des Zulieferers auch fürden von VW bestimmten Setzliefe-ranten wird die KV-Quote mithinbestimmt, wenn insbesondere kriti-sche Bauteile noch nicht definiertund noch nicht als solche bestimmtsind. Der Zulieferer übernimmt mitder KVV ein zum Zeitpunkt ihresAbschlusses nicht überschaubaresRisiko. Und es kommt nicht seltenvor, dass ein Bauteil nachträglich inder Serie als Sicherheitsteil definiertwird, weil erst durch seinen Ausfallund dessen Folgen seine Bedeutungals Sicherheitsteil erkannt wurde.

Nicht unproblematisch ist dieRechtswahlklausel nach Ziffer 6.7

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der KVV. Danach gilt für die KVVdas Recht der BundesrepublikDeutschland mit dem GerichtsstandWolfsburg. Der Zulieferer hat abernach Ziffer 1.4 für COP Vereinba-rungen mit der jeweiligen „einset-zenden Gesellschaft der VW Group“zu treffen. Zwar findet die Regres-sabwicklung mit der VW AG inDeutschland statt. Das schließt aberdie Anwendung ausländischenRechts und der Convention of Inter-national Sales of Goods (CISG) alsgeltendes deutsches Recht bei derRechtsbeziehung zu den Auslands-gesellschaften von VW nicht aus. Eskann also durchaus sein, dass sichder Zulieferer auch wegen der ver-traglichen Ansprüche mit unter-schiedlichen Rechtsordnungen aus-einanderzusetzen hat.25

12 Zusammenfassung

Die KVV hat ihre Logik aus der Abhängigkeit von VW von der Detailkompetenz seiner Zulieferer.Die KVV ist nur zu beurteilen, wennman sie im Rahmen des gesamtenvertraglichen Beziehungsgeflechtseinordnet, das zwischen VW unddem Zulieferer begründet wird. Diegegenseitige Abhängigkeit verlangtaber zugleich auch eine Ausgewo-genheit der Risiken und der Lasten-verteilung. Dem wird die KVV nichtgerecht. Sie ist weder ausgewogennoch transparent.

Die KVV ist eine vertragliche Rege-lung neben einer Vielzahl von anderen Bestimmungen, die auf -einander nicht abgestimmt sind.Für einen Zulieferer mit Entwick -lungsverantwortung sind das Ver-tragswerk und alle mitgeltendenBestimmungen und Normen nichtüberschaubar. Die Logik der Ver-tragswerke liegt nicht in ihrer Not-wendigkeit oder Schlüssigkeit, sondern hat sich nur aus dem Regressinteresse top-down ent -wickelt. In dieses System ist die KVVeinzuordnen. Wäre es anders,müss ten die Vertragswerke zu einerReduzierung von Rückrufen undflächenweiten Qualitätsaktionenführen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Sie verlagert das Entwicklungsrisikofür das gesamte Fahrzeug auf dieZulieferer, ohne auf den nur be-grenzten Anteil eines Zulieferers am

gesamten künftigen Fahrzeug, seinebegrenzten Testmöglichkeiten undden reduzierten InformationsflussRücksicht zu nehmen und ohne insbesondere durch klare Schnitt-stellendefinitionen zur Risikoab-grenzung zwischen den jeweiligenBauteilen, Komponenten und Sys -temen das bei VW liegende Herstel-lerrisiko erkennbar in Betracht zuziehen und zu bewerten. Durch dieUnterstellung, jeder Mangel an einem Fahrzeug könne stets nur aufein bestimmtes Bauteil zurückge-führt werden, vernachlässigt sie dieKompatibilitätsverantwortung vonVW am Gesamtfahrzeug.

Vorvertraglich zur Liefervereinba-rung stellt VW durch die vertrag -liche KVV eine Bedingung für eineRisikoübernahme durch die Zuliefe-rer, die zu diesem Zeitpunkt nichtüberschaubar ist und der eine demRisiko gerecht werdende Preisver-einbarung fehlt. Die KVV ist im Ergebnis eine Regressversicherungvon VW gegen eigene Entwick lungs-und Herstellerrisiken zulasten derZulieferer, der auf Seiten der Zulie-ferer kein wirtschaftliches Äquiva-lent gegenübersteht.

Die „Konzeptverantwortungs -vereinbarung“ von VW im Konflikt mit Angemessenheit und Transparenz

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25 BGH, Urt. v. 31.10.2001, VIII ZR 60/01zur Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in dem CISG unter -liegenden Verträgen; BGH, Urt. v2.10.2002, VIII ZR 163/01 = NJW-RR20023, 192 zum Erfüllungsort; BGH, Urt.v. 9.7.2008, VIII ZR 184/07 = NJW 2008,3001 = RIW 2008, 713, Vorlagebeschlussan den EuGH zur Bestimmung des Erfül -lungsorts beim Werklieferungsvertragnach der Verordnung 44/2001/EG Amts-blatt der Europäischen Union v.16.1.2001, L 12/1 (EuGVVO). DieseFragen gewinnen Bedeutung nach demInkrafttreten der Verordnung 593/2008 –Amtsblatt der Europäischen Union v.4.7.2008 L 177/6 (ROM I) am17.12.2009 und der Verordnung864/2007/EG – Amtsblatt der Europäi -schen Union v. 31.7.2007, L 199/44(ROM II) am 11.1.2009.

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