Die Mehrlings-
schwangerschaften
Dr. E. Hruby PhD
I. Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Semmelweis Universität
Fakultät für Allgemeinmedizin
Die Mehrlingsschwangeschaft
• Definition: mehr als ein Fötus in der
Gebärmutterhöhle einer schwangeren Frau (heterotopische Schwangerschaft: ein Fötus in utero, der
andere ist extrauterin)
• Je nach Anzahl der Föten könnten die
Mehrlinge kategorisiert werden:
– Zwillinge
– Drillinge
– Vierlinge….
Häufigkeit
• Hellin-Regel [1:85(n-1)]
• In Ungarn: 1:90, 1:902, 1:903
• Diese Regel gilt nur für spontan konzipierte
Mehrlingsschwangerschaften (nicht für
diejenigen, die durch medikamentöse
Ovulationsauslösung induziert wurden, oder
mit assistierter Reproduktionstechnik [ART],)
• Zwillinge: 1:85
• Drillinge: 1:852
• Vierlinge: 1:853
Faktoren, die Einfluss auf die Inzidenz
von Mehrlingsschwangerschaften haben
• mütterliches Alter (>35 Jahre, > Weiße > Asiatische)
• mütterlicher Körperbau (dick, hoch)
• endogener FSH, GnRH-Spiegel
• medikamentöse Ovulationsauslösung, in-vitro-
Fertilisation
Anteil und Anzahl der Zwillings-
und Mehlingsgeburten
Wachstum in den vergangenen 25 Jahren
• in der USA:
– zwischen 1980 und 2005 stieg das Anteil der Zwillinge von 18,9
auf 32,1 pro 1000 Lebendgeburten
– Zahl der lebendgeborenen Zwillinge stieg fast 50 Prozent, die
Anzahl von lebendgeborenen Mehlingen mehr als 400 Prozent
– seit 2005 verringert sich die Anzahl der Mehrlingsgeburten leicht
• Ungarn:
– zwischen 1980 und 2005 stieg das Anteil der Zwillinge von 21,3
auf 31,9 pro 1000 Lebendgeburten
– Zahl der lebendgeborenen Zwillinge stieg fast 50 Prozent, die
Anzahl von lebendgeborenen Mehlingen mehr als 400 Prozent
– seit 2005 verringert sich die Anzahl der Zwillings- und
Mehrlingsgeburten stark
Anteil und Anzahl der Zwillings- und
Mehlingsgeburten in Ungarn (1970-2015
0
50000
100000
150000
200000
1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015
0
500
1000
1500
2000
0
50000
100000
150000
200000
1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015
0
10
20
30
40
50
60
70
Geburten Drillinge
Quelle: Hungarian Central Statistical Office
Zwillinge Drillinge
Die Prognose der Zwillings- und
Drillingsschwangerschaften
Zwillingen=197
% Drillingen=150
%
Geburt(Wochen)
33,8±3,7 32,1±3,3
Die Prognose der Zwillinge und Drillinge
Zwillingen=380
% Drillingen=441
%
Geburts-gewicht (g)
2030±697 1638±511
2500 121 31,8 16 3,6
Quelle: Semmelweis Universität, I. Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Die Prognose der Zwillings- und
Drillingsschwangerschaften
Zwillinge ‰ Driullinge ‰
späte intrauterine
Sterblichkeit14/394 35,3 9/450 20,0
frühe neonatale
Sterblichkeit5/380 13,1 21/441 47,6
späte neonatale
Sterblichkeit6/380 15,8 6/441 13,6
perinatale Mortalität
(Gesamt)19/394 48,2 30/450 66,7
Quelle: Semmelweis Universität, I. Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Das Risiko von
Mehrlingsschwangerschaften
• hohe Rate an Frühgeburtlichkeit:
– geringere Überlebenschance
– erhöht Risiko für lebenslange Behinderung
• 25 % der Neugeborenen haben sehr niedriges
Geburtsgewicht (< 1500 g)
• fetale Fehlbildungen (doppelt so häufig)
• einzigartige Krankheiten
• höheres Risiko für mütterliche Komplikationen
"Nebenwirkung der Behandlung von
Unfruchtbarkeit”
Die Ätiologie der
Mehrlingsschwangerschaften
• Zweieiige oder brüderliche Zwillinge:
– Fertilisation von zwei separaten Eizellen
– Gesclecht: 30% gleichgeschechtlich, 70%
getrenntgeschichtlich
– Ätiologie und Prävalenz variiert (Rennen, erbliche
Unterschiede)
– tatsächliche Prävalenz steigt (mütterliches Alter,
Unfruchtbarkeit Therapie)
• Eineiige oder identische Zwillinge:
– einzelne befruchtete Eizelle teilt sich später
– genetisch 100% identische Föten
– ähnliches Geschlecht (inkl. HLA-Gene)
– Häufigkeit ist konstant in allen Rennen (Prävalenz
1/250)
Differenzierung der Zygotie
• monochoriale Plazenta: monozygot
• Getrenntgeschlechtliche Zwillinge: dizygotic
• Gleichgeschlechtliche Föten und dichoriale
Plazenta: ??
• Chorionizität ist sehr wichtig!! Monochoriale
Zwillinge:
– 3-10-fach perinatale Mortalität
– spezielle Krankheiten: Fetofetales Transfusionssyndrom
(FFTS), Tod eines Feten, Acardia, monoamniale
Zwillinge
Die Prognose von mono- und
dichorialen Zwillingen
• Hack et al, BJOG 2008; 115: 58-67
• 1995-2004; Tillburg, Utrecht; n=1305
MC n=198 DC n=1107
Geburt (Wochen) 35+4 36+5
Geburtsgewicht (g) 2151±705 2309±739
>20% discordancy 29,5% 25,5%
Perinatale Mortalität 116‰ 50‰
Intrauteriner Tod 76‰ 15‰
NEC (enterociolitis) 3,8% 0,9%
Die Struktur der Plazenta bei
eineiigen Zwillingen
Struktur der Plazenta
Zwillings-schwangeschaft
n=197
dichorial 154 (78,2%)
monochorial 20 (10,2%)
N/D 23 (11,7%)
Quelle: Semmelweis Universität, I. Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Unterscheidung der Chorionizität
• Ultraschall (I. Screening)
• Diagnose am Ende des 1. Trimenon:
– einzige Plazenta
– gleichgeschlechtliche Föten
– T-Zeichen oder Lambda-Zeichen/twin peak
– dünne Trennmembran
• Histopathologische Untersuchung nach der
Geburt
Fetofetales Transfusionssyndrom (FFTS)
• 5-15 % der MC-Zwillinge betreffen
• Akut: in der früheren Schwangerschaft kann zu frühem fetalen Verlust führen.
• Chronisch: Blutvolumenverschiebungen zwischen den Plazentakreisläufen
monochorialer Zwillinge durch Gefäßanastomosen der gemeinsamen Plazenta.
Ein Zwilling (Rezipient) bekommt zu viel Blut, was zu einer Belastung des
Herz-Kreislauf Systems führt. Der andere Zwilling (Donor) bekommt nicht
genug Blut
• Unbehandelt: 60-100% Mortalität
• Vorhandensein von tiefem unidirectionalen AV-Shunt, Abwesenheit von
oberflächlichen bidirektionalen AA, VV-Verbindungen*
*Bajoria R et al. Am J Obstet Gynecol 1995; 172: 856-863
Fetofetales Transfusionssyndrom (FFTS)
• Diagnose: mit Ultraschall
– einzige Plazenta
– gleichgeschlechtliche Föten
– Gewicht Discordance (nicht mehr verwendet)
– amniotische Flüssigkeit Discordance mit Stuck-Twin
(Oligo/Hydramnion Sequenz)
• Empfänger: Hydrops, Herzinsuffizienz
• Spender: abwesend enddiastolische Strömung
*Malone FD et al. Clin Perinatol 2000; 27: 1033-1046
Fetofetales Transfusionssyndrom (FFTS)
• Staging system in TTTS (Quintero)
– 1. Stufe: Spender Blase ist sichtbar
– 2. Stufe: Spender Blase ist nicht mehr sichtbar
– 3. Stufe: abnorme Doppler-Studien
(abwesend/rückwärts end-diastolische Strömung in
der Nabelarterie - Spender, rückwärts Strömung in
Ductus Venosus, pulsierende Strömung in der
Nabelvene - Empfänger)
– 4. Stufe: Aszites oder Hydrops in beiden Zwillingen
– 5. Stufe: Tod eines oder beider Zwillinge
*Quintero RA et al. J Perinatol 1999; 19: 550-555
Fetofetales Transfusionssyndrom (FFTS)
• Behandlung:
– konservative Management: nicht empfohlen
– frühe (2. Trimenon)
- selektive Abtreibung
- Beendigung der gesamten Schwangerschaft
- aggressive Management: physikalische Eingriffe
• serielle Amniocentese
• Trennmembran septostomy
• laser ablation
– mittleren bis späten 3. Trimenon: weniger aggressive
Behandlung je nach der Schwere der Erkrankung
Monoamniale Zwillinge
• Seltene Erkrankung (weniger als 1 % der MZ Zwillinge)
• Mit Ultraschall (keine sichtbare Trennmembran) wird die
Diagnose gestellt.
• Hohe Rate von fetalen Mortalität (30-68 %)
• Frühgeburt, kongenitale Anomalien, Nabelschnur
Komplikationen: Nabelschnurumschlingungen/ -
verknotungen sind häufig
• Akute Schnur Kompression ist unberechenbar
• Entbindung bei 32 Wochen mit Sectio
Komplikationen der
Zwillingsschwangerschaften
• Mütterliche:
– Präeklampsie, PIH
– Schwangerschafts-
diabetes
– zervikale Inkompetenz,
– Insuffizienz der Plazenta
– vorzeitge Plazentalösung
– Dystokie,
– primäre und sekundäre
Wehenschwäche,
– protrahierte Geburt
– postpartale Uterusatonie.
• Fetale:
– höheres Risiko einer
Frühgeburt,
– höhere perinatale Mortalität,
Morbidität,
– Gewicht discordancy,
– fetofetales
Transfusionssyndrom (FFTS),
– intrauteriner Tod,
– einzigartige Krankheiten
– Hydramnion,
– Lage- und Haltungsanomalien
Schwangerschaft-induzierte Hypertonie
bei Mehrlingsschwangerschaft
• plazentarischer Ursprung
• mehr oder größere Plazenta
• höheres Risiko der plazentaren Ischämie
• mütterliche und fetale Auswirkungen
• von 2-5 % Inzidenz in
Einzelschwangerschaften
Schwangerschaft-induzierte Hypertonie bei
Mehrlingsschwangerschaft
Zwillingen=197
% tripletpregnancy
n=130
%
Präeklampsie 17 8,6 9 6,9
trans. Hypertonie 3 1,5 8 6,1
HELLP Syndrom 1 0,5 3 2,3
PIH 21 10,7 20 15,4
chronischeHypertonie
5 2,5
Source: Semmelweis University, Ist Dept. Of Ob/Gyn
Schwangerschaft-induzierte Hypertonie bei
Mehrlingsschwangerschaft
Zwillingen=197
% Drillingen=130
%
Präeklampsie 17 8,6 9 6,9
trans. Hypertonie 3 1,5 8 6,1
HELLP Syndrom 1 0,5 3 2,3
PIH 21 10,7 20 15,4
chronischeHypertonie
5 2,5
Quelle: Semmelweis Universität, I. Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Schwangerschaft-induzierte Hypertonie
bei Mehrlingsschwangerschaft
• Buhling et al, Arch Gynecol Obstet 2003; 269: 33-36
• 1994-1997; Berlin; n=89
• 178 angepasste Kontollen
Zwillingen=89
AngepassteKontrollen
n=178
Hypertonie 9,0% 2,8%
Schwangerschaft-induzierte Hypertonie
bei Mehrlingsschwangerschaft
• pränatale Surveillance:
– Blutdruck
– Urin-analyse
– Körpergewichtszunahme
• Häufigere Besuche (jede 2. Woche)
• Management: Krankenhaus-aufenthalt (ansonstidentisch mit Einzelschwangerschaft)
Schwangerschafts-Diabetes bei
Mehrlingsschwangerschaft
• Plazentarischer Ursprung
• größeres Plazentagewicht
• höhere Menge an plazentaren diabetischen Hormonen
• Wirkung (Macrosomie, RDS, Hypoglykämie)
• 5% Inzidenz in Einzelschwangerschaften
• Screening und Diagnose: 75 g OGTT
Schwangerschafts-Diabetes bei
Mehrlingsschwangerschaft
Zwillingen=197
% Drillingen=130
%
Schwanger-schafts-diabetes
24 12,2 26 20,0
Quelle: Semmelweis Universität, I. Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Zervikale Cerclage bei
Mehrlingsschwangerschaft
• Indikationen für die Cerclage:
– prophylaktische (Geschichte)
– therapeutische (Ultraschall)
– Notfall (Untersuchung)
– Indikationen deutlich verringert!
Zervikale Cerclage bei
Drillingsschwangerschaft
CerclageGruppe
n=18
% KeineCercalgeGruppe
n=98
%
Geburt(Wochen)
31,5±3,6 32,4±3,2
Geburts-gewicht (g)
1573±498 1682±507
< 1500 g 24/53 45,3 103/281 36,7
Beatmung 13/20 65,0 102/191 53,4
Quelle: Semmelweis Universität, I. Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Zervikale Cerclage bei
Zwillingsschwangerschaft
• Berghella et al, 2005; 106: 181-189
• Metaanalyse von 4 randomisierten Studien
• Das Risiko einer Frühgeburt < 35 Wochen bei
Zwillingsschwangerschaft nach zervikaler Cerclage:
RR: 2,15, 95% CI: 1,15-4,01
Zervikale Cerclage bei Zwillings- und
Mehrlingsschwangerschaft ist nicht empfolen!
Krankenhausaufenthalt
• Vorteile:
– verlängerte Bettruhe
– Zugang zu Diagnostik und Behandlungen
• Nachteile:– Risiko für Thromboembolien
– Risiko für nosokomiale Infektion
– psychologische Symptomen
– borgt Ressourcen
Krankenhausaufenthalt
• Maclennan et al, Lancet 1990; 335: 267-269
• randomisierte kontrollierte Studie
• Die Politik der routinemäßigen Krankenhauseinweisung von Frauen mit Zwillingsschwangerschaften bis 26 Wochen ist nicht vorteilhaft für Mutter und Neugeborene.
Antepartum Management einer
Mehrlingsschwangerschaft
Congentale Anomalien
• Concordancy, discordancy
• Möglichkeiten:
– konservative Management,
– Abtreibung,
– Selectiv Feticide mit KCl:
schwere Anomalie, dichoriale
Plazenta, Fötus "B„ ist krank.
– (Multifetal Schwangerschaft
Reduction)
Behandlung:
• Früherkennung
• regelmäßige Überwachung des
Gebärmutterhalses
• Erkennung von Präeklampsie
• Diät (Proteine, Vitamine)
• Krankenhausaufenthalt
individualiziert
• Ultraschall alle 2-3 Wochen
• fetal surveillence (CTG, U/S,
BP, color Doppler)
Geburt bei
Mehrlingsschwangerschaft• Bedingungen:
– 2 Geburtshelfer,
– 2 Neonatologist,
– Freies OP, Anästhesist,
– Infusion
• Vaginale Entbindung: Fötus
"A" in Kopflage,
Schwangerschaftsalter > 33
Wochen, Fötus "B" nicht
deutlich größer
• CTG, Oxytocin
• Nach der Geburt des Föten "A":
vaginale Untersuchung,
Amniotomie, Grossteil des Föten
sollte in das Becken geführt
werden, (Geburt in 30 min.).
• Fötus „B” ist nicht in Kopflage:
podalic version und and
extraction oder Sectio.
• Aktives Management der dritten
Phase
• Sectio: Fötus "A" ist nicht in
Kopflage oder Fötus "B" ist in
Querlage, Drillinge, Vierlinge.