Die neue Arbeitswelt - Veränderungen, Umbrüche, Verschiebungen
Arbeit und Geschlecht
Roland Atzmüller
FORBA - Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt
www.forba.at
29.04.05
Die neue Arbeitswelt - Trends
• Rahmenbedingungen– Globalisierung und verstärkter Wettbewerbsdruck
– Neue Technologien - 3. Industrielle Revolution, Informations- und Kommunikationstechnologien
– Demographische Veränderungen: Alterung, Migration, Bildungsexpansion, Veränderung der Familienstrukturen
– Krise des Wohlfahrtsstaates und der Parteien bzw. Interessensvertretungen - Individualisierung?
– Tertiarisierung - Dienstleistungsgesellschaft
Die neue Arbeitswelt - Trends
• Trends am Arbeitsmarkt - Arbeitskräfteangebot– Feminisierung der Arbeit - Wachstum der
Frauenerwerbstätigkeit
– Migration
– strukturell verfestigte Arbeitslosigkeit
– Zunahme des Qualifikations- und Ausbildungsniveaus
– Alterung der Gesellschaft
– Postmaterialismus - Leben ist nicht nur Arbeit
Die neue Arbeitswelt - Trends
• Trends am Arbeitsmarkt - Arbeitsverhältnisse– Erosion des Normalarbeitsverhältnisses (40h Woche,
Sozialversicherung, unbefristet etc)
– Zunahme atypischer und prekärer Arbeitsverhältnisse (neue Selbständige, befristete Dienstverhältnisse, Leiharbeit)
– Teilzeitarbeit
– Working Poor/Niedrig Lohnsektor
– Re-Kommodifizierung: Stärkung des Warencharakters von Arbeitskraft/Flexibilisierung
– Krise des Lehrlingsausbildung
Die neue Arbeitswelt - Trends
• Veränderungen der Arbeit – Krise des Taylorismus/Fordismus: i.e. der rational-
bürokratischen Planung und Kontrolle der Arbeit (Fließbandarbeit, Aneignung des Wissens der ArbeitnehmerInnen/Dequalifikation, Atomisierung)
– Ende der Arbeitsteilung in Planung und Ausführung? - post-bürokratische Kontrollformen, ‚Rückgabe‘ das Wissens an Beschäftigte (Qualifizierung)
– Anreicherung von Aufgaben, Entscheidungsbefugnisse/ Partizipation
– Gruppenarbeit und neue Kooperationsformen
Die neue Arbeitswelt - Trends• Veränderungen der Arbeit - neue Kontrollformen
– Vermarktlichung innerbtrieblicher Abläufe
– Benchmarking, Targets
– neue Technologien (räumliche und zeitliche Trennung der Kontrolle)
– Gruppenarbeit, Netzwerke
– Subjektivierung - neue Anforderungen an den ganzen Menschen (Dienstleistungsarbeit)
– Selbststeuerung/-management
– Selbstoptimierung - Arbeit als Humankapital/ Lifelonglearning
Geschlechterverhältnisse und neue Arbeitswelt
• Geschlechtliche Verfasstheit der Arbeit– Geschlechtliche Arbeitsteilungen – Versorgungsarbeit
in der Familie
– Situation von Frauen in der Erwerbsarbeit – Benachteiligungen am Arbeitsmarkt
– Gesellschaftliche Institutionen konstruieren Geschlechterverhältnisse – “männliches Ernährermodell“, Rahmenbedingunen am Arbeitsmarkt, Arbeitszeitregelunen, Struktur der Wohlfahrtsstaaten (universelle vs abgeleitete Rechte etc)
Geschlechterverhältnisse und neue Arbeitswelt
• Geschlechtliche Verfasstheit der Arbeit– Geschlechterverhältnisse - Strukturkategorie der
Gesellschaft, wesentliche Dimension von Ungleichheit
• Ursachen geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Arbeit
– weibliches vs männliches Arbeitsvermögen?
– geschlechtsspezifische Präferenzen und Entscheidungen der Haushalte ?
– Zusammenhang von Arbeitsteilung in Familie und Erwerbsarbeit
– Versorgungsarbeit
Geschlechterverhältnisse und neue Arbeitswelt
• Bezahlte und unbezahlte Arbeit– Versorgungs- und Pflegearbeit in Familie
(Hausarbeitsdebatte)/Eigenarbeit
– Freiwilligenarbeit/Ehrenamt/Bürgerarbeit
– Notwendig für Gesellschaft - Welche Wertung? (Hausarbeitslohn)
– Teilhabe an Gesellschaft und gesellschaftlicher Zusammenhalt
– Rolle des Wohlfahrtsstaates: Rückbau und freiwillige Hilfe
Geschlechterverhältnisse und neue Arbeitswelt
• Befunde - Segregation am Arbeitsmarkt/Segmentierung der Arbeitsmärkte– horizontal: Frauen in bestimmen Sektoren
überrepräsentiert
– vertikal: Frauen in Hierarchien weiter unten (gläserne Decke)
– soziale Konstruktion von Berufen (Schließung!)
– Dienstleistungsarbeit ist mehrheitlich Frauenarbeit
– Segregation ist historisch variabel
Geschlechterverhältnisse und neue Arbeitswelt
• Segregation/Segmentierung - “Gendering von Arbeits und Arbeitsvermögen” – Technik ist sozial konstruiert (Annahmen zu
männlichem/weiblichem Arbeitsvermögen
– aktiver Ausschluss von Frauen aus bestimmten Bereichen durch Arbeitgeber aber auch Gewerkschaft
– Bei neuenstehenden Sektoren Trends oft uneindeutig
– Veränderung des geschlechtlichen Charakters - Männer verlassen Sektor für lukrativere Bereiche
– Feminisierter Sektor erfährt Abwertung
Geschlechterverhältnisse und neue Arbeitswelt
• Befunde - „Entgrenzung“ der Arbeit– Was ist/war ‚Begrenzung‘: Normalarbeitsverhältnis,
relative De-kommodifizierung durch soziale Rechte
– begrenzt auf Männer mit relativ hoher Qualifikation aus der ‚weißen‘ Bevölkerungsgruppe (in multiethnischen Gesellschaften)
– verknüpft mit bestimmter Familienform und geschlechtlicher Arbeitsteilung (3-fach freier Lohnarbeiter, der auch Versorgungarbeit enthoben)
– bestimmte Formen der Interessensvertretung
Dimensionen der Entgrenzung von Arbeit
• Arbeitszeit, Arbeitsort, Vertrag – Flexibilisierung: Steigerung der Verfügbarkeit der Arbeitskräfte
• Arbeitskraft – Person: Frage der Selbstorganisation und
Subjektivierung von Arbeit
– Arbeitsteilung: Gruppenarbeit, Selbststeuerung und Zielerreichung
• Betriebsorganisation: Nutzung der kollektiven Arbeitskraft/Kooperation als Produktivkraft,
Geschlechterverhältnisse und Entgrenzung der Arbeit
• Erosion des Normalarbeitsverhältnisses
• Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen (Telearbeit, Weiterbildung, Ausdehnung von Arbeitszeit...)
• selbstverantwortliche Strukturierung des Arbeitens, der Erhaltung und Optimierung der Arbeitskraft wird notwendig: Privatleben wird erfasst
• Feminisierung männlicher Erwerbsbiografien: Patchworkbiografien , atypische Beschäftigung
• Maskulinisierung weiblicher Erwerbsbiografien: strategische Lebensführung, Selbstoptimierung
Geschlechterverhältnisse und Entgrenzung der Arbeit
• geschlechtsspezifische Konstituierung von Arbeit und Arbeitsmärkten bleibt erhalten (Segmentierung)
• Entgrenzung nicht neu
• Integration durch Segregation: Zunahme weiblicher Erwerbstätigkeit in bestimmten Bereichen
• Polarisierung der Situation von Frauen: wenige hochqualifizierte/im Bereich des Managements stehen großer Zahl in prekären Arbeitsverhältnissen gegenüber
• Teilzeitarbeit ist Normalarbeitsverhältnis für Frauen: Einkommen gering, Zuverdienst, kein Erwerb sozialer Rechte, die Existenz sichern
Geschlechterverhältnisse und Entgrenzung der Arbeit
• Geschlechtliche Verfasstheit von Arbeit bleibt erhalten
• Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern verändert sich real kaum - Versorgungsarbeit weiter hauptsächlich von Frauen
• Stabilisierung geschlechtlicher Arbeitsteilungen durch Inanspruchnahme von Haushaltshilfen
• Migrantinnen - neues Geschlechterregime in Globalisierungsära, weibliche, migrantische Dienstleistungsklasse entsteht
Modelle der Entgrenzung von Arbeit
• Der Arbeitskraftunternehmer– Ich-AGs?
– Selbstkontrolle – Planung und Kontrolle der eigenen Tätigkeit, der “ganze Mensch” ist gefragt
– Selbst-Ökonomisierung – eigene Fähigkeiten als Humankapital betrachten und in sie investieren
– Selbst-Rationalisierung – Durchorganisation des Alltags und der Lebensführung, Verbetrieblichung der Lebensweise und der sozialen Beziehungen
Modelle der Entgrenzung von Arbeit - Arbeitskraftunternehmer
– Grenze zwischen Arbeit und Leben verschwimmt
– Frauen müssen sich an das männliche Modell der Erwerbstätigkeit anpassen – allzeit verfügbarer Berufsmensch ohne private Verpflichtungen
– Strategischen Lebensführung: etwa bezüglich eigener Bedürfnisse, sozialer Beziehungen, Formen des Ausdrucks (Kleidungsstil etc)
– Männlicher Bias – Nicht-zuständigkeit der Männer für Versorgungsarbeiten. Leben außerhalb der Arbeit bleibt unberücksichtigt
Utopien und Trends in der Arbeitswelt
• Krise der Arbeitsgesellschaft? - Ende der (Lohn-)arbeit
• Vom Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit (Karl Marx)
• Neuer Arbeitsbegriff?
Utopien und Trends in der Arbeitswelt
Drei Dimensionen
A - Neue Arbeitsbegriffe:• Frage der Bewertung von Arbeit: feministische Debatte über
Versorgungsarbeit
• Ziel von Arbeit und Produktion: Profit/Geld oder Erfüllung gesellschaftlicher und individueller Bedürfnisse
• Drastische Reduktion der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit!
• Arbeit und Nachhaltigkeit: nicht mehr Resourcen verbrauchen als geschaffen werden, Orientierung auf Zukunft
Utopien und Trends in der Arbeitswelt
B - Grundsicherung/-einkommen• Krise des Wohlfahrtsstaates - Neue Armut/Arbeitslosigkeit
• ‚Nährpflicht‘ - alle haben Recht auf Anteil des von Gesellschaft erzeugten Werts: Frage der Höhe
• Recht auf Existenz und Teilhabe an Gesellschaft
• Gesellschaften so produktiv, dass Not und Elend überwunden werden könnten
• Aber - neoliberale Vorstellung negativer Einkommenssteuer und eines Basiseinkommens zur Verhinderung von Armut, Anreiz zu Lohnarbeit soll erhalten bleiben
Utopien und Trends in der Arbeitswelt
C - Radikale Demokratisierung der Arbeitswelt
• Ausdehnung der Demokratie auf Arbeitswelt
• Die soziale Frage als demokratische Frage
• Welche Eigentumsform ist adäquat?
• Wem gehört der gesellschaftliche Reichtum?
• Wer bestimmt über seine Verteilung?
• Basisdemokratische Vorstellungen
Utopien und Trends in der Arbeitswelt
Modelle• historisch: Genossenschaften und Rätedemokratie,
Selbstverwaltung
• Subsistenz (Werlhof/Mies/Bennholdt-Thomson)
• technologische Utopien
• Tauschringe
• Kooperativen
Soziale Experimente und Erfahrungen der Praxis oder Entwürfe und Pläne genialer
Denker?