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Die Reorganisation der Versicherungsaufsichtin Westdeutschland 1945 -1951

VonDieter Krüger, Koblenz

Inhaltsübersicht

I. Die Entwicklung bis 1945

II. Die Reorganisation 1945/46

III. Auseinandersetzungen um ein Bizonenaufsichtsamt 1947/48

IV. Die Einrichtung des Bundesaufsichtsamtes

V. Schluß

Das Versicherungswesen in Deutschland hat von Anbeginn über-durchschnittlich am Wirtschaftswachstum teilgenommen; die dominie-

rende Rolle der Privatversicherung innerhalb der Wettbewerbsver-sicherung wurde gleichzeitig bestätigt und gekräftigt.' Als „autonomgestaltbares Instrument der Risikopolitik" entspricht die Privatver-sicherung dem dezentralen Entscheidungs- und Risikomodell der aufPrivateigentum beruhenden Marktwirtschaft? Die Notwendigkeit desSchutzes einer wachsenden Zahl von Versicherungsnehmern und dieRolle der Versicherungen als Kapitalsammelstelle rückte diese jedochbereits vor der Jahrhundertwende ins Zentrum staatlichen Interesses.Neben der allgemeinen Gewerbeüberwachung und der Bergaufsichtwurde die Versicherungsaufsicht dann auch „die klassische Wirtschafts-aufsicht „von „modellartiger Bedeutung" .3

Als die Versicherungsaufsichtsbehörde 1901 auf Reichsebene ein-gerichtet wurde, war sie nicht zuletzt eine Alternative zur Verstaat-

lichung des Versicherungswesens! Tatsächlich arbeitete die Aufsicht

1 Vgl. K. Hax, Die Bedeutung des Versicherungswesens im Industrialisie-rungsprozeß, in: ZVersWiss 1963, S. 19 - 44, bes. 29 ff.

2 D. Fanny, Privatversicherung, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissen-schaften (HdWW), Stuttgart 1977 - 1983, Bd. 6, S. 232 - 256, S. 244. Vgl. auch

ders., Die Versicherungswirtschaft im Wettbewerbskonzept der Marktwirt-schaft, in: ZVersWiss 1979, S. 31 - 74 mit weiteren Verweisen auch zur histo-

rischen Literatur.3 R. Schmidt, Wirtschaftsaufsicht, in: HdWW, Bd. 9, S. 34-44, S. 38.4 Vgl. L. Arps, Auf sicheren Pfeilern. Deutsche Versicherungswirtschaft vor

1914, Göttingen 1965, S. 88 - 94.

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bald sehr eng mit den Unternehmen zusammen. Sie sorgte für die Ein-grenzung des Wettbewerbs und beugte spektakulären Zusammenbrü-chen vor, auch wenn ihr das nicht immer gelang. Die Aufsichtsbehörderückte geradezu in die Rolle eines Anwalts der gemeinsamen Interessendes Versicherungsgewerbes. Folglich vollzog sich in der Versicherungs-aufsicht „auch ohne förmliche Korporierung der Sache nach etwas ähn-liches".5 Nicht zuletzt durch die Instrumentalisierung der Versiche-rungsaufsicht gelang es später der nationalsozialistischen Finanzpolitik,das Privatversicherungswesen in das System der „geräuschlosen Kriegs

-finanzierung" einzubeziehen .6 Mit der Niederlage des Nationalsozialis-mus brach auch die bis dahin kontinuierliche Entwicklung der Ver-sicherungsaufsicht ab. Ihre Reorganisation nach 1945 war aufs engsteverknüpft mit:

— der Wiedererrichtung deutscher Verwaltungen im Spannungsfeldder gegensätzlichen Politik der Alliierten,

— der Auseinandersetzungen um Bund- und Länderkompetenzen imVorfeld und während der Gründung der Bundesrepublik,

— der traditionellen Rivalität zwischen öffentlich -rechtlichen und pri-vaten Versicherungsunternehmen,

— und insgesamt mit der Entscheidung für eine marktwirtschaftlicheOrdnung in Westdeutschland.

1. Die Entwicklung bis 1945

Schon im 19. Jahrhundert bestand in verschiedenen deutschen Staa-ten eine wenig wirksame staatliche Aufsicht? 1883 erarbeitete dasReichsamt des Innern einen ersten Entwurf zur reichseinheitlichenRegelung. Die Debatte führte schließlich 1901 zur Verabschiedung desVersicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Es muß im Lichte der zuneh-menden Diskussion der interessierten Öffentlichkeit über Wesen undZiel der wirtschaftlichen Organisations- und Konzentrationsbewegungnach 1890 verstanden werden .8 Durch etliche Schwindelunternehmen

5 W. Weber, Verfassungsprobleme der Versicherungsaufsicht, in: ZVersWiss1968, S. 227 - 249, S. 249.

6 Vgl. dazu K.-H. Hansmeyer / R. Caesar, Kriegswirtschaft und Inflation(1936 - 1948), in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 - 1975, hrsg.v. Deutsche Bundesbank, 2. Aufl., Frankfurt 1976, S. 367 - 429 mit weiterenVerweisen.

7 Zu Preußen vgl. H.-C. Atzpodien, Die Entwicklung der preussischenStaatsaufsicht über das private Versicherungswesen im 19. Jahrhundert unterbesonderer Berücksichtigung ihres Verhältnisses zum Wirtschaftsliberalismus,Diss. Bonn 1982.

8 Vgl. dazu F. Blaich, Kartell- und Monopolpolitik im kaiserlichen Deutsch-land, Düsseldorf 1973.

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genährt, bestanden besonders in konservativen Kreisen Tendenzen zurVerstaatlichung des Versicherungsgewerbes. Das VAG stellte die ein-zelnen Gesellschaften in einen reichseinheitlichen rechtlichen Rahmen.Freilch unterlagen kleinere Privatunternehmen von regionaler Bedeu-tung ebensowenig dem VAG wie die öffentlich-rechtlichen Gesellschaf-ten.9

Bis zum Ersten Weltkrieg schuf das „Reichsaufsichtsamt für Privat-versicherung" (RAA) auf der Grundlage des VAG die Grundsätze sei-

ner Tätigkeit. Wie das VAG selbst sind sie im Prinzip bis heute gültig.Das laufende Geschäft der Unternehmen vollzieht sich nach Geschäfts-

plänen, die vom Aufsichtsamt genehmigt werden. Jährliche Rechnungs-

legung nach einheitlichen Regeln und regelmäßige Prüfungen ermög-

lichen die fortlaufende Kontrolle. Darüber hinaus setzte das RAA die

Trennung der Sach- von der Lebensversicherung durch. Letztere unter-

liegt hinsichtlich ihrer Deckungsrücklagen besonderen Bestimmungen.10

Bereits im Gefolge der Inflation von 1922/23 änderten sich die Kom-

petenzen des RAA. Seit 1931 jedoch führte die Entwicklung weg von

der „bloß gewerbepolizeilich kontrollierenden Funktion" staatlicherVersicherungsaufsicht hin zur „wirtschaftspolitischen Lenkungsauf-

gabe". 1e Dem Gesetz zur Änderung des VAG vom 20. März 1931 12 war

eine stürmische Konzentrationsbewegung im gesamten Versicherungs-

gewerbe und der Zusammenbruch der „Frankfurter Allgemeinen Ver-

sicherungsaktiengesellschaft" im Jahre 1929 vorangegangen 1 3 Dabeiwird eine gewisse Parallelität zum Kreditgewerbe offenkundig. Einestarke Expansion und Konzentration gipfelte unter den Auspizien der

Weltwirtschaftskrise in einer Bankenkrise. Im Zuge ihrer Bereinigung

wurde die Reichsaufsicht über das Kreditwesen eingerichtet. 14

9 Vgl. Motive zum Versicherungsaufsichtsgesetz, Berlin 1963, wo Entwurf,Begründung und Verhandlungen des Reichstages abgedruckt sind, sowieArps, Pfeiler, S. 433 - 446.

10 Vgl. Reichsgesetzblatt (RGB1), 1901, S. 139 - 173, sowie O.-E. Starke, DieEntwicklungslinien der materiellen Staatsaufsicht in der ersten Hälfte des20. Jahrhunderts, in: 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht nach demGesetz vom 12. Mai 1901, hrsg. v. W. Rohrbeck, 3 Bde., Berlin 1952/55, Bd. III,S. 11 - 144, hier S. 14 - 18; W. Rohrbeck, Cinquant'anni di controllo economicofinanziario in Germania sulle imprese di assicurazione, in: Assicurazione, 21,Rom 1954, S. 1 - 19, S. 6 f.

tl W. Weber, Die Rechtssetzungsbefugnisse des Reichs- und Bundesauf-sichtsamtes in der Versicherungsaufsicht, in: 50 Jahre, Bd. I, 49 - 72, S. 50.

12 Vgl. Motive, S. 338 - 384.13 Vgl. L. Arps, Durch unruhige Zeiten. Deutsche Versicherungswirtschaft

seit 1914, 2 Bde., Karlsruhe 1970, bes. Bd. I, S. 377 - 380, 404 - 417, 422 - 428,Bd. II, S. 7- 11.

14 Vgl. dazu K. E. Born, Die deutsche Bankenkrise 1931. Finanzen undPolitik, München 1967.

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Im Bereich der Versicherungsaufsicht wurden bestehende Instru-mente verschärft. Unter anderem wurde die Übertragung von Ver-sicherungsbeständen ohne Zustimmung der Versicherten ermöglicht.Rückversicherungsunternehmen und Bausparkassen wurden aufsichts-pflichtig. Ein weiteres Anderungsgesetz vom 5. Mai 1937 15 in Verbin-dung mit Richtlinien des Reichswirtschaftsministeriums dehnte die Be-fugnisse des RAA erneut aus. Der neugeschaffene § 81 a VAG erlaubtedie Geschäftsplanänderung für laufende Versicherungsverhältnissedurch die Aufsichtsbehörde. In Verbindung mit § 89 bot diese Bestim-mung einen weiten Spielraum „zur generellen Ordnung verschiedenerVersicherungsfragen" 1 8 In den unmittelbaren Nachkriegsjahren solltensich die Generalklauseln als nützliche Aufsichtsinstrumente erweisen.

Allerdings unterlag das RAA auch einer gegenläufigen Tendenz. DieAufsicht übte zwar schon immer einen informellen Einfluß auf die Prä

-miengestaltung aus, wenn auch nur insofern, als sie Prämienkartelleund Wettbewerbsabsprachen ausdrücklich billigte. Mit der Kriegswirt-schaftsverordnung vom 4. September 1939 wurden die Prämien jedocheiner rigorosen Genehmigungspflicht unterworfen. Das RAA hatte darinseine Kompetenzen mit dem „Reichskommissar für die Preisbildung"zu teilen. Ferner setzte die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik andie Stelle der früheren Verbände der Versicherungswirtschaft eine ein

-heitliche „Reiehsgruppe Versicherungen", die in zwei „Wirtschaftsgrup-pen" (Privatversicherungen und Öffentlich-Rechtliche) untergliedertwar. Die Wirtschaftsgruppe übernahm einerseits die traditionelle Funk-tion, die gemeinsamen Angelegenheiten des Gewerbes und seinerBranchen in Zusammenarbeit mit dem RAA zu regeln. Andererseitsgriff die Organisation auf Grundlage obligatorischer Mitgliedschaft im-mer stärker in die Tätigkeit der einzelnen Unternehmen ein. Zwangs-läufig kam es zu Kompetenzüberlagerungen mit dem RAA. Obgleichsich die Wirtschaftsgruppe Privatversicherungen wohl immer noch umdie Vertretung der Interessen der Unternehmen bemühte, war sie demFührerprinzip entsprechend dem Wirtschaftsminister gegenüber wei-sungsgebunden. Bei insgesamt wachsenden Kompetenzen der Versiche-rungsaufsicht gegenüber den einzelnen Unternehmen nahm ihre frühererelative Autonomie im Verhältnis zu den politischen Instanzen ab. So-wohl das RAA wie die Wirtschaftsgruppe fungierten immer mehr alsInstrumente der nationalsozialistischen Finanz- und Wirtschaftspoli-tik.17 Parallel zum Wandel der Versicherungsaufsicht vollzog sich im

15 Vgl. Motive, S. 387 - 389.16 O.-E. Starke, Die Anordnungen der Versicherungsaufsichtsbehörden

nach den §§ 81, 81 a, 89 VAG, in: 50 Jahre, Bd. I, S. 73 - 103, S. 99.17 Vgl. F. Büchner, Die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung über die

Versicherungsaufsicht bis zum Bundesgesetz vom 31. Juli 1951, ebd., Bd. I,

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übrigen die Umgestaltung der Aufsicht über das Kreditgewerbe. Das1939 neu gebildete „Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen" wurdedem Wirtschaftsminister nachgeordnet; die Autonomie der Reichsbankwurde restlos beseitigt. Diese generelle Zentralisierung im Bereich derKreditpolitik hatte vornehmlich ein Ziel: die Konsolidierung der rapidewachsenden kurzfristigen Reichsschuld 1s

Vor allem im Kriege häuften sich die Eingriffe der Versicherungs-aufsicht in die Tätigkeit der Unternehmen, um Kriegsschäden und-folgen zu regeln, was insbesondere Kranken- und Lebensversichererbelastete1 9 Entscheidend wurde jedoch die Lenkung der Kapitalanlagen,wobei naturgemäß die Lebensversicherungen die bedeutendste Rolle

spielten. In den 1930er Jahren hatten letztere einen beträchtlichen Auf-schwung verzeichnet, der die Erholung der Sachversicherungen in den

Schatten stellte. Entsprechend expandierte das Anlagevermögen der

Lebensversicherungen. 1939 mußten zwei Drittel der Anlagemittel allerVersicherungen dem Reich zur Verfügung gestellt werden, 1942 bereitsdrei VierteL20 Über die gesetzlichen Maßnahmen hinaus scheint der

Chef des RAA — ein „ausgeprägter Parteimann" — immer wieder in-

formellen Druck zugunsten einer Kreditversorgung der Rüstungsindu-

strie durch die Versicherungsunternehmen ausgeübt zu habem2 1 BisKriegsende waren auf diese Weise von einer auf rund 388 Mrd. DM

lautenden Reichsschuld immerhin 25 Mrd. bei den Versicherungen un-

tergebracht worden 22

Trotz dieser für die Privatversicherungen insgesamt katastrophalenEntwicklung konnten sie mit der Verordnung zur Vereinheitlichungder Versicherungsaufsicht vom 28. Februar 1943 ein jahrelanges Ringenfür sich entscheiden 23 Während die Privatversicherungen nämlich nach

S. 1 - 48, hier S. 21 - 35 mit Angabe der Fundstellen; E. Fincke / C. Pfeiffer,Markt-, Preis- und Wettbewerbsordnung im Aufsichtsrecht und in der Auf

-sichtspraxis, ebd., S. 104 - 146, hier S. 132 - 136; E. Schako, Staatsaufsicht undWirtschaftsgruppen im Versicherungswesen Deutschlands, Diss. Berlin 1940;Starke, Entwicklungslinien, S. 27-40.

18 Vgl. F. Facius, Wirtschaft und Staat, Boppard 1959, 139 f.; Hansmeyer lCaesar, S. 378 - 418.

19 Vgl. Starke, Entwicklungslinien, S. 40 - 45.Y0 Vgl. Verband der Lebesnversicherungsunternehmen, Geschäftsbericht

1938 - 1948, 3 Bde., Frankfurt 1948, Bd. I, S. 13 - 18; Arps, Unruhige Zeiten,Bd. II, S. 213 - 219.

Y 1 L. Arps, Wechselvolle Zeiten. 75 Jahre Allianz Versicherung 1890 - 1965,o. 0. u. J., S. 118. Vgl. auch Bundesarchiv Koblenz (BA), Office of the Mili-tary Government of the United States (OMGUS) (= Microfiches), FinancialAdviser (FINAD), 2/58/5, 17/633/2, Interrogation of Kurt Schmitt, 15.7.1947,Int. of Kurt Hamann, 9.5. 1947. Vgl. dagegen Starke, Entwicklungslinien, S. 44.

22 Vgl. Geschäftsbericht, Bd. II, S. 10.23 RGB1, 1943, I, S. 133.

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einheitlichen Richtlinien vom RAA kontrolliert wurden, unterlagen die

öffentlich-rechtlichen Gesellschaften bis dahin der unterschiedlich stren-gen Aufsicht der Länder. Seit 1926 waren die Öffentlich-Rechtlichenmit Unterstützung der sie tragenden Körperschaften (Länder, Provin-zen, Kommunalverbände usw.) zunehmend in Konkurrenz mit denPrivatunternehmen getreten. Wie diese boten sie Lebens- und Sach-versicherungsverträge an, und das zu teilweise günstigeren Tarifen.Die Privaten erkannten in der Abhängigkeit der Kontrollierten vomKontrollierenden einen Wettbewerbsnachteil. Folglich hatten sie immerwieder Vorstöße unternommen, um die Sonderstellung der Öffentlich-Rechtlichen zu beseitigen, soweit sie im Bereich der Wettbewerbsver-sicherung tätig waren?' Mit der neuen Verordnung übernahm das RAAdie Fachaufsicht über die Öffentlich-Rechtlichen. Den Landesbehördenverblieb die Dienstaufsicht?5 Überdies erteilte die Verordnung den Be-strebungen einer einflußreichen Gruppe von Nationalsozialisten an derSpitze öffentlich-rechtlicher Unternehmen eine Absage, die die Ver-staatlichung der Privaten gefordert und sich angesichts der Umbildungder Reichsgruppe im Jahre 1939 ihrem Ziel nahe gewähnt hatte 26 Frei-lich war die Fortgeltung dieses Führererlasses nach 1945 fraglich.

Fraglich war nunmehr die Zukunft des gesamten Versicherungs-

gewerbes. Der Verlust der Ostgebiete, die Zersplitterung in Besat-

zungszonen, der Zusammenbruch der Infrastruktur und vor allem der

Verlust an Gebäuden und Unterlagen stellte die Überlebensfähigkeitvieler Gesellschaften in Frage. Vor allem aber hing die Zukunft von

den Entscheidungen der Alliierten ab. Sie übernahmen ein entwickeltesAufsichtssystem mit weitreichenden Kompetenzen, das die Rekonstruk-

tion des Versicherungswesens erleichtern konnte.

II. Die Reorganisation 1945/46

In einer für das amerikanische Kriegsministerium bestimmten Aus-arbeitung eines „Civil Affairs Guide", welche die Grundsätze der künf-

tigen Besatzungspolitik reflektierte, beschäftigte sich das „Office ofStrategic Services" (OSS) 1944 auch mit dem deutschen Versicherungs-wesen. Allgemein stellte das Büro fest, daß „the nucleus of the Germaninsurance industry is soundly constructed and the insurance carriersmay be kept in their present corporate structure". Freilich empfahl dasOSS, das Auslandsgeschäft der deutschen Versicherungsgesellschaften

24 Vgl. Arps, Unruhige Zeiten, Bd. II, S. 13 - 18.25 Vgl. G. Schattschneider, Das Versicherungsaufsichtsrecht in seiner Ent-

wicklung von der Reichsaufsicht zur Bundesaufsicht, Diss. (Typoskript) Ham-burg 1951, S. 14 - 30.

26 Vgl. Arps, Wechselvolle Zeiten, S. 118; Schako, S. 26 - 28.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 125

zu unterbinden und die von der „Deutschen Arbeitsfront" weitergeführ-ten ehemaligen Gewerkschaftsversicherungen unter alliierte Kontrollezu stellen. Das auch in den Augen des OSS einflußreiche und effizienteRAA dagegen sollte als Beratungsorgan der Alliierten fortgeführt wer-den 27

Im September 1945 richtete der Alliierte Kontrollrat einen Ausschußfür Versicherungsfragen ein. In der ersten Sitzung betonten die west-alliierten Vertreter, daß man mangels einer gemeinsamen alliiertenVersicherungspolitik alles beim alten belassen habe. Man billigte dievorläufige Arbeit der inoffiziellen Ausschüsse der Versicherungswirt

-schaft, die sich um die Reorganisation des Geschäfts bemühten. Derfranzösische Vorschlag eines gesamtdeutschen Versicherungsausschussesstieß vor allem beim sowjetischen Delegierten auf Ablehnung. Er stelltedie in der Ostzone eingeleitete Regionalisierung des Versicherungs-wesens vor. In Zukunft sollte das gesamte Geschäft von Provinzial-bzw. Landesgesellschaften öffentlich-rechtlicher Natur unter Aufsichteiner zentralen Zonenfinanzverwaltung wahrgenommen werden. Daseigenmächtige Handeln stieß auf die Kritik der Westalliierten. Freilichbestanden auch zwischen Amerikanern und Briten konzeptionelle Di-vergenzen. Der britische Vertreter kündigte die Errichtung eines Zo-nenaufsichtsamtes an. Es sollte mit den für die britische Zone ein

-zurichtenden Zonengeschäftsleitungen der Versicherungsunternehmenzusammenarbeiten, sofern deren Vorstände nicht ohnehin in der bri-tischen Zone saßen. Bei aller Übereinstimmung im Grundsätzlichenfürchtete der amerikanische Delegierte, die britische Politik werde zueiner „organization similar in its aims to that already formed in theSowiet zone" führen. Tatsächlich sollten sich die Amerikaner bis fast ansEnde der Besatzungszeit einer zentralen Versicherungsaufsicht wider-setzen. Die gegensätzliche Empfehlung eines Mitarbeiters der Finanz-abteilung der Militärregierung, daß man das frühere RAA baldmög-lichst wieder ins Leben rufen sollte, konnte sich nicht durchsetzen. 8 An-gesichts der unüberbrückbaren Gegensätze entschied der Versicherungs-ausschuß des Kontrollrats, daß „each Military Government ... respon-sible for the composition and supervision of a German control service"sein solleY9 Damit war das Problem der Versicherungsaufsicht auf ge-samtdeutscher Ebene kein Thema mehr. Die Reorganisation der Auf

-sichtsbehörden vollzog sich folglich in jeder Zone unterschiedlich.

27 BA, OMGUS, FINAD, 2/110/1, Civil Affairs Guide, Insurance Compa-nies. Suggested Controls, 15. 12. 1944.

28 Vgl. ebd., 17/63/2, Colonel R. H. Hill an Director, Finance Div., 12.9. 1945.2 9 Ebd. 17/63/3, Allied Control Authority (ACA), Finance Directorate, In-

surance Committee, 29.9. u. 12. 10. 1945.

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Derartige ,Entscheidungen` kennzeichneten bald die Politik des Kon-trollrats. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt und an diesem insgesamtdoch untergeordneten Aspekt wird deutlich, daß der Kontrollrat alleinauf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners funktionsfähigwar. 1947 verabschiedete er noch die Gesetze Nr. 47 und 5780 GesetzNr. 47 untersagte den deutschen Versicherern jegliches Auslands

-geschäft. Die Amerikaner realisierten damit ihre ursprüngliche Vor-stellung, der sich auch die Briten nicht widersetzen wollten. Die So-wjets hatten 1946 alle Privatversicherungen aufgelöst und deren Be-stände auf die Monopolanstalten der Länder und Provinzen übertragen 3'Daß den Privatversicherern der Westzonen das Auslandsgeschäft unter

-sagt wurde, konnte ihnen nur recht sein. Die durch Gesetz Nr. 57 voll-zogene Auflösung der Arbeitsfront-Versicherungen konnte ebenfallsnicht auf sowjetischen Widerspruch stoßen 32

Schon Anfang 1946 zeichnete sich das Scheitern des amerikanischenVersuchs ab, mit dem Kontrollrat eine gesamtdeutsche Politik zu initi-ieren. Für die sowjetische Militärregierung war der im Potsdamer Ab-kommen vereinbarte Abbau wirtschaftlicher Macht und die Demokrati-sierung der deutschen Gesellschaft gleichbedeutend mit der Verstaat-lichung wirtschaftlicher Schlüsselbereiche. Das machte die in Ost

-deutschland entstehende Wirtschaftsordnung in amerikanischen Augennicht weniger zentralistisch bzw. monopolistisch als vorher. Schließlichlief das amerikanische Konzept auf die Errichtung eines an den eigenenInstitutionen und Werten orientierten dezentralisierten, liberal-kapita-listischen Systems hinaus. Dabei trat der Aspekt der Dezentralisierungzumindest in der Wirtschaftspolitik allmählich zugunsten der Effizienzzurück, verschwand aber keineswegs. Trotz des Vorschlags einer ge-samtdeutschen Versicherungsaufsicht vertraten die Franzosen das Kon-zept der Dezentralisierung Deutschlands im allgemeinen noch pronon-cierter als die Amerikaner. Das französische Sicherheitsbedürfnis unddas Interesse, die eigene Zone ökonomisch zu nutzen, dominierten zu-nächst alle anderen Erwägungen. Wie aus der vorgestellten Kontroll-ratsdebatte hervorgeht, verfolgten die Briten eine andere Politik. Nichtzuletzt die Angst vor dem ökonomischen und finanziellen Zusammen

-bruch bewog sie zum Erhalt effizienter, und das hieß in der Regel ebenzentralisierter Strukturen. Die alten Reichsministerien feierten in Ge-

30 Vgl. Amtsblatt des Kontrollrats, Nr. 14, 31.3. 1947, S. 263 f., Nr. 17, 31. 10.1947, S. 289 - 292.

sl Zur Entwicklung in der Ostzone vgl. H. Möller, Neuordnung der Privat-versicherung in der sowjetischen Besatzungszone. Rechtsquellen mit systema-

tischer Einführung, Hamburg 1948; H. Bader, Entwicklung des Versicherungs-wesens in der DDR, in: Versicherungswissenschaftliches Archiv, 1956,S.257-277.

32 Vgl. auch Schattschneider, S. 165 - 168.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 127

stalt der Zentralämter für Wirtschaft, Arbeit, Ernährung und Land-wirtschaft, der Finanzleitstelle, des Zonenhaushaltsamtes u. a. in derbritischen Zone bald eine Art Wiederauferstehung.33 Sozialisierungs-erwägungen der englischen Labour-Regierung — die der amerikanischeDelegierte hinter den britischen Plänen zur Errichtung eines Zonen

-aufsichtsamtes vermutet haben mag — bestanden, wenn überhaupt,allenfalls für die Schwerindustrie an Rhein und Ruhr. Ein stringentesordnungspolitisches Konzept lag jedoch nicht vor, wie überhaupt einegewisse Konzeptionslosigkeit die britische Besatzunspolitik kennzeich-nete 84

Die richtige Vermutung, die britische Besatzungsmacht werde sichden bestehenden ökonomischen und administrativen Strukturen gegen-über am tolerantesten verhalten, hatte schon die Großbanken ver-anlaßt, ihre Vorstände noch vor Kriegsende nach Hamburg zu ver-lagern. Tatsächlich fand das Kreditgewerbe britische Unterstützung ge-gen die vor allem von den Amerikanern vorangetriebene Bankendezen-tralisierung. Bei wachsender ökonomischer und politischer Abhängigkeitvon den Vereinigten Staaten nahmen jedoch Fähigkeit und Bereit

-schaft der britischen Militärregierung ab, alternative Vorstellungendurchzuhalten.35 Ähnlich verhielt es sich auf dem Feld der Versiche-rungsaufsicht.

33 Vgl. W. Vogel, Westdeutschland 1945 - 1950. Der Aufbau von Verfas-sungs- und Verwaltungseinrichtungen über den Ländern der drei westlichenBesatzungszonen, 3 Bde., Koblenz 1956 - 1983, Bd. I, S. 18 f., Bd. II, S. 8 - 10,130 - 133, Bd. III, S. 59 - 67, 70 - 74, 425 - 431; 1. Girndt, Zentralismus in derBritischen Zone. Entwicklungen und Bestrebungen beim Wiederaufbau derstaatlichen Verwaltungsorganisationen auf der Ebene oberhalb der Länder1945 - 1948, Diss. Bonn 1971, S. 13 - 129.

34 Aus der umfangreichen Literatur vgl. T. Piinder, Das bizonale Inter-regnum, Waiblingen 1966, S. 40 - 47; J. Gimbel, Amerikanische Besatzungs-politik in Deutschland 1945 - 1949, Frankfurt 1971, S. 59 - 70; C. F. Latour lF. Vogelsang, Okkupation und Wiederaufbau. Die Tätigkeit der Militärregie-rung in der amerikanischen Besatzungszone 1944 - 1947, Stuttgart 1973, S. 155 -157; G. Ambrosius, Funktionswandel und Strukturveränderung der Büro-kratie 1945 - 1949. Das Beispiel der Wirtschaftsverwaltung, in: H. A. Wink-ler (Hrsg.), Politische Weichenstellungen im Nachkriegsdeutschland 1945 -1953, Göttingen 1979, S. 167 - 207, bes. S. 168 - 191; C. Scharf / H.-J. Schröder(Hrsg.), Die Deutschlandpolitik Großbritanniens und die britische Zone 1945 -1949, Wiesbaden 1979, hier bes. den Beitrag von G. J. Trittel; dies. (Hrsg.),Die Deutschlandpolitik Frankreichs und die französische Zone 1945 - 1949,Wiesbaden 1983, bes. den Beitrag von K.-D. Henke; D. Petzina / W. Eucher(Hrsg.), Wirtschaftspolitik im britischen Besatzungsgebiet 1945 - 1949, Düssel-dorf 1984, hier bes. die Beiträge von A. S. Milward, F. Pingel u. W. Plumpe.

85 Vgl. T. Horstmann, Die Angst vor dem finanziellen Kollaps. Banken -und Kreditpolitik in der britischen Zone 1945 - 1948, in: Petzina / Eucher,S. 215 - 233; D. Krüger, The American Attempt to Decentralize the GermanBig Banks After 1945, in: Rivista di storia economica/International Issue, 1,Turin 1984, S. 94-118.

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Trotz großer Schwierigkeiten nahmen die meisten Versicherungs-gesellschaften ihre Geschäfte ,vor Ort' bald wieder auf. Ein zeitgenös-sischer Bericht konstatierte: „A few months after the initial occupationinsurance companies were functioning somewhat more normally. `3

Zwar waren durch die Abtrennung Mittel- und Ostdeutschlands erheb-liche Verluste an Anlagen und Beständen eingetreten; die Geschäfts

-tätigkeit vollzog sich auf erheblich reduziertem Gebiet. Dennoch hattesich das Prämienaufkommen und damit die Grundlage des Geschäftsbis zur Währungsreform wieder einigermaßen erholt. Dabei lagen dieLebensversicherer erneut deutlich vorn, während die Sachversicherereine Diskrepanz zwischen erhöhten Schäden und weiterhin preisgebun-denen Prämien beklagten. Bereits 1946 waren die meisten Unterneh-men der Westzonen reorganisiert. Bis 1947 hatten sich auch die meistenGesellschaften von überregionaler Bedeutung unter Verlust ihrer An-lagen aus der Ostzone in den Westen verlagert. Dabei zeichnete sicheine deutliche Präferenz für die britische Zone ab, obwohl auch Berlinseine Rolle als eine der Versicherungsmetropolen bis Ende 1947 nochnicht eingebüßt hatte 37

Trotz rasch fortschreitender physischer Reorganisation der Gesell-schaften dauerten gewaltige versicherungstechnische Probleme fort: DieWährung war zerrüttet. Große Wanderungsbewegungen hatten statt-gefunden; den Forderungen sogenannter „Ost-Versicherter" standenkeine Anlagen mehr gegenüber usf. Zusätzlich agierten die Gesellschaf-ten während der ersten Monate im aufsichtsfreien Zustand. Die Reichs

-gruppe wurde als NS-Organisation automatisch aufgelöst. Da sie immerstärker in die Politik der Gesellschaften eingegriffen hatte, hinterließsie ein Vakuum. In dieser Situation billigten die Westalliierten ebendie Arbeit jener Gremien, die das Versicherungsgewerbe bald nach demEnde der Kampfhandlungen einrichtete. In Bayern bildete sich bereitsim Juni 1945 ein Allbranchenverband. In Württemberg-Baden bestätig-ten die Amerikaner im November 1945 einen Versicherungsausschuß.Freilich blieben diese Verbände auf die Länder und später auf dieZone beschränkt. In der britischen Zone hingegen tolerierte man fak-tisch die Wiedererrichtung der traditionellen Verbände aus der Zeit

se BA, OMGUS, FINAD, 2'/147/9, First Instalment of the Annual OverallHistory of US Military Government, S. 5.

S7 Vgl. P. Koch, Die deutschen Versicherungsunternehmen in historischerSicht, München 1963, S. 28 f.; E. Grevemeyer, Vorläufige Erebnisse einer nochim Aufbau befindlichen Versicherungsstatistik, in: W. Härle (Hrsg.), Nach

-kriegsprobleme der Vertragsversicherung 3 Bde., Hamburg 1948, 13d. III,S. 83 - 123; W. Dümmler, Die Entwicklung der Sachversicherung nach derKapitulation, ebd., Bd. I, S. 7 - 20; Arps, Wechselvolle Zeiten, S. 149 - 158;W. Sachs, Technische Chronik der Wiederaufrichtung der deutschen Lebens

-versicherungen, in: K. Hamann (Hrsg.), Hundert Jahre Victoria Versiche-rung 1853 - 1953, Berlin 1953, S. 27 - 71.

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vor dem Nationalsozialismus, auch wenn ein Zonen-Gesamtverband erstim September 1947 gestattet wurde. Schon im Oktober 1945 hatte diebritische Militärregierung mit der Zulassung von Wirtschaftsverbändenmit freiwilliger Mitgliedschaft und auf Zonenniveau dem Bedürfnisentsprochen, Nachfolger an die Stelle der Reichsgruppen treten zu las-sen 38 In der französischen Zone wurden Landesausschüsse der Länder

-bevollmächtigten der einzelnen Versicherungsgesellschaften gebildet.Sie delegierten wiederum in einen Zonenausschuß, der eng mit der Mi-litärregierung zusammenarbeitete. Im Juni 1947 gestatteten Ameri-kaner und Briten gemeinsam bizonale Branchenverbände, die sichschließlich stufenweise zu den 1949 eingerichteten Bundesverbändenentwickelten S 9

Als Russen und Franzosen im Koordinationsausschuß des Kontroll-rates die Suspendierung der „Arbeitsgemeinschaft Berliner Versiche-rungsbetriebe" forderten, gab ihnen ihr englischer Kollege eine Ant-wort, welche die Haltung der Briten gegenüber den traditionellen Ge-meinschaftsorganen des Gewerbes wie der deutschen Versicherungs-aufsicht treffend resümierte: „It would be wiser to recognize theexistence of this organization and by supervision of its activities toassure its good and useful functioning which would be helpful even forthe Allies." 40 Tatsächlich überstand die Arbeitsgemeinschaft die inter-alliierten Turbulenzen und wurde nach kurzer Übergangszeit in denWestsektoren aktiv.

Nach dem pragmatischen Grundsatz, sich bestehender Einrichtungenmöglichst zu bedienen, wurde im März 1946 in Hamburg das „Zonen-amt des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen" (ZA) ein

-gerichtet 4 1 Bereits ihre Firma bringt zum Ausdruck, daß die neue Be-hörde die Tradition des alten RAA fortsetzen sollte. Hier sammelte sichauch „nach und nach der größte Teil" der ehemaligen Mitarbeiter des

RAA. Folgerichtig besaß das ZA dessen Funktionen und Kompetenzenzuzüglich der früher vom Reichswirtschaftsministerium wahrgenomme-nen Aufgabe, Gesetze und Verordnungen federführend vorzubereiten.

38 Vgl. Vogel, Bd. II, S. 341 - 343.39 Vgl. H. Hitzler, Neuaufbau des Verbandswesens in der Versicherungs-

wirtschaft, in: Härle, Nachkriegsprobleme, Bd. III, S. 21 - 31; Geschäftsbericht,Bd. II, S. 13 - 23; Schattschneider, S. 178 - 180; Versicherungswirtschaft (VW),4, 1949, S. 503 f. sowie zur Entwicklung des Verbandswesens allgemein I. Tor-now, Die deutschen Unternehmerverbände 1945 - 1950. Kontinuität oder Dis

-kontinuität?, in: J. Becker u. a. (Hrsg.), Vorgeschichte der Bundesrepublik,München 1979, S. 235 - 260.

40 BA, OMGUS, ACA, 2/30/5, Coordinating Committee, 18.3. 1947.41 Vgl. Ordinance No. 23, in: Military Government Gazette, British Zone,

S. 170 f.42 Büchner, S. 37.

9 Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 1

130 Dieter Krüger

Ganz im Sinne der Verordnung von 1943 unterstanden auch die öffent-lich-rechtlichen Gesellschaften der Fachaufsicht des ZA. Freilich be-durften alle Amtshandlungen der Bestätigung durch die Militärregie-rung. Zusätzlich wurde dem Amt ein Beirat aus Vertretern des Ver-sicherungsgewerbes, der Parteien und berufsständischen Organisationenals Beratungsgremium zur Seite gestellt.43 Das ZA wurde der alleinigeAnsprechpartner der im März 1947 formell wieder zugelassenen Bran-chenverbände.44 Damit hatten die Briten den Dreiklang zwischen Einzel-unternehmen, Verbänden und zentraler Aufsichtsbehörde wiedererrich-tet. Auch hierin bestätigt sich der „konservativ-funktionale" Charakter(W. Plumpe) der britischen Besatzungspolitik.

In der amerikanischen Zone wurden 1945 die Länder Bayern, Würt-temberg-Baden und Hessen gegründet. Im Gegensatz zur britischenZone gab es hier keine zonalen Verwaltungskörperschaften aus eigenemRecht über den Ländern. Vielmehr koordinierten die Länder ihre Poli-tik und vor allem ihre Gesetzgebung im Stuttgarter Länderrat. Nichtzuletzt die Einstimmigkeit seiner Beschlüsse charakterisieren ihn alsGemeinschaftsorgan der Länder. Das entsprach den föderalistischenTraditionen Süddeutschlands und dem amerikanischen Konzept der De-zentralisierung45 Der Länderrat beschloß im Dezember 1945, daß jedeLandesregierung die Aufsicht über die Gesellschaften in ihrem Gebietführen sollte. Hatte die Gesellschaft ihren Sitz außerhalb der Landes-grenzen, so mußte sie einen Landesbevollmächtigten ernennen 46 Trotzder stark sozialstaatlichen bis sozialistischen Tendenzen der Ende 1946verabschiedeten Landesverfassungen, sahen diese eine über die mate-rielle Staatsaufsicht hinausgehende Sozialisierung der Versicherungs-unternehmen allenfalls als Möglichkeit vor 47 Folglich blieb es bei dertraditionellen Aufsicht, für die Bayern im Dezember 1946 ein Aufsichts-amt einrichtete. Es war im übrigen für die Überwachung der privatenund öffentlich-rechtlichen Gesellschaften gleichermaßen zuständig. Hes-sen erklärte eine Abteilung seines Finanzministeriums zum Aufsichts-amt, während Württemberg die Aufsicht direkt dem Finanzministeriumübertrug. Ein Sachverständigenbeirat existierte nur bei der bayerischen

43 Vgl. Schattschneider, S. 42 - 48; Vogel, Bd. II, S. 113 - 118.44 Vgl. BA, OMGUS, FINAD, 17/60/4, Control Commission for Germany/

British Element an Zonal Office, 20.3. 1947 (Abschrift).45 Vgl. Latour / Vogelsang, S. 86 - 105, 120 - 131; Gimbel, S. 59 - 70; Vogel,

Bd. I, S. 16 f., 57 - 70; Der Länderrat des amerikanischen Besatznungsgebietes,bearb. v. Lia Härtel, Stuttgart 1951, bes. S. 87 - 99; M. E. Foelz-Schroeter,Föderalitische Politik und nationale Repräsentation 1945 - 1947, Stuttgart1974, S. 20 - 29.

46 Vgl. BA, Z 1, Länderrat (LR), 176 a, fol. 178 und dazu Schattschneider,S. 83 f.

47 Vgl. A. Möller, Die Privatversicherung in den süddeutschen Verfassun-gen. Ein Beitrag zur Sozialisierung, Hamburg 1947, bes. S. 10 - 16.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 131

Aufsicht. Bald wurde den Gesellschaften auch die Ernennung von Zo-nenbevollmächtigten für alle drei Länder gestattet. Die Zuordnung derVersicherungsaufsicht zu den Finanzressorts widersprach deutscherTradition. Da die Amerikaner sie jedoch ihren Finanzabteilungen zu

-geordnet hatten, empfahl sich das auch auf deutscher Seite. Eine ver-gleichbare Entwicklung vollzog sich in der französischen Zone, wo rundein Jahr später ebenfalls die Finanzministerien mit der Versicherungs-aufsicht betraut wurden. Freilich wurden hier die Länder nur sehrzögernd mit Kompetenzen ausgestattet48 Dem entsprach, daß die Mili-tärregierung im Gegensatz zu den übrigen Westzonen direkt mit denSpitzen des Versicherungsgewerbes zusammenarbeitete. In der ameri-kanischen Zone wurden die mit der Dezentralisierung einhergehendenProbleme durch die Koordination der Aufsichtspolitik im „AusschußFinanzen/Unterausschuß Versicherungen" des Länderrats teilweisekompensiert. Die Aufsichtsbehörden fungierten dann eher als ausfüh-rende Organe.

Nicht zuletzt die Unsicherheit, bis zu welchem Grade das Versiche-rungsgewerbe die Arbeit der Aufsichsbehörden werde beeinflussenkönnen, machte diesem die ungewohnte Dezentralisierung suspekt. DerGeneraldirektor der dem Allianz-Konzern verbundenen KarlsruherLebensversicherungsgesellschaft, Alex Möller, teilte namens des Ver-sicherungsgewerbes der amerikanischen Zone dem Länderrat mit, manwerde die Rechtsgültigkeit aller Beschlüsse anzweifeln, die ohne Mit

-wirkung des Gewerbes zustandekämen. Zuvor hatte Möller gar selbstdie Leitung des Unterausschusses gefordert. Eine derartige ständigeMitarbeit lehnte der Länderrat aber ab. Hier dominierte anfangs auchdurchaus kein so weitreichendes Verständnis für die Interessen derPrivatversicherer wie dies im ZA der Fall war. Daß die Aufsicht prak-tisch direkt von den Regierungen ausgeübt wurde, nährt die Befürch-tungen der Versicherer.49 Die Herstellung einer einheitlichen Aufsichts-behörde gehörte folglich zu den frühesten Forderungen des Gewerbes.Als Zwischenlösung forderte man eine Zonenaufsicht nach dem Vorbildder britischen Zone. Schließlich werde diese, so Möller und seine Kol-legen, von den verlagernden Ost-Versicherungen gerade wegen derdort vorhandenen größeren Einheitlichkeit und Bewegungsmöglich-keit bevorzugt 50

48 Vgl. Versicherungsaufsichtsgesetz mit ergänzenden Bestimmungen, auchden Zonen- und Landesvorschriften der Westzonen, 3. Aufl. Berlin/München1948; Schattschneider, S. 63 - 72; Geschäftsbericht, Bd. II, S. 52 - 56.

49 Vgl. BA, Z 1/4, fol. 68; A. Möller an Generalsekretär des LR, Rossmann,19. 1. 1946; Z 1/331, fol. 282, LR, Unterausschuß (UA) Versicherungen, 14.5.1946; ebd., fol. 256, A. Möller an LR, 31.5. 1946.

50 Vgl. ebd., Z 1/4, fol. 69 f., Versicherungsausschuß für die amerikanischeZone in Württemberg-Baden an Generalsekretär Rossmann, 18.1.1946.

9*

132 Dieter Krüger

Tatsächlich beschäftigte sich der Länderrat seit der Einrichtung desZA, also seit März 1946, mit dem Gesetzentwurf für ein Aufsichtsamtder amerikanischen Zone 6 1 Bezeichnend für die dabei aufbrechendenGegensätze waren die Verhandlungen im Unterausschuß Versicherun-gen im November 1946. Alex Möller forderte ein bizonales Aufsichts-amt, möglichst in Zuordnung zum Wirtschaftsressort. Ihm schwebteoffensichtlich die modifizierte Erweiterung des ZA vor. Der württem-bergische Ministerialbeamte Pfleiderer machte dagegen klar, daß dieLänder kleinere Gesellschaften künftig wieder selbst beaufsichtigenwollten. Der Vertreter Bayerns forderte zunächst nur ein Zonenauf-sichtsamt mit Sitz in München. Dagegen sprachen sich die Vertreter deramerikanischen Militärregierung ebenfalls für ein bizonales Amt aus.Allerdings sei die Entscheidung „politischer Natur und müsse nocheinige Monate zurückgestellt" werden 62 Schließlich einigte sich der Un-terausschuß doch noch auf einen Entwurf, der der Militärregierung vor-gelegt wurde. Er sah ein Aufsichtsamt unter der Kontrolle des Länder-rats vor.53 Mit der Begründung, inzwischen fänden ja bereits Verhand-lungen über ein bizonales Aufsichtsamt statt, lehnte die Militärregie-rung eine Entscheidung zunächst ab 54 Der wahre Grund der dilatori-schen Behandlung des Länderratsantrages wird in einem Schreiben desLeiters der „Financial Institutions Branch" der amerikanischen Militär-regierung offenkundig: „However, unlike the British, American policydoes not favor applying the federal principle (= Bundeskompetenz) toinsurance. In other words, we favor state rather than zonal supervisionover insurance. " 55

III. Auseinandersetzungen um ein Bizonenaufsichtsamt 1947/48

Mit Einrichtung der Bizone Ende 1946 ging die Zuständigkeit für dieKoordination der Versicherungsaufsicht auf den „Gemeinsamen Deut

-schen Finanzrat" über. Er sollte eine einheitliche Finanzpolitik derbeiden unterschiedlich strukturierten Zonen gewährleisten. Daß dieVerfassung des Finanzrates — wie die der übrigen Verwaltungsräte —eher an den süddeutschen Länderrat als an die Zentralämter der briti-schen Zone erinnerte, spricht für das Übergewicht amerikanischer Vor-stellungen 68 Damit brach allerdings auch der Gegensatz zwischen den

51 Vgl. ebd., Z 1/294, fol. 458, 463, LR, Finanzausschuß, 23.4. u. 15. 5. 1946;Z 1/168, fol. 203, Antrag des Finanzausschusses, 7.5. 1946.

52 Vgl. ebd., Z 1/331, fol. 43 f., UA Versicherungen, 12. 11. 1946.53 Vgl. ebd., fol. 14 - 22, 10. 12. 1946; Z 1/294, Finanzausschuß, 15. 1. 1947.54 Vgl. ebd., Z 1/344, fol. 27, Regional Government Coordinating Office

(RGCO) an Generalsekretär des LR, 28.6. 1947.55 Ebd., OMGUS, FINAD, 17/63/7, Chef der Fin. Inst. Branch an Mr. Rhyne,

21.6. 1947.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 133

süddeutschen Ländern und der britischen Zone über die Gestaltung despolitischen Gebildes auf. Die Süddeutschen wollten ihre förderale Ver-fassung gegenüber den Zentralämtern der britischne Zone bewahrenund suchten nach Möglichkeiten, diese sogar auf die norddeutschenLänder auszudehnen. Eine schlichte Ausweitung der Zentralverwaltun-gen jedenfalls kam für die Süddeutschen nicht in Frage. Dabei mußteman nicht zuletzt beim Versicherungswesen eine Dominanz der briti-schen Zone fürchten. In der britischen Zone blieb der Einfluß der Büro-kratie der Zonenverwaltungen vorherrschend, die sich als kommissa-rische Geschäftsführerin für die Reichsverwaltung verstand. Dagegenhatten die zögernd ins Leben gerufenen Länder nur mühsam Profil zugewinnen vermocht. Überdies waren sie nicht in gleicher Weise wieihre süddeutschen Pendants bestrebt, sich traditionelle Reichskompe-tenzen auf Dauer anzueignen 57 So trat also neben den englisch-ameri-kanischen ein Gegensatz zwischen süddeutschen Ländern und britischerZone.

Als der Unterausschuß des Finanzrates im Dezember 1946 mit Ver-handlungen über die Versicherungsaufsicht begann, wurde der neueKonflikt sofort offenkundig. Angesichts von neun Aufsichtsbehörden inden Westzonen forderte zwar auch Pfleiderer die „bizonale Koordinie-rung" der Aufsicht. Gleichzeitig kündigte er aber die bevorstehendeGründung eines Aufsichtsamtes für die amerikanische Zone an. Härle-damals noch Vizepräsident des ZA — forderte die sofortige Schaffungeines bizonalen Amtes, anstatt nun noch ein zweites Zonenamt ins Lebenzu rufen. Der Versicherungswissenschaftler Hans Möller — als Vertre-ter des Beirates des ZA und damit faktisch als Sprecher der Versiche-rungswirtschaft der britischen Zone dabei — hielt die bizonale Koordi-nierung schlicht für „zeitraubend". In Hamburg seien schließlich schonhundert Experten versammelt. Er forderte letztlich die Zweizonenkom-petenz für das ZA. Der bayrische Vertreter verlangte daraufhin, unterVerweis auf die amerikanische Haltung, die Suspendierung der Ver-handlungen. Zunächst müsse ein Zonenamt in München errichtet wer-den. Im übrigen sei dies allein Sache der süddeutschen Länder, derenpolitische Verhältnisse von den Repräsentanten der britischen Zonenicht genügend berücksichtigt würden. Auch in Zukunft, so bekräftigtePfleiderer, würden die Länder eigene Aufsichtsbehörden zur Über

-wachung der kleineren Versicherungen behalten. Wenig später forder-ten Württemberg-Baden und Bayern erneut die Vertagung der Arbei-ten. Das wurde abgelehnt. Stattdessen beauftragte man einen Arbeits-

se Vgl. E. Schweigert, Die Finanzverwaltung Westdeutschlands in der Zeitvom Ende des 2. Weltkrieges bis zu ihrer Neuordnung durch das Grund-gesetz, Bonn 1970, S. 96 - 112; Vogel, Bd. I, S. 21 - 25, Bd. II, 91 - 95, 79 - 82,

$7 Foelz-Schroeter, S. 61 - 88; Girndt, S. 169 - 201.

134 Dieter Krüger

stab, eine dezentralisierte, aber einheitliche Behörde zu konzipieren.Der amerikanische Vertreter wandte zwar nichts gegen diese Vorarbei-ten ein, bestand aber auf der Priorität gemeinsamer Richtlinien für dieVersicherungsaufsicht be Im Juni 1947 legte der Finanzrat dann einenEntwurf vor, dessen Annahme durch die Militärregierungen er mehr-mals anmahnte 6°

Im Zuge der Neustrukturierung der Bizone verloren die LänderKompetenzen; der süddeutsche Länderrat führte bald ein Schatten-dasein. Auch der Finanzrat wurde aufgelöst und an seine Stelle tratdie „Verwaltung für Finanzen", faktisch also das Finanzressort derBizonenverwaltung, die immer deutlicher Züge einer Regierung an-nahm 80 Nun erhielt die Verwaltung für Finanzen den Auftrag, sichüber ein Aufsichtsamt Gedanken zu machen. Gleichzeitig legten auchWürttemberg-Baden und das Hamburger ZA jeweils einen Entwurfvor. Während das ZA weiterhin den 1943 geschaffenen Zustand fort-schreiben wollte, sah der württembergische Entwurf eine gewisse Föde-ralisierung vor. Das Bizonenamt sollte dem Exekutivrat der Länderund nicht den Bizonenverwaltungen unterstehen. Das Aufsichtsamtwäre also in letzter Instanz eine Gemeinschaftsinstitution der Ländergeworden. Ferner sollte die Fachaufsicht über öffentlich-rechtliche Ge-sellschaften, deren Geschäftsbereich sich auf ein Land beschränkte, aufAntrag dem Land übertragen werden.

Im Dezember 1947 diskutierte man im süddeutschen Länderrat dieEntwürfe mit Vertretern des ZA, dem Referenten der Verwaltung fürFinanzen und Vertretern des Versicherungsgewerbes. Ein Vertreter desHamburger ZA charakterisierte den Vorschlag seiner Behörde offen alsÜbertragung seines Amtes auf Bizonenebene. Entgegen der Auffassungder öffentlich-rechtlichen Gesellschaften, daß die Vereinheitlichung derAufsicht durch die Verordnung von 1943 nicht rechtsgültig sei, vertretedas ZA die Ansicht, die Aufsicht habe grundsätzlich einheitlich zu er-folgen. Dagegen betonte der Vertreter der Stuttgarter Regierung dieBerücksichtigung des föderativen Gedankens durch seinen Entwurf.Auch Herrgen, Präsident der Bayrischen Versicherungskammer unter

-stützte den württembergischen Entwurf. Seine traditionsreiche, dembayrischen Innenminister unterstehende Behörde koordinierte und be-

b8 Vgl. BA, Z 28, Gemeinsamer Deutscher Finanzrat (GDF), 16, fol. 6 - 8,33 - 37; UA Versicherungen, 20. 12. 1946, 11./12.2. 1947; OMGUS, FINAD,17/60/9, Aktennotiz zur Tagesordnung des GDF/UA v. 7. u. 12.2. 1947.

69 Vgl. ebd., OMGUS, FINAD, 17/60/9, GDF an Bizone Control Office(BICO), Finance Control Group, 5.8. 1947. Zum Entwurf vgl. Geschäftsbericht,Bd. II, S. 56 - 58.

80 Vgl. Schweigert, S. 114 - 123; Vogel, Bd. III, S. 98 - 108, Bd. I, S. 25 - 30;Gimbel, S. 167 - 175, 299 -301.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 135

aufsichtigte die bayrischen öffentlich-rechtlichen Unternehmen. Ver-ständlicherweise wollte Bayern über diese Art von öffentlich-recht-lichem Trust allein und ungeschmälert verfügen.81 Herrgen betonte je-doch, daß die Landesaufsicht über regionale Versicherungen nicht nurim Interesse der Öffentlich-Rechtlichen der amerikanischen Zone liege.Sie werde auch von den öffentlich-rechtlichen Feuerversicherugnen derbritischen Zone gefordert. Er verlangte schließlich sogar eine Änderungjener Bestimmung im württembergischen Entwurf, die- eine Abstim-mung der Grundsätze der Versicherungsaufsicht der Länder und desBizonenamtes vorsah. Alex Möller entgegnete darauf, er habe zwar„Verständnis für Föderalismus, aber kein Verständnis für Länderegois-mus", denn „auf Länderebene werde der wirtschaftliche Aufbau nichtgeschafft werden". Er bestand auf einheitlicher Fachaufsicht selbstüber die Zwangs- und Monopolanstalten. Schließlich wirkten sie aufdie Gesamtwirtschaft ein und stünden indirekt in Konkurrenz mit denPrivaten. Möller empfahl, beide Entwürfe der Verwaltung für Finan-zen weiterzuleiten, bei der er offensichtlich eine Präferenz für die Vor

-schläge des ZA erwartete. Der Vertreter des „Verbandes der Lebens-versicherungsunternehmen" wollte sich damit jedoch nicht zufrieden-

geben. Seiner Auffassung nach war die Reform von 1943 berechtigt. DieÖffentlich-Rechtlichen hätten in der Vergangenheit durch übermäßigniedrige Beiträge oft den Eindruck erweckt, sie arbeiteten billiger alsihre Konkurrenten. Tatsächlich aber hätten sie nicht den gleichenRegeln wie die Privaten unterlegen 82

Nach etlichen Wochen kam ein einheitlicher Entwurf zustande. Er sahdie Beaufsichtigung der Monopolanstalten durch die Länder vor. Siesollten auch die Satzungen der Öffentlich-Rechtlichen genehmigen.Landes- und Bizonenaufsicht sollten abgestimmt werden. Namens derbayrischen Minister wollte Herrgen jedoch immer noch „überstürzteBeschlüsse" vermeiden. Auch der Präsident der Stuttgarter Gebäude

-feuerversicherungsanstalt forderte, die öffentlich-rechtlichen Gesell-schaften grundsätzlich aus der Aufsicht des Amtes herauszunehmen.Dagegen erklärte sich der Sprecher der öffentlich-rechtlichen Feuer-versicherungen der britischen Zone bereit, den Kompromiß anzuneh-men. Alex Möller und die Vertreter des ZA betonten, wie schwer ihnender Kompromiß gefallen sei. Jetzt verlange man aber die schnelle Ver-abschiedung dess Entwurfs. Bayern wollte seine Zustimmung jedochnicht garantieren. Die Verordnung von 1943 stelle ein ohne die Zustim-

61 Vgl. H. Schmitt-Lermann, Die Bayrische Versicherungskammer in Ver-gangenheit und Gegenwart, 2. Aufl. München 1964, bes. S. 68 f.

62 Vgl. BA, Z 1/332, fol. 2 - 7, 13 - 22, LR, UA Versicherungen, 12. 12. 1947mit Anlagen; OMGUS, FINAD, 17/63/2, Finanzministerium Württemberg -Baden, Report to Military Government, 30. 12. 1947; Z 2, Zonenbeirat filerbritischen Besatzungszone (ZB), 83, fol. 74, 7.2. 1948,

136 Dieter Krüger

mung Bayerns zustandegekommenes „nationalsozialistisches Gesetz"dar. Die bayrische Zustimmung bei allen Änderungen auf dem Gebietdes Versicherungswesens sei aber schon bei der Reichsgründung von1871 vorgesehen worden 83 Tatsächlich besaß Bayern bei der Immobi-liarversicherung Reservatrechte, auf die der Führererlaß keine Rück

-sicht genommen hatte.84 Bayern war 1947 zum „Verfechter einer aggres-siven föderalistischen Politik" geworden" und profilierte sich folge

-richtig als Hauptwidersacher einer einheitlichen und zentralen Ver-sicherungsaufsicht. Damit setzte Bayern seinen traditionellen Wider-stand gegen zunehmend zentralstaatliche Regelungen fort, als sich einebundesstaatliche Organisation der Westzonen abzeichnete.

Freilich standen auch hinter dem Entwurf des ZA noch weitere Mo-tive. Offiziell verwies man immer wieder auf die Notwendigkeit dereinheitlichen Aufsicht im Interesse der reibungslosen Durchführung derWährungsreform im Versicherungswesen. Als „besonders durchschla-gend" aber erkannte Härle in einer vertraulichen Denkschrift an denOberdirektor der Bizone zwei Argumente: In Anbetracht des großenKreditbedarfs der Länder und Gemeinden in den kommenden Jahrenwollte er die Länder nicht dem „Interessenkonflikt" aussetzen, der mit„der Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmungen als Kapital

-sammelbecken und diesen Kreditnotwendigkeiten entstehen muß".Härle befürchtete, die Länder könnten die Anlagemittel verstärkt in dieeigenen Kassen lenken oder überhaupt die Anlagepolitik nach eigenenBedürfnissen zu steuern versuchen. Nach der oben vorgestellten Er-fahrung mit der nationalsozialistischen Versicherungspolitik und ange-sichts der Fülle notwendiger Investitionen der öffentlichen Hände imZuge des Wiederaufbaus waren diese Bedenken verständlich. Überdieskönnten, so Härles zweiter Gedanke, „die politischen Zusammensetzun-gen der Länderregierungen ... wechseln. Der Gedanke der Sozialisie-rung steht zur Zeit stark im Vordergrund." Er hingegen war überzeugt,daß das deutsche Versicherungsgewerbe „seine Blüte bis zur Kapitula-tion (!) dem ... beaufsichtigten freien Spiel der privaten Initiative"verdanke. Deren positive Wirkung dürfte man auch in Zukunft „nichtgefährden, indem man einer Zufallsmehrheit eines Landesparlamentesdie Möglichkeit gibt, das Versicherungswesen zu sozialisieren". Er emp-fahl daher eine auch die früheren Befugnisse des Reichswirtschafts-ministeriums mit wahrnehmende Behörde, die direkt dem Chef derBundesregierung unterstehen sollte. Auf diese Weise wäre einer nach

83 Vgl. ebd., Z 1/333, fol. 281 - 285, 293 f., LR, UA Versicherungen, 6.2. 1948mit Anlagen.

64 Vgl. § 125, Abs. 4 VAG i. d. F. v. 1901 und dazu H. Knoll, Die Hagelver-sicherung, in: 50 Jahre, Bd. II, S. 245 - 284, S. 249 f.

65 Foelz-Schroeter, S. 90.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 137

den Landesverfassungen ja immerhin denkbaren Sozialisierung derBoden entzogen worden .66

Eine derartige mächtige Bundesbehörde widersprach diametral demamerikanischen Konzept. Beim Ausbau der Bizone zum „VereinigtenWirtschaftsgebiet" 87 stellte sich nämlich erneut die Frage, ob der Wirt-schaftsrat — das Quasi-Parlament — nicht auch die Kompetenzen zurGestaltung der Versicherungsaufsicht erhalten sollte. Neben der engli-schen plädierten auch einige Mitarbeiter der amerikanischen Militär-verwaltung dafür8 8 Im alliierten Zweizonenkontrollamt bestanden je-doch erhebliche Zweifel, ob der Wirtschaftsrat die angestrebten Kom-petenzen erhalten würde 66

Tatsächlich sah der amerikanische Militärgouverneur Clay das Pro-blem in einem ähnlichen Licht wie die bayrische Staatsregierung. Im„Bipartite Board" betonte er, daß die Versicherungsaufsicht in einemföderativen System nicht Aufgabe des Bundes sein könne. Dem hieltder britische Gouverneur Robertson entgegen: „Germany in its presentstate, and with its small Länder, could not have a solid insurancestructure, if the system is different in each Land." Nach Clay konntedieses Argument immer ins Feld geführt werden, wenn unklar sei, biszu welchem Grade Zuständigkeiten an Bund oder Länder fallen sollten.Letztlich würde dann in allen strittigen Fragen zugunsten der „centralagency" entschieden. Im übrigen sei es „of no concern of the MilitaryGovernments wether the Germans have an efficient system or not".Verärgert fragte Clay seinen britischen Kollegen, welche Länderfunk

-tionen denn überhaupt noch übrig bleiben sollten. Hinsichtlich derVersicherungsaufsicht, so Robertson, habe sich ja selbst der süddeutscheLänderrat für eine zentrale Lösung ausgesprochen. Ferner könne „nocomparison ... be drawn between practice in the United States ... andpractice in Germany, since the U.S. companies were strongly establishedin a firm economy"70 Damit hatte Robertson einen entscheidendenAspekt der amerikanischen Politik angesprochen. Wie im Falle der„Bank deutscher Länder" wollte man auch hier das eigene System aufDeutschland übertragen7 1 Im übrigen fand diese Kontroverse am Vor-

66 BA, Z 13, Direktorialkanzlei (DK), 147, Präsident Härle, Die künftigeRegelung des privaten Versicherungswesens in den Vereinigten Westzonen,nebst zusätzlichen Bemerkungen, 31.7. 1948, hier bes. letzter Teil, S. 4.

87 Vgl. Pünder, S. 122 - 157; Vogel, Bd. I, S. 30 - 35.88 Vgl. BA, OMGUS, FINAD, 2/7132, Finance Div. an Military Governor,

6. 1. 1948.89 Vgl. ebd., 17/63/2, BICO, Finance Group an Verwaltung für Finanzen

(VfF), 14. 1. 1948.?o Ebd., 2/96/7, Bipartite Board, 14.2. 1948.71 Vgl. E. Wandel, Die Entstehung der Bank deutscher Länder und die

deutsche Währungsreform 1948, Frankfurt 1980. Das amerikanische Versiche-

138 Dieter Krüger

abend der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz statt, auf der über denkünftigen deutschen Weststaat verhandelt wurde. Nach amerikanischerAuffassung sollte er so föderalistisch wie möglich sein.

Schließlich setzte sich Clay durch. Die Briten übertrugen nunmehrauch in ihrer Zone den Ländern die Versicherungsaufsicht. Folglichstand seit 1948 die Auflösung des ZA bevor. Daß dies gegen den Willender Länder erfolgte, zeigen diverse Entschließungen des „Länderratsdes Vereinigten Wirtschaftsgebietes"72 Man unterstützte die Bemühun-gen der Verwaltung für Finanzen um ein bizonales Amt und forderteden Erhalt des ZA 73 Einen nochmaligen Vorstoß der britischen Finanz

-abteilung im August 1948 zugunsten der Übertragung von Kompeten-zen an den Wirtschaftsrat lehnte der Chef der amerikanischen Finanz

-abteilung ab. Stattdessen mahnte er die Briten, endlich die Aufsichtden Ländern zu übertragen?' Gleichzeitig teilte man den Militärregie-rungen in den Süddeutschen Ländern mit, daß die Länder jetzt end-gültig die Aufsicht übernähmen. Das ZA werde aufgelöst. Daher sei ge-rade angesichts der bevorstehenden Währungsreform höchste Einheit

-lichkeit der Ländermaßnahmen geboten.75 Auch diese Verfügung belegtden politischen Charakter der Dezentralisierung.

Diese Entwicklung wurde vom Protest der deutschen Seite begleitet.Der Vorstandsvorsitzende der in englischen Händen befindlichen „Al-bingia" wandte sich ans State Department; Alex Möller protestiertenamens der Lebensversicherer bei der amerikanischen Militärregie-rung.76 Oberdirektor Pünder sagte dem Gesamtverband des Versiche-rungsgewerbes zu, daß er sich gemeinsam mit den Versicherern unddem ZA für eine einheitliche Behörde einsetzen werde?' Aber auch derzuständige Mitarbeiter der amerikanischen Finanzabteilung war mit

rungssystem befand sich selbst in der Entwicklung, wie ein amerikanischerAnwalt in der „Versicherungswirtschaft" ausführte. Bis 1944 war die Auf

-sicht vollständig in der Kompetenz der Staaten; dann wies ein SupremeCourt-Urteil sie der Bundesgesetzgebung zu (vgl. VW, 3, 1948, S.227). Frei-lich verzichtete der Kongreß 1958 auf eine bundeseinheitliche Regelung. DieAufsicht verblieb weiterhin bei den Staaten (vgl. S. L. Kimball, Versiche-rungsaufsicht im föderativen Staatensystem, insbesondere im Hinblick aufAllgemeine Versicherungsbedingungen, in: ZVersWiss 1964, S. 233 - 253,S. 236 f.).

72 Vgl. zu dieser Institution Vogel, Bd. I, S. 96 - 98.73 Vgl. BA, Z 4, Länderrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (LR/VWG),

551, fol.8, Finanzausschuß, 16.4. 1948, 561, fol.55, Justitiar an Geschäftsfüh-renden Ausschuß, 552, fol. 38, Finanzausschuß, 1.7.1948.

74 Vgl. ebd., OMGUS, FINAD, 2/148/5, Benett an Coates, 18.8. 1948.75 Vgl. ebd., OMGUS an OMG Bayern, Hessen und Württemberg-Baden,

17.8. 1948.76 Vgl. ebd., 2/148/10, H. Mandt an Assistant Secretary Salzmann, 14.5. 1948;

2/148/7, A. Möller an Chef der Finance Div., 17.7. 1948.77 Vgl. ebd., Z 13/147, DK, Ponder an F. 011ers, 9.9. 1948.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 139

der Ausschaltung des ZA nicht einverstanden: „Serious objections ...had been raised earlier by Finance Division, ... , but have been over-ruled by the Military Governor." Er fürchtete, die Maßnahme werde„jeopardize important elements of the preparation for and the imple-mentation of currency reform". Schließlich hätten sich die Länderbe-hörden als „inadequate" erwiesen. Sie hätten stark auf das ZA zurück-greifen oder gar bei den Versicherungsgesellschaften selbst Rat ein-holen müssen. Auch in den Vereinigten Staaten bestünde ja jetzt dieTendenz zur bundesmäßigen Organisation der Versicherungsaufsicht.Nach der Währungsreform warnte derselbe Mitarbeiter nochmals vorder Auflösung des Hamburger Amtes mit seinem „most competent tech-nical staff"78 Aber selbst erneute Vorstöße beim Zweizonenkontrollamtund anläßlich einer Konferenz der Ministerpräsidenten mit den Militär

-gouverneuren brachten keine Wende?s Die Offiziere des Zweizonen-kontrollamtes baten die Deutschen um Zurückstellung ihres Antrags,

„weil sie offensichtlich die negative Stellungnahme des Herrn GeneralsClay befürchteten" so

Kurz vor Gründung der Bundesrepublik übertrug die britische Mili-tärregierung die Aufsicht endgültig den Ländern 8 1 Schon früher hattendiese eigene Aufsichtsbehörden eingerichtet, die teils dem Wirtschafts-,teils dem Finanzressort unterstellt waren. Sie hatten zunächst die klei-nen Versicherungen beaufsichtigt und unterlagen bis 1949 den Weisun-gen des ZA. Auf Vorschlag des Finanzausschusses des Länderrats desVereinigten Wirtschaftsgebietes führten die Länder der britischen Zonedas ZA ab April 1949 einfach als Gemeinschaftsverwaltung weiter. Esnannte sich jetzt „Zonenamt in Abwicklung". Ferner institutionali-sierte der Länderrat ein bereits seit 1946 bestehendes Gremium ausVertretern der Aufsichtsbehörden zur Koordinierung ihrer Politikunter dem Signum „Sonderausschuß Versicherungsaufsicht" in Wies-baden 83 In Berlin wurde im März 1948 ein in der Struktur dem frühe-ren RAA verwandtes Aufsichtsamt eingerichtet. Es löste einen Ver-sicherungsausschuß des Berliner Magistrats ab und wurde für die West-sektoren zuständig.84

78 Ebd., OMGUS, FINAD, 2/148/5, Heller an Benett, 21.5. u. 3.7. 1948.79 Vgl. ebd., Z 3, Wirtschaftsrat des VWG, Anh. 2, fol. 2 f.; Z 4/530, fol. 21,

LR/VWG.80 Ebd., Z 13/147, DK, Verwaltung für Wirtschaft an ZA, 19. 10. 1948 (Ab-

schrift).81 Vgl. Ordinance No. 182, In: Military Govenment Gazette, British Zone,

S. 1082 f.82 Vgl. BA, Z 4/556, fol. 56, LR/VWG, Finanzausschuß, 25.3. 1949; Schatt-

schneider, S. 49 - 63.83 Vgl. Geschäftsbericht, Bd. II, S. 60; Büchner, S. 38.84 Vgl. Schattschneider, S. 72 - 74; BA, OMGUS, FINAD, 17/63/2, Magistrat

von Groß-Berlin an Allied Kommandantura, 2.4. 1947.

140 Dieter Krüger

Die Fortexistenz des ZA belegt, daß selbst die Länder in ihrer Mehr-heit nicht überzeugt waren, daß die Dezentralisierung nach amerikani-schem Muster lange Bestand haben würde. Nicht zuletzt das ZA unddie Koordination mit den Ländern hatte schließlich eine einheitlicheAufsichtspraxis bewirkt. Dabei diente, wie erwähnt, vor allem der§ 81 a VAG als rechtliche Grundlage für weitreichende Eingriffe. Dasgilt besonders für die aufsichtsbehördliche Absegnung der anfangs vonden Versicherern selbst erlassenen Auszahlungsrichtlinien in der Le-bensversicherung. Später wurden die Richtlinien direkt von den Be-hörden verfügt. Sie brachten die reduzierten Anlagen und Prämienein-nahmen der Gesellschaften mit den gestiegenen Forderungen der Ver-sicherten zu deren Lasten in Einklang. Ebenso wurde das Problem derin die Westzonen zugewanderten Versicherten aus den Ostgebietenbewältigt. In diesem Zusammenhang wurden — ebenfalls unter Rück-griff auf eine Verordnung von 1936 — von den Behörden Sonderbeauf-tragte eingesetzt, welche die Rechte der fehlenden Anstaltsorgane ver-lagerter Gesellschaften wahrnahmen. Erst 1950 sagte der Präsident desZA den Gesellschaften zu, die einschlägigen Generalklauseln angesichtsder abgeschlossenen Reorganisation künftig nur noch sparsam anzu-wenden 85 Auch die bis 1948 durchgeführte Bedürfnisprüfung bei derNeuzulassung deutscher Gesellschaften wurde allmählich aufgegeben,wobei die amerikanische Zone den Vorreiter machte. Die Neuzulassungausländischer Versicherungen zum Geschäftsbetrieb in der britischenZone war bis 1949 nur auf bereits vor dem Krieg in Deutschland tätigeUnternehmen beschränkt. 1948 fiel auch die Preisbindung der Prämien,welche die Aufsichtsbehörden in enger Zusammenarbeit mit den Preis-behörden überwacht hatten. Bereits vor der Währungsreform übten dieAufsichtsämter informellen Druck zugunsten einer Regulierung desscharfen Wettbewerbs auf dem Markt für industrielle Feuerversiche-rungen aus. In ähnlicher Weise nahmen sie die Interessen des gesamtenGewerbes war, als sie sich gegen die Einbeziehung der Versicherungenin die Kartellgesetzgebung wandten Se Insgesamt kann man die Be-hauptung wagen, daß die Entwicklung des Aufsichtsrechtes seit etwa1931 die Reorganisation des Privatversicherungswesens erleichtert hat,trotz der institutionellen Zersplitterung.

85 Vgl. die Kritik Rohrbecks, Cinquant'anni, S. 15 f.86 Vgl. Büchner, S. 106 f.; Fincke / Pfeiffer, S. 117 - 123, 136 - 138, 144 - 146;

H. Kadatz / K. Hebel, 50 Jahre, Bd. II, 1 - 68, S. 30 f.; F. Trepte / E. Otto, Dieprivate Krankenversicherung, ebd., S. 129 - 159, S. 154; W. Blank, Die Feuer-versicherung, ebd., S. 161 - 176, S. 174 f.; K. Bischoff, Versicherungsprämie inder Preiskontrolle, in: Härle, Nachkriegsprobleme, Bd. III, S. 57 - 69; W. Härle,Vom Gemeinschaftsplan der Lebensversicherer zu den amtlichen Auszah-lungsrichtlinien, 2. Aufl. Hamburg 1948; Schattschneider, S. 90 - 130, 168 - 173;VW, 2, 1947, S. 70 f.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 141

Von der Vorbereitung der Währungsreform — der wichtigsten Maß-nahme zur Wiederherstellung eines geordneten Versicherungswesens —wurden die Aufsichtsbehörden bald ausgeschlossen 87 Anläßlich einerSitzung der Behörden des Vereinigten Wirtschaftsgebietes im April 1948teilte der Präsident des ZA mit, daß die Militärregierung keine Debat-ten mehr über die Währungsreform wünsche. 88 Bitter beklagte sichHärle auf einer Sitzung des Beirats des ZA: „Die Verantwortung für dieWährungsgesetze und -verordnungen trage ausschließlich die Militär-regierung. Die Aufsichtsbehörden seien weder beteiligt noch gehörtworden. ... Oft genug habe die Militärregierung ,das Amt vor die Türgesetzt`." 89 In der Tat widersprach die lineare Abwertung aller aufReichsmark lautenden Forderungen an Versicherungen deutschen Vor-stellungen. Erst später gelang es, die unsoziale Umstellung von Lei-stungen aus Unfall- und Haftpflichtversicherungen im Verhältnis 1: 10rückgängig zu machen. Keineswegs begeisterte auch die ersatzloseStreichung aller Forderungen an das Reich und die lineare Auffüllungder Aktiva der Gesellschaften mit Ausgleichsforderungen an die Län-der bis zur Höhe von 110'0/o ihrer Verbindlichkeiten. Immerhin warnach einigen Schwierigkeiten im unmittelbaren Gefolge der Währungs-reform dieser notwendige Einschnitt bald überwunden. Wieder führtendie Lebensversicherer die fortschreitende Erholung an 90 Den Aufsichts-behörden aber war tatsächlich nur noch die Erledigung der technischenDetails verblieben, wie der Versicherungsausschuß des süddeutschenLänderrats im Juli 1948 resigniert feststellte .9 '

IV. Die Einrichtung des Bundesaufsichtsamtes

Die Londoner Sechs-Mächte-Konferenz von Februar bis Juni 1948leitete die Bildung des westdeutschen Bundesstaates ein. Der födera-listische Grundton der alliierten Vorgaben für die von deutscher Seite

87 Zur Währungsreform vgl. H. Möller, Die westdeutsche Währungsreformvon 1948, in: Währung und Wirtschaft, S. 433 - 483 mit weiteren Verweisen.

88 Vgl. BA, B 126, Bundesfinanzministerium (BMF), 12259, fol. 5, Sitzung v.21./22.4. 1948.

89 Ebd., B 102, Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), 2926, fol. 76, Sitzungv. 14. 12. 1948.

90 Vgl. G. Müller, Probleme und Wünsche der Lebensversicherungen zurWährungs- und Finanzreform, in: Härle, Nachkriegsprobleme, Bd. II, S. 31 -48; H. B. Wewer, Wirtschaftsprobleme der Lebensversicherung nach der Wäh-rungsreform, in: W. Rohrbeck (Hrsg.), Querschnitte durch die Versicherungs-forschung, Berlin 1949, S. 16 - 24; Thees, Die Sachversicherung nach der Wäh-rungsreform, ebd., S. 24 - 37; F. G. Bernhard, Die Auswirkungen der Geld-neuordnung auf die Versicherungsunternehmen, in: W. Rohrbeck (Hrsg.), Bei-träge zur Privatversicherung. Festschrift für Emil Bechler, Berlin 1953, S. 25 -33; Schattschne ider, S. 143 - 164.

91 Vgl. BA, Z 1/333, fol. 107 f., LR, UA Versicherungen, 2./3. 7. 1948.

142 Dieter Krüger

auszuarbeitende Verfassung kam den süddeutschen Ländern entgegen.Freilich kamen neben den verfassungspolitischen Konzeptionen derLänder mit der Einrichtung eines verfassungsgebenden Gremiums —wie im Grunde schon durch den Wirtschaftsrat — die Vorstellungen derParteien immer stärker ins Spiel. Die Sozialdemokratie forderte nebender FDP einen dezentralisierten Einheitsstaat nach Weimarer Muster,während die Christdemokraten zwischen dem gemäßigt föderalistischenFlügel um Adenauer und dem extremen Föderalismus der süddeutschenCDU/CSU schwankten. In der Kritik an diesen Vorstellungen befandsich die Sozialdemokratie im Einklang mit der führenden Wirtschafts-presse, freilich aus anderen Motiven. Die Wirtschaft wollte durch starkeZentralisierung wirtschaftspolitischer Kompetenzen beim Bund dermöglichen Sozialisierungspolitik eines oder mehrerer Länder von vorn-herein den Boden entziehen. Das erwähnte Plädoyer Härles für dieZentralisierung der Versicherungsaufsicht hob ja genau auf diesen Ge-danken ab. Dagegen lag den siegesgewissen Sozialdemokraten an zen-tralstaatlichen Kompetenzen, um ihre wirtschaftsdemokratischen Um-gestaltungspläne auf der Grundlage der erwarteten Bundestagsmehr-heit möglichst einheitlich in ganz Deutschland durchführen zu können. 92

Bayern gelang es, im Verfassungsentwurf des Konvents von Herren-chiemsee die Bundeskompetenz auf das Privatversicherungswesen zubeschränken. Das öffentlich-rechtliche Versicherungswesen wurde aus

-drücklich vom privaten unterschieden 93 Daß dies nicht dem Interesseder Privatversicherer entsprach, unterstrich eine Eingabe des Verban-des der Lebensversicherer an den Parlamentarischen Rat vom Oktober1948. Darin wurde die einheitliche Bundesaufsicht über alle privatenund öffentlich-rechtlichen Gesellschaften gefordert?'

Tatsächlich war die Frage auch im Parlamentarischen Rat umstritten.Im Hauptausschuß beantragte die FDP mit Unterstützung der SPD,dem Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Gestal-tung des „Versicherungswesen" statt allein des „Privatversicherungs-wesens" anheimzustellen. Der CSU-Abgeordnete Laforet stellte dieRechtsgültigkeit der Verordnung von 1943 in Frage. Unbeschadet derPraxis der britischen Zone entsprach seiner Auffassung nach die tradi-tionelle Trennung der Aufsicht dem qualitativen Unterschied zwischenprivaten und öffentlich-rechtlichen Versicherungen. Durch ihre Ge-

92 Vgl. W. Sörgel, Konsensus und Interessen. Eine Studie zur Entstehungdes Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969, bes.S. 63 - 73, 78 - 88, 218 - 224; Der Parlamentarische Rat 1948 - 1949. Akten undProtokolle, Bd. I, bearb. v. J. V. Wagner, Boppard 1975, S. XI - LVII, LXIX -LXXII mit weiteren Verweisen.

93 Vgl. Der Parlamentarische Rat, a.a.O., Bd. II, bearb. v. P. Bucher,Boppard 1981, bes. S. XI - XIII, 234, 245, 258, 586, 616.

9 4 Vgl. Geschäftsbericht, Bd. II, S. 59 f.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 143

meinnützigkeit seien letztere „nichts anderes als Teile der allgemeinenVerwaltung." Zwar wurde der Änderungsantrag dennoch angenommen,aber in einer späteren Sitzung einigte man sich auf die Formel „privat

-rechtliches Versicherungswesen". 95 Sie ging dann auch in Art. 74, Ziff. 11GG ein. Damit war zwar endlich die Bundeskompetenz erreicht. Frei-lich wurde sofort die Auseinandersetzung darüber eröffnet, ob das Ad-jektiv „privatrechtlich" sich nun auf die Rechtsform der Gesellschaftoder des jeweiligen Versicherungsvertrages bezog. Im ersten Fall un-terlagen die Öffentlich-Rechtlichen überhaupt nicht der Bundesauf-sicht, im zweiten Fall immerhin ihr gesamtes Wettbewerbsgeschäft.Charakteristisch ist die Auseinandersetzung zwischen Herrgen und AlexMöller in der „Versicherungswirtschaft". Immerhin stand jetzt dieGestaltung der Bundesaufsicht zur Debatte.

Im Oktober 1949 hatte das ZA im Auftrag der Länder der britischenZone einen neuen Entwurf ausgearbeitet. Er lehnte sich stark an denfrüheren Entwurf für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet an. Alle priva-ten und alle öffentlich-rechtlichen Gesellschaften soweit sie Wettbe-werbsgeschäfte betrieben, sollten der Bundesaufsicht unterworfen wer-den. Auf Antrag eines Landes konnten Gesellschaften, deren Geschäftesich auf ein Land beschränkten, der Aufsicht des betreffenden Landesunterstellt werden. Allerdings hatte diese in „Ü7bereinstimmung" mitden „Rechts- und Verwaltungsgrundsätzen" des Bundesamtes zu er-folgen.97 Dagegen bat Herrgen erneut, die öffentlich-rechtlichen Ver-sicherungen auch dann aus der Bundesaufsicht herauszunehmen, wennsie in mehreren Ländern tätig wurden. Schließlich stellten die süd-deutschen Länder dem Hamburger Entwurf erneut eine Alternative ge-genüber. Bereits im Frühjahr 1949 hatte der zuständige StuttgarterMinisterialbeamte vorgeschlagen, die Länderbehörden sollten grund-sätzlich in erster Instanz die Aufsicht ausüben. Der SonderausschußVersicherungen beim Länderrat war als Koordinationsgremium ge-dacht. Das Bundesamt hingegen sollte als Berufungsinstanz gegen Ent-scheidungen der Länderbehörden fungieren99 Nach Auffassung des ZAwar diese Organisation zu kostspielig. Im übrigen sei der föderalistische

95 Vgl. Stenographische Berichte der Verhandlungen des Hauptausschussesdes Parlamentarischen Rates, Sitzungen v. 7. 1. u. 9.2.1949, Bonn 1948/49,S. 389 f., 647.

96 Vgl. VW, 5, 1950, S. 23 f., 70 - 72, 92 f., 120 f. und dazu Schattschneider,dessen wörtliche, systematische und historische Auslegung von Art. 74 Ziff. 11GG für die Position A. Möllers spricht.

97 Vgl. BA, B 126/12266, fol. 4- 9, BMF, Präsident des ZA an StaatssekretärHartmann mit Anlagen, 15. 10. 1949.

98 Vgl. ebd., fol. 16, 26 - 29, Präsident der Bayr. Versicherungskammer anPersönlichen Referenten des Bundesfinanzministers, 28. 10. 1949.

99 Vgl. VW, 4, 1949, S. 105 - 107.

144 Dieter Krüger

Gedanke „hochpolitisch", während die Versicherungsaufsicht eine„wenig politische" Materie sei.10° Die württembergischen Überlegungenverdichteten sich dennoch zu einem Gesetzentwurf, der einen „födera-listischen Aufbau" vorsah. Danach beaufsichtigten die Länderbehördendie Gesellschaften mit Sitz in ihrem Land. Die Länder konnten die

Aufsicht dem Bund übertragen. Beim Bundesamt sollte eine Koordi-nierungsstelle bindend entscheiden. Ähnlich dem Zentralbankrat beider Bank deutscher Länder sollten diesem Ausschuß der Präsident unddie Abteilungsleiter des Bundesamtes sowie die Chefs der Länderbe-hörden angehören.101

Wieder kam ein Kompromiß zustande. Öffentlich -Rechtliche undPrivate wurden gleichgestellt. Grundsätzliche Entscheidungen solltenjedoch von einer Versammlung von Ländervertretern unter Vorsitz des

Präsidenten des Bundesamtes getroffen werden, wie überhaupt die

Länder stärker an der Arbeit des Amtes beteiligt werden sollten. DieseVorschläge, so unterstrichen das bayrische Finanzministerium und die

bayrische Aufsichtsbehörde, seien das Minimum, auf dem Bayern be-stehen müsse. Im übrigen sollte München der Sitz des künftigen Bun-desamtes werden.102 Insgesamt führt auch dieser Kompromiß die be-trächtliche Energie vor, welche die süddeutschen Länder zur Verteidi-gung einmal errungener Kompetenzen selbst in einem Gebiet auf-wandten, das zunächst nicht als essentielles Element des Föderalismuserscheint. Je stärker die öffentlich-rechtlichen Gesellschaften freilichihr Geschäft unter einer vielleicht nicht allzu strengen Aufsicht expan-dierten, in desto größerem Umfang vermochten sie Ländern und Ge-

meinden Kredite aus Anlagemitteln zu gewähren. Wie die weitereEntwicklung zeigen sollte, handelte es sich jedoch auch in diesem Falleum ein „föderalistisches Rückzugsgefecht" gegenüber der sich immerklarer abzeichnenden Prärogative des Wirtschaftsrates bzw. Bundes

-tages.103

Ein Entwurf der Bundesregierung vom Mai 1950 nahm weitgehendRücksicht auf die Länderinteressen. Nur die privaten Gesellschaften,soweit sie in mehr als einem Land tätig waren, sollten der Bundesauf-sieht unterliegen. Der Finanzausschuß des Bundesrates hatte zunächstSchwierigkeiten, eine einheitliche Stellungnahme zu finden. Den Län-

100 Vgl. BA, B 102/2926, fol. 63 - 73, BMWi, HärIe, Memorandum zur Denk-schrift Rechtsanwalt Dr. Wehl (Württemberg-Baden) betr. Bundesaufsichts-

amt, 20. 1. 1949.101 Vgl. ebd., B 102/2927, Finanzministerium Württemberg-Baden, Vorschlag

über die Gestaltung der künftigen Versicherungsaufsicht, 3. 10. 1949.102 Vgl. ebd., fol. 86 - 93, 169 f., 299 - 307, Bayr. Landesaufsichtsamt an Bun-

desfinanzminister, 27.1. u. 6.2.1950, Bayr. Finanzminister an Bundesfinanz-minister mit Anlagen, 9.3. 1950.

103 Foelz-Schroeter, S. 141.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 145

dery der britischen Zone war der Entwurf zu föderalistisch, den süd-deutschen Ländern zu zentralistisch. 104 Der Wirtschaftsausschuß emp-fahl dagegen die Annahme. Der Finanzaussehuß bestand auf dem imKompromißvorschlag der Länder vereinbarten Länderbeirat beim Bun-desaufsichtsamt und wollte die Rechtsverordnungen zur Überleitungder Länderkompetenzen auf den Bund an die Zustimmung des Bundes-rates binden. Eine Minderheit forderte gar die Entscheidung allerGrundsatzfragen durch den Länderbeirat. 105 Die Länderkammer einigtesich schließlich auf die widerrufliche Einbeziehung kleinerer Gesell-schaften in die Bundesaufsicht, sofern ein Land das beantragte. Fernersah man einen Länderbeirat und die Mitwirkung der Länder beiGrundsatzentscheidungen sowie bei der Errichtung des Bundesamtesvor. Hamburg lehnte auch diese Vorlage als „übertrieben föderalistisch"ab. Es beantragte erneut die Einbeziehung der größeren öffentlich-rechtlichen Gesellschaften in die Bundesaufsicht. Sein Antrag fand dieUnterstützung von Niedersachsen, Berlin und Schleswig-Holstein. Da-bei betonte Niedersachsen die Notwendigkeit einer möglichst unbüro-kratischen und weitgehend im Rahmen der Selbstverwaltung durchge-führten Regelung des Versicherungsgewerbes. Mangels Mehrheit schei-terte der Antrag Hamburgs. Stattdessen wurde der Kompromiß gegendie Stimme Hamburgs und bei Enthaltung von Berlin und Schleswig-Holstein als Änderungsvorschlag des Bundesrats verabschiedet. 106 DieBundesregierung akzeptierte nur die widerrufliche Einbeziehung klei-nerer Privater sowie die Mitwirkung der Länder bei Entscheidungengrundsätzlicher Natur — verständlich angesichts der Ausgleichsforde-rungen, welche die Gesellschaften gegen die Länder hielten.107

Inzwischen hatten auch die Regierungsparteien einen Gesetzentwurfim Bundestag eingebracht. Er lehnte sich im wesentlichen an den frühe-ren Entwurf für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet vom Februar 1948an.108 In der Vorlage des Bundestagsausschusses Geld und Kredit wur-den den Ländern dann doch noch einige wenige Konzessionen gemacht,bevor der endgültige Entwurf dem Plenum zuging. 109 Hier wehrten sichvor allem bayrische Abgeordnete gegen den Abbau von Länderkompe-tenzen. Der Sprecher der „Bayernpartei" warnte den Bundestag, aufdie Verordnung von 1943 anspielend, davor, „auf den Spuren des Drit-ten Reiches" zu wandeln. Die CSU lehnte besonders die Kontrolle der

104 Vgl. Bundesrat, Drucksache, Nr. 332/1950, 12.5. 1950.1 05 Vgl. ebd., Sitzungsberichte, 25. 5. 1950.106 Vgl. ebd., 2.6. 1950 u. Drucksache, Nr. 413/1950, 3.6. 1950.107 Vgl. Bundestag, Anlagen, Bd. 5, Drucksache, Nr. 1152.108 Vgl. ebd., Bd. 2, Nr. 511.109 Vgl. ebd., Nr. 1877 neu.

10 Zeitschr. f. d. ges. Versieherungsw. 1

146 Dieter Krüger

Bayrischen Versicherungskammer durch das Bundesaufsichtsamt ab.Dennoch wurde das Gesetz gegen wenige Stimmen angenommen.""Eine letzte Kontroverse löste innerhalb des Bundeskabinetts die Fragedes Sitzes des Amtes aus. Dabei gelang es dem Bundesminister für ge-samtdeutsche Fragen, Kaiser, offensichtlich, gegen den Widerstand vonKanzler, Vizekanzler und anderen Kabinettsmitgliedern Berlin alskünftigen Sitz durchzufechten.'l 1

Öffentlich-rechtliche Wettbewerbsversicherungen unterstanden dar-nach der Bundesaufsicht, sofern sie in mehr als einem Lande tätig wur-

den. Auf Antrag eines Landes konnte die Fachaufsicht über Monopol-anstalten und öffentlich-rechtliche Wettbewerbsversicherungen, deren

Geschäftstätigkeit satzungsgemäß auf ein Land beschränkt war, vomBundesamt übernommen werden. In Berlin ist das bald nach Einrich-tung des Bundesamtes geschehen. Umgekehrt konnte der Bundeswirt-schaftsminister den Ländern die Aufsicht über kleine Private über-tragen, was ebenfalls häufiger geschah. Das Amt selbst unterstand demBundeswirtschaftsminister als Obere Bundesbehörde. Obwohl die Über

-leitung der Länderbefugnisse auf das Bundesamt durch Rechtsverord-nungen des Bundes erfolgte, war die Mitwirkung der Länder bei Ent-scheidungen über die Durchführung der Währungsgesetze gesichert.Freilich entsprach die von einer (Zweiten) Durchführungsverordnunggeregelte Mitwirkung nicht im entferntesten den von einigen Ländernangestrebten Kompetenzen eines Länderbeirats. Der vielleicht wich-tigste Unterschied zum früheren RAA bestand im Wegfall des Senats

-verfahrens. Neben einem Sachverständigenbeirat hatte § 93 VAG (i. d. F.v. 1937) eine Rekursinstanz vorgesehen, die bindend über Einsprüchegegen Entscheidungen des RAA entschied. Diesem Gremium gehörtender Präsident und zwei Mitglieder des RAA, zwei Mitglieder des Bei-rats, ein richterlicher Beamter und ein Mitglied eines höchsten Ver-waltungsgerichtes an. Das einer Verwaltungsbehörde eigentlich wesens-fremde gerichtliche Senatsverfahren führte nur das Berliner Amt von1948 fort. Jetzt unterlagen die Entscheidungen der Aufsichtsbehördender Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zwar konnten nach den Bestimmun-gen einer (Dritten) Durchführungsverordnung Entscheidungen des Bun-desamtes vor einer Beschlußkammer angefochten werden, der auch Bei-ratsmitglieder angehörten. Allerdings unterlagen auch deren Entschei-dungen der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung. 112

110 Vgl. ebd., Stenographische Berichte, Bd. 8, S. 5886 - 5896.ul Vgl. Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 2, 1950, bearb. v.

U. Enders / K. Rieser, Boppard 1984, S. 287, 302, 349 f., 380 f., 530 f., 772 f.112 Vgl. BGBl, 1, 1951, S. 480 f.; Buchner, S. 40 - 45; Starke, Entwicklungs-

linien, S. 51 - 53; Schattschneider, S. 132 - 142, 254 - 263; VW, 6, 1951, Sonder-beilage v. 1.9.1951.

Die Reorganisation der Versicherungsaufsicht 1945 - 1951 147

Im Bundesrat setzte der Finanzaussehuß die Haltung der süddeut-schen Länder fort. Er forderte die Anrufung des Vermittlungsausschus-ses. Freilich war auch die Haltung der süddeutschen Länder nicht ein-hellig. So unterstützte Württemberg -Baden nunmehr den Antrag desWirtschaftsausschusses, das Gesetz anzunehmen. Bayern verlangte an-gesichts des geplanten Sitzes in Berlin noch Zweigstellen für Hamburgund München. Schließlich stimmte der Bundesrat gegen die Stimmenvon Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hamburg —das konsequent blieb — für die Annahme des Gesetzes.113 Damit warder Widerstand der Länder überwunden. Freilich blieb die Abgrenzungvon Bundes- und Länderaufsicht in ihren Einzelheiten gerade hinsicht-lich der öffentlich-rechtlichen Unternehmen ein Problem der Recht

-sprechung.114

V. Schluß

Der Dreiklang von Versicherungsunternehmen, Versicherungsver-bänden und Versicherungsaufsicht kennzeichnet die bisweilen kriti-sierte korporative Struktur des Versicherungswesens. Der Ausbau desAufsichtsrechtes seit 1931 bildete die staatliche Beaufsichtigung derPrivatversicherungen faktisch in deren staatliche Lenkung um. 1945stand dieses System am Rande der Auflösung. Zusätzlich zu den mit derphysischen Reorganisation der Unternehmen verbundenen Problemengeriet das Versicherungswesen ins Kreuzfeuer gegensätzlicher Vorstel-lungen der alliierten Militärregierungen.

Augenfällig wurde dies mit der im Sommer 1945 einsetzenden Ver-staatlichung des Versicherungsgewerbes in der sowjetischen Zone. Inder britischen Zone erfreuten sich die Privatversicherer des Wohlwol-lens der Militärregierung. Die Versicherungsaufsicht konnte hier fastuneingeschränkt die Praxis des RAA fortsetzen und erlangte einen ge-wissen vereinheitlichenden Einfluß auf die dezentral durchgeführteAufsicht in Süddeutschland. Diese relative Einheitlichkeit — die wohlauch durch eine gewisse personelle Kontinuität bei allen Beteiligtenverbürgt wurde — hat die rasch fortschreitende Reorganisation der Ge-sellschaften gefördert. Der große rechtliche Spielraum der Aufsichtsbe-hörden erleichterte deren positiven Einfluß. Die finanzielle Konsolidie-rung durch die Währungsreform wurde von den deutschen Aufsichts-behörden zwar abgewickelt, aber nicht konzeptionell beeinflußt. DasVersicherungsgewerbe selbst strebte die Fortsetzung bzw. Wiederher-stellung der 1943 erreichten einheitlichen Aufsicht an, scheiterte aber

113 Vgl. Bundesrat, Sitzungsberichte, 22. 6. 1951 u. Drucksache, Nr. 489/1951v. 9.6. 1951.

114 Vgl. Weber, Verfassungsprobleme, S. 229 - 238.

10

148 Dieter Krüger

an den süddeutschen Ländern und vor allem an der amerikanischenMilitärregierung. Selbst die Gründung der Bizonen brachte die Ameri-kaner nicht davon ab, die Aufsicht den Ländern zu übertragen, wasdann — wenigstens formell — auch in der britischen Zone geschah.Freilich dachte außer den Amerikanern niemand an die vollständigeFöderalisierung der Versicherungsaufsicht und an die Auflösung des ZA.

Dennoch wurde auch das Versicherungsaufsichtsrecht zum Kampf-platz, auf dem darum gerungen wurde, bis zu welchem Grade die jungeBundesrepublik föderalistisch sein sollte. Am Ende legte der jüngstgewählte Bundestag sein Gewicht in die Waagschale. Die Kritik einigerbayrischer Abgeordneter vermochte nichts daran zu ändern, daß dieüberwältigende Mehrheit des Parlaments endlich eine zentrale und re-lativ einheitliche Aufsicht durchsetzte — unbeschadet der abgrundtiefenwirtschaftspolitischen Gegensätze zwischen Regierungsparteien undOpposition. Dem wollte dann auch die Mehrheit der Länder nicht mehrwiderstreben.

Den Abschluß der Rekonstruktion des Privatversicherungswesens hatdie im engeren Sinne politische Auseinandersetzung um Bund- undLänderkompetenzen kaum verzögert. Daß die öffentlich-rechtlichen Ge-sellschaften nicht vollständig der Fachaufsicht des Bundesamtes unter-worfen wurden, war in den Augen der Privatversicherer ein Nachteil,den man hinnehmen konnte. Insgesamt waren die traditionellen Struk-turen gegen amerikanische und deutsche Widerstände wiederhergestelltworden, wenn auch nur in den Westzonen. Daß das Bundesamt — siehtman von der Beseitigung des Senatsverfahrens ab — die Tradition desRAA fortsetzen konnte, ist nicht zuletzt das Verdienst des HamburgerZA. Seine im Sinne der Privatversicherungen erfolgreiche Tätigkeitmag auch auf dem Felde der Versicherungsaufsicht verdeutlichen, wiewenig das wohlklingende Schlagwort von der „Stunde Null" angesichtsaugenfälliger Kontinuitäten der historischen Realität gerecht wird.


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