Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF August 2019
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Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich
● Die deutsche Abgabenquote – d. h. das Verhältnis der Steuern und Sozialabgaben zum Bruttoinlands produkt – lag mit 37,5 % im Jahr 2017 international im oberen Mittelfeld. Den Steuern und Abgaben stehen in Deutschland umfangreiche öffentliche Leistungen und verlässliche, gut ausgebaute soziale Sicherungssysteme gegenüber.
● Die tarifliche Besteuerung des Gewinns von Kapitalgesellschaften bleibt in Deutschland insgesamt knapp unter der Marke von 30 %.
● Bei ausgeglichenen Haushalten und zugleich höheren Ausgaben für Zukunftsinvestitionen setzt die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode wichtige Akzente für eine wachstumsfreundliche und sozial gerechte Steuer- und Abgabenpolitik: Vom vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags für rund 90 % der hiervon betroffenen Einkommensteuerzahlerinnen und -zahler, dem Ausgleich der kalten Progression, deutlich verbesserten Familienleistungen (z. B. höheres Kindergeld) und Sozi-alabgabensenkungen profitieren insbesondere Familien sowie Menschen, die untere und mittlere Einkommen beziehen.
Einleitung
Der folgende Beitrag stellt überblicksartig grundle-gende Vergleiche zur internationalen Besteuerung an. Dabei werden die Ergebnisse für die wesentli-chen Steuerarten aus der Neuauflage der BMF-Bro-schüre „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2018“ zusammengefasst.1 Die Länderver-gleiche erstrecken sich auf die EU-Staaten und ei-nige andere Industriestaaten (USA, Kanada, Japan, die Schweiz und Norwegen). Sie geben grundsätz-lich den Rechtsstand zum Ende des Jahres 2018 wie-der; abgesehen vom letzten verfügbaren Vergleichs-jahr 2017 für die Steuer- und Abgabenquoten, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlicht werden. Angekündigte oder beschlossene Maßnah-men, die sich erst ab 2019 auswirken, sind noch nicht
1 Die ausführliche Broschüre „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2018“ kann im Internetangebot des BMF bestellt und von der BMF-Homepage heruntergeladen werden. http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20190821
erfasst. Es sei darauf hingewiesen, dass sich bei vie-len Vergleichen erst aus dem Gesamtkontext heraus sinnvolle Schlussfolgerungen ziehen lassen. Dies gilt insbesondere für das Zusammenspiel von nomina-len Steuersätzen und unterschiedlich ausgestalteten Bemessungsgrundlagen in den einzelnen Staaten.
Gesamtwirtschaftliche Kennzahlen
Gesamtwirtschaftliche Steuerquoten weisen die in einer Volkswirtschaft gezahlten Steuern bezogen auf die Wirtschaftsleistung aus. Die Aussagekraft dieser Steuerquoten ist aber begrenzt, weil die in den Ver-gleich einbezogenen Staaten ihre staatlichen Sozi-alversicherungssysteme in unterschiedlichem Aus-maß über eigenständige Sozialbeiträge (die nicht in der Steuerquote enthalten sind) oder aus allge-meinen Haushaltsmitteln und damit über entspre-chend hohe Steuern finanzieren. Erst die Abgaben-quote, die sowohl Steuern als auch Beiträge zur Sozialversicherung ins Verhältnis zum jeweiligen
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Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich
Bruttoinlandsprodukt (BIP) setzt, ermöglicht ei-nen gesamtwirtschaftlich sinnvollen Steuer- und Abgabenvergleich.
Abbildung 1 zeigt, dass nach den Abgrenzungs-merkmalen der OECD (Revenue Statistics mit letztem Vergleichsjahr 2017) die Abgabenquote
insbesondere in den meisten skandinavischen Staa-ten, aber auch in Frankreich, Belgien, Italien und Österreich vergleichsweise hoch ist (> 40 %). Da-gegen weisen Irland, die USA, die Schweiz und Li-tauen relativ niedrige Abgabenniveaus auf (< 30 %). Die deutsche Abgabenquote bewegt sich im oberen Mittelfeld (2017: 37,5 %).
Steuer- und Abgabenquoten 2017in % des BIP
1 Stand 2016
Quelle: OECD (Hrsg.), Revenue Statistics 1965 - 2017, Paris 2018
46,246,0
44,6
44,0
43,3
42,4
41,8
39,4
38,8
38,7
38,2
37,737,5
36,0
34,9
34,7
33,9
33,7
33,3
33,032,9
30,6
30,4
29,8
28,5
27,1
22,8
29,4
45,9
31,0
34,3
31,2
29,5
27,2
27,7
24,9
27,6
27,9
24,9
23,3
21,6
19,9
25,4
21,0
22,2
26,9
21,8
18,427,6 32,2
18,2
22,0
17,5
21,8
20,9
19,0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
Frankreich
Dänemark
Belgien
Schweden
Finnland
Italien
Österreich
Griechenland
Niederlande
Luxemburg
Norwegen
Ungarn
Deutschland
Slowenien
Tschechien
Portugal
Polen
Spanien
Estland
Vereinigtes Königreich
Slowakei
Kanada
Japan1
Lettland
Litauen
Schweiz
USA
Irland
Steuerquote Abgabenquote
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Abbildung 1
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Besteuerung des Gewinns von Kapitalgesellschaften
Den nominalen Steuersätzen kann eine Signal-funktion bei internationalen Besteuerungsver-gleichen zugesprochen werden. Die tatsächliche oder auch effektive Besteuerung ergibt sich jedoch erst aus dem Zusammenspiel von Steuerbemes-sungsgrundlage und tariflichem Steuersatz. Die-ser zusammenfassende Artikel beschränkt sich auf
einen Vergleich der tariflichen Besteuerung von Kapitalgesellschaften.
Im Jahr 2018 senkten einige Staaten ihre nominalen Körperschaftsteuersätze (die USA, Belgien, Luxem-burg und Norwegen). In Lettland hingegen stieg der Steuersatz. In den übrigen untersuchten Staa-ten blieben die nominalen Standardsätze unverän-dert. Abbildung 2 zeigt die im Jahr 2018 geltenden
Körperschaftsteuersätze 2018ohne Zuschläge und Steuern der nachgeordneten GebietskörperschaftenStandardsätze in %
Quelle: Bundeszentralamt für Steuern
35,033,3
29,029,0
25,025,025,0
24,023,4
23,022,022,0
21,021,021,0
20,020,020,0
19,019,019,019,0
18,018,0
16,015,015,015,0
12,512,5
10,09,0
8,5
0 5 10 15 20 25 30 35 40
MaltaFrankreich
GriechenlandBelgien
SpanienÖsterreich
NiederlandeItalienJapan
NorwegenSchweden
DänemarkUSA
SlowakeiPortugalLettland
FinnlandEstland
Vereinigtes KönigreichTschechienSlowenien
PolenLuxemburg
KroatienRumänien
LitauenKanada
DeutschlandZypernIrland
BulgarienUngarnSchweiz
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Abbildung 2
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Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich
Körperschaftsteuersätze (ohne Steuern nachgeord-neter Gebietskörperschaften).
Über die zentralstaatliche Ebene hinaus erheben in mehreren Staaten nachgeordnete Gebietskörper-schaften (Einzelstaaten, Provinzen, Regionen, Ge-meinden usw.) noch eigene Körperschaftsteuern oder ihnen ähnliche Steuern, wie z. B. in Deutschland und Luxemburg die Gewerbesteuer. Hinzu kommen vielfach Zuschläge auf verschiedenen staatlichen
Ebenen. Die Höhe all dieser die Kapitalgesellschaf-ten betreffenden Unternehmensteuern, die bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage den Gewinn zugrunde legen, ist in Abbildung 3 dargestellt. Zu be-achten ist, dass die von lokalen Gebietskörperschaf-ten erhobenen Steuern in manchen Staaten von der Steuerbemessungsgrundlage der übergeordneten Gebietskörperschaften abzugsfähig sind (z. B. in Ja-pan und in den USA). Die Gesamtsteuerbelastung auf Unternehmensebene ergibt sich demzufolge aus
Unternehmensbesteuerung 2018Tarifliche Besteuerung des Gewinns von Kapitalgesellschaften 2018 (Körperschaftsteuern, Gewerbe-ertragsteuern und vergleichbare andere Steuern des Zentralstaats und der Gebietskörperschaften)
nominal in %
Quelle: Bundeszentralamt für Steuern
35,034,4
31,729,9
29,629,0
27,926,5
26,126,0
25,025,025,0
23,022,5
22,022,0
21,020,7
20,020,020,0
19,019,019,019,0
18,016,0
15,012,512,5
10,810,0
0 5 10 15 20 25 30 35 40
MaltaFrankreich
JapanDeutschland
BelgienGriechenland
ItalienKanada (Ontario)
USA (Staat New York)Luxemburg
SpanienÖsterreich
NiederlandeNorwegen
PortugalSchweden
DänemarkSlowakei
Schweiz (Zürich)Lettland
FinnlandEstland
Vereinigtes KönigreichTschechienSlowenien
PolenKroatien
RumänienLitauenZypernIrland
UngarnBulgarien
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Abbildung 3
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einer abgestuften Rechnung und nicht aus einer ein-fachen Addition der nominalen Steuersätze der ein-zelnen Steuern. Die steuertarifliche Gesamtbelas-tung von Kapitalgesellschaften reicht im Jahr 2018 von 10 % in Bulgarien bis über 34 % in Frankreich (ohne den Sonderfall Malta mit eigenen Sonder-sätzen beziehungsweise -regelungen; Frankreich wendet seit 2018 einen ermäßigten Eingangstarif-bereich an). Deutschland bleibt weiterhin knapp un-terhalb einer tariflichen Gesamtbesteuerungsmarke von 30 %.
Einkommens-/Lohnsteuer und Sozialabgaben auf Arbeitseinkommen
Für Arbeitnehmerhaushalte in verschiedenen Fa-milienverhältnissen und Einkommensgruppen ver-öffentlicht die OECD regelmäßig eine international vergleichende Untersuchung. Abbildung 4 zeigt für das Jahr 2018 die Besteuerung des durchschnittli-chen Bruttoarbeitslohns eines Arbeitnehmerhaus-halts mit Lohn- oder Einkommensteuer klassifiziert nach verschiedenen Familienverhältnissen (allein-stehend; Familien, in denen einer der Eheleute ein Einkommen erzielt; Familien, in denen von beiden Eheleuten ein Einkommen erzielt wird). In vielen Ländern sorgen Maßnahmen im Rahmen der Fa-milienbesteuerung für eine Besserstellung von Fa-milien mit Kindern (so auch deutlich erkennbar in Deutschland bei Menschen mit durchschnittlichem Verdienst vor allem durch das Kindergeld). Abbil-dung 5 stellt unter zusätzlicher Berücksichtigung des Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteils zur So-zialversicherung den gesamten Steuer- und Abga-benanteil an den Arbeitskosten dar.
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Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich
Einkommen-/Lohnsteuer bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 2018in % des Bruttoarbeitslohns
1 Ein negativer Wert bedeutet insgesamt unter Berücksichtigung von Einkommen-/Lohnsteuerzahlungen und empfangener Familienleistungen eine Steuergutschrift beziehungsweise -erstattung.
Quelle: OECD (Hrsg.), Taxing Wages 2017 – 2018, Paris 2019
-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40
PolenJapan
Griechenland SlowakeiSchweiz
SlowenienLitauen
EstlandTschechien1
Vereinigtes Königreich Österreich
SpanienUngarn
PortugalKanada
USAFrankreich
LuxemburgLettland
Niederlande Schweden
Deutschland Norwegen
FinnlandIrlandItalien
BelgienDänemark
Alleinstehend, kein Kind, Durchschnittseinkommen
Verheiratet, zwei Kinder, alleinverdienend mit einem Durchschnittseinkommen
Verheiratet, zwei Kinder, beide Eheleute haben je ein Einkommen (Durchschnittseinkommen + 33 % einesDurchschnittseinkommens)
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Abbildung 4
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Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung und Einkommen-/Lohnsteuer1 2018in % der Lohnkosten2
1 Definiert als Arbeitgeberbeitrag zuzüglich Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung und Lohnsteuer (gegebenenfalls einschließlich anteiliger Lohnsummensteuer), gemindert um die familienbezogenen Leistungen (z. B. Kindergeld).2 Lohnkosten definiert als Bruttoarbeitslohn zuzüglich Arbeitgeberbeitrag (gegebenfalls einschließlich anteiliger Lohnsummensteuer).
Quelle: OECD (Hrsg.), Taxing Wages 2017 – 2018, Paris 2019
0 10 20 30 40 50 60
Belgien
Deutschland
Italien
Österreich
Frankreich
Ungarn
Tschechien
Slowenien
Schweden
Finnland
Lettland
Slowakei
Griechenland
Portugal
Litauen
Spanien
Luxemburg
Niederlande
Estland
Polen
Norwegen
Dänemark
Irland
Japan
Vereinigtes Königreich
Kanada
USA
Schweiz
Alleinstehend, kein Kind, Durchschnittseinkommen
Verheiratet, zwei Kinder, alleinverdienend mit einem Durchschnittseinkommen
Verheiratet, zwei Kinder, beide Eheleute haben je ein Einkommen (Durchschnittseinkommen + 33 % einesDurchschnittseinkommens)
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Abbildung 5
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF August 2019
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Umsatzsteuersätze
In den meisten Industriestaaten blieben die Um-satzsteuersätze im Jahr 2018 unverändert. Der in
Deutschland erhobene Umsatzsteuerregelsatz von 19 % liegt im EU-Vergleich nach wie vor in der unteren Hälfte (siehe Abbildung 6).
Umsatzsteuer-Normalsätze in der EU 2018in %
Quelle: Bundeszentralamt für Steuern
27
25
25
25
24
24
23
23
23
22
22
21
21
21
21
21
21
20
20
20
20
20
20
19
19
19
18
17
0 5 10 15 20 25 30
Ungarn
Schweden
Kroatien
Dänemark
Griechenland
Finnland
Portugal
Polen
Irland
Slowenien
Italien
Tschechien
Spanien
Niederlande
Litauen
Lettland
Belgien
Vereinigtes Königreich
Slowakei
Österreich
Frankreich
Estland
Bulgarien
Zypern
Rumänien
Deutschland
Malta
Luxemburg
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Abbildung 6
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF August 2019Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich
Fazit
Deutschland verfügt insgesamt über ein leistungs-gerechtes und faires Steuersystem. Den Steuern und Abgaben steht ein für ein hochentwickeltes In-dustrieland angemessenes Niveau an öffentlichen Leistungen gegenüber. Die Bürgerinnen und Bür-ger profitieren vor allem von gut ausgebauten sozi-alen Sicherungssystemen und größtenteils gebüh-renfreier öffentlicher Infrastruktur (u. a. in Schulen, Hochschulen, zunehmend auch Kitas). In dieser Le-gislaturperiode stärken zudem Steuer- und Ab-gabensenkungen insbesondere für Familien und Menschen, die kleinere und mittlere Einkommen beziehen, die verfügbaren Einkommen und setzen positive Arbeitsanreize.
Auch Unternehmen berücksichtigen bei der Stand-ortauswahl neben dem Besteuerungsniveau vor al-lem die „Leistungsseite“ eines Standorts, wie etwa In-frastruktur, Qualifikation der Fachkräfte, öffentliche
Sicherheit und eine effiziente Verwaltung. Die deut-schen Unternehmen sind wettbewerbsfähig und er-folgreich auf den internationalen Märkten tätig; auch die Liquiditätssituation und Finanzierungs-bedingungen stellen sich weiterhin als günstig dar. Deutschland wird bei den Unternehmensteuern keinen Steuersenkungswettlauf nach unten unter-stützen. Vielmehr setzt die Bundesregierung hier auf zielgerichtete Maßnahmen zur Verbesserung der Wachstums- und Investitionsfreundlichkeit des Steuersystems, wie etwa die Einführung einer steu-erlichen Förderung von Forschung und Entwick-lung. Darüber hinaus wird die Steuergerechtigkeit im nationalen und internationalen Rahmen kon-sequent gestärkt. So treibt Deutschland zusammen mit Frankreich das Konzept einer effektiven globa-len Mindestbesteuerung voran, um die Herausfor-derungen sowohl bei der Besteuerung der Digital-wirtschaft als auch bei den weiteren Anstrengungen gegen Steuergestaltung und Steuervermeidung wir-kungsvoll zu adressieren.
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