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Molekulare ElektronikDOI: 10.1002/ange.200601787

Eine neue Dimension bei mehrkernigenMetallocenkomplexenMatthias Wagner*

Stichw�rter:Metall-Metall-Wechselwirkungen · Metallocene ·Molekulare Elektronik · Nanostrukturen · Radialene

Von der molekularen Elektronik biszur homogenen Katalyse: MehrkernigeMetallocenkomplexe haben ein großesAnwendungspotenzial.[1] Beispielsweisewurden oligomere Ferrocenderivate er-folgreich als Multielektronen-Redoxka-talysatoren, Elektronenspeichermedienund bei der Oberfl)chenmodifizierungvon Elektroden eingesetzt.[2, 3]

Aus der großen Vielfalt denkbarerStrukturen sind zun)chst die linearenPoly(ferrocenylene) besonders hervor-zuheben, da ihre Entwicklung bislangam weitesten fortgeschritten ist. ImHinblick auf ihre Synthese gelang derentscheidende Durchbruch mit derRing4ffnungspolymerisation gespann-ter [1]Ferrocenophane, die zu gut cha-rakterisierten und verarbeitbaren Ma-kromolek5len 1 f5hrt (Schema 1).[4]

K5rzlich wurden ausgehend von 1,1’-Bis(dibromboryl)ferrocen 5ber eineneuartige Kondensationsreaktion auchBorandiyl-verbr5ckte Derivate 2 her-gestellt (Schema 1).[5] Nach geeigneterSubstitution der Bromatome zeichnensich die resultierenden Materialiendurch eine ausgepr)gte elektronischeKommunikation zwischen den Eisen-zentren aus, die auf eine effiziente La-dungsdelokalisation 5ber die leeren p-Orbitale der Boratome zur5ckzuf5hrenist.

Im Hinblick auf die Entwicklungnanoskaliger Dr)hte f5r die molekulare

Elektronik kommt einer Maximierungder elektronischen Wechselwirkungenentlang der Polymerhauptkette ent-scheidende Bedeutung zu. Poly(ferro-cenylene) 3 (Schema 1) mit direkt ver-bundenen Cyclopentadienylringen las-sen hierbei besonders vielversprechendeEigenschaften erwarten. Bisherige Ver-suche zur Synthese polymerer Struktu-ren 3, die ausschließlich Ferrocen in derHauptkette tragen, st5tzten sich unteranderem auf die schrittweise Kupplungvon 1,1’-Diiodferrocen mit 1,1’-Dili-thioferrocen·tmeda.[6] Als Ergebniswurden jedoch meist oligomere undkurzkettige Materialien erhalten, derenReinigung und Charakterisierung zu-dem durch L4slichkeitsprobleme er-schwert wurde. In j5ngerer Zeit konnten

diese Probleme durch Einf5hrung l4s-lichkeitsvermittelnder Alkylsubstituen-ten teilweise 5berwunden werden. Er-w)hnenswert sind vor allem Arbeitenzur Pr)paration von Poly(ferrocenyle-nen) [�(C5H3R)Fe(C5H3R)�]n 5ber dieReaktion des Di(hexyl)fulvalen-Dian-ions mit [FeCl2(thf)2] (R=Hexyl)[7]

oder durch CuCl-vermittelte Kupplungvon 1,1’-Bis(tri-n-butylstannyl)-3,3’-bis-(trimethylsilyl)ferrocen (R= SiMe3).

[8]

Eine besondere Herausforderung,gleichzeitig aber auch besonders großesPotenzial, liegt im Bbergang von eindi-mensionalen Polymeren zu zweidimen-sional-sternf4rmigen Oligo(metallo-cen)-Strukturen oder gar dendritischenMolek5len. Aus pr)parativen Gr5ndenwurden zun)chst Verbindungen synthe-tisiert, in denen die einzelnen Metallo-cen-Einheiten 5ber ges)ttigte Br5cken-glieder miteinander verbunden sind.Wichtige fr5he Beispiele f5r solchemehrkernigen h4herdimensionalenMetallocen-Aggregate umfassen dieTentakelkomplexe 4 und 5 (Abbil-dung 1). Die Synthese von 4 nutzt diegesteigerte Acidit)t der Methylproto-nen von [(C5H5)Fe(C6Me6)]

+ f5r dieAnbindung von sechs Ferrocenylbutyl-Resten durch eine Sequenz nucleophilerSubstitutionsreaktionen mit 4-Ferroce-nylbutyliodid.[9] Die elfkernige Ferro-censpezies 5 ist ausgehend von Deca-(allyl)ferrocen durch zehnfache Hydro-silylierung mit Dimethylsilylferrocenzug)nglich.[10] Dem Cyclovoltammo-gramm von 5 ist zu entnehmen, dass dieterminalen Ferrocenylsubstituentengleichzeitig in einem Zehnelektronen-5bergang oxidiert werden und das Mo-lek5lger5st somit allenfalls eine sehrgeringe intramolekulare elektronischeWechselwirkung zul)sst.

Schema 1. Synthesestrategien f'r Poly(ferro-cenylene) 1–3.

[*] Prof. Dr. M. WagnerInstitut f'r Anorganische ChemieJohann Wolfgang Goethe-Universit6tFrankfurtMax-von-Laue-Straße 760438 Frankfurt/Main (Deutschland)Fax: (+49)69-798-29260E-Mail: matthias.wagner@chemie.

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Auch hier w)re es demnach w5n-schenswert, statt elektronisch weitge-hend isolierender Alkylketten alterna-tive Br5ckenelemente einsetzen zuk4nnen, die eine elektronische Kom-munikation zwischen den redoxaktivenUntereinheiten f4rdern. In diese Rich-tung gibt es bereits wichtige Ans)tze,wie z.B. den Aufbau sternf4rmiger me-tallorganischer Verbindungen, in denenein zentrales Tricarbonyl(cyclobutadi-en)eisen-Fragment 5ber Alkindiylbr5-cken mit {(C4H3)Fe(CO)3}- (6, Abbil-dung 1) oder {(C5H4)Mn(CO)3}-Substi-tuenten verbunden ist.[11] Der Schl5s-selschritt dieser Synthesen besteht inder vierfachen Palladium-katalysiertenKupplung der entsprechenden metall-organischen Stannylacetylene mit[(C4I4)Fe(CO)3] (Stille-Kupplung).

Khnlich wie bei linearen Poly(fer-rocenylenen) sind auch im Falle zwei-dimensionaler Aggregate optimaleelektronische Eigenschaften vor allemdann zu erwarten, wenn die Metallo-cenfragmente direkt aneinander gebun-den sind. Diesem Ziel sind Vollhardtet al. nunmehr einen wesentlichenSchritt n)her gekommen:[12] Durch eineNegishi-Kupplung von [(C5I5)Mn-(CO)3]

[13] mit Zn[(C5H4)Mn(CO)3]2oder Zn[(C5H4)Fe(C5H5)]2 gelangten siein guten Ausbeuten zu den radialenOligocyclopentadienyl-Metallkomple-xen 7 und 8 (Schema 2).

Dieselbe Gruppe hatte bereits 1996den Penta(cyclopentadienyl)cyclopen-

tadienyl-Komplex [(C5H5)5C5Mn(CO)3]hergestellt und dessen Deprotonierungzum Pentaanion [(C5H4)5C5Mn(CO)3]

5�

beschrieben, das anschließend als Br5-ckenligand in sechskernigen sternf4r-migen Metallkomplexen fungieren soll-te.[14] Bberraschenderweise war es je-doch bislang nicht m4glich, diese Ver-bindung zu permetallieren, sodass diehier vorgestellte Metallacyclopentadi-enylierung erstmalig Zugang zu Ver-bindungen des Typs 7 und 8 er4ffnet.

Elektrochemische Untersuchungendes Ferrocenylderivats 8 ergaben drei

deutlich getrennte Redoxwellen, die ei-nem Einelektronen- und zwei Zwei-elektronen5berg)ngen entsprechen.Demnach l)sst, anders als bei 5 (Abbil-dung 1), die Architektur von 8 offen-sichtlich ausgepr)gte elektronischeWechselwirkungen innerhalb des Mole-k5ls zu. Eine noch weitere Steigerungder Ladungsdelokalisation sollte aufzwei Wegen erreichbar sein: 1) Mank4nnte sechs Metallionen nicht allein5ber den [(C5H4)5C5]

6�-Liganden, son-dern zus)tzlich noch 5ber direkte Me-tall-Metall-Bindungen zu Clustern ver-

Abbildung 1. Zweidimensionale mehrkernige Eisenkomplexe 4–6.

Schema 2. Synthese von Penta(cymantrenyl)cymantren 7 und Penta(ferrocenyl)cymantren 8.a) [Pd2(dba)3] (25%), THF, 65 8C, dba=Dibenzylidenaceton; Cym= (C5H4)Mn(CO)3,Fc= (C5H4)Fe(C5H5).

AngewandteChemie

6061Angew. Chem. 2006, 118, 6060 – 6062 � 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

kn5pfen. 2) Die f5nf Cyclopentadienyl-Substituenten ließen sich durch intra-molekulare Vernetzung in ihren Rota-tionsm4glichkeiten einschr)nken undparallel zum p-Elektronensystem deszentralen F5nfringes ausrichten.

Wegen der bekannten Photolabilit)tvon Carbonylkomplexen bietet sich derHexamangankomplex 7 als Ausgangs-verbindung f5r Clusterbildungsstudienan. In der Tat f5hrt die Photolyse von 7in THF (450-W-Quecksilberlampe, t=130 s) unter Freisetzung eines Kquiva-lents Kohlenmonoxid zu einer Ver-bindung, in der neben dem Zentral-komplex und drei unver)nderten{(C5H4)Mn(CO)3}-Substituenten nocheine {(C5H4)(CO)2Mn(m-CO)Mn(CO)2-(C5H4)}-Einheit mit Mn-Mn-Bindungvorliegt. H4here Cluster wurden bislangnicht identifiziert. Erste Versuche zurAnellierung von Cyclopentadienyl-Sei-tengruppen wurden unter Verwendungdes Ferrocenylderivats 8 durchgef5hrt.Die Vereinigung von 8 mit w)ssriger p-Toluolsulfons)ure endete in der Ab-spaltung eines {(C5H5)Fe}-Fragmentsund der Kn5pfung einer C-C-Bindungzwischen der freigesetzten Cyclopenta-dienylgruppe und einem benachbartenFerrocenyl-Substituenten (9, Abbil-dung 2). Unter oxidativen Kupplungs-bedingungen nach Zugabe von CuII-Trifluormethylsulfonat zu 8 werden zweibenachbarte {(C5H5)Fe}-Fragmente eli-miniert und zwei C-C-Bindungen er-zeugt. Eine davon bildet sich in ge-w5nschter Weise, w)hrend die andereden C5H5-Ring eines der verbliebenenFerrocenyl-Substituenten einbezieht(10, Abbildung 2).

Eine wesentliche Erweiterung er-f)hrt das Vollhardtsche System dadurch,dass der zentrale Cyclopentadienylringvon 8 durch Bestrahlung der Verbin-dung in THF dekomplexiert werdenkann, wodurch man freies Penta(ferro-cenyl)cyclopentadien gewinnt. Ent-scheidend f5r den Erfolg ist die Zugabevon 100 Kquivalenten 1-Heptin, auch

wenn noch nicht vollkommen gekl)rt ist,in welcher Weise dieses in die Reaktioneingreift. Angesichts der Tatsache, dassCyclopentadienide zu den wichtigstenLiganden in der metallorganischenChemie geh4ren, er4ffnet die Verf5g-barkeit eines sterisch extrem abge-schirmten Derivats, dessen Eigenschaf-ten gleichzeitig auf elektrochemischemWege beeinflussbar sind, faszinierendePerspektiven.

Die hier vorgestellte Arbeit vonVollhardt et al. markiert einen ent-scheidenden Durchbruch auf dem Ge-biet der metallorganischen Materialien,indem sie die bisherige Beschr)nkungauf linear verkn5pfte Poly(metallocene)aufhebt und einen Weg hin zur Synthesezweidimensionaler Strukturen weist.Neben der eleganten Synthese ist vorallem der Nachweis wichtig, dass selbststerisch stark 5berfrachtete Penta(cy-clopentadienyl)cyclopentadienyl-Kom-plexe noch Molek5lkonformationeneinzunehmen verm4gen, die ausge-pr)gte elektronische Wechselwirkungenzwischen den gebundenen Metallzen-tren zulassen. Man darf daher auf zu-k5nftige interessante Entwicklungenauf dem Gebiet monodisperser metall-organischer Nanostrukturen gespanntsein.

Erg)nzender Kommentar: K5rzlichgelang der Arbeitsgruppe von Vollhardtauch die Synthese der lange gesuchtenVerbindung Hexa(ferrocenyl)benzoldurch sechsfache Ferrocenylierung von

Hexabrom- bzw. Hexaiodbenzol 5bereine Negishi-Kupplung.[15]

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Abbildung 2. Reaktionsprodukte der Umset-zung von 8 in Gegenwart von p-Toluolsulfon-s6ure (9) oder CuII-Trifluormethylsulfonat (10).

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