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Entwurf und Implementierungvon metamaterial-basierten Antennensystemen

Diplomarbeit von Thorsten LiebigPrufer: Prof. Dr.-Ing. Ingo Wolff und Prof. Dr. sc. techn. Daniel Erni – Betreuer: Dipl.-Ing. Andreas Rennings

Allgemeine und theoretische Elektrotechnik (ATE) – Fakultat fur Ingenieurwissenschaften – Universitat Duisburg-Essen, 47048 Duisburg

1. Einleitung

In der Diplomarbeit wurden einige Ansatze fur den Entwurf und die Implementierung von metamaterial-basierten Anten-

nensystemen auf Basis der”Composite Right/Left-Handed“-Leitungstheorie entwickelt, von denen einer in den folgenden

Abschnitten vorgestellt werden soll.

Die ersten theoretischen Grundlagen, mit der Annahme es gabe Materialien mit negativer elektrischer Permittivitat (εr) und

magnetischer Permeabilitat (µr), stellte bereits 1968 der russische Physiker Victor Veselago auf [1]. In der Natur ist ein

solches Material jedoch nicht vorhanden, so dass diese Theorie fur fast 30 Jahre unbeachtet blieb. Ende der 90er Jahre

konnte der Physiker John Pendry ([2], [3]) und in der Folge D. R. Smith [4] erstmals eine solche negative Permittivitat und

Permeabilitat mittels kunstlicher, periodischer Strukturen nachweisen.

Im Jahr 2002 entwickelten schließlich die in der Mikrowellentechnik tatigen Forschergruppen von Christophe Caloz und

Tatsuo Itoh eine auf diesem Prinzip beruhende Leitungstheorie [5], die im folgenden Abschnitt naher erlautert wird und auf

der die gezeigten Antennensysteme aufbauen.

2.”Composite Right/Left-Handed“ (CRLH) Leitungstheorie

Abbildung 1(a) zeigt das ubliche Ersatzschaltbild einer

gewohnlichen Leitung, mit einem Induktivitatsbelag L′R im

Serien- und einem Kapazitatsbelag C ′R im Shuntpfad. Die

Wellenzahl βRH und deren Steigung in Abb. 2 ist stets positiv

(positive Materialparameter).

Abbildung 1(b) zeigt ein zu 1(a) inverses Ersatzschaltbild

mit einem Serien-Kapazitatsbelag C ′L und einem Shunt-

Induktivitatsbelag L′L. Die Wellenzahl βLH in Abb. 2 ist in

diesem Fall stets negativ und somit ein Zeichen fur die

gewunschten negativen Materialparameter.

Da eine Leitung immer die in 1(a) gezeigten”parasitaren

Elemente“ hat, kann eine solche Struktur nicht realisiert

werden. Es ergibt sich eine Ersatzschaltung in Abb. 1(c) die

beide Ersatzschaltbilder kombiniert.

Wie in Bild 2 zu erkennen, ermoglicht dieses CRLH-Modell

bei den Resonanzfrequenzen des Serien- (fse) und Shunt-

pfades (fsh) eine Wellenzahl βCRLH=0. Diese beiden so-

genannten”Zeroth-Order“-Resonanzen der CRLH-Leitung

werden fur die in Abschnitt 4 bis 6 vorgestellten Antennen

ausgenutzt.

∆z

L′R

C ′R

(a) RH-Leitung

∆z

L′L

C ′L

(b) LH-Leitung

∆z

L′R

C ′RL′L

C ′L

(c) CRLH-Leitung

Abbildung 1: Leitungs-Modelle

−2 −1 0 1 20

5

10

15

Fre

qu

en

z[G

Hz]→

β/π [m−1] →

L′R = 1nH/mL′L = 1nHmC ′

R = 1pF/mC ′

L = 1.5pFm βLH

βRH

βCRLH

Stoppband fse

fsh

(a) Homogene Modelle fur ωse 6= ωsh

−2 −1 0 1 20

5

10

15

Fre

qu

en

z[G

Hz]→

β/π [m−1] →

L′R = 1nH/mL′L = 1nHmC ′

R = 1pF/m

βLH

βRH

βCRLH

C ′L = 1pFm

(b) Homogene Modelle fur fse = fsh

Abbildung 2: Dispersionsdiagramme

3. CRLH-Einheitszellen

Die in Abschnitt 2. eingefuhrten kunstlichen LH-Elemente werden in

der Praxis durch verteilte/diskrete Bauelemente realisiert, wie es

in Abb. 3(a) gezeigt ist. Abbildung 3(b) zeigt eine der entwickelten

CRLH-”Einheitszellen“.

Die Serien-Kapazitat wird hier durch einen Interdigital-Kondensator und die Shunt-Induktivitat durch eine schmale

Leitung (Stub), die am Ende durch eine Durchkontaktierung (engl.

”via-hole“) mit der Masseflache auf der Unterseite verbunden ist,

realisiert.

Eine”Hintereinander-Schaltung“ (Kaskadierung) vieler solcher Ein-

heitszellen ergibt dann eine CRLH-Leitung mit einem Dispersi-

onsdiagramm ahnlich dem in Bild 2 dargestellten. Durch die”end-

lichen“ Ausdehnungen einer Einheitszelle ergibt sich noch je ein

zusatzliches Stoppband fur sehr tiefe und sehr hohe Frequenzen.

LL

LR CL

CR

Z

Y

Tor 1 Tor 2

(a) LC-Modell

wstub

ℓ stu

b

wfinger

ℓfinger

wgap

(b) Realisierung

Abbildung 3: Inhomogenes Modell und Realisierung in

Interdigital-Technik

4.”Zeroth-Order“-Resonator Antennen (ZORA)

◮ Eine an beiden Enden kurzgeschlossene”Metaleitung“ bildet einen Resonator

◮ Serien-Resonanz (”Zeroth-Order-Mode“) bei f0 = fse (βCRLH = 0) fuhrt zu konstanter Stromdichte

entlang der Antenne und maximaler Richtwirkung (siehe Abb. 5).

Einheitszelle

Kurzschluss →

Speisung

Abbildung 4: Prototyp einer zwolfzelligen Interdigital-ZORA mit einer Arbeitsfrequenz von 2,46 GHz

(a) Strahlungsdiagramm (FDTD-Simulation) (b) Vektorielle Stromdichte am kurzgeschlossenen

Ende (MoM-Simulation)

Abbildung 5: Stromverteilung und Richtcharakteristik einer Interdigital-ZORA

◮ FDTD-Simulation (Empire XCcelTM) und Messung zeigen sehr gute Ubereinstimmung:

2 2.2 2.4 2.6 2.8 3−40

−35

−30

−25

−20

−15

−10

−5

0

Messung

FDTD-Sim.

Frequenz in GHz →

|S11|

ind

B→

(a) Eingangsreflexionsfaktor S11

0

−10

[dB]

90°

60°

30°

−30°

−60°

−90°

−120°

−150°

180°

150°

120°

0

−10

[dB]

90°

60°

30°

−30°

−60°

−90°

−120°

−150°

180°

150°

120°

gemessensimuliert

(b) Kopolarisation Eθ(θ, φ = 0◦)

0

−10

[dB]

90°

60°

30°

−30°

−60°

−90°

−120°

−150°

180°

150°

120°

0

−10

[dB]

90°

60°

30°

−30°

−60°

−90°

−120°

−150°

180°

150°

120°

gemessensimuliert

(c) Kopolarisation Eφ(θ, φ = 90◦)

Abbildung 6: Vergleich von Mess- und Simulationsergebnissen der in PCB-Technologie implementierten ZORA aus Bild 4.

Q: Wo liegen die Vorteile dieser scheinbar komplexen Antennen-Struktur?

5. Skalierbarkeit der ZOR-Antennen

◮ Zeroth-Order-Resonanzfrequenz ist unabhangig

zur Anzahl der Einheitszellen

⇒ ZOR-Antennen konnen beliebig raumlich

skaliert werden (siehe Tab. 1 und Bild 7)

◮ Im Gegensatz zu einem herkommlichen

Antennen-Array ist kein zusatzliches

Speisenetzwerk notig.

Parameter 2-Zeller 9-Zeller 12-Zeller 14-Zeller 20-Zeller Patch

f0 [GHz] 2,456 2,455 2,465 2,466 2,474 2,420

D [dBi] 5,89 7,39 9,02 9,59 10,45 6,52

G [dB] 3,37 5,86 7,57 8,11 9,00 5,80

ηrad in % 56% 70% 72% 71% 72% 77%

Lange [mm] 21,8 94,6 125,8 146,6 209,0 32,5

Breite [mm] 22,9 22,9 22,9 22,9 22,9 42,2

A [mm2] 499 2166 2881 3357 4786 1373

Tabelle 1: Antennenparameter der verschiedenen

ZOR-Antennen im Vergleich zu einer Patchantenne

Abbildung 7: Weitere Prototypen mit 2, 9 und 20 Zellen

Q: Lasst sich diese gute Skalierbarkeit auch fur zweidimensionale Arrays nutzen?

6. Zweidimensionale ZOR-Antenne

◮ Bisher: Nutzung der Serien-Resonanz fur Langen-Skalierbare Einzelantennen

◮ Alternative: Leerlauf der Leitungsenden fuhrt zur Zeroth-Order-Querresonanz

”Quer“-Stubs konnen somit zur Speisung mehrerer Serien-ZOR-Antennen verwendet werden

Kurzschlusse

Kurzschlusse

Leerlauf

Leerlauf

Einheitszelle des Quer-Resonators

Speisung↓

Abbildung 8: Prototyp der zweidimensionalen ID-ZORA

Parameter Messung Simulation

f0 [GHz] 2,483 2,43

D [dBi] – 15,3

G [dB] 13,5 13,7

ηrad in % – 68%

Lange [mm] 137,3 137,3

Breite [mm] 210,1 210,1

A [mm2] 28.847 28.847

Tabelle 2: Antennenparameter der 2D-ZORA

−15 −10 −5 0 5 10 15 −10 0 10

0

5

10

15

20

25

30

−20

−15

−10

−5

0

5

10

y → x→

z→

Abbildung 9: Gemessenes Richtdiagramm (Gewinn in dB)

A: Mit auf die Arbeitsfrequenz abgestimmten CRLH-Einheitszellen lassen sich durch

die”Zeroth-Order“-Resonanz beliebige zweidimensionale Antennenflachen mit

geringem Aufwand und ohne komplexes Speisenetzwerk realisieren.

7. Zusammenfassung und Ausblick

Die vorgestellten Antennen bieten diverse Vorteile zu”herkommlichen“ Implementierungen:

◮ Da die Arbeitsfrequenz unabhangig von der Anzahl der kaskadierten Einheitszellen ist, lasst sich

eine nahezu beliebige – auch zweidimensionale – effektive Antennenflache (Antennenapertur)

erzielen, ohne dass dazu ein komplexes Speisenetzwerk notig ware.

◮ Speziell die in Interdigital-Technik gefertigten Einheitszellen bzw. Antennen ermoglichen somit

ein kostengunstiges”Single-Layer“-Design, wahrend sonst ein eventuell notiges Speisenetzwerk

in weiteren Ebenen”vergraben“ werden musste.

Zukunftige Weiterentwicklungen:

◮ Anpassungen fur neue Frequenzbereiche (z. B. Radar-Anwendungen bei 24 GHz)

◮ Elektronische Steuerbarkeit durch Hinzunahme aktiver Bauteile (z. B. Kapazitatsdioden)

Literatur

[1] V. G. Veselago: The electrodynamics of substances with simultaneously negative values of ǫ and µ, Soviet Physics Uspekhi, vol. 10, no. 4, 1968.

[2] J. B. Pendry, A. J. Holden, D. J. Robbins and W. J. Stewart: Low frequency plasmons in thin-wire structures, J. Phys. Condens. Matter, vol. 10,

1998.

[3] J. B. Pendry, A. J. Holden, D. J. Robbins and W. J. Stewart: Magnetism from conductors and enhanced nonlinear phenomena, IEEE Trans. Micr.

Theory. Tech., vol. 47, no. 11, Nov. 1999.

[4] D. R. Smith, W. J. Padilla, D. C. Vier, S. C. Nemat-Nasser and S. Schultz: Composite medium with simultaneously negative permeability and

permittivity, Phys. Rev. Lett., vol. 84, no. 18, May 2000.

[5] C. Caloz, T. Itoh: Electromagnetic Metamaterials, Transmisson Line Theory and Microwave Applications, Wiley and IEEE Press, 2005.

[6] S. Otto: Analysis and synthesis of resonant antennas on compisite right/left handed (CRLH) Materials, Diplomarbeit, Universitat-Duisburg-Essen

(Standort Duisburg) 2004.

[7] A. Rennings, S. Otto, C. Caloz and P. Waldow: Enlarged half-wavelength resonator antenna with enhanced gain, IEEE AP-S International

Symposium USNC/URSI National Radio Science Meeting, June 2005.

Eigene Veroffentlichungen

[E1] A. Rennings, T. Liebig, S. Otto, C. Caloz and I. Wolff: Highly directive resonator antennas based on composite right/left-handed (CRLH)

transmission lines, presented at International ITG Conference on Antennas (INICA), Munich, Germany, March 2007.

[E2] A. Rennings, T. Liebig, S. Abielmona, C. Caloz, and P. Waldow: Tri-Band and dual-polarized antenna based on composite right/left-handed

transmission line, in Proc. 37th European Micrwave Conf. (EuMC), Munich, Germany, Oct. 2007, pp. 720-723

[E3] A. Rennings, T. Liebig, C. Caloz, and P. Waldow, MIM CRLH series mode zeroth-order resonant antenna (ZORA) implemented in LTCC

technology, in Proc. Asia-Pacific Microwave Conference (APMC), Bangkok, Thailand, Dec. 2007, CD-ROM

[E4] A. Rennings, S. Otto, T. Liebig, C. Caloz, and I. Wolff, Dual-band composite right/left-handed ring antenna with linear/circular-polarization

capability, 1st Europ. Conf. on Antennas and Propagation (EuCAP 2006), Nov. 6-10, Nice, France, Session OA7, Paper 363935, 2006.

[E5] A. Rennings, T. Liebig, C. Caloz, and I. Wolff, Double Lorentz transmission line metamaterial and its application to tri-band devices, IEEE MTT-S

Int. Microwave Symp. (IMS 2007), June 3-8, Honolulu, HI, USA, Session TH1G-04, pp. 1427-1430, 2007.

E-MAIL: [email protected] WWW: http://www.ate.uni-due.de

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