I
Erfolgsteam
„Junge Frauen an die Spitze“
Ein promotionsbegleitendes Programm
der Graduierten- und Forschungsakademie
im Rahmen der Gleichstellungsförderung der TU Bergakademie Freiberg
Inhalte und Eindrücke des Programms aus Sicht
der Teilnehmerinnen der ersten Gruppe
II
Inhalt
Vorwort ...................................................................................................................................... 3
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen ............................................ 5
Doreen Bayer ......................................................................................................................................................... 5
Andrea Hanebuth ................................................................................................................................................. 5
Franziska Hunger.................................................................................................................................................. 7
Eva Jäckel ................................................................................................................................................................ 8
Maria Pilecka .......................................................................................................................................................... 9
Tatsiana Piliptsevich .......................................................................................................................................... 10
Manja Reinwardt ................................................................................................................................................ 11
Julia Ryssel ............................................................................................................................................................ 11
Saskia Stein ........................................................................................................................................................... 12
Sophie Ullrich....................................................................................................................................................... 13
Persönliche Eindrücke ............................................................................................................ 15
Wir brauchen einen Plan! – Strategieentwicklung für die eigene Karriere .................................. 15
„Netzwerken“ oder weltmännisch „Networking“ ................................................................................... 17
Spitzenfrauen und Spitzenvorbilder ........................................................................................................... 18
Spitzenfrauen im Gespräch 2012 - 2014 ................................................................................................... 20
Familie und Karriere .......................................................................................................................................... 21
Sprache – Hindernis oder Brücke?! ............................................................................................................. 22
Aus ERfolg wird jetzt SIEfolg?! Gedanken zum Thema Gleichstellung .......................................... 23
Schlaglichter der Studien- Strategiefahrt nach Brüssel (02.04. bis 05.04.2014) ......................... 24
Methodik für analytisches Herangehen an komplexe Situationen ................................................. 27
Vom Selbstzweifel zum Selbstbewusstsein .............................................................................................. 28
Zusammenhalt in der Gemeinschaft ........................................................................................................... 29
Kommunikation in Konflikten ........................................................................................................................ 31
Geduld haben lernen ........................................................................................................................................ 32
Chancen nutzen – ein Aufruf, an sich selbst zu glauben .................................................................... 34
Danksagung ............................................................................................................................ 36
Vorwort
3
Vorwort
Das Erfolgsteam „Junge Frauen an die Spitze“ wurde auf Vorschlag der Graduierten- und
Forschungsakademie 2012 in die Gleichstellungsförderung der TU Bergakademie Freiberg
aufgenommen. 2014 wurde es in den Instrumentenkasten der DFG „Gleichstellung in der
Wissenschaft“ als best practice Beispiel aufgenommen.
Dem Konzept liegt ein ausgefeiltes Instrumentarium zugrunde, um die subtilen Mechanismen
für die Teilnehmerinnen transparent zu machen, die dazu führen, dass Frauen nach wie vor sich
seltener habilitieren oder berufen werden, obwohl seit Jahrzehnten niemand mehr bestreitet,
dass sie genauso intelligent, kompetent und leistungsfähig sind wie ihre männlichen
Altersgenossen und die rechtliche Gleichstellung vollständig hergestellt ist.
Das Phänomen der gläsernen Decke ist mittlerweile in aller Munde, doch seit jüngerem wissen
wir auch aus wissenschaftlicher Quelle, dass dies nur die eine Seite des Phänomens ist.
Mindestens genauso wirksam scheinen die inneren Bilder zu sein, die jede Generation junger
Frauen von neuem in sich aufnimmt und die letztlich ihren Lebensweg mitbestimmen.
Unser Ziel war es, ein Programm zu gestalten, das die Nachwuchswissenschaftlerinnen so
fördert, dass sie die eigenen inneren Bilder freilegen, kritisch überdenken und gestalten
können, ohne sie zu besseren Männern machen zu wollen. Und zugleich geht es darum, ihnen
das Werkzeug an die Hand zu geben, um Mechanismen der gläsernen Decke zu identifizieren
und ihnen entgegen zu wirken.
Dafür werden sieben Elemente in diesem Programm synergetisch miteinander verflochten:
Mit einem personenorientierten Ansatz werden die Teilnehmerinnen bis zur
Promotion bzw. für maximal 3 Jahre begleitend dazu trainiert und gecoacht, so dass durch
diese langfristige Begleitung die individuellen Stärken systematisch entwickelt werden
können. Ein besonderer Fokus wird zudem auf das Forschungsmanagement und die
Beantragung von Forschungsgeldern gelegt.
In sehr persönlichen Interviews mit herausragenden Frauen aus Wissenschaft, Wirtschaft,
Kultur und Politik lernen sie deren Lebenswege und Erfolgsstrategien kennen.
Ein weiterer Programmbestandteil ist es, den jungen Frauen konsequent Möglichkeiten
aufzuzeigen, wie sich wissenschaftliche Karriere und Kinderwunsch miteinander verknüpfen
lassen. Dazu werden insbesondere Role Models für die Interviews ausgewählt, die
herausragende Leistungen und Mutterschaft verbunden haben, wie beispielsweise eine
Leibnizpreisträgerin und Direktorin eines Max-Planck-Instituts, die zugleich drei Kinder im
Krippen-, Kindergarten- und Grundschulalter erzieht.
Die international und interdisziplinär zusammengesetzte Gruppe der Nachwuchs-
forscherinnen wird gezielt als Entwicklungs- und Gestaltungsraum genutzt und bildet ein
weiteres zentrales Element des Programms, denn in diesem Rahmen legen die
Teilnehmerinnen den Grundstein für ein lebenslanges internationales Netzwerk.
Reflexivität, Integrität und die Beherrschung einer wertschätzenden Auseinander-
setzungskultur in einem globalen Kontext, strategisches Denken sowie die Kompetenz zum
Vorwort
4
nachhaltigen Handeln als künftige Führungskraft und Wissenschaftlerin sind dabei zentrale
Zielstellungen.
Aktuelle lebensweltliche Probleme und Krisen wie beispielsweise der syrischen oder
ukrainischen Teilnehmerinnen werden in der Gruppe aufgenommen und bringen aufgrund
der methodischen Reflexion der im Gruppencoaching eingesetzten Gesprächstechniken
neben einem weiten globalen Blick auch Kompetenzzuwachs bezüglich der
Kommunikationsfähigkeit und Menschenkenntnis als künftige Führungskraft in einem
internationalen Umfeld mit sich.
Das Engagement der Teilnehmerinnen in der Lehrerfortbildung für sächsische Schulen aller
Schularten und Fachrichtungen zum Training der Kompetenz, Fachfremden die eigene
Forschung nahe zu bringen
sowie eine Strategie-Studien-Fahrt nach Brüssel komplettieren das Programm.
Bei der Entscheidung über die Förderung des Erfolgsteams „Junge Frauen an die Spitze“ 2012
war es der damalige Prorektor Forschung Prof. Stelter, der darauf drängte, dieses Programm
als durchlaufendes langfristiges Programm für die TU Bergakademie Freiberg zu gestalten, in
das jährlich eine neue Gruppe Doktorandinnen aufgenommen wird. Dank dessen ist
mittlerweile bereits die dritte Kohorte im Erfolgsteam integriert. Und übrigens haben schon
fünf Kinder das Licht der Welt erblickt und bald werden es sechs sein, so dass demnächst
begleitende Kinderbetreuung das Programm ergänzen soll.
Die erste Gruppe schließt das Programm mit der Abschlussveranstaltung am 09. März 2015
erfolgreich ab. Ob es uns gelungen ist, mit dem Erfolgsteam „Junge Frauen an die Spitze“
unsere anspruchsvollen Ziele zu erreichen, wird die Zeit zeigen. Dieses Heft lädt Sie ein, das
Programm aus der Perspektive der Teilnehmerinnen kennenzulernen.
Kristina Wopat
Freiberg, Februar 2015
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
5
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
Doreen Bayer
Wer bist du?
Dipl.-Ing. Doreen Bayer (Umwelt-Engineering)
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Ich bin zu Beginn meiner Promotion in das Programm „Junge Frauen an die Spitze“
eingestiegen. Ich hatte vorher schon einige Softskillkurse besucht, sodass dieses Programm
interessant erschien. Zudem hatte mich eine Kollegin motiviert mich zu bewerben, da sie
schon in einem ähnlichen Programm war und begeistert davon sprach.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Ganz viele eigene Erfahrungen durch die Gespräche und die Treffen mit weiblichen
Vorbildern, wodurch ich mehr Selbstbewusstsein erlangt habe.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Das erste Treffen mit einer weiblichen Führungskraft. Es war unglaublich aufbauend und
berauschend sich mit Frau Prof. Schwille zu unterhalten. Sie war sehr authentisch, auch wenn
ihr Lebensweg für (vermutlich) keine von uns ein Vorbild sein wird.
Wohin soll die Reise gehen?
Ich würde gerne in der Wissenschaft bleiben, da die breitgefächerte Auswahl an Themen
immer wieder spannend ist.
Andrea Hanebuth
Wer bist du?
Mein Name ist Andrea Hanebuth und ich bin nach meinem Studium
TUM-BWL (Technologie- und Managementorientierte BWL mit
Nebenfach Maschinenwesen) an die TU Bergakademie Freiberg als
wissenschaftliche Mitarbeiterin gewechselt um neben der Projektarbeit
am Deutschen Energie-Rohstoff-Zentrum meine Promotion zu verfassen.
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Ich war über ein Jahr in Freiberg, als ich mich für die erste Runde bei den Spitzenfrauen
beworben habe. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich über ein Jahr an einem Thema gearbeitet,
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
6
von dem ich ausging meine Promotion dazu zu schreiben. Das hat sich jedoch dann
geändert und ich fing thematisch nahe Null an als ich in das Programm einstieg. Meine
Motivation für das Programm war, dass ich mehr Doktorandinnen an der Universität kennen
lernen wollte und einfach auch fachlich einen besseren Überblick über die Forschung an der
Universität bekommen wollte. Denn wenn Doktoranden selbst über ihre Forschung
sprechen, versteht man auch die Hintergründe und Zusammenhänge besser. Außerdem
wollte ich damals auch einfach mein Netzwerk an der Universität in die anderen Fakultäten
vergrößern.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Zum einen nehme ich tolle und verlässliche Kontakte zu ganz unterschiedlichen und
wahnsinnig interessanten Frauen mit. Zum anderen habe ich auch gelernt mich selbst und
meine Stärken und Grenzen in einer Gruppe besser einzuschätzen, die nur aus Frauen
besteht. Damit war auch eine ganz anderes Feedback möglich und ein herzlicher und offener
Umgang, bei dem ich wiederum toleranter wurde, aber auch von anderen viel lernen und
mitnehmen durfte.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Für meine berufliche Zukunft hat mir die Gruppe sehr viel Mut gespendet und ich freue mich
schon jetzt darauf zu sehen wo es die Kolleginnen hintreibt und sie wieder anzurufen, wenn
sie mir auf ihrem Fachgebiet, das ich nicht abdecken kann, vielleicht einen Tipp geben
können. Aber ich habe auch mitgenommen, dass der Weg, den ich für mich geplant habe
auch Zuspruch und Ermunterung von den Kolleginnen gefunden hat. Das hat mir nochmals
einen Schub gegeben. Ein wahres Geschenk der Gruppe.
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Für mich war eine Situation während unserer Brüssel-Reise sehr eindrucksvoll, nämlich als
wir am Donnerstag abends am Place de Luxembourg dabei sein durften, als sich die
Wichtigen, Mächtigen und die, die es werden wollten, auf ein Feierabendbier trafen. Massen
von Lobbyisten, Praktikanten, Assistenten und Machthungrigen drängten sich auf dem Platz,
der bald auch für den Verkehr gesperrt wurde. Welche Themen dort gerade diskutiert
wurden kann ich nicht sagen, aber es war für mich zum einen erschreckend, weil schwierig
einschätzbar und unwirklich scheinend und zum anderen ansteckend und beflügelnd. Ich
kann bis heute noch nicht sagen, ob ich dieses Gefühl mochte, welches auf dem Platz
herrschte, einerseits gefiel es mir, andererseits hatte ich auch den Eindruck, dass sich dort
„Macht“ irgendwie verselbstständigen könnte, ohne, dass ich sie stoppen könnte. Man hatte
das Gefühl „im Zentrum der Macht zu stehen“. Für mich empfand ich das Gefühl durchaus
als gefährlich, da ich den Eindruck hatte, dass diese Macht, dieses Gefühl durchaus einen
Sog und ein Suchtpotenzial darstellen kann. Wie stark kann einen solch ein Umfeld – selbst
bei den besten Absichten – selbst verändern?
Wohin soll die Reise gehen?
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
7
Wo die Reise geographisch hingeht, kann ich zunächst erst einmal nur kurzfristig
beantworten: Nach München zu einer Unternehmensberatung. Aber ich hoffe ganz stark,
dass die geknüpften Bande nicht zu schnell abreißen, auch wenn ich nicht mehr in der
„Schnell-auf-einen-Kaffee-Treffen-Distanz“ bin. Was meine berufliche Reise betrifft, so
strebe ich an, mittelfristig Projektleiterin (mit eigenem Team) zu werden und den
Unternehmen mit Ideen, Rat, Schaffenskraft und Unterstützung zur Seite zu stehen. Vielen
Dank in diesem Zusammenhang an die Truppe, denn eure Bestätigung und Ermunterung zu
diesem Ziel hat mir nochmals Vertrauen gegeben. Sicherlich schwebt im Hinterkopf der
Gedanke zur Gründung einer eigenen Firma, aber das ist – wenn überhaupt – ein
langfristiges Ziel. Mein Ziel insgesamt ist es, meine Stärken so einzubringen, dass es den
Menschen in den Unternehmen leicht fällt Veränderungen anzunehmen und sie Freude an
ihrer Arbeit und ihrem Umgang finden. So entsteht meiner Meinung nach eine ganz eigene
Dynamik in der Arbeit, die brachliegende Potenziale nutzbar machen lässt.
Franziska Hunger
Wer bist du?
Franziska Hunger, geboren 1986 in Dippoldiswalde, Sachsen. Studium
der Verfahrenstechnik an der TU Freiberg im Anschluss Beginn der
Promotion mit dem Titel: Numerische Simulation laminarer und
turbulenter Partial-Oxidationsflammen.
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Ich hatte das erste Jahr der Promotion bereits abgeschlossen. Meine Motivation war, dass in
einer kleinen Gruppe, Fähigkeiten trainiert würden, die während des wissenschaftlichen
Arbeitens häufig zu kurz kommen, dazu gehört z.B. Rhetorik in Krisensituationen oder
Kommunikation im männerdominierten Umfeld. Weiterhin wollte ich andere
Promotionsstudentinnen kennen lernen um mich mit anderen Frauen über das Karriere-
Familie-Problem und ebenfalls Frausein in Männerdomänen auszutauschen.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Die unterschiedlichen Lebenswege der sehr erfolgreichen Frauen und Männer, die wir kennen
gelernt haben, haben mich sehr beeindruckt und gleichzeitig gezeigt, wie vielfältig diese
Wege sein können. Insbesondere beindruckte mich aber, dass Menschen, die sympathisch
und authentisch wirken stets einfacher ihren Lebensweg gehen können und leichtfüßiger an
ihr Ziel kommen. Weiterhin bin ich natürlich beeindruckt von Kristinas Fachwissen und
Einfühlungsvermögen, dass uns in vielen Situationen mehr Verständnis für die psychischen
Mechanismen in anderen Menschen und uns selbst gegeben hat.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
8
Am wichtigsten für mich ist zu wissen, dass es viele Möglichkeiten und Wege gibt. Ein Schritt
in eine Richtung heißt nicht zwangsweise eine Festlegung auf eben diese Richtung. Ziele sind
wichtig, aber können auch neu definiert werden. Generell gilt aber: Alles ist möglich.
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Die Präsentation von Frau Faller-Moog war eine der prägendsten, weil sie eine so
sympathische und authentische Frau ist, Mutter von 3 Kindern und Gründerin der Ölmarke
Bio Planete. Trotz vieler Rückschläge und persönlicher Schicksalsschläge, geht sie ihren Weg
und das mit so viel Elan und Kraft. Weiterhin hat mich die Studienfahrt nach Brüssel sehr
beeindruckt. Die Menschen, die Atmosphäre, der Politikalltag, alles war so aktiv und
inspirierend– ganz gegenteilig zur landläufigen Meinung, die man von Brüssel hat.
Wohin soll die Reise gehen?
Zuerst muss die Promotion abgeschlossen werden und danach wird es wohl eine
akademische Laufbahn werden.
Eva Jäckel
Wer bist du?
Eva Jäckel. Ich bin in Freiberg geboren und zur Schule gegangen.
Danach begann ich ein Studium in Dresden, bin dann aber an die
TU Freiberg gewechselt um Technologiemanagement zu
studieren. Während des Studiums war ich für ein Praktikum für ein
halbes Jahr in der Schweiz. Nach der Abschlussarbeit bei Daimler
habe ich als Projektingenieur im Vertrieb bei einem
Automobilzulieferer gearbeitet und bin schließlich zurück an die
TU gekommen, um im Bereich Gießereitechnik zu promovieren.
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Meine Promotion hatte ich ungefähr ein halbes Jahr vorher begonnen. Ich war noch in der
Orientierungsphase und erhoffte mir durch das Programm interessante Menschen zu
treffen, aber auch ab und an aus dem Institutsalltag zu entkommen und von Dingen zu
hören, die zwar nichts direkt mit meiner Promotion zu tun haben, aber dennoch dafür
nützlich sind.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Die vergangenen 3 Jahre haben mich Stärker und Selbstbewusster gemacht. JFadS bot mir
den Raum berufliche und private Ereignisse zu reflektieren. Feedback bekommt man so
wohlwollend ehrlich wahrscheinlich nur in einer solchen geschlossenen Gruppe. Außerdem
nehme ich viele nette Kontakte, die auch über das Programm hinaus bestehen, mit.
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
9
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Zuversicht und neue Perspektiven.
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Besonders wichtig für mich war einer der ersten Workshops in Dresden. Aus der
Feedbackrunde zu der Präsentation meines Promotionsthemas konnte ich viel mitnehmen.
Als Gruppenerlebnis war es die Brüsselfahrt. Entspannter und unkomplizierter habe ich eine
mehrtägige Reise mit so vielen verschiedenen Frauen noch nicht erlebt.
Wohin soll die Reise gehen?
Zunächst möchte ich meine Promotion erfolgreich abschließen und danach wieder in der
Industrie gehen.
Maria Pilecka
Wer bist du?
Mein Name ist Maria Pilecka. Ich bin eine BWL-erin und
Mathematikerin aus einem Dorf im Südosten von Polen. Ich fahre
sehr gerne im Sommer Mountainbike und im Winter Ski.
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
1 Jahr nachdem ich offiziell meine Promotion angefangen habe, bin
ich eingestiegen. Für mich war das allerdings gefühlt der Anfang der Promotion.
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Ich war persönlich daran sehr interessiert, wie erfolgreiche Frauen ihr Leben gestalten. Ein
wichtiges Thema war ebenfalls die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Programm gab
mir zusätzlich eine Gelegenheit einige Promovendinnen kennen zu lernen, die auf
unterschiedlichen Gebieten arbeiten und sich in einer ähnlichen Lebensphase befinden.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Ich nehme auf jeden Fall ein erhöhtes Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein mit.
Außerdem einige Techniken und Erkenntnisse, beispielsweise: das Wichtigste um ein
Problem zu lösen ist das Problem erstmal zu verstehen, jede Phase von einem Prozess (auch
die, die unsere Geduld herausfordert) ist notwendig.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Ich nehme die Erkenntnis mit, dass das psychische Wohlfühlbefinden auch im beruflichen
Leben eine wichtige Rolle spielt und man somit am Arbeitsplatz immer dafür sorgen sollte.
Außerdem die Aussagen einiger Personen, die wir getroffen haben sowie die Erkenntnisse
aus den Workshops werden mir sicherlich bei den künftigen beruflichen Entscheidungen
eine große Hilfe sein.
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
10
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Für mich gab es nicht eine einzige besonders wichtige Situation. Das was mich am meisten
beeindruckt hat, war die Möglichkeit viele außergewöhnliche Personen kennenzulernen und
ihre Offenheit gegenüber uns zu erfahren.
Wohin soll die Reise gehen?
Der nächste Schritt ist Abschluss der Promotion. Die Forschung und Lehre bereiten mir viel
Spaß. Die wissenschaftliche Arbeit erfordert allerdings sehr viel Stärke und ich bin nicht
sicher ob ich all dem gewachsen bin. Andererseits, wenn für mich etwas zu einfach war, war
es immer uninteressant.
Tatsiana Piliptsevich
Wer bist du?
Tatsiana Piliptsevich – Weißrussin aus Minsk, Umweltingenieurin,
leidenschaftliche Tänzerin, Doktorandin im Fachbereich
Rohstoffmanagement
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Ich war noch im Studium, also sogar vor dem Anfang der Promotion. Meine Motivation war
meine Neugierigkeit etwas Neues auszuprobieren. Ich habe gedacht, dass das Programm
neue Impulse für meine Selbstentwicklung geben kann.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Auf jeden Fall nehme ich die offenen und tiefen Gruppenbesprechungen von persönlichen
Problemen der Doktorandinen mit, in denen wir immer die Lösung, oder mindestens eine
Teillösung, gefunden haben.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Mut!
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Das war mein Vortrag in Freestyle (erster Vortrag in Deutscher Sprache) für eine
Lehrerweiterbildung über meinen Lebensweg zur Promotion: sehr hohe Aufregung am
Anfang und schönes energetisches Aufladen am Ende!
Wohin soll die Reise gehen?
Um diese Frage zu beantworten zitiere ich ein paar Sätze aus einem tollen Video von Baz
Luhrmann „Everybody’s free“, die sehr zu mir passen: „Fühlen Sie sich nicht schuldig, wenn
Sie nicht wissen, was Sie mit Ihrem Leben machen wollen. Die interessantesten Menschen
die ich kenne, haben mit 22 nicht gewusst, was sie mit ihrem Leben machen wollten. Einige
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
11
der interessantesten 40-Jährigen wissen es immer noch nicht.“ (übersetzt aus dem
Englischen)
Manja Reinwardt
Wer bist du?
Manja Reinwardt; Fakultät 1, Institut für Diskrete Mathematik
& Algebra; Arbeitsort Mittweida (kooperative Promotion)
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
In der zweiten Hälfte (Promotion bereits seit Oktober 2011)
Motivation: Kontakte an der TU Bergakademie Freiberg knüpfen,
eigene Weiterentwicklung
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Ich bin offener geworden und habe ein Gemeinschaftsgefühl erfahren.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
In Coachings haben wir hilfreiche Techniken für Konfliktsituationen erlernt.
Einblicke in verschiedene Bereiche aus Wirtschaft und Politik (besonders auf der Exkursion
nach Brüssel)
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
in Brüssel: am Klavier die vielfältigen Eindrücke Revue passieren lassen
Wohin soll die Reise gehen?
Wirtschaft: Forschungsabteilungen, später eventuell auch Selbstständigkeit
Julia Ryssel
Wer bist du?
Mein Name ist Julia Ryssel. Ich habe an der TU Bergakademie
Freiberg Keramik, Glas- und Baustofftechnik studiert. Nachdem ich
2012 fertig geworden bin, habe ich angefangen am Lehrstuhl für
Glas-und Emailtechnik zu arbeiten.
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Ich bin direkt nach meinem Diplomabschluss in das Programm gekommen. Meine
Motivation mitzumachen war eher ein intuitives Gefühl, dass es gut für mich wäre. Ich dachte
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
12
der Titel passt zu mir, da ich eine junge Frau bin und an die Spitze will. Ich finde, dass eine
super Chance für junge Frauen ist, dass es solche Programme gibt, also sollten wir sie auch
nutzen.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Wenn du versuchst so zu sein, wie du denkst, dass es in der Situation am besten wäre zu
sein, wirst du nie die Beste sein. Du bist immer die Beste, die du sein kannst, wenn du
authentisch bist. Das ist das aller Wichtigste. Erkenntnisse wie diese und noch einen ganzen
Haufen Selbstbewusstsein nehme ich mit.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Ich habe viele Methoden kennengelernt, die ich in der Zukunft anwenden möchte. Ich habe
tolle erfolgreiche Frauen getroffen, die mir als Vorbild dienen. Ich werde an sie denken,
wenn ich durch schwere Zeiten gehe. Am hilfreichsten ist das Netzwerk das entstanden ist.
Ich kann es beruflich und auch für private Kontakte nutzen. Die Freundschaften, die
entstanden sind, enden ja nicht mit dem Programm.
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Ich werde das Gruppengefühl was wir auf unserer Reise nach Brüssel hatten nicht so schnell
vergessen. Ich hätte nie gedacht, dass wir so eine tolle Zeit miteinander verbringen würden,
wenn wir mit 17 Frauen auf Tour gehen.
Wohin soll die Reise gehen?
Jetzt baue ich meine eigene Firma auf. In einem Team aus 4 Leuten bin ich die einzige
Technikerin. Ich möchte mein Arbeitsumfeld so aufbauen, wie es für mich richtig ist.
Saskia Stein
Wer bist du?
Saskia Stein, eine Mathematikerin, die in der Geophysik arbeitet, angestellt
am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie, betreut an der
TU Bergakademie Freiberg, durchs Studium auslandserfahren.
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Ich hatte gerade erst vor ein paar Monaten mein Studium abgeschlossen und war ganz am
Anfang. Meine Hauptmotivation war es, etwas mehr übers Netzwerken zu lernen, andere
Leute aus anderen Fachbereichen zu treffen und ein paar Techniken zum Stressmanagement
zu lernen.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
13
Sehr viel mehr als das oben Beschriebene. Ich nehme mir das Bewusstsein mit, bei
Durststrecken immer eine Gruppe von Menschen im Rücken zu haben, die weiterhelfen und
motivieren können, eine leicht andere Sichtweise auf viele zwischenmenschliche
Situationen, die mir beruflich wie privat jetzt schon oft weitergeholfen hat. Ganz persönlich
nehme ich mir noch viele gute Freundschaften aus dem Programm mit.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Beruf und Privates gehen oft mehr Hand in Hand als ich vorher dachte. Zusätzlich nehme
ich mir noch motivierende Vorbilder mit, ein stärkeres Bewusstsein meiner Fähigkeiten, eine
größere Wachsamkeit für gewisse Stolperfallen, Techniken, damit umzugehen und aus all
dem zusammen eine größere Belastbarkeit
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Da kann ich keine konkrete auswählen. Am beeindruckendsten waren immer die Treffen mit
Spitzenfrauen sowie die Besprechungen der einzelnen Probleme der anderen
Teilnehmerinnen in den Gruppencoachings.
Wohin soll die Reise gehen?
Das wird sich zeigen.
Sophie Ullrich
Wer bist du?
Mein Name ist Sophie Ullrich und ich arbeite am Lehrstuhl für
Umweltmikrobiologie unter der Leitung von Prof. Michael
Schlömann. In meinem Promotionsprojekt beschäftige ich mich
mit Bakterien, die typisch für Bergbaustandorte sind. Dabei
analysiere ich ihre Genome, um herauszufinden, wie diese
Bakterien unter den extremen Bedingungen überleben können
und ob sie sich für die Anwendung im biotechnologischen
Bergbau eignen.
In welchem Stadium der Promotion bist du eingestiegen?
Was war damals deine Motivation für das Programm?
Ich hatte die Möglichkeit direkt zu Beginn meiner Promotion in das Programm einzusteigen.
Da ich zu diesem Zeitpunkt noch neu in Freiberg war, habe ich mich einerseits darauf gefreut
Doktorandinnen von anderen Fachbereichen kennenzulernen. Daneben war ich sehr
gespannt auf die Treffen mit den „Spitzenfrauen“ aus Wissenschaft und Politik, um mehr
über ihre Karrierewege zu erfahren. Außerdem hat mich das Angebot der Intensivworkshops
zum Training der Soft Skills und der Führungsfähigkeiten sehr interessiert.
Was nimmst du persönlich für dich aus dem Programm mit?
Wir stellen uns vor – Steckbriefe der ersten Teilnehmerinnen
14
Durch unsere Intensivworkshops habe ich viel über zwischenmenschliche sowie
professionelle Kommunikation gelernt und warum es hier häufig zu Missverständnissen und
Konflikten kommt. Im Programm habe ich einerseits Strategien kennengelernt, um solche
schwierigen Situationen und Konflikte auf ihren verschiedenen Ebenen zu durchdringen
sowie mit diesen Situationen umzugehen oder nach Lösungen für die Konflikte zu suchen.
Besonders wichtig für mich war zudem die Arbeit im Team während unserer Coachings und
Workshops, die mein Selbstbewusstsein und mein Selbst-vertrauen gestärkt haben.
Was nimmst du für deine berufliche Zukunft mit?
Ich verlasse die Gruppe mit einem Netzwerk zu Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik
und Wirtschaft und habe daneben auch die Werkzeuge das Netzwerk in Zukunft gezielt
auszubauen. Daneben bin ich heute viel bewusster über die möglichen Karrierewege für
Wissenschaftler. Außerdem gehe ich heute selbstbewusster die notwendigen Schritte an,
um mich für Projektfinanzierungen oder für die Teilnahmen an wichtigen Tagungen zu
bewerben.
Was war für dich die prägendste und eindrucksvollste Situation?
Da sind zumindest diese beiden: Zu einem war die Lehrerfortbildungsreihe, die wir an der
Universität organisiert haben und in der wir selbst Referentinnen waren. Die
Rückmeldungen der Teilnehmer waren unglaublich positiv. Einer der Teilnehmer kam sogar
im folgenden Schuljahr erneut zur Fortbildung. Die zweite sehr prägende Situation war das
Treffen mit Prof. Debaille an der Universitè Bruxelles, die uns sehr mitreißend von ihren
beiden abgelehnten Anträgen für einen ERC Starting Grant berichtet hat und was sie aus
die gescheiterten Versuchen für die erfolgreiche dritte Bewerbung gelernt hat.
Wohin soll die Reise gehen?
Mein kurzfristiges Ziel ist ein kurzer Forschungsaufenthalt in Chile. Nach dem Abschluss
meiner Promotion möchte ich meine eigenes Forschungsprojekt planen und beantragen.
Längerfristig kann ich mir inzwischen auch vorstellen die Verantwortung für eine eigene
Forschungsgruppe zu übernehmen, obwohl ich noch immer mit den Gedanken an die
unvermeidbaren Konflikte ringe, die mit einer solchen Verantwortung kämen.
Persönliche Eindrücke
15
Persönliche Eindrücke
Wir brauchen einen Plan! – Strategieentwicklung für die eigene Karriere
Mein Fazit nach drei Jahren im Programm Erfolgsteam „Junge Frauen an die Spitze“ ist
folgendes: Strategien für die Karriereplanung und das Selbstbewusstsein, diese anschließend
in die Tat umzusetzen, sind erlernbar.
Der Übergang vom Studium zum Arbeitsleben war ein unerwartet scharfer Übertritt von einem
Lebensabschnitt in den nächsten. Trotz der gefühlten Selbstständigkeit und
Selbstverantwortlichkeit für die eigene Ausbildung folgte ich als Studentin einem Weg von
ausgeworfenen Brotkrummen bis zum Ziel, dem Abschluss. Bereits während der letzten Monate
kreiste die Frage in meinem Kopf, wohin es nach dem Hochschulabschluss gehen sollte. Die
Antwort schien einfach. Da mich die Forschung und selbstständige Arbeit an wissenschaftlichen
Fragestellungen schon während meiner Bachelorarbeit und nun wieder während meiner
Masterarbeit begeistert hatte, entschied ich mich für eine Promotion.
Auch in diesem Lebensabschnitt schien das Ziel sehr klar, die Dissertation.
Während mir die Einarbeitung in das neue Themengebiet keine
Schwierigkeiten bereitete, merkte ich jedoch nach den ersten Wochen und
Monaten, dass die wegbestimmenden Brotkrumen fehlten. Wie sollte ich
meine Promotion erfolgreich gestalten? Was wollte ich danach machen?
Welche Weichen musste ich schon während der Promotionszeit stellen, um
auch anschießend erfolgreich weiterarbeiten zu können? Wie finde ich meinen Weg durch das
Labyrinth der Erwartungen des Betreuers, des Chefs, der Kollegen und von mir selbst? Weil
diese Fragen nicht nur mir durch den Kopf gingen, sondern auch meinen Mitstreiterinnen im
Erfolgsteam „Junge Frauen an die Spitze“, wurde die Frage der Gestaltung der eigenen Karriere
eine der zentralen in unserer Gruppe.
Die eigene Karriere oder wissenschaftliche Laufbahn lässt sich nicht nach Handbuch planen.
Vielmehr haben wir in unserer Gruppe mithilfe der ständigen Unterstützung unserer Betreuerin
Kristina Wopat an der Entwicklung einer Strategie gearbeitet, die uns einerseits helfen sollte,
einen Einstieg in unsere Planungen zu finden und uns andererseits auf unserem weiteren Weg
eine Orientierungshilfe sein sollte. Als Kernpunkte dieser Strategieentwicklung für die eigene
Karriereplanung hoben sich folgende Aspekte besonders hervor:
Zunächst begannen wir mit der Herausarbeitung von Karriereperspektiven, die uns der
Abschluss einer Promotion eröffnet. In unseren Gesprächen mit den „Erfolgsfrauen“ aus Politik,
Wissenschaft und Wirtschaft haben wir zudem eine Vielzahl von Lebensläufen kennengelernt.
Die „Erfolgsfrauen“ haben uns sehr offen an ihren eigenen Erfahrungen teilhaben lassen, sodass
wir sehr schnell lernten, dass keine dieser Karrieren geradlinig und von vornherein genau
geplant verlaufen ist. Vielmehr wurde unser Augenmerk auf die Chancen gelegt, die sich dem
Persönliche Eindrücke
16
aufmerksamen Betrachter ergeben und die Möglichkeiten in die eine oder andere Richtung
eröffnen. Ein weiteres Fazit dieses Erfahrungsaustausches war die Betonung der Wichtigkeit
von Netzwerken und Unterstützern, durch die sich einige Chancen erst ergeben.
Für die unter uns, die sich für eine Laufbahn in der Wissenschaft interessieren, begann nun im
nächsten Schritt die „Bestandaufnahme“ für den eigenen Forschungsbereich. Neben der rein
fachlich-inhaltlichen Auseinandersetzung mit unserem Forschungsgebiet war es auch
notwendig die bestehenden Netzwerke der involvierten Wissenschaftler zu verstehen. Wer
arbeitet mit wem zusammen? Wer publiziert gemeinsam? Welche methodischen Ansätze
werden verfolgt? Welche Laborausstattungen stehen dafür zur Verfügung. Welche sind die
wichtigen Fachtagungen, auf der sich die wichtigsten Wissenschaftler meines
Forschungsgebietes treffen?
Im folgenden Schritt ordneten wir unser Promotionsthema in das bestehende Gefüge
thematisch ein. In diesem Zusammenhang stellten wir uns die Frage, welche Kontakte uns bei
der Bearbeitung einzelner Forschungsfragen besonders helfen würden und wo wir zusätzliche
wichtige Methoden lernen könnten.
Schließlich beschäftigten wir uns mit Fragen der Finanzierung. Welche Fördermöglichkeiten
gibt es zur konkreten Realisierung von Forschungsaufenthalten während der Promotion und
zur Teilnahme an wichtigen Tagungen. Welche Fördermittel können wir nach Abschluss der
Promotion für die PostDoc-Zeit einwerben?
Nachdem wir also in der Gruppe die wichtigsten Fragen erarbeitet haben, die wir uns für die
ersten Schritte unserer Karriereplanung stellen mussten, folgte nun für jede einzelne von uns
die Festlegung konkreter Ziele. Ich kann an diesem Punkt nur für mich sprechen. Im vorletzten
Jahr meiner Promotion entwickelte ich den Plan noch vor dem Abschluss einen mehrmonatigen
Forschungsaufenthalt in Chile anzugehen. Für meinen Aufenthalt hatte ich mir eine
Arbeitsgruppe, die sich in meinem Forschungsbereich auf methodischer und inhaltlicher Ebene
die beste Expertise erarbeitet hatte. Für die Finanzierung bewarb ich mich um ein DAAD-
Doktorandenstipendium für Forschungsaufenthalte. Nach sechs Wochen des Wartens erhielt
ich leider eine Absage. Spätestens an diesem Punkt wurde mir bewusst, welchen bestärkenden
Einfluss die Arbeit in der Gruppe zu unseren Coachings und Workshops und die Gespräche mit
den „Erfolgsfrauen“ auf mich hatten. Die Möglichkeit des Auslandsaufenthaltes wollte ich nicht
aufgeben, also ich bewarb ich mich um eine alternative Finanzierung, die schließlich erfolgreich
war. In zwei Wochen geht es los und ich freue mich auf den Austausch mit meinen
internationalen Kollegen.
Nun mögen einige Kollegen sagen, um das alles zu erlernen, braucht der „gute, selbstständige
Wissenschaftler“ doch keine Hilfe von außen, schon gar nicht im Rahmen eines
Gleichstellungsprojektes wie des Erfolgsteams „Junge Frauen an die Spitze“. Diesen sehr
kritischen Stimmen möchte ich gern etwas darlegen, was ich selbst auch erst in diesem Projekt
gelernt habe. Viele Frauen, und da schließe ich mich ein, haben Probleme ihren eigenen
Persönliche Eindrücke
17
„Marktwert“ im Vergleich zu Kollegen im eigenen Institut oder im eigenen Forschungsfeld,
realistisch einzuschätzen. Aus unserer anerzogenen Bescheidenheit heraus nehmen wir an,
unsere Arbeit wäre nicht innovativ oder gut genug, um mit der Konkurrenz mitzuhalten.
Stattdessen warten wir vielleicht darauf, dass uns unser Betreuer oder unser Chef vorschlägt,
auf Grund unserer guten Leistungen neue Ziele anzustreben. Doch gerade in Arbeitsgruppen
mit vielen Doktoranden ist es wichtig, seine eigenen Möglichkeiten selbst erkennen zu können
und diese dann aktiv zu verfolgen.
Und genau hier setzt „Junge Frauen an die Spitze an“. Wir erlernen das Werkzeug, um beides
in Einklang zu bringen und selbst aktiv zu werden. Durch diese gezielte Strategieentwicklung
und den Rückhalt in der Gruppe habe ich mich schneller zu einer selbstbestimmten
Wissenschaftlerin entwickelt als dies allein auf mich gestellt möglich gewesen wäre.
Vielen Dank für die wichtigen Erkenntnisse und die tolle Zusammenarbeit in den letzten drei
Jahren!
Sophie Ullrich
„Netzwerken“ oder weltmännisch „Networking“
Die Phase der Promotion sollte man ganz ohne Zweifel nutzen um Kontakte zu knüpfen. Ja, ich
glaube früher nannte man es Kontakte, Bekanntschaften oder vielleicht auch, oft etwas negativ
behaftet, Beziehungen. Ganz spektakulär und wesentlich wichtiger klingt es wenn man es
neudeutsch „Netzwerken“ oder weltmännisch „Networking“ nennt.
Dabei muss ich deutlich zwischen privaten und beruflichen
Netzwerken unterscheiden. Die privaten Netzwerke machen es
mir vergleichsweise einfach aktiv zu bleiben und mich zu
engagieren. Sie haben meist viele aktive Mitglieder und
regelmäßige Treffen animieren zum Mitmachen. Sie haben
sich über viele Jahre etabliert und aus manchen Kontakten
haben sich sogar Freundschaften entwickelt. Obwohl ich im alltäglichen Stress oft schon mit
diesen vermeintlich einfachen, sich selbst pflegenden Netzwerken überfordert bin, soll es um
diese Netzwerke nicht weiter gehen.
Die wesentlich größere Herausforderung erwartete mich nach dem Studienabschluss. Der
Aufbau der ersten rein beruflichen Netzwerke. Sie sollten mir den beruflichen Alltag erleichtern
und in einer doch recht überschaubaren Branche einfach aufzubauen sein. Dachte ich. Aber
Netzwerke zu spinnen und sie am Leben zu erhalten ist eine Kunst. Einigen Leuten scheint sie
in die Wiege gelegt worden zu sein, anderen fällt das schwerer. Ich zähle zu denen, den es
schwerer fällt.
Meine ersten Versuche berufliche Kontakte zu knüpfen scheiterten kläglich. Auf meiner ersten
Dienstreise bat mich ein mir unbekannter Geschäftsmann ihm doch bitte einen Kaffee zu
Persönliche Eindrücke
18
bringen. Auf meiner ersten Tagung wurde ich für eine Hostess gehalten. Dabei bleibe ich in
den meisten Fällen ohne Zutun in Erinnerung. Allein durch den Fakt, dass ich in der
männerdominierten Gießereiwelt eine Frau bin. Aber wie die Beispiele zeigen, wird in dieser
Welt Frau meist nicht mit Fachfrau assoziiert. Man(n) ist skeptisch. Da gab es die, die mir direkt
Unfähigkeit attestieren wollten. Andere versuchten in subtil geführten Fachgesprächen mein
Wissen in den unterschiedlichsten Bereichen abzuprüfen. Wieder andere haben mich gar nicht
als fachlichen Gesprächspartner wahrgenommen, sondern plauderten Belangloses oder
Doppeldeutiges. Dazu kommt, dass sich rein männliche Netzwerke ganz anders pflegen als
gemischte oder rein weibliche. Was für Frauen das stundenlange, orientierungslose Gequassel
oder das Sektchen, ist bei den Männern das geduldige Ausharren bei dem ein oder anderen
Bierchen oder dem ein oder anderen Bierchen zu viel am besten zu Wurst und Steak. Wie bringt
sich Frau da ein? Ich suche immer noch nach der Antwort!
Ein weibliches Netzwerk, dessen Regeln ich ohne Probleme beherrsche habe ich gefunden. Es
sind die Doktorandinnen vom Erfolgsteam „Junge Frauen an die Spitze“, die den ganz normalen
Promotionswahnsinn mit allen Höhen und Tiefen mit mir teilen. Im Rahmen des Programms
haben wir immer wieder erfolgreiche Frauen getroffen. Egal ob von Top-Managerin,
Parteivorsitzenden oder ausgezeichneter Wissenschaftlerin: Ein Satz hat sich in den
allermeisten Gesprächen herauskristallisiert und in mein Gedächtnis eingebrannt: „Seien Sie
mutig“. Mutig im Ergreifen von Chancen. Mutig beim Aufbau von Kontakten und beim Nutzen
der Kontakte. Mutig im Sinne von sich trauen, sich etwas zutrauen und dem Gehen neuer Wege.
Eva Jäckel
Spitzenfrauen und Spitzenvorbilder
Ein wichtiger Punkt des Programms „Junge Frauen an die Spitze“ war für mich die Möglichkeit
viele interessante und außergewöhnliche Persönlichkeiten kennenzulernen. Die meisten davon
waren sehr erfolgreiche Frauen - Professorinnen, Politikerinnen oder auch Frauen, die im
wirtschaftlichen Bereich eine Position mit einer großen Verantwortung vertreten.
Das wichtige dabei war - wir durften die einzelnen Stufen der Karrieren, inklusive der privaten
Eindrücke und Meinungen, kennenlernen. Die Hintergründe, die man vielleicht nicht erwartet
hat, die nicht in einem Lebenslauf zu finden sind, wurden uns auch erklärt. Das war deutlich
mehr als ich von den Treffen erwartet oder erhofft habe. Ich dachte, dass wir einige Einblicke
in die Forschung oder in das berufliche Leben bekommen. Die Offenheit unserer
Gesprächspartner kam sehr überraschend für mich.
Einige Berufswege unserer Gesprächspartner verliefen tatsächlich geradlinig, andere hatten
unerwartete Wendungen. Was immer zu erkennen war - hinter jede Karriere steckt sehr viel
Arbeit. Sollten irgendwann Rückschläge passieren, so darf man nicht aufgeben.
Selbstbewusstsein und eine Fähigkeit seine Leistung angemessen darzustellen, gehören dabei
Persönliche Eindrücke
19
ebenfalls zu entscheidenden Eigenschaften. Man muss auch das Leben selbst in die Hand
nehmen...
Wir durften uns die Erfahrungen der erfolgreichen Frauen anhören und vermutlich jede von
uns hat sich einige Male vorgenommen, sich ein Beispiel an der einen oder anderen
interviewten Person zu nehmen. Die Treffen waren förmlich mit Ratschlägen gespickt, die man
nur erkennen musste. Wir lernten beispielsweise kennen, wie man feststellt, ob das eigene
Arbeitsgebiet eine Grundlage für den wissenschaftlichen Erfolg bilden kann. Darüber hinaus
haben einige der getroffenen Frauen die Meinung repräsentiert, dass man immer die Augen
offen halten soll, um die Chancen, die sich anbieten, nicht zu übersehen. Die
Herausforderungen sind dafür da, um sie zu bewältigen und man soll sich keinen Kopf
zerbrechen, ob man dafür gut genug ist.
An einigen Stellen wurden wir auf die Verhaltensunterschiede zwischen Männern und Frauen
aufmerksam gemacht. Eine Aussage in Hinblick auf die Frauenquote ist mir besonders in
Erinnerung geblieben: Wieso fühlen wir uns (Frauen) eigentlich schlecht und verärgert, wenn
uns jemand sagt, dass wir möglicherweise eine Stelle bekommen nur deswegen, weil wir Frauen
sind. Wieso kommen wir auf komische Gedanken, solche Stellen nicht annehmen zu wollen?
Falls einem Mann ein ähnliches Angebot gemacht worden wäre, so hätte er es ohne zu zögern
angenommen.
Einige der Interviews haben auch ein anderes Thema beinhaltet - wir wurden über
unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten während und nach der Promotion informiert. Das
waren wiederum nicht nur diese Informationen, die beispielsweise im Internet gefunden
werden können, sondern auch persönliche Erfahrungen aus dem eigenen Bewerbungsprozess
oder gute Ratschläge eines Gutachters. Wir haben z.B. erfahren, dass über eine Annahme oder
Ablehnung eines wissenschaftlichen Themas nicht nur der Inhalt entscheidet. Die Darstellung
des Forschungsgebiets spielt dabei eine größere Rolle als man vermutet.
Alle Treffen haben uns ebenfalls eine einmalige Möglichkeit gegeben, unterschiedliche Berufe
aus erster Hand kennenzulernen. Wir wurden in diesem Prozess um viele Informationen über
den Arbeitsinhalt, die Vorteile aber auch Schwierigkeiten des jeweiligen Berufsweges reicher.
Mir persönlich blieb eine neue Berufsperspektive in Erinnerung, an die ich bisher noch gar nicht
gedacht habe. Diese wurde uns als eine Möglichkeit dargestellt, bei der man einerseits nah an
Wissenschaft arbeitet und auf dem Laufenden über aktuelle Forschung gehalten ist.
Andererseits, kann diese Chance auch dann ergriffen werden, wenn eine Universitätskarriere
aus gewissen Gründen nicht wunschgemäß verläuft. Es handelt sich dabei um die Mitarbeiter,
die bei der Annahme der Forschungsanträge arbeiten.
Alles in allem, hatten die Interviews neben dem informativen Charakter noch einen zusätzlichen
Effekt. Jedes Mal wurde uns nahe gelegt, dass wir auch in der Lage sind, Ähnliches zu erreichen
- ein sehr effektives Motivationstraining.
Maria Pilecka
Persönliche Eindrücke
20
Spitzenfrauen im Gespräch 2012 - 2014
Mai 2012 Dr. Marion Wilde
Europäische Kommission, Bereich Energiepolitik
Juli 2012 Prof. Dr. Petra Schwille
Direktorin des Max-Planck-Instituts für Biochemie Martinsried
November 2012 Dr. Eva Maria Stange
Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst
Mai 2013 Katja Kipping (MdB)
Bundesvorsitzende Die Linke
Juli 2013 Prof. Dr. Britta Planer-Friedrich
Universität Bayreuth, ehem. Postdoc der TU Bergakademie Freiberg
Juli 2013 Prof. Dr. Friederike U. Hoffmann
University of Bergen (Norwegen)
Oktober 2013 Prof. Dr. Elly Tanaka
ERC-Grantee, Zentrum für Regenerative Therapien TU Dresden
Oktober 2013 Carmen Hänsel
Personalleiterin IT und Organisation, Marke Volkswagen
Volkswagen AG
Oktober 2013 Jürgen Hasse
Ex. Leitung Konzern Qualitätssicherung Fahrzeug und Aggregate
Mitglied im Topmanagement von VW
März 2014 Judith Faller-Moog
Inhaberin Bio Planete, Ölmühle Lommatzsch
Juni 2014 Ass.-Prof. Dr. Anna Frebel
MIT Cambridge/MA
August 2014 Ella Seel
Personalleiterin Pierburg Pump Technology GmbH, Hartha
Oktober 2014 Prof. Dr. Christine Silberhorn
Universität Paderborn, jüngste Leibnizpreisträgerin (2011)
Persönliche Eindrücke
21
Familie und Karriere
Ich vermute, dass die meisten jungen Frauen, die gerade dabei sind sich darüber Gedanken zu
machen, was das Leben mit sich bringen kann, auf die Frage stoßen: wie lässt sich die Karriere
einer Frau mit der Familie vereinbaren? Vor drei Jahren konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie
das gehen soll, dass eine Frau wissenschaftlich überragend ist oder eine Karriere in der
Wirtschaft macht und gleichzeitig Kinder hat.
Nachdem wir einige dieser Frauen kennengelernt haben - die lebendigen Beweise dafür, dass
das möglich ist - stellte ich fest, dass es tatsächlich (mindestens) zwei erfolgreiche Modelle für
die Vereinbarkeit der Familie mit dem Beruf gibt.
Das erste Modell vertreten die Frauen, die sich bereits relativ zeitig (beispielsweise im Studium)
für die Kinder entschieden haben, dann aber (nachdem die Kinder aus dem Gröbsten raus sind)
eine beeindruckende Stärke gezeigt und sich der Karriere gewidmet haben. Was mir dabei
aufgefallen ist (um ein wenig Statistik einzubringen): keine dieser Frauen ist an einer Universität
oder Forschungseinrichtung als Professorin tätig. Die Karriere ging in diesem Fall häufig in eine
politische oder wirtschaftliche Richtung.
Die andere Möglichkeit: zuerst Karriere und dann, wenn praktisch die gewünschte Stelle
erreicht ist, können auch die Kinder kommen. Ich fand das bemerkenswert, wie zielstrebig diese
Frauen für ihre Zukunft gearbeitet haben, wie geradlinig und zweifelsfrei die Karrieren schienen.
Ich bin allen sehr dankbar, dass wir erfahren durften, dass das nicht immer der Fall war.
Eins der „Rezepte“ für eine erfolgreiche Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat mir besonders
gut gefallen und wurde erstaunlich oft wiederholt. „Ich habe einen lieben Mann - ohne ihn
wäre das alles nicht möglich“. Hinzu kam noch eine sehr gute Tagesorganisation - die Frauen
konnten nicht allzu lange auf dem Arbeitsplatz bleiben, um die Kinder aus dem Kindergarten
abholen zu können, dann aber, wenn die Kinder im Bett waren, konnte noch ein wenig
gearbeitet werden. Ich fragte mich dabei - wie unerschöpflich die Kräfte dieser Frauen sein
müssen, wenn sie im Grunde genommen pausenlos beschäftigt sind. Wie viel Spaß muss
beides, einerseits die Arbeit und andererseits die Kinder, den Frauen bereiten, dass sie den
Aufwand auf sich nehmen.
Durch die Vielfalt unterschiedlicher Lebensgeschichten, hat möglicherweise jede von uns eine
Gelegenheit gehabt um festzustellen, welcher Lebensweg als genau richtig für sie erscheint.
Einige der Frauen, die ihre Kinder später bekommen haben, versuchten uns zu ermutigen, dass
sich die Zeiten verändern und es könnte vielleicht sinnvoll sein über den Nachwuchs zeitiger
nachzudenken.
Das Wichtigste, was ich dabei mitgenommen habe ist, dass man viel mehr schaffen kann als
man für möglich hält. Jeder wächst in die Aufgaben hinein, die vielleicht am Anfang sehr
schwierig wirken.
Am Ende des kleinen Diskurses möchte ich noch eine Meinung loswerden, um die ich ebenfalls
in den letzten Jahren reicher geworden bin. Auch wenn das Thema „Vereinbarkeit von Familie
Persönliche Eindrücke
22
und Beruf“ wichtig ist, bewundere ich alle erfolgreichen Frauen und Männer, unabhängig davon
ob sie Kinder haben oder nicht. Ich bin prinzipiell gegen Behauptungen, dass lediglich die
Frauen wirklich etwas geschafft haben, die gleichzeitig Karriere machen und Kinder haben. Das
ist leider kein Einzelfall, dass wenn man von einer erfolgreichen Frau erzählt, die erste Reaktion,
die man hört, lautet: „Hat sie denn Kinder?“ Würde man die gleiche Frage hören, wenn es sich
um einen Mann statt einer Frau handeln würde?
Maria Pilecka
Sprache – Hindernis oder Brücke?!
Als ich von dem Programm Erfolgsteam „Junge Frauen an die Spitze“ gehört habe, war ich
ehrlich gesagt eher skeptisch. Was kann das geben? Der Name und die Idee dahinter (jetzt
spreche ich wie ein Ausländer und wahrscheinlich löse ich bei vielen eine Welle von Protesten
aus) schienen wieder in dieser für mich ein bisschen fremden und unklaren Idee von
Feminismus oder Gleichstellung zu liegen. Ich bin aber eine sehr neugierige Person und so eine
Möglichkeit würde ich nie verpassen. Am Anfang habe ich viel zugeschaut und zugehört, war
zurückhaltend, natürlich auch aus dem Grund der sprachlichen Behinderung. Dabei habe ich
aber schon viel mitgenommen von Problemlösungen, war sehr begeistert davon, wie wir alle
mit der Zeit offener geworden sind, welche tollen Menschen wir treffen. Und dann kam der
Punkt, als ich mein Problem hatte, und das ich habe mich getraut, es in der Gruppe zu
besprechen. Oh Wunder! Alles, was mich schon für eine lange Weile angespannt hat, ist gleich
einfacher geworden. Schon nur diese Erfahrung war es wert an diesem Programm
teilzunehmen.
Aber es ging weiter. Es kam eine neue Idee: eine Lehrerweiterbildung für sächsische Lehrer zu
machen, um zu zeigen, was und wie eigentlich momentan an den Hochschulen passiert. Ich
habe ein ganz breites oder eher freies Thema für mich ausgewählt, in dem ich nicht zu sehr an
meine wissenschaftliche Thematik gebunden war. Es ging um meinen Lebensweg und mein
Promotionsthema. Einen Tag vor dem Vortrag habe ich entschieden, das Ganze nicht auf
Englisch sondern auf Deutsch zu präsentieren. Voller Aufregung und Unsicherheit vor dem, wie
alle diese Menschen mich wahrnehmen, die älter und viel erfahrener sind, habe ich meine Rede
angefangen. Als ich meinen Vortrag beendet habe, hatte ich das Gefühl, dass es echt schade
ist, dass es schon zu Ende ist. Ich war energetisch voll aufgeladen und sehr stolz auf mich. Ich
habe wieder meine eigenen Grenzen weiter gemacht. Ich habe gesehen, wie alle zugeschaut
und zugehört haben. Und das klappte, egal in welcher Sprache ich spreche. Zum ersten Mal
während des Vortrages habe ich versucht zu amüsieren, und es schien, das klappt bei mir am
besten. Das hat mir einen großen Denkanstoß über meine Talente und weitere Karrierewege
gegeben. Ich vermute, dass ich ohne diese Erfahrung noch lange brauchen würde um diese
Stärke von mir zu finden. Jetzt ist natürlich die Frage, wie kann ich das weiternutzen. Aber das
ist schon eine andere Geschichte, die Sie vielleicht in vielen, vielen Jahren in Memoiren über
mein tolles Leben lesen können.
Persönliche Eindrücke
23
Während dieses Programms habe ich ganz viel gelernt: neue Menschen mit ihren Geschichten,
neue Ansichten dafür, welche Wege zum Ziel führen können, einfach neue Instrumente für
Problem- und Konfliktlösungen. Ich sehe es klar, wie ich mich weiterentwickelt habe. Jetzt ist
es ein bisschen schade, dass es zu Ende ist. Aber es ist auch eine gute Zeit weiterzugehen, die
Kenntnisse und Fähigkeiten zu nutzen oder weiterzugeben.
Tatsiana Piliptsevich
Aus ERfolg wird jetzt SIEfolg?! Gedanken zum Thema Gleichstellung
Ich stehe im Labor. Um ein Stahlblech in mein Messgerät einzuspannen brauche ich blanke
Flächen, sonst messe ich nur Mist. Ich suche eine Drahtbürste und frage einen Kollegen danach.
Seine Antwort: „Wozu brauchst du die? Zum Haarekämmen?“
Ein Kommentar wie einer von vielen. Ständig werde ich mit den uralten Klischees konfrontiert.
„Ist doch nicht ernst gemeint“, höre ich dann oft. Aber die Sprüche kommen trotzdem. Und
selbst wenn es „nicht ernst gemeint“ ist, ein Funken Wahrheit steckt doch bekanntlich in jedem
Spruch.
Es erinnert mich daran, wie tief die Ungleichstellung in der Gesellschaft verankert ist. Wir nutzen
Redewendungen wie „Wer hat bei euch die Hosen an?“ oder „Du schlägst ja wie ein Mädchen“.
Und so werden Glaubensgrundsätze aus längst vergangenen Zeiten, wie hier die
Kleidungsordnung des Familienoberhauptes und die Muskelkraft von jungen Frauen in das Jahr
2015 übernommen. Ich denke, die sprachliche Nutzung festigt solche Glaubensgrundsätze in
unserem Unterbewusstsein und gibt diese auch an kommende Generationen weiter. Dazu
passen Frauen in MINT-Berufen und in Führungspositionen nicht so recht.
Ein andermal auf einer Messe: Mein männlicher Kollege und ich betreuen einen Messestand.
Mein Kollege ist in ein Gespräch verwickelt, als sich ein älterer Herr für unsere
Ausstellungsstücke interessiert. Wie bereits gewohnt und nach vielen Messetagen eintrainiert,
gehe ich entschlossen auf ihn zu und biete meine Hilfe an. Er antwortet „Ja, ich hab ein paar
Fragen, da muss ich mal mit ihrem Kollegen sprechen.“ Und deutet mit einer Geste auf ihn.
Nach einem etwas erfolgreicheren Messegespräch bekomme ich einmal gesagt, „Man sieht
Ihnen gar nicht an, wieviel Ahnung sie haben.“. Soll ich das als Kompliment nehmen? Ich frage
mich, wie ich aussehen muss, damit man mir „Ahnung“ ansieht. Kann ich trotzdem noch ich
sein? Oder bin ich dann als älterer Herr verkleidet? Klischeehaft mit Bierbauch, Krawatte und
weißen kurzen Haar?! Die einzig kleine, aber spürbare Verbesserung, die ich erreichen konnte,
zeigte sich durch das Tragen eines Namensschildes, welches mich sehr offensichtlich als „Dipl.-
Ing.“ bezeichnet. Ich finde es traurig, denn ich glaube, weder Frauen noch Männer sollten einen
Titel brauchen, um ernst genommen zu werden.
Es waren drei von vielen Erfahrungen, die mir bewusst gemacht haben, wie allgegenwärtig die
Ungleichstellung zwischen Mann und Frau ist. Eine wirkliche Chancengleichheit besteht meines
Persönliche Eindrücke
24
Erachtens nach nur auf dem Papier. Das was im Unterbewusstsein aller Männer und Frauen
abläuft, beeinflusst die tatsächlichen Chancen und das ist nach wie vor von Klischees geprägt.
Über solche Erfahrungen muss man sprechen. Und diese Themen kann man besser besprechen,
wenn man sich unter Frauen trifft - in einer reinen Frauengruppe, wie im Programm Erfolgsteam
„Junge Frauen an die Spitze“. Wenn wir uns in der Gruppe damit auseinander-setzen, stärkt es
jede einzelne von uns im Umgang mit solchen Situationen. Damit Frauen in MINT-Berufen und
in Führungspositionen gar nicht mehr in solche Situationen kommen, bedarf es einer
nachhaltigen Sensibilisierung der Gesellschaft. Jedem Einzelnen, Männern und Frauen müssen
die Augen dafür geöffnet werden. Das schafft nur die öffentliche Auseinandersetzung und
vielleicht ein kleines Stück dieser Text.
Julia Ryssel
Schlaglichter der Studien- Strategiefahrt nach Brüssel (02.04. bis 05.04.2014)
Andrea Hanebuth
Brüssel wurde sehr konkret, ein Verständnis für Abläufe und Entzauberung des
Unerreichbaren
EU-Projekte, Millionenbeträge, Lobbyisten, Abgeordnete: Brüssel und die ganze EU-Politik die
damit zusammenhing war vor meiner Reise mit den Frauen des Erfolgsteams eine Hausnummer
zu groß. Na, vielleicht nicht zu groß, aber so weit entfernt, dass ich mich doch lieber um
Näherliegendes kümmern wollte.
Mein Interesse für die sächsische, bayrische und deutsche Politik war durchaus größer und –
auch wenn heute jeder in der Forschung gut Englisch spricht und Korrespondenz
selbstverständlich ist – viele Themen erfasst man in seiner Muttersprach einfach schneller und
bequemer. Gut, nun aber Brüssel, denn man muss sich ja damit auseinandersetzen und es gibt
Persönliche Eindrücke
25
ja viel mehr Forschungsgelder aus EU-Töpfen. Wir fuhren nach Brüssel. Eine Gruppe von jungen
Forscherinnen hatte verschiedene Ansprechpartner zum Thema EU-Politik und
Fördermöglichkeiten und internationale Forscher ausfindig gemacht und Gesprächsrunden
vereinbart, ein Marathon an Themen.
Was mich selbst verblüfft hat: ich war in Brüssel vor Ort, habe die Säle, Sitzungsräume,
Lobbyisten, Entscheider, Wissenschaftler, Gremienmitglieder getroffen und schwankte stets
zwischen Bewunderung und Abgeklärtheit. Bewunderung, weil ich von diesem Machtgefühl,
was durch die Stadt waberte, fasziniert und erschrocken zugleich war.
Ich fühlte, ich laufe durch eine Stadt, in der die Zukunft von Europa entschieden wird. Doch je
länger unser Aufenthalt wurde, umso abgeklärter nahm ich die Stadt und die Menschen, die
wir trafen, wahr.
Ich spürte, wie konkret alles wurde und dass es doch
recht viele Punkte gab, an denen man also ansetzen
konnte. Dieses Gefühl war sehr bestärkend. Mir wurde
klar, dass die EU und die Politik nicht so weit weg sind,
wie man sich das an seiner Universität denken mag,
wenn man über seinen wissenschaftlichen Themen
brütet. Mir wurde klar, dass viele Dinge ganz leicht zu
erfragen sind und es lediglich einer E-Mail oder eines
Anrufs bedarf, um in seinem Anliegen weiter zu
kommen. Mir wurde klar, dass ich diese Möglichkeiten,
die über EU-Förderung greifbar werden, nicht länger auf
später verschieben sollte. Mir wurde klar, dass ICH genau
dort wo ich jetzt stehe bereits gut genug bin um dort
einen Antrag zu stellen.
Das, was bei Beginn der Reise so weit weg war, wurde greifbar, wurde möglich, wurde
entzaubert. Denn etwas, worüber ein Zauber liegt, das möchte man nicht angreifen, damit es
nicht zerstört wird. Aber das Einzige was mit der Reise für mich zerstört wurde, war der Glaube,
dass das alles eine Nummer zu groß für mich war. Und so möchte ich auch anderen
Doktorandinnen Mut machen Dinge anzugehen, von denen man glaubt, dass sie vielleicht ein
bisschen zu groß sind. Wer weiß, ob ihr dann nicht schon zu groß für die Dinge seid, wenn ihr
sie angeht?!
Persönliche Eindrücke
26
Studienreise nach Brüssel - Programm (02.-05.04.2014)
Ziel: Eigenständige Konzeption und Organisation des Programmes im Team
Förderung des Verständnisses der Logik der EU-Forschungsförderung, des Lobbyismus
und der Struktur und Aufgaben der Abgeordneten sowie Mitarbeiter_innen
02.04.14
Besuch im Europäischen Parlament, Teilnahme an einer Parlamentssitzung
03.04.14
Europäische Kommission
Vorträge und Diskussion
Erfüllen Sie sich Ihre Forscherträume mit den Marie Skłodowska-Curie-Maßnahmen:
Frau Monika SCHLICHTNER (Referat Forscherlaufbahnen, Marie Sklodowska-Curie
Maßnahmen, Generaldirektion Bildung und Kultur und EUROPÄISCHER FORSCHUNGSRAT)
Attraktive Forschungsförderung für exzellente Wissenschaftler/innen:
Herr Andreas KEIL, European Research Council Executive Agency,
Scientific Management Department
Die europäische Internetpolitik:
Herr Prabhat AGARWAL, Referat Wissensaustausch, Generaldirektion
Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien
Ein neuer Rahmen für die europäische Energie- und Klimapolitik bis 2020:
Herr Niels ANGER, Referat Koordinierung der Energiepolitik, Generaldirektion Energie
Generaldirektion Justiz (DG Justice) Abteilung Geschlechtergleichstellung:
Interview mit Ilona v. Bethlenfalvy
Gespräch mit einem Lobbyisten aus der Finanzbranche
04.04.14
Universitè Bruxelles
Vortrag und Gespräch mit Frau Prof. Debaille, ERC Grant Inhaberin
Europäische Kommission: Interview mit Frau Josephine Wood
(Team Vice-President of the European Commission Neelie Kroes)
Sächsische Vertretung
Vorträge und Diskussion
Frau Sylvia Binger, Europäische Kommission, Generaldirektion Kommunikation
Herr Andreas Kühl, Referent Inneres, Raum- und Stadtentwicklung
05.04.14: Reflexion und Auswertung
Persönliche Eindrücke
27
Methodik für analytisches Herangehen an komplexe Situationen
Ich dachte eigentlich immer, dass ich recht erfolgreich mit kleineren und größeren Problemen
umgehen kann und dass vor allem ein „Schema F“ für die Praxis sinnloses theoretisches Zeug
ist. Schließlich ist ja jede Situation anders und außerdem weiß man ja immer, wo das Problem
ist. Und dann staunte ich, womit sich andere Teilnehmerinnen rumplagten. Ich fragte mich –
und wurde auch in der Gruppe gefragt – wie ich jetzt diese Sache angehen würde. Da hatte
man nun diese komplexen Probleme, ein Wust an Aufgaben, teilweise aus Konflikten, am
besten noch eine Kombination aus allem und wusste nicht so richtig weiter.
Nicht, dass ich jetzt immer sofort weiter wüsste, aber ich habe mir
aus den Workshops gut funktionierende Methoden
mitgenommen. Zwar bin ich vorher auch schon immer analytisch
an Probleme herangegangen (das sollte als Mathematikerin ja
auch irgendwie eine Art Berufskrankheit sein) – habe aber die Art
des Herangehens verfeinern und verbessern können. Wenn
komplexe Probleme irgendwie handhabbar werden sollen, dann zücke ich mittlerweile Zettel
und Stift. Eine Tafel tut‘s auch. Hauptsache, man hat die Sache mal vor sich gesehen und die
Gedanken dadurch ein Stück geordnet.
Wenn die Situation dann erst einmal Stück für Stück auseinandergenommen wurde, war ich
anfangs immer ein bisschen verblüfft, wie viele Komponenten – man könnte es auch „Ebenen“
nennen, daran beteiligt waren. Mittlerweile erstaunt es mich nicht mehr, dass auch bei
manchen, vordergründig sachlich erscheinenden Problemen, oft noch andere eher irrationale
Dinge im Spiel sind, die doch eigentlich gar nichts zur Sache beitragen sollten. Machen sie aber
trotzdem und benötigen daher eine gesonderte Behandlung.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich mich eines Tages in einer Situation wiederfand, die mich
stark belastete und aus der ich auch nicht so einfach herauszukommen schien. Ich trug mein
Problem beim nächsten Coaching vor und wurde intensiv befragt. Stück für Stück nahmen wir
es auseinander und zerlegten es in kleinere Teile. Dadurch bliebe es zwar nach wie vor
unangenehm, wirkte aber nicht mehr so übermächtig und erlaubte mir, wieder mit freierem
Kopf handlungsfähig zu bleiben. Wir überlegten auch gemeinsam neue Strategien mit denen
ich gut gefahren bin und auf die ich alleine nie gekommen wäre.
Es wäre vermessen zu sagen, dass ich nun komplexe Herausforderungen immer gleich
komplett strukturiert und analytisch angehe und sofort lösen kann. Aber ich behandle sie
mittlerweile weniger konfus als in der Anfangszeit und es ist manchmal schon sehr hilfreich,
einfach alles strukturiert unbeteiligten Menschen darzulegen, wofür eine Gruppe wie die der
Erfolgsfrauen enorm hilfreich ist. Wir hatten und haben eine sehr starke Vertrauensbasis und
hatten noch den Vorteil, dass jede aus einem anderen Fachbereich kam. So konnte man immer
völlig frei reden und musste sich nie sorgen, dass jemand aus der Schilderung auf eine
Persönliche Eindrücke
28
bestimmte Person, die das betrifft schließen konnte oder gar jemand Projekt- und
Forschungsideen sich zu Eigen macht.
Den größten Nutzen habe ich immer aus solchen Diskussionen über Fallbeispiele anderer
gehabt. Einerseits habe ich mir dadurch einen großen passiven Erfahrungsschatz aufgebaut
und andererseits viele verschiedene Herangehensweisen an Probleme kennengelernt. Die ein
oder andere habe ich mir dabei nebenher und unbewusst – quasi durch ständiges Erleben –
angeeignet, andere ganz bewusst. Hin und wieder fällt mir auf, wie sehr sich mein Denken in
solchen Momenten verändert hat und ich kann alleine deswegen nur empfehlen, sich bei einem
Programm wie dem Erfolgsteam „Junge Frauen an die Spitze“ zu bewerben. Wo sonst bekommt
man innerhalb kürzester Zeit so viel Lebenserfahrung?
Saskia Stein
Vom Selbstzweifel zum Selbstbewusstsein
Mein Start in das Doktorandendasein geschah auf einem Tiefpunkt meines Selbstbewusstseins.
Meine Diplomverteidigung lief alles andere als souverän, sodass ich sehr stark an mir und
meinen Fähigkeiten zweifelte. Ich stand am Ende eines langen Weges durch ein Studium, was
mich viel Zeit und Energie gekostet hatte und trotzdem blieb am Ende das Gefühl des
Versagens. Dennoch hatte ich vorher überlegt, eine Promotion zu beginnen, da die
Wissenschaft ein sehr interessanter Arbeitsbereich ist und vielfältige Themen bereithält. Mein
damaliger Betreuer der Diplomarbeit motivierte mich eine Promotion anzustreben, da er der
Meinung war, dass ich die nötigen Fähigkeiten zur Promotion hätte. Glücklicherweise bin ich
nicht so weit gegangen, sein Angebot abzusagen und begann mit meiner Promotion am
Lehrstuhl. Der Anfang war geprägt von viel Unsicherheit über die Herangehensweise und
teilweise wenig Entscheidungsfreudigkeit bei meinem Promotionsthema. Ständig zweifelte ich
an meinen Fähigkeiten und schob viele Dinge vor mir her, sodass ich zeitlich immer mehr in
Verzug geriet.
Es machte mir Angst, eine Fehlentscheidung zu treffen und diese später nicht mehr ändern zu
können. Es war die Suche nach der fehlerfreien - eben perfekten - Lösung, die es jedoch nie
geben kann. Außerdem machte mir die Beziehung zu meinem Mentor (der Betreuer der
Diplomarbeit) schwer zu schaffen, da sie immer wieder sehr emotional für uns beide wurde.
Eine Kollegin machte mich ein paar Monate nach Beginn der Promotion auf das neue
Programm Erfolgsteam „Junge Frauen an die Spitze“ der Graduierten- und
Forschungsakademie aufmerksam und motivierte mich eine Bewerbung abzugeben. Sie selbst
war schon in einem derartigen Projekt einer anderen Organisation und berichtete mir
begeistert davon. Zu meinem Glück wurde ich in das Programm aufgenommen und somit
Mitglied der „Jungen Frauen an die Spitze“. Rückblickend war es die beste Entscheidung meines
beruflichen Lebens! Gerade zu Beginn des Programms führte uns die Gruppenleiterin teils
einfühlsam und teils provokativ, sodass wir uns recht schnell als Gruppe fühlten und unsere
Persönliche Eindrücke
29
Sorgen im Berufsalltag miteinander teilen konnten. Besonders für mich war es sehr hilfreich, da
die Zusammenarbeit mit meinem Mentor von so großer Emotionalität geprägt war, die mich
manchmal echt verzweifeln ließ. In den Gruppensitzungen konnte ich die Entwicklung dieser
Beziehung immer wieder reflektieren und lernte so immer mehr, die Situation von außen zu
betrachten bzw. die Motivation eines bestimmten Verhaltens bei anderen Personen zu
erkennen. Dadurch entspannte sich mein Umgang mit ihm wesentlich und ich wurde
selbstbewusster und vor allem unabhängiger im Umgang mit ihm, meinen Kollegen und
meiner Promotion.
Wichtig war es auch, zu erkennen, dass es nicht die perfekte Lösung für mein Promotionsthema
gibt und ich Fehler machen werde. Je schneller man jedoch den Ärger über einen Fehler
überwinden kann und daraus gelernt hat, desto gestärkter geht man aus so einer lähmenden
Situation hervor. Besonders spannend war es in den Gruppensitzungen zu beobachten, wie
durch gezielte Fragen der Gruppenleiterin der jeweilige Konflikt, den jede Doktorandin
mitbrachte, auf den Punkt gebracht werden und somit erst eine Reflexion der Situation
stattfinden konnte. Häufig ist es ja so, dass man buchstäblich im Kreis seiner Gedanken wandert
und nicht mehr den Ausgang findet, um die Situation von außen zu betrachten und in die
Vogelperspektive zu wechseln.
Des Weiteren wurde jeder Konflikt, der mit in die Gruppe gebracht wurde, weitreichend
diskutiert, sodass jeder jungen Frau die gleiche Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Das bestärkte
die Gruppe in ihrem Zusammenhalt und einer ehrlichen und offenen Atmosphäre.
Ein weiterer sehr spannender Bestandteil dieses Programms ist die Möglichkeit weibliche
Vorbilder in Führungspositionen kennenzulernen und deren Lebenswege zu reflektieren. Jedes
Treffen war geprägt von interessanten Gesprächen und großer Authentizität der Vorbilder.
Dadurch werden die Vorbilder auf Augenhöhe gebracht, wodurch man im Umgang mit
Anderen in der (irgendeiner) Hierarchie (vermeintlich) höher stehenden Personen souveräner
und selbstbewusster wird. Es stärkt das eigene Auftreten immens und bringt Erfahrungen, die
immer wieder benutzt werden können. Das Programm hat mir sehr geholfen und mich viel
über mich selbst gelehrt, was mich auch im Privaten hat reifer und selbstbewusster werden
lassen. Ich habe und werde das Programm „Junge Frauen an die Spitze“ immer
weiterempfehlen!
Doreen Beyer
Zusammenhalt in der Gemeinschaft
Seit Oktober 2011 arbeite ich an meiner kooperativen Promotion an der TU Bergakademie
Freiberg und Hochschule Mittweida. Mein Gebiet ist die Mathematik, speziell die
Graphentheorie. Mein Arbeitsort ist Mittweida, sodass ich nur zu bestimmten Terminen nach
Freiberg komme. Im Januar 2013 habe ich mich für das Doktorandinnen-Programm beworben
und bin seit dem Teil der Gruppe. Dadurch, dass ich nicht jeden Tag in Freiberg bin, ist das
Persönliche Eindrücke
30
Programm für mich eine Möglichkeit, an der TU Bergakademie Freiberg Kontakte zu knüpfen
und Teil eines Ganzen zu sein.
Besonders in der Schule und dann etwas weniger im Studium war ich eher vom Typ
Einzelkämpfer und hatte wenig Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe. Ich war zwar immer ein
akzeptiertes Mitglied der Gemeinschaft und trug meinen Teil bei, aber ich schwamm eher so
am Rande mit. In den Coachings des Erfolgsteams änderte sich das nach
und nach. Nach einer Vorstellungsrunde im ersten Coaching besprachen
wir unsere bisherigen Lebenswege und Vorstellungen für die Zukunft.
Dadurch, dass keine Konkurrenz untereinander aufkam und auch
niemand be- oder abgewertet wurde, konnte sich Vertrauen bilden.
Verschiedene Probleme wurden besprochen und mögliche Lösungen
gefunden. Dabei kamen verschiedene Techniken zum Einsatz, die auch
im späteren Berufsleben von Nutzen sein werden.
Beispiele für Probleme sind Konflikte mit Kollegen, Vorgesetzten, aber auch im privaten
Umfeld. Eine oft auftretende Frage war: “Wie geht man mit jemandem um, mit dem man
eigentlich nicht gut klarkommt?” Es ging um die Auseinandersetzung mit den eigenen
Gefühlen, das Zulassen dieser, aber sich nicht überwältigen lassen. Andere Problemstellungen
wurden mit Fragetechniken überhaupt erst sichtbar. Wenn man diese offen legt, sind auch eine
klarere Kommunikation gegenüber anderen und eine Lösung möglich. So entstand ein
geschützter Raum, aus dem sicher alle Teilnehmerinnen gestärkt und mit nützlichem
Handwerkszeug ausgestattet hervorgehen.
Besonders hervorzuheben ist die gemeinsame Fahrt nach Brüssel, welche die Gemeinschaft
gestärkt hat. Wir haben diese mit verschiedenen Aufgaben in Gruppen selbst konzipiert und
organisiert. Dabei ging es schwerpunktmäßig um Forschungsförderung und Gleichstellung.
Auch Internet- und Energiepolitik der Europäischen Kommission waren Themen, die wir vor Ort
mit Vertretern der Europäischen Kommission besprachen. Durch die eigene Organisation
waren immer wieder andere Teilnehmerinnen für einen reibungslosen Ablauf verantwortlich.
Alles funktionierte sehr gut und auch die Abendgestaltung war sehr interessant und
abwechslungsreich. Unter anderem gab uns ein Lobbyist aus der Finanzbranche Einblicke in
seine Arbeit.
Wir werden auch in Zukunft in Kontakt bleiben. Regelmäßige Treffen werden für Austausch
sorgen und auch weiterhin Einblicke in die Berufsfelder der Teilnehmerinnen geben. Da weitere
Gruppen von Doktorandinnen eingeführt werden sollen, bauen wir so ein Netzwerk auf, das
hoffentlich lange bestehen bleibt.
Manja Reinwardt
Persönliche Eindrücke
31
Kommunikation in Konflikten
Ein großes, immer wiederkehrendes Thema in den letzten 3 Jahren waren Konflikte – größere
und kleinere. In diesem Zusammenhang hatten wir oft über Kommunikation gesprochen. Ich
ahnte, dass dies der Schlüssel ist, aber was kann man denn da schon groß machen? Es gibt die
Varianten, dass die andere Person endlich mit der Sprache rausrückt, was das Problem ist, dass
sie vernünftig wird und einlenkt oder sie bleibt stur und dann muss man die Sache eben
ertragen. Unter Umständen ist es noch ratsam, gleich gar nichts anzusprechen, da sowieso alles
nur in schlechter Stimmung endet.
Ziemlich schnell hatte sich herausgestellt, dass es dann eben doch nicht ganz so einfach ist und
man selbst ebenfalls einen großen Teil dazu beiträgt. Es war vorher schon klar, aber durch
Beispiele und Analysen trotzdem eindrucksvoll zu sehen, wie der Versuch, Konflikte zu
vermeiden diese weiter verschärft. Die beiden Sätze „Man kann nicht nicht kommunizieren“
und „keine Kommunikation ist auch Kommunikation“ sind mir dabei im Gedächtnis hängen
geblieben. Schlimmer als offene Kritik (ob nun berechtigt oder nicht) hören zu müssen ist es
eben, sich selbst auszumalen, was denn das Problem sein könnte und wie viel mehr Energie
verbraucht es, Konflikte zu vermeiden und gewisse Themen nicht anzusprechen als dies eben
nicht zu tun.
Was habe ich nun darüber hinaus über
Kommunikation in Konflikten gelernt? Alles fängt
mit der eigenen inneren Haltung an. Will ich
überhaupt eine Lösung oder an anderen einfach
nur meinen Ärger auslassen? Was will ich? Was ist
überhaupt mein Problem? Solange ich diese
Fragen nicht klar beantworten kann, wird sich nämlich gar nichts klären. Wie soll auch die
andere Person Dinge verstehen können, die man selbst nicht mal für sich formulieren kann?
Dann war da noch die Sache mit dem richtigen Zuhören, der Wertschätzung des anderen, der
Akzeptanz anderer Lebensentwürfe, Ansichten, Prioritäten, etc.
Durch die vielen Fallbeispiele war es immer wieder interessant zu sehen, wie sich
unterschiedliche Kommunikationsstile auswirken. Nachdem eine Situation geschildert wurde
und es eine Runde der Fragen und Lösungsvorschläge an die betreffende Person gab, war ich
immer wieder verblüfft, wie unterschiedlich unsere Gedanken dazu waren. Mir wurde bewusst,
wie unterschiedlich die gleichen Sätze bei den anderen ankamen, auf welche Details noch
geachtet wurde und dass eben nicht immer alles allen so einleuchtend und verständlich ist, wie
ich dachte. Dabei habe ich für mich die wichtigste Erkenntnis mitgenommen, Dinge klar
anzusprechen und auch zu schauen, ob sie wirklich so ankamen, wie sie sollten.
Persönliche Eindrücke
32
Immer gelingt es mir noch nicht, aber es bieten sich ja ständig Gelegenheiten, zu üben. Und
da es auch im privaten Bereich Situationen gibt, in denen es im Gebälk knirscht, nützt mir dieses
Wissen im ganzen Leben weiter. Auch die nonverbale Kommunikation kam nicht zu kurz. Ich
fand es faszinierend, welch kleine, scheinbar unbedeutende Details so einiges preisgegeben
hatten und beruhigend oder aufregend wirken konnten. Seitdem gehe ich viel aufmerksamer
durchs Leben und bin verblüfft, wie viel Menschen „erzählen“, obwohl sie gar nichts sagen.
Ausgerüstet mit diesem Wissen erkenne ich mittlerweile auch ein paar subtilere Zeichen der
Manipulation.
Kurz: Ich bin wachsamer geworden, gehe mit offeneren Augen durchs Leben und bin sehr
dankbar, in so komprimierter, nachhaltiger Form so viel gelernt zu haben.
Saskia Stein
Geduld haben lernen
Geduld haben lernen – ein zentraler Punkt, wenn man sich als junger Mensch auf Wissenschaft
stürzt.
Als ich mich entschieden habe die Erstellung einer Doktorarbeit anzupeilen, war ich 22, in den
letzten Zügen meiner Diplomarbeit und fest davon überzeugt, dass das genau das ist, was ich
als nächsten Schritt auf meinem Karriereweg anpeilen werde. Dabei habe ich mir das Ganze
immer in der Zukunft vorgestellt: So wird das sein, so wirst du auftreten, so werden dir die
Leute begegnen und natürlich packst du das. So sieht dein Weg auf der Karriereleiter nach
oben aus. Jaja, natürlich werde ich dabei an meine Grenzen stoßen, leiden, hart und noch härter
arbeiten und in zwei Jahren die Urkunde in den Händen halten. So meine – na ich möchte
sagen naive – Vorstellung von meiner Zeit, die ich mir als Doktorandin ausgemalt habe. Ich
möchte das nun nicht vorwegschieben und plakativ sagen, dass es nicht auch Doktoranden
gibt, die das genauso schaffen, aber ich habe in meiner Zeit der Promotion erlebt, dass die
leidvolle Erfahrung „Geduld zu lernen“ viel mit der Zeit, die man im Doktorandenstatus
verbringt zu tun hat. Was ich sagen will: Promotionen, die auch Personen formen, brauchen
durchaus ihre Zeit, um dem Delinquenten Geduld zu lehren – so wie bei mir.
Ich hatte einen Plan mit einer Maximalzeit, die ich mir gegeben hatte
für meine Promotion. Angehende Doktoranden seid euch gewiss:
Man braucht für eine Aufgabe immer solange, wie man Zeit zur
Verfügung hat. Nun ist es so, dass angehende Doktoranden – v.a.
wenn sie zur Promotion an eine andere Universität wechseln – erst
einmal Zeit brauchen sich einzufinden und einen eigenen Arbeitsrhythmus zu entwickeln.
Manchen gelingt das besser, anderen weniger, manche werden klar geführt, andere
bekommen wenig Richtlinien. Egal welche Art von Dr.-Vater man hat, man wünscht sich immer
den anderen Typus. Was hat das mit Geduld zu tun? Ich würde sagen ziemlich viel. Man muss
aus den Rahmenbedingungen, die man hat, das Beste machen und sie geduldig annehmen.
Persönliche Eindrücke
33
Damit meine ich keine reine Demutshaltung. In Geduld steckt das Wort „dulden“. Dulden heißt
etwas akzeptieren, hinnehmen, also mit einer Situation quasi einverstanden sein, wenn man
nicht in der Position ist, diese aktiv zu beeinflussen oder zu ändern. In solch einer
Abhängigkeitsposition befindet sich ja jeder Doktorand und es ist meines Erachtens auch ein
Lernprozess, solch einen Zustand selbst zu ertragen, zu erdulden.
Denkt man an die ersten Versuche und Erhebungen, so geht auch dies meist zu langsam, zu
schleppend und der junge, idealisierte, wissensdurstige und vorbildliche Wissenschaftler
kämpft um jede Stichprobe – der eine beharrlich und konstant, der andere mit Schwankungen
und Extremen im Vorankommen. Beide Typen nehmen gegenseitig nur die Durchbrüche wahr,
aber auf beiden Seiten gibt es hier auch den Moment, in welchen auch bei bester Vorbereitung
die erhofften Erkenntniszugewinne nicht auftreten. Die Enttäuschung ist groß und wenn man
das „Nichtklappen“ des Versuchs für sich selbst akzeptiert hat und man sich nicht mehr dafür
schämt (das eigene Ego steht oftmals viel zu sehr im Weg), beginnt man anderen davon zu
erzählen. Oft passiert es genau dann, etwas später, vielleicht im Gespräch: eine neue Idee, ein
anderer Ansatzpunkt bringt den nächsten Schritt für die Lösung. Das ist ein wichtiger Teil der
Forschung. Das eigene Scheitern erdulden und so lange verharren, bis man in eine Position
kommt in der man die Situation des Scheiterns verändern kann. Geduld heißt also auch diesen
Zustand des Nicht-Wissens zu ertragen, ohne ihn auf Dauer zu akzeptieren und beständig
Wege zu suchen, diesen zu verändern. Das ist die Geduld, die gepaart mit Beharrlichkeit
erfolgreiche junge Wissenschaftler auszeichnet.
In einer Gruppe wie den Erfolgsfrauen lehrt man sich interessanter Weise gegenseitig Geduld,
Beharrlichkeit und Antrieb. Jede Erzählung einer anderen Doktorandin, wie mit Schwierigkeiten
umgegangen wird, zeigt einerseits, dass auch andere Geduld zeigen müssen (sei es mit den
Versuchen, der eigenen Arbeit oder den Kollegen), dass auch andere beharrlich an ihrem Ziel
festhalten – ohne dabei verbissen zu sein – und dass auch andere mit strahlender Energie auf
ihre Ziele zugehen. Wer aufmerksam zuhört, kann aus solch einer Gruppe immer die richtige
Dosis an Erkenntnis, Motivation oder Mitgefühl mitnehmen, die man gerade braucht. Die
Gruppenmitglieder können offen miteinander sprechen und sind keine Konkurrentinnen, da
die Fachgebiete so unterschiedlich sind. Das ermöglicht, bei der Reflexion der eigenen Person,
seine Stärken und Schwächen zu erkennen und man kann auch wieder etwas geduldiger mit
sich selbst umgehen.
Was ich damit sagen will: Ich habe das Gefühl, dass mir meine Promotionszeit Geduld gelehrt
hat. Ich habe gelernt, meine innere Ungeduld zu zügeln ohne meinen inneren Antrieb zu
verlieren. Solch eine positive Erfahrung wünsche ich jedem jungen Wissenschaftler, denn es
verleiht einem ein schönes starkes Gefühl, wenn man weiß seine Geduld und Ungeduld
kontrollieren zu können.
Andrea Hanebuth
Persönliche Eindrücke
34
Chancen nutzen – ein Aufruf, an sich selbst zu glauben
Lebenswege gibt es so viele wie Menschen die Erde
bevölkern. Weniger davon sind im engeren Sinne gut oder
richtig, einige bemerkenswert und nur wenige dienen als
Vorbild. Im JFadS-Programm konnten wir einige
Lebenswege kennen lernen, die alle in die Kategorie
bemerkenswert fallen. Was nun für die Teilnehmerinnen
ein Vorbild sein kann, ist natürlich sehr subjektiv.
Erwartungsgemäß sollten uns die “Karrierefrauen” zeigen,
wie man Familie und Beruf unter einen Hut bringt, falls das denn überhaupt möglich sein kann
und nach meiner Erwartung sollten uns männerfressende, ich-bezogene und selbstverliebte
Frauen begegnen, die ihre Karriere vor alles andere stellen. Zu meiner Überraschung gab es
allerdings gerade diese nicht. Die meisten waren unglaublich sympathische, aufrichtige und
umsichtige Frauen, häufig Mütter mehrerer Kinder, die in ihrem Auftreten und in ihrem Denken
strukturiert, souverän und trotzdem locker wirkten. Natürlich hatte jede ganz besondere
Fähigkeiten und Charakterzüge, ohne die der Erfolg kaum denkbar gewesen wäre. Ich konnte
hier einige Lebenswege sehen, die sehr interessant waren, allerdings überhaupt nicht in meine
persönliche Lebensplanung passen, andere fielen wiederum in die Kategorie “erstrebenswert”.
Es gab Frauen, die ihr Privatleben für die Karriere völlig aufgegeben haben und das offen
zugaben. Es gab Frauen, die behaupteten, keine Freizeit zu haben, dabei allerdings eine Familie
mit 3 Kindern hatten, wenigstens einmal im Monat ihr erlerntes Instrument spielten und
regelmäßig wandern oder klettern gehen und deren Arbeitstag 10.00Uhr beginnen. Es gab
Frauen, die offen zugaben, um Karriere und Familie unter einen Hund zu bringen, hatten sie
alle Aufgaben abgegeben, die beiden Dingen nicht dienten.
Trotz dieser vielen Unterschiede, trotz der unterschiedlichen Persönlichkeiten und trotz
unterschiedlicher Fachrichtungen, Positionen und Familienverhältnissen, hatten viele Frauen
doch etwas gemeinsam: Sie haben ihre Chancen genutzt. Die wenigstens hatten konkret ihre
Karriere oder auch ihr Privatleben durchgeplant, von Kindheitsbeinen an ein klares Ziel vor
Augen und verfolgten dieses streng. Viele Frauen haben auch einige Umwege genommen um
das zu erreichen, was sie am Ende erreicht haben. Daraus konnten sie meist viele Vorteile
ziehen und sich persönlich entfalten. Dies gilt insbesondere für Tiefschläge. Kaum ein Aufstieg
ohne zwischenzeitlichen Fall. Damit möchte ich nun nicht, auch nicht für mich, für ein planloses
Treiben plädieren, in dem sich sicher irgendwann etwas ergibt. Nein, einen Antrieb, Traum oder
Wunsch muss man haben. Den hatten wohl alle. Nur ein strenges Planen, wie dieser zu
verwirklichen ist und kein Abweichen von der geraden Linie, hilft anscheinend nicht stark voran
oder ist einfach, entgegen der Erwartung, nicht der effizienteste Weg.
Chancen nutzen, wenn sich Abzweigungen am Weg auftun.
Persönliche Eindrücke
35
Das heißt unter anderem, sich vernetzen, wenn es möglich ist. Umtriebigkeit, Präsenz,
manchmal sogar Aufdringlichkeit sind hier Kernpunkte. Es gilt Netzwerke in verschiedene
Richtungen zu entwickeln, auch wenn auf den ersten Blick der Nutzen nicht ganz klar wird.
Das heißt auch, Förderer nutzen, wenn ein Förderer als solcher zu erkennen ist. Häufig findet
sich im Professor, im Doktorvater, im ersten Chef, vielleicht im Vater oder im Partner, in einem
Bekannten oder einem Kooperationspartner jemand, der die Fähigkeiten seines Gegenübers
erkennt und schätzt und deshalb ernsthaft bemüht ist, dieses voranzubringen. Diese Förderer
sind kein Glücksfall sondern zum einen berechtigt zum anderen die beste Unterstützung, die
man bekommen kann und muss als solche genutzt werden.
Das heißt auch, aufstehen, wenn man zu Boden gegangen ist. Es passiert. Manchmal tut es sehr
weh und doch können daraus Lehren gezogen werden, die ein ebener Weg uns sonst nicht
gelehrt hätte.
Das heißt vor allem auch, an sich und seine Leistungen zu glauben. Eine positive
Grundeinstellung zu sich und seinen Fähigkeiten, ein entsprechend lockeres und authentisches
Auftreten scheinen der Schlüssel zum Erfolg und gleichzeitig zu einem beschwingten Leben zu
sein. Übertriebene Selbstkritik, wie sie für Frauen typisch scheint, ist unangemessen. Natürlich
gehört eine gesunde Selbsteinschätzung ebenfalls zu einem authentischen Auftreten und lässt
sich selbst immer besser werden. Aber ein gesunder Stolz auf die erbrachten Leistungen und
ein gewisses Maß an Zufriedenheit in Kombination mit Selbstachtung erhalten die Gesundheit.
Chancen nutzen, heißt allerdings auch, spontan auf Angebote reagieren zu können, die ganz
neue Perspektiven eröffnen. Das bedeutet zwar, aus seiner Komfortzone ausbrechen zu
müssen, was das Überwinden des inneren Schweinehundes voraussetzt, aber gerade das
verspricht die größten Überraschungen und Erfolge mit sich zu bringen.
Die Liste ließe sich noch stetig erweitern, aber klar sollte sein, dass jede Chance genutzt werden
sollte. Sie könnte die letzte, aber auch die entscheidende sein.
In diesem Sinne, lasst uns die Chancen nutzen und die Segel zu neuen Ufern setzen.
Franziska Hunger
Danksagung
36
Danksagung
Der größte Dank gilt Dr. Kristina Wopat dafür, dass sie dieses Programm auf die Beine gestellt
hat, dafür was sie uns damit ermöglicht hat und dafür dass sie immer an uns geglaubt hat.
Wir danken Dr. Angelique Leszczawski-Schwerk für die Organisation der Programmpunkte, den
Zusammenhalt der Gruppe, die wertschätzende Kommunikation und ihr feines
Fingerspitzengefühl zwischen Freiheit lassen und wiederholtem Nachfragen.
Wir danken der Rektoratskommission Gleichstellung der TU Bergakademie Freiberg für die
finanzielle Unterstützung und das damit entgegengebrachte Vertrauen.
Und last but not least danken wir den Spitzenfrauen, die wir kennenlernen durften und allen
Jungen Frauen an der Spitze für ihre Bereitschaft ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit uns zu
teilen.
Sophie Ullrich & Julia Ryssel im Namen der Gruppe „JFadS“
Layout & Lektorat: Sophie Ullrich & Julia Ryssel
Illustrationen: Manja Reinwardt