Rolf Holle1, Renée Stark1, Michaela Schunk1, Christine Meisinger2, Reiner Leidl1
1Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen2Institut für Epidemiologie
Berlin, 30. Juni 2009
Ergebnisse der KORA-Studiezur Prozess- und Outcomequalitätvon Disease-Management-Programmen
Evaluation von DMPs
• (Cluster-)Randomisierte Studie war in D nicht durchführbar(Beyer at al, 2006)
→ wie kann DMP in Versorgungspraxis evaluiert werden?
• Gesetzliche Evaluation:→ keine Kontrollgruppe ohne DMP
• Auswertungen von Abrechnungsdaten der Kassen:→ keine medizinischen Untersuchungsdaten
• Praxisbasierte Studien:→ Standardisierung?, Selektionsbias?, Patientensicht?
Unterschiedliche Studientypen sind erforderlich, um einvollständiges Bild zu erhalten
Selektionseffekte
diagnostizierte Diabetiker
Indikation für DMP-Teilnahme
Randomisierte Studie• Strukturgleichheit primär gegeben,aber gefährdet durch Drop-Out
• Strukturgleichheit gefährdet durchSelektionsbias
Cluster-Randomisierte Studie
• Identifikation früher Fälle schwierig(insbes. falls nicht in DMP)• mehr kränkere Patienten unter denDMP-Nicht-Teilnehmern
• bessere Vergleichbarkeit durchTeilnahmefähigkeit, aber es bleibenevtl. Motivationsunterschiede
DMP-Teilnehmer
Kassendatenanalyse
DMP Nicht-Teilnehmer
diagnostizierte Diabetiker
Beobachtungsstudie ohne Rand.
MONICA/KORA Kohorten
♣bevölkerungsbasierte regionale Studien seit 1985♣Untersuchungen, Interviews und Fragebögen
• Messung BMI, Blutdruck etc.• Laborwerte• Erfassung aller Medikamente (7 Tage)• Interview und Fragebogen zur Soziodemographie
Inanspruchnahme med. Leistungen, körperl. Aktivität Alkohol, Rauchen, Lebensqualität
♣Altersbereich 25 bis 75 Jahre bei Basisuntersuchung♣Response: (S4) Baseline 68% (F4) Follow-up 80%
(S3) Baseline 75% (F3) Follow-up 76%
♣Zusatzbefragung Diabetiker finanziert durch AOK-Bundesverband
Fragestellungen
♣ Lassen sich Selektionseinflüsse bei der Einschreibung inDMP Diabetes erkennen?
♣ Wie unterscheiden sich Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer amDMP Diabetes bzgl. Prozessparametern?
♣ Wie unterscheiden sich Teilnehmer und Nicht-Teilnehmer amDMP Diabetes bzgl. Ergebnisparametern?
♣ Welche zeitlichen Trends in der Versorgung der Diabetikerlassen sich in der Region im Zeitraum der DMP-Einführungfeststellen?
Untersuchungsaufbau
Studie F3(2004-2005)
Studie F4(2006-2008)
DMP Diabetes EinschreibungÄrztl. validierte Ergebnisse
Modul B: QuerschnittsanalyseVergleich der DMP-Teilnehmer und
Nicht-Teilnehmer in F4
UntersuchungsstichprobeTyp 2 Diabetiker
Modul A: ZeittrendsVergleich S4 – F3 – F4
Studie S4(1999-2001)
Prozessparameter gemäß RSAV Anlage 1Beteiligte Absatz Prozesselement Abfrageform
Leistungs-anbieter(Arzt)
1.4.1 Ernährungsberatung Mind. einmal in denletzten 12 Monaten1.4.3 Beratung zu körperlicher Aktivität
1.5 Blutzuckerkontrolle (HbA1c)
1.5 Blutzuckersenkende Therapie Aktuelle Medikation
1.7.1.1 Blutdruckkontrolle Mind. einmal in denletzten 12 Monaten1.7.1.2 Cholesterinkontrolle
1.7.2.2 Kontrolle Eiweiß im Urin
1.7.2.3 Augenkontrolle
1.7.2.5 Fußuntersuchung
1.7.1.1 Antihypertensive Medikation Aktuelle Einnahmevon Medikamenten1.7.1.2 Statintherapie
1.7.1.3 Thrombozytenaggregationshemmer
Patienten 1.4.4. Stoffwechselselbstkontrolle Mind. einmalwöchentlich1.4.3 Gewichtskontrolle
1.7.1.1 Blutdruck Mind. einmalwöchentlich1.7.2.5 Fußuntersuchung
- Führen eines Diabetes-Tagebuchs ja/nein
4.2 Teilnahme an Diabetes-Schulung
Indikatoren für Ergebnisqualität
Selbstausfüllfragebogen
Selbstausfüllfragebogen
Interviewteil
Messung bei Untersuchung
Selbstausfüllfragebogen
Laboruntersuchung
Messung bei Untersuchung
Abfrageform
Zufriedenheit mit BehandlungZufriedenheit mit Informationen über DiabetesZufriedenheit mit Schulungen
SF-12 (Körperliche u. Psychische Summenskala)
Sport (≥2 Std./Woche regelmäßig)
Nicht-Raucher (Nie-Raucher und Ex-Raucher)
Taillenumfang ≤102 cm (Männer) bzw. ≤ 88 cm (Frauen) 2
BMI (≤ 25 kg/m2; ≤ 30 kg/m2)
Hyper- und/oder Hypoglykämie
Nervenleiden in den Beinen
Eiweiß im Urin
Retinopathie
Blutdruck ≤140 (syst.) und ≤90 (diast.)
Diastolischer Blutdruck (mmHg)
Systolischer Blutdruck (mmHg)
Kreatinin
Gesamt-Cholest. /HDL Cholest. ≤ 5
Gesamt-Cholesterin
LDL-Cholesterin (≤ 100 mg)
HDL-Cholesterin
HbA1c (≤ 6,5 %; ≤ 7 %; ≤ 8 %)
Ergebniselement
Übergewicht
Blutdruck
Lipidprofil
Patientenzufriedenheit
Lebensqualität
Sport
Rauchen
Begleit- und Folgeerkrankungen
Glukoseregulation
Bereich
gemäß Leitlinien der Fachgesellschaften und RSAV Anlage 1
Fallfindung bzgl. Diabetes und DMP-Teilnahme
Identifikation der Diabetiker durch- Selbstangabe- Medikation- im Zweifelsfall Rückfrage beim Hausarzt
Ergebnis: 235 Diabetiker (von 3080 Teilnehmern)→ 227 Typ 2 → 209 GKV-versichert
Identifikation DMP-Teilnehmer:- Selbstangabe im Fragebogen- Validierung bei Hausarzt inkl. Zeitpunkt Einschreibung→ Rücklauf N=166
Mittl. Einschreibedauer: 27 Monate
0
2
4
6
8
10
12
14
16
0 - 6 7 - 12 13 -
18
19 -
24
25 -
30
31 -
36
37 -
42
43 -48 > 48
Zeit in DMP
An
za
hl
Statistische Methoden
Adjustierte Schätzung des DMP-Effekts:
• mittels logistischer bzw. linearer Regression
• Odds Ratios bei dichotomen Parametern
• Mittelwertsunterschiede bei quantitativen Parametern
Adjustierungsvariablen:
Geschlecht, Alter, Bildung, Diabetesdauer, kardiovaskuläreKomorbidität (Herzinfarkt, Schlaganfall)
Keine Adjustierung der p-Werte und Konfidenzintervalle fürmultiples Testen
→ „Signifikanz“ nur als Hinweis, nicht als Nachweis eines Effekts
Vergleich Basisdaten
Typ 2 Diabetikerohne DMP-Teilnahme
(n=77)
Typ 2 Diabetikermit DMP-Teilnahme
(n=89)
p-Wert
Männer 56% 55% n.s.
Alter (in Jahren)a 68,6 (36-81) 67,5 (43-79) n.s.
Diabetesdauer (in Jahren)a 8,1 (0-38) 8,9 (0-32) n.s.
Schulbildung (Hauptschule) 74% 79% n.s.
Raucher 12% 21% 0,10
Herzinfarkt/Schlaganfall 9% 7% n.s.
BMIb kg/m2 30,5 (4,5) 32,1 (5,0) 0,03
Syst. Blutdruckb mmHg 142 (21) 142 (20) n.s.
LDL-Cholesterinb mg/dl 150 (45) 138 (38) 0,06
HbA1cb % 6,44 (1,34) 6,54 (1,12) n.s.
a(Mittelwert, Streubreite), b(Mittelwert, Standardabweichung)S4: Basisstudie 7 Jahre vor der aktuellen Untersuchung
bei F4:2006-2008
bei S4:1999-2001
Ärztliche Kontrolle (Patientenangabe)
adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Komorbidität und Dauer der Diabeteserkrankung
0
20
40
60
80
100
HbA
1c
Blu
tdru
ck
Cholest
erin
Eiweiß
Uri
n
Nicht DMP DMP
p=0,10
p=0,03p=0,43
p=0,37
%
Ärztliche Kontrolle und Beratung (Patientenangabe)
adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Komorbidität und Dauer der Diabeteserkrankung
0
20
40
60
80
100
Unters
. Augen
Unters
. Fuß
Beratu
ng Körp
. Akt.
Beratu
ng Ern
ährung
Nicht DMP DMP
p=0,0015
p=0,0026p=0,0004 p=0,0045
%
Medikamenteneinnahme
adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Komorbidität und Dauer der Diabeteserkrankung
0
20
40
60
80
100
Antidia
betika
Blutd
ruck
senker
Lipid
senker
TZAH
Nicht DMP DMP
p=0,0005
p=0,24
p=0,041
p=0,097
TZAH: Thrombozytenaggregationshemmer
%
Diabetes-Schulung und -Tagebuch
adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Komorbidität und Dauer der Diabeteserkrankung
0
20
40
60
80
100
Schulu
ng
Tagebuch
Nicht DMP DMP
p=0,0042
p=0,045
%
Selbstkontrolle (mind. 1mal pro Woche))
adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Komorbidität und Dauer der Diabeteserkrankung
0
20
40
60
80
100
Füße
Blu
tzuck
er
Gew
icht
Blu
tdru
ck
Nicht DMP DMP
p=0,41 p=0,30p=0,31 p=0,021
%
Therapieziele: HbA1c
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
!6.5 % !7.0 % !8.0 %
Nicht DMP
DMP
010
20
30
40
4 6 8 10 12 4 6 8 10 12
kein DMP DMP
Perc
ent
HbA1c WerteGraphs by DMP Status
Werte bei DMP-Teilnehmern inengerem Zielkorridor
p=0,12
Therapieziele (2)
adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Komorbidität und Dauer der Diabeteserkrankung
0
20
40
60
80
100
Blutd
ruck
(130/85)
Ges.ch
ol./HDL<5
LDL <100m
g/dl
BMI<
=25kg/m2
Nicht DMP DMP
p=0,046
p=0,08
p=0,66
p=0,013
%
Therapieziele (3)
adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Komorbidität und Dauer der Diabeteserkrankung
0
20
40
60
80
100
Nicht-R
aucher
Sport >
2 h
/Wo
Nicht DMP DMP
p=0,57
p=0,044
%aber: mehr DMP-Teilnehmerhaben das Rauchenaufgehört (12/19 vs. 2/7)
Änderungen in den Ergebnisparametern
adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, Komorbidität und Dauer der Diabeteserkrankung
0,67-2,1 (-11,7; 7,5)-13,4 (35,2)-23,0 (45,3)LDL–Cholesterin mg/dl
0,900,1 (-0,7; 0,8)-0,1 (2,4)0,1 (2,4)BMI kg/m2
0,950,1 (-2,0; 2,2)2,4 (6,3)2,6 (7,0)Taillenumfang cm
0,0088-3,1 (-5,4; -0,8)1,4 (8,7)-2,6 (8,5)HDL-Cholesterin mg/dl
0,191,8 (-0,9; 4,4)-10,3 (11,1)-8,4 (10,6)Diastolischer Blutdruck mmHg
0,124,1 (-1,2; 9,3)-11,3 (20,3)-6,5 (20,4)Systolischer Blutdruck mmHg
0,75-0,05 (-0,26; 0,37)0,34 (1,2)0,33 (1,4)HbA1c Wert %
Typ 2Diabetikerohne DMP-Teilnahmea
Typ 2Diabetikermit DMP-Teilnahme
AdjustierterMittelwerts-unterschied(95% KI)
p-Wert
(n=77) (n=89)
aangegeben sind Mittelwert und Standardabweichung der Differenz zwischen S4 und F4
Achtung: Baseline im Mittel 5 Jahre vor DMP, z.T. vor Diagnose Diabetes
Weitere Ergebnisse
• keine Unterschiede bzgl. Behandlungszufriedenheit und Lebensqualität (SF12)• Unterschiede bei der Inanspruchnahme med. Versorgung
0
20
40
60
80
100
Stationär Allgem. A. Hausarztl. Int. Augenarzt
Nicht DMP DMP
Anteil mit stationäremAufenthalt in letzten 12 Monaten
bzw.Arztbesuch in letzten 3 Monaten
p=0,097
p=0,041
p=0,086
p=0,061
DMP und Zeittrends:Augen- und Fußuntersuchungen
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
0 1 2 3 4
DMP-Augen
Augen-Gesamt
Nicht DMP-Augen
DMP-Fuß
Fuß-Gesamt
Nicht DMP-Fuß
1999-2001 2004-2005 2006-2008
%
DMP und Zeittrends:Antihypertensiva und Blutdruck
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
0 1 2 3 4
DMP-Antihypertensiva
Antihypertensiva
Nicht DMP-Antihypertensiva
DMP-Blutdruck
Blutdruck < 130/85
Nicht DMP-Blutdruck
1999-2001 2004-2005 2006-2008
%
DMP und Zeittrends:Lipidsenker und Cholesterin-Quotient
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
0 1 2 3 4
DMP-Chol. Quotient
Gesamt Chol./LDL < 5
Nicht DMP-Chol. Quotient
DMP-Lipidsenker
Lipidsenker
Nicht DMP-Lipidsenker
1999-2001 2004-2005 2006-2008
%
Validität Selbstangabe DMP-DM
Teilnahme anDMP-DM
lt. ArztJa
(N=89)
lt. ArztNein
(N=77)
nichtValidiert
lt.Selbstangabe
Ja 44 8 12 64
Nein 41 56 25 122
Keine Angabe 4 13 6 23
89 77 43 209
Sensitivität der Selbstangabe: 52% → viele falsch-negative SASpezifität der Selbstangabe: 88% → wenig falsch-positive SA
Aber keine systematischen Unterschiede der Ergebnisse zwischenDMP-Teilnehmern mit korrekter vs. falscher Selbstangabe
Prävalenz34%
Prävalenz54%
Vergleich mit Daten der gesetzl. Evaluation
♣ AOK Bayern, Stand: Januar 2009
♣ Kohorten mit Eintritt II/04 und I/05
♣ Daten aus 5. bzw. 4. Folgehalbjahr
♣ alle in DMP-Diabetes eingeschriebenen Patienten (n=ca. 50.000)
AOK Bayern* KORA
Alter (Jahre) 67,4 67,5
Diabetesdauer (Jahre) 9,0 8,9
Anteil männlich 46% 55%
Anteil ohne OAD/Insulin 26% 15%
HbA1c (%) 6,89 6,85
BMI (kg/m2) 30,2 32,1
*eigene Berechnung aus Abschlussbericht infas et al.
Zusammenfassung Methodik
Vorteile KORA:
• bevölkerungsbasierter Zugang
• kassenübergreifend
• Patientenangaben (z.B. Selbstkontrolle, ASS)
• valide Messdaten
• Falldefinition über Patient und ggf. Arzt
• Vergleichbarkeit durch Teilnahmefähigkeit
Nachteile KORA:
• kleine Stichprobe
• Selektion durch Non-Response möglich
• im wesentlichen Querschnittsanalyse
Zusammenfassung Ergebnisse
♣Vorteile der DMP-Teilnehmer in allen Prozessparametern
♣geringere Unterschiede in der Selbstkontrolle als bei ärztlichenKontrolluntersuchungen und Beratung
♣unterschiedliche Effekte bei Ergebnisparametern
• HbA1c Werte im Mittel gleich, aber weniger Streuung beiDMP-Teilnehmern
• DMP-Teilnehmer erreichen öfter Zielblutdruckwerte
• DMP-Teilnehmer hören öfter mit dem Rauchen auf
• aber: DMP-Teilnehmer haben einen höheren BMI und mehrTaillenumfang
• DMP-Teilnehmer treiben weniger Sport
• keine Unterschiede in Zufriedenheit oder Lebensqualität
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
sowie an
- die beteiligten Probanden und Ärzte der KORA-Studie
- MitarbeiterInnen des KORA-Teams
- den AOK-Bundesverband für die Kofinanzierung
Fragenformulierung DMP-Teilnahme
Seit wenigen Jahren gibt es für bestimmte chronische Krankheiten spezielle Behandlungsprogramme (sog. Disease Management Programme wie das „Curaplan“ der AOK oder das „BKK MedPlus“ Programm), in die sich die Patienten einschreiben können. Auch für Diabetes werden solche Programme jetzt angeboten.Nehmen Sie an einem solchen Behandlungsprogramm für Diabetiker teil?