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Bern Samstag3. März 2012 BernSamstag

3. März 2012

Früher gab es hier Drogenpilze. Jetzt gibt es Tantra-Massagen.Das ehemalige Hotel Eywald oberhalb von Rüschegg Heubachhat nach einer verschwommenen Vergangenheit eine fragwür-dige Gegenwart und eine unklare Zukunft.

Vom Pilzli-Hotel zum Tantra-Haus mit Venusgarten

Lotos-Lebensschule nennen die18 Menschen ihr Projekt. Im frü-heren Hotel Eywald ob RüscheggHeubach leben sie seit Mai 2011zusammen und bieten Kurse,Workshops, Therapien und Bera-tungen an. Und Tantra-Massa-gen. Tantra: Das Wort hat einenNachklang. Es tönt nach Sex,mehr noch, nach Prostitution.

Das Haus an der Talstation desSkilifts kam 2006 in die Schlag-zeilen, weil der Pächter hier ei-nen schwunghaften Handel mitDrogenpilzen betrieb. Jetzt ist eskein Bordell. Doch positionierensich die Betreiber in der Nähe desRotlichtmilieus, weil sie ihreDienste dort anbieten: mit Klein-anzeigen in den Sexspalten von

Zeitungen und im Internet aufmindestens einem Sexportal.

Diese Zeitung wollte wissen,was hier geschieht, und besuchteeinen als Tantra-Einführung be-zeichneten dreistündigen Kurs.Dann informierten wir uns beiManu Rüegg, der 48-jährigenLeiterin des Zentrums, undschickten den Betroffenen denText zu.

Lotosstiel-MassagenDie heftigen Reaktionen stim-men nachdenklich: Manu Rüeggwollte den Artikel komplett um-schreiben und beschimpfte denJournalisten als Lügner. Ein mitdem Zentrum verbundener Ber-ner Chirurg bat dringend, seinen

Namen nicht zu erwähnen. Undder Besitzer der Liegenschaftdrohte mit der Polizei. Statt aufAussagen beruht der Text aufBeobachtungen und öffentlichzugänglichen Informationen.

Die Kunden wissen vermut-lich, was sie im Hotel Eywald er-wartet. Gemäss den Unterlagenkostet die «Venusgarten-Massa-ge» für Frauen und die «Lotos-stiel-Massage» für Männer 350Franken. Sie dauert zwei Stun-den. Gast und Masseurin sindnackt. Kein Geschlechtsverkehr.

Möglicherweise werben dieBetreiber des Zentrums in derRotlichtszene bloss, weil sie naivsind. Sicher aber ist LeiterinRüegg mutig. Nach einem Auf-tritt bei einem privaten TV-Sen-der verlor sie vor zwölf Jahrenihre Stelle als Gesangslehrerin aneiner Ostschweizer Schule. AmFernsehen war zu sehen, wie sie

nackt massierte. Um alle Sinneanzusprechen, sei das nötig, ar-gumentierte sie. Die Behördenliessen sich nicht überzeugenund feuerten sie.

Tantra ist gemäss der Lotos-Lebensschule in Eywald eine alteindische Philosophie, die Körper,Geist und Seele vereine. Tantraermögliche, sich mit den Kräftendes Lebens und der Sexualitätauseinanderzusetzen, Aggressio-nen und Ängste zu verstehen.

«Sei ein Kind»Die Innenräume des einstigenHotels wirken so, wie man sichein esoterisches Kurslokal vor-stellt: viele Kerzen, viele Kissen,es riecht nach Räucherstäbchen,und die grosse Skulptur einer in-dischen Gottheit verspricht kos-mische Verbindungen. Beim Ein-führungskurs sind Übungen zuerleben, die man von ähnlichen

Angeboten her kennt: Sei einKind, mach, wonach dir zumuteist, singe, tanze, schreie. Auch dieGesprächsrunden erinnern anGewohntes: Die Teilnehmerspüren sich und kosmische Ener-gien. Stutzig macht die Aussagevon Leiterin Rüegg, dass es keineunheilbaren Krankheiten gebe.

Das Lotos-Zentrum beruht aufdrei Säulen: Die Tantra-Lebens-schule ist die erste. Als zweitenPfeiler betrachten die Betreiberdie Gesundheit. Sie wollen alter-native Therapien und selbst her-gestellte Produkte anbieten. Unddrittens möchte das Team dasHaus anderen Veranstaltern fürSeminare zur Verfügung stellen.

Hotel wird versteigertLotos versteht sich als Lebens-gemeinschaft. Die Männer undFrauen, zwischen 16 und 50 Jahrealt, arbeiten hier und wohnen im

Haus oder in der Nähe. Einige ge-hen zusätzlich auswärts eineranderen Tätigkeit nach. Das alsVerein organisierte Zentrum ver-rechnet Kost und Logis und ver-gütet den Mitgliedern anhand ei-nes Verteilschlüssels ihren Anteilan den Einnahmen. Umsatzzah-len sind nirgends aufgeführt.

Die Gemeinschaft steht vorgrossen finanziellen Aufgaben.Am 21. März versteigert das Be-treibungsamt Bern-Mittelland inOstermundigen das Hotel Ey-wald. Besitzer ist Rolf Niederber-ger, Kaufmann aus Gurzelen.Seine Ehefrau wirtet dort im Res-taurant Kreuz. Experten schät-zen den Wert der LiegenschaftEywald auf etwa 430 000 Fran-ken. Das Lotos-Zentrum willkaufen. Weil es dringend Spendersucht, ist anzunehmen, dass nochzu wenig Geld vorhanden ist.

Peter Steiger

Das einstige Hotel Eywald ob Rüschegg Heubach wird versteigert. Zurzeit leben und arbeiten in den sanierungsbedürftigen Gebäuden die Mitglieder der Lotos-Lebensschule. Ob das Zentrum das Geld für den Kauf und die Renovation aufbringt, ist offen. Urs Baumann

«HEXEN-HOTEL»

Vorgeschichte Das Hotel Eywaldhat eine interessante Vergan-genheit – die allerdings nichtsmit der jetzigen Nutzung zu tunhat. Hier wirtete 2006 der Deut-sche David Jan Schlesinger. Ernannte das Haus «Hexen-Hotel»,bot makrobiotische Küche undSeminare über Schamanismusan und zog einen Versandhandelmit bewusstseinserweiterndenPilzen auf. Er war 430 Tage in Un-tersuchungshaft. Ein Urteil stehtnoch aus. 2010 kam der Deut-sche wieder in die Schlagzeilen.An seinem neuen WohnortTriengen LU erreichte er, dassKruzifixe aus den Schulzimmernverbannt wurden. Nachdem erund seine Familie bedroht wor-den waren, zogen Schlesingersmit unbekanntem Ziel insAusland. pst

ESOTERIK LOTOS-LEBENSSCHULE IN EYWALD

DÄLLEBACH-FILM Zum Kinostart tourtenKari und Annemarie durchs Mittelland: Wasdie Schauspieler Nils Althaus und Carla Juriwährend der Dreharbeiten erlebten.

Für den Film musste sie erst einmal Berndeutschlernen. Kein Wunder: «Mein Vater ist Tessiner, mei-ne Mutter Luzernerin, zu Hause haben wir entwe-der Italienisch oder Luzerndeutsch gesprochen»,erzählt Carla Juri. Und redet weiter davon, wie siedurch Berns Gassen streifte und sich vorstellte, wiees hier vor 120 Jahren wohl ausgesehen hat. Hilf-reich seien auch alte Bilder und Fotos gewesen. «Ichhabe Bern schätzen gelernt.»

Carla Juri ist auf Promotour. Gemeinsam mitSchauspielkollege Nils Althaus fährt sie einenAbend lang von Kino zu Kino quer durchs bernisch-solothurnische Mittelland, um für den neuen Filmüber das Berner Stadtoriginal Dällebach Kari dieWerbetrommel zu rühren. Das heisst, unterwegssind ja eigentlich die Industriellentochter Annema-rie Geiser und der junge Coiffeurgeselle Karl Däl-

lenbach, die im Werk von Oscarpreisträger XavierKoller die tragenden Rollen spielen. Zum Auftaktstehen die beiden dem Publikum in Belp Red undAntwort, und Nils Althaus sagt auf eine entspre-chende Frage: Nein, Hollywood sei für ihn kein The-ma. Wer in der amerikanischen Traumfabrik richtigFuss fassen wolle, müsse alles stehen und liegen las-sen und jenseits des Atlantiks von Grund auf neu an-fangen. Es ist halb acht, kurz vor Filmbeginn.

Eigenartige SchreibweiseVon den Tücken, für das Set eine Hasenscharte ver-passt zu bekommen, erzählt Nils Althaus beimnächsten Halt. Das heisst, politisch korrekt redet ervon einer Lippen-Gaumen-Spalte, als er um halbneun und ebenfalls noch vor Filmbeginn in Burg-dorf auftritt. Dafür, fährt er fort, habe ihm die Maskeeine Art Gebiss mit Draht eingesetzt. Dieser habedie Lippe in die Höhe gedrückt, die entsprechendeStelle sei dann mit einer dünnen Silikonhaut abge-deckt und zusätzlich überschminkt worden – undgenau da lauerte die Tücke. «Eine Silikonhaut»,führt Nils Althaus aus, «ist nur beschränkt dehn-bar.» Ein breites Lachen sei also nicht dringelegen,auch dann nicht, wenn jemand auf dem Set einendummen Spruch gemacht habe.

Der Filmtitel «Eine wen iig», das verrät er auchnoch, möge für Berner Ohren in der Tat eigenartigtönen. Weil es doch eigentlich «Eine wien iig» heis-sen müsste – aber eben, das verstünden, zumindestin der geschriebenen Form, die Leute in der übrigenSchweiz nicht. Für sie töne die gewählte, offizielleSchreibweise berndeutsch genug.

Schwatz mit hundert StatistenWieder gut eine Stunde später plaudern die beiden,nun in Grenchen und in der Pause, über die Zusam-menarbeit mit den Statisten. Gerade die Kinder sei-en in den alten Kleidern sehr herzig anzuschauengewesen, schwärmt Carla Juri, derweil Nils Althausdas Augenmerk auf die Erwachsenen lenkt: Statis-ten machten in der Regel mit, um erleben zu kön-nen, wie es beim Film so laufe. Dazu gehöre oft auchein kleiner Schwatz mit den Berufsschauspielern.«Bei hundert Statisten kann das schwierig werden,gerade, wenn man sich konzentriert auf die nächsteSzene einstellen möchte.»

Althaus erinnert noch an die eigene altertümlicheKleidung und an die komische Blicke der Passantenwährend der Drehpausen in der Berner Altstadt.Besonders von den Japanern, «sie meinten wohl,wir seien in der Schweiz einfach so angezogen».

Eine schwierige HochzeitViertel vor elf. In Lyss, der letzten Station, ist derFilm bereits zu Ende. Hier bewegt vor allem die Fra-ge, welche Szene die zum Spielen schwierigste ge-wesen sei. «Die Hochzeit», sagen Carla Juri und NilsAlthaus unisono. Das Fest ist auch für die zwei Figu-ren im Film so schwierig: Annemarie Geiser heira-tet einen andern. Und entscheidet sich damit defi-nitiv gegen Kari Dällebach. Stephan Künzi

Eine zähe Silikonhaut undkomische Blicke der Japaner

Plauderei im Kinosaal: Carla Juri und Nils Althausim Gespräch mit Moderator Raff Fluri (v. r.). Iris Andermatt

STADT BERN Wohin mit denStadtnomaden? Vorläufighaben sie ihre Wagen auf demMittelfeld beim Studersteinaufgestellt. Der Entscheid desStatthalters wegen der Zwi-schenlösung bei der Neubrückverzögert sich. Aus juristisch-formellen Gründen.

Eigentlich hatte man in der StadtBern erwartet, dass Regierungs-statthalter Christoph Lerch An-fang 2012 über die Baubewilli-gung für den provisorischenStandplatz der Stadtnomaden ander Neubrückstrasse entschei-det. Jetzt dürfte es noch etwaslänger dauern. In der gestrigenAusgabe des Anzeigers findetman eine weitere Baupublikationfür das Vorhaben, gegen dasbereits zahlreiche Einspracheneingegangen sind. Erneut gibt esgegen diese Baupublikation eineBeschwerdefrist von 30 Tagen.Was ist passiert?

«. . .aus formellen Gründen»Simpel ausgedrückt: Die bisheri-ge Baupublikation war nicht voll-

ständig. Und insofern auch nichtkorrekt. «Die Baupublikationist eine Nachpublikation voneiner beanspruchten Ausnahmevon einer Nutzungsbestimmungnach See- und Flussufergesetz»,heisst es vonseiten des Re-gierungsstatthalteramtes Bern-Mittelland in der etwas kompli-

zierteren Version. «Es wurde ur-sprünglich nur eine Ausnahmeder zonenfremden Nutzung nachBaureglement publiziert undnicht nach See- und Flussuferge-setz. Die Nachpublikation erfolg-te aus formellen Gründen. DasGesetz schreibt vor, dass die Aus-nahme publiziert werden muss»,

Erneute Baupublikation verzögertZwischenlösung für Stadtnomaden

so das Regierungsstatthalteramt.Inhaltlich hat sich am Bauvor-haben nichts geändert.

Die gestrige Nachpublikationführt aber zu einer weiterenVerzögerung. Bis am 2. April ist esmöglich, beim Regierungsstatt-halter Einsprache gegen die neueBaupublikation erheben. An denbisher eingegangenen Einspra-chen ändert sich nichts. Sie sindnach wie vor gültig, versichertdas Regierungsstatthalteramt.

Übergangslösung bis 2014Die Stadt will den Stadtnomadenin der Neubrück bis maximal2014 Platz zur Verfügung stellen.Danach sollen sie und weitereNomaden in eine «Zone fürWohnexperimente» ziehen. DieStadt plant diese in Riedbach,vorgängig gibt es eine Volksab-stimmung (wir berichteten).

Seit Anfang Februar lebt diealternative Wohngruppe auf demMittelfeld beim Studerstein.Hierher waren sie vom wenigeMeter entfernten Viererfeld ge-zogen. Auf dem Mittelfeld dürfensie drei Monate bleiben. rah

Lustig ist das Stadtnomadenleben nicht unbedingt. Im Mittelfeld dürfensie bis Anfang Mai bleiben, dann müssen sie weiterziehen. Jürg Spori

OSTERMUNDIGEN Die Ge-meinde muss beim Versuch,ihre Verwaltung neben demBahnhof zu zentralisieren,einen Rückschritt hinnehmen.

Das Geschäft Verwaltungszent-rum Poststrasse 6 muss erneutverschoben werden, heisst es inden Unterlagen für die nächsteSitzung des Parlaments vonOstermundigen. Dabei hatte dieHauseigentümerin noch AnfangJahr eine Einigung mit der heuti-gen Mieterin in Aussicht gestellt.Bei dieser handelt es sich um dieSwisscom, die einen Mietvertragfür das ganze Haus bis 2016 be-sitzt und dann ausziehen wird.Schon heute möchte sie einenTeil der Räume der Gemeinde ab-treten, die darin ihre über ganzOstermundigen verstreute Ver-waltung zentralisieren könnte.

Voraussetzung für diesen Planwar zunächst eine Einigung zwi-schen Eigentümerin und Swiss-com über die Konditionen für dieRäume, die bis 2016 noch von derSwisscom gemietet würden. Die-se Voraussetzung schien AnfangJahr erfüllt – bis die finanzieren-de Bank der Eigentümerin dieZustimmung verweigerte.

Alternative in der SchubladeDeshalb steht nun fest, dass dieSwisscom bis 2016 die ganze Lie-genschaft mietet. Die Gemeindekönnte bei ihr eine Untermieteeingehen. Das kommt für sie abernur infrage, wenn sie sich die Lie-genschaft langfristig sichernkann. «Ob die Verhandlungen zueinem erfolgreichen Abschlussgeführt werden können, ist imMoment offen», heisst es in denUnterlagen für die Parlaments-sitzung.

Laut Jürg Hebeisen, Abtei-lungsleiter Hochbau, wird derGemeinderat Ende März über einletztes Angebot an die Eigentü-merin entscheiden. Wenn keineEinigung erzielt wird, könnte dieAbteilung Hochbau eine alte Ideewieder aufnehmen: Im Frühling2010 wollte die Gemeinde einenInvestorenwettbewerb für einenNeubau eines Verwaltungsgebäu-des durchführen. Als die Swiss-com kurz zuvor ihren Auszug ausder Poststrasse gemeldet hatte,wurde der Plan auf Eis gelegt. hae

Verwaltungblockiert

STADT BERN Die Rot-Grün-Mitte-Parteien und diverseVerbände wollen die Woh-nungsnot stoppen. Sie lancie-ren eine Volksinitiative fürgünstige Wohnungen und for-dern einen Sonderfonds, umSpekulation zu verhindern.

Bern hat zu wenig bezahlbareWohnungen. Die Leerwohnungs-ziffer von 0,45 Prozent bedeutetlaut einer schweizweit gültigenDefinition Wohnungsnot. Undwer eine Wohnung sucht, ist inBern im Vergleich zum Schnittaller Wohnungen mit 1,41-malhöheren Mieten konfrontiert.

Für die Rot-Grün-Mitte-Par-teien (RGM) der Stadt Bern sinddiese Fakten Antrieb, nach etli-chen Bestrebungen in den letztenJahren im Wahljahr 2012 kom-plett auf das Thema Wohnen undinsbesondere «bezahlbares Woh-nen» zu setzen. «Wohnen ist einzentrales Anliegen, und die Mietemacht in den allermeisten Haus-halten den grössten Budgetpos-ten aus», sagte SP-Co-PräsidentThomas Göttin an einer Presse-konferenz gestern Freitag.

Die städtische SP gehört zumbreit abgestützten Mitte-links-

Komitee «Wohnen für alle». DasSpektrum der Parteien und Orga-nisationen, die das Begehren un-terstützen, ist breit und reichtvon den RGM-Parteien SP, GBund GFL inklusive Jungparteienbis zu dem Gewerkschaftsbund,dem Mieterverband KantonBern, dem VCS und dem Verbandder gemeinnützigen Wohnbau-genossenschaften SVW.

Sonderfonds mit 60 MillionenDas Komitee hat zwei Ziele: zumeinen den Erhalt preisgünstigerWohnungen in bestehenden Bau-ten. Zum andern soll auch beiNeubauten garantiert sein, dasszahlbare Wohnungen entstehen.

Dafür setzen die Initianten aufzwei verschiedene politische Ins-trumente: Einerseits reichen sieim Stadtrat in zwei Wochen eineinterfraktionelle parlamentari-sche Initiative ein. Diese verlangtdie Schaffung eines Sonderfondsim bestehenden Fonds für Boden-und Wohnbaupolitik. Dieser sollmit 60 Millionen Franken ausge-stattet sein. Damit sollen Immo-bilien auf dem Markt gekauft unddamit der Spekulation entzogenwerden. Das Kapital solle aus derWertsteigerung des Portfolios

stammen, erläutert GFL-Vizeprä-sident Patrik Wyss. Die Liegen-schaften wären eigenfinanziertund die Lösung für die Stadt somitkostenneutral. Der Wohnungs-markt sei zwar ziemlich ausge-trocknet, sagt Wyss. Es gebe aberimmer wieder Besitzer, die sichvon ihren Liegenschaften trenn-ten, dabei aber sicherstellen woll-ten, dass sie weiter mit sozialemGeist bewirtschaftet würden.

Der Erfolg eines solchenFonds, das räumen auch die Initi-anten ein, ist schwer abzuschät-zen. Klar sei, dass er nicht preis-treibend wirken solle. Der Ge-meinderat wird aufgefordert, allefünf Jahre Bericht zu erstatten.

Die VolksinitiativeParallel zu diesem Vorstoss aufStufe Stadtrat lanciert das Komi-tee am 1. Mai eine Volksinitiativemit dem Titel «Für bezahlbareWohnungen». Diese nimmt Neu-bauten ins Visier. Ziel ist es, dieBauordnung so abzuändern, dassder Anteil des gemeinnützigenWohnungsbaus deutlich höher istals heute (siehe auch Kasten). DieInitianten fordern, dass mindes-tens ein Drittel der künftigenWohnungen «preisgünstig oder

gemeinnützig» sein muss. Mass-gebend sind dabei national gültigeKostenlimiten. Gültig soll dieDrittelregel bei Überbauungen abeiner Grösse von 40 bis 50 Woh-nungen sein. Zudem soll eine biszu 20 Prozent höhere Ausnutzung

als bisher erlaubt sein, wenn diesedazu dient, Wohnungen in Kos-tenmiete zu bauen (siehe Kasten).«Wichtig ist es, dass diese Vorga-ben für alle Quartiere gelten sol-len», sagt GB-Präsidentin Natha-lie Imboden. Sonst entstehe in der

Stadt ein Gefälle, was die Mietenanbelange: im Westen tief, im Os-ten hoch. In Zug etwa gelten sol-che Bestimmungen nur für einzel-ne Quartiere.

Evi Allemann, Präsidentin deskantonalen Mieterverbands, be-

zeichnet die Anstrengungen desKomitees als «Leuchtturm-Pro-jekt», das über die Stadt hinaus-strahlen werde, wenn es zustan-de komme. Ob die Instrumentewirken würden, sei schwierig ab-zuschätzen. «Aber es muss das

politische Ziel sein», so Alle-mann. Derweil geht GB-Präsi-dentin Imboden aufgrund derEingriffe in den Markt auch vonpolitischem Widerstand aus:«Der ist programmiert, und demstellen wir uns.» Wolf Röcken

Das Wylerdörfli: Ein Beispiel einer genossenschaftlichen Siedlung in der Stadt Bern. Andreas Blatter

GEMEINNÜTZIGER WOHNUNGSBAU

Gemeinnütziger Wohnungsbauist der 3.Weg zwischen Mieteund Eigentum, sagt Jürg Sollber-ger, Präsident des Verbands dergemeinnützigen Wohnbauge-nossenschaften Bern-Solothurn.

«Wir könnengrundsätzlichnichtbilliger bauen, aber anders ver-mieten», erklärt er. Die Grundkos-ten beim Bauen liessen sich wenigbeeinflussen. Eine kleine Kosten-reduktion sei wegen kleinerer Flä-chen- und Komfortansprüchemöglich. Die entscheidende Fragesei aber, wie man die Mieten ge-stalte. In gemeinnützigen Woh-nungen gilt die sogenannte Kos-tenmiete. Sie deckt die effektivenKosten und richtet sich nicht wieeine Marktmiete nach Angebotund Nachfrage. Das Kapital bleibtin den Liegenschaften und bei den

Trägern (Genossenschaften oderStiftungen) und fliesst nicht zumEigentümer ab. Wohnungen desgemeinnützigen Wohnungsbaussind langfristig 15 bis 20 Prozentgünstiger als der Marktdurch-schnitt. In Bern beträgt der Anteilgemeinnütziger Wohnungenrund 10 Prozent. In Thun, Biel undZürich sind es jeweils rund 20 Pro-zent. Berns bekannteste Siedlun-gen mit gemeinnützigem Woh-nungsbau sind etwa das Wyler-dörfli und die Eisenbahnersied-lung. Am Donnerstag hat derStadtrat den Zonenplan für dieÜberbauung Warmbächliweg(jetziges Areal Kehrichtverbren-nungsanlage) genehmigt. 50 Pro-zentderWohnflächesindgemein-nützigem Wohnungsbau vorzu-behalten. wrs

RGM tritt geschlossen für mehr gemeinnützigen Wohnbau in der Stadt an

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Das Haus ist keinBordell. Dochwirbt die Lotos-Lebensschule imRotlichtmilieu.

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